Süd-Süd-Investitionen - eine Chance für Subsahara-Afrika?

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Nummer 3

                                                                                         2011

                                                                                         ISSN 1862-3603

Süd-Süd-Investitionen – eine Chance
für Subsahara-Afrika?
Birte Pohl

„Während Partnerschafts- und Unterstützungsmechanismen für die ärmsten Länder
durch traditionelle Geberländer häufig bei Weitem nicht ausreichend sind, gewinnt
der Austausch von Ressourcen, Technologien und Wissen zwischen Entwicklungslän-
dern immer mehr an Bedeutung“, so Josephine Ojiambo, Präsidentin des Ausschusses
für Süd-Süd-Kooperation der UN-Generalversammlung, am 4. Mai 2011 in einem IPS-­
Interview.

Analyse
Ausländische Direktinvestitionen in Subsahara-Afrika haben im letzten Jahrzehnt stark
zugenommen. Moderne Technologien und entsprechendes Know-how wurden ­dadurch
jedoch kaum verbreitet. Die Hoffnung liegt nun auf neuen Investoren aus Entwick-
lungsländern: Diese Unternehmen verfügen häufiger als die Wettbewerber aus Indus-
trieländern über Technologien, die an die Bedingungen in Afrika angepasst sind und
deren Übernahme durch heimische Unternehmen eher wahrscheinlich ist.
„„ Ausländische Direktinvestitionen bedeuten nicht nur Kapitalzuflüsse, sondern kön-
   nen durch Spillover-Effekte heimischen Unternehmen den Zugang zu modernen Tech-
   nologien eröffnen und damit einen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung leisten.
„„ Neben Unternehmen aus Industrieländern sind in Subsahara-Afrika neue Investoren
   aus Entwicklungsländern (Süd-Süd-Unternehmen) getreten. Diese Unternehmen
   kommen vorwiegend aus asiatischen Ländern wie China, Indien und Malaysia, aber
   auch aus Südafrika.
„„ Vor allem Investoren aus Subsahara-Afrika (regionale Süd-Süd-Unternehmen) kön-
   nen die Verbreitung von Technologien innerhalb der Region fördern, da ihre Techno-
   logien besser an den Standort angepasst sind und leichter von heimischen Unterneh-
   men übernommen werden können.
„„ Süd-Süd-Investitionen gibt es auch im Finanzsektor: Jüngste Forschungsergebnisse
   deuten darauf hin, dass regionale Süd-Süd-Banken durch Spillover-Effekte einen Bei-
   trag zur Steigerung der Effizienz heimischer Banken in Subsahara-Afrika leisten.

Schlagwörter: Ausländische Direktinvestitionen, Süd-Süd-Unternehmen, Produktivität,
              Spillover-Effekte

