Ingestionsunfälle des Kindesalters - eine retrospektive Analyse am Universitätsklinikum Ulm von 2005-2017 mit Erfassung von Spätfolgen - OPARU
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Universitätsklinik Ulm Klinik für Kinder- und Jugendmedizin Prof. Dr. med. Klaus-Michael Debatin Ingestionsunfälle des Kindesalters – eine retrospektive Analyse am Universitätsklinikum Ulm von 2005-2017 mit Erfassung von Spätfolgen Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Medizin der Medizinischen Fakultät der Universität Ulm vorgelegt von Arne Jorma Speidel Ulm Vorlage im Jahr 2020
Amtierender Dekan: Prof. Dr. Thomas Wirth 1. Berichterstatter: Prof. Dr. Carsten Posovszky 2. Berichterstatter: Prof. Dr. Manfred Weiß Tag der Promotion:15.07.2021
Teile diese Dissertation sind erschienen in 72 Creative Commons Attribution 4.0 International License http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.
Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis III 1 Einleitung 1 1.1 Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1.2 Epidemiologie und Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 1.3 Symptomatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 1.4 Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 1.4.1 Anamnese und klinische Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . 4 1.4.2 Bildgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 1.4.3 Endoskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 1.5 Differenzialdiagnosen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 1.6 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 1.7 Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 1.8 Prognose und Nachsorge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 1.9 Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 2 Material und Methoden 17 2.1 Studiendesign . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 2.2 Datenerhebung der retrospektiven Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . 17 2.2.1 Beschreibung der Erhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 2.2.2 Zuordnung zu Objektgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 2.2.3 Einschlusskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 2.3 Erhebung von Spätfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 2.4 Ethikvotum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 2.5 Statistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 3 Ergebnisse 23 3.1 Ergebnisse der retrospektiven Datenerhebung . . . . . . . . . . . . . . 23 3.1.1 Patientenkollektiv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 3.1.2 Ingestierte Fremdkörper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 3.1.3 Symptomatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 3.1.4 Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 I
3.1.5 Endoskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 3.2 Ergebnisse der Outcomebefragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 3.2.1 Knopfbatterie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 3.2.2 Säure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 3.2.3 Lauge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 3.2.4 Scharfe/Spitze Gegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 3.2.5 Magnete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 3.2.6 Sonstige Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 4 Diskussion 50 4.1 Fallzahlen, Objekte, Symptomatik, Komplikationen . . . . . . . . . . . 50 4.2 Diagnostisches und therapeutisches Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . 59 4.3 Erfassung von Spätfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 4.4 Prävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 4.5 Limitationen der Studie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 5 Zusammenfassung 67 6 Literaturverzeichnis 69 Anhang 79 Danksagung 80 Lebenslauf 81 II
Abkürzungsverzeichnis CI Konfidenzintervall CT Computertomographie df Freiheitsgrade EoE eosinophile Ösophagitis ESGE European Society of Gastrointestinal Endoscopy ESPGHAN European Society for Paediatric Gastroenterology Hepatology and Nutrition GI Gastrointestinaltrakt GÖRK gastroösophageale Refluxkrankheit ICD-10 GM International classification of diseases-10 (German Modification) IGU Ingestionsunfall/Ingestionsunfälle NEISS National Electronic Injury Surveillance System OR odds ratio R Range R2 Bestimmtheitsmaß RTX Röntgenthorax SD Standardabweichung T T-Wert USA United States of America III
1 Einleitung Kleinkinder erkunden ihre Umwelt, indem sie Gegenstände in den Mund nehmen. Dinge, die in Reichweite sind, werden so untersucht. In Abhängigkeit des Alters des Kindes werden dementsprechend unterschiedliche Fremdkörper ingestiert (58). Ingestionsunfälle sind ein häufiges Problem in einer pädiatrischen Notfallambulanz (30, 46, 54, 55, 59). Regelmäßig sind die Kinder asymptomatisch (66) oder stellen sich mit einem breiten Spektrum von Symptomatik vor (30). Eine direkte Diagnosestellung ist somit schwierig. Der Ausgang des Ereignisses reicht von harmlos bis hin zu schwerwiegenden Komplikationen (65, 94). Auf Grund der Möglichkeit des tödlichen Ausgangs (83) ist eine sichere Diagnosestellung und ein exaktes Vorgehen unerlässlich. 1.1 Definition Ingestionsunfall Nach dem Verschlucken eines Fremdkörpers besteht die Gefahr des Steckenbleibens, sodass ein Ausscheiden auf natürlichem Wege nicht mehr möglich ist. In diesem Fall spricht man von einem Ingestionsunfall/Ingestionsunfälle (IGU). Ein Fremdkörper kann akzidentiell oder in suizidaler Absicht verschluckt werden. Die Fremdkörper können bei einem IGU entweder als Festkörper oder als Flüssigkeit definiert sein. Bei einer Ingestion von Säuren und Laugen steht nicht die gastrointestinale Passage des Fremd- körpers, sondern die Reaktion der Flüssigkeit auf die gastrointestinale Schleimhaut im Vordergrund. Sowohl der IGU durch Festkörper, als auch der IGU durch ätzende Flüssigkeiten stellt einen möglichen lebensbedrohlichen Zustand dar. Abzugrenzen von der Situation eines IGU ist ein sogenanntes Aspirationsereignis. Aspiration Bei einer Aspiration spricht man von einer unbeabsichtigten Inhalation fester Ge- genstände in den Tracheobronchialraum. Durch die Aspiration ist eine Verlegung der Hauptbronchien möglich. Hierbei handelt es sich ebenfalls um einen lebensbedrohlichen Zustand. Siehe hierzu auch Abschnitt Differenzialdiagnosen 1.5.. 1
