Systemische Fallanalyse bei Patienten mit im Krankenhaus erworbener Aspirations
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Systemische Fallanalyse bei Patienten mit im Krankenhaus erworbener Aspirations- Severin Federhen pneumonie Ein Beitrag zum klinischen Risikomanagement im CLINOTEL-Krankenhausverbund Severin Federhen, Stefan Lenzen, Prof. Dr. med. Andreas Becker, Udo Beck Im CLINOTEL-Krankenhausverbund wurden von Mai 2008 bis März 2009 ins- gesamt 93 aktuelle Fälle von im Krankenhaus erworbener Aspirationspneumonie Stefan Lenzen aus 23 Mitgliedshäusern einer systemischen Fallanalyse unterzogen. Als Da- tenquelle wurden aufbereitete §21 KHEntgG-Daten aus dem CLINOTEL-Projekt „QSR-Qualitätssicherung mit Routinedaten“ herangezogen. Gegenstand der Dipl.-Pflegewirt (FH) Analysen war der gesamte Behandlungsablauf von der Aufnahme (bzw. prästa- Severin Federhen, Referent tionären Versorgung) bis zur Entlassung und ggf. ambulanten Weiterbetreuung. Qualitätssicherung Die fachspezifischen Inhalte wurden über eine systematische Literaturrecherche Dipl.-Gesundheitsökonom einschlägiger Fachdatenbanken mit den Suchbegriffen „aspiration“ und „aspi- (FH) Stefan Lenzen, ration pneumonia“ ermittelt und deren Ergebnisse praxisorientiert für die Mit- Referent Qualitätssicherung gliedshäuser aufbereitet. Die Einzelfallanalysen wurden anhand eines standardi- Prof. Dr. med. Andreas Becker, Geschäftsführer sierten Verfahrens auf Basis des „London-Protocol“ nach Sally Taylor-Adams und Charles Vincent durchgeführt. Insbesondere über die interdisziplinäre Zusam- Dipl.-Verwaltungswirt Udo Beck, Geschäftsführer menarbeit, die Befähigung und Weiterentwicklung der Mitarbeiter sowie den ver- CLINOTEL bundübergreifenden Austausch der gewonnenen Erkenntnisse konnte eine hohe Krankenhausverbund Durchdringung in den Mitgliedshäusern erreicht werden. Die erarbeiteten Ergeb- gemeinnützige GmbH nisse wurden zur Optimierung der klinischen Abläufe und damit zur Erhöhung Ebertplatz 1 der Patientensicherheit eingesetzt. In der Betrachtung der Ergebnisqualität liegt D-50668 Köln federhen@clinotel.de der Schlüssel zur prospektiven Steigerung der Prozessqualität, vorausgesetzt es www.clinotel.de erfolgt ein organisationaler Lernprozess. Einleitung Schlüsselwörter Derzeit sind im Gesundheitswesen die internationalen und nationalen Entwicklungen zum Thema Patientensicherheit ein relevantes Gesprächsthema. Aktuell wurde die Geschäftsstelle Klinisches Risiko- des Aktionsbündnis Patientensicherheit e.V.1 nach Bonn umgesiedelt und in diesem Kontext management auch das Institut für Patientensicherheit an der Universität Bonn gegründet. Hiermit wurde Systemische Fallanalyse ein nationales Zeichen für die Wichtigkeit der sicheren Gesundheitsversorgung gesetzt, die man auch in den internationalen Entwicklungen beobachten kann. Erwähnenswert sind Unerwünschte Ereignisse hierzu u.a. die Stiftung für Patientensicherheit in der Schweiz2 und die US-amerikanische Aspiration/Aspirations- AHRQ-Agency of Healthcare Research and Quality3, die ein separates Department für Qualität pneumonie und Patientensicherheit vorhält. Patientensicherheit Im CLINOTEL-Krankenhausverbund werden den Mitgliedshäusern Instrumente zur Quali- tätssicherung zur Verfügung gestellt, die im vorliegenden Fall von den Mitgliedshäusern zur Qualitätssicherung mit systematischen Analyse unerwünschter Ereignisse (UE) und Bewertung ihrer Vermeidbarkeit Routinedaten (QSR) eingesetzt wurden. Hierbei geht es nicht um die Klärung der „Schuldfrage“, sondern um die vorwärtsgerichtete Prävention unsicherer Handlungen. Nach Sidney Dekker4 ist es hierfür erforderlich, die Innensicht der beteiligten Akteure aus der Außensicht einzunehmen und beide analysierend zusammenzuführen. Seite 418-426 Eingereicht am: 15.12.2009 Durch dieses Vorgehen werden Zwischenfälle oder unerwünschte Ereignisse in ihrem spezi- Akzeptiert am: 06.05.2010 fischen Kontext kritisch reflektiert und bezüglich sog. unsicherer Handlungen (von Vincent DOI: 10.3936/1029 418 Pflegewissenschaft 7-8/10
S. Federhen, S. Lenzen et al.: Systemische Fallanalyse bei Patienten mit im Krankenhaus erworbener Aspirationspneumonie – Ein Beitrag zum ... Title auch bezeichnet als „Care Delivery Problems (CDP)“) und ihrer Vermeidbarkeit analysiert. Hierzu führen auch James Reason5 und Charles Vincent6 aus. Systematic case analysis of patients with aspirati- Da aber die beteiligten Akteure niemals unabhängig von ihrer Umgebung, sondern innerhalb on pneumonia acquired in eines Systems handeln, können auch diese latenten Konditionen als beitragende Faktoren hospital („Contributory Factors (CF)“) den Fallverlauf entscheidend beeinflussen und bedürfen daher ebenfalls der Bewertung. An essay on clinical risk ma- nagement in the