Tagungsband Von der Forschung zur Praxis Erweiterung der Möglichkeiten im modernen Holzbau - Erdbebensicherheit und Brettsperrholz - Mai 2021

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Tagungsband Von der Forschung zur Praxis Erweiterung der Möglichkeiten im modernen Holzbau - Erdbebensicherheit und Brettsperrholz - Mai 2021
Tagungsband
Von der Forschung zur Praxis
Erweiterung der Möglichkeiten
im modernen Holzbau
– Erdbebensicherheit und
Brettsperrholz
Mai 2021
Tagungsband Von der Forschung zur Praxis Erweiterung der Möglichkeiten im modernen Holzbau - Erdbebensicherheit und Brettsperrholz - Mai 2021
Tagungsband Von der Forschung zur Praxis Erweiterung der Möglichkeiten im modernen Holzbau - Erdbebensicherheit und Brettsperrholz - Mai 2021
Von der Forschung zur Praxis:
Erweiterung der Möglichkeiten im modernen Holzbau
 - Erdbeben und Brettsperrholz

 S-WIN Tagung
 S-WIN Swiss Wood Innovation Network
 26. Mai 2021 in Biel/Bienne, Berner Fachhochschule

 S-WIN
Tagungsband Von der Forschung zur Praxis Erweiterung der Möglichkeiten im modernen Holzbau - Erdbebensicherheit und Brettsperrholz - Mai 2021
ISBN 978-906703-57-2

S-WIN
Swiss Wood Innovation Network

SWIN Tagung 2021
Von der Forschung zur Praxis

 Autoren
 Dr. Andrea Bernasconi
 Reto Fahrni
 Lukas Furrer
 Martin Geiser
 Michael Klippel
 Dr. Pierino Lestuzzi
 Urs Oberbach

 Kursleitung
 Prof. Andreas Müller
 Dr. Bettina Franke

Organisation
S-WIN Geschäftsstelle

Umschlag
Gestaltung: HugoTotal Grafikbüro GmbH, Emmenbrücke

Bilder: Berner Fachhochschule - AHB

Copyright © 2021 by S-WIN und Autorinnen und Autoren
Alle Rechte, auch das des auszugsweisen Nachdruckes, der auszugsweisen oder vollständigen Wiedergabe,
der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen und das der Übersetzung, sind vorbehalten
S-WIN Swiss Wood Innovation Network
c/o Lignum, Holzwirtschaft Schweiz, Mühlebachstrasse 8, CH-8008 Zürich
www.s-win.ch E-mail: info@s-win.ch
Tagungsband Von der Forschung zur Praxis Erweiterung der Möglichkeiten im modernen Holzbau - Erdbebensicherheit und Brettsperrholz - Mai 2021
S-WIN-Tagung 2021
 Von der Forschung zur Praxis

Von der Forschung zur Praxis:
Erweiterung der Möglichkeiten im modernen Holzbau -
Erdbeben und Brettsperrholz
Die S-WIN Tagung «Von der Forschung zur Praxis» findet im Wechsel an der ETH Zürich und an der
Berner Fachhochschule in Biel statt. Ziel der Tagung ist die Vorstellung und Diskussion von
umsetzbaren Erkenntnissen und Resultaten aus aktuellen Forschungsaktivitäten.
Die Tagung richtet den Fokus auf den konstruktiven Holzbau. An der diesjährigen Veranstaltung
stehen die Themen Erdbebeningenieurwesen und Brettsperrholz aus Schweizer Holz im Mittelpunkt
für den modernen Holzbau. Beginnend mit Neuerungen in der Norm zu den Einwirkungen infolge
Erdbeben werden die dynamischen Eigenschaften von Holzrahmenbauten wie auch Ergebnisse für
die Detailausbildung und Verankerung vorgestellt. Der Fokus liegt hier auf hochduktilen Anschlüssen,
die durch eine konkrete Materialwahl und genauen Kenntnissen zum Festigkeitsverhalten zu einer
effektiven Leistungsfähigkeit in der Tragwerkshierarchie führen können.
Im Themenpunkt Brettsperrholz werden nach den erweiterten allgemeinen Grundlagen zur
Bemessung von Brettsperrholz auch die Bemessungssituation Erdbeben und neue Erkenntnisse zum
Brandverhalten präsentiert. Es wird gezeigt, dass es für Brettsperrholz nötig ist eine Unterscheidung
nach der Belastungsrichtung vorzunehmen, da die temperaturabhängige Festigkeitsabminderung auf
Zug und Druck nicht identisch ist. Weiter unterscheiden sich die Festigkeits- und Steifigkeitsab-
minderungen, was dazu führt, dass für knickgefährdete Bauteile wie unter anderem Wände andere
Werte im Nachweis berücksichtigt werden müssen.
Die Tagung stellt die wesentlichen Resultate und Erkenntnisse der zwei Forschungsthemen für die
Praxis vor. Unser ausführlicher Dank gilt an dieser Stelle allen Referierenden, die zur Mitgestaltung
der Veranstaltung und des Tagungsbandes beigetragen haben.

Prof. Andreas Müller und Dr. Bettina Franke
Institut für Holzbau, Tragwerke und Architektur
Berner Fachhochschule, Biel/Bienne

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Tagungsband Von der Forschung zur Praxis Erweiterung der Möglichkeiten im modernen Holzbau - Erdbebensicherheit und Brettsperrholz - Mai 2021
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S-WIN-Tagung 2021
 Von der Forschung zur Praxis

Inhaltsverzeichnis

Neuerungen in der Norm SIA 261 bei den Einwirkungen infolge Erdbeben 7
Dr. Pierino Lestuzzi

Dynamische Eigenschaften von Holzrahmenbauten: Experiment und Simulation im 15
Vergleich
Urs Oberbach, Prof. Martin Geiser

Einfluss der Stahlqualität und der Detailausbildung auf die Duktilität von 27
Stahl-Holz-Stabdübelverbindungen
Lukas Furrer, Prof. Martin Geiser

Hochduktile Verankerungen für den Holzbau 39
Prof. Martin Geiser, Kylian Maître

Grundlagen der Bemessung von Brettsperrholz 51
Prof. Dr. Andrea Bernasconi

Neue Erkenntnisse zum Brandverhalten von Brettsperrholz 61
Reto Fahrni, Michael Klippel

Besonderheiten der Bemessungssituation Erdbeben für die Brettsperrholzbauweise 71
Prof. Martin Geiser

Autorenverzeichnis 79

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Tagungsband Von der Forschung zur Praxis Erweiterung der Möglichkeiten im modernen Holzbau - Erdbebensicherheit und Brettsperrholz - Mai 2021
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S-WIN-Tagung 2021
 Von der Forschung zur Praxis

Neuerungen in der Norm SIA 261 bei den Einwirkungen
infolge Erdbeben

Dr. Pierino Lestuzzi
ENAC-IIC-EESD, EPFL und Kurmann Cretton Ingénieurs SA, Monthey

1 EINLEITUNG

Die Revision der Norm SIA 261 wurde am 1. August 2020 publiziert und in Kraft gesetzt. Die erkannten
Fehler redaktioneller und technischer Art wurden korrigiert und der Text auf den aktuellen Stand der
Technik gebracht. Basierend auf dem neuen Erdbebengefährdungsmodell 2015 des Schweizerischen
Erdbebendienstes (SED) [Wiemer et al., 2016] wurde vor allem das Kapitel 16 Erdbeben revidiert. Die
wichtigsten Änderungen betreffen die Bestimmung der Erdbebeneinwirkung mit einer neuen Karte der
Erdbebenzonen mit fünf Erdbebenzonen und neue elastische Antwortspektren für die verschiedenen
Baugrundklassen. Die Bedeutungsbeiwerte für den Nachweis der Tragsicherheit und der
Gebrauchstauglichkeit der Bauwerksklasse III (lebenswichtige Infrastrukturfunktion) wurden ebenfalls
angepasst.

