SYSTEMATISCHE HERLEITUNG VON PRIORITÄTSFLÄCHEN FÜR DIE AUSWEISUNG NEUER PROZESSSCHUTZFLÄCHEN - URWÄLDER VON MORGEN: WO SOLLEN SIE ENTSTEHEN? ...

 
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SYSTEMATISCHE HERLEITUNG VON
PRIORITÄTSFLÄCHEN FÜR DIE AUSWEISUNG
 NEUER PROZESSSCHUTZFLÄCHEN
 U RWÄLDER VON MORGEN : WO SOLLEN SIE ENTSTEHEN ?
SYSTEMATISCHE HERLEITUNG VON PRIORITÄTSFLÄCHEN FÜR DIE AUSWEISUNG NEUER PROZESSSCHUTZFLÄCHEN - URWÄLDER VON MORGEN: WO SOLLEN SIE ENTSTEHEN? ...
SEEBACH, BRAUNISCH Systematische Herleitung von Prioritätsflächen für die Ausweisung neuer Prozessschutzflächen
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1

 Systematische Herleitung
 von Prioritätsflächen für die
 Ausweisung neuer
 Prozessschutzflächen
 Urwälder von morgen: wo sollen sie entstehen?
 LUCIA SEEBACH, VERONIKA BRAUNISCH
SYSTEMATISCHE HERLEITUNG VON PRIORITÄTSFLÄCHEN FÜR DIE AUSWEISUNG NEUER PROZESSSCHUTZFLÄCHEN - URWÄLDER VON MORGEN: WO SOLLEN SIE ENTSTEHEN? ...
I Systematische Herleitung von Prioritätsflächen für die Ausweisung neuer Prozessschutzflächen SEEBACH, BRAUNISCH

 Kurzfassung

 annwälder und Kernzonen von Groß- sich die bestehenden Bannwälder überdurch-

 B schutzgebieten sind forstlich nicht ge-
 nutzte Waldgebiete, in denen sich der
 Wald aus sich selbst heraus entwickeln und der
 schnittlich häufig in schlecht zugänglichen Steil-
 lagen befinden.

 „Urwald von morgen“ entstehen soll. Sie sind Entsprechend der Waldschutzgebietskonzep-
 wichtige Waldgebiete für den Schutz natürlicher tion 2020 (FVA, 2021) sollen Neuausweisungen
 Prozesse (Prozessschutzflächen) und ihrer Aus- von Bannwäldern auf eine Optimierung der un-
 wirkungen auf die Waldbiodiversität und stehen terschiedlichen Funktionen von Bannwäldern
 deshalb im Fokus unterschiedlicher politischer ausgerichtet sein. Während die wissenschaftli-
 Strategien. che Funktion eine repräsentative Verteilung der
 Flächen auf Waldgesellschaften und standörtli-
 Aufbauend auf der nationalen Strategie zur bi- che Gegebenheiten (Topographie und Klimahö-
 ologischen Vielfalt (BMUB, 2007) sieht die Na- henstufen) erfordert, sind für die ökologische
 turschutzstrategie Baden-Württemberg vor, 5 % Funktion insbesondere Kriterien der Waldge-
 der Gesamtwaldfläche aus der forstlichen Nut- schichte (Habitattradition), der ökologischen
 zung zu nehmen (MLR, 2013). Die Gesamtkon- Ausstattung (z.B. strukturelle Ausstattung, Na-
 zeption Waldnaturschutz von ForstBW (Ziel 8: turnähe, Bestandesalter) sowie der Flächen-
 Prozessschutz) trägt zur Umsetzung dieses Ziels größe und räumlichen Verteilung (Vernetzung)
 bei, indem 10 % der Staatswaldfläche Baden- von Bedeutung.
 Württembergs der natürlichen Waldentwick-
 lung überlassen werden sollen (FORSTBW, 2015). Neue Gebiete sollten daher wie bisher zum ei-
 Mindestens 3 % davon sollen auf langfristig nen die Repräsentativität der Bannwald-Flä-
 durch Rechtsverordnung gesicherte Flächen chenkulisse verbessern und zum anderen Flä-
 (d.h. Bannwälder und Großschutzgebiets-Kern- chen bevorzugt ausweisen, die im Hinblick auf
 zonen) entfallen (MLR, 2013). Dies erforderte ein die ökologische Funktion besonders hochwertig
 Konzept für eine gezielte sinnvolle Ausweisung sind: Möglichst alte, naturnahe und strukturrei-
 dieser neuen Prozessschutzflächen. che Wälder sollen in die Kulisse aufgenommen
 werden, da erwartet wird, dass sie schneller „Ur-
 Bei der Ausweisung von Bannwäldern bzw. wald“-ähnliche Strukturen entwickeln können
 Kernzonen stand bisher hauptsächlich eine re- (BRAUNISCH et al., 2019). Zusätzlich sollen, wo
 präsentative Verteilung der Prozessschutzflä- sinnvoll, auch ökonomische Aspekte berück-
 chen auf Naturräume und Waldgesellschaften sichtigt werden.
 Baden-Württembergs im Vordergrund. Später
 kam der besondere Schutz seltener Waldgesell- Eine gleichzeitige Berücksichtigung und Opti-
 schaften hinzu (BÜCKING, 1993, 2003). Die theo- mierung aller genannter Kriterien und Indikato-
 retisch definierten Fachkriterien wurden in der ren über die gesamte Staatswaldfläche Baden-
 Praxis jedoch häufig von forstpraktischen und Württembergs hinweg ist allein mit gutachterli-
 ökonomischen Aspekten überlagert, weswegen chen Methoden nicht möglich. Die Herleitung
 geeigneter Flächen für Neuausweisungen im
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SEEBACH, BRAUNISCH Systematische Herleitung von Prioritätsflächen für die Ausweisung neuer Prozessschutzflächen II

Staatswald erfolgte daher mit Hilfe von mathe- sprüche an die Optimierung der oben genann-
matischen Algorithmen zur„systematischen Na- ten Selektionskriterien gestellt und unterschied-
turschutzplanung“ (Systematic Conservation liche politische Flächenziele (5 % und 10 %) an-
Planning, SCP) (MARGULES U. PRESSEY, 2000). genommen wurden.
Diese Algorithmen identifizieren, basierend auf
räumlich expliziten Daten zu den Indikatoren Als Ergebnis der Modellierung wurde eine Flä-
der Kriterien „Repräsentativität“ und „Habitat- chenkulisse mit drei verschiedene Prioritätsstu-
qualität“, die Waldflächen, auf denen die ge- fen erstellt:
nannten Kriterien bestmö glich erfüllt werden
(BALL et al., 2009). Dabei wird nicht nur auf die • Priorität 1: entspricht rund 5 % der Staats-
Optimierung der Kriterien im einzelnen Gebiet waldfläche, auf denen die Selektionskrite-
geachtet, sondern auch auf Komplementarität, rien bestmöglich erfüllt sind.
das heißt auf die Optimierung aller Kriterien • Priorität 2: entspricht rund 8 % der Staats-
über die Gesamtkombination aller potentiellen waldfläche, in der alle Selektionskriterien
Flächen hinweg. Der Vorteil von SCP-Algorith- mit mindestens 5 % repräsentiert sind.
men ist die transparente und objektive Heran- • Priorität 3: entspricht rund 10 % der
gehensweise, die eine nachvollziehbare Identifi- Staatswaldfläche, auf denen die Selektions-
zierung von Gebieten unter Berücksichtigung kriterien bestmöglich erfüllt sind.
definierter Kriterien erlaubt.