CLINOTEL Um die Fallanalysen der Ebene von persönlichen Schuldzuweisungen zu entheben und sich hospital association intensiv mit den sachlichen Inhalten auseinandersetzen zu können, ist es erforderlich, dies mit einem standardisierten Verfahren durchzuführen. Solche Methoden der systematischen und kritischen Reflexion werden, vor allem in an- Abstract gelsächsischen Ländern, seit langer Zeit als Verfahren der Qualitätssicherung angewendet A total of 93 current cases of und sind z. B. im Akkreditierungsprozess der Joint Commission on Accreditation of Health aspiration pneumonia that Care Organizations7 fester Bestandteil des Akkreditierungsverfahrens. Auch in Deutschland had been acquired in hospital verbreiten sich im Rahmen von Qualitätszirkeln und Qualitätsmanagementsystemen sol- from 23 member hospitals che oder ähnliche Elemente (z. B. in den Modellen der DIN EN ISO 9001:2008 oder der from May 2008 to March EFQM8), um die eigene Leistungsfähigkeit durch eine „kritische kollegiale Bewertung“ von 2009 was subjected to syste- Behandlungsverläufen zu bewerten und die Qualität der Patientenversorgung kontinuierlich matic case analysis in the CLI- zu verbessern. NOTEL hospital association. Gegenstand der Analysen ist der gesamte Behandlungsablauf von der Aufnahme (bzw. Data prepared in accordance prästationären Versorgung) bis zur Entlassung und ggf. ambulanten Weiterbetreuung. Im with section 21 of the German Fokus der Betrachtung stehen der Patient und das Endergebnis des gesamten Behandlungs- KHEntG from the CLINOTEL prozesses. Ziel ist eben nicht allein eine technisch einwandfrei abgelaufene Operation oder project „QAR quality assu- eine lege artis durchgeführte konservative Behandlung, sondern auch die leitliniengerechte rance with routine data” was bzw. evidenzbasierte Indikationsstellung und Nachbetreuung. Im Versorgungsalltag zeigen used as the data source. sich gerade im Bereich der interdisziplinären Zusammenarbeit sowie des klinikinternen und The object of the analyses was -externen Schnittstellenmanagements erhebliche Schwächen. Die Verbesserung dieser für the entire course of treatment den Gesamtprozess und die Ergebnisqualität wichtigen Bereiche ist daher ein wichtiges Ziel from entry (or pre-in-patient des Qualitätsmanagements. treatment) up until discharge Die Analyse dieser Fälle ist vorwärtsgerichtet: Es geht darum, mögliche systematische and, if applicable, outpatient Schwachstellen in den Abläufen zu erkennen, um daraus Verbesserungsmöglichkeiten für further care. The specifically die Zukunft abzuleiten. Die Wahrscheinlichkeit, solche Schwachstellen zu finden, lässt sich technical content was deter- durch die gezielte Auswahl der Analysefälle erhöhen. Deren Beseitigung hilft aber nicht nur mined by a systematic search den potenziellen „Problemfällen“, sondern wirkt sich positiv auf viele andere Patienten aus. of the literature in the relevant Wenn es sich nicht um krankheitsspezifische Schwachstellen handelt, sondern beispielsweise technical databases with the um Probleme in der interdisziplinären Zusammenarbeit, können die Auswirkungen möglicher search terms „aspiration” and Verbesserungen weitreichend sein und über das ursprünglich adressierte Krankheitsbild hi- „aspiration pneumonia” and nausgehen, so dass sehr viele Patienten davon profitieren. the results were prepared in a suitably practice-oriented way Systemische Fallanalysen und Peer Review-Verfahren bleiben allerdings wirkungslos, wenn for the member hospitals. keine Bereitschaft oder Möglichkeit zu konsequentem Handeln besteht. Gewonnene Erkennt- The individual case analyses nisse und abgeleitete Maßnahmen müssen daher auch dokumentiert und ihre Umsetzung were done through a standar- sowie die Auswirkungen verfolgt werden. Die Auswirkungen eines Peer Reviews können von dized procedure on the basis großer Tragweite für die innere Organisation eines Krankenhauses sein. of the „London protocol” ac- Unabdingbare Voraussetzung für Akzeptanz und Erfolg von Peer Reviews ist es, das Verfahren cording to Sally Taylor-Adams als gemeinsamen, kollegialen Lernprozess zu begreifen. Insgesamt wird so ein wesentlicher and Charles Vincent. Beitrag zur Verbesserung der Versorgungsabläufe, der Ergebnisqualität der medizinisch-pfle- In particular as a result of the gerischen Behandlung und der Patientensicherheit geleistet. interdisciplinary collaboration, the capabilities and fur-ther Im CLINOTEL-Krankenhausverbund werden bereits seit mehreren Jahren Peer Review Verfah- development of the staff and ren und systemische Fallanalysen durchgeführt. Im pflegerischen Bereich wurden primär die an exchange across associa- Themenfelder „Dekubitus“ und „Sturz“ bearbeitet und Maßnahmen zur Qualitätsverbesse- tions of the knowledge