Stromgroßhandel Preisentwicklung und wesentliche Einflussfaktoren
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Stromgroßhandel Preisentwicklung und wesentliche Einflussfaktoren Eine Analyse der Österreichischen Energieagentur im Auftrag von Oesterreichs Energie Wien, am 10. November 2021
IMPRESSUM Herausgeberin: Österreichische Energieagentur – Austrian Energy Agency GmbH FN 413091m, Mariahilfer Straße 136, A-1150 Wien T. +43 (1) 586 15 24, Fax DW 340, Email: office@energyagency.at | www.energyagency.at Für den Inhalt verantwortlich: DI Franz Angerer Autor:innen: Karina Knaus, Lukas Zwieb, Christoph Dolna-Gruber Nachdruck nur auszugsweise und mit genauer Quellenangabe gestattet. Die Österreichische Energieagentur – Austrian Energy Agency GmbH hat die Inhalte der vorliegenden Publikation mit größter Sorgfalt recherchiert und dokumentiert. Für die Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität der Inhalte können wir jedoch keine Gewähr übernehmen
Inhalt Der Europäische Strommarkt Entwicklungen im Stromgroßhandel seit 2019 Wesentliche Einflussfaktoren Auswirkung auf die Preise am Endkundenmarkt Ausblick Häufige Fragen und Antworten 3
Der heutige Europäische Strommarkt ist maßgeblich von Liberalisierung und Integration geprägt Liberalisierung des Markts für Strom und Gas Vor der Liberalisierung Zur Harmonisierung und Liberalisierung des Energiebinnenmarkts der EU sind seit 1996 Maßnahmen verabschiedet worden, die Marktzugang, Übertragung Verteilung Transparenz und Regulierung, Verbraucherschutz und Erzeugung Vertrieb Kund:in Versorgungssicherheit verbessern sollten. Ziel dieser Maßnahmen war der Stromhandel Aufbau eines wettbewerbsfähigen, kundenorientierten und Vertikal integrierter Energieversorger diskriminierungsfreien EU-Strommarkts mit marktorientierten Preisen. Nach der Liberalisierung Erzeugung und Vertrieb sowie Handel im Wettbewerb Regulierter Bereich Vertrieb Die Liberalisierung trennt den Strom- wie auch den Gassektor in zwei Erzeugung große Bereiche auf: Übertragungs- und Verteilernetze fallen in den Verteilung Liberalisierter Markt Liberalisierter Markt regulierten Bereich. Die Erzeugung (Strom) sowie der Handel und der Vertrieb Vertrieb werden dem liberalisierten Markt zugeordnet, wo Wettbewerb Erzeugung herrscht und sich Preise auch über das Wechselspiel von Angebot und Verteilung Nachfrage bilden. Übertragung Vertrieb Kund:in Diese Analyse beschäftigt sich primär mit diesem liberalisierten Markt und Erzeugung nimmt dabei den Großhandel mit Strom in den Fokus. Verteilung Vertrieb Erzeugung Stromhandel Vertrieb Grafik: Österreichische Energieagentur 5
Großhandel mit Strom: Börse und „Over-the-Counter“, Day-Ahead-Spotmarkt bildet Referenzpreis für den Handel Eine wichtige Basis der von Lieferanten in Rechnung gestellten Struktur des Stromhandels in der Europäischen Union Energiepreise bilden die Großhandelspreise für Strom, wobei diese aktuell nur rund ein Drittel des Gesamtpreises einer kWh ausmachen. Stromhandel Ein wesentlicher Teil der Großhandelsgeschäfte erfolgt über bilaterale Verträge zwischen Lieferanten und Erzeugern im Over-the-Counter- (OTC-) Markt. Im Gegensatz dazu steht der offizielle Börsenhandel, etwa an der EPEX Spot SE, der EEX, der EXAA oder der Nordpool Spot SE. Die Strom- Großhandel Systemdienstleistungen preise im OTC-Geschäft orientieren sich ebenfalls am Börsenhandel. Letzterer ist unterteilt in einen Spotmarkt, auf dem Intraday- sowie Day- Ahead-Kontrakte gehandelt werden, und einen Terminmarkt, in dem Börsenhandel Over-the-Counter (OTC) primär Futures, ferner auch Optionen kontrahiert werden. Bei den Futures können an jedem Handelstag Produkte für zukünftige Lieferungen* ge- und verkauft werden. Erwirbt man beispielsweise 1 MW Spot- Termin- Spot- Termin- des Grundlast-Monatskontrakts für Mai 2022, wird in jeder Stunde des markt markt markt markt Monats diese Menge „geliefert“. Als „Frontmonat“ bezeichnet man in weiterer Folge den Handel für den jeweiligen Folgemonat (z.B. Juni 2022 für Handelstage im Mai 2022). z.B. Monatskontrakte, Day-Ahead Futures Jahreskontrakte Der Day-Ahead-Markt nimmt im Stromhandel eine zentrale Rolle ein, da die dort resultierenden Preise als Referenz für die Absicherungsgeschäfte am Terminmarkt dienen. Auch für die Optimierung an den kurzfristigeren Intraday Optionen Intraday-Märkten gilt der Day-Ahead-Markt als wichtiger Anhaltspunkt. * In der Regel kommt es zu keinen physischen Lieferungen, da die Erfüllung normalerweise finanziell erfolgt. Grafik: Österreichische Energieagentur in Anlehnung an Energy Brainpool 6