 Abb. 1: Erdbebengefährdung der Schweiz gemäss SED Studie 2015

Die Normkommission SIA 261 hatte im 2016, entschieden die Erdbebenbestimmung der Norm SIA 261
nicht gleich zu revidieren. Es wurde festgelegt auf genügend Informationen bezüglich der Revision der
Eurocode 8 Antwortspektren abzuwarten, um die neue SED-Erdbebengefährdung gleichzeitig mit den
neuen spektralen EC8-Formen einzuführen [AG SIA 261, 2019]. Deswegen wurde die Revision der
Norm SIA 261 erst im 2020 publiziert.

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Von der Forschung zur Praxis

2 ÄNDERUNGEN IN DER NORM SIA 261

2.1 Erdbebenzonen

Die bedeutendste Änderung der Revision der Norm SIA 261 in 2020 ist die Einführung der neuen
Erdbebenzone Z1b mit einem Bemessungswert der horizontalen Bodenbeschleunigung von 0.8 m/s2,
d. h. genau zwischen denjenigen für Erdbebenzone Z1 (jetzt Z1a bezeichnet) und für Erdbebenzone
Z2. Mit der Norm SIA 261 entsteht nun eine neue Karte der Erdbebenzonen mit fünf Erdbebenzonen
(https://map.geo.admin.ch) für die Bestimmung der Erdbebeneinwirkung.

Tab. 1: Erdbebenzonen und Bemessungswerte der horizontalen Bodenbeschleunigung

 Zone agd [m/s2]
 Z1a 0.6
 Z1b 0.8
 Z2 1.0
 Z3a 1.3
 Z3b 1.6

Es gibt aber ebenfalls Anpassungen der Grenzen der übrigen Erdbebenzonen. Die Zonenverteilungen
werden präzisiert. Dank der Einführung der Erdbebenzone Z1b werden die Zonenübergänge
grundsätzlich sanfter und logischer verbessert. Es gibt zum Beispiel keinen plötzlichen Sprung von
Erdbebenzone Z3b zu Erdbebenzone Z1 mehr (damals an der Grenze Oberwallis-Tessin).

Zum Beispiel für den Kanton Waadt, wird die Erbebenzonen Z3b an dem südlichen Ende des Kantons
eingeführt. Die Gemeinden von Bex und Lavey sind vor allem betroffen. Es stimmt jetzt besser mit den
Bedingungen am Ufer der Rhone der Walliser Seite überein. Mit der Revision der Norm SIA 261 in 2020
enthält deswegen das Hoheitsgebiet des Kantons Waadt sämtliche Erdbebenzonen. Dasselbe
geschieht mit dem Kanton Bern. Im Kanton Wallis werden sich die Anpassungen im Oberwallis befinden
und gegebenenfalls systematisch gegen einer (sogar zwei) Erdbebenzone niedriger. Die Erdbebenzone
Z3a verbreitet sich nun zu der italienischen Grenze und enthält zum Beispiel Zermatt und Saas-Fee.
Das östliche Ende des Kantons wird in niedrigeren Erdbebenzonen eingestuft. Münster befindet sich in
Erdbebenzone Z2 und Oberwald fällt sogar in Erdbebenzone Z1b.

 Abb. 2: Erdbebenzonenkarte der Norm SIA 261 (2014)

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 Von der Forschung zur Praxis

 Abb. 3: Erdbebenzonenkarte der Norm SIA 261 (2020)

2.2 Elastische Antwortspektren

Die elastischen Antwortspektren der verschiedenen Baugrundklassen A bis E werden beträchtlich
geändert, um am besten mit denjenigen der zukünftigen Revision der EC8 kompatibel zu sein. Die
entsprechenden Gleichungen der Definition der elastischen Antwortspektren bleiben unverändert. Die
Modifikationen wurden durch die Anpassung der Parameterwerte eingeführt.

Tab. 2: Baugrundklassen und Parameterwerte für das elastische Antwortspektrum

 Baugrundklasse S [-] TB [s] TC [s] TD [s]
 A 1.00 0.07 0.25 2.0
 B 1.20 0.08 0.35 2.0
 C 1.45 0.10 0.40 2.0
 D 1.70 0.10 0.50 2.0
 E 1.70 0.09 0.25 2.0

Im Vergleich zu denjenigen der vorigen Version der Norm SIA 261 (2014) werden die Antwortspektren
grundsätzlich mit einem höheren aber schmäleren Plateau gekennzeichnet. Infolge dessen ist die
übliche Empfehlung der Anwendung des Plateauwertes für eine Vorbemessung auch bei niedrigen
Erdbebenzonen eigentlich nicht mehr relevant. Ausser beim Plateau werden aber die Antwortspektren
ab einer bestimmten Schwingzeit günstiger als diejenige der vorigen Version der Norm SIA 261 (2014).
Die spektakulärste Auswirkung liegt bei Baugrundklassen A und E. Die entsprechenden
Antwortspektren werden schon ab einer Schwingzeit von ca. 0.33 s günstiger. Die Vergünstigung wird
sogar so gross sein, dass auch mit einer Erhöhung der Erdbebenzone von Z1 (Z1a) zu Z1b ab einer
Schwingzeit von ca. 0.4 s werden sich die Erdbebeneinwirkungen um ca. 20% günstiger als diejenigen
der vorigen Version der Norm SIA 261 (2014) auswirken.

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S-WIN-Tagung 2021 P. Lestuzzi
Von der Forschung zur Praxis

 Abb. 4: Elastische Antwortspektren der Baugrundklassen A bis E, anhand SIA 261 2020 und 2014,
 für die Erdbebenzone Z2 (agd = 1.0 m/s2).

 Abb. 5: Elastische Antwortspektren der Baugrundklassen A und E für Erdbebenzonen Z1 und Z1b.

3 BEDEUTUNGSBEIWERTE FÜR BWK III

3.1 Anpassung

Die Bedeutungsbeiwerte für den Nachweis der Tragsicherheit und der Gebrauchstauglichkeit der
Bauwerksklasse III (lebenswichtige Infrastrukturfunktion) werden angepasst. Die Bedeutungsbeiwerte
für den Nachweis der Tragsicherheit der übrigen Bauwerksklasse bleiben unverändert.

Der Bedeutungsbeiwert für den Nachweis der Tragsicherheit wird leicht erhöht (1.5 anstatt 1.4) um eine
logischere Abstufung der zu berücksichtigten Erdbebeneinwirkungen bei den verschiedenen
Bauwerksklassen zu erzielen. Der Bedeutungsbeiwert für den Nachweis der Gebrauchstauglichkeit wird
ebenfalls auf γf = 1.0 erhöht. Diese Erhöhung soll mit dem eigentlichen damaligen Beiwert der vorigen
Version der Norm SIA 261 (2014), d. h. 0.7=0.5·1.4, betrachtet werden. Es handelt sich deswegen nicht
um eine Verdoppelung des Bedeutungsbeiwertes.