that rung abgeleitet und umgesetzt. was gained allowed a high Aber auch die Thematik „Aspiration“ und „Aspirationspneumonie“ spielt in Hinblick auf die degree of penetration into Gesamtversorgung eine entscheidende Rolle, da viele relevante Bereiche der Alltagsgestal- the member hospitals to be tung betroffen sind (z. B. Ernährung, Atmung, Selbstpflege usw.) und die Auswirkungen für reached. The results that were den jeweiligen Patienten gravierend sein können. Neben erhöhtem Letalitätsrisiko verlängert drawn up were used to opti- sich i.d.R. auch die stationäre Verweildauer, wodurch sich weitere medizinisch-pflegerische mize the clinical work flows Komplikationen ergeben können. and thus to increase patient safety. The key to a prospective increase in process quality lies Entwicklung der Grundlagen und Inhalte in looking at the quality of the results, provided that an or- des Themas Aspiration ganizational learning process Damit alle Teilnehmer eines solchen Projektes die gleichen Voraussetzungen haben, ist es un- takes place. abdingbar, den gleichen Wissenstand aufzubauen und einheitliche Definitionen festzulegen. Im vorliegenden Verfahren wurden folgende Definitionen nach Mizock9 festgelegt: Aspiration: Das versehentliche Einatmen fester oder flüssiger Substanzen in die Atemwege unterhalb der Stimmbänder. 419 Pflegewissenschaft 7-8/10
S. Federhen, S. Lenzen et al.: Systemische Fallanalyse bei Patienten mit im Krankenhaus erworbener Aspirationspneumonie – Ein Beitrag zum ... Keywords Aspirationspneumonitis: Parenchymale entzündliche Reaktion auf aspiriertes nicht-infekti- öses Material, charakterisiert durch ein röntgenologisch bestätigtes Infiltrat. Clinical risk management Aspirationspneumonie: Parenchymale entzündliche Reaktion auf aspiriertes infektiöses Ma- Systematic case analysis terial, charakterisiert durch ein röntgenologisch bestätigtes Infiltrat. Unwanted events Über die breit angelegte Literaturrecherche einschlägiger Fachdatenbanken und Journals Aspiration/Aspiration über die Suchbegriffe „Aspiration“ und „Aspiration Pneumonia“ wurden in der Bewertung pneumonia und Einbeziehung systematische Reviews bzw. Übersichtsarbeiten bevorzugt. Patient safety Als Einflussgrößen wurden Risikofaktoren, Präventionsmöglichkeiten und Diagnosemethoden extrahiert und tabellarisch dargestellt. Quality assurance with routine data (QAR) Entwicklung der Methodik Zur methodischen Umsetzung des Verfahrens wurden den Mitgliedshäusern drei Dokumente zur Verfügung gestellt: Literaturübersicht: Medizinisch-pflegerische Inhalte in übersichtlicher, praxisorientierter Darstellung zur Ermöglichung einer schnellen Einarbeitung ins Thema. DGE Leitlinie 2007 Mellin-Olsen 1996 Shigemitsu 2007 Petroianni 2006 Langmore 1998 Teramoto 2008 Teramoto 2004 Finucane 2007 Kitamura 2007 Dreyfuss 2001 McClave 2002 Scolapio 2007 Metheny 2006 Dziewas 2003 Mizock 2007 Palmer 2008 Garrow 2007 Parrilla 2008 Paintal 2007 Drinka 2007 Marik 2001 Risikofaktoren Sarin 2008 Abhängigkeit von Nahrungsmitteldarreichung X X Abwehrschwäche/Immundefizit X X X X X X Adipositas X X Alter (hohes) X X X X X X X Ansammlung von Sekret oberhalb Cuff, Cuffdruck zu gering X Anzahl fehlender/zerstörter Zähne (inkl. Erkrankungen Mund-Rachen-Raums) X X X X X Anzahl verschiedener Medikamente X X Beatmung (maschinelle) X X X Bettlägerigkeit X X X Bewusstseinsstörungen, neurologische Dysfunktionen X X X X X X X X X X X X X X Bolusgabe Sondenkost X X X X X Bronchoskopie X X Chronische Lungenerkrankungen X X X X Dokumentierte Aspiration in Krankengeschichte X X X Dysfunktion Schutzreflexe X X X X X X X X X Dysphagie X X X X X X X X X X X X X X Erbrechen X X X Fehllage Sonde X X X X X Finanzielle Anreize X X Flachlagerung X X X X X X Gastroösophagealer Reflux (z.B. Refluxkrankheit, Schwangerschaft, Hernie) X X X X X X X X X X Gastroskopie X X Handlungsbedürfnis, Handlungsdruck X Hyperglykämie (Risiko für Magenatonie) X X Kolonisierte Oralsekrete X X X X X Komorbidität (Multimorbidität = XX) oder große OP XX XX XX X XX Magenentleerungsstörung X X X X X X X X X Mundhygiene (schlechte) X X X X X X X X X X X Nasogastrale Sonde X X X X X X X X X X PEG X X X Personal (schlecht qualifiziertes) X X X X X X X Rauchen X X X Schlaganfall (akuter = XX) X XX X XX X X XX XX X X X Schnarchen X Schräglage Kopfteil Bett unter 30 Grad X Sedierung, Intoxikation X X X X X X X X X X X Sondenernährung X X X X X X X X Tracheostomie, Intubation X X X X X Transport von Schwerstkranken X X Verwachsungen, Fisteln, Tumore, Anomalien X X X X X X X Abb. 1 Projekthandbuch: Darlegung und Vermittlung der Grundlagen des Qualitätssicherungsver- fahrens zur Ermöglichung der effektiven Anwendung. • Ziele des Projektes • Einführung in das Projekt • Klassifikation unerwünschter Ereignisse, Fehler und Schweregrade 420 Pflegewissenschaft 7-8/10