www.giga-hamburg.de/giga-focus
Direktinvestitionen: Der Trend                                   Zu den wichtigsten Süd-Süd-Investoren in Sub-
                                                            sahara-Afrika zählen China, Indien und Malay-
Der Anstieg der weltweiten ausländischen Direkt­            sia; wichtigster regionaler Investor ist ­Südafrika
investitionen (ADI) multinationaler Unternehmen             (­UNCTAD 2010a). Angola, Mauritius, Nigeria,
in Entwicklungsländern von über 35 Mrd. USD im              Südafrika und Sambia sind die wichtigsten sub-
Jahr 1990 auf über 478 Mrd. USD im Jahr 2009 ist            saharischen Länder, in die ADI fließen (­UNCTAD
Ausdruck der zunehmenden Globalisierung, auch               2010b). Dem Investitionsumfang nach konzentrier-
                                                                                     ten sich die Neugründun­gen
Abbildung 1: Zuflüsse ausländischer Direktinvestitionen in Entwicklungsländer von Auslandsgesellschaf­ten
                und in Subsahara-Afrika (1990-2009), in Mio. USD
                                                                                     zwischen 2003 und 2010 in
  Entwicklungsländer                                            Subsahara-Afrika     den weltweit am wenigsten
   700000                                                                  60000     entwickelten Ländern (von
                                                                                     denen die meisten in Sub-
   600000                                                                  50000     sahara-Afrika liegen) auf
   500000                                                                            den Primärsektor – vor
                                                                           40000
   400000                                                                            allem Kohle-, Öl- und Erd-
                                                                           30000     gas (50%) – und weniger
   300000
                                                                           20000     auf den Industrie- (28%)
   200000
                                                                                     und Dienstleistungssektor
                                                                           10000
   100000                                                                            (17%). Die höchste Anzahl
        0                                                                  0         an Neugründungen ist al-
           1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008                         lerdings im Industrie- (40%)
                                                                                     und im Dienstleistungssek-
                         Entwicklungsländer      Subsahara-Afrika
                                                                                     tor (45%) zu verzeichnen.
Quelle: Eigene Grafik auf der Basis von Daten aus UNCTAD 2010a.                      ADI in diesen Sektoren er-
                                                                                     fordern zumeist einen ge-
wenn aufgrund der Finanzkrise zwischen 2008 und             ringeren Kapitaleinsatz als ADI im Primärsektor
2009 ein Rückgang dieser Investi­tionen zu ver-             und werden dadurch häufig unterschätzt. Gera-
zeichnen war (siehe Abbildung 1).                           de ADI im Sekundär- und Tertiärsektor sind aber
    ADI sind dadurch gekennzeichnet, dass ein               von erheblicher Bedeutung, da sie ein wesent-
Unternehmen eines Landes (Herkunftsland) Inve-              lich größeres Potenzial zur Verbreitung moder-
stitionen in einem anderen Land (Gastland) tätigt.          ner Technologien in Entwicklungsländern haben
Diese Investitionen zielen auf den langfristigen            (UNCTAD 2011).
Einfluss und die langfristige Kontrolle von erwor-
benen Unternehmen im Gastland. Daher fließen
durch ADI nicht nur Finanzmittel in das Gastland,           Warum Auslandsinvestitionen?
sondern auch neue Technologien sowie Manage-
ment- und Marketingkompetenzen.                             Wettbewerbsvorteile multinationaler Unternehmen
    Zunehmend gewinnen Investitionen multinatio­
naler Unternehmen aus Entwicklungsländern in                Nach der umfassendsten Theorie (Dunning 1993)
anderen Entwicklungsländern (Süd-Süd-Direkt­in­             tätigen multinationale Unternehmen dann ADI,
vestitionen) an Bedeutung. So haben sich diese In-          wenn sie über Eigentums-, Internalisierungs- und
vestitionen seit 1990 von weniger als 4 Mrd. USD            Standortvorteile verfügen. Ein Unternehmen benö-
auf 174 Mrd. USD im Jahr 2006 erhöht (UNCTAD                tigt nicht nur Kapital, sondern auch Wettbewerbs-
2008).                                                      vorteile wie moderne Technologien sowie Manage-
    In Subsahara-Afrika ist ein Anstieg der generel-        ment- und Marketingkompetenzen, damit es ADI
len ADI-Zuflüsse von 1,7 Mrd. USD im Jahr 1990              tätigen kann; diese Vorteile sind zumeist spezifisch
auf 40 Mrd. USD im Jahr 2009 zu verzeichnen (sie-           für das jeweilige Unternehmen und standortunab-
he Abbildung 1). Allerdings ist der Anteil des sub-         hängig. Internalisierungsvorteile liegen dann vor,
saharischen Afrika an den weltweiten ADI-Zu-                wenn dieses Unternehmen seine Vorteile selbst
flüssen mit 3,6 Prozent noch immer sehr gering im           verwerten kann und nicht über Lizenzverträge ver-
Vergleich zum Anteil der Entwicklungsländer ins-            kauft. Bei der Wahl des ausländischen Marktes gilt
gesamt (43%).                                               es, Standortvorteile abzuwägen, wie Steuererleich-