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P. Lestuzzi S-WIN-Tagung 2021
 Von der Forschung zur Praxis

Tab. 3: Bedeutungsbeiwerte bei Bauwerksklasse BWK III

 Nachweis γf [-]
 Tragsicherheit 1.5
 Gebrauchstauglichkeit 1.0

4 MIKROZONIERUNGEN

4.1 Empfehlung NK SIA 261 bis zur Anpassung

Gemäss Ziffer 16.2.2.3 der Norm SIA 261, wo eine spektrale Standort- oder Mikrozonierungsstudie von
der zuständigen Behörde veröffentlicht wurde ist diese für die Bestimmung der Erdbebeneinwirkung zu
verwenden. Die bestehenden kantonalen Mikrozonierungsstudien sollen aber nun anhand der
Erdbebengefährdungsdaten des SED von 2015 überprüft und falls nötig aktualisiert werden. Bis jetzt
wurden nur sämtliche Mikrozonierungsstudien des Kantons Waadt aktualisiert.

Bis die Resultate der neuen Mikrozonierungsstudien publiziert werden oder die bestehenden bestätigt
werden, empfiehlt die Normkommission SIA 261 folgendes Vorgehen: für die Bestimmung des
elastischen Antwortspektrums am betroffenen Standort soll die Umhüllende des Antwortspektrums der
nicht aktualisierten Mikrozonierung und des elastischen Antwortspektrums gemäss Norm SIA 261
(2020) für die entsprechende Erdbebenzone und Baugrundklasse verwendet werden. Die Empfehlung
der NK SIA 261 betrifft vor allem die Mikrozonierungsstudien des Kantons Wallis und des Gebiets um
Basel.

 Abb. 6: Umhüllende der elastischen Antwortspektren der noch nicht angepassten Mikrozonierung
 und der zu berücksichtigten Baugrundklasse.

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Von der Forschung zur Praxis

4.2 Beispiele
4.2.1 Martigny

Obwohl die Mikrozonierungsstudie von Martigny in 2015 veröffentlicht wurde (https://www.crealp.ch),
konnten dabei die Erdbebengefährdungsdaten des SED von 2015 noch nicht berücksichtigt werden.
Die Umhüllende gemäss NK 261 Empfehlung ist demzufolge anzuwenden. Die Stadt von Martigny
befindet sich in der Erdbebenzone Z3b und wurde prinzipiell mit der Baugrundklasse C gekennzeichnet.
Alleine das Antwortspektrum der Mikrozone M2 ist deswegen von der NK 261 Empfehlung betroffen.
Das Plateau des Antwortspektrums der Mikrozone M2 soll grundsätzlich durch dasjenige von
Baugrundklasse C ersetzt werden. Die Antwortspektren der Mikrozone M2 und besonders M1 (ausser
bei kleinen Schwingzeitwerten) werden schon grösser als diejenige der Baugrundklasse C für
Erdbebenzone Z3b.

 Abb. 7: Elastische Antwortspektren der Mikrozonierungsstudie von Martigny und der Norm SIA 261
 (2020) für Erdbebenzone Z3b.

 Abb. 8: Martigny, Baugrundklassen und Mikrozonen M1, M2 und M3 aus der
 Mikrozonierungsstudie.

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P. Lestuzzi S-WIN-Tagung 2021
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4.2.2 Sion

Die Mikrozonierungsstudie von Sion wurde in 2011 veröffentlicht (https://www.crealp.ch). Die Erdbeben-
gefährdungsdaten des SED von 2015 konnten selbstverständlich dabei noch nicht berücksichtigt
werden und die Umhüllende gemäss NK 261 Empfehlung ist deswegen anzuwenden. Die Stadt Sion
befindet sich in der Erdbebenzone Z3b und wurde mit den Baugrundklassen C, D und E
gekennzeichnet. Die Auswirkung der NK 261 Empfehlung auf die Antwortspektren der Mikrozonen A1,
A2 und A3 wird deswegen komplizierter als diejenige für die Mikrozonierungsstudie von Martigny. Das
Plateau des Antwortspektrums der Mikrozone A1 soll durch das der Baugrundklasse C, D oder D ersetzt
werden. Bei dem Sektor der Mikrozone A1 welcher sich in der Baugrundklasse D befindet soll
grundsätzlich das Antwortspektrum der Mikrozone A1 durch das der Baugrundklasse D ersetzt werden.
Das Antwortspektrum der Mikrozone A3 ist weniger betroffen. Bei den Sektoren welche sich in die
Baugrundklassen C und E sich befinden muss eigentlich nur der hintere Teil des Plateaus angepasst
werden. Bei dem Sektor der Baugrundklasse D muss praktisch das ganze Plateau um rund 26 % erhöht
werden.

 Abb. 9: Elastische Antwortspektren der Mikrozonierungsstudie von Sion und der Norm SIA 261
 (2020) für Erdbebenzone Z3b.

 Abb. 10: Sion, Baugrundklassen und Mikrozonen A1, A2 und A3 aus der Mikrozonierungsstudie.

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Von der Forschung zur Praxis

4.2.3 Basel

Die Mikrozonierungsstudie von Basel wurde in 2009 veröffentlicht [Fäh et al., 2009a] [Fäh et al., 2009b].
Für die Erstellung der Mikrozonierungsstudie wurde das ganze Gebiet Basel in Mikrozonen und
Subzonen aufgeteilt. Werden die Mikrozonen mit den 3 geologischen Subzonen (Löss und Lehm,
lockere holozäne Ablagerungen, ältere Ablagerungen) kombiniert und dann gruppiert, bleiben 13 Typen
elastischer Antwortspektren übrig, die den Umfang der Erdbebenbeanspruchungen der Region Basel
ausmachen. Das Gebiet Basel befindet sich in der Erdbebenzone Z2 und wurde prinzipiell mit der
Baugrundklasse C gekennzeichnet. Die elastischen Antwortspektren der 13 Typen liegen praktisch
zwischen den Kurven der Antwortspektren der Baugrundklassen A und C. Alle Antwortspektren sind
also von der NK 261 Empfehlung betroffen. Ausser bei den sehr langen sowie sehr kurzen
Schwingzeiten müssen grundsätzlich die Antwortspektren der 13 Typen durch diejenige der Baugrund-
klasse C ersetzt werden.

 Abb. 11: Basel, geologische Mikrozonen und Subzonen aus der Mikrozonierungsstudie; elastische
 Antwortspektren der 13 Typen und der Norm SIA 261 (2020) für Erdbebenzone Z2.

5 REFERENZEN
Arbeitsgruppe Erdbeben der Normenkommission SIA 261 (2019) Aktualisierung der Erdbebeneinwirkungen der
 Norm SIA 261:2014. Grundlagebericht.
CEN (2004) Eurocode 8: Design of Structures for Earthquake Resistance – Part 1: General rules, seismic actions
 and rules for buildings, Comité Européen de Normalisation, Brussels.
Fäh, D. Ripperger, J., Stamm, G., Kästli, P., Burjanek, J. (2009a). Mikrozonierung für die Kantone Basel Stadt
 und Basel Landschaft Validierung und Umsetzung der Mikrozonierung (2006-2008) Abschlussbericht:
 Teilbericht A. Schweizerischer Erdbebendienst ETH Zurich.
Fäh, D. Wenk, T. (2009b). Mikrozonierung für die Kantone Basel Stadt und Basel Landschaft Optimierung der
 Form der Antwortspektren und der Anzahl der Mikrozonen Abschlussbericht: Teilbericht B. Schweizerischer
 Erdbebendienst ETH Zurich.
SIA 261 (2014), Normen SIA 261: Einwirkungen auf Tragwerke. Schweizerischer Ingenieur- und Architekten-
 Verein, Zürich, 2014.
SIA 261 (2020), Normen SIA 261: Einwirkungen auf Tragwerke. Schweizerischer Ingenieur- und Architekten-
 Verein, Zürich, 2020.
Wiemer, S., Danciu, L., Edwards, B., Marti, M., Fäh, D., Hiemer, S., Wössner, J., Cauzzi, C., Kästli, P., Kremer,
 K., Seismic Hazard Model 2015 for Switzerland (SUIhaz2015), Report of the Swiss Seismological Service,
 ETH-Zurich, Juli 2016.