S. Federhen, S. Lenzen et al.: Systemische Fallanalyse bei Patienten mit im Krankenhaus erworbener Aspirationspneumonie – Ein Beitrag zum ... • Allgemeine Grundlagen von Fallanalysen und Peer Reviews und deren Einbindung in be- stehende Qualitätsmanagementsysteme • Grundlagen Aspiration, Aspirationspneumonitis und Aspirationspneumonie • Risikofaktoren, Prävention und Diagnostik • Fallauswahl und Übermittlung der Fälle • Durchführung der Fallanalysen und kritische Reflexion • Literaturverzeichnis DGEM Leitlinie 2007 Mellin-Olsen 1996 Shigemitsu 2007 Petroianni 2006 Langmore 1998 Teramoto 2008 Teramoto 2004 Finucane 2007 Kitamura 2007 Dreyfuss 2001 McClave 2002 Scolapio 2007 Metheny 2006 Dziewas 2003 Mizock 2007 Palmer 2008 Garrow 2007 Parrilla 2008 Paintal 2007 Drinka 2007 Marik 2001 Sarin 2008 Prävention: Was emfpohlen wird Apoplex / SHT + Beatmung: Frühzeitig PEG-Anlage X Angepasste individuelle Häufigkeit Nahrungsaufnahme bzw. Nahrungsanreichung X Angemessene Größe der Nahrungsstücke bei Nahrungsanreichung X Aufrechte Position, Kinn Richtung Brust neigen X X X X X X X Bestimmung welche Nahrungsmittelkonsistenz am besten toleriert wird X Cuffdrucks überprüfen X Entscheidungen im Interdisziplinären Team treffen X Erhöhtes Kopfteil, Schräglage (30 - 45 Grad, 90 Grad bei Nahrungsanreichung) X X X X X X X X X X X X Frühzeite Reduktion von Sedativa X X X Kontinuierliche (pumpengesteuert) statt intermittierende Gabe von Sondenkost X X X X X Langfristige Sondenkostgabe über PEG X X X Mengen langsam steigern X Messung und Management des Magenresidualvolumens X X X X X Mobilisation X Mundhygiene X X X X X X X X X X Mundspülungen (antiseptische) X X X X X X X Nahrungsanreichung anstatt Sondenkostgabe X X Peristaltikfördernde Medikation bei Magenentleerungsstörungen X X X X Postpylorische Sonde (mehrere relevante RF/thereapieresist. MagenEntlStörung) X X X X X X X X X Regelmäßiges absaugen (besonders beatmete Patienten) X X X X Regionalanästhesie bevorzugen X Ruhezeit von 30 Minuten vor Nahrungsanreichung X Schulungsmaßnahmen für Patienten X X X X Schulungsmaßnahmen für Personal X X X X X Schutzintubation bei schweren neurologischen Erkrankungen X Screening Dysphagie (Autor gibt Flussdiagramm an) X Sondenkost-/Nahrungsmitteltolleranz überprüfen X X X X Sondenlage überprüfen X X X Wechsel flüssig-fest bei Nahrungsanreichung X Prävention: Was vermieden werden soll/nicht empfohlen ist Bolusgaben von Sondenkost X Flachlagerung X Prophylaktische Antibiotikagabe X Prophylaktisches Andicken von Nahrung X Sondenwechsel zu kleinerem Durchmesser X Wechsel von nasogastraler Sonde zu PEG X Wechsel zu total parenteraler Ernährung X Diagnose/Risikoidentifikation Blue food coloring X Endoskopische Untersuchung X X X Logopädische Untersuchung/Training X X X X X X X X X X Neurologische Untersuchung (Reflexe etc.) X X Szintigraphische Untersuchung X X Videofluoroskopie (VFFS) X X X X X X Wassertest nach DGN/SIGN-Leitlinien (Screening Dysphagie) X X Abb. 2 Checkliste: Kernstück der systemischen Fallanalyse auf Basis des „London-Protocol“10 nach Sally Taylor-Adams und Charles Vincent, Basis für die Fallanalyse und standardisierter Leitfa- den für die Fallbesprechung. • Allgemeine Informationen zu Patient und Fallverlauf • Prüfung und Bewertung, ob tatsächlich eine Aspiration vorlag, ggf. Abbruch der Analyse, wenn nicht klinikintern erworben • Themenfeld Sonden und Ernährung • Pflegeanamnese • Pflegeplanung • Pflegedurchführung • Aspiration 421 Pflegewissenschaft 7-8/10
S. Federhen, S. Lenzen et al.: Systemische Fallanalyse bei Patienten mit im Krankenhaus erworbener Aspirationspneumonie – Ein Beitrag zum ... • Klinische Zeichen und Diagnostik • Therapie und andere Maßnahmen • Zusammenfassung und kritische Wertung • Evaluation und Bewertung des Schweregrads des Ereignisses • Bewertung Dokumentation • Empfehlungen und Maßnahmen Welche Fälle eignen sich und woher stammen die Daten? Im CLINOTEL-Projekt wird auf die vorhandenen Daten des verbundinternen Projektes „QSR – Qualitätssicherung mit Routinedaten“ zurückgegriffen und Fälle mit kodierter Aspirations- pneumonie werden systemischen Fallanalysen unterzogen. Mit dem Verfahren ist kein zusätzlicher Erhebungsaufwand verbunden. Dies wird erreicht, indem man auf Daten nach § 21 KHEntgG zurückgreift, die als Datensatz ohnehin zu Ab- rechnungszwecken erhoben und geprüft werden. Die Einführung diagnoseorientierter Fall- pauschalen (DRG) bringt eine umfangreiche und detaillierte Kodierung der behandelten Erkrankungen und Komorbiditäten sowie vorliegender Komplikationen mit sich. Die Angaben werden im Zuge der Abrechnung an die Kostenträger übermittelt und geprüft. Sie können somit für Qualitätssicherungszwecke