Marktkopplung in der Europäischen Union führt zur vertieften Integration des Strommarkts Der Day-Ahead-Markt und somit indirekt auch die vor- und nach- gelagerten Märkte sind in Europa über die sogenannte Marktkopplung SDAC Mitglied* integriert. Seit Juni 2021 umfasst diese Single-Day-Ahead-Marktkopplung (SDAC) beinahe ganz Europa. Dabei werden für jede Gebotszone im zentralen europäischen Algorithmus EUPHEMIA in einer täglichen Auktion die stündlichen Preise für den nächsten Tag bestimmt. Österreich bildet seit 2018 eine eigenständige Gebotszone, zuvor gab es eine gemeinsame Gebotszone mit Deutschland. In den beiden Ländern können sich seitdem unterschiedliche Preise einstellen. Grundlage für die Preisbildungen sind einerseits Gebote der Stromhändler und andererseits die für den Handel verfügbaren Übertragungs- kapazitäten. Der Marktkopplungsprozess sorgt dafür, dass wohlfahrts- optimal jene Gebote zum Zug kommen, die für eine kostenminimale Deckung der Nachfrage notwendig sind. Durch diesen gemeinsamen Mechanismus ist die Preiskorrelation über viele Stunden und Gebotszonen hinweg hoch. Zu größeren Preisabweichungen kommt es immer dann (bzw. dort), wenn (bzw. wo) die für den Handel verfügbaren Übertragungskapazitäten gering sind. *Grenze Bulgarien/Rumänien voraussichtlich ab Q4 2021 und Kroatien/Ungarn im Q1 2022. 7
Merit-Order: Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis im Großhandelsmarkt Funktionsprinzip der Preisfindung im Europäischen Großhandel: Angebot und Nachfrage bestimmen im Strommarkt den Preis Die „Merit-Order-Kurve“ Die Preisbildung im Strommarkt wird wie in jedem Markt von Angebot Strombedarf z.B. des nächsten Tages und Nachfrage beeinflusst. Eine Besonderheit des Strommarkts: Die [MWh] Merit-Order-Kurve bestimmt den Preis. Sie bildet die Einsatzreihenfolge Das letzte Kraftwerk, das zur Bedienung Grenzkosten [€/MWh] der stromproduzierenden Einheiten zur Deckung des Strombedarfs ab, des Strombedarfs benötigt wird, ist ein um eine volkswirtschaftlich optimale Versorgung zu gewährleisten. Die Gaskraftwerk. Seine Grenzkosten bestimmen den Strompreis (hier: für Merit-Order orientiert sich an den niedrigsten Grenzkosten, das sind diese Stunde des nächsten Tages) Kosten, die für eine zusätzlich produzierte Einheit elektrischer Energie anfallen. Kraftwerke, die Strom mit günstigen Grenzkosten produzieren, werden gemäß Merit-Order als erstes zur Bedienung der Nachfrage herangezogen (etwa Wind, PV, Wasserkraft). Danach werden so lange PV Wind Nuklear Kohle Erdgas Öl Erzeugung [MWh] Kraftwerke mit höheren Grenzkosten hinzugenommen, bis der Wasserkraft prognostizierte Bedarf gedeckt ist. Photovoltaik- und Windkraftwerke mit Grenzkosten nahe Null verdrängen Grenzkosten [€/MWh] Mehr Sonne, Wind und Wasserkraft Kraftwerke in der Merit-Order weiter nach hinten und sorgen so für drängen das zuletzt preissetzende niedrigere Preise. Gaskraftwerk und einige Kohlekraftwerke aus dem Fahrplan. Ein günstigeres Dieser Preisbildungsmechanismus wird als Einheitspreis-Auktion Kohlekraftwerk setzt den Strompreis. bezeichnet, da alle Kraftwerke denselben Preis für ihre Einspeisung bekommen, auch wenn sie unterschiedliche Preise geboten haben. PV Wind Wasserkraft Nuklear Kohle Erdgas Öl Erzeugung [MWh] Grafik: Österreichische Energieagentur 8
„Hedging“: Langfristige Geschäfte dienen der Absicherung gegen Preisrisiken Langfristige Geschäfte dienen der Absicherung (a) Variante Beschaffung „short“ Da im Day-Ahead- und Intraday-Markt die Preise stark schwanken können, Einkauf von Fehlmengen werden Absicherungsgeschäfte über den Terminmarkt (meist Futures) Erwarteter Verbrauch über Spotmarkt getätigt. Dabei kann der erwartete Verbrauch bzw. die erwartete Erzeugung über unterschiedliche Standardprodukte langfristig im Vorhinein abgedeckt werden. Quartals- produkt In der Abbildung werden vereinfacht und stark stilisiert zwei Varianten Jahresprodukt Peak dargestellt. In der ersten Variante (a) wird der erwartete Verbrauch nur so weit mit Standardprodukten aufgefüllt, dass dieser nicht überschritten Jahresprodukte Base wird. Ein Einkauf im Spotmarkt ist für die fehlenden Mengen in dieser Beschaffungsposition „short“ somit notwendig. Das Gegenteil davon wäre (b) Variante Beschaffung „long“ eine Überdeckung mit Standardprodukten, welche in Variante (b) als Beschaffung „long“ dargestellt wird. In diesem Fall werden überschüssige Verkauf von Überschüssen Erwarteter Verbrauch Mengen am Spotmarkt verkauft. am Spotmarkt In der Praxis gibt es unzählige Verfahren und Strategien, um Preis- und Quartals- Mengenrisiken zu minimieren. Letztendlich stellt dies die grundlegende produkt Geschäftstätigkeit aller Energieversorgungsunternehmen dar. Da die Lieferanten Terminmarktprodukte zur mittel- bzw. langfristigen Jahresprodukt Peak preislichen Absicherung verwenden, haben diese somit eine hohe Jahresprodukte Base Relevanz für den Endkundenmarkt. Vor allem haben die jeweils aktuellen Preise der Terminprodukte einen Einfluss auf die zukünftigen Grafik: Österreichische Energieagentur in Anlehnung an E-Control Endkundenpreise. 9