GIGA Focus Afrika 3/2011                                                                                    -2-
terungen, die Nähe zum Absatzmarkt sowie die          investieren bevorzugt in den portugiesischspra-
Sprache und Geschäftsgepflogenheiten auf dem          chigen Ländern des Kontinents (UNCTAD 2010).
ausländischen Markt.                                      Auch wenn multinationale Unternehmen aus
    Unternehmensspezifische Vorteile in Form mo-      Entwicklungsländern technologisch noch nicht an
dernster Technologien werden traditionell vor allem   ihre Wettbewerber aus Industrieländern heranrei-
Unternehmen aus Industrieländern zugeschrieben.       chen, scheint die Vielfalt der Wettbewerbsvorteile
Multinationale Unternehmen aus Entwicklungs-          dazu zu führen, dass sie sich auf ausländischen
ländern bauen demzufolge im Laufe der wirt-           Märkten, vor allem in anderen Entwicklungslän-
schaftlichen Entwicklung ihres Herkunftslandes        dern, sowohl gegenüber heimischen Unternehmen
spezifische Vorteile auf und beginnen erst von        als auch gegenüber multinationalen Unternehmen
einem bestimmten Zeitpunkt an, im Ausland zu          aus Industrieländern behaupten können. Ein ge-
investieren (Dunning 1993).                           ringeres technologisches Niveau mag beispiels-
    Eine jüngere Analyse zeigt aber, dass Unterneh-   weise mit einer höheren Arbeitsintensität einher-
men aus Entwicklungsländern Fach-, Produktions-       gehen sowie Kompetenz- und Ausbildungsniveaus
und Dienstleistungskompetenzen schon früher auf-      erfordern, die den Fähigkeiten und Eigenschaf-
bauen. Aufgrund ihres Entwicklungsstandes set-        ten der Arbeitskräfte in Entwicklungsländern
zen diese Unternehmen zudem häufig Technolo-          entsprechen (ADB 2011). Aykut und Goldstein
gien, Produkte und Dienstleistungen ein, die an       (2006) und Goldstein (2003) gehen sogar davon
die Märkte anderer Entwicklungsländer angepasst       aus, dass multinationale Unternehmen aus Ent-
sind (UNCTAD 2006).                                   wicklungsländern häufig vertrauter mit regionalen
    Zudem profitieren multinationale Unterneh-        Kon­sum­ansprüchen und Bedingungen bei der Ini-
men aus Entwicklungsländern inzwischen häufig         tiierung von Projekten sind als ihre Wettbewerber
von Vorteilen, die aus den Rahmenbedingungen          aus Industrie­ländern, auch wenn dies empirisch
des Herkunftslandes resultieren: Dies betrifft        schwer zu untermauern ist. Als Beispiel nennen
nicht nur den Zugang zu natürlichen Ressourcen,       sie das südafrikanische Telekommunikationsun-
sondern auch zu Kapital, wenn etwa Unterneh-          ternehmen ­Mobile Technology Networks (MTN).
men aus Entwicklungsländern günstige Kredite –        MTN scheint aufgrund eigener Kompetenzen
die beispielsweise aus hohen Sparraten innerhalb      besser in der Lage zu sein, Dienstleistungspake­
des Landes resultieren – von staatlichen Banken       te (Prepaid-Telefonkarten) speziell auf Kunden
oder aus anderen Finanzquellen erhalten.              in Subsahara-Afrika zuzuschneiden und zu ver-
    UNCTAD (2006) zufolge zählen auch Produk-         markten, als sein britischer Wettbewerber Celtel.
tions- und Prozessfähigkeiten zu wichtigen Vor-       Celtel ist zwar schon länger am Markt und hat viel
teilen multinationaler Unternehmen aus Entwick-       Erfahrung, hat diesen Service allerdings als Lu-
lungsländern. Diese werden häufig durch die Spe-      xus vermarktet, obwohl kabellose Telekommuni-
zialisierung auf bestimmte Produktionsprozesse        kation zu einer der wichtigsten Dienstleistungen
einer Wertschöpfungskette, wie in der Elektro-        in Afrika gehört. Ähnlich argumentiert die asia-
oder Automobilindustrie, realisiert – vor allem       tische Entwicklungsbank und hebt die größere
von Unternehmen in Ost- und Südostasien.              Kompetenz von Süd-Süd-Unternehmen hervor,
    Im Vergleich zu multinationalen Unternehmen       die Präferenzen lokaler Kunden mit Niedrigein-
aus Industrieländern dürfte die Bedeutung des         kommen zu erkennen: Sie nennt das Beispiel des
Zugangs zu Ressourcen sowie von Produktions-          2.500-USD-„Volkswagens“ (People’s Car), der von
und Prozessfähigkeiten für multinationale Unter-      dem indischen Automobilproduzenten ­Tata Mo-
nehmen aus Entwicklungsländern aber von grö-          tors produziert wird.
ßerer Bedeutung sein als technologische Kompe-
tenzen. Zudem ist anzunehmen, dass multinatio-
nale Unternehmen aus Entwicklungsländern Vor-         Motive für ADI
teile noch stärker aus anderen Quellen schöpfen
(müssen) als multinationale Unternehmen aus In-       Investitionen multinationaler Unternehmen zie-
dustrieländern; Beispiele wären sprachliche, kul-     len darauf ab, Zugang zu Ressourcen zu erwer-
turelle, historische und institutionelle Verbindun­   ben, neue Märkte zu erschließen, Effizienzvorteile
gen zu anderen Ländern. In Afrika sind beispiels-     zu generieren oder sich strategische Ressourcen
weise ADI aus arabischen Ländern auf Nordafri-        zu beschaffen.
ka konzentriert, und brasilianische Unternehmen