1.2 Epidemiologie und Ursachen IGU stellen sich am häufigsten in der Gruppe der Kinder unter 6 Jahren mit einem mittleren Alter von ca. 5 Jahren dar (12, 25, 41, 64, 69). Jungen sind hierbei häufiger betroffen (53). Angaben bzgl. der Häufigkeiten der Orte im Gastrointestinaltrakt werden in der Literatur wie folgt angegeben: 5-10 % Oropharynx, 20 % Ösophagus, 60 % im Magen und 10 % distal des Magens. Länderspezifische Unterschiede sind möglich (31). Der Ösophagus beschreibt in seinem Verlauf mit Beginn im Anschluss an den Hypopharynx bis zum Übergang in den Magen an der Kardia drei anatomische Engen (1. Obere Enge = Ösophagusmund, 2. Mittlere Enge = bedingt durch den Aortenbogen, 3. Untere Enge = bedingt durch das Zwerchfell), an denen verschluckte FK stecken bleiben können. Inadäquates Kauen und nicht ausgereifte Koordination beim Schluckakt der Kinder sowie die noch relativ hoch stehende Epiglottis werden als Ursache des Altersgipfels in der Literatur beschrieben (23). Die am häufigsten verschluckten Fremdkörper sind Münzen (12, 25, 32, 53, 63). Eine besondere Patientengruppe bilden die psychiatrischen Patienten die Fremdkörper wie Rasierklingen aus möglicher suizidaler Absicht verschlucken. Bei älteren Patienten rücken Fleisch- und andere Nahrungsboli als Risikofremdkörper für einen IGU in den Vordergrund (23). Jüngere Patienten haben seltener Probleme mit Nahrungsboli, außer es besteht eine kongenitale Anomalie des Ösophagus oder eine eosinophile Ösophagitis (33). Patienten mit zu Grunde liegender ösophagealer Erkrankung, vorangegangener Verletzung im Ösophagus oder mit bereits stattgehabten chirurgischen Eingriff am Öso- phagus haben ein erhöhtes Risiko eines Ingestionsunfalls. Bei IGU durch Nahrungsboli liegt in bis zu 95% der Fälle eine ösophageale Pathologie zu Grunde. Beispiele hierfür sind primäre oder sekundäre Motilitätsstörungen, Achalasie oder Briden (31). 1.3 Symptomatik Viele Patienten präsentieren sich nach einem IGU asymptomatisch in der pädiatrischen Notfallambulanz und zeigen einen unauffälligen Untersuchungsbefund (48, 66, 69). Falls Patienten Symptomatik zeigen, sind dies häufig Übelkeit, Würgen, Erbrechen, vermehrtes Speicheln, Globusgefühl, Dysphagie oder Schmerzen beim Schlucken. Auch respiratorische Symptomatik wie Husten oder Stridor sind möglich und stellen den 2
Notdienst in Bezug auf die Differenzialdiagnose der Aspiration vor eine schwierige Situation (30). Bei schwerwiegenden Fällen reichen die Befunde von Stimmbandparalyse über Perforation, Fistelbildung und Mediastinitis bis hin zum letalen Ausgang (34, 82, 83). Mögliche Top 3 Symptome nach Häufigkeit sind (69): 1. Würgen (54%) 2. Erbrechen (47%) 3. Dysphagie (42%) In einigen Studien wird Speicheln als eines der drei häufigsten Symptome bei Fremdkör- peringestion beschrieben (30). Insgesamt ist die Ausprägung der Symptomatik abhängig von der Lokalisation und der Art des Fremdkörpers (31). Lage im Hals Patienten mit einem Fremdkörper im Oropharynx zeigen in den allermeisten Fällen eine Symptomatik (31). Bei einer Lage im Hypopharynx stehen cervikale Schmerzen im Vordergrund (48). Lage im Ösophagus Objekte im Ösophagus können zu Atemwegssymptomatik führen (48). Diese kann entweder durch die direkte Kompression der Trachea durch den Fremdkörper entstehen oder im Verlauf, sekundär durch die Schwellung des umliegenden Gewebes nach im- paktieren des Fremdkörpers resultieren. Besonders bei kleinen Kindern und Säuglingen können aufgrund des kleinen Radius der Trachea, isolierte respiratorische Symptome auftreten (31). Probleme bei der Nahrungsaufnahme sind möglich. Eine unauffällige Nahrungsaufnahme schließt einen Ingestionsunfall jedoch nicht aus (89). Eine besondere Stellung nimmt die Ingestion von ätzenden Flüssigkeiten ein. Sowohl Lauge als auch Säure können im Ösophagus zu Läsionen führen (27). Verätzungen im Ösophagus können zu Erbrechen, Speicheln, respiratorischen Symptomatik und Dysphagie bis zur Hämatemesis führen. Die Anzahl der Symptome gibt hierbei Rückschluss auf die Schwere der Verätzung (7). Das einheitlichste Symptom einer ösophagealen Grunderkrankung ist der Brustschmerz, dieser kann auch bei einer Fremdkörperlage im Ösophagus auftreten 3
(20). Auch asymptomatische ösophageale Fremdkörper können Verletzungen verursacht haben (31). Lage im Magen Die Lage eines Fremdkörpers im Magen ist, zusammen mit der im Ösophagus, der häu- figste Ort für einen impaktierten Fremdkörper (30). Objekte, die den Ösophagus passiert haben, führen in der Regel nicht zu Symptomen, außer es kommt zu einer Komplikation. Hier sind dann Symptome wie Bauchschmerzen, Übelkeit und Erbrechen, Hämatochezie oder Meläna möglich (siehe Abschnitt Komplikationen 1.7.) (48). Verätzungen durch Flüssigkeiten können auch im Magen zu Schäden führen und Symptome wie Dysphagie hervorrufen. Es konnte gezeigt werden, dass vor allem Säure im Magen zu Läsionen führt (27). Wenn eine Münze über dem Pylorus zum Liegen kommt, sind Symptome einer Magenausgangsstenose, wie Erbrechen von unverdauten Nahrungsmitteln direkt nach dem Essen, möglich. (31). Das Vorhandensein von Symptomen spielt in der weiteren Diagnostik und Behand- lung die wohl bedeutendste Rolle (7, 9, 31, 43, 78, 80). 1.4 Diagnostik 1.4.1 Anamnese und klinische Untersuchung Bei Verdacht auf einen Ingestionsunfall sind bei der Anamneserhebung auf neu auf- getretene Probleme bei der Nahrungsaufnahme zu achten. Insbesondere auf Dyspha- gie, Nahrungsverweigerung, Schluckschmerz und Globusgefühl. Die gastrointestinale Eigenanamnese kann leer sein. Bei einer Anamnese auf eine gastrointestinale oder respi- ratorische Problematik des Kindes, die nicht auf eine Standardtherapie angesprochen hat, (78) muss ebenfalls an einen Ingestionsunfall gedacht werden. Zum Beispiel sollte eine länger anhaltende Regurgitation oder Dysphagie bezüglich eines chronisch impak- tierten Fremdkörpers abgeklärt werden. Ein neu diagnostiziertes Asthma bronichale mit Husten, welches nicht auf eine Salbutamol-Inhalation anspricht, sollte ebenfalls genaustens evaluiert werden (78). Eine respiratorische Symptomatik kann auf einen möglichen Ingestionsunfall in der Vergangenheit hindeuten (31). Für eine schnelle und zielgerichtete Therapie sind genaue Anamneseerhebung und eine 4