 Die Priorisierungskulisse dient als Entschei-
Eine solche, systematische Flächenselektion
 dungshilfe und stellt grobe „Suchräume“ be-
wurde für den Staatswald in Baden-Württem-
 reit, innerhalb derer für die genaue Flächenab-
berg durchgeführt und liefert eine Grundlage,
 grenzung weitere Prüfkriterien herangezogen
um bei der Planung von Bannwald-Neuauswei-
 werden sollen: Zum einen werden potentielle
sungen im Rahmen des Ziels, 10 % des Staat-
 Zielkonflikte mit anderen Schutzobjekten (z.B.
waldes als Prozessschutzflächen auszuweisen,
 die Lebensräume hochgradig gefährdeter Arten
die vielfältigen Ansprüche an Bannwälder best-
 für die Pflegemaßnahmen erforderlich sind) ge-
möglich zu erfüllen. Für diese Selektion wurden
 prüft und bewertet. Zum anderen wurde als wei-
im ersten Schritt Waldgebiete mit erhöhten
 tere Entscheidungshilfe die ökonomische Wer-
Randeinflüssen durch Infrastruktur oder Besie-
 tigkeit der Flächen berechnet. Weiterhin wird
delungen identifiziert und ausgeschlossen. Für
 die potentielle Bannwaldfläche im Hinblick auf
die verbleibenden Staatswaldgebiete wurden
 ihre mögliche Funktion in einem ökologischen
im zweiten Schritt Modellierungen mit der Op-
 Vernetzungskonzept geprüft.
timierungs-Software MARXAN (BALL et al., 2009)
durchgeführt, um Flächen zu identifizieren, die
 Die konkrete Flächenabgrenzung auf Bestan-
künftig als prioritäre Flächenkulisse für die Aus-
 desebene muss final vor Ort, in Zusammenar-
weisung neuer Prozessschutzflächen dienen
 beit mit den Forstbehörden, gegebenenfalls mit
können. Dabei wurden unterschiedliche Szena-
 den Naturschutzbehörden und unter Berück-
rien verglichen, bei denen unterschiedliche An-
 sichtigung der lokalen Gegebenheiten erfolgen.
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III Systematische Herleitung von Prioritätsflächen für die Ausweisung neuer Prozessschutzflächen SEEBACH, BRAUNISCH

 Inhalt

 Kurzfassung.......................................................................................................................... I
 1 Einleitung ..................................................................................................................... 1
 2 Systematische Naturschutzplanung .......................................................................... 3
 2.1 Grundsätze der Methode....................................................................................................... 3

 2.2 Kriterienauswahl .................................................................................................................... 3

 2.3 Daten ....................................................................................................................................... 4

 2.3.1 Datengrundlage ....................................................................................................................................................4

 2.3.2 Datenaufarbeitung und –modellierung .......................................................................................................5

 2.4 MARXAN ................................................................................................................................. 6

 2.4.1 Theorie ......................................................................................................................................................................6

 2.4.2 pu.dat - Planungseinheiten (planning units – PU)...................................................................................7

 2.4.3 spec.dat - Conservation Feature dataset ....................................................................................................8

 2.4.4 puvssp.dat - Planning Unit vs Conservation Feature File .................................................................. 10

 2.4.5 bound.dat und input.dat - Boundary Length file und Input Parameter File ............................. 10

 2.4.6 Runs ........................................................................................................................................................................ 11

 2.5 Weiterverarbeitung der MARXAN outputs ....................................................................... 11

 3 Ergebnisse und Diskussion ....................................................................................... 13
 3.1 Vergleich der unterschiedlichen Priorisierungsklassen .................................................... 14

 3.2 Bewertung der Kulissen ....................................................................................................... 17

 3.2.1 Ökologische Bewertung .................................................................................................................................. 17

 3.2.2 Ökonomische und gesellschaftliche Bewertung ................................................................................... 18

 3.3 Prüfung der Kulissen auf Ebene der Planungseinheiten (PU) .......................................... 19

 3.3.1 Ökologische Bewertung in Bezug auf notwendige Pflegemaßnahmen ...................................... 19

 3.3.2 Ökonomische Bewertung ............................................................................................................................... 21

 4 Best practice und Handlungsempfehlungen für die Nutzung der Ergebnisse ... 22
 5 Literatur ...................................................................................................................... 24
 6 Anhang ....................................................................................................................... 26
 6.1 Datengrundlagen ................................................................................................................. 26

 6.1.1 Hangneigungsklassen ...................................................................................................................................... 26

 6.1.2 Exposition ............................................................................................................................................................. 27

 6.1.3 Natürliche Waldgesellschaften (pnV) ........................................................................................................ 28
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SEEBACH, BRAUNISCH Systematische Herleitung von Prioritätsflächen für die Ausweisung neuer Prozessschutzflächen IV

 6.1.4 Klimahöhenstufen ............................................................................................................................................. 29

 6.1.5 Alte Waldstandorte ........................................................................................................................................... 30

 6.1.6 Naturnähe der Baumartenzusammensetzung (SEEBACH et al., 2020) ............................................ 31

 6.1.7 Altersklassen ........................................................................................................................................................ 32

 6.1.8 Vertikalstruktur ................................................................................................................................................... 32

 6.2 MARXAN Eingangsdatenvorbereitung .............................................................................. 33

 6.2.1 Erstellung pu.dat ................................................................................................................................................ 33

 6.2.2 Erstellung spec.dat ............................................................................................................................................ 34

 6.3 Vorbereitung Bewertung potentieller Zielkonflikte ......................................................... 35

 6.3.1 Schonwald Schutzzweck-Kategorien ......................................................................................................... 35

 6.3.2 Waldbiotopkartierung (WBK)........................................................................................................................ 35

 6.3.3 Waldfunktionskarte – Erholungswald ........................................................................................................ 37
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1 Systematische Herleitung von Prioritätsflächen für die Ausweisung neuer Prozessschutzflächen SEEBACH, BRAUNISCH

 1 Einleitung

 rozessschutz ist ein wichtiges Instru- cherte Flächen (d.h. Bannwälder und Groß-

 P ment des Waldnaturschutzes und be-
 deutet, dass der Wald von jeglicher Be-
 wirtschaftung ausgenommen ist. Durch unge-
 schutzgebiets-Kernzonen)
 2013).
 entfallen (MLR,