verwendet werden. Folgende Aufgreifkriterien liegen dem Projekt zugrunde: Es werden Fälle mit der Angabe einer Aspirationspneumonie als Nebendiagnose gesucht, hierbei wird zwischen der ambulant erworbenen und der nosokomialen Aspirationspneu- monie unterschieden. Eine weitere Differenzierung erfolgt über definierte Risikogruppen, hierbei handelt es sich um Patienten, die eine der folgenden Hauptdiagnosen bzw. eine oder mehrere der folgenden Nebendiagnosen aufweisen: • Subarachnoidalblutung • Intrazerebrale Blutung • Sonstige nichttraumatische intrakranielle Blutung • Hirninfarkt • Schlaganfall, nicht als Blutung oder Infarkt bezeichnet • Folgen einer zerebrovaskulären Krankheit • Demenz (Alzheimer, vaskulär, bei anderenorts klassifizierten Krankheiten, nicht näher bezeichnet) • Dysphagie • Somnolenz, Sopor und Koma Durch diese Differenzierung ergibt sich die Möglichkeit, verschiedene Patientenpopulationen separat zu betrachten: • Ambulant erworbene Aspirationspneumonie • Ambulant erworbene Aspirationspneumonie, Risikopatient • Nosokomiale Aspirationspneumonie • Nosokomiale Aspirationspneumonie, Risikopatient • Mendelson-Syndrom (Anästhesie bezogenes Aspirationsereignis) Durchführung der Fallanalysen in der Praxis Verbundweit wurden von Mai 2008 bis März 2009 insgesamt 93 aktuelle Fälle aus 23 Mit- gliedshäusern einer systemischen Fallanalyse unterzogen und die Ergebnisse zur Optimierung der klinischen Abläufe zur Erhöhung der Patientensicherheit eingesetzt. Die Ergebnisse von heute sind schon da, ich kann heute nur die Resultate von morgen ändern. 11 Nach erfolgter inhaltlich-methodischer Entwicklung des Verfahrens wurden von der CLI- NOTEL-Geschäftsstelle die Pflegedirektoren der Mitgliedshäuser kontaktiert und über das Verfahren umfänglich informiert. Diese entschieden über Beteiligung ihres Hauses und das 422 Pflegewissenschaft 7-8/10
S. Federhen, S. Lenzen et al.: Systemische Fallanalyse bei Patienten mit im Krankenhaus erworbener Aspirationspneumonie – Ein Beitrag zum ... innerklinische Vorgehen für ihre Einrichtung durch Festlegung des/der Ansprechpartner. In der Regel wurden die Projektmitarbeiter aus den Reihen der Pflegedirektionen gestellt, die Fallbearbeitung erfolgte in den meisten Fällen unter Einbezug der Versorgungsbereiche oder vernetzend interdisziplinär. Jedem Mitgliedshaus oblag die krankenhausinterne Umsetzung, die Projektleitung und ver- bundweite Vernetzung wurde zentral durch die CLINOTEL-Geschäftsstelle koordiniert. Je nach Anzahl der aufgetretenen Fälle, der Konstellation der hausindividuellen Fachabtei- lungen und dem Einsatz der Mitarbeiter wurden die Fallanalysen sowohl telefonisch als auch vor Ort durchgeführt. Die Anzahl der teilnehmenden Mitarbeiter variierte von Fall zu Fall, durchschnittlich nahmen zwei bis drei Personen an der Analyse eines Einzelfalles teil. Die Etablierung von Verbesserungsmaßnahmen erfolgte je nach hauseigener Schwerpunkt- bildung. Damit aber – im Sinne des Verbund-Mottos „Von den Besten lernen, zu den Besten gehören!“ – allen Mitgliedshäusern das Gesamtportfolio an Entwicklungspotential bereitge- stellt werden konnte, wurde zum Projektabschluss ein gemeinsames Treffen aller Ansprech- partner organisiert. Die Möglichkeit des fachlichen Austauschs und des Benchmarkings von Ergebnissen, aber auch des Methodentransfers und der Weiterentwicklung von Strategien der Qualitätsentwick- lung stellt einen wesentlichen Vorteil der gemeinsamen Arbeit in einem starken, gemeinnüt- zigen Krankenhausverbund dar. Ergebnisse Die zugrunde liegenden 93 Fälle stationär erworbener Aspirationspneumonien aus 23 Mit- gliedskrankenhäusern wurden wie beschrieben einer detaillierten systemischen Analyse un- terzogen. Durch die Fragestellung „Wie kam es dazu?“ wird ein Fenster zum System geöffnet und so der präventive Ansatz der Fallanalyse mit dem Ziel der Erhöhung der Patientensicherheit in den Fokus gestellt. „Counting incidents is waste of time“ 12 Es ist herauszustellen, dass es nicht Ziel dieser systemischen Fallanalysen war, die uner- wünschten Ereignisse zu zählen, da in den Fallanalysen lediglich Stichproben analysiert wurden. Durch Reflexion der Stichproben aus der Außensicht konnten jedoch zweifelsohne aus den internen Abläufen Hinweise auf systematische Verbesserungspotentiale aufgezeigt werden. In Anlehnung an die Publikationen von Chang13 und Dindo14 wurde eine Klassifikation zur Einteilung der Schweregrade der UEs in operativen und nicht-operativen Fächern vorgenom- men, um die klinischen Folgen aufzuzeigen. In den Ausführungen wird bewusst darauf verzichtet Prozentwerte auszuweisen, da die Grundgesamtheit, auf welche sich hierzu bezogen werden müsste, nicht bekannt ist (wurden wirklich alle Aspirationen bzw. Aspirationspneumonien als solche