genaue klinische Untersuchung unerlässlich. Für das weitere Vorgehen sind folgende Aspekte entscheidend: 1. Symptomatik 2. Fremdkörpergröße 3. Fremdkörperart In 98 % der Fälle ist das Verschlucken bei Kindern ein Unfall und passiert nicht bei der beabsichtigten Nahrungsaufnahme. Kinder verschlucken, was in ihrer Reichweite liegt (14). Magneten und Knopfbatterien, spitze Gegenstände und potentiell ätzende Substanzen sind von besonderer Bedeutung wegen der möglichen Komplikationen (17, 19, 48, 66). Dann hat die Lokalisierung des Fremdkörpers für das weitere Vorgehen hohe Priorität. Hierbei können die genaue klinische Untersuchung sowie die genaue Analyse der Symptome hilfreich sein. Zum Beispiel der Beginn und Dauer der Symptomatik. Hat sich die Symptomatik im Verlauf verändert, bestehen Schmerzen und wo sind diese lokalisiert (48, 66). Eine vollständige klinische Untersuchung ist bei jedem notfallmäßig vorgestellten Kind in der Notfallambulanz erforderlich (9). Besonders in Bezug auf eine vorliegende Schmerzsymptomatik ist ein behutsames Vorgehen mit dem Kind indiziert. Schmerzen können schnell zu einem abwehrenden Verhalten des Kindes führen und das weitere diagnostische und therapeutische Vorgehen erschweren (49). Die körperliche Unter- suchung kann initial bei IGU auch ohne pathologische Befunde sein (78). Bis zu 76 % der Kinder zeigen eine unauffällige klinische Untersuchung bei der Erstvorstellung (69). Eine gezielte Inspektion des Mund-Rachenraumes kann direkt in eine digitale Fremdkörperbergung münden. Spezielle Befunde die sich zeigen können sind: 1. tumoröse Schwellung des Hales 2. orale Läsionen (z.B. Verätzungen) 3. Fremdkörperreste (z.B. Glas, Plastik, Verpackungsmaterial) 4. Abwehrspannung 5. inspiratorischer Stridor 5
1.4.2 Bildgebung Vor Einsatz von Röntgenstrahlung gilt es vor allem in der Pädiatrie den Nutzen gegen- über der Strahlenbelastung abzuwägen (16). Die meisten verschluckten Fremdkörper sind röntgenundurchlässig. Trotzdem kann ein normaler Röntgenthorax (RTX) einen Fremdkörper nicht sicher ausschließen (69). Dies kann an einem falsch gewählten Aufnah- meabschnitt oder einer Überlagerung des Fremdkörpers durch andere Strukturen liegen (21). In Rücksprache mit den Radiologen ist die geeignete Bildgebung zu wählen. Eine radiographische Darstellung zeigt für Aluminium eine gute Sensitivität und Spezifität von 80-90 %, für Knochen werden in der Literatur Sensitivitäten von 23.5 - 54.4 % für eine Darstellung mit Röntgenstrahlung angegeben. Zu beachten gilt es hierbei, dass ein ggfs. scheibenförmiger Fremdkörper in einer einzelnen Aufnahme (z.B. RTX) nicht ausreichend gut zur Darstellung kommt (21, 23). Falls sich ein rundlicher Fremdkörper zeigt, ist es ratsam, den Fremdkörper durch ein Heranzoomen genauer anzusehen und nach einem “Halo-Zeichen” oder “Doppel-Ring” zu suchen, welches auf eine Knopfbatterie hindeuten kann (29). Die untere Zahnreihe muss auf einem Röntgenbild zur Fremdkörpersuche mit dargestellt werden (21, 89). Holz-, Plastik- oder Glasobjekte oder sogar metallische Objekte kommen zum Teil bei einer Röntgenaufnahme nicht zur Darstellung (48, 78). In Bezug auf Zahnstocher werden Sensitivitäten von 9 % für Röntgen, 15 % für Computertomographie (CT) und 29 % für Ultraschall angegeben. Die Anwendung eines Kontrastmittels kann die Sensitivität der Bildgebung bei bestimmten Objekten erhöhen. (23). Aufgrund des Risikos einer Aspiration sowie der Möglichkeit einer erschwerten Endoskopie und Fremdkörperbergung nach Bariumbrei- schluck, wird von manchen Expertengruppen die direkte Endoskopie empfohlen, falls sich eine Röntgendarstellung negativ zeigt (48). Besonders in Bezug auf die vermehrte Salivation durch einen Fremdkörper im Ösophagus ist unbedingt von einem Barium- breischluck abzusehen, da hierbei das Risiko einer Aspiration stark erhöht ist (9, 31). In Bezug auf die Möglichkeit einer Schädigung von angrenzendem Gewebe zeigt die CT gute Darstellungsergebnisse (9) und sollte bei einer Fischgräteningestion zur Anwendung kommen (23). Eine umschriebene Verdickung von Weichgewebe kann sich bei impaktierten Fremd- körpern zeigen. Freie Luft deutet hierbei stark auf eine Perforation hin. Metalldetektoren 6
können bei einem Verdacht auf Ingestion eines metallischen Fremdkörpers hilfreich sein und die Strahlenbelastung reduzieren (48, 79). In der Literatur werden Sensitivitäten bei Metalldetektoren für das Detektieren von Münzen von 99,4 % und eine Genauigkeit von 99,8 % für deren Lokalisierung angegeben (36). Adipositas stellt bei Kindern eine relative Kontraindikation zur Anwendung eines Metalldetektors dar. Da bei einer Mün- zingestion die Möglichkeit der Verwechslung mit einer Knopfbatterie besteht, wird in der Literatur eine Röntgenaufnahme auch bei Verdacht auf eine Ingestion einer Münze empfohlen (14). Es findet sich ebenfalls Literatur, die eine grundsätzliche Anfertigung einer Röntgendarstellung empfiehlt (31, 80). 1.4.3 Endoskopie Bei symptomatischen Patienten ohne wegweisende Befunde in der Bildgebung ist eine Endoskopie zur Diagnosestellung indiziert (78). Sollten sich bei der Inspektion des Mundraumes orale Läsionen zeigen und der Verdacht auf eine Ingestion einer ätzen- den Substanz bestehen, muss zur genaueren Evaluation der Verletzungen im oberen Gastrointestinaltrakt (GI) eine Endoskoie durchgeführt werden. Bei der Endoskopie können sich Strikturen mit prästenotischem Pouch zeigen (78). Auch in Abwesenheit von Symptomen wird beim Verdacht der Ingestion einer ätzenden Substanz in der Literatur eine diagnostische Endoskopie empfohlen (19). Eine höhergradige Verätzung des Ösophagus ist bei Abwesenheit von Symptomen bzw. Befunden jedoch selten (odds ratio [OR] 0,13 [95 % CI, 0,02-0,62], P=0,002) (7). Von der European Socie- ty of Gastrointestinal Endoscopy (ESGE) und der European Society for Paediatric Gastroenterology Hepatology and Nutrition (ESPGHAN) werden folgende typische Indikationen zur Durchführung einer diagnostischen Ösophagoduodenoskopie in Bezug auf eine potentielle Fremdkörperingestion empfohlen. (80): 1. Dysphagie 2. Hämatemesis 3. Hämatochezie 4. Gewichtsabnahme 5. abdominelle/thorakale Schmerzen 7