GIGA Focus Afrika 3/2011                                                                           -3-
Bei einer ressourcenorientierten Strategie ver-     Spillover-Effekte
suchen Unternehmen, Zugang zu bestimmten Res-
sourcen (z.B. fossilen Brennstoffen oder Agrarpro-      Der Zugang zu modernen Technologien und da-
dukten) in besserer Qualität und zu geringeren Kos­     mit technologischer Fortschritt besitzen für das
ten zu erhalten. Auch die Suche nach billigen Ar-       Wachstum weniger entwickelter Volkswirtschaf-
beitskräften kann Ziel dieser Strategie sein. Der Zu-   ten große Bedeutung. Dazu gehören nicht nur
gang zu natürlichen Ressourcen scheint gerade für       „harte“ Technologien wie Maschinen, sondern
Länder wie China und Indien enorm wichtig zu            auch „weiche“ wie Management- und Marketing-
sein, um den steigenden Energiehunger ihrer wach-       kompetenzen. Technologien werden vom Mutter-
senden Volkswirtschaften zu decken (UNCTAD              konzern an die ausländischen Tochtergesellschaf-
2006).                                                  ten, die in Subsahara-Afrika investieren, transfe-
    Zwar ist der größte Teil der Auslandsinvesti-       riert und von letzteren dort eingesetzt. Heimische
tionen in Subsahara-Afrika ressourcenorientiert,        Unternehmen erhalten dadurch Zugang zu aus-
die Mehrheit der Einzelinvestitionen, unabhän-          ländischen Technologien, die sie imitieren und
gig vom Umfang, ist allerdings marktorientiert.         deren Einsatz ihre Mitarbeiter erlernen können.
Marktorientierte Strategien zielen darauf ab, Güter     Durch solche Spillover-Effekte können heimische
und Dienstleistungen vor Ort zu produzieren und         Unternehmen im besten Fall ihre Produktivität
zu verkaufen, die zuvor vielleicht nur in das Gast-     steigern.
land exportiert wurden. Es geht also um den Aus-            Es gibt verschiedene Kanäle, durch die hei-
bau eines Marktes oder um die Einsparung von            mische Unternehmen von Spillover-Effekten profi-
Transaktionskosten. Marktorientierte Strategien         tieren können. Erstens können sie die Technologien
multinationaler Unternehmen aus Entwicklungs-           ihrer ausländischen Wettbewerber zu imitieren
ländern werden aufgrund der geographischen Nä-          versuchen. Zweitens können sie unter Umständen
he und einer größeren Familiarität vorwiegend in        gut ausgebildete Beschäftigte des ausländischen
Ländern innerhalb derselben Region verfolgt.            Unternehmens abwerben, um so Zugang zu mo-
    Neben ressourcen- und marktorientierten Stra-       dernem Know-how zu erhalten. Spillover-Effekte
tegien verfolgen ausländische Unternehmen effi-         können aber auch durch höheren Wettbewerbs-
zienz- und strategieorientierte Ziele in Subsaha-       druck erzeugt werden, wenn heimische Unterneh-
ra-Afrika: Hat ein Unternehmen effizienzorien-          men gezwungen sind, neue Technologien schnel-
tierte Motive, verlagert es z.B. seine arbeitsinten-    ler zu übernehmen, um ihre Wettbewerbsfähigkeit
sive Produktion in ein Land mit niedrigen Arbeits-      zu sichern. Auch wenn heimische Unternehmen
kosten und behält seine kapitalintensive Produk-        Kontakte zu ausländischen Unternehmen haben,
tion im Inland bei. Unter strategischen Investitio­     die im selben Industriesektor tätig sind, oder wenn
nen kann die Übernahme der Vermögenswerte               sie Beziehungen zu Zulieferern haben, können sie
ausländischer Unternehmen verstanden werden,            von Spillover-Effekten profitieren (Blomström et
um die globale Wettbewerbsfähigkeit zu sichern          al. 2000). Allerdings können ADI auch einen nega-
bzw. zu erweitern.                                      tiven Effekt auf die Produktivität heimischer Un-
                                                        ternehmen haben, wenn Letztere durch Nachfrage­
                                                        einbußen bei gleichbleibenden fixen Produktions-
Effekte ausländischer Direktinvestitionen               kosten weniger Produkte verkaufen können.
                                                            Ob und wie stark ADI Spillover-Effekte mit
Ausländische Direktinvestitionen können unter-          sich bringen, hängt erheblich von den technolo-
schiedliche Vorteile für Subsahara-Afrika mit sich      gischen Charakteristika ausländischer und hei-
bringen:                                                mischer Unternehmen ab. Ausländische Unter-
• direkt durch die Erhöhung der Investitions- und       nehmen müssen über einen technologischen Vor-
   Produktionskapazitäten;                              sprung verfügen, damit es überhaupt ein Potenzial
• indirekt durch die Schaffung neuer Arbeitsplätze,     für Spillover-Effekte gibt. Zwischen multinationa-
• die Förderung des internationalen Handels so-         len Unternehmen aus Industrieländern und hei-
   wie                                                  mischen Unternehmen in Subsahara-Afrika beste-
• den Zugang zu neuen Technologien durch Spill­         hen im Regelfall große technologische Unterschie-
   over-Effekte.                                        de, sodass heimische Unternehmen viel von ihren
Im Folgenden wird nur der letztgenannte Aspekt          ausländischen Wettbewerbern lernen können. Zu
behandelt.                                              große Diskrepanzen bergen allerdings das Risiko,