 stört ablaufende natürliche Prozesse soll „Wild- Die derzeitige Fläche der WnE (Stand
 nis aus zweiter Hand“ oder „Urwald von mor- 31.12.2019) beträgt rund 19.183 ha im Staats-
 gen“ entstehen. Alle ökologischen Verände- wald (5,8 % des Staatswaldes) und ca.
 rungen und dynamischen Entwicklungen auf 27.300 ha im Gesamtwald (1,91 %). Diese Flä-
 der Ebene von Arten, Biozönosen, Bio- oder che schließt die gesetzlich verordneten Flächen
 Ökotopen und Ökosystemen werden zugelas- wie Bannwälder, Biosphärengebiets-Kernzonen,
 sen. Der Wald kann so ungesteuert den vollen die Kernzonen des Nationalparks (NK) und auch
 Zyklus der natürlichen Waldsukzession durch- AuT-Flächen, d.h. Waldrefugien (WR) und Habi-
 laufen und bei ausreichender Flächengröße ein tatbaumgruppen (HBG), ein.
 Strukturmosaik entwickeln (REMMERT, 1991),
 Um den geplanten Zielwert von mindestens
 welches eine Vielzahl an ökologischen Nischen
 2500 ha neu ausgewiesenen Bannwäldern
 für verschiedene Tier- und Pflanzenarten bietet
 (FORSTBW, 2015) zu erreichen, sollen geeignete
 (FRANKLIN U. VAN PELT, 2004; PAILLET et al., 2010;
 Staatswaldflächen gefunden werden, die durch
 MIKOLÁŠ et al., 2017).
 ihre Ausstattung und Lage die bestehenden
 Der Anteil dieser Wälder mit natürlicher und un- Prozessschutzflächen bestmöglich ergänzen.
 gestörter Waldentwicklung (WnE) soll in Baden-
 Bisher stand bei der Bannwaldausweisung
 Württemberg entsprechend der Nationalen
 hauptsächlich eine repräsentative Verteilung
 Strategie zur biologischen Vielfalt (BMUB, 2007),
 der Bannwälder auf Naturräume und Waldge-
 und der Naturschutzstrategie Baden-Württem-
 sellschaften Baden-Württembergs im Vorder-
 bergs (MLR, 2013) sowohl durch Ausweisung
 grund. Mit der Waldschutzgebietskonzeption
 von weiteren Prozessschutzgebieten als auch
 von 1993 kam der besondere Schutz seltener
 durch die Umsetzung des Alt-und-Totholzkon-
 Waldgesellschaften hinzu (BÜCKING, 1993). Die
 zeptes Baden-Württembergs (AuT-Konzept,
 theoretisch definierten Fachkriterien wurden in
 (FORSTBW, 2010)) auf 10 % des Staatswaldes
 der Praxis jedoch häufig von forstpraktischen
 bzw. 5 % des Gesamtwaldes erhöht werden
 und ökonomischen Aspekten überlagert, wes-
 (NWE5-Ziel). Im Ziel 8 (10 % Prozessschutzflä-
 wegen sich die bestehenden Bannwälder über-
 chen ausweisen) der Gesamtkonzeption Wald-
 durchschnittlich häufig in schlecht zugänglichen
 naturschutz von ForstBW (FORSTBW, 2015) wird
 Steillagen befinden. Gefährdete Arten, die ihren
 dies konkretisiert, in dem bis 2020 die Auswei-
 Lebensraum in produktiven und wirtschaftlich
 sung von dauerhafter Waldfläche mit natürli-
 interessanteren Waldbeständen haben, werden
 cher Entwicklung (WnE) von rund 33.000 ha an-
 so nicht geschützt. Entsprechend der Wald-
 gestrebt wurde. Mindestens 3% davon sollen
 schutzgebietskonzeption 2020 (FVA, 2021) sol-
 auf langfristig durch Rechtsverordnung gesi-
 len Neuausweisungen von Bannwäldern neben
 einer repräsentativen Verteilung der Flächen
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insbesondere auch deren ökologische Ausstat- explizite, vordefinierte Zielvorgaben umzuset-
tung und Funktion berücksichtigen. Um im Neu- zen bzw. ausgewählte Kriterien zu erfüllen. Als
ausweisungsprozess auch diese miteinzubezie- Grundlage für eine effiziente Verwendung von
hen, sollten weitere Kriterien und Indikatoren begrenzten Ressourcen ist diese Modellierung
für die Flächenauswahl im Rahmen eines Exper- einer Flächenkulisse potentieller Prozessschutz-
tenworkshops definiert werden. flächen sehr effektiv. Ziel dieses Projekt war so-
 mit mit Hilfe der systematischen Naturschutz-
Eine gleichzeitige Berücksichtigung und Opti- planung:
mierung aller vordefinierter Kriterien und Indi-
katoren über die gesamte Staatswaldfläche Ba- • objektiv repräsentative Prozessschutzflä-
den-Württembergs hinweg ist allein mit gut- chen mit hohem Naturschutzpotential im
achterlichen Methoden nicht möglich. Die Her- Staatswald Baden-Württembergs mit mög-
leitung geeigneter Flächen für Neuausweisun- lichst geringen Kosten zu identifizieren und
gen im Staatswald sollte daher mit Hilfe von ma-
thematischen Algorithmen zur „systematischen • die politisch definierten Flächenziele (10%
Naturschutzplanung“ (Systematic Conserva- des Staatswaldes) bei gleichzeitigem Opti-
tion Planning, SCP) (MARGULES U. PRESSEY, 2000) mieren dieser Kriterien zu erreichen und
erfolgen. Dies ist im Einklang mit der Empfeh- einzuhalten.
lung des WBW U. WBBGR (2020), wonach die
Ausweisung von Schutzgebieten auf Grundlage
einer systematischen Auswahl von Gebieten er-
folgen sollte. Systematische Naturschutzpla-
nung hat den Vorteil, dass einfache und repro-
duzierbare Methoden verwendet werden, um
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 2 Systematische Naturschutzplanung

 2.1 Grundsätze der Methode 2.2 Kriterienauswahl

 Im letzten Jahrzehnt wurden Methoden der sys- Voraussetzung für eine Anwendung Algorith-
 tematischen Naturschutzplanung weltweit in men-basierter Verfahren zur systematischen
 verschiedensten Naturschutzstudien und Pro- Naturschutzplanung ist die Definition eindeuti-
 jekten eingesetzt und kontinuierlich weiterent- ger Auswahlkriterien sowie quantifizierbarer In-
 wickelt. Ihr Kern ist der Anspruch, dass Schutz- dikatoren für deren Bewertung. Vorgabe für die
 gebiete die Biodiversität des Gebiet bestmög- Auswahl der Kriterien im Rahmen des Projekts
 lich repräsentieren (MARGULES U. SARKAR, 2007). war, dass entsprechend der Waldschutzgebiets-
 Um ein räumlich repräsentatives, naturschutz- konzeption 2020 (FVA, 2021) Neuausweisungen
 fachlich hochwertiges Flächennetz abzugren- von Bannwäldern auf eine Optimierung aller
 zen, wird ein strukturiertes mehrstufiges Verfah- Funktionen von Bannwäldern ausgerichtet sein
 ren durchgeführt, das jederzeit geprüft und ge- sollen. Neue Gebiete sollen zunächst die Reprä-
 gebenenfalls an neue Ansprüche angepasst sentativität der Bannwald-Flächenkulisse ge-
 werden kann. Die wesentlichen Schritte sind währleisten und diese neben dem ursprüngli-
 (MARGULES U. PRESSEY, 2000): chen Fokus auf Naturräume und Waldgesell-
 schaften Baden-Württembergs auf weitere At-
 1. Festlegung der Naturschutzziele und Defi- tribute erweitern z.B. Klimazonen und Topogra-
 nition der Kriterien phie, um eine repräsentative Stichprobe für wis-
 senschaftliche Arbeiten darzustellen. Auch sol-
 2. Zusammenstellung der Daten zu Schutzgü-
 len bevorzugt Flächen ausgewiesen werden, die
 tern
 im Hinblick auf die ökologische Funktion beson-
 ders hochwertig sind. Möglichst alte, naturnahe
 3. Analyse der bestehenden Schutzgebiets-
 und strukturreiche Wälder sollen in die Kulisse
 kulisse
 aufgenommen werden, da erwartet wird, dass
 4. Auswahl der zusätzlichen Schutzgebiete diese schneller „Urwald“-ähnliche Strukturen
 entwickeln können (BRAUNISCH et al., 2019; WBW
 5. Feinjustierung der Auswahl und eigentliche U. WBBGR, 2020).

 Durchführung der Naturschutzmaßnah-
 Zusätzlich sollen, wo sinnvoll, auch ökonomi-
 men
 sche Aspekte berücksichtigt werden. In einer Ar-
 6. Sicherung und Evaluierung der Schutzge- beitsgruppe von Experten wurde dafür ein Kri-
 bietskulisse terienkatalog und die relevanten Indikatoren für
 deren Umsetzung erarbeitet (Tabelle 1).
SEEBACH, BRAUNISCH Systematische Herleitung von Prioritätsflächen für die Ausweisung neuer Prozessschutzflächen 4

Tabelle 1: Definition der Kriterien und ihre relevanten Indikatoren für jedes Ziel bzw. Funktion.