1.5 Differenzialdiagnosen Aufgrund der unspezifischen Symptomausprägung der Fremdkörperingestion ist von jedem Arzt eine große Aufmerksamkeit gefordert (43). Aspiration Als Fremdkörperaspiration wird jede unbeabsichtigte Inhalation fester Gegenstände in den Tracheobronchialraum bezeichnet. Häufige Symptome sind plötzlich einsetzender Husten und Würgen sowie keuchende bzw. pfeifende Atmung. Der häufigste patholo- gische Befund im Röntgen ist eine Überblähung der betroffenen Seite der Lunge (68). In den meisten Fällen ist der rechte Hauptbronchus betroffen. Die Fremdkörperaspira- tion ist potentiell lebensbedrohlich und somit die wichtigste Differenzialdiagnose bei Vorliegen von respiratorischen Symptomen (10, 92). Osophagusstenose Die Ösophagusstenose beschreibt eine Verengung des Ösophagus in seinem Verlauf und kann als angeborene Ösophagusatresie oder im Rahmen einer Epidemolysis bullosa auf- treten. Sekundäre Stenosen nach Verätzungen bzw. durch eine mechanische Verlegung (z.B. Tumor) sind möglich. Häufig findet sich die Stenose im mittleren bzw. distalen Drittel (62). Nahrungsverweigerung, Bolusereignisse und Erbrechen sowie Entwick- lungsverzögerung sind mögliche Symptome einer Ösophagusstenose. Ein eingewachsener Fremdkörper kann diese Symptomatik ebenfalls hervorrufen (90). Zu beachten gilt es hierbei, dass eine mögliche symptomatische Behandlung mittels Ballondilation bei Verdacht auf Ösophagusstenose auch bei einem intramuralen Fremdkörper zu einer zeitweisen Symptomfreiheit führen kann (70). Eosinophile Ösophagitis Die eosinophile Ösophagitis (EoE) ist eine klinisch-pathologische Diagnose, die eine Dysfunktion des Ösophagus mit einer zugrunde liegenden eosinophilen Entzündung der ösophagealen Mukosa beinhaltet. (60). Symptome der ösophagealen Dysfunktion sind Dysphagie, Brustschmerzen, Bauch- schmerzen und verklemmte Speisereste in der Speiseröhre. Die Verdachtsdiagnose wird 8
dann endoskopisch und histologisch bestätigt. Endoskopisch können sich Ringstrukturen, sogenannte Trachealisierung, im Ösophagus zeigen (31). Die eosinophile Entzündung der Ösophaguswand ist definitionsgemäß durch eine Mindestanzahl von 15 Eosinophilen pro Hauptgesichtsfeld festgelegt (38). Die EoE wird mit Protonenpumpeninhibitoren, topischen und systemischen Kortikosteroiden, Leukotrien Antagonisten und/oder mit einer Eliminationsdiät behandelt. Als Differen- zialdiagnose zur EoE gilt die gastroösophageale Refluxkrankheit (GÖRK). Gastroösophageale Reflux Krankheit Eine intermittierende Relaxation des unteren Ösophagussphinkter ohne peristaltische Welle des Ösophagus führt zu einem gastroösophagealen Reflux. In der Pädiatrie tritt eine GÖRK am häufigsten im Alter von ca. 4 Monaten auf. Adipositas gilt als Risi- kofaktor für das Auftreten einer GÖRK (37). Nach der operativen Versorgung einer Ösophagusatresie kann ein gastroösophagealer Reflux auftreten (87). Bei einer Hiatus Hernie ist ebenfalls ein gastroösophagealer Reflux möglich (93). Neben der EoE und allgemein den Motilitätsstörungen des Ösophagus (Achalasie etc.) sowie einer Fremdkör- peringestion, führt ein GÖRK ebenfalls zu Schmerzen in der Brust (20, 37). Zusätzlich zu den Schmerzen können bei der GÖRK z.B. Gedeihstörungen, rezidivierende Aspi- rationspneumonien und chronische Bronchitiden auftreten (37). Eine 24h-pH-Metrie oder eine Impedanzmessung kann eine GÖRK quantifizieren und die Diagnose sichern (71). In den meisten Fällen ist keine Therapie nötig. Die ersten Schritte sind nicht- pharmakologische Therapien, wie z.B. Ernährungsumstellung bei Adipositas bzw. das Andicken von Nahrung bei Säuglingen (37). Bei der pharmakologischen Therapie stellen sich Protonenpumpeninhibitoren gegenüber H2-Antagonisten überlegen dar und sollten daher als Mittel der Wahl eingesetzt werden (37). Aufgrund einer Reizung der Chemore- zeptoren des Larynx sind bei einer GÖRK theoretisch Apnoe möglich. Falls dies auftritt handelt es sich um einen lebensbedrohlichen Zustand und eine absolute Indikation zur operativen Intervention (37). Die Methode der Wahl ist hier eine laparoskopische Fundoplicatio (37, 71). 9
Differenzialdiagnosen des akuten Abdomens Theroretisch sind als Differenzialdiagnose des IGU alle Differenzialdiagnosen des akuten Abdomens möglich. Eine Perforation durch einen Fremdkörper kann zu einem akuten Abdomen führen. Das akute Abdomen beschreibt einen stark schmerzhaften Zustand des Abdomens. Klinisch präsentieren sich Kinder z.B. mit Loslassschmerz im abdomi- nellen Bereich und Spasmen der abdominellen Muskulatur. Die Ursachen für ein akutes Abdomen sind abhängig vom Alter des Kindes. Bei Frühgeborenen die nekrotisierende Enterokolitis, bei Reifgeborenen kongenitale intestinale Obstruktionen, bei Säuglingen z.B eine inguinale Hernie oder ein kompliziertes Meckeldivertikel. Im Säuglingsalter ist die akute Appendizitis noch relativ selten, wird aber ab dem Kleinkindalter zur häufigsten Ursache des akuten Abdomens. Abhängig von der Schmerzlokalisation (ab- dominelle Quadranten) müssen noch weitere Differenzialdiagnosen in Betracht gezogen werden. Hierbei handelt es sich meistens um, die dem Quadranten entsprechende, ana- tomische Lokalisation der Organe und eine zugrunde liegende Pathologie (oben rechts: z.B. Gallenblase, links oben Milz etc.) (5). 1.6 Therapie In der Literatur wird für die allermeisten Fremdkörper ein spontanes Passieren des Gastrointestinaltraktes ohne weitere Folgen beschrieben, daher kann in den meisten Fällen abgewartet werden. Eine Untersuchung des Stuhles des Kindes auf Ausscheidung des Fremdkörpers ist immer durchzuführen. Ca. 80-90 % der IGU, die klinisch relevant werden, passieren den Gastrointestinaltrakt ohne weitere Folgen. 10-20 % benötigen endoskopische Bergung und < 1% eine sofortige notfallmäßige Behandlung (52). Behand- lungspfade sollen ein zielgerichtetes Vorgehen in der Notfallsituation ermöglichen (siehe hierzu Abb. 1) (48, 66). Eine endoskopische Bergung aus dem oberen GI in Vollnarkose bietet, bei Anwendung eines endotrachealen Tubus, einen Schutz vor versehentlichem Aspirieren des Fremdkörpers, wenn er den Oropharynx erreicht hat und vor Aspiration von Mageninhalt, bei den meist nicht nüchternen Patienten (9, 31). In der Literatur werden drei Schlüsselfaktoren beschrieben, die zur Indikationsstel- lung einer endoskopischen Bergung sowie des Zeitpunktes der Bergung herangezogen werden sollten (31): 10
1. Objektart 2. Ort 3. Symptome In Abhängigkeit der oben genannten sowie durch die Hinzunahme der individuellen Anamnese muss für das Kind die geeignete Wahl der Therapie getroffen werden. Münzen Eine asymptomatische Münze im Ösophagus, sollte genauso wie ein symptomatischer Fremdkörper, umgehend entfernt werden. Die ESGE und ESPGHAN empfehlen auch bei asymptomatischen Patienten eine Entfernung der Münze innerhalb von 24 Stunden. Falls das Kind Symptome zeigt, sollte eine notfallmäßige Endoskopie innerhalb von zwei Stunden geplant werden (80). Eine Münze im Ösophagus kann bereits durch die Lufteingabe bei der Bergung weiter nach distal rutschen, sollte aber trotzdem entfernt werden, da in der Regel eine Vollnarkose eingesetzt wurde. Falls dies nicht der Fall ist, wird davon abgeraten, den Fremdkörper in den Magen vorzuschieben, da eine Pathologie distal des Fremdkörpers nicht beurteilt werden kann und die Möglichkeit der iatrogenen Perforation besteht (31). Bei asymptomatischen Patienten nach Münzingestion kann ggfs. bis zur Nüchternheit 12-24 Stunden abgewartet werden (14). Ein asymptomati- scher Patient, der eine gesicherte Münze verschluckt hat, welche im Magen zum Liegen gekommen ist, muss zunächst keiner endoskopischen Behandlung unterzogen werden. Falls der Patient im Verlauf Symptome zeigt, oder die Münze bereits über mehrere Wochen im Magen liegt, ist die Bergung indiziert (31, 80). Knopfbatterien Bereits beim ersten Kontakt der Knopfbatterie mit der Schleimhaut des GI-Traktes ist eine Schädigung dieser möglich. Der wichtigste Pathomechanismus ist die Bildung von Hydroxidionen am negativen Pol der Batterie durch den Stromfluss zum angrenzenden Gewebe. Das Gewebe dient hierbei zum Schluss des Kreises zwischen den zwei Polen der 11