GIGA Focus Afrika 3/2011                                                                              -4-
dass heimische Unternehmen aufgrund fehlender          Süd-Süd-Investionen im Bankensektor
finanzieller Mittel und mangelnder Kompetenzen
ihrer Mitarbeiter nicht in der Lage sind, Techno-      Im Jahr 2008 wurde die südafrikanische Standard
logien zu übernehmen. Multinationale Unterneh-         Bank Group für über 5,6 Mrd. USD von der Indus-
men aus Entwicklungsländern weisen ein gerin-          trial & Commercial Bank of China übernommen.
geres technologisches Niveau als ihre Wettbewer-       Solche Übernahmen im Finanzsektor bieten eben-
ber aus Industrieländern auf. Damit besteht zwar       falls das Potenzial für Spillover-Effekte.
grundsätzlich ein geringeres Potenzial für Spill­
over-Effekte, allerdings können die geringeren
Unterschiede die Übernahme von Technolo­gien           Nord-Süd- und Süd-Süd-Banken
durch heimische Unternehmen und damit deren
Verbreitung erleichtern.                               Nord-Süd-Banken in Subsahara-Afrika sind zu-
   Hinzu kommt, dass Technologien, Geschäfts-          meist in der ehemaligen Kolonialmacht beheima-
modelle und Produkte multinationaler Unterneh-         tet, wie beispielsweise die britischen Banken Bar-
men durch Sprache, Kultur und institutionelle Rah-     clays Bank und Standard Chartered Bank oder die
menbedingungen des Herkunftslandes geprägt             französischen Banken BNP Paribas und Société
sind. Regionale Süd-Süd-Unternehmen – multina-         Générale.
tionale Unternehmen, die ihren Hauptsitz im sub-           Neben Nord-Süd-Banken investieren aber auch
saharischen Afrika haben – verfügen am ehesten         immer mehr Süd-Süd-Banken in Subsahara-Afri-
über Technologien und Geschäftsmodelle, die an         ka. Die größte Bedeutung kommt dabei regionalen
die vorherrschenden Rahmenbedingungen, bei-            Süd-Süd-Banken zu, wie der Stanbic Bank aus Süd-
spielsweise die höhere Arbeitsintensität von Pro-      afrika und der Ecobank aus Togo. Die Ecobank fir-
zessen, in Subsahara-Afrika angepasst sind. Dies       miert inzwischen in 30 subsaharischen Ländern.
erleichtert deren Übernahme und Implementie-           Nichtregionale Süd-Süd-Banken sind bisher in ge-
rung durch heimische Unternehmen.                      ringerer Anzahl vertreten.
                                                           Nord-Süd-Banken in Subsahara-Afrika können
                                                       sich ihre Kunden aufgrund ihrer finanziellen und
Bedeutung für Subsahara-Afrika                         technologischen Überlegenheit in der Regel „aus-
                                                       suchen“: Zumeist machen sie Geschäfte mit den
Eine Quantifizierung des Transfers und der Ver-        risikoärmsten und rentabelsten Kunden, wie gro­
breitung von Technologien ist schwierig, weil es       ßen exportorientierten oder multinationalen Un-
dazu bislang nur wenige empirische Studien gibt.       ternehmen. Diese Unternehmen sind internatio-
Eine UNCTAD-Studie (2009) zeigt für den Agrar-         nal vernetzt und besitzen Vermögenswerte, die als
sektor, dass von Unternehmen aus Industrielän-         Sicherheiten anerkannt werden. Kleine und mitt-
dern angewandte Technologien für Entwicklungs-         lere Unternehmen sind hingegen weniger häufig
länder häufig ungeeignet sind, da ihre Einsatz-        Kunden von Nord-Süd-Banken, da sie ein größe-
möglichkeiten durch geographische und klima-           res Kreditvergaberisiko aufweisen. Dies liegt un-
tische Faktoren beeinträchtigt werden. Dies redu-      ter anderem an der geringeren Transparenz in Be-
ziert das Potenzial für Spillover-Effekte.             zug auf Bilanzierungs- und Offenlegungspflich-
    Kabelwa (2004) vergleicht die Effekte von ADI      ten für Unternehmen in Subsahara-Afrika, auf de-
südafrikanischer Unternehmen mit denen aus an-         ren Basis die Kreditvergabe von Nord-Süd-Ban-
deren Entwicklungsländern und aus Industrie­län­       ken in der Regel erfolgt.
dern im Produktions-, Tourismus- und Dienstlei-            Aufgrund ihrer Erfahrung mit Geschäfts­
stungssektor Tansanias zwischen 1996 und 2002. Im      praktiken und Technologien innerhalb der Region
Ergebnis sieht er bei Investitionen südafrikanischer   können regionale Süd-Süd-Banken oft leichter mit
Unternehmen das größte Potenzial, dass heimische       der mangelnden Transparenz der Geschäftstätigkeit
Unternehmen durch Spillover-Effekte profitieren.       kleinerer und mittlerer Unternehmen, wie unvoll-
Für den Bankensektor zeigt Pohl (2011), dass Spill-    ständigen oder fehlenden Bilanzen, und mit Pro-
over-Effekte auf heimische Banken vorwiegend           blemen bei der Durchsetzung von Verträgen umge-
von regionalen Süd-Süd-Banken ausgehen.                hen. Daher gehen regionale Süd-Süd-Banken häu-
                                                       figer Geschäftsbeziehungen mit kleineren und mitt-
                                                       leren Unternehmen ein als ihre Wettbewerber aus
                                                       Industrieländern. So haben die Absa Bank und die