 Ziele Kriterien Indikatoren
 Waldprozesse

 1. Repräsentativität Klima-Höhenstufen
 Erforschung
 natürlicher

 natürliche Waldgesellschaften (Definition gemäß der Bundeswaldinventur)

 Topographie (Hangneigung, Exposition)

 2. Habitatqualität (Zustand) hohe Naturnähebewertung der Baumartenzusammensetzung
 Schutz des naturschutzfachlichen Potenzials

 lange Habitattradition
 vielfältige vertikale Struktur
 hoher Anteil an höheren Altersklassen

 3. Artvorkommen und Zielkonflikte Vorkommen von Urwaldreliktarten/Prozessschutzarten (Pflanzen/Tiere/Pilze/Flechten)

 Vermeidung (naturschutzfachliche Zielkonflikte) aufgrund von:
 pflegebedürftiger Waldbiotope (seltene Waldgesellschaften, Naturgebilde, Sonderstandorte)
 pflegebedürftiger Arten (z.B. Lichtwaldarten)

 4. Vernetzung geringe Distanz zu bestehenden Wäldern mit natürlicher Entwicklung
 hohe Kompaktheit 1) der Prozessschutzflächen
 Vermeidung von Randeinflüssen und Zerschneidung durch Infrastruktur und Besiedelung

 5. Umsetzungskosten
 Ökonomische

 Vermeidung hoher ökonomischen Kosten
 Optimierung

 (Zusatz-Kriterium bei Entscheidung geringer Bestandeswert
 zwischen gleichwertigen Flächen)
 geringer Anteil an ökonomisch bedeutsamen Waldentwicklungsklassen (LWET: Douglasie, Fichte, Kiefer)
1)
 hohe Kompa kthei t: ni edri ges Verhä l tni s Umfa ng zur Fl ä che

 und harmonisierte Daten solcher Indikatoren rar
2.3 Daten
 sind, wurden lediglich solche gewählt, für die ein
 möglichst landesweiter Geodatensatz zur Verfü-
2.3.1 Datengrundlage gung steht (Tabelle 2). Diese Daten beruhen
 aber, wie zum Beispiel die Daten aus der Fors-
In der systematischen Naturschutzplanung kann
 teinrichtung, zum Teil nur auf Schätzwerten für
unterschiedliche Software als Entscheidungs-
 Bestände und können daher lediglich als Nähe-
hilfe verwendet werden, die für das Planungsge-
 rungswerte gesehen werden. Mit gelegentli-
biet (Staatswald) flächendeckende Daten benö-
 chen Abweichungen von der Realität, vor allem
tigt. Dabei können anstelle komplexer Maße für
 bei älteren Datenständen, ist somit zu rechnen.
strukturelle oder biologische Charakteristika
oder Vielfalt Indikatoren (surrogates) als deren
 Die Datensätze lagen alle im Koordinatensys-
Stellvertreter verwendet werden. Da für den ge-
 tem Gauss-Krüger Zone 3 (epsg-Code: 31467)
samten Staatswald flächendeckend verfügbare
 vor.
5 Systematische Herleitung von Prioritätsflächen für die Ausweisung neuer Prozessschutzflächen SEEBACH, BRAUNISCH

 Tabelle 2: Datengrundlage für die Berechnung der Flächenkulisse.

 Bezeichnung Dateiname Quelle Datenformat Stand Attribute genutzt
 BI (Bestandesalter),
 Waldeinteilung forsteinrichtung.DBO.EX_LWD_WE_F_G Forsteinrichtung Shapefile 09.12.2016
 Hauptbaumarten
 BETRIEBSKAT
 Waldbesitz forsteinrichtung.DBO.FX_WALDBESITZARTEN Forsteinrichtung Shapefile 17.03.2016
 (Besitzkategorien)

 Regionalzonale WGEBWI
 Land.DBO.RegionalZonaleStandortseinheiten Standortskartierung Shapefile 07.09.2016
 Standortseinheiten (natürliche Waldgesellschaften)

 Exposition DGM25_aspect DGM Raster, 25m Auflösung 12.03.2015

 Hangneigung DGM25_slope_percent DGM Raster, 25m Auflösung 12.03.2015
 Arbeitsbereich
 Klimahöhenzonen GRID_KLIMA250m_1991_2013_hoehenzone.tif Raster, 250m Auflösung 07.08.2014
 Waldschutzgebiete
 Naturnähe der Baumarten- Arbeitsbereich
 170305_GRID25m_NatBA_BWI_final_sc1.tif Raster, 25m Auflösung 05.03.2017 Naturnäheklassen 1-5
 zusammensetzung Waldschutzgebiete

 Historische Waldorte histwald.shp Glaser&Hauke 2004 Shapefile 07.05.2015 Historischer/neuer Wald

 Fahrbahnachse
 Strassennetz DLM.DBO.f_at_strasse ATKIS Shapefile 01.07.2018
 Straßenachse
 Bahnnetz DLM.DBO.f_at_bahnstrecke ATKIS Shapefile 01.07.2018 Bahnkategorie

 daten (Periode 1991-2013) des Deutschen Wet-
 2.3.2 Datenaufarbeitung und –modellierung
 terdienstes (DWD) nach MICHIELS (2014) model-
 Um als Inputdaten für die Software verwendet liert und in neun Stufen klassifiziert. Die Alters-
 zu werden, mussten einige Daten aufbereitet klassen wurden aus dem Bestandesindex der
 werden. Ein wesentlicher Schritt war die Konver- Waldeinteilung bestimmt. Darauf aufbauend
 tierung der räumlichen Daten aus dem Vektor- konnte die vertikale Struktur des Bestandes an-
 format in ein Rasterformat mit einheitlicher Auf- genähert werden (Anhang 6.1.8). Die Bewertung
 lösung (25 x 25m) und Ausdehnung. der Naturnähe der Baumartenzusammenset-
 zung beruhte auf den Daten der Forsteinrich-
 Für die meisten Indikatoren war zuvor eine Klas- tung und Standortskartierung Baden-Württem-
 sifizierung kontinuierlicher Werte in diskrete bergs (SEEBACH et al., 2020). Flächige Daten für
 Klassen notwendig, wie zum Beispiel für die Habitattradition waren nicht verfügbar, die
 Hangneigung und Exposition (Tabelle 3). Die Habitattradition wurde daher mit dem Daten-
 Klimahöhenstufen wurden anhand von Klima- satz zu historisch alten Waldstandorten (GLASER
 U. HAUKE, 2004) approximiert.
SEEBACH, BRAUNISCH Systematische Herleitung von Prioritätsflächen für die Ausweisung neuer Prozessschutzflächen 6

Tabelle 3: Liste der aufbereiteten Daten pro Indikator und deren Klassen.

 Kriterium Indikator Rasterdatensatz Klassen
 1: 0 - 5%
 HANGNEIGUNG GRID_DGM25M_slope_recl.tif 2: 5 - 20%
 3: 20 - 40%
 4: 40 - 65%
 1: Norden (0 -45°/315 - 360°)
 2: Osten (45 - 135°)
 EXPOSTITION GRID_DGM25_asp_recl.tif
 3: Süden (135 - 225°)
 Repräsentanz

 4: Westen (225 - 315°)
 natürliche Waldgesellschaften der BWI *)
 WALDGESELLSCHAFTEN GRID_STOKA25m_NWGesell_update_p2.tif
 siehe Anhang
 11: planar
 12: kollin sommerwarm
 22: kollin
 23: submontan sommerwarm
 KLIMAHÖHENSTUFEN GRID_KLIMA250m_1991_2013_hoehenzone.tif 33: submontan
 34: montan sommerwarm
 44: montan
 45: hochmontan sommerwarm
 55: hochmontan
 1: sehr naturnah
 2: naturnah
 NATURNÄHE 160715_GRID_NatBA_BWI_final_sc1.tif 3: bedingt naturnah
 4: kulturbetont
 potential