Abbildung 1: Algorithmus Schmid et al. (Schmid M, Posovszky C, Neuwirth F, Galm C und Keck T. Diagnostisches und therapeutisches Vorgehen bei Fremdkörperingestionen im Kindesalter. Laryngo- Rhino-Otologie 2010;89:73–6.)( c Georg Thieme Verlag KG) 12
Batterie. Die Akkumulation der Ionen führt dann zu einer Verflüssigung des Gewebes mit Nekrosenbildung, ähnlich einer Laugenverätzung (29). Bei Batterien im Ösophagus ist eine Bergung innerhalb von 2 Stunden nach Ingestion anzustreben (9, 16, 31, 80). Folgende schwerwiegende Komplikationen sind beschrieben (34): 1. Tod 2. Fistelbildung (Trachea, Aorta, Ösophagus) 3. Perforation 4. Mediastinitis 5. Stimmbandparalyse Die hervorgerufenen Risiken übersteigen hierbei die anästhesiologischen Risiken eines nicht nüchternen Patienten. Batterien im Magen bei asymptomatischem Patienten können zunächst beobachtet werden. In 5 % der Fälle dauert es bis zu einer Woche bis die Batterie auf natürlichem Wege ausgeschieden wird (31). Falls der Patient symptoma- tisch ist, ist eine Bergung der Batterie innerhalb von 2 Stunden indiziert, insbesondere wenn Patienten bereits gastroenterologische Vorerkrankungen (z.B. Motilitätsstörungen) in der Anamnese haben. Bei impaktierten Batterien ist eine endoskopische Therapie unverzüglich durchzuführen. Eine Nüchternheit soll nicht abgewartet werden (21, 80). Bei einzelnen Zylinderbatterien im Magen kann abgewartet und überwacht werden. Magnete Die ESGE und ESPGHAN empfiehlt eine sofortige Bergung aller Magnete, die sich in endoskopischer Reichweite befinden (16, 80). Bei Ingestion mehrerer Magnete können sich diese an unterschiedlichen Orten im Darm befinden. Durch den Magnetismus kann eine Schleifenbildung resultieren. An der Anheftungsstelle der Magnete kommt es dann zu Ischämien und Nekrosen, welche zu Perforationen in beiden Darmanteilen führen können. Häufig treten Symptome dann erst als Resultat der Komplikationen (z.B. akutes Abdomen bei Perforation) auf (15, 13
35). Falls dies der Fall ist, handelt es sich meist um einen chirurgischen Notfall und eine endoskopische Bergung ist nicht mehr möglich (31). Scharfe und spitze Objekte Scharfe und spitze Objekte sollten in jedem Fall, unabhängig vom Ort und falls möglich, innerhalb von 2 Stunden entfernt werden. Dies gilt auch bei asymptomatischen Patienten (9, 31, 80). Säuren- und Laugenverätzung Das akzidentielle Verschlucken von ätzenden Substanzen passiert zu 80 % bei Kindern (1). Eine typische Konstellation, die zu einem Verätzungsereignis führen kann, ist das Brezelbacken mit Oma. Das Kind verwechselt die klare Flüssigkeit mit Wasser und es kommt zum IGU. Die Schwierigkeit bei einem Verdacht auf eine Ingestion einer ätzenden Substanz besteht darin, dass die Anwesenheit oder die Abwesenheit von Symptomen nicht mit dem Schweregrad der Läsionen korreliert (19). In Abhängigkeit des Grades der Ösophagitis wird in der Literatur eine intravenöse, hochdosierte Dexamethasongabe empfohlen. Dies soll die Bildung von Strikturen im Ösophagus verhindern (45, 80). 1.7 Komplikationen Perforationen mit resultierender Mediastinitis, kardialer Tamponade, paraösophagealer Abszesse bis zur aortotracheoösophagealen Fistel und Stimmbandparalyse werden be- schrieben (23, 29). Fremdkörper, die länger als 24 Stunden im Körper bleiben, haben ein 14,1-fach erhöhtes Risiko, Komplikationen hervorzurufen (70). Hierbei sind die Objektgröße und die Zeit der Impaktation (30) jeweils unabhängige Risikofaktoren für die Entwicklung einer Komplikation (23). Wichtig zu beachten ist, dass bei vorliegender vermehrter Salivation und zurückhaltender Indikationsstellung einer endoskopischen Bergung das Risiko einer Aspirationspneumonie besteht (31). Bei einer Perforation 14
im Bereich des Ösophagus ist mit Schwellung des Halses, Krepitationen und Pneu- momediastinum zu rechnen (48). Perforationen sind glücklicherweise selten, bedürfen aber einer prompten Behandlung (57). Eine Beteiligung von angrenzenden Strukturen ist möglich (Nieren, Vena cava). Bei einer Erosion der Wand des GI-Traktes kann es durch Gefäßbeteiligung zu schweren Blutungen kommen. Besonders Batterien können auch nach erfolgter endoskopischer Bergung noch Schaden verursachen. In der Lite- ratur werden Fälle beschrieben, die bis zu 18 Tage nach der Bergung Nachblutungen gezeigt haben. Eine Hämatemesis vor oder nach einer Batteriebergung ist immer ein Warnhinweis (31). Typische Orte für eine Obstruktion durch einen Fremdkörper sind der cricopharyngeale Übergang, das mittlere Drittel des Ösophagus, der untere Öso- phagussphinkter, der Pylorus und die Ileozökalklappe. Insgesamt sind fatale Folgen nach Fremdkörperingestion selten. In den USA werden ca. 1500 Tote nach Fremdkörpe- ringestion pro Jahr beschrieben (48). Verschiedene Fremdkörper (häufiger lange und scharfe, aber auch mehrere Magnete) bergen das Risiko, die Darmwand zu perforieren. Nach einer Perforation präsentiert sich der Patient mit einem akuten Abdomen. Eine genaue Anamneseerhebung ist in diesem Fall unerlässlich, um die verschiedenen Dif- fernetialdiagnosen auszuschließen (siehe auch Abschnitt Differenzialdiagnosen 1.5.) (51). Bei der klinischen Untersuchung ist ein sorgfältiges und vorsichtiges Vorgehen bei Kindern indiziert. Das Ziel ist es, Zeichen einer Peritonitis zu erkennen (Loslassschmerz, Spasmen der abdominellen Muskulatur) und möglichst schmerzarm vorzugehen (49). 1.8 Prognose und Nachsorge In den allermeisten Fällen passieren die verschluckten Gegenstände den GI ohne weitere Folgen (82). Auch Batterien passieren den GI in über 80 % der Fälle ohne Folgen, wenn sie den Magen erreicht haben (31). Fatale Ausgänge bis zum Exitus letalis sind jedoch möglich (83). In der Literatur zeigt sich eine schwache Datenlage in Bezug auf Langzeitkomplikationen und Follow-up Untersuchungen. Bekannt ist, dass 13 % der Patienten, die eine chirurgische Intervention am Ösophagus hatten, im Verlauf einen IGU erleiden (95). Grundsätzlich muss nach erfolgter FK-Bergung in Abhängigkeit der Gesamtsituation entschieden werden, ob die Verlegung auf eine Normalstation möglich oder Intensivstati- on nötig ist (16). Nach Ingestion von ätzenden Substanzen ist die Bildung von Strikturen 15