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S-WIN-Tagung 2021
 Von der Forschung zur Praxis

Dynamische Eigenschaften
von Gebäuden in Holzrahmenbauweise

Urs Oberbach und Prof. Martin Geiser
Berner Fachhochschule, Institut für Holzbau, Tragwerke und Architektur

1 EINLEITUNG

Mit Unterstützung des BAFU hat das Institut für Holzbau, Tragwerke und Architektur der Berner
Fachhochschule gerade ein wichtiges Forschungsprojekt zu den dynamischen Eigenschaften von
Gebäuden in Holzrahmenbauweise abgeschlossen. Im Frühjahr 2019 wurde von den Projektpartnern
aus der Holzbranche in Chamoson (VS) ein Testgebäude in Holzrahmenbauweise errichtet. Das
vierstöckige Testgebäude wurde verschiedenen Tests unterzogen, um seine statischen und
dynamischen Eigenschaften zu bestimmen. Dies hat wichtige Erkenntnisse über die Erdbebensicherheit
von Holzrahmenbauwerken geliefert, die im folgenden Beitrag vorgestellt werden.

1.1 Problemstellung und Ziel

Die dynamischen Eigenschaften, insbesondere die Grundschwingzeit (T1), sind im Erdbeben-
ingenieurwesen von grösster Bedeutung, da die seismischen Kräfte direkt von den dynamischen
Reaktionen des Tragwerkes abhängen. Je nach verwendeter Berechnungsmethode und Annahmen
können die erzielten Ergebnisse erheblich variieren. Die neuen elastischen Antwortspektren in der
überarbeiteten Version der SIA 261:2020 unterstreichen noch einmal die Bedeutung einer zuverlässigen
Abschätzung der Grundschwingzeit (T1) des betrachteten Tragwerkes. Vor diesem entscheidenden
Schritt findet sich der Ingenieur in einer unangenehmen Situation wieder und muss eine schwierige
Entscheidung treffen.

Ziel des Projektes ist es, den Ingenieuren in der Praxis klare Hinweise zu geben, wie die
Grundschwingzeit von Holzrahmengebäuden realistisch abgeschätzt werden kann. Diese Hinweise
müssen durch Tests belegt werden. Eine möglichst genaue Bestimmung der dynamischen
Eigenschaften erhöht die Zuverlässigkeit bei der Berechnung der Erdbebeneinwirkungen. Es wird auch
erwartet, dass damit die Kosten weiter optimiert werden können.

1.2 Methodik

Das Herzstück des Projekts ist ein vierstöckiges Testgebäude in Holzrahmenbauweise, welches im
Frühjahr und Sommer 2019 in Chamoson (VS) errichtet wurde. Das Gebäude ist natürlicher Grösse in
Bezug auf Höhe, Masse und Konstruktion und nur klein im Verhältnis zu seiner Grundfläche, die
4 m x 5 m beträgt. Jedes Geschoss ist 2,7 m hoch und der First ist auf 12,13 m. Die Aussteifung ist
vollkommen regelmäßig, aber in x- und y-Richtung unterschiedlich. In x-Richtung befinden sich Wände
mit Öffnungen, während in y-Richtung geschlossene Elemente verwendet werden. In beiden Fällen
beträgt die nach SIA 265 berücksichtigte Wandbreite 2,5 m. Die Struktur wird mit einer
Kapazitätsbemessung (q = 3), mit der Klammer als duktiles Element, ausgeführt. Die Steifigkeit und
Masse aller verwendeten Baumaterialien und Verbindungsmittel wurden im Vorfeld ermittelt und
zahlreiche Tests an den geklammerten OSB-Holz Verbindungen durchgeführt. Der Elastizitätsmodul
und die Dichte der Rahmenteile aus Brettschichtholz wurden vor der Montage der Wände bestimmt.
Der Schubmodul und die Dichte der OSB/3-Platten wurden ebenfalls gemessen, wie auch die Steifigkeit

 15
S-WIN-Tagung 2021 U. Oberbach, M. Geiser
Von der Forschung zur Praxis

 Abb. 1: Vierstöckiges Testgebäude in Holzrahmenbauweise im Steinbruch in Chamoson (VS)

 Abb. 2: Etappenweises Aufrichten und Testen am Testgebäude in Chamoson (VS), von Mai bis Oktober 2019

der verwendeten Zuganker. Nachdem die Wände zusammengebaut waren, hat jede Wand den
Prüfrahmen durchlaufen, um die Steifigkeit zu bestimmen. Vier weitere Wände wurden zerstörend
geprüft, um die Tragfähigkeit zu bestimmen. Das Gebäude wurde dann schrittweise aufgerichtet. In
jeder Phase wurde die quasi-statische Steifigkeit der Struktur gemessen und spezifische dynamische
Tests (LAAVT = Low Amplitude Ambient Vibration Test und HAFVT = High Amplitude Forced Vibration
Test) durchgeführt.

2 ERGEBNISSE

2.1 Steifigkeit der Klammern K 1,53 x 50 OSB-Holz

Die experimentellen Untersuchungen an geklammerten OSB-Holz Verbindungen mit insgesamt mehr
als 3'000 Klammerverbindungen, zeigten ein sehr starkes nichtlineares Verhalten. Detaillierte
Untersuchungen, einschliesslich Röntgenaufnahmen, siehe Abb. 5, haben gezeigt, dass der
Fliessbeginn (lt. SIA 261:2020 - 16.5.1.1 und 16.5.5.2) bei ca. 0,5 kN pro Klammer liegt. Da die
Steifigkeit sehr stark von der Belastungsintensität abhängig ist, wurde letztere durch die Auslastung der
Klammerverbindung quantifiziert. Eine Auslastung von 100 % des Bemessungswertes der
Schubfestigkeit einer Klammerverbindung bei sehr kurzzeitiger Belastung (KLED sehr kurz,
Rd = 0,48 kN) entspricht in etwa dem Fliessbeginn. Abb. 6 zeigt, dass bei einer Auslastung von 100 %
der durchschnittliche Verschiebungsmodul Kηi für eine Klammerverbindung 516 N/mm beträgt. Für eine
einer Auslastung von 50 % beträgt der Verschiebungsmodul 1'395 N/mm.

16
U. Oberbach, M. Geiser S-WIN-Tagung 2021
 Von der Forschung zur Praxis

 Abb. 3: Schematische Ansicht des Testgebäudes mit Beschreibung

 Abb. 4: Röntgenbild einer OSB-Holz Klammerverbindung, die über dem Fliessbeginn hinaus
 beansprucht wurde.