GIGA Focus Afrika 3/2011                                                                            -5-
Stanbic Bank aus Südafrika ihre Kreditvergabe auf         verschiedene Kre­dittechnologien, Manage­ment- und
Kunden mit niedrigem und mittlerem Einkommen              Marketingkompetenzen eine Rolle spielen.
ausgedehnt (Honohan und Beck 2007). Togos Eco-                Die kleinere technologische Lücke und die bes-
bank hat ein Schulden-Rating-Modell entwickelt,           sere Anpassung der Technologien regionaler Süd-
das insbesondere die eingeschränkten Informatio­          Süd-Banken an die Märkte des subsaha­rischen Afri-
nen zur finanziellen Situation kleiner und mittle-        ka implizieren demgegenüber, dass diese von hei-
rer Unternehmen in Afrika berücksichtigt (Essien          mischen Banken leichter übernommen werden kön-
2007). Zudem haben regionale Süd-Süd-Banken be-           nen. Langfristig könnten heimische Banken da-
reits Erfahrung mit den Präferenzen von Kunden,           durch ihre Kosten reduzieren. Zudem könnten re-
insbesondere von solchen mit niedrigem Einkom-            gionale Süd-Süd-Banken stärkeren Wettbewerbs-
men, in ihrem Heimatland gemacht. Dies erleich-           druck auf heimische Banken ausüben und sie zwin-
tert die Anpassung von Produkten und Dienstleis­          gen, ihre Zinsmargen zu reduzieren, gerade wenn
tungen an die spezifischen Bedürfnisse neuer Kun-         sie häufiger in Marktsegmenten arbeiten, in denen
den auf ausländischen Märkten. Ein Beispiel sind          heimische Banken aktiv sind. In der Tat deutet ei-
die mzansi-Konten, die von südafrikanischen Ban-          ne aktuelle Studie (Pohl 2011) darauf hin, dass hei-
ken für das Privatkundengeschäft entwickelt wur-          mische Banken in Subsahara-Afrika insbesondere
den und für Kunden mit niedrigem Einkommen in             in die Technologien regionaler Süd-Süd-Banken in-
Südafrika und anderen afrikanischen Ländern ge-           vestieren; auch Wettbewerbsdruck scheint eher von
eignet sind (Aykut und Goldstein 2006).                   regionalen Süd-Süd-Banken auf heimische Ban-
    Nichtregionale Süd-Süd-Banken sind prinzi­            ken ausgeübt zu werden als von anderen auslän-
piell weniger mit den vorherrschenden Bedin-              dischen Investoren. Diese Studie lässt allerdings
gungen in Subsahara-Afrika vertraut und konzen-           auch vermuten, dass die Kosten heimischer Ban-
trieren sich häufiger auf Kunden, zu denen sie be-        ken aufgrund der Investitionen in neue Technolo-
reits Geschäftsbeziehungen im Heimatland aufge-           gien kurzfristig zunächst steigen und erst längerfri-
baut haben. Innerhalb dieser Nischenmärk­te besit-        stig eine höhere Effizienz in Form geringerer Kos­
zen sie spezielle Kundeninformationen, Fachkom-           ten zu erwarten ist.
petenzen sowie Reputation. Wenn allerdings An-
teile an bereits bestehenden Unternehmen über-
nommen werden, kann durch enge Zusammenar-                Süd-Süd-ADI als Ergänzung zu Nord-Süd-ADI
beit mit heimischen Beschäftigten versucht wer-
den, Informationsdefizite auszugleichen. Eine sol-        Das Potential von Spillover-Effekten ausländischer
che Strategie ist bei dem eingangs geschilderten          Direktinvestitionen scheint in Subsahara-Afrika
Beispiel der Übernahme der Standard Bank Group            noch nicht voll entfaltet zu sein. Theo­retisch be-
durch einen chinesischen Investor zu vermuten;            trachtet könnten Süd-Süd-Direktinvestitionen
­dies zeigt, dass sich zunehmend auch nichtregionale      ein größeres Potenzial für technologische Spill-
 Süd-Süd-Banken in Subsahara-Afrika behaupten.            over-Effekte auf heimische Unternehmen bieten
                                                          als Nord-Süd-Direktinvestitionen. Aufgrund der
                                                          mangelnden Datenqualität ist es allerdings noch
Spillover-Effekte im Bankensektor                         schwierig, zuverlässige Untersuchungsergebnisse
                                                          zu den Effekten von ADI in Subsahara-Afrika zu
Die technologische und finanzielle Überlegenheit          erhalten. Zwar deuten Einzelberichte und erste
von Nord-Süd-Banken gegenüber heimischen Ban-             umfassendere Studien darauf hin, dass Spillover-
ken reduziert die Wahrscheinlichkeit, dass die-           Effekte vorwiegend von regionalen Süd-Süd-Un-
se Banken in denselben Marktsegmenten konkur-             ternehmen ausgehen, allerdings sollten diese Er-
rieren. Dies impliziert nicht nur eine hohe Markt-        gebnisse noch mit Vorbehalt betrachtet werden,
macht von Nord-Süd-Banken im Großkundenseg­               vor allem weil sie sich auf nur wenige Länder und
ment, sondern auch von heimischen Banken in den           einen sehr begrenzten Zeitraum beziehen.
verbleibenden Marktsegmenten. Dies kann eine ge-             Um in der Zukunft eine bessere Einschätzung
ringe Markteffizienz – beispielsweise in Form über-       der Effekte von Nord-Süd- und Süd-Süd-Direkt­
teuerter Kreditzinsen – zur Folge haben. Auch das         investitionen vornehmen zu können, sind weitere
Potenzial für tech­no­logische Spillover-Effekte sinkt,   qualitative und quantitative Datenerhebungen not­
wenn Nord-Süd-Banken und heimische Banken in              wendig. Ein guter Ausgangspunkt sind die World
unterschiedlichen Marktsegmenten tätig sind und           Enterprise Surveys der Weltbank.