im Gastrointestinaltrakt möglich, die zur Dysphagie, Nahrungsverweigerung oder Bo- lusereignissen führen können. Deshalb ist eine Verlaufskontrolle notwendig (29, 80). Nach komplizierten Fällen mit impaktierten FK sind ebenfalls Strikturen mit der Notwendigkeit von Bougierungen oder Ballondilatationen möglich. Bei frustraner Strik- turbehandlung kann Mitomycin C zur Anwendung kommen, um eine erneute Striktur zu verhindern (78). Es kann die Häufigkeit sowie die Frequenz der nötigen Dilationen des Ösophagus reduzieren (22). Mitomycin C zeigt sich gegenüber intraläsionaler Corti- costeroidgaben überlegen (45). Nachblutungen nach Batterieingestion sind möglich und müssen überwacht werden (31). Falls keine Bergung indiziert oder möglich war, muss das Ausscheiden auf natürlichem Wege abgewartet werden. Hierfür ist die Mitarbeit der Eltern gefragt und der Stuhl des Kindes muss auf den Fremdkörper untersucht werden. Alternativ können bei röntgendichten FK auch die Windeln geröntgt werden. 1.9 Fragestellung Bei Ingestionsunfällen besteht die Möglichkeit von Komplikationen und einem tödlichen Ausgang (83). Eine sichere Diagnosestellung und ein klares Vorgehen ist zur Vermeidung von schwerwiegenden Komplikationen unerlässlich. Leider ist die Datenlage hierzu im Kindesalter unzureichend und das Vorgehen ist regional unterschiedlich (66). Ziel dieser Studie war es, weitere Daten über einen längeren Zeitraum zu erheben, in dem auch ein eigener hausinterner Standard implementiert wurde, um akutelle Behandlungspfade kritisch zu prüfen. Aufgearbeitet wurde wie häufig sich IGU an der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin Ulm zeigen. Wie stellen sich die Häufigkeiten unterschiedli- cher Fremdkörperarten dar? Wie stellen sich Symptomhäufigkeiten und Ausprägungen dar? Gibt es Trends im Verlauf der Jahre? Welche Diagnostik kommt zum Einsatz und ist diese gerechtfertigt? Gibt es Spätkomplikationen nach IGU? 16
2 Material und Methoden 2.1 Studiendesign Es handelte sich um eine monozentrisch retrospektive Studie. In der Folge wurden mittels Fragebogen Spätfolgen selektierter Fälle erfasst. Siehe hierzu auch (Abb. 2). 2.2 Datenerhebung der retrospektiven Analyse 2.2.1 Beschreibung der Erhebung Aus dem Klinikinformationssystem wurden 2427 Fälle mit den Angaben Fallnummer, Falldatum, Fallart, fachliche Organisationseinheit, pflegerische Organisationseinheit, Diagnoseschlüssel und der dazugehörige Diagnosetext erhoben. Die Daten wurden in das Tabellenkalkulationsprogramm Microsoft Excel 2016 eingegeben. Es wurden doppelte Fälle selektiert und ausgeschlossen. Anhand der Fallnummer wurde die digitalisierte (i.s.h.med Klinisches System) Patientenakte für jeden Fall aufgerufen. Es erfolgte eine Durchsicht des Falles in Bezug auf das Falldatum. Fälle, die keine Ingestion beschrie- ben, wurden ausgeschlossen. Fälle, die einen IGU beschrieben, wurden in die Studie eingeschlossen und folgende Parameter erhoben: Geburtsdatum, Alter bei Falldatum, Geschlecht, Entlassdatum, stationärer Aufenthalt in Tagen, Objekt, Objektdifferenzie- rung (Festkörper, Flüssigkeit, Sonstige, Anorganisch, Organisch, Größe, röntgendicht), Symptome (Husten, Würgen/Erbrechen, Dysphagie, Speicheln, Schmerzen, Sonstige), diagnostische Endoskopie, Bildgebung (RTX, Röntgenabdomen, Ösophagusbreischluck, Ultraschall, CT, Magnetresonanztomographie), Therapie (Invasivität, Bergung), Lagean- gaben (vor oder nach Flexura duodenojejunalis), Dauer bis Vorstellung bzw. Bergung (weniger oder mehr als 24 Stunden), Ortung, Komplikationen (kleinere Verletzungen, Nekrosen, Perforationen, Fisteln, Entzündungen (Ösophagitis, Mediastinitis, Gastritis), Verätzungen, Fieber, Sonstige, Tod), Komorbiditäten (Ösophagusatresie, EoE, geistige Retardierung, Kinder- und Jugendpysichiatrische Erkrankung, Sonstige (Infekt der oberen Luftwege, kardiologische Erkrankungen etc.)). Hilfestellung bot hierbei der bereits bestehende Algorithmus der Kinder- und Jugendmedizin der Universitätsklinik Ulm für das Management eines akuten IGU (Abb. 1). 17
Abbildung 2: Flowchart (eigene Darstellung) 18
2.2.2 Zuordnung zu Objektgruppen Die dokumentierten Objekte wurden 20 verschiedenen Gruppen zugeordnet (Münze, metallische Objekte, Reiniger/Tenside, Plastik, Medikament, Glas, keine Angaben zum Objekt, Knopfbatterie, Nahrungsmittel, Pflanze, Zigarette, Säure, Öl, Stein, Magnet, Batterie, Holz, Lauge, Papier, Körperteil). Bei der Auswertung der einzelnen Kategorien wurde die Top 10 isoliert betrachtet und die Objektgruppe bei denen keine Angaben zum Objekt erhoben werden konnte (n=65) ausgeschlossen. Hieraus resultierten die Top 9. 1. Münzen 2. metallischer Gegenstand (Nadeln, Nägel etc.) 3. Reiniger/Tenside (Alkohole, Spülmaschinenreinger, Nagellack, Grillanzünder, Frostschutzmittel etc.) 4. Plastik (Lollistiele, Plastikspielzeug) 5. Medikamente (Tabletten) 6. Glas 7. Knopfbatterie 8. Nahrungsmittel (Wurst, Obst etc.) 9. Pflanzen (Blätter etc.) 2.2.3 Einschlusskriterien Von 2427 Fällen wurden 1199 Fälle mit folgenden International classification of diseases- 10 (German Modification) (ICD-10 GM) Diagnosen aus der Datenbank der Kinderklinik des Universitätsklinikums Ulm im Alter von 0 bis 17 Jahren und im Zeitraum von 2005 bis 2017 in die Auswertung eingeschlossen. 19
K22.1 Ösophagusulkus K22.3 Perforation des Ösophagus T18.0 Fremdkörper im Mund T18.1 Fremdkörper im Ösophagus T18.2 Fremdkörper im Magen T18.3 Fremdkörper im Dünndarm T18.4 Fremdkörper im Dickdarm T18.5 Fremdkörper im Anus/Rectum T18.9 Fremdkörper im Verdauungstrakt, Teil nicht näher bezeichnet T28.6 Verätzung des Ösophagus T30.4 Verätzung nicht näher bezeichneten Grades, Körperregion nicht näher be- zeichnet T52.0 Halogenierte aliphatische und aromatische Kohlenwasserstoffe T55 Toxische Wirkung von Seifen und Detergenzien T60.8 Toxische Wirkung von Schädlingsbekämpfungsmitteln [Pestiziden] Sonstige Schädlingsbekämpfungsmittel T62.0 Toxische Wirkung sonstiger schädlicher Substanzen, die mit der Nahrung aufgenommen wurden, Verzehrte Pilze T62.1 Toxische Wirkung sonstiger schädlicher Substanzen, die mit der Nahrung aufgenommen wurden, Verzehrte Beeren T65.8 Toxische Wirkung sonstiger und nicht näher bezeichneter Substanzen T65.9 Toxische Wirkung einer nicht näher bezeichneten Substanz 2.3 Erhebung von Spätfolgen Es handelte sich um eine fragenbogenbasierte selektive retrospektive Datenerhebung. Anhand der erhobenen Daten der retrospektiven Analyse wurden einzelne Fälle für die Erfassung der Spätfolgen selektiert. Folgende Fälle wurden eingeschlossen: Fälle, die länger als zwei Tage stationär waren; alle Fälle, bei denen eine Knopfbatterie verschluckt 20
wurde; alle Fälle, bei denen ein spitzer Gegenstand verschluckt wurde; alle Fälle, mit Lauge- bzw. Säureingestion; alle Fälle mit multiplen Magneten. Insgesamt wurden 255 Fälle für die Erfassung von Spätfolgen selektiert. Es wurden geeignete Informationsschreiben für Kinder und Eltern erstellt. Ein Fra- gebogen wurde zur Erfassung der Spätfolgen konzipiert (siehe Anhang Fragebogen- Ingestion). Alle Informationsschreiben sowie der Fragebogen wurden zusammen mit einem Einladungsschreiben und einer Einwilligung zur Teilnahme an der Studie an die selektierten Patienten und deren Familien versandt. Drei Monate waren als Zeitraum für die Beantwortung der Fragebögen festgelegt worden. Nach Ablauf der Frist erfolgte eine Auswertung der Fragebögen. Dies geschah vollständig anonymisiert. Jeder Fragebogen erhielt eine spezifische Verschlüsselungsnummer. 2.4 Ethikvotum Zu Beginn der Studie lag die positive Bewertung der Ethikkommission der Universität Ulm durch das Schreiben vom 08.12.2017 (Aktenzeichen: 399/17 - FSt/Sta) vor. 2.5 Statistik Die Analyse der Daten erfolgte über das Tabellenkalkulationsprogramm Microsoft Excel 2016 sowie über das Statistikprogramm von IBM, SPSS (Statistical Package for Social Sciences; Version 26). Zur Beschreibung der Daten des retrospektiven Datensatzes und des Datensatzes der Fragebögen wurden der Mittelwert, der Median, die Standardab- weichung, das Maximum, das Minimum, die Spannweite sowie die relativen und die absoluten Häufigkeiten verwendet. Eine induktive statistische Auswertung der nominalen Daten erfolgte mittels eines Chi-Quadrat Tests. Hierdurch konnten in geeigneten Fällen die Odds-Ratio berechnet werden. Zur genaueren Analyse bei mehreren Stichproben wurde die Effektstärke berechnet. Diese wurde mittels Phi bzw. w sowie Cramer V berechnet. Die erhaltenen Effektstärken wurden schließlich an den Effektstärkengrenzen von Cohen (1988) gespiegelt (w = 0,1-0,3 schwache Effektstärke, w = 0,3-0,5 mittlere Effektstärke, w größer als 0,5 starke Effektstärke). Zur Analyse einer Zunahme der Fälle wurde eine lineare Re- gressionsanalyse und das Bestimmtheitsmaß eingesetzt. Für parametrische Daten bei 21
zwei unabhängigen Stichproben wurden T-Tests zur Überprüfung der Signifikanzen durchgeführt. Für eine Auswertung parametrischer Daten mehrerer Stichproben kam der Kruskal-Wallis-Test zum Einsatz. Eine post-hoc Analyse parametrischer Daten bei mehreren Stichproben erfolgte über den Vergleich der einzelnen Signifikanzen von jeweils zwei gegenübergestellten Stichproben. Die Ergebnisse der Auswertungen wur- den in geeigneter Weise graphisch und tabellarisch dargestellt. Bei der statistischen Auswertung der Fragebögen wurde zum Teil aufgrund der geringen Fallzahlen auf eine Bestimmung der relativen Häufigkeiten verzichtet. 22
3 Ergebnisse 3.1 Ergebnisse der retrospektiven Datenerhebung 3.1.1 Patientenkollektiv Die Ergebnisse der Auswertung stellen sich wie folgt dar: 1199 Kinder und Jugendliche wurden in die Auswertung einbezogen. 641 (53,5 %) Patienten waren männlich, 558 (46,5 %) waren weiblich. Hieraus ergibt sich ein Verhältnis von männlich zu weiblich von 1,15:1. Die einzelnen Fallzahlen der Jahre 2005-2017 sind in Abb. 3 graphisch dargestellt (Bestimmtheitsmaß (R2) = 0,79; p = 0,000054). Ca. 92 Fälle pro Jahr (Minimum 41; Maximum 137; Durchschnitt 92,23 Fälle; Median 92,00; Standardabweichung (SD) 33,36; Range (R) 96,00). 23
Abbildung 3: Ingestionsunfälle gesamt (schwarze durchgezogene Linie) pro Jahr und lineare Trendlinie (schwarz gepunktete Linie) sowie stationäre Ingestionsunfälle (graue gestrichelte Linie) pro Jahr an der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin des Universitätsklinikums Ulm (2005-2017) (Diese Abbildung wurde übersetzt und abgeändert aus 72 Creative Commons Attribution 4.0 International License http://creativecommons.org/licenses/by/4.0) Die Kinder waren 7 Tage bis 16 Jahre alt (Durchschnitt 3,3 Jahre; Median 2,23;SD 3,12;R 16,97). (Die hier beschriebenen Daten wurden bereits in 72 veröffentlicht Creative Commons Attribution 4.0 International License http://creativecommons.org/licenses/ by/4.0). Die Altersdurchschnitte der einzelnen Jahre sind Abb. 4 zu entnehmen. 24
Abbildung 4: Altersdurchschnitt (schwarze durchgezogene Linie) und lineare Trendlinie (schwarze gepunktete Linie), Altersminimum (schwarze gestrichelte Linie) und Altersmaximum (graue gestrichelte Linie) der Patienten mit Fremdkörperingestion an der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin des Universitätsklinikums Ulm (2005-2017) (Diese Abbildung wurde übersetzt und abgeändert aus 72 Creative Commons Attribution 4.0 International License http://creativecommons.org/licenses/by/4.0) Eine Bezugnahme auf die Gesamtzahl der ambulanten Vorstellungen der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin des Universitätsklinikums Ulm ist Abb. 5 zu entnehmen (R2 = 0,83 p = 0,001). 25
Abbildung 5: Anteil der Ingestionsunfälle (schwarze durchgezogene Linie) pro Jahr und lineare Trendlinie (schwarze gepunktete Linie) in Bezug auf die Gesamtzahl der ambulanten Vorstellung an der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin des Universitätsklinikums Ulm (2009-2017) (Diese Abbildung wurde übersetzt und abgeändert aus 72 Creative Commons Attribution 4.0 International License http://creativecommons.org/licenses/by/4.0) 194 (16,2%) der Kinder wurden stationär aufgenommen. Ca. 15 Fällen pro Jahr (Minimum 7; Maximum 23; Durchschnitt 14,92 Fälle; Median 16,00; SD 5,02; R 16,00) Die angegebenen Fälle waren inklusive Aufnahmetag ein bis 27 Tage stationär (Durch- schnitt 2,99 Tage Median 2,00; SD 3,41; R 27). 1102 (91,9 %) der Patienten stellten sich innerhalb von 24 Stunden nach einem Ereignis bzw. dem Verdacht auf ein Ereignis in der Klinik vor. Respektive 97 (8,1 %) nach mehr als 24 Stunden. Komorbiditäten bestanden bei 127 (10,6 %) der Fälle. Davon hatten (Mehrfachnennungen pro waren möglich) 16 (12,6 %) Psychiatrische Erkrankungen, 13 (10,2 %) geistige Retardierungen, 2 Fälle eine eosinophile Ösophagitis, 7 (5,5 %) Fälle eine Ösophagusatresie und 101 Patienten (79,5 %) sonstige (z.B. kardial, pulmonal o.ä.) Erkrankungen. (Die hier beschriebenen Daten wurden bereits in 72 veröffentlicht Creative Commons Attribution 4.0 International 26