 5: kulturbestimmt
 Natur-

 ALTERSKLASSE GRID_FE25m_Altersklasse_a1_p15_update.tif Altersklassen aus Bestandesindex **)
 1: einschichtig
 VERTIKAL STRUKTUR GRID_FE25M_VertikalStruktur.tif 2: zweischichtig
 3: mehrschichtig
 1: neuer Wald
 HIST_WALD GRID_BFN25m_HistWald.tif
 10: historischer Wald
*)
 BWI: Bundeswaldinventur
**)
 Dauerwaldphasen wurden angepasst siehe Anhang

 bestmöglich die vorher definierten Ziele errei-
2.4 MARXAN
 chen (CABEZA U. MOILANEN, 2001). MARXAN bie-
 tet hierfür keine Einzellösung sondern eine
2.4.1 Theorie Mehrzahl an Optionen, wo diese Gebiete am
 besten platziert werden könnten. Die Software
Um Gebiete mit hoher Schutzpriorität zu identi-
 kann somit eher als Entscheidungshilfe gesehen
fizieren, wurde MARXAN verwendet (BALL et al.,
 werden, die sich der Optimallösung mit Hilfe
2009). MARXAN ist eine Software für Natur-
 von Simulated Annealing (heuristisches Appro-
schutzplanung, die effizient zusammenhän-
 ximationsverfahren) annähert. Dabei versucht
gende Gebiete findet, die in ihrer Gesamtheit
 dieser Algorithmus die folgende objektive Glei-
 chung zu minimieren:
7 Systematische Herleitung von Prioritätsflächen für die Ausweisung neuer Prozessschutzflächen SEEBACH, BRAUNISCH

 ∑ + ∑ + ∑ 
 
 Mit:
 Cost: Kosten
 BLM: Boundary Length Modifier – Faktor für die Länge der Flächenumfänge
 PU: Planning Unit – Planungseinheiten
 Boundary: Umfang der Flächen (Maß für deren Kompaktheit und Größe)
 SPF: Species Penalty Factor: Gewichtung der einzelnen Indikatoren
 Penalty: Strafterm

 MARXAN identifiziert hierzu Kombinationen
 2.4.2 pu.dat - Planungseinheiten (planning
 von Planungseinheiten, die die zuvor definierten
 units – PU)
 Schutzziele mit geringen Kosten erfüllen ("gute
 Lösungen") sowie eine gute Lösung mit den Um die Planungseinheiten (planning unit – PU)
 kleinsten Kosten ("beste Lösung"). Als Kosten für den Staatswald in Baden-Württemberg zu
 können zum einen reale (d.h. monetäre) Kosten definieren, wurde zunächst ein systematisches,
 verstanden werden, die für jede Planungseinheit landesweites Raster mit Zellen (= Planungsein-
 definiert werden müssen, zum anderen kann heiten, PU) von 250 x 250 m (= 6.25 ha) Größe
 aber auch die reine Fläche als „Kosten“ gelten, in ArcGIS erstellt. Aus diesem wurden die PUs
 d.h. je mehr Planungseinheiten ausgewählt wer- ausgewählt, die einen Staatswaldanteil von min-
 den müssen, um die Ziele zu erreichen, desto destens einem Prozent aufwiesen
 teurer ist die Lösung. (PU250_STAAT_ha_160905.shp). Dieses finale
 Raster mit insgesamt 88 333 PUs erlaubt eine
 Weiterhin gibt MARXAN die prozentuale Häu- kleinräumige Differenzierung und repräsentiert
 figkeit an, mit der eine Planungseinheit als Ele- zugleich eine Datenmenge, die die Software be-
 ment einer der guten Lösungen ausgewählt werkstelligen kann.
 wurde. Diese Auswahlhäufigkeit (selection fre-
 quency) wird auch Unersetzbarkeit genannt und Pro PU wurden weitere Attribute „ID“, „Sta-
 ist ein Indikator für die relative Priorität einer tus“ und „Cost“ angegeben und definiert (Ta-
 Planungseinheit. Je höher die Unersetzbarkeit, belle 4). Für das Projekt wurde als Kostenfaktor
 desto wichtiger ist eine Planungseinheit für die die Fläche als Stellvertreter benutzt, das bedeu-
 Erfüllung der Schutzziele zu geringen Kosten. tet, für jede PU wurden dieselben Kosten ange-
 nommen (Standardwert 1). Reale Kosten flossen
 Als Input benötigt die Software im Wesentlichen somit nicht direkt als Auswahlkriterium in die
 vier Datensätze, die im Folgenden beschrieben Berechnung ein, sondern sollten erst im zweiten
 werden: Schritt als Abwägungskriterium in der Feinjus-
 tierung hinzugezogen werden, damit die natur-
 • pu.dat Planungseinheiten
 schutzfachlichen Kriterien zunächst ohne öko-
 • spec.dat Tabelle mit Indikatoren und
 deren Klassen (Features) mit nomischen Einfluss in der Modellierung erfüllt
 Zielangaben und Gewichtun- werden konnten.
 gen
 • puvssp.dat Anteil der Indikatoren und Jede PU erhielt ein Attribut „Status“, für das
 Features pro Planungseinheit verschiedene diskrete Werte definiert wurden
 • bound.dat „Effektive Länge” der Gren- (Tabelle 4).
 zen zwischen den einzelnen
 Planungseinheiten
SEEBACH, BRAUNISCH Systematische Herleitung von Prioritätsflächen für die Ausweisung neuer Prozessschutzflächen 8

Tabelle 4: Definition der Attribute im Datensatz pu.dat

 ID Status Cost
 1 Kosten sind
 0 Vorgabewert
fortlaufende gleichmäßig
Nummer der 1 nicht gegeben verteilt
 einzelnen
 2 PU muss gewählt werden
 PUs
 3 PU darf nicht gewählt werden

Der Wert „2“ wurde vergeben, wenn die PUs definiert ist. MARXAN versucht mit mehreren
einen Anteil von mindestens 50% bereits beste- Iterationen die Auswahl der PUs so zu gestalten,
hender, rechtlich gesicherter bzw. festgelegter dass möglichst die definierte Zielgröße bei
Prozessschutzflächen haben. Diese wurden von kleinstmöglichen Kosten bzw. minimaler PU An-
der Software obligatorisch ausgewählt. Wert zahl erreicht wird.
„3“ hingegen wurde an PUs mit hohem Zer-
schneidungsgrad vergeben, welche somit obli- Die Zielgrößen für die Features für diese Studie
gatorisch von der Selektion ausgeschlossen (Tabelle 5) wurden entsprechend der politischen
wurden. Der Zerschneidungsgrad wurde basie- Vorgaben definiert. Für die Indikatoren des Kri-
rend auf den von der Länderinitiative Kernindi- teriums „Repräsentativität“ wurde jeweils für
katoren (LIKI) definierten zerschneidenden Ele- jedes einzelne Feature 5 % und 10 % seiner Ge-
menten berechnet (SCHWARZ-VON RAUMER, samtfläche innerhalb der zur Auswahl stehen-
2018). Als Datengrundlage wurde hierfür der den 88 333 PUs als Zielwert berechnet (siehe
Strassen- und Bahnlayer aus dem Amtlichen To- Anhang 6.2.2). Dies galt auch für die Features
pographisch-Kartographischen Informations- „Naturnähestufe - sehr naturnah“ und „Habi-
system (ATKIS) benutzt. PUs, in denen sich die tattradition- historischer Wald“. Für die weite-
kritische Infrastruktur mit einer Mindestlänge ren Features des Indikators „Habitatqualität“
von 100m erstreckte, wurden mit dem Wert „3“ wurden allerdings nicht 5 % bzw. 10 % Flächen-
definiert (siehe 6.2.1) und somit von der Aus- repräsentivität als Zielwert definiert, sondern
wahl ausgeschlossen. das 95 %- bzw. 90 %-Quantil als Zielwert be-
 rechnet, um möglichst alte und strukturreiche
 Bestände in die Auswahl zu bekommen (WBW
2.4.3 spec.dat - Conservation Feature da-
 U. WBBGR, 2020). Zusätzlich wurde pro PU die
 taset
 inverse Summe der Naturnähestufe berechnet,
Ein wesentlicher Eingangsdatensatz für um auch hochwertige aber nicht „sehr natur-
MARXAN ist das “Conservation Feature data- nahe“ Bestände zu berücksichtigen (SEEBACH et
set”, in welchem für jeden Indikator bzw. jedes al., 2020).
Feature der Indikatoren die Zielgröße (target)
9 Systematische Herleitung von Prioritätsflächen für die Ausweisung neuer Prozessschutzflächen SEEBACH, BRAUNISCH