erkannt und kodiert?). In der verbreiteten (prozentualen) Auswertung von CIRS-Meldungen ist ebenfalls kritisch die Frage nach der Grundgesamtheit zu stellen. Wurden wirklich alle Fälle gemeldet? Bedeutet dies, dass wenn beispielsweise in der Organisation keine Stürze mehr gemeldet werden, sich de facto auch keine Stürze mehr ereignet haben? Oder wurden diese lediglich nicht gemeldet? Gute klinische Praxis In den Fallanalysen wurden an vielen Stellen Gedanken darüber angestellt, was „gut lief oder nicht“. Es ging hierbei nicht nur um Maßnahmen, die tatsächlich durchgeführt wurden, sondern auch um solche, die nicht durchgeführt wurden oder durchgeführt werden konn- ten, obwohl sie in der konkreten Situation angemessen gewesen wären. Es wurde hierbei nicht isoliert der Pflegedienst betrachtet, sondern alle am Versorgungsprozess beteiligten Professionen. Als gute klinische Praxis wurden in den Mitgliedshäusern folgende Punkte identifiziert: • Interne Fortbildungen zu den Themen Aspiration und Aspirationsprophylaxe • Erfassung von Schluckstörungen bereits in der Aufnahmeanamnese • Durchführung von Schluckversuchen - Screening der Schluckstörung nach DGEM15-Leitlinie 423 Pflegewissenschaft 7-8/10
S. Federhen, S. Lenzen et al.: Systemische Fallanalyse bei Patienten mit im Krankenhaus erworbener Aspirationspneumonie – Ein Beitrag zum ... • Systematische Einschaltung der Logopädie bei Risikopatienten - Kooperation mit externen Logopäden - Erfassung und zentrale Auswertung von Aspirationen • Berücksichtigung ethischer Fragestellungen - Ernährung am Lebensende • Transparente Verlaufsdokumentation - Nachvollziehbare und vollständige Dokumentation • Einsatz vorhandener Standards (Prozesslenkende Dokumente) - Pflegerische Leitlinien zur Ernährung - Standards zur enteralen Ernährung - Standards zur Sondenapplikation - Standard zur Ileus-Intubation - Risikoeinschätzung in der Neurologie Beitragende Faktoren/Unsichere Handlungen Im Allgemeinen führen unsichere Handlungen in Verbindung mit fehlerbegünstigenden latenten Faktoren zur Aspiration. Es gibt demnach keine einzelne, alleinige Ursache. Dieses Verständnis ist entscheidend, um der – zu Beginn des Projektes – häufig aufgekommenen Schuldfrage zu begegnen. Unsichere Handlungen verstehen wir – gemäß der Definition der Schweizer Stiftung für Patientensicherheit16 – als eine konkrete Handlung, die am „front end“, also am Patienten, stattfindet und zum Zwischenfall führt (z. B. Sondenkostgabe bei bestehendem Ileus). Kenn- zeichnend hierfür ist eine Abweichung, die in der Versorgung stattgefunden hat, oder die über die Grenzen der sicheren Praxis hinausgegangen ist (z. B. nicht durchgeführte Lagekon- trolle der Magensonde vor Sondenkostapplikation). Aber auch eine fehlende Pflegeplanung kann als unsichere Handlung bezeichnet werden, da sie zumindest potentielle Auswirkungen auf den unerwünschten Ausgang hatte. Im nachfolgenden Ishikawa-Diagramm sind die zur Aspiration beitragenden Faktoren und unsicheren Handlungen, die aus den Fallanalysen in den Mitgliedshäusern extrahiert wurden, zusammengefasst abgetragen: Beitragende Faktoren Dienstwechsel Insuffiziente Insuffiziente Fort- und Leitlinien/Standards Weiterbildung Personalausfall Unzureichende Einarbeitung Kommunikation Arbeitsdichte Verfügbarkeit der Bereitstellung von Befunde Ressourcen Arbeitsumgebung Team Organisation & Management Dokumentation nicht Schnittstellenproblematik Ausbleiben von beachtet der Berufsgruppen Unleserliche erforderlichen Schriften Handlungen Ausbleiben von Unsichere Handlungen Unvollständige Anamnese erforderlichen Insuffiziente Handlungen Pflegeplanung Aspiration Unreflektierte Keine Lagekontrollen Sondenkostgabe Beziehung Patient zu (z.B. bei Ileus) Personal Unsystematische der Magensonde Erhebung von Schluckstörungen Bestehende Vorgaben nicht Kommunikationsdefizit Lagerung des genutzt (Ernährungsprotokoll) Patienten Patient Aufgabe/Verfahren Personal Beitragende Faktoren Multimorbidität Verfügbarkeit Müdigkeit Leitlinien/Standards Sprech- und Komplexität Stress Kommunikationsstörung Grunderkrankung Nicht lesbare/ Nicht angemessenes transparente Wissen Informationen Abb. 3 424 Pflegewissenschaft 7-8/10