License http://creativecommons.org/licenses/by/4.0). Jungen waren null bis 16 Jahre (Durchschnitt 3,17; Median 2,31; SD 2,76; R 16,93) alt, Mädchen waren null bis 16 Jahre (Durchschnitt 3,45; Median 2,17; SD 3,48; R 16,81) alt. Zum Vergleich des Alters von Jungen und Mädchen wurde ein T-Test für unabhängigen Stichproben durchgeführt. Der Unterschied war nicht signifikant (T-Wert (T) 1,517; Freiheitsgrade (df) 1059,341; p > 0,05). Jungen waren ein bis 27 Tage (Durchschnitt 3,02; Median 2,0; SD 3,56; R 26) stationär, Mädchen ein bis 19 Tage (Durchschnitt 2,96; Median 2,0; SD 3,23; R 18) stationär. Auch hier waren die Unterschiede nicht signifikant (T 0,109; df 192; p > 0,05). 3.1.2 Ingestierte Fremdkörper Es wurden 921 (76,8 %) Festkörper und 151 (12,6 %) Flüssigkeiten ingestiert. Bei 67 (5,6 %) der Fälle wurden sonstige Angaben (z.B. Schwämme, Blätter o.ä.) gemacht. Bei 60 (5 %) konnten keine Angaben in Bezug auf Festkörper/Flüssigkeit/Sonstige erhoben werden. Anorganische Objekte wurden in 1018 (84,9 %) der Fälle verschluckt, demgegenüber standen 119 (9,9 %) organisch ingestierte Objekte. Bei 62 (5,2 %) konnten keine Angaben in Bezug auf anorganisch/organisch erhoben werden. 126 Patienten (10,5 %) verschluckten einen spitzen Gegenstand. 571 (47,6 %) der Patienten verschluckten einen röntgendichten, 580 (48,4 %) einen nicht röntgendichten Gegenstand. Bei 53 (4,4 %) konnten keine Angaben zur Röntgendichte erhoben werden. Eine gruppierte Darstellung der ingestierten Objekte findet sich in Tabelle 1 und Tabelle 2 für die Verteilung der stationären Fälle. 27
Tabelle 1: Verteilung ingestierter Objekte ambulante und stationäre Fälle an der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin des Universitätsklinikums Ulm (2005-2017) (Diese Tabelle wurde übersetzt und abgeändert aus 72 Creative Commons Attribution 4.0 International License http://creativecommons. org/licenses/by/4.0) Objekt Häufigkeit (n) Prozent (%) Münze 226 18,8 metallische Objekte 197 16,4 Reiniger/Tenside 148 12,3 Plastik 107 8,9 Medikament 99 8,3 Glas 74 6,2 keine Angaben 65 5,4 Knopfbatterie 63 5,3 Nahrungsmittel 57 4,8 Pflanze 33 2,8 Zigarette 25 2,1 Säure 20 1,7 Öl 18 1,5 Stein 16 1,3 Magnet 15 1,3 Batterie 14 1,2 Holz 11 0,9 Lauge 7 0,6 Papier 2 0,2 Körperteil 2 0,2 Gesamt 1199 100 28
Tabelle 2: Verteilung ingestierter Objekte stationäre Fälle an der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin des Universitätsklinikums Ulm (2005-2017) (Diese Tabelle wurde übersetzt und abgeändert aus 72 Creative Commons Attribution 4.0 International License http://creativecommons.org/licenses/by/4.0) Objekt Häufigkeit (n) Prozent (%) Münze 50 25,8 metallische Objekte 30 15,5 Knopfbatterie 24 12,4 Nahrungsmittel 24 12,4 Plastik 21 10,8 Glas 9 4,6 Medikament 7 3,6 Lauge 5 2,6 Öl 5 2,6 Magnet 4 2,1 Pflanze 3 1,5 Zigarette 2 1,0 Holz 1 0,5 keine Angaben 1 0,5 Gesamt 194 100 Ein signifikanter Unterschied ergab sich bei der Betrachtung der Objektausprägung. Es zeigt sich, dass Mädchen signifikant häufiger einen röntgendichten Gegenstand verschlucken, Mädchen n=305, Jungen n=270 (df=1; p=0,000015). Ebenso wird deutlich, dass Mädchen signifikant häufiger einen spitzen Gegenstand verschlucken, Jungen n=45, Mädchen n=81 (df=1; p=0,000024). (Die hier beschriebenen Daten wurden bereits in 72 veröffentlicht Creative Commons Attribution 4.0 International License http://creativecommons.org/licenses/by/4.0). 3.1.3 Symptomatik In Bezug auf die symptomatischen Ausprägungen wurden folgende Angaben erhoben: 619 (51,6 %) der Patienten zeigen sich asymptomatisch, 580 (48,4 %) symptomatisch. 29
Bei 152 (12,7 %) wurde Husten angegeben. Bei 244 (20,4 %) wurde Würgen, Erbrechen, bei 44 (3,7 %) Speicheln, bei 133 (11,1 %) Schmerzen und bei 225 (18,8 %) der Fälle wurden sonstige Angaben (z.B. Globusgefühl, Trink-/Essverweigerung) dokumentiert. Insgesamt zeigt sich eine respiratorische Symptomatik (inkl. Husten) in 193 (33,3 %) Fällen. Tabelle 3 zeigt die Symptomhäufigkeiten tabellarisch. Mehrfachnennungen von Symptomen waren pro einzelnem Fall möglich. Für eine genaue Aufschlüsselung der sonstigen Angaben siehe Tabelle 4. (Die hier beschriebenen Daten wurden bereits in 72 veröffentlicht Creative Commons Attribution 4.0 International License http: //creativecommons.org/licenses/by/4.0). Tabelle 3: Symptomatische Ausprägung bei Ingestionsunfällen an der Klinik für Kinder- und Jugendme- dizin des Universitätsklinikums Ulm (2005-2017) (Diese Tabelle wurde übersetzt und abgeändert aus 72 Creative Commons Attribution 4.0 International License http://creativecommons.org/licenses/by/4.0) Symptom Häufigkeit (n) Prozent (%) Würgen 244 29,5 Sonstige (z.B. Globusgefühl) 225 27,2 Husten 152 18,4 Schmerzen 133 16,1 Speicheln 44 5,3 Dysphagie 30 3,6 Gesamt 828 100 30
Tabelle 4: Verteilung der symptomatische Ausprägung Sonstige bei Ingestionsunfällen an der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin des Universitätsklinikums Ulm (2005-2017) Symptom Häufigkeit (n) Prozent (%) verändertes/auffälliges Verhalten 63 28,0 Unspezifisch (z.B. Juckreiz) 52 23,1 respiratorisch (z.B. Dyspnoe) 41 18,2 Trink-/Essverweigerung 20 8,9 Globusgefühl 20 8,9 gastrointestinal (z.B. Diarrhö) 18 8,0 Blutungen 11 4,9 Gesamt 225 100 Falls der Fremdkörper nach der Flexura duodenojejunalis zum Liegen kam, zeigte sich eine Symptomatik seltener als bei einer Lage vor der Flexura duodenojejunalis ([odds ratio (OR)] 0,44 [95% Konfidenzintervall (CI), 0,29-0,68], p < 0,05). Tabelle 5 zeigt die Auswertung in Bezug auf die verschiedenen Symptomausprägungen. Hierbei wurden nur Fälle eingeschlossen, bei denen die Lage sicher zu bestimmen war (n=393). Bei einer auf den Ösophagus und dessen Codierung bezogene Auswertung (T18.1, K22.1, K22.3, T28.6) zeigen sich die Patienten in 83,9 % symptomatisch. In der Gruppe der anderen ICD-10 GM Diagnosen (T18.9 etc. siehe Abschnitt Material und Methoden) zeigen die Patienten in 44,5 % Symptome, dieser Unterschied war signifikant (p= 4, 2 · 10−16 ). (Die hier beschriebenen Daten wurden bereits in 72 veröffentlicht Creative Commons Attribution 4.0 International License http://creativecommons.org/licenses/by/4.0). 31
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