 Tabelle 5: Verwendete Indikatoren und deren Klassen (Features) mit Zielwerten (in m²) und Gewichtungen
 (SPF: species penalty factor)
 Kriterium Indikator Feature Name_kurz Name_lang SPF Ziel 5% Ziel 10% Gesamt
 10001 plan flach 1 74.704.281 149.408.563 1.494.085.625
 -neigung
 Hang

 10002 leicht_steil leicht steil 1 113.934.938 227.869.875 2.278.698.750
 10003 steil steil 1 58.083.875 116.167.750 1.161.677.500
 10004 sehr_steil sehr steil 1 29.297.281 58.594.563 585.945.625
 20001 nord nord 1 77.652.344 155.304.688 1.553.046.875
 Exposition

 20002 ost ost 1 63.754.906 127.509.813 1.275.098.125
 20003 sued sued 1 73.723.656 147.447.313 1.474.473.125
 20004 west west 1 60.575.250 121.150.500 1.211.505.000
 30002 WG_D_Bu Drahtschmielen-Buchenwald 1 535.125 1.070.250 10.702.500
 30005 WG_Bu_TEi Buchen-Traubeneichenwald 1 2.799.000 5.598.000 55.980.000
 30006 WG_Al_Ta_bu Alpenheckenkirschen-Tannen-Buchenwald 10 541.500 1.083.000 10.830.000
 30007 WG_Se_Bu Seggen-Buchenwald 1 3.402.719 6.805.438 68.054.375
 30009 WG_Bah-Bu Bergahorn-Buchenwald 1 522.188 1.044.375 10.443.750
 30010 WG_H_Fi_Ta Hainsimsen-Fichten-Tannenwald 1 7.637.344 15.274.688 152.746.875
 30011 WG_L_Fi_ta Labkraut-Fichten-Tannenwald 10 2.452.500 4.905.000 49.050.000
 30012 WG_P_Fi_Ta Preiselbeer-Fichten-Tannenwald 1 7.722.969 15.445.938 154.459.375
 30013 WG_W_Fi_ta Wintergr• üner-Fichten-Tannenwald 10 8.750 17.500 175.000
 30014 WG_Bi-TEi Birken-Stieleichenwald 10 219.000 438.000 4.380.000
 30015 WG_Bi-SEi Birken-Traubeneichenwald 1 126.063 252.125 2.521.250
 30017 WG_S_Hbu-Sei Sternmieren-Hainbuchen-Stieleichenwald 10 3.966.313 7.932.625 79.326.250
 Potentielle natürliche Waldgesellschaften

 30018 WG_W_Hbu-Tei Waldlabkraut-Hainbuchen-Traubeneichenwald 10 493.031 986.063 9.860.625
 30020 WG_X_Ei Xerotherme Eichen-Mischwälder 10 355.000 710.000 7.100.000
 30023 WG_Ah-Es Ahorn-Eschenwald 1 4.182.813 8.365.625 83.656.250
 30024 WG_Block Edellaubbaum-Steinschutt- und Blockhangwälder 1 872.688 1.745.375 17.453.750
 REPRÄSENTANZ

 30026 WG_Bi-Es-Block Karpatenbirken-Ebereschen-Blockwald 1 81.281 162.563 1.625.625
 30028 WG_P-Fi Peitschenmoos-Fichtenwald 1 141.906 283.813 2.838.125
 30033 WG_R-Fi Rauschbeeren-Moorwälder 1 1.201.938 2.403.875 24.038.750
 30034 WG_Er_Bruch Schwarzerlen-Bruch- und Sumpfwälder 10 255.094 510.188 5.101.875
 30035 WG_Tki-Er-Es Traubenkirschen-Erlen-Eschenwälder 10 1.165.781 2.331.563 23.315.625
 30036 WG_B-Es Bach-Eschenwälder 1 1.198.094 2.396.188 23.961.875
 30037 WG_H-Er_aue Hainmieren-Schwarzerlen-Auewald 1 227.156 454.313 4.543.125
 30038 WG_G_Aue Grauerlenauewald 10 8.375 16.750 167.500
 30039 WG_Sei-Ul Stieleichen-Ulmen-Hartholzauewald 1 681.250 1.362.500 13.625.000
 30040 WG_Swei-Aue Silberweiden-Weichholzauewald 10 352.250 704.500 7.045.000
 30100 WG_H_Bu Hainsimsen-Buchenwald (rein) 1 15.161.906 30.323.813 303.238.125
 30101 WG_H_Bu_m Hainsimsen-Buchenwald mit Tanne 1 51.616.313 103.232.625 1.032.326.250
 30102 WG_H_Bu_T Hainsimsen-Buchenwald u.a. nat. Waldgesellschaft 1 11.992.438 23.984.875 239.848.750
 30300 WG_W_Bu Waldmeister-Buchenwald (rein) 1 19.936.406 39.872.813 398.728.125
 30301 WG_W_Bu_m Waldmeister-Buchenwald mit Tanne 1 14.200.156 28.400.313 284.003.125
 30302 WG_W_Bu_T Waldmeister-Buchenwald u.a. nat. Waldgesellschaft 1 7.145.750 14.291.500 142.915.000
 30400 WG_Wg_Bu Waldgersten-Buchenwald (rein) 10 19.437.188 38.874.375 388.743.750
 30401 WG_Wg_Bu_m Waldgersten-Buchenwald mit Tanne 10 2.288.781 4.577.563 45.775.625
 30402 WG_Wg_Bu_T Waldgersten-Buchenwald u.a. nat. Waldgesellschaft10 4.195.469 8.390.938 83.909.375
 40011 planar planar 1 31.171.875 62.343.750 623.437.500
 40012 kollinsom kollin sommerwarm 1 78.843.750 157.687.500 1.576.875.000
 Klimahöhenstufen

 40022 kollin kollin 10 53.559.375 107.118.750 1.071.187.500
 40023 submontansom submontan sommerwarm 1 66.287.500 132.575.000 1.325.750.000
 40033 submontan submontan 1 27.046.875 54.093.750 540.937.500
 40034 montan_som montan sommerwarm 1 12.431.250 24.862.500 248.625.000
 40044 montan montan 1 5.100.000 10.200.000 102.000.000
 40045 hochmontan_som hochmontan sommerwarm 1 671.875 1.343.750 13.437.500
 40055 hochmontan hochmontan 1 21.875 43.750 437.500
 NATURSCHUTZ-

 Habitatqualität

 51001 NTA Naturnäheklasse "sehr naturnah" 1 41.558.344 83.116.688 831.166.875
 FACHLICHES
 POTENZIAL

 52001 NTS Inverse Summe der Naturnäheklassen 10 1.713.154 3.198.663 14.452.263
 60010 HAB Habitattradition 1 208.264.313 416.528.625 4.165.286.250
 70001 AGE Summe der Altersklassen 10 64.079 141.526 615.453
 80001 VER Summe der Bestandesschichtstufen 10 7.251 22.908 111.964
SEEBACH, BRAUNISCH Systematische Herleitung von Prioritätsflächen für die Ausweisung neuer Prozessschutzflächen 10