S. Federhen, S. Lenzen et al.: Systemische Fallanalyse bei Patienten mit im Krankenhaus erworbener Aspirationspneumonie – Ein Beitrag zum ... Anmerkungen Entwicklungsschritte 1 http://www.aktionsbuendnis- Aus den im Peer Review eruierten beitragenden Faktoren und unsicheren Handlungen wur- patientensicherheit.de/ den in den Mitgliedshäusern verschiedene Verbesserungsmaßnahmen abgeleitet. Verbund- 2 http://www.patientensicherheit. weit zeigten sich Entwicklungsschritte auf folgenden Ebenen: ch/ 3 http://www.ahrq.gov/ • Einbringen aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse in die Mitgliedshäuser 4 S Dekker: The Field Guide to • Systematische Befähigung und Schulung von Mitarbeitern zu Aspiration und Aspirations- Understanding Human Error, prophylaxe Ashgate 2006 (ISBN 978-0- 7546-4826-0) • Einbringen aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse „an die Patientenbetten“ 5 J Reason: Human Error, Cam- • Einführung systematischer, leitliniengestützter Verfahren zur Diagnostik von Schluckstö- bridge University Press 2006 rungen (Screening und Assessment der Dysphagie) (ISBN 0-521-31419-0) 6 C Vincent: Patient Safety, Chur- • Zielgerichteter und bedarfsorientierter Einsatz vorhandener Ressourcen chill Living Elsevier 2006 (ISBN • Verbesserung der interdisziplinären Zusammenarbeit 0-443-10120-5) 7 Joint Commission International • Erarbeitung neuer und Anpassung etablierter Standards und Dokumentationssysteme Accreditation Standards for • Erhöhung der Transparenz durch Verbesserung der Prozessdokumentation Hospitals, 3rd Edition Effective Januray 2008 (ISBN 978-1- 59940-141-6) Als Grundlage für die aufgezeigten Entwicklungsschritte in den Mitgliedshäusern erwies sich 8 European Foundation for Quali- als wesentlich, aktuelles Fachwissen in die Organisation einzubringen und es über systema- ty-Management tische Befähigung der Mitarbeiter in der Arbeit am Patientenbett nutzbar zu machen. Hierzu 9 B A Mizock: Risk of Aspiration wurden verschiedene Implementierungsstrategien angewendet, die von der Angebotserwei- in Patients on Enteral Nutrition: terung der Innerbetrieblichen Fortbildung mit themenspezifischen Schulungen bis hin zur Frequency, Relevance, Relation Etablierung von interdisziplinären Besprechungen zur Fallsupervision im Behandlungsverlauf to Pneumonia, Risk Factors, reichen. Hierdurch wurden in den Mitgliedshäusern eine Weiterentwicklung der Kompetenz and Strategies for Risk Reduc- der Mitarbeiter und eine zusätzliche Sensibilisierung für das Thema Aspirationen und Schluck- tion. Current Gastroenterolo- störungen erreicht, was letztlich zu einer Verbesserung der Patientensicherheit beiträgt. gy Reports 2007, 9:338-344 Zur Einführung leitliniengestützter Verfahren zur Diagnostik erwies es sich in einem Haus [12069] 10 S Taylor-Adams, C Vincent: Sys- als besonders hilfreich, Taschenkarten mit den wesentlichen Eckpunkten des Dysphagie- Screenings gemäß der DGEM-Leitlinie einschließlich der Verhaltensweisen bei bestehendem temanalyse Klinischer Zwischen- fälle, Das London-Protokoll, Aspirationsrisiko zur Verfügung zu stellen. Hrsg. Stiftung für Patientensi- In einem anderen Mitgliedshaus wurde die Dokumentation des Dysphagie-Screenings inso- cherheit, Februar 2007 weit vereinfacht, dass durch Dokumentation eines Zahlencodes jederzeit für alle Prozessbe- 11 Zitat nach: Geert de Raad, teiligten der aktuelle Patientenstatus erkennbar ist. Zusätzlich wurden hier Kriterien definiert, Ehemaliger Generalsekretär der zu welchem Zeitpunkt ein Logopäde verpflichtend hinzugezogen werden muss. Als weiterer EFQM Vorteil ergibt sich hieraus, dass die Logopädie so an vorgegebenen Diagnosepunkten noch 12 Charles Billing, Gründer des gezielter therapieren und infolgedessen zeitökonomisch im therapeutischen Team eingesetzt weltweiten Aviation Safety Re- werden kann. porting Systems 13 A Chang et al. The JCAHO pa- Nicht zuletzt ist es hilfreich, erarbeitetes Wissen allen Mitarbeitern dauerhaft, z. B. in Form tient safety event taxonomy: a schriftlicher Vorgaben zur Verfügung zu stellen. Dies wurde in den Mitgliedshäusern effektiv standardized terminology and durch Erarbeitung oder Anpassung von Verfahrensstandards, aber auch durch klinikübergrei- classification schema for near fende Vereinheitlichungen von Pflegeanamnesen und Dokumentationssystemen erreicht. Ein misses and adverse events. In- regelmäßiger Abgleich der Dokumentationsergebnisse mit den Vorgaben der Organisation ternational Journal for Quality in kann der Überführung in organisationale Routinen dienen. Health Care. 2005. Volume 17, Number 2; 95-105 [9947] 14 D Dindo et al. Classification of Surgical Complications. Annals of Surgery. Volume 240, Numb- Fazit er 2, August 2004 [10891] Die angestoßenen und vollzogenen Entwicklungsschritte verdeutlichen, dass aktives Arbeiten 15 DGEM: Deutsche Gesellschaft an und mit den systemischen Fallanalysen über den gesamten Verbund durchweg gute Er- für Ernährungsmedizin folge zeigt. Multiple Maßnahmen zur Verbesserung der Patientenversorgung und -sicherheit 16 Stiftung für Patientensicherheit, wurden angestoßen und implementiert. Deutliche Verbesserungen zeigten sich bereits nach Schweiz, Kursunterlagen Error & kurzer Zeit in den Falldokumentationen, über das gesamte therapeutische Team. Die Peer Risk Analysis (ERA), Zwischenfall Reviews führten