Der reine Energieanteil macht nur rund ein Drittel des Haushaltsstrompreises aus Endkundenpreise haben mehrere Preiskomponenten Zusammensetzung des Strompreises in Österreich Die Preise für Endkund:innen setzten sich sowohl für Haushalte als auch für die Industrie aus unterschiedlichen Preiskomponenten zusammen. Grob kann zwischen den Energiekosten, den Netzkosten und den Steuern und Abgaben unterschieden werden. Der Energieanteil ist jener Anteil, Umsatzsteuer der vom Preisgeschehen an den Großhandelsmärkten mitbestimmt wird. 16,7% Dies betrifft auch einen Teil der Ökostromkosten, wobei dort der Effekt in Netzkosten Ökostromkosten der umgekehrten Richtung auftritt (höhere Großhandelspreise bedeuten niedrigere Ökostromkosten). Bei einem durchschnittlichen Haushalt 25,2% 12,3% beträgt der Anteil der Energiekosten am Gesamtstrompreis aktuell etwas mehr als ein Drittel. Haushaltskund:in 3.500 kWh Liberalisierte Märkte seit 20 Jahren Wien Elektrizitätsabgabe In Österreich wurden die Endkundenmärkte vor 20 Jahren liberalisiert, das 6,5% heißt, es herrscht die freie Lieferantenwahl. Durch das Erneuerbaren- Ausbau-Gesetz werden am Endkundenmarkt neue Rollen (z.B. Gebrauchsabgabe Aggregatoren) und Möglichkeiten geschaffen (z.B. Erneuerbare Energiekosten 35,7% 3,6% Energiegemeinschaften und Bürgerenergiegemeinschaften). Grafik: Österreichische Energieagentur in Anlehnung an E-Control 10
Entwicklungen im Stromgroßhandel seit 2019
Die Großhandelspreise für Strom steigen stark, auch im Vergleich zum Vorkrisenniveau Day-Ahead-Preise legen seit Jahresbeginn um 194% zu. Übersicht Stromgroßhandelspreise [EUR/MWh] Die Stromgroßhandelspreise steigen seit Beginn des 3. Quartals 2021 stark. Insbesondere ab September setzt eine sehr dynamische Entwicklung ein. Spotmarkt Spotmarkt Spread Termin- Österreich Deutschland markt Preise steigen in allen Produkten, Kontrakte erreichen Rekordniveau Differenz Jahreskontrakt Neben dem Day-Ahead-Markt legen auch alle anderen Großhandels- Österreich und Base 2022 Day-Ahead Day-Ahead Deutschland produkte deutlich zu. Der Jahreskontrakt für Stromlieferungen im Österreich Folgejahr 2022 (d.h. ein Produkt aus dem Terminmarkt) sieht seit 2019 40,05 37,67 2,38 (6,0 %) 51,73 Jahresbeginn ein Plus von 150% und pendelt sich im Oktober bei rund 130 EUR/MWh ein. 2020 33,15 30,47 2,68 (8,1 %) 46,39 Preissteigerungen betreffen ganz Europa 2021 83,59 77,52 6,07 (7,3 %) 75,78 Österreich ist mit diesem Phänomen nicht alleine, die Preise steigen in Oktober 2021 169,78 139,54 30,24 (17,8 %) 130,33 ganz Europa stark, auch im Vergleich zu Zeiten vor der Pandemie. Die Spreads, d.h. die Preisunterschiede gegenüber dem für Österreich Änderung seit wichtigen deutschen Markt lagen im Oktober bei über 30 EUR/MWh. Ein + 194 % + 164 % - + 150 % Jahresbeginn* Anstieg der Spreads ist für das 3. Quartal nicht ungewöhnlich, da *Mittelwert Jänner 2021 im Vergleich zu Mittelwert Oktober 2021 aufgrund der höheren Windeinspeisung in Deutschland und der niedrigeren Wasserkrafterzeugung in Österreich in diesem Zeitraum die Datenstand: 2.11.2021, Quelle: EPEX/EEX, Berechnungen Österreichische Energieagentur stärksten Abweichungen zu beobachten sind. Prozentuell betrachtet bleiben sie über das Jahr 2021 (Jan-Okt) gegenüber den Vorjahren stabil. Die europäische Entwicklung ist in den folgenden Grafiken dargestellt. 12
Durchschnittliche Day-Ahead-Strompreise im Großhandel in EUR/MWh | Spotmarkt | 2019 vs. 2021 (Jan–Okt) 2019 2021 (ganzes Jahr) (Jan-Okt) 44 59 40 67 < 40 EUR/MWh < 70 EUR/MWh 40 - 50 EUR/MWh 70 - 80 EUR/MWh Daten: ENTSO-E Transparency, Eigene Darstellung 46 72 50 - 60 EUR/MWh 80 - 90 EUR/MWh 46 73 40 > 60 EUR/MWh 73 > 90 EUR/MWh 46 74 50 115 41 81 75 39 38 80 76 40 80 42 82 40 50 83 91 39 41 82 87 49 49 91 91 51 100 51 90 48 48 64 91 91 94 13
Durchschnittliche Day-Ahead-Strompreise im Großhandel in EUR/MWh | Spotmarkt | 2020 vs. 2021 (Jan–Okt) 2020 2021 (ganzes Jahr) (Jan-Okt) 28 59 26 67 < 30 EUR/MWh < 70 EUR/MWh 30 - 40 EUR/MWh 70 - 80 EUR/MWh Daten: ENTSO-E Transparency, Eigene Darstellung 34 72 40 - 50 EUR/MWh 80 - 90 EUR/MWh 34 73 28 > 50 EUR/MWh 73 > 90 EUR/MWh 34 74 38 115 32 47 81 75 32 30 80 76 34 80 34 82 33 39 83 91 32 34 82 87 38 38 40 91 91 39 100 39 90 39 34 34 45 91 91 94 14
Starker Anstieg in den Monatsprodukten seit Anfang September mit Höchstwerten von über 250 EUR/MWh Neben dem Day-Ahead-Markt ist die Entwicklung Entwicklung des Frontmonats [EUR/MWh] der Terminmarktprodukte wesentlich für die mittelfristigen Preisindikationen im Strom- großhandel. Die Frontmonatsprodukte „Base“ und „Peak“ Lesebeispiel Frontmonat: Preis haben seit September 2021 einen starken am jeweiligen Handelstag im Zuwachs gesehen. Für die Base-Kontrakte erfolgt September 2019 für das Produkt „Oktober 2019“ (Base/Peak) dabei die „Lieferung“ in jeder Stunde des Monats, für die Peak-Kontrakte in den Stunden 9 bis 20 Uhr. Zuletzt gab es einen Stopp des Handelstag bzw. Lieferzeitraum Preis im September ist Oktober Peak Aufwärtstrends. Base Die Base- und Peak-Preise verlaufen in den letzten zwei Jahren bis zum starken Preisanstieg im September 2021 parallel. Da in den Peak-Stunden Gaskraftwerke öfter preissetzend sind als in den Base-Stunden, ist in den Peak-Produkten der Gaspreisanstieg der letzten Monate stärker bemerkbar. Handelsaktivitäten nehmen ebenfalls zu Die börslichen Handelsvolumina bzw. die Häufigkeit der Vertragsabschlüsse steigen. Daten: EEX, Eigene Darstellung 15
Preise für Stromlieferungen im Jahr 2022 erreichen Rekordniveau mit über 150 EUR/MWh Wichtiger Jahreskontrakt mit Preisrekord Entwicklung des Frontjahres [EUR/MWh] Die Jahreskontrakte haben seit Anfang September ebenfalls stark angezogen, auch wenn die Entwicklung weniger drastisch war als bei den Lesebeispiel Frontjahr: Preis am kurzfristigeren Produkten. Ende Oktober haben sich jeweiligen Handelstag im die Preise wieder leicht erholt und bei knapp 125 September 2019 für das Produkt EUR/MWh eingestellt. Diese Preisunterschiede „Kalenderjahr 2020“ (Base/Peak) zwischen den Monats- und Jahresprodukten sind dadurch bedingt, dass im Jahreskontrakt 2022 die Handelstag bzw. Preis Peak erwartete Entspannung im Gasbereich bereits im September 2019 Lieferzeitraum ist 2020 Base eingepreist ist. Die erwarteten niedrigeren Gaspreise dämpfen dann auch die Preiserwartung für Strom im Jahr 2022. Aktuelles Preisniveau am Terminmarkt beeinflusst zukünftige Endkundenpreise Besonders relevant ist die Entwicklung der Jahreskontrakte, da diese eine wichtige Basis für die langfristige Beschaffung von zukünftigen Strom- mengen sind. Die derzeit dort erzielten Preise fließen somit indirekt in die zukünftige Preisbildung Daten: EEX, Eigene Darstellung im Endkundenmarkt mit ein. 16
Österreichischer Strompreisindex im Dezember 2021 auf neuem Allzeithoch Entwicklung des Österreichischen Strompreisindex ÖSPI [Index, Basis 2006] Der Österreichische Strompreisindex (ÖSPI) bildet so wie die vorangegangenen Darstellungen 149 ebenfalls die Entwicklung der Großhandelspreise 148 ab. Für den Endkundenmarkt ist der ÖSPI ebenfalls (Jan 09) (Dez 21) relevant. Er bildet die Grundlage einiger Floater- Produkte und findet sich zum Teil in Allgemeinen Lieferbedingungen als Basis für Preisanpassungen bei Endkund:innen wieder. Obwohl die ÖSPI-Methodik zu einer starken Glättung der Großhandelspreise führt, zeigt sich in den letzten Monaten auch dort ein deutlicher Aufwärtstrend. Allzeithoch mit Dezember 2021 knapp eingestellt 49 Mit dem Indexstand von 148,67 Punkten hat der (Nov 16) ÖSPI für Dezember 2021 ein neues Allzeithoch ggü. November 2021: + 8,9% knapp erreicht. Der Tiefststand des ÖSPI lag im ggü. Dezember 2020: + 83,7% November 2016 bei 48,93 Indexpunkten. Daten: EEX, Eigene Darstellung 17
Österreichischer Gaspreisindex mit noch nie dagewesener Preissteigerung Entwicklung des Österreichischen Gaspreisindex ÖGPI [Index, Basis 2015] Der Österreichische Gaspreisindex (ÖGPI) bildet für Gas, ähnlich wie der ÖSPI für Strom, die Entwicklung des Großhandelsmarktes ab. 311 Methodisch gibt es zwischen den beiden Indizes (Nov 21) jedoch den wesentlichen Unterschied, dass der ÖGPI auf Basis eines kürzeren Durchrechnungs- zeitraumes gebildet wird. Dies bedeutet, dass ÖGPI gegenüber dem ÖSPI weniger und kurzfristigere Produkte und weniger Handelstage in die Berechnung miteinfließen. Für den Endkunden- markt wird daher häufig eine geglättete Variante 28 (12-Monats-Mittel, blaue Linie) herangezogen. (Aug 20) Entwicklung der letzten Monate zeigt Preisrallye Im November 2021 erreicht der Indexstand des ÖGPI einen absoluten Rekordwert mit über 310 Indexpunkten. Dies bedeutet beinahe eine Verdoppelung des Indexwertes innerhalb von zwei Monaten. Daten: EEX, Eigene Darstellung 18
Vergleich zwischen ÖSPI und ÖGPI verdeutlicht massiven Preisanstieg am Gasmarkt Österreichischer Strompreisindex und Gaspreisindex im Vergleich [Index] Vergleicht man die beiden Indizes, so sticht der starke Preisanstieg im Gasbereich noch stärker hervor. Ebenso zeigt sich, dass der ÖGPI in Zeiten des pandemiebedingten Krisenjahres 2020 im Gegensatz um ÖSPI eine deutlicher ausgeprägte Abwärtsbewegung zu verzeichnen hatte. ÖGPI Volatilität des ÖGPI auch aufgrund unterschiedlicher Methodik Die stärkeren Schwankungen im ÖGPI sind auch ein Ergebnis der methodischen Unterschiede. Trotzdem war der ÖGPI seit Beginn der Berechnungen im Jahr 2015 noch nie derartig ÖSPI starken Preisbewegungen unterworfen. Vor dem gegenwärtigen Preisanstieg lag der ÖGPI- Höchstwert bei 123 Indexpunkten. 19
Wesentliche Einflussfaktoren
Die Preise aller Energieträger steigen seit Anfang September weltweit stark an, insbesondere die Gaspreise Erholung der Wirtschaft treibt Energiepreise in die Höhe Strom, Gas und CO2-Preise im EU ETS [Index, 2019 = 100] Seit Anfang September ist ein starker Anstieg aller Energiepreise – und generell vieler Commodities – zu beobachten. Die rasche Erholung der Weltwirtschaft nach dem pandemiebedingten Krisenjahr 2020 hat die Nachfrage nach Rohstoffen und Energie, insbesondere in Asien, stark steigen lassen. Dies führte zu einem sehr starken Anstieg der Preise über alle Energieträger hinweg, insbesondere aber Erdgas und Kohle. Für die Strompreise sind vor allem die Preissteigerungen bei Gas und Kohle relevant Der Preisanstieg am Strommarkt ist durch mehrere Faktoren bestimmt. Besondere Relevanz hat die Preisentwicklung bei fossilen Energieträgern, insbesondere Kohle und Erdgas. Diese Kraftwerke sind – vor allem in dem für Österreich wichtigen deutschen „Leitmarkt“ – in Stunden mit niedriger Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energieträgern preissetzend (siehe Merit-Order-Effekt). Die starken Preissteigerungen bei Erdgas und Kohle wirken sich somit direkt auf den Strompreis aus. Daten: EEX, Eigene Berechnung und Darstellung 21
Wirtschaftliche Erholung setzt ein, mit Auswirkungen auf die Strompreise Wirtschaftsentwicklung und Spotmarktpreise im Stromgroßhandel (Quartalswerte 2001–2021) Pandemie dämpfte 2020 BIP und Strompreis Die letzten zwei Jahre waren – sowohl was die 6% wirtschaftliche Entwicklung (graue Linie) als auch 80 Day-Ahead-Spotmarktpreise Strom Lehman- Preiszonen- COVID- die Strompreisentwicklung (rote Linie) betrifft – Pleite trennung Krise 4% 70 außergewöhnlich. Die COVID-Krise dämpfte Wirtschaftsentwicklung 2% sowohl die Wirtschaftsleistung als auch die 60 0 Strompreise erheblich. (in EUR/MWh) 50 -2% Der letzte größere Wirtschaftseinbruch war im 40 -4% Jahr 2009 in Folge der Finanzkrise zu beobachten. -6% Im Gegensatz zur aktuellen Entwicklung war 30 -8% jedoch der Preisanstieg nach dem Einsetzen der 20 -10% wirtschaftlichen Erholung damals weniger stark 10 -12% ausgeprägt als in der jetzigen Situation. Ein -14% maßgeblicher Unterschied in der jetzigen 0 Situation ist der starke Preisanstieg im Gasmarkt. 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 Eigene Darstellung nach E-Control (2021), auf Basis von EPEX Spot SE, Nord Pool, EXAA, OeNB (Berechnungen E-Control) 22
„Perfect Storm“ im Gasmarkt sorgt für noch nie dagewesene Preisrallye im Gasgroßhandel Preisanstieg bei Gas ist durch Zusammenlaufen mehrerer Faktoren Preisentwicklung für Erdgas (TTF) und für LNG (Asien)* [EUR/MWh] geprägt Im Gasmarkt sorgt das Zusammenkommen einer Vielzahl preistreibender Faktoren (auch „Perfect Storm“ genannt) für eine noch nie dagewesene Preisrallye. Dazu gehören: Der rasche Anstieg der Gasnachfrage, insbesondere in Asien (primär LNG) aufgrund der wirtschaftlichen Erholung Eine hohe Stromerzeugung aus Erdgas im ersten Halbjahr 2021 in Europa und somit erhöhte Nachfrage Keine zusätzlichen Lieferungen aus Russland, d.h. nicht über die bereits vertraglich vereinbarten Mengen hinaus Hohe Inlandsnachfrage in Russland Wartungsarbeiten Niedrige Speicherfüllstände (auch in Russland) Der für Europa wesentliche Gasknotenpunkt TTF verzeichnet seit dem Sommer einen deutlichen Preisanstieg. Die Preise für verflüssigtes Erdgas (LNG) in Asien zogen hingegen bereits im Winter 2021 an. Generell kann man bei LNG einen Preisaufschlag gegenüber dem in Europa gehandelten Erdgas sehen. *Daten zu den Notierungen für LNG sind sehr eingeschränkt und in der Regel nur bei Preisreportern verfügbar. Bei der öffentlichen Quelle IMF sind für Oktober noch keine Werte publiziert. 23
Niedrige Speicherstände in Europa geben Marktsignal in Richtung Preissteigerung Speicher weniger gut gefüllt als normalerweise Speicherstände der Erdgasspeicher in Österreich und Europa [%] In Österreich beträgt der Speicherfüllstand Anfang November 56% (langjähriges Mittel 88%). Dies betrifft insbesondere den Speicher EU Haidach, der für den Export bestimmt ist. (prozentuelle Füllstände Auch in Europa liegen die Gasspeicherstände Anfang November mit 77% jeweils zum deutlich unter dem langjährigen Mittelwert für diesen Zeitpunkt von 91%. 2. November) Während die Speichermengen, absolut betrachtet, nicht wesentlich das Gasangebot in Europa bestimmen, sind die Speicherfüllstände immer ein wesentliches Marktsignal für den Gashandel. Niedrige Speicherstände werden tendenziell als ein Zeichen für Verknappung gesehen und wirken Österreichische Energieagentur nach GIE (2021) somit preistreibend. UGS Haidach (32,7 TWh) OMV Storage Pool (25,3 TWh) Österreich (prozentuelle 20% 72% Füllstände jeweils zum 2. November) UGS 7 Fields (17,5 TWh) RAG Storage Pool (20,1 TWh) 84% 66% UGS…Untertage-Gasspeicher in TWh angegeben ist jeweils die maximale Speicherkapazität 24
Stromerzeugung mit Gaskraftwerken im Frühjahr 2021 überdurchschnittlich, danach weniger als üblich 12.000 10.000 kumuliert 2019 Strom aus Erdgas in Österreich Stromproduktion mit Gaskraftwerken Österreich 8.000 In Österreich war die Stromproduktion mit Gaskraftwerken im GWh 6.000 2020 ersten Halbjahr 2021 überdurchschnittlich hoch: gegenüber 2020 4.000 2021 um 14% mehr, gegenüber 2019 um 16% mehr. Insbesondere in den 2.000 Monaten März, April und Mai war der Einsatz von Gas 0 überdurchschnittlich hoch. 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 Strom aus Erdgas und Onshore-Windkraft in Deutschland 70.000 60.000 kumuliert 2020 Auf dem deutschen Leitmarkt legte die Stromproduktion mit Deutschland 50.000 Gaskraftwerken im ersten Halbjahr 2021 im Vergleich zum gleichen 2019 GWh 40.000 Zeitraum 2019 um 20% zu, gegenüber 2020 um 12%. Die Erzeugung 2021 30.000 aus Onshore-Windkraft war im ersten Halbjahr 2021 gegenüber Eigene Darstellung mit Daten der ENTSO-E 20.000 2020 um 21% reduziert, gegenüber 2019 um 13% weniger. Inklusive 10.000 0 Offshore-Windkraft kommt Deutschland kumuliert etwa auf das 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 Niveau von 2019 – das Rekordjahr 2020 wird aber unterschritten. 120.000 Mit steigenden Preisen im Großhandel für Gas sinkt die 2020 Stromproduktion mit Gaskraftwerken deutlich, sodass die Onshore-Wind 100.000 kumuliert Deutschland 80.000 2019 kumulierte Erzeugung (Year-to-Date 2021) sowohl in Deutschland GWh 60.000 2021 als auch in Österreich unter dem Niveau der Vorjahre liegt. 40.000 20.000 0 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 25
Einfluss des EU-ETS-Preises auf die Stromerzeugungs- kosten ist gering, Gaspreise wiegen viel schwerer Betrachtet man die Entwicklung der Gestehungskosten Stromerzeugungskosten Gaskraftwerk [EUR/MWh, 45% elektrischer Wirkungsgrad] eines Gaskraftwerks, können die Effekte des Anstiegs bei den CO2-Zertifikatspreisen und der Preisexplosion bei den Gaspreisen differenziert analysiert werden. Der wesentliche Effekt ergibt sich demnach aus den gestiegenen Erdgaskosten. Die Steigerung der CO2- Preise hat nur einen kleinen Anteil an den höheren Stromerzeugungskosten eines Gaskraftwerks. Kostenanteil von Erdgas steigt im Oktober auf 90% Im Oktober 2021 machte der durchschnittliche Anteil der Erdgaskosten an den Stromgestehungskosten knapp 90% aus, im Vorkrisen-Oktober 2019 waren es unter 70%. Eigene Berechnung: Österreichische Energieagentur 26
Auswirkungen auf die Preise am Endkundenmarkt
Haushaltsstrompreise in Österreich über lange Phasen stabil, nur große Veränderungen schlagen durch Entwicklung der Strombruttopreise für Haushalte und Industrie [Cent/kWh] Generell sind die Strompreise für Endkund:innen, insbesondere für Haushalte, in Österreich sehr stabil. In den letzten Jahren lagen sie im Schnitt bei rund 20 Cent/kWh. Größere Bewegungen an den nationalen und internationalen Energiemärkten spiegeln sich aber auch in den Bruttopreisen für Endkund:innen wider. Liberalisierung Großhandelspreisrallye So führten beispielsweise die Ölkrise oder die vor Finanzkrise Großhandelspreisverwerfungen um den Zeitpunkt der Finanzkrise zu stärkeren Preisänderungen. Ölkrise und steigende Die Strommarktliberalisierung und die Brennstoffkosten Energiewende hatten einen deutlich preisdämpfenden Effekt.* Großhandelspreisverfall nach Lehman-Pleite *siehePresseaussendung der E-Control vom 5. Oktober 2021 verfügbar auf: https://www.e-control.at/documents/1785851/0/PK+20+Jahre+Strom- +udn+Gasmarktliberalisierung.pdf/cd574fa5-492f-449d-a969- 60f505558d85?t=1633420309760 Grafik: eigene Darstellung, Daten: IEA 28
Österreichische Endkundenpreise sind leicht über dem europäischen Mittel Daten zu Haushaltspreisen nur zeitverzögert verfügbar Entwicklung des HEPI – Household Energy Price Index [Cent/kWh] Im Gegensatz zu den Großhandelspreisen sind die Preise für Endkund:innen nur zeitverzögert verfügbar. Die Preise der Marktstatistik der E-Control bzw. bei Eurostat sind aktuell lediglich für das 2. Halbjahr 2020 verfügbar. Daten aus dem Warenkorb der Statistik Austria weisen eine zweimonatige Zeitverzögerung aus und bieten zudem keine Informationen zur Entwicklung der einzelnen Preiskomponenten. Einzige relativ aktuelle Datenquelle in hinreichender Auflösung und europäischem Vergleich ist der Household Energy Price Index (HEPI), wobei dieser nur europäische Hauptstädte betrachtet. Sept 2021 ggü Jan 2021 Österreichische Endkundenpreise folgen dem europäischen Wien: + 8,1% Mittelwert EU-27: +8,4% Die österreichischen Strompreise für Endkund:innen liegen etwas über dem europäischen Mittelwert. Sowohl im europäischen HEPI Gesamtindex für europäische Hauptstädte wie auch im HEPI für Österreich (Wien) ist seit Jahresbeginn ein Preisanstieg von über 8% sichtbar. In Österreich ist dies im Wesentlichen aufgrund der Grafik: eigene Darstellung, Daten: E-Control steigenden Preise bei den börseindizierten Floater-Produkten der Fall. 29
Energiepreisindex steigt 2021 stark und entwickelt sich zum Preistreiber der allgemeinen Teuerung Vergleich von Energiepreisindex und Verbraucherpreisindex [Index, Basis 2020] Der Energiepreisindex (EPI) zeigt die Entwicklung aller für Haushalte relevanten Energieträger wie Strom, Gas, Heizöl, oder Treibstoffe. Im Vergleich zum Pandemiejahr stieg der Energiepreisindex stark. Mit einem Plus von 16% lag der Indexwert im September 2021 deutlich Energiepreisindex EPI über dem des Vorjahresmonats. Der Vergleich mit September 2019 zeigt immer noch einen Zuwachs von 8%. Besonders auffällig ist, dass der Energiepreisindex im Jahr 2021 zum starken Preistreiber der allgemeinen Teuerung (VPI) wird. Im langjährigen Vergleich der letzten 10 Jahre wirkte der EPI hingegen über lange Zeiträume hinweg preisdämpfend. Verbraucherpreisindex VPI Grafik: eigene Darstellung, Daten: Statistik Austria 30
Floater und Netztarife lassen Strompreise anziehen, im Vergleich zum EPI sind diese jedoch sehr stabil Vergleich von Strompreis mit dem EPI und VPI [Index, Basis 2020] Der EPI für Strom* liegt im September 2021 um 7% höher als im September 2020 und 13% höher als im Jahr davor. Grund dafür sind gestiegene Netztarife und die erstmals seit 2021 im Index Energiepreisindex EPI abgebildeten Floater-Produkte. Im Vergleich zum Energiepreisindex ist der Anstieg des EPI Strom weniger stark ausgeprägt, da die Preisbewegungen für Treibstoffe oder Heizöl die Entwicklung des EPI maßgeblich beeinflussen. EPI für Strom *2021 kam es zu einer methodischen Anpassung bei der Erhebung der Statistik Austria. Der Strompreisindex bildet seitdem auch die sogenannten Floater-Produkte ab. Da die Preissenkungen 2020 bei diesen Produkten noch nicht im Index enthalten waren, ist die Vergleichbarkeit der Zeitreihe Verbraucherpreisindex VPI eingeschränkt. Grafik: eigene Darstellung, Daten: Statistik Austria 31
Stromkosten machen 2% aller monatlichen Verbrauchs- ausgaben eines durchschnittlichen Haushaltes aus Die Konsumerhebung der Statistik Austria erfasst die monatlichen Verbrauchsausgaben eines durchschnittlichen österreichischen Haushalts. Die Stromkosten machen derzeit 2% der monatlichen Strom | 2,0% Verbrauchsausgaben in Pro-Kopf-Äquivalenten aus. Dies ist weniger als beispielsweise die Ausgaben für alkoholische Getränke und Tabak (2,4%). Gesundheit | 4,4% Zu beachten ist, dass es sich dabei um eine Durchschnittsbetrachtung über alle Haushalte handelt. Je nachdem, welches Verbrauchsmuster bei einem spezifischen Haushalt tatsächlich vorliegt, verschiebt sich der Anteil zwischen Strom und anderen Kategorien. Bekleidung und Schuhe | 4,0% Dieser Anteil wird sich verändern: Haushalte, die Wärmepumpe nutzen, haben bereits einen höheren Anteil an Stromkosten. Ein Elektroauto steigert diesen zusätzlich (gleichzeitig verbraucht man Alkohol und Tabak: 2,4% aufgrund der höheren Effizienz beider Technologien insgesamt weniger Energie). Zukünftig werden beide Lösungen zunehmende Verbreitung erfahren. Strom wird so ein relevanterer Teil der Gesamtaufwendungen eines Haushalts und ersetzt zunehmend fossile Cafés und Restaurants | 6,1% Treibstoffe wie Benzin und Diesel und Brennstoffe wie Erdgas, Heizöl und andere Formen der Energie. Daten: Konsumerhebung 2019/2020 Statistik Austria 32
Ausblick
Marktteilnehmer erwarten leichte preisliche Entspannung im Frühjahr 2022, aber keine Rückkehr zu Niedrigpreisen „Price Forward Curve“ Strom Anfang November 2022 [Euro/MWh] Ein wichtiger Indikator für zukünftige Preis- entwicklungen sind die aktuellen Preise am Terminmarkt. Sie zeigen, wie Marktteilnehmer die Monatskontrakte zukünftige Marktsituation einschätzen und bilden die Grundlage für die mittelfristige Entwicklung der Endkundenpreise. Eine Darstellungsform für diese Preiserwartungen im Markt ist die sogenannte „ Price Forward Curve” Lesebeispiel: Preis (PFC). Dabei werden aktuell verfügbare vom 2. November Notierungen nach Lieferzeitpunkten aneinander für die „Lieferung“ gereiht. Die PFC spiegelt somit die Preiserwartung im 1. Quartal 2023 des Marktes aus heutiger Perspektive wider. Da die PFC in der Regel für einen bestimmten Tag Quartalskontrakte ausgewertet wird, handelt es sich um eine Momentaufnahme. Lesebeispiel: Preis Preiserwartungen bleiben auch für 2022 hoch vom 2. November für Für das kommende Jahr erwarten Marktteilnehmer das Lieferjahr 2025 demnach weiterhin ein hohes Preisniveau von Jahreskontrakte deutlich über 100 EUR/MWh, wobei die Winter- quartale höher bepreist werden als der Sommer. Eine erste Entspannung zeigt sich für das 2. Quartal 2022. Eigene Darstellung, Daten: EEX 34
Weiterer Anstieg des ÖSPI bis Februar 2022 zu erwarten, leichte Erholung voraussichtlich ab April Vorschau Österreichischer Strompreisindex ÖSPI [Index, Basis 2006] Ein ähnliches Bild zeigt sich beim ÖSPI. Auf Basis der bereits vorhandenen Preisnotierungen erstellt die Österreichische Energieagentur eine monatliche Vorschau für den ÖSPI. Indexstand erreicht voraussichtlich knapp 190 Punkte im Februar 2022 Im ersten Quartal 2022 kommt es zu einem weiteren deutlichen Anstieg des ÖSPI. Eine leichte Entspannung zeigt die Vorschau ab April nächsten Jahres. Da der ÖSPI bzw. verwandte börsliche Indizes Grundlage von Floater-Produkten sind, bzw. diese Art von Indizes zunehmend für jährliche Endkundenpreisänderungen herangezogen werden, hat diese Entwicklung auf einen Teil der Endkund:innen direkte Auswirkungen. Erste Preiserhöhungen angekündigt Für November und Dezember 2021 haben zudem einige Stromlieferanten Preiserhöhungen in der Größenordnung von 20% des Energiepreises bzw. 60 Euro pro Jahr für einen durchschnittlichen Haushalt angekündigt. Eigene Darstellung und Berechnung 35
Fragen und Antworten
Häufig gestellte Fragen Wie wirkt sich ein Anstieg der Gaspreise auf den Strompreis aus? Gaskraftwerke wirken in Österreich – aber vor allem auch in dem eng verknüpften deutschen Markt – oft preissetzend, sind also das letzte Kraftwerk, das noch benötigt wird, um die Nachfrage zu bedienen. Vor allem in Stunden mit einem niedrigeren Dargebot an erneuerbarer Stromerzeugung oder in Stunden mit hoher Nachfrage bestimmen dann die Gestehungskosten für die erdgasbasierte Stromerzeugung den Strompreis im Großhandel. Diese operativen Kosten umfassen im Wesentlichen die Kosten für den Brennstoff (d.h. Erdgas) und CO2-Zertifikate. Ein Anstieg der Gaspreise sorgt also letztendlich auch für einen Preisdruck am Strommarkt, sofern Gaskraftwerke zur Abdeckung der Nachfrage eingesetzt werden. Warum wirken sich deutsche Kohlekraftwerke auf unseren Strompreis aus? Kohlekraftwerke sind Teil der deutschen Angebotskurve (siehe „Merit-Order-Kurve“) und je nach Kohle-, CO2- bzw. Gaspreisgefüge unter Umständen günstiger als Gaskraftwerke. Zu Zeiten, in denen der österreichische und der deutsche Marktpreis aufgrund der hohen Übertragungskapazitäten zwischen den beiden Ländern im Gleichklang sind, kommt es zu keinen oder nur minimalen Preisabweichungen. Wenn in diesen Stunden die deutschen Kohlekraftwerke preissetzend sind, dann sind diese auch in Österreich preisbestimmend. Wie wird sich der Ausstieg aus Atom und Kohle auf die Situation in Österreich auswirken? Eine Verknappung der Kraftwerkskapazitäten wirkt bei gleichbleibender oder steigender Nachfrage ohne den gleichzeitigen Zubau neuer Kapazitäten grundsätzlich preissteigernd. Die Auswirkungen auf die Großhandelspreise in Deutschland und somit auch in Österreich werden daher ganz wesentlich davon abhängen, wie rasch der notwendige Ausbau der erneuerbaren Stromerzeugung sowie der Flexibilitäten (z.B. Speicher) und die Modernisierung der Netzinfrastruktur gelingen. Was kann langfristig zur Preisstabilität beitragen? Mittel- bis langfristig sind erneuerbare Formen der Stromerzeugung (wie z.B. Windkraft, Photovoltaik und Wasserkraft) der sinnvollste Weg, um die Abhängigkeit von den Preisschwankungen importierter fossiler Energieträger zu eliminieren. Dies trifft auch für den für Österreich so wichtigen deutschen „Leitmarkt“ zu. Darüber hinaus gilt es, ein für den Ausbau Erneuerbarer Energien und das Upgrade der Netzinfrastruktur förderliches regulatorisches Umfeld (Genehmigungen, …) zu schaffen. 37
Häufig gestellte Fragen Wie entstehen Strompreise im Großhandel? Seit der Liberalisierung des Strommarkts im Jahr 2001 wird der Strompreis wie in jedem marktwirtschaftlichen System durch Angebot und Nachfrage bestimmt. Der in den Kraftwerken produzierte Strom wird bilateral „over the counter“ sowie an der Börse gehandelt. An den Strombörsen gibt es mitunter starke Preisschwankungen, die von Angebot und Nachfrage getrieben werden. Viele Faktoren, insbesondere die Brennstoffpreise für Gas, Öl und Kohle spielen eine große Rolle, da ein Großteil des Stroms in Europa nach wie vor in fossil befeuerten Kraftwerken erzeugt wird und deren Preise einer höheren Volatilität unterworfen sind. Einen immer größeren Einfluss auf das Stromangebot und damit den Strompreis hat aber auch das Wetter. Denn wenn die Sonne scheint und der Wind weht, dann ist die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen hoch und es ist viel Strom im Angebot. Wie funktioniert die Preisbildung an der Strombörse? (Merit-Order-Modell) Die Merit-Order-Kurve bestimmt den Preis. Sie bildet die Einsatzreihenfolge der stromproduzierenden Einheiten zur Deckung des Strombedarfs ab, um eine volkswirtschaftlich optimale Versorgung zu gewährleisten. Die Merit-Order orientiert sich an den niedrigsten Grenzkosten, das sind Kosten, die für eine zusätzlich produzierte Einheit elektrischer Energie anfallen. Kraftwerke, die Strom mit günstigen Grenzkosten produzieren, werden gemäß Merit-Order als Erstes zur Bedienung der Nachfrage herangezogen (etwa Wind, PV, Wasserkraft). Danach werden so lange Kraftwerke mit höheren Grenzkosten hinzugenommen, bis der prognostizierte Bedarf gedeckt ist. Der sogenannte Markträumungspreis („Settlement Price“) ist das letzte Angebot, welches einen Zuschlag erhält. Das Kraftwerk mit den teuersten Grenzkosten definiert den Börsenpreis für alle eingesetzten Kraftwerke. Photovoltaik- und Windkraftwerke mit Grenzkosten nahe Null verdrängen Kraftwerke in der Merit-Order weiter nach hinten und sorgen so für niedrigere Preise. Dieser Preisbildungsmechanismus wird als Einheitspreis-Auktion bezeichnet, da alle Kraftwerke denselben Preis für ihre Einspeisung bekommen, auch wenn sie unterschiedliche Preise geboten haben. 38
Häufig gestellte Fragen Bestandteile des Endkunden-Strompreises/ Wie setzen sich die Stromkosten zusammen? Die Preise für Endkund:innen setzten sich sowohl für Haushalte als auch für die Industrie aus unterschiedlichen Preiskomponenten zusammen. Grob kann zwischen den Energiekosten, den Netzkosten und den Steuern und Abgaben (wie z.B. Umsatzsteuer und Ökostromkosten) unterschieden werden. Der Energieanteil ist jener Anteil, der vom Preisgeschehen an den Großhandelsmärkten mitbestimmt wird. Dies betrifft auch einen Teil der Ökostromkosten, wobei dort der Effekt in der umgekehrten Richtung auftritt (höhere Großhandelspreise bedeuten niedrigere Ökostromkosten). Neben Steuern und Abgaben sind auch die Netzentgelte reguliert – diese werden von der Regulierungsbehörde E-Control festgelegt und machen aktuell in Wien etwa ein Viertel des Preises einer kWh Strom aus. Die Netzentgelte sind je nach Netzgebiet unterschiedlich. Bei einem durchschnittlichen Haushalt beträgt der Anteil der Energiekosten am Gesamtstrompreis aktuell etwas mehr als ein Drittel. Der Strompreis wird also zum Großteil nicht durch die Kosten für Erzeugung und Vertrieb des Stroms bestimmt, sondern durch Steuern, Abgaben und Umlagen. 39
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