Die Kriterien „Artvorkommen und Zielkon-
flikte“ wie auch „Vernetzung“ (Tabelle 1) gin-
gen nicht als Datensatz in die MARXAN Model-
lierung ein. „Vernetzung“ wird durch die Be-
rechnung der räumlichen Kohärenz insbeson-
dere durch die Minimierung der boundary
length (Umfang der Gebiete) berücksichtigt; es
werden möglichst zusammenhängende kom-
pakte Gebiete vom Modell ausgewählt. Dem
Kriterium „Artvorkommen und Zielkonflikte“
wird in einem nachfolgenden Bewertungsschritt
Rechnung getragen. Ebenso wurden hierfür die
„Umsetzungskosten“ berechnet und als Ent-
scheidungshilfe angegeben.
 Abbildung 1: Ausschnitt aus dem puvssp.dat Da-
 tensatz, mit „species“ = Features (Ausprägungs-
Zusätzlich zu den Zielwerten kann ein Gewich-
 klassen der Indikatoren), pu= Planning unit,
tungsfaktor (species penalty factor – SPF) für je- amount= Fläche des jeweiligen Features in m2.
des Feature angeben werden. Dieser Faktor hilft
der Modellierung zum Erreichen der Ziele für je-
des Feature. Je höher der Faktor desto höher ist
der „Strafwert“, wenn der Zielwert für ein Fea- 2.4.5 bound.dat und input.dat - Boundary
ture nicht erreicht wird. MARXAN versucht so-
 Length file und Input Parameter File
mit zuerst für die hoch priorisierten Features
 Der letzte wichtige Datensatz beinhaltet die In-
den Zielwert zu erreichen. Durch mehrfache Ka-
 formation zur Außenkantenlänge der einzelnen
librierung wurden die SPF ermittelt (Tabelle 5).
 PUs. Der Datensatz wurde mit Hilfe eines ArcGIS
Hierbei wurden beispielsweise seltenen Wald-
 plugins „MarxanBoundary“ für alle PUs be-
gesellschaften, für die es generell schwieriger
 rechnet. Mit Hilfe des boundary length modifi-
ist, die Repräsentativität in der Auswahl zu errei-
 ers (BLM) kann MARXAN unterschiedlich kom-
chen, ein höherer SPF zugewiesen, als häufigen
 pakte Gebiete auswählen. der BLM wurde eben-
Waldgesellschaften, um sicherzustellen, dass
 falls in mehreren Kalibierungsschritten ermittelt
diese bei der Auswahl nicht vernachlässigt wer-
 und auf „0.002“ festgelegt, so dass sich eine
den.
 sinnvolle Größenverteilung (d.h. mehrheitlich
 ausreichend für zusammenhängende Bannwäl-
2.4.4 puvssp.dat - Planning Unit vs Conser- der entsprechend der Waldschutzgebietskon-
 vation Feature File zeption) der resultierenden Flächen ergab.

Ein weiterer wichtiger Datensatz für MARXAN ist Im finalen input parameter file (input.dat) wer-
puvssp.dat, welches die Information für die Flä- den alle notwendigen Parameter für MARXAN
che der Features in den PUs enthält. Für jede PU (Tabelle 6) angegeben sowie auch Pfade für In-
und jedes Feature wird die Fläche („amount“) und Output-Dateien.
berechnet und angegeben (Abbildung 1). Wich-
tig hierbei ist, dass die gleiche Einheit wie im
„spec.dat“ Datensatz angegeben wird.
11 Systematische Herleitung von Prioritätsflächen für die Ausweisung neuer Prozessschutzflächen SEEBACH, BRAUNISCH

 Tabelle 6: Verwendete MARXAN Parameter für die finalen Durchläufe (Run1 und Run2).

 Einstellungen Run 1 Run 2
 Zielgröße [%] 5 10
 BLM 0,002 0,002
 Anzahl Wiederholungen 100 100
 Iteration 100.000.000 100.000.000
 spec.dat spec.dat
 pu.dat pu.dat
 Input daten
 puvssp.dat puvssp.dat
 bound.dat bound.dat
 Outputname 250_PdFLockinf_sc1_it8_C0B0002 250_PdFLockinf_sc2_it8_C0B0002
 input.dat input_250_PdFLockinf_sc1_it8_C0B0002spf1_10.dat input_250_PdFLockinf_sc2_it8_C0B0002spf1_10.dat

 ausgewählten Kulisse weitaus größer ist als das
 2.4.6 Runs
 politisch definierte „Flächenziel“ (5 % oder
 Mit den Eingangsdaten und basierend auf dem 10 % der Gesamtfläche), das offenlässt, was da-
 Prinzip des Simulated Annealing selektiert rin enthalten ist. Um den beiden Zielen gerecht
 MARXAN pro Lauf (run) eine Auswahl von PUs, zu werden, wurden verschiedene Suchkulissen
 die eine Optimallösung annähert. MARXAN gibt mit den zwei Zielgrößen berechnet, denen un-
 bei run mehrere Datensätze aus, mit deren Hilfe terschiedliche Prioritäten bei einer zukünftigen
 die berechnete Auswahl bewertet werden kann, Auswahl potentieller Prozessschutzflächen zu-
 wie zum Beispiel durch Abwägung der Fläche gewiesen wurden.
 der selektierten PUs und der erreichten Ziel-
 Dazu wurden die beiden MARXAN outputs
 werte. Wichtige outputs sind hierbei die Daten-
 „best.dat“ (beste Lösung) und „ssoln.dat“
 sätze best.dat und ssoln.dat: Best.dat beinhaltet
 (Auswahlhäufigkeit) herangezogen. Die Suchku-
 die PUs für die „beste Lösung“ mit kleinsten
 lisse mit Prioritätsstufe 1 wurde hergeleitet aus
 Kosten für die zuvor definierten Ziele und
 den Ergebnissen aus „Run 1“, bei dem alle Fea-
 ssoln.dat gibt die Wahrscheinlichkeit an, wie oft
 tures mit 5 % an der Gesamtfläche repräsentiert
 bei jeder Wiederholung (hier 100) eine PU aus-
 sein sollten (Zielgröße 5 %). Um die Suchkulisse
 gewählt wurde, 100 würde bedeuten, dass die
 auf 5 % der Fläche zu reduzieren, wurde die
 PU bei jeder Wiederholung ausgewählt wurde
 Auswahlhäufigkeit jeder PU berücksichtigt: mit
 und somit sehr wichtig für die Zielerreichung ist.
 Hilfe des „ssoln.dat“ wurden in einem iterati-
 Zwei finale Durchläufe wurden durchgeführt, je ven Prozess die 5% aller Zellen ausgewählt, die
 einer für 5 % und 10 % Zielerreichung, die als am Häufigsten in einer der möglichen Lösungen
 Grundlage für die weitere Flächenauswahl dien- vertreten waren (LEVIN et al., 2015), um weiterhin
 ten (Tabelle 6). die bestmögliche Repräsentativität aller Fea-
 tures in dieser Kulisse zu erreichen (Tabelle 7)

 Für die Prioritätsstufe 2 wurden alle Zellen der
 von MARXAN berechneten besten Lösung für
 2.5 Weiterverarbeitung der MARXAN out-
 die Zielgröße 5 % (best.dat von Run 1 - Tabelle
 puts
 6) verwendet. Zur Herleitung der Kulisse der Pri-
 Die Funktionalität von MARXAN versucht bei oritätsstufe 3 wurde wie bei Prioritätsstufe 1
 kleinstmöglichen Kosten für jedes Feature das vorgegangen, allerdings wurden hierfür die Zel-
 definierte Ziel (z.B. einen prozentualen Anteil an len mit besonders hoher Auswahlhäufigkeit aus
 der Gesamtkulisse) zu erreichen (Tabelle 5). Die- „Run 2“ mit der Zielgröße 10 % verwendet.
 ses Erreichen der „Naturschutzziele“ durch
 MARXAN kann dazu führen, dass die Fläche der
SEEBACH, BRAUNISCH Systematische Herleitung von Prioritätsflächen für die Ausweisung neuer Prozessschutzflächen 12

Die Zellen der höheren Prioritätsstufen waren in auf Zellen der Prioritätsstufen 1 und 2 sicher-
der Regel ebenfalls Teil der Flächenkulisse der stellen, dass eine Repräsentativität aller Ziele
nächstniedrigeren Prioritätsstufe. Die Flächen- auch in einer reduzierten Kulisse gegeben ist.
kulissen der drei Prioritätsstufen wurden so zu
einem Gesamtdatensatz zusammengeführt, bei Die Priorisierungskulisse dient als Entschei-
dem jeweils die höchste Prioritätsstufe einer dungshilfe für die Auswahl neuer Prozess-
Zelle angegeben wird. schutzgebiete und stellt grobe „Suchräume“
 bereit, innerhalb derer für die genaue Flä-
Die Flächenkulisse mit allen unterschiedlichen chenabgrenzung weitere Prüfkriterien herange-
Prioritätsstufen wurde in einen Vektordatensatz zogen werden sollen: Zum einen müssen poten-
bereitgestellt. Diese gesamte Suchkulisse (alle tielle Zielkonflikte mit anderen Schutzobjekten
Prioritätsstufen 1-3) repräsentiert die rund 10% (z.B. die Lebensräume hochgradig gefährdeter
(11.1 %, aufgrund nicht vollständiger Überlage- Arten für die Pflegemaßnahmen erforderlich
rung der drei Flächenkulissen) der Staatwaldflä- sind) geprüft und bewertet werden. Zum ande-
che, in denen die Anforderungen an Prozess- ren wurde als weitere Entscheidungshilfe die
schutzgebiete hinsichtlich Repräsentativität und ökonomische Wertigkeit der Flächen berechnet.
Naturschutzpotential am besten gegeben sind.
Vor dem Hintergrund, dass eine vollständige
Ausweisung all dieser Suchflächen als Prozess-
schutzgebiet unrealistisch ist, kann der Fokus

Tabelle 7: Beschreibung der unterschiedlichen Prioritätsklassen basierend auf MARXAN
outputs. PRIO 1 beinhaltet die bereits bestehenden Flächen, PRIO 2 basiert auf PRIO 1,
PRIO 3 auf PRIO 2.

 Priorität Herleitung der Suchkulissen
 Flächenziel: 5% der Staatswaldfläche wurde iterativ angenähert mit
 bestehende)
 PRIO 1

 Hilfe der Auswahlwahrscheinlichkeit (ssoln.dat von Run1 )
 (inkl.

 Naturschutzziel:
 5% Zielgröße für MARXAN
 (Repräsentativität der Features)
 Flächenziel:
 (inkl. PRIO 1)

 kein explizites Flächenziel benannt, mindestens 5%
 PRIO 2

 Naturschutzziel: 5% Zielgröße für MARXAN
 (Repräsentativität der Features)
 beste Modelllösung als Grundlage (best.dat von Run1)
 Flächenziel:
 10 % der Staatswaldfläche wurde iterativ angenähert mit
 (inkl. PRIO 1)
 PRIO 3

 Hilfe der Auswahlwahrscheinlichkeit (ssoln.dat von Run2 )

 Naturschutzziel:
 10% Zielgröße für MARXAN
 (Repräsentativität der Features)
13 Systematische Herleitung von Prioritätsflächen für die Ausweisung neuer Prozessschutzflächen SEEBACH, BRAUNISCH

 3 Ergebnisse und Diskussion

 Staatswald
 Priorisierungskulissen
 bestehend
 Priorisierungskulissen
 PRIO 1
 PRIOPRIO 2
 PRIO 3
 bestehend
 PRIO 1
 Staatswald

 PRIO 2
 Wuchsgebiete
 PRIO 3

 0 25 50 Kilometer

 Abbildung 2: Übersicht über die Suchkulisse mit unterschiedlichen Prioritätsstufen für
 die Ausweisung neuer Prozessschutzflächen im Staatswald Baden-Württemberg. Bereits
 bestehende Prozessschutzgebiete sind in violett dargestellt.
SEEBACH, BRAUNISCH Systematische Herleitung von Prioritätsflächen für die Ausweisung neuer Prozessschutzflächen 14

 (Abbildung 3). PRIO 2 hat die höchste Anzahl
3.1 Vergleich der unterschiedlichen Priori-
 an Flächen in der kleinsten Flächengrößenklasse
 sierungsklassen
 (< 10 ha), während PRIO 3 tendenziell größere
Die Flächenkulissen der verschiedenen Priori- Flächen aufweist, trotzdem aber auch mit knapp
tätsstufen (PRIO 1 - PRIO 3) haben aufgrund 500 die höchste Anzahl an Einzelflächen hat. Die
ihrer Herleitung einen unterschiedlichen Um- Flächenverteilung von PRIO 1 zeigt, dass
fang und Anteil am Staatswald (Tabelle 8), der MARXAN zunächst versucht, die bestehenden
mit abnehmender Prioritätsstufe steigt. Ebenso Prozessschutzflächen zu erweitern, was tenden-
nimmt der Bestandeswert der Kulisse vor allem ziell zu größeren Gebieten (> 50 ha) führt.
wegen der Flächenzunahme linear zu. Der Kom-
 Ein Ziel der Studie war, eine Flächenkulisse zu
paktheitsindex, der angibt wie kompakt die ein-
 erstellen, in der unterschiedliche Indikatoren re-
zelnen zusammenhängenden Gebiete in der Ku-
 präsentiert sind und die zugleich ein hohes Na-
lisse sind (je kleiner der Wert desto kompakter
 turschutzpotenzial aufweist. Inwieweit diese
die Kulisse), folgt allerdings keinem linearen
 Vorgabe in den modellierten Kulissen erreicht
Trend. Die Kulissen mit dem niedrigsten Kom-
 wurde, ist in Abbildung 4 veranschaulicht. Die
paktheitsindex sind PRIO 1 und PRIO 3. Das ist
 Erreichung des Ziels ist mit 5 % (für PRIO 1 und
darauf zurückzuführen, dass für diese Flächen-
 PRIO 2) bzw. 10 % (PRIO 3) Repräsentativität
auswahl die Auswahlhäufigkeit zu Grunde lag.
 gegeben, wobei sich die Prozentzahl auf die Flä-
Für PRIO 2 war die Bedingung, dass für alle Fea-
 che bezieht, die das jeweilige Feature im Staats-
tures die definierte Zielgröße erreicht werden
 wald Baden-Württembergs aufweist. Die Erfül-
musste. Um dies zu erreichen, musste MARXAN
 lung des Zielwerts ist daher bei kleinräumigen,
auch kleine, isoliert liegende Flächen (beispiels-
 seltenen Features schon mit wesentlich weniger
weise bei selten und kleinräumig vorkommen-
 Fläche erreicht, als bei großräumig vertretenen
den Features) mit in die Suchkulisse aufnehmen.
 Features.
Dies lässt sich auch in den Flächengrößenvertei-
lungen der unterschiedlichen Kulissen erkennen

Tabelle 8: Vergleich der Flächenkulissen der unterschiedlichen Priorisierungsstufen und der
bestehenden Prozessschutzflächen.

 bestehend PRIO 1 PRIO 2 PRIO 3
 inkl. besteh. inkl. PRIO 1 inkl. PRIO 2

 Planungs-
 2.450 4.453 6.667 9.825
 einheiten
 Fläche [ha] 15.313 27.831 41.669 61.406

 Anteil am Staatswald [%] 2,8 5,0 7,5 11,1

 Bestandeswert [Mio €] 28 57 93 141
 Kompaktheit-
 254 205 226 217
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