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S-WIN-Tagung 2021 U. Oberbach, M. Geiser
Von der Forschung zur Praxis

 Klammerverbindungssteifigkeit Kηi in Abhängigkeit der Auslastung i
 4352 einer
 auf Abscheren beanspruchten OSB/3 - Holz Verbindung
 Steifigkeit der Klammerverbindung Kηi in

 4500
 Mean + SD
 4000 Mean
 3500 Mean - SD
 Wind Poly. (Mean)
 3000 2598 R² = 0.9997
 2604
 2500
 N/mm

 1902
 2000
 1793 Erdbeben
 1500 1395 1011
 774
 1000 588
 835
 988 647 343
 500 855 887 516
 660 300
 521 444
 0 257
 0% 20 % 40 % 60 % 80 % 100 % 120 % 140 % 160 %
 Auslastung ηi der Klammerverbindung in % von
 FRd,KLED sehr kurz = 0,48 kN/Klammerverbindung

 Abb. 5: Steifigkeit der Klammerverbindungen in Abhängigkeit von der Belastungsintensität. Die
 Steifigkeit wurde in Anlehnung an DIN EN 26891, aber in den Auslastungsbereichen 0,1- ηi
 einer Klammerverbindung ermittelt.

2.2 Elastizitätsmodul und Dichte von Holzrahmenbauteilen in BSH GL24h

Bis auf die Zwischenständer, auf die die OSB/3 Beplankung nicht statisch verklammert wurde, sind alle
Teile des Holzrahmens aus Brettschichtholz GL24h gefertigt. Vor dem Abbund der Rahmenteile und
Wände wurde der dynamische Elastizitätsmodul aller Bauteile aus GL24h mit dem Timber-Grader
ermittelt. Auch ihre Dichte wurde aus der Masse und den Abmessungen berechnet. Der mittlere quasi-
statische Elastizitätsmodul (Umrechnung erfolgt vom Timber Grader) betrug 11'900 N/mm2 ± 1123
N/mm2 und die mittlere Dichte 445 kg/m3 ± 22 kg/m3 bei 12 % ± 1,6 % Feuchtegehalt. 85 der 110
geprüften Teile hatten einen statischen Elastizitätsmodul größer als Em,mean = 11'000 N/mm2 lt.
SIA 265:2012. Abb. 6 zeigt die Messwerte, aller 110 gemessenen Rahmenbauteile.

 E-Modul in Abhängigkeit der Dichte der Rahmenbauteile
 aus Brettschichtholz GL24h
 Statischer E-Modul in N/mm2

 16000
 R² = 0.7058
 15000

 14000

 13000

 12000

 11000

 10000

 9000

 8000
 380 400 420 440 460 480 500

 Dichte bei 12 % Holzfeuchte in kg/m3

 Abb. 6: Quasi-statischer Elastizitätsmodul (E-Modul) und Dichte der für das Testgebäude
 verwendeten BSH GL24h Rahmenbauteile

18
U. Oberbach, M. Geiser S-WIN-Tagung 2021
 Von der Forschung zur Praxis

2.3 Schubmodul und Dichte der Beplankung (Aussteifungsschicht) OSB/3

Der Schubmodul der OSB/3 Beplankung wurde nach SN EN 789 für 32 Proben bestimmt. Der Mittelwert
Gmean = 1'030 N/mm2 mit einer Standardabweichung von ± 192 N/mm2 liegt leicht unter dem in der
SIA 265/1:2018 angegebenen Wert von Gmean = 1'080 N/mm2. Die durchschnittliche Dichte beträgt
605 kg/m3 bei 12 % Feuchtegehalt.

2.4 Zugverankerungen

Zur Ermittlung der Wandsteifigkeit im Labor und zur Aufnahme der Zugkraft im Geschossübergang am
Versuchsgebäude wurden Zuganker vom Typ Rothoblaas WHT 740 verwendet, die mit den
Randstützen verschraubt wurden. Es wurde eine Vollausschraubung mit Schrauben des Typs LBS570
(5,0 x 70) durchgeführt. Bei den verwendeten Schraubenverbindungen kann eine Verbindungsnach-
giebigkeit von ca. 1 mm unter der kurzzeitigen Bemessungslast angenommen werden. Am Fusspunkt
wird das Testgebäude mit Ancotech Verankerungsteilen, die für eine Zugkraft von TRd+ = 550 kN
ausgelegt sind, im Fundament befestigt. Die für diese Verankerungen durchgeführten Versuche zeigen
auch, dass eine Nachgiebigkeit von 1 mm unter Bemessungslast angemessen ist, vgl. Abb. 7.

 Abb. 7: Kraft-Verformungsdiagram von einem WHT 740 Zuganschluss

2.5 Eigenschaften von Wänden in Holzrahmenbauweise

Die Steifigkeit der 16 Wände, die für den Bau des Testgebäudes verwendet wurden, wurde auf dem
Prüfrahmen durch eine Begrenzung der Horizontallast, um eine Veränderung der Steifigkeit zu
verhindern, ermittelt. Diese Grenze wurde durch Versuche von Klammerverbindungen vorgängig
ermittelt. Zusätzlich zu diesen 16 Wänden wurden vier weitere bis zum Versagen getestet. Es wurden
also 10 X-Wände und 10 Y-Wände auf ihre horizontale Steifigkeit geprüft. Abb. 8 links zeigt, dass die
X-Wände (mit einer Öffnung und zwei Segmenten von je 1,25 m) deutlich steifer sind als die Y-Wände
(Vollsegment von 2,50 m). Auf der rechten Seite ist der Einfluss der Belastungsintensität auf die
horizontale Steifigkeit der Wände deutlich zu erkennen. Mit zunehmender Intensität wird die Wand
weicher. Die rote Linie zeigt die horizontale Steifigkeit, berechnet mit den Steifigkeitswerten der SIA
265:2012 und SIA 265/1:2018.

Abb. 9 auf der linken Seite zeigt das Verhalten der vier Wände, die einem monotonen Zerstörungstest
unterzogen wurden. Der Widerstand der X-Wände (C1 und C3 mit einer Öffnung und zwei Segmenten
von 1,25 m, h = 2,70 m) ist deutlich höher als der der Y-Wände (C2, C4, Vollsegment von 2,50 m, h =
2,70 m). Die erzielten Ergebnisse unterstreichen das stark nichtlineare Verhalten der geklammerten
Verbindungen, aber auch deren hohe Überfestigkeit (hier als Verhältnis Fult / FRd).

 19
S-WIN-Tagung 2021 U. Oberbach, M. Geiser
Von der Forschung zur Praxis

 Abb. 9: Vergleich der Steifigkeit der X- und Y-Wände für eine Kraft, die einer Auslastung von 17 %
 der Klammerverbindung entspricht (links); Einfluss der Intensität der Auslastung (17 %,
 35 % und 48 %) auf die Steifigkeit der Y-Wände (rechts); In rot: horizontale Steifigkeit der
 Wände, berechnet unter Berücksichtigung der Werte der aktuellen SIA-Normen

 Abb. 8: Kraft-Verformungs-Diagramm der vier Wände, die dem monotonen Zerstörungsversuch unter-
 zogen wurden, mit dem nach SIA 265:2012 und SIA 265/1:2018 berechneten Bemessungswert
 der Scherfestigkeit in rot (links); Foto einer X-Wand auf dem Prüfstand (rechts)

Darüber hinaus zeigt eine Analyse der Verformungsanteile, dass diese auch in Abhängigkeit von der
Intensität der Belastung variieren. Bei einer Auslastung von 17 % beträgt der Beitrag der Klammer-
verbindung 26 %. Bei einer Auslastung von 100 % erhöht sich dieser Wert auf 63 %. Umgekehrt beträgt
der Beitrag von OSB/3 bei niedriger Intensität 56 %, während er bei 100 % Auslastung auf 28 % sinkt.

3 EIGENSCHAFTEN DES TESTGEBÄUDES

Während des Aufrichtens wurde die Masse jeder Komponente des Testgebäudes bestimmt. Die
Geschossmassen sind in der Abb. 10 dargestellt. Die Gesamtmasse des vierstöckigen Gebäudes
beträgt mtot = 18'251 kg. Durch den Ausschluss von Unsicherheiten bei den verbauten Massen können
sich die Untersuchungen auf das Steifigkeits- und Dynamikverhalten konzentrieren. Zusätzlich wurde
der Feuchtigkeitsgehalt der Holzkonstruktion während der gesamten Testkampagne überwacht. Da der
Feuchtigkeitsgehalt nur zwischen 11,0 % und 12,2 % variierte, wurde der Einfluss auf die erzielten
Ergebnisse vernachlässigt.

Das Testgebäude wurde insgesamt 81 Ausschwingtests (HAFVT) unterzogen. Diese dynamischen
Tests wurden für jedes Geschoss (1 bis 4 Geschosse), in den beiden Hauptrichtungen und bei
verschiedenen Laststufen durchgeführt. Letztere wird als Auslastung des Querkraftwiderstandes der
Klammerverbindung ausgedrückt, welcher dem der Wände und letztlich auch dem des gesamten
Gebäudes entspricht, wobei letzteres mit der Klammerverbindung als duktilem Glied des Systems
kapazitiv bemessen wurde. Ein Ausschwingtest (HAFVT) besteht aus dem seitlichen Aufbringen einer

20
U. Oberbach, M. Geiser S-WIN-Tagung 2021
 Von der Forschung zur Praxis

 Abb. 10: Geschossmassen der vier Testzustände

 Ausschwingversuch G4P-Y-97-1
 (h = 10,8 m; FAusschwingversuch = 81,2 kN = 1,11 x FRd,Erdbeben)
 Relative horizontale Verschiebung der

 60
 T1,4c = Δt / 4
 Gebäudeoberkante in mm

 50 Trendlinienfehler
 40 T1,2c = Δt / 2

 30
 20
 10
 0
 -10
 -20 Logarithmisches Dekrement ξ −
 Dämpfungseinhüllende
 -30 T1,1c = Δt
 -40
 T1,3c = Δt / 3
 -50
 -60
 -0.5 0.0 0.5 1.0 1.5 2.0 2.5
 Zeit in s

 Abb. 11: Grundschwingzeit und Dämpfung nach einem Ausschwingversuch in Y-Richtung bei
 111 % Querkraftauslastung des Bemessungswertes des Testgebäudes

horizontalen Kraft und dem plötzlichen Loslassen dieser Kraft. Konkret wird ein Stahlseil zum Ziehen
des Gebäudes verwendet und ein speziell entwickelter Auslösemechanismus ermöglicht das plötzliche
Abfallen der Kraft. Abb. 11 zeigt die Schwingzeit und die Dämpfung nach einem Ausschwingtest am
4-stöckigen Gebäude in Y-Richtung bei einer Auslastung von 111 %.

Die Diagramme in Abb. 12 zeigen die in den beiden Hauptrichtungen gemessenen Grundschwingzeiten
über die ersten beiden Zyklen (T1,2c), in Abhängigkeit von der Geschossanzahl und der
Belastungsintensität.

In der Abb. 13 ist die mit der Schätzformel (vgl. NBCC 2010: T1,est = 0,05∙h0,75) ermittelte
Grundschwingzeit aufgetragen. Nach der kanadischen Norm (NBCC 2010) darf die in der Berechnung
angesetzte Grundschwingzeit den Grenzwert von 2∙T1,est nicht überschreiten. Die gemessenen Zeiten
haben diesen Grenzwert nie überschritten.

Zusätzlich zu den Ausschwingtests ermöglichten Umgebungsrauschmessungen (LAAVT) die
Quantifizierung des Frequenzabfalls bzw. der Verlängerung der Grundschwingzeit. Die durch hohe
Lasten (HAFVT, 100 % Querkraftauslastung) induzierten Grundschwingzeiten sind etwa 1,5 Mal länger

 21
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Von der Forschung zur Praxis

als die bei Umgebungsrauschen (LAAVT). Die untenstehende Grafik zeigt einen T1-Wert = 0,30 s im
Umgebungsgeräusch gegenüber 0,47 s bei hoher Amplitude (HAFVT, 100 % Querkraftauslastung). Die
Dämpfung des Tragwerkes hängt auch von der Amplitude ab. Während sie bei niedriger Amplitude nur
wenige Prozent beträgt, übersteigt sie bei hoher Amplitude 10 %. Die bei einer Querkraftauslastung von
100 % erhaltene Dämpfung ist in der obigen Grafik (Abbildung 15) dargestellt. Eine Berechnung der
Grundschwingzeit auf der Basis der oben beschriebenen quasistatischen Steifigkeiten kann zur
Annäherung an die gemessenen Grundschwingzeiten verwendet werden. Das nachstehende
Histogramm zeigt einen Vergleich zwischen den gemessenen Grundschwingzeiten am Testgebäude in
Y-Richtung und den rechnerisch ermittelten Perioden (vereinfachte Rayleigh- und dynamische Analyse)
auf der Grundlage verschiedener Steifigkeitsannahmen.

 Gemessene Grundschwingzeiten in X in Gemessene Grundschwingzeiten in Y in
 Abhängigkeit der Querkraftauslastung und der Abhängigkeit der Querkraftauslastung und der
 Gebäudehöhe Gebäudehöhe
 0.55 0.55
 0.50 167% 0.50 112%

 95%
 0.45 0.45
 Grundschwingzeit in s

 129%

 Grundschwingzeit in s
 97% 45%
 0.40 44%
 34% 0.40 33%
 18%
 17%
 0.35 0.35 9%
 8%
 0.30 0% 0.30 46%
 0%
 44%
 34% 35%
 0.25 17% 0.25 17%
 45% 0% 44% 0%
 0.20 32% 0.20 35%
 16% 1…
 33%
 0.15 47%
 0% 0.15 44%
 0%
 18…
 0%
 0.10 0.10 32%
 0%

 0.05 0.05
 0.00 0.00
 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12
 Gebäudehöhe in m Gebäudehöhe in m

 Abb. 12: In Ausschwingversuchen gemessene Grundschwingzeiten in X und Y, in Abhängigkeit von
 der Gebäudehöhe (gemessen im obersten Stockwerk) und der Belastungsintensität
 (quantifiziert durch die Querkraftauslastung)

 Gemessene Grundschwingzeiten im Vergleich
 mit Schätz- und Begrenzungsformeln

 0.55
 0.50
 Grundschwingzeit in s

 0.45
 0.40
 0.35
 0.30
 0.25
 0.20
 0.15
 0.10 X
 Y
 0.05 2 * T est
 0.00
 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12
 Gebäudehöhe in m

 Abb. 13: Grundschwingzeiten und Werte, die mit Abb. 14: Logarithmisches Dekrement der
 der Schätzformel T1,est = 0,05∙h0,75 und Dämpfung beim 4-geschossigen
 einer Obergrenze von 2*T1,est gemäss Testgebäude bei 100 %
 der kanadischen Norm NBCC 2010 Querkraftauslastung in X und Y
 ermittelt wurden

22
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 Grundschwingzeiten in Y Richtung des viergeschossigen Holzrahmenbaus
 Gemessene und berechnete Werte
 0.8
 Umgebungsrauschmessung (LAAVT)

 0.7
 Grundschwingzeit in s

 Ausschwingversuch (HAFVT, 100% Querkraftauslastung)
 0.6

 0.5 Dynamische Analyse - Steifigkeiten nach Normen SIA 265:2012 und SIA 265/1:2018

 0.4
 Grundschwingzeit nach Norm 261:2020 Gleichung 40 (Rayleigh vereinfacht) und
 Steifigkeiten gemäss Normen SIA 265:2012 und SIA 265/1:2018
 0.3
 Dynamische Analyse - experimentell ermittelte Steifigkeiten bei 100% Auslastung
 0.2

 0.1 Dynamische Analyse - Steifigkeiten gemäss Normen SIA 265;2021 und SIA
 265/1:2018 (Ausnahme Kser Klammerverbindung 520 N/mm) ; Nachgiebigkeit der
 0.0 Zugverankerungen 1 mm unter kurzzeitiger Bemessungslast ; Globale
 Steifigkeitserhöhung von 17%
 G4
 Abb. 15: Grundschwingzeiten des vierstöckigen Holzrahmengebäudes in Y-Richtung. Vergleich der
 gemessenen Werte (LAAVT und HAFVT) mit Werten, die nach verschiedenen Methoden
 und Steifigkeitsannahmen berechnet wurden

Unter Berücksichtigung der Steifigkeit nach SIA 265:2012 und SIA 265/1:2018 ergibt sich mit Gleichung
261.40 (vereinfacht Rayleigh) eine Grundschwingzeit von T1 = 0,72 s, die deutlich über der tatsächlichen
Grundschwingzeit liegt. Bei gleichen Steifigkeitsannahmen ergibt die dynamische Analyse mit
T1 = 0,63 s ein um 34 % höheres Ergebnis als die bei 100 % Querkraftauslastung gemessene Grund-
schwingzeit (T1 = 0,47 s). Unter Berücksichtigung der effektiven (wie gemessenen) quasi-statischen
Steifigkeiten ergibt sich eine Periode T1 = 0,51 s. Dieser Unterschied lässt sich wahrscheinlich einer-
seits durch räumliche Tragwerkseffekte und andererseits durch eine Zunahme der Steifigkeit bei
dynamischer Anregung erklären, da Holz ein viskoelastisches Material ist. Eine Betrachtung der Steifig-
keit anhand der folgenden Werte:

 - Verschiebungsmodul der Klammerverbindung K 1,53 x 50 von Kser = 520 N/mm,
 - GL24h mit Em,mean = 11'500 N/mm2 und OSB/3 mit Gmean = 1'080 N/mm2
 (Werte aus SIA 265:2021 und SIA 261/1:2018),
 - Verankerungsnachgiebigkeit unter der kurzzeitigen Bemessungslast von 1 mm,
 - 17 % Erhöhung der Gesamtsteifigkeit der Struktur,

ergibt die Grundschwingzeit von T1 = 0,47 s, gemessen bei 100 % Querkraftauslastung (rote gestrichelte
Linie in Abb. 16). Die Anwendung des Faktors für die Einwirkungsdauer ηt = 1,4 auch auf die Steifigkeit
würde hier zu Grundschwingzeiten auf der sicheren Seite führen.

Nach Abschluss der Ausschwingtests beendete schliesslich ein Versuch zur Bestimmung des
Tragwiderstandes des Testgebäudes die Testkampagne. Mit Hilfe der leicht schräg angebrachten
Stahlseile an der Spitze des vierten Geschosses wurde die Kraft erhöht, bis das Gebäude versagt hat.
Der Versagensmechanismus ist in der folgenden Abb. 18 zu sehen. Diese Art der Beanspruchung
entspricht in keiner Weise der Wirkung eines realen Erdbebens. Aus praktischen Gründen wurde die
Kraft nur an der Spitze des vierten Stockwerkes aufgebracht. Somit ist die Querkraft über die Höhe des
Gebäudes konstant, während sie unter der Einwirkung eines Erdbebens von oben nach unten
zunehmen würde. Der Versagensmechanismus mit Zerstörung des letzten Geschosses ist
wahrscheinlich auf zwei Effekte zurückzuführen. Erstens hat der Stahl, der für die stabförmigen
Holzverbinder (in diesem Fall die Klammern) verwendet wird, eine sehr geringe Kaltverfestigung. Diese
Eigenschaft spiegelt sich sowohl im Verhalten der Anschlüsse als auch in den Wänden wieder. Bei
fehlender Kaltverfestigung fliesst also das Element, das zuerst fliesst, weiter, bis es versagt, ohne dass
die anderen Elemente im plastischen Bereich aktiviert werden. Zweitens: Während die Schubfestigkeit
der Wände für alle vier Stockwerke gleich war, war die Festigkeit der Zuganker proportional zum
Moment und nahm daher von oben nach unten zu. Diese Anker trugen wahrscheinlich dazu bei, den
Schubwiderstand der unteren Geschosse etwas zu erhöhen, wodurch das oberste Geschoss zum
schwächsten Glied im System wurde. Wie die Klammern und die Wände zeigte auch das Gebäude eine
Überfestigkeit (Fult / FRd) größer als 2, trotz zahlreicher Ausschwingversuche, darunter drei bei einer
Querkraftauslastung von 97 %, drei weitere bei 114 % und einer quasi-statischen Belastung von 178 %.

 23
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Von der Forschung zur Praxis

 Abb. 16: Testgebäude bereit für den Zerstörungsversuch; die zur Krafteinleitung verwendeten
 Stahlseile sind links des Gebäudes zu sehen

 Abb. 17: Der Versagensmechanismus beim Zerstörungsversuch mit einer einzelnen, leicht schräg
 eingeleiteten Kraft am oberen Ende des vierten Geschosses (links); Das entsprechende
 Kraft-Verformungs-Diagramm (rechts)

4 SCHLUSSFOLGERUNG

Dank der durchgeführten Tests liegen nun wichtige Informationen vor. Der erste Punkt betrifft die
Steifigkeit der OSB-Holz Klammerverbindung (K 1,53 x 50). Aufgrund der hohen Nichtlinearität des
Verhaltens sind die Verschiebungsmodule von der Auslastung der Verbindung abhängig:
Kser = 520 N/mm für die Abschätzung der Grundschwingzeit und Kser = 1'400 N/mm für den Nachweis
der Gebrauchstauglichkeit gegen Wind. Unter Berücksichtigung dieser Verschiebungsmodule in
Kombination mit den Materialeigenschaften nach SIA 265:2021 und SIA 261/1:2018 und einer
zulässigen Verankerungsnachgiebigkeit von 1 mm unter kurzzeitiger Bemessungslast kann die
Steifigkeit einer Holzrahmenbauwand bestimmt werden. Derzeit wird in den Normen SIA 265 und
SIA 265/1 für den betrachteten Klammerverbindungstyp, zu dem auch die in der Schweiz übliche
Klammer 1,53 x 50 gehört, ein Verschiebungsmodul von Kser = 247 N/mm angegeben. Ein Antrag auf
Berichtigung ist an die Kommission der SIA 265 gerichtet.

Es wurde eine grosse Überfestigkeit (hier definiert als das Verhältnis Fult / FRd), d. h. größer als 2, der
Klammerverbindungen, der Holzrahmenwände und schließlich des gesamten Gebäudes beobachtet.

24
U. Oberbach, M. Geiser S-WIN-Tagung 2021
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Je nach Anzahl der Geschosse wurden Grundschwingungszeiten T1 zwischen 0,1 s und 0,5 s ge-
messen. Die Grundschwingzeit wird mit zunehmender Amplitude länger. So ist die Grundschwingzeit
bei grosser Amplitude (HAFVT, 100 % Querkraftauslastung) etwa 1,5 Mal länger als bei der Messung
im Umgebungsrauschen (LAAVT).

Eine Berechnung der Grundschwingzeit T1 auf der Basis der oben beschriebenen quasistatischen
Steifigkeiten ermöglicht eine Annäherung an die gemessenen Werte. Ein Unterschied bleibt jedoch
bestehen. Dies ist wahrscheinlich zum einen auf räumliche Tragwerkseffekte zurückzuführen, zum
anderen auf eine Erhöhung der Steifigkeit bei dynamischer Belastung, da Holz ein viskoelastisches
Material ist. Eine pauschale Erhöhung der Gesamtsteifigkeit um 17 % ermöglicht die Berechnung der
gleichen Grundschwingzeit, wie sie im Testgebäude gemessen wurde. Weitere Arbeiten sind geplant
bzw. im Gange, um diesen Anstieg der Steifigkeit unter dynamischer Belastung besser zu verstehen
und zu quantifizieren. Aus Mangel von genaueren Angaben ist eine Übergangslösung, den Erhöhungs-
faktor ηt = 1,4 auch bei der Steifigkeit zu berücksichtigen. Darüber hinaus wird empfohlen, die
Grundschwingzeit von Holzrahmenkonstruktionen auf 2∙T1,est zu begrenzen. (T1,est = 0,05∙h0,75 mit h = Gebäudehöhe).

Hinsichtlich der Dämpfung bei großen, erdbebenrelevanten, Amplituden wurden Werte zwischen 11 %
und 13 % gemessen. Dieses Ergebnis ist besonders interessant, da durch die Verwendung eines
viskosen Dämpfungsmasses von ξ = 0,10 statt der üblichen ξ = 0,05 die seismischen Kräfte um fast
20 % reduziert werden (η = 0,82). Diese Werte müssen jedoch noch konsolidiert werden, so dass es
ratsam ist, weiterhin die üblichen 5 % zu verwenden. Auch hier sind weitere Arbeiten geplant, um die
notwendige Klärung und ausreichende Bestätigung zu erhalten, um der Kommission der SIA 265 die
Einführung solcher Werte vorschlagen zu können.

5 DANKSAGUNG

Die Autoren bedanken sich herzlich bei allen Partnern, Unternehmen und Institutionen, ohne die dieses
gewagte Projekt nicht hätte begonnen oder abgeschlossen werden können.

Projektpartner:
 BAFU, Sektion Störfall- und Erdbebenvorsorge,  Charpentes Vial SA, Passage du Querro 10,
 Hr. Sven Heunert, Co-Finanzierung und CH-1724 Le Mouret
 Projektbegleitung  Dénériaz Sion SA, Route de Riddes 101, CH-
 Epfl, IMAC, Dr Pierino Lestuzzi, Projektbegleitung 1950 Sion
 und Ausführung der  DF2-Befestigungstechnik AG, Bahnhofstrasse 32,
 Umgebungsrauschmessungen sowie CH-5623 Boswil
 Interpretation der Ergebnisse  GVB Gebäudeversicherung Bern, finanzielle
 Empa, Abteilung Ingenieurstrukturen, Dr René Unterstützung
 Steiger, Projektbegleitung und Interpretation der  Häring & Co. AG, Sisslerstrasse 15, CH-5074
 Ergebnisse Eiken
 André SA, ZA Champs-Carroz 1-3, CH-1169  Hüsser Holzleimbau AG, Oberebenestrasse 22,
 Yens/Morges CH-5620 Bremgarten
 AVEMEC Association valaisanne des entreprises  Rotho Blaas GmbH, Etschweg N. 2/1, I-39040
 de menuiserie, ébénisterie, charpente, vitrerie et Kurtatsch
 fabrique de meubles), finanzielle Unterstützung  Schaerholzbau AG, Kreuzmatte 1, CH-6147
 Beer Holzbau AG, Obere Zollgasse 76, CH-3072 Altbüron
 Ostermundigen  Stuber & Cie AG, Sägestrasse 22, CH-3054
 Buchard H. SA, Rue de l’Ancienne-Pointe 24, Schüpfen
 CH-1920 Martigny
Mit der Unterstützung von:
 Ancotech AG, Dielsdorf  Pfefferlé & Cie SA, Sion
 Fournier & Cie, Ardon  Proz Frères SA, Riddes
 Habegger AG, Thun  SABAG, Biel/Bienne
 HEIG-VD, Dr Andrea Bernasconi, Yverdon  Paulsen Holz GmbH, Norbord Europe
 Immer AG, Uetendorf  Triage Forestier des Deux Rives, Riddes
 Les Artisans du Bois Nendaz SA, Haute-Nendaz  Valbéton SA, Vétroz

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 Von der Forschung zur Praxis

Einfluss der Stahlqualität und der Detailausbildung auf die
Duktilität von Stahl-Holz-Stabdübelverbindungen

Lukas Furrer und Prof. Martin Geiser
Berner Fachhochschule, Institut für Holzbau, Tragwerke und Architektur IHTA

1 EINLEITUNG

In der Erdbebenbemessung wird zwischen nicht-duktiler und duktiler Bemessung unterschieden. In der
duktilen Bemessung können die Erdbebenkräfte in Abhängigkeit vom plastischen Verformungs-
vermögen, der Überfestigkeit und dem Energiedissipationsvermögen des Tragwerks reduziert werden.
Um dies zu erreichen, wird ein Tragwerk in spröde und duktile Bereiche eingeteilt. Da Holz grundsätzlich
ein spröder Werkstoff ist, werden im Holzbau für die duktilen Bereiche insbesondere querbelastete,
stiftförmige Verbindungsmittel aus Stahl eingesetzt, welche ein gewisses plastisches
Verformungsvermögen aufweisen. Im Holzrahmenbau zum Beispiel wird die Verklammerung als
duktiles Element im Tragwerk angesetzt. In anderen Holzbauweisen können Stahl-Holz-Stabdübe-
lverbindungen als duktile Glieder eingesetzt werden.

Im Rahmen mehrerer Forschungsarbeiten an der Berner Fachhochschule (BFH) wurde die Duktilität
von Stahl-Holz-Stabdübelverbindungen in Zusammenarbeit mit der Firma *BSB* untersucht und
konnten Lösungen entwickelt werden, welche schliesslich zu einem vorteilhaften Tragverhalten einer
solchen Verbindung unter zyklischer Belastung führten. In diesem Beitrag soll zusammenfassend
aufgezeigt werden, was sich aus den bisherigen Untersuchungen zur Duktilität von Stahl-Holz-
Stabdübelverbindungen ergeben hat und inwiefern die zyklische Duktilität und die serielle Aktivierung
durch verschiedene Massnahmen gesteigert werden können.

2 AUSGANGSLAGE

Untersuchungen im Rahmen einer Projektarbeit an der BFH haben ergeben, dass die zyklische Duktilität
von Stabdübelverbindungen, wie sie heute üblicherweise zum Einsatz kommen, sehr gering ist und dass
keine serielle Aktivierung stattfindet (Kienberger, et al., 2018). Grund dafür sind insbesondere die für
die Stabdübel verwendeten, kaltgezogenen Stähle S235 und S355, welche eine geringe Dehnung bei
Höchstlast und praktisch kein Verfestigungsverhältnis aufweisen.

Im Betonbau gilt für einen erdbebengerechten Entwurf der Grundsatz, dass duktiler Bewehrungsstahl
eingesetