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Geburtshilfe ∕ Frauen-Heilkunde ∕ Strahlen-Heilkunde ∕ Forschung ∕ Konsequenzen Tiringer D, Husslein H, Küssel L, Wenzl R Diagnose und Therapie der „rektovaginalen“ bzw. tief infiltrierenden „Darmendometriose“ Speculum - Zeitschrift für Gynäkologie und Geburtshilfe 2019; 37 (1) (Ausgabe für Österreich), 9-12 Homepage: www.kup.at/speculum Online-Datenbank mit Autoren- und Stichwortsuche Krause & Pachernegg GmbH • Verlag für Medizin und Wirtschaft • A-3003 Gablitz P.b.b. 02Z031112 M, Verlagsort: 3003 Gablitz, Linzerstraße 177A/21
Staudin ger Ab sofort in unserem Verlag Thomas i e n e l K Maurice Thomas Staudinger Maurice Kienel EC M O ECMO die Kitteltasche für die Kitteltasche für 2. Auflage Jänner 2019 ISBN 978-3-901299-65-0 2. Auflage 78 Seiten, div. Abbildungen 2018 Copyright eber au d in ger - Herausg 19.80 EUR Thomas St Bestellen Sie noch heute Ihr Exemplar auf Krause & Pachernegg GmbH www.kup.at/cd-buch/75-bestellung.html
For personal use only. Not to be reproduced without permission of Krause & Pachernegg GmbH. 37. Jahrgang, 1/2019 Diagnose und Therapie der „rektovaginalen“ bzw. tief infiltrierenden „Darmendometriose“ D. Tiringer, H. Husslein, L. Küssel, R. Wenzl D ie rektovaginale Endometriose kann bei bis mit der Größe der Läsionen oder dem Ausmaß der zu 25 % aller Endometriosepatientinnen be- Erkrankung. obachtet werden. Sie ist eine Form der tief infiltrierenden Endometriose (TIE), die auch das Rektosigmoid betreffen kann. Die Invasi- Diagnosestellung vität dieser Erkrankung verursacht häufig erheb- liche Schmerzen, insbesonders Dyspareunie und Die Diagnose ist oft sehr schwierig, da die Symp- Dyschezie, und stellt auf Grund der Infiltration ins tomatik vielfältig sein kann [5, 6]. Diverse Leitli- umgebende Gewebe besondere Herausforderungen nien fordern ein strukturiertes Vorgehen bei der in der Diagnostik und Therapie. Speziell die opera- klinischen Untersuchung und Diagnostik. Die Ver- tive Therapie muss auf Grund der Involvierung der dachtsdiagnose wird zunächst klinisch durch eine Nachbarorgane exakt präoperativ geplant werden exakte Anamnese gestellt. Essentiell ist die Erfra- und interdisziplinär erfolgen. gung der Leit-Symptome: Dysmenorrhoe, Dyspa- reunie und allgemeine Unterbauchschmerzen mit Die Darm- bzw. rektovaginale Endometriose Beurteilung der Schmerzintensität. Zur Objekti- sind Formen der tief infiltrierenden Endometriose vierung und Reproduzierbarkeit dieser Beschwer- (TIE). Diese Läsionen zeigen eine Infiltrationstiefe den verwenden wir eine visuelle Analogskala (VAS), von zumindest > 5 mm. Am häufigsten ist das Sep- bei dem die Intensität von 0 = keine Beschwerden tum rectovaginale betroffen, gefolgt vom Befall des bis 10 = maximale unerträgliche Schmerzen von Rektums, des Colon sigmoideum, des Zökums und der Patientin bewertet wird. Neben der Intensität der Appendix vermiformis, sowie sehr viel seltener ist aber auch die Dauer der Beeinträchtigung in des Ileums bei möglichen Mehrfachlokalisationen. Tagen pro Monat wesentlich. Die meisten TIE-Läsionen des Darmes infiltrie- Die klinische Untersuchung inkludiert die Ins- ren nicht die gesamte Darmwand. 95 % dringen pektion insbesondere des hinteren Fornix mittels nur in die Serosa und Muskularis propria ein, zweiblättriger Spekula (evtl. visualisierbare Endo- während 38 % in die Submukosa und nur 6 % die metriosebeteiligung des Vaginalepithels), eine bi- Mukosa infiltrieren [1]. manuelle und rektovaginale Palpation (Uterus häu- fig retroflektiert; derbe, knotige, dolente Infiltration des Septum rectovaginale oder retrozervikal) sowie Symptomatik zusätzlich eine transvaginale Sonographie (TVS) und Nierensonographie, zum Ausschluss einer Be- Patientinnen mit tief infiltrierender rektovaginaler teiligung der harnableitenden Wege. bzw. Darmendometriose weisen neben den klassi- schen Symptomen der Endometriose (Dysmenor- Die transvaginale Sonographie ist die bevorzug- rhoe, Dyspareunie und Infertilität) häufig auch te apparative Diagnostik und spielt – insbesonde- gastrointestinale Beschwerden (Dyschezie, Obstipa- re wenn sie durch einen erfahrenen Untersucher tion, rektale Blutungen und geblähter Bauch) auf. durchgeführt wird – eine herausragende Rolle in der Diagnosestellung [17–22]. Die Sensitivität und Finden wir die tief infiltrierende Endometriose Spezifität der TVS wird in der Literatur mit 85 % proximal des Rektosigmoids, zeigen Patientinnen bis 100 % beschrieben [23, 24]. Die TVS ist mi- eher unspezifische Symptome (Diarrhoe, Blähun- nimal invasiv, kosteneffektiv und erlaubt bei ent- gen, Unterlaubschmerzen) [2–4]. Fehlende Symp- sprechender Erfahrung eine präzise Diagnostik in tome schließen einen Darmbefall jedoch nicht aus. Bezug auf Darmbeteiligung, Invasion und Ausmaß Ebenfalls korreliert die Schmerzintensität nicht der Läsion (Abb. 1). 9
37. Jahrgang, 1/2019 1. Präoperatives Ultraschallbild einer tief infiltrierenden Endometriose im Bereich des rektosigmoidalen Überganges; dane- ben korrelierendes operatives Präparat. Die Konsensentscheidung der „International reich und des Darmes ist essentiell für die weitere Deep Endometriosis Analysis (IDEA)“ Gruppe, Planung des operativen Vorgehens: empfiehlt eine systematische Durchführung des –– Tief gelegene Läsionen können von Adhäsionen transvaginalen Ultraschalls, bei Verdacht auf Endo- verdeckt sein oder sich in tiefen, retroperitone- metriose, in 4 Schritten [7]: alen Abschnitten des kleinen Beckens befinden, 1. Schritt: Beurteilung des Uterus und Adnexe zu denen während der diagnostischen Laparo (Adenomyosis, Endometriosezysten) skopie primär kein Zugang besteht. 2. Schritt: Beurteilung von „soft markers“ (z. B. –– Die Dauer der geplanten Operation kann besser Beurteilung der Beweglichkeit der Eierstöcke, eingeschätzt werden. Lokalisierung schmerzhafter Areale) –– Falls erforderlich, kann ein interdisziplinäres 3. Schritt: Beurteilung des „sliding sign“ (utero- Team prospektiv zusammengestellt und infor- rektale Verwachsungen) miert werden. 4. Schritt: Beurteilung von TIE (vorderes und hinte- –– Das Ausmaß der Aufklärung der Patientin kann res Kompartiment, Blasen bzw Darmbeteiligung) adaptiert werden. –– Präoperative Maßnahmen insbesondere für eine Der Einsatz der Magnetresonanztomographie geplante Darmresektion können gesetzt werden. (MRT) des kleinen Beckens bringt häufig zusätz- liche, teilweise auch genauere Informationen be- Therapieoptionen züglich der Größe/Ausdehnung und Lokalisation der Darmendometriose [23], insbesondere wenn es In der Therapiegestaltung müssen die Symptome, um die Lokalisation höher gelegener oder multipel das Alter der Patientin, ein eventuell vorliegender auftretender Endometrioseherde (außerhalb des Kinderwunsch, das Ausmaß der Beeinträchtigung Beckens) geht. Hierbei ist jedoch die Befundung der Nachbarorgane sowie die speziellen Risiken durch einen in Bezug auf Endometriose erfahrenen und Vorteile einer medikamentösen oder operati- Radiologen von großer Bedeutung. ven Therapie berücksichtigt werden. Als fakultative Untersuchung wird die Rektosko- Die medikamentöse Therapie bei rektovaginaler pie eingesetzt, die bei Verdacht auf Rektosigmoid- oder Darmendometriose ist primär ein effektiver befall die unmittelbare Darmmukosebeteiligung Ansatz. Studien zeigen einen vielversprechen- beurteilen kann [9]. Eine Infiltration der Mukosa ist den Effekt in Hinblick auf Schmerzlinderung in äußerst selten. Eher ist bei ausgedehntem Befund 60–90 % [11–13]. Das optimale Präparat ist nicht eine Impression von außen zu erwarten – etwa 26 % bekannt. Prinzipiell können alle bei Endometriose der Patientinnen mit Rektumendometriose weisen generell wirksamen Hormone wie Gestagene, kom- eine klinisch relevante Stenose auf [15], so dass ein binierte orale Kontrazeptiva, GnRH-Agonisten/An- negativer rektoskopischer Schleimhautbefund die tagonisten oder Levenorgestrel-freisetzende IUD Regel ist, aber einen Befall der Darmmuskulatur verabreicht werden. Die Auswahl und Applikations- keineswegs ausschließt. Liegt der Verdacht einer form hängt von der Präferenz der Patientin ab. Stenose vor, kann ebenfalls eine Barium-Doppel- kontrast-Irrigoskopie hilfreich sein. Patientinnen, die sich für eine medikamentöse Therapie entscheiden und gut ansprechen bzw. Die exakte präoperative Beurteilung der TIE in a priori asymptomatische Patientinnen bedürfen 10 Bezug auf die Ausdehnung im rektovaginalen Be- ohne Progression keiner Operation. Engmaschige
37. Jahrgang, 1/2019 klinische Kontrollen (inklusive TVS und Nieren- werden, das gilt insbesondere für Rektumsegmen- hohlraumsonographie), primär alle 3 und ab einem tresektionen (bis zu 24 %), weshalb einige Arbeits- Jahr nach Diagnosestellung alle 6 Monate, sind je- gruppen vor tiefen Rektumsegmentresektionen doch indiziert. Da eine anatomische Nahbeziehung warnen und sofern möglich die mukosa-schonende des Ureters zu rektovaginalen Herden besteht, ist „Shaving“-Technik oder Vollwandexzisionen ohne eine Evidenzhaltung des Nierenhohlraumsystems Kontinuitätsresektion empfehlen. Die zum Teil ir- wichtig, um auf Grund einer langdauernden, oft reversiblen Langzeitfolgen sind immer gegen den symptomlosen Ureterstenose einen Verlust der erhofften langfristigen positiven Effekt einer Ope- Nierenfunktion zu vermeiden. ration abzuwägen. Neben Fisteln und rektaler Dys- funktion [31] ist dabei die Blasenatonie auf Grund Behandlung der Wahl bei symptomatischer der Durchtrennung der Blaseninnervation zu er- und hormontherapierefraktärer TIE ist die ope- wähnen. Ein dadurch erforderlicher permanenter rative Sanierung. Idealerweise sollte der Eingriff Selbstkatheterismus durch die Patientin ist eine minimal-invasiv mittels Laparoskopie durchge- äußerst seltene, aber dramatische Folge [32] und führt werden. Ziele der chirurgischen Therapie kann durch entsprechende anatomische Kennt- sind die Resektion in sano [8, 13–16], Erhalt der nisse und die Anwendung sogenannter „ nerve Organfunktion, insbesonders Erhalt des Uterus bei sparing“-Operationstechniken häufig vermieden vorhandenem Kinderwunsch, Vermeidung eines werden. Rezidivs, Verbesserung der Schmerzsymptomatik und der Lebensqualität sowie die Optimierung der Auf Grund der Komplexität der Eingriffe, der Fertilität [1, 10]. Aufgrund der Komplexität dieser hoch aufwendigen operativen Technik, der durch Eingriffe spielt die Erfahrung des Operateurs, aber die Narbenbildung oft massiv veränderten Anato- auch des gesamten Teams eine entscheidende Rolle mie, des potentiellen Komplikationsmanagements [25–27]. und der erforderlichen Interdisziplinarität soll die operative Behandlung der TIE nur in Zentren mit Bei organüberschreitenden Manifestationen der entsprechender Spezialisierung und Erfahrung Endometriose (Rektosigmoid, Blase, Ureter) sollte erfolgen [28]. Die Stiftung „Endometriose For- die präoperative Beratung, Planung und Durchfüh- schung“ kontrolliert bei den von ihr zertifizierten rung des Eingriffes im interdisziplinären Konsens Zentren die geeignete Struktur- und Ergebnisqua- durchgeführt werden. lität. Das Ausmaß der Resektion bei Darmendome triose hängt von der Infiltrationstiefe, der Größe der Läsionen und etwaiger Multifokalität ab. Die Fazit verschiedenen operativen Techniken reichen von –– Eine exakte Anamnese wie auch die genaue kli- der Darmsegmentresektion mit anschließender nische Untersuchung und die TVS sind in der Reanastomose (insbesondere bei klinisch relevan- Diagnostik der tief infiltrierenden Endometriose ten Stenosen, multifokalen Läsionen, Sigmoid unverzichtbar. beteiligung und bei Läsionen > 3 cm) bis zur –– Stellt sich der Verdacht einer tief infiltrierenden reinen Exzision des Knotens unter Erhaltung des rektovaginalen oder Darmendometriose, sollten betroffenen Darmabschnitts, wie beispielweise das weitere Maßnahmen zur Feststellung des Aus- „Shaving“ (scharfes Abtragen des Knotens, idealer- maßes der Erkrankung präoperativ interdiszi weise ohne Eröffnung des Darmlumens) oder die plinär durchgeführt werden. scheibenförmige Resektion (Disc-Resektion, Kno- –– Operative Therapie der Wahl ist die laparoskopi- tenentfernung mit umliegender Darmwand mit sche Resektion in sano und die Rekonstruktion anschließendem primären Verschluss der Darm- der normalen Anatomie soweit möglich. wand) [14–16]. Jedenfalls ist bei einer Segment –– Technik und Erfahrung des Operateurs, aber resektion ein Allgemeinchirurg bei der Operation auch des gesamten Teams spielen hierbei eine hinzuzuziehen. wichtige Rolle, um eine vollständige und den- noch funktionserhaltende chirurgische Exzision Durch die mitunter beträchtliche operationsbe- der Erkrankung zu gewährleisten und somit die dingte Morbidität [29, 30] muss eine ausführliche Schmerzsymptomatik, die Lebensqualität und präoperative Aufklärung der Patientin erfolgen. die Fertilität zu verbessern. Die Möglichkeit eines Rezidivs, welches auch nach –– Konservativ geführte Patientinnen sollen eng- Darmteilresektionen in bis zu 14 % der Patientin- maschige klinische Kontrollen, alle 3–6 Monate, nen beschrieben wurde, muss diskutiert werden unter Einschluss eines TVS und einer Nieren [1, 10]. In ca. 5–14 % muss mit zum Teil schweren sonographie erhalten. intra- und unmittelbar postoperativen Komplika- –– Die Therapie soll in darauf spezialisierten Ein- tionen (z. B. Anastomoseninsuffizienz) gerechnet richtungen durchgeführt werden. 11
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