nicht nur bei den unmittelbar an der Analyse der Aspirationsfälle Beteiligten analyse – London protocol, Zü- zu einer Befähigung und Weiterentwicklung. Dadurch, dass die einzelnen Ansprechpartner rich 2009 der Mitgliedshäuser die Erkenntnisse aus den Fallanalysen in ihren Abteilungen, aber auch 17 HW Heinreich Industrial Acci- abteilungsübergreifend (z. B. im Rahmen von Stationsleiter-/Bereichsleiterbesprechungen) dent Prevention, NY and Lon- vorstellten, konnte durch diese „Multiplikatoren“ eine hohe klinik- und verbundweite Durch- don 1941 dringung erreicht werden. Das wesentliche Projektziel, die Befähigung der Verbundhäuser zur systematischen Anwen- dung des Verfahrens, wurde vollends erreicht. So endete das Projekt mit einem Treffen aller beteiligten Ansprechpartner im April 2009 im Mitgliedshaus in Moers. Wesentliche Inhalte waren hier nochmals der intensive Wissenstransfer und Erfahrungsaustausch der Projekt- beteiligten. Des Weiteren wurde abschließend der Stand des Verfahrens aus der Sicht der CLINOTEL-Geschäftsstelle und die praktische Umsetzung des Peer Review in den einzelnen Mitgliedshäusern vorgestellt und diskutiert. 425 Pflegewissenschaft 7-8/10
S. Federhen, S. Lenzen et al.: Systemische Fallanalyse bei Patienten mit im Krankenhaus erworbener Aspirationspneumonie – Ein Beitrag zum ... Kurzbiografie Das Verfahren wird von den Verbundmitgliedern als stimmig und zielführend bewertet, insbesondere die interdisziplinäre Umsetzung zeigte sehr guten Erfolg. Der Einbezug des Dipl.-Pflegewirt (FH) Medizincontrollings konnte in vielen Fällen die Akzeptanz und das Verständnis aller beteili- Severin Federhen gten Berufsgruppen erhöhen. In der Diskussion wurden die Bedeutung einer zielgerichteten Referent Qualitätssicherung Fallplanung und Dokumentation sowie deren systematische Umsetzung und Überprüfung Diplom-Pflegewirt (FH) erörtert. Staatl. exam. Gesundheits- und Krankenpfleger Die Notwendigkeit von Meldesystemen lässt sich an „Heinreichs Ratio“17 darstellen. Er Akkreditierter Zertifizierungs- zeichnet das Bild eines Eisbergs, dessen schmale Spitze aus der Wasseroberfläche herausragt auditor QM-Systeme (EA- und von oben gesehen wird. Mit zunehmender Tiefe wird die Substanz des Eisbergs immer Scope 38) größer. Die sich unter dem Wasserspiegel verbergende latente Gefahr ist von oben nicht Auditor für Qualitätsmanage- erkennbar. mentsysteme, DGQ/EOQ Übertragen auf die systema- Qualitätsmanager DGQ tischen Fallanalysen der im Kurs Error & Risk Analysis Krankenhaus erworbenen (ERA), Schweizer Stiftung Aspirations- Aspirationen bedeutet dies, für Patientensicherheit pneumonie dass die Aspirationspneumo- nien bewusst bemerkt werden Dipl.-Gesundheitsökonom (Spitze des Eisbergs über dem (FH) Stefan Lenzen Aspiration Wasserspiegel). Um die sich Referent Qualitätssicherung unmittelbar unter der Ober- Diplom-Gesundheits- fläche befindlichen Gefahren ökonom (FH) (hier Aspirationen, welche Staatl. exam. Gesundheits- – noch – keine Aspirationsp- und Krankenpfleger Beinahe-Aspiration neumonie zu Folge hatten) Akkreditierter Zertifizie- bewusst wahrzunehmen muss rungsauditor QM-Systeme man „in die Tiefe abtauchen“. (EA-Scope 38) Abb. 4 Den Aspirationen vorausge- Qualitätsauditor (TÜV) hend, um in der Bildsprache Kurs Error & Risk Analysis zu bleiben „unter“ den Aspi- (ERA), Schweizer Stiftung für rationen, stößt man mit zunehmender Tiefe auf die „Beinahe“-Aspirationen. Diese kamen Patientensicherheit bisher, aufgrund verschiedener Umstände und Handlungen, nicht zum tragen bzw. führten nicht zu Aspirationen und somit unter Umständen zu Aspirationspneumonien. Durch die systematischen Fallanalysen wurde vom Pflegemanagement realisiert, dass es den Blick früher bzw. tiefer, also weit unter der Wasseroberfläche, ansetzen muss, um eine größtmögliche Prävention zu erreichen. In der Betrachtung der Ergebnisqualität liegt also der Schlüssel zur prospektiven Steigerung der Prozessqualität, vorausgesetzt es erfolgt ein organisationaler Lernprozess in einer (dafür) offenen Unternehmenskultur. Im CLINOTEL-Krankenhausverbund werden die Kennzahlen zur Aspirationspneumonie auch nach dem Projektabschluss nicht aus dem Fokus rücken. Sie werden weiterhin über das Projekt „QSR-Qualitätssicherung mit Routinedaten“ monitorisiert und gemeinsam mit Kenn- zahlen aus anderen pflegerischen Risikofeldern zur Verbesserung der Patientenversorgung eingesetzt. Somit kann die Prozessqualität auch zukünftig aktiv von den Pflegedirektionen der Mitglieds- häuser über die Arbeit mit Ergebnisqualitätsindikatoren gesteuert werden. PrInterNet Community Sie finden weitere Informationen zu diesem Artikel unter www.printernet.info/detail.asp?id=937 426 Pflegewissenschaft 7-8/10
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