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Die zunehmende Bedeutung von Süd-Süd-Un-            Kabelwa, George M. (2004), Technology Transfer
ternehmen in Subsahara-Afrika und das mögli-             and South African Investment in Tanzania, Glo-
cherweise größere Potenzial für Spillover-Effekte        balisation and East Africa Working Paper Ser­
bedeuten aber nicht, dass Nord-Süd-Direktinves­          ies, 10, Economic and Social Research Founda­
titionen gebremst werden sollten. Industrieländer        tion, Dar es Salaam, Tanzania, online:  (31. Mai 2011).
                                                        Pohl, Birte (2011), Spillover and Competition ­Effects:
                                                         Evidence from the Sub-Saharan African Banking Sec-
Literatur                                                tor, GIGA Working Papers, 165, online: .
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Aykut, Dilek und Andrea Goldstein (2006), Devel­         plications for Development, New York und Genf:
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Essien, Albert (2007), Finance for All – What’s Next    UNCTAD (2010a), World Investment Report 2010: In-
  and How to Get There, Ecobank’s World Bank Pre-        vesting in a Low-Carbon Economy, Annex Tables,
  sentation, präsentiert beim Weltbank Roundtable        New York und Genf: United Nations.
  zu „Making Finance Work for Africa“ vom 7.-9.         UNCTAD (2010b), South-South Cooperation: Afri-
  Mai 2007 in Livingstone, Zambia.                       ca and the New Forms of Development Partnership,
Goldstein, Andrea E. (2003), Regional ­Integration,      Economic Development in Africa – Report 2010,
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  OECD.                                                 UNCTAD (2011), Foreign Direct Investment in LDCs:
Honohan, Patrick und Thorsten Beck (2007), Ma-           Lessons Learned from the Decade 2001-2010 and the
  king Finance Work for Africa, Washington: The          Way Forward, New York und Genf: United Na-
  World Bank.                                            tions.

GIGA Focus Afrika 3/2011                                                                                  -7-
„„ Die Autorin
Dr. Birte Pohl ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am GIGA Institut für Afrika-Studien und arbeitet im Be-
reich Internationale Wirtschaftsbeziehungen, insbesondere zu ausländischen Direktinvestitionen und de-
ren Effekten.
E-Mail: , Webseite: 

„„ GIGA-Forschung zum Thema
Das von Jun.-Prof. Juliane Brach geleitete Forschungsteam „Innovation und Wachstum“ im GIGA For-
schungsschwerpunkt 3 „Sozioökonomische Herausforderungen in der Globalisierung“ beschäftigt sich
unter anderem mit möglichen Strategien zur Überwindung des Technologierückstands in Entwicklungs-
ländern. Hier werden Formen der internationalen Kooperation sowohl auf unternehmerischer (Internatio­
nalisierung von Unternehmen, Technologietransfer und Upgrading in internationalen Wertschöpfungs-
ketten, Joint Ventures und ausländische Direktinvestitionen) als auch auf staatlicher Ebene berücksich­tigt
(Nord-Süd, Süd-Nord und Süd-Süd).

„„ GIGA-Publikationen zum Thema
Asche, Helmut und Margot Schüller (2008), Chinas Engagement in Afrika – Chancen und Risiken für Entwick-
  lung, Hamburg: GIGA German Institute of Global and Area Studies (im Auftrag von BMZ und GTZ),
  Eschborn.
Brach, Juliane (2008), Entwicklung ohne ausländische Direktinvestitionen? Perspektiven der arabischen Mittel-
  meerländer, GIGA Focus Nahost, 9,online: .
Brach, Juliane und Robert Kappel (2009), Global Value Chains, Technology Transfer and Local Firm Upgrading
  in Non-OECD Countries, GIGA Working Papers, 110, online: .
Pohl, Birte (2011), Spillover and Competition Effects: Evidence from the Sub-Saharan African Banking Sector,
  ­GIGA Working Papers, 165, online: .

                     Der GIGA Focus ist eine Open-Access-Publikation. Sie kann kostenfrei im Netz gelesen und
                     heruntergeladen werden unter  und darf gemäß den Be­
                     dingungen der Creative-Commons-Lizenz Attribution-No Derivative Works 3.0  frei vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zu­
                     gänglich gemacht werden. Dies umfasst insbesondere: korrekte Angabe der Erstveröffentli­
                     chung als GIGA Focus, keine Bearbeitung oder Kürzung.

Das GIGA German Institute of Global and Area Studies – Leibniz-Institut für Globale und Regionale Studien
in Hamburg gibt Focus-Reihen zu Afrika, Asien, Lateinamerika, Nahost und zu globalen Fragen heraus, die jeweils
monatlich erscheinen. Ausgewählte Texte werden in der GIGA Focus International Edition auf Englisch veröffentlicht.
Der GIGA Focus Afrika wird vom GIGA Institut für Afrika-Studien redaktionell gestaltet. Die vertretenen Auffassun­
gen stellen die der Autoren und nicht unbedingt die des Instituts dar. Die Autoren sind für den Inhalt ihrer Beiträge
verantwortlich. Irrtümer und Auslassungen bleiben vorbehalten. Das GIGA und die Autoren haften nicht für Richtig­
keit und Vollständigkeit oder für Konsequenzen, die sich aus der Nutzung der bereitgestellten Informationen er­
geben. Auf die Nennung der weiblichen Form von Personen und Funktionen wird ausschließlich aus Gründen der
Lesefreundlichkeit verzichtet.
Redaktion: Gero Erdmann; Gesamtverantwortliche der Reihe: André Bank und Hanspeter Mattes; Lektorat:
Ellen Baumann; Kontakt: ; GIGA, Neuer Jungfernstieg 21, 20354 Hamburg

www.giga-hamburg.de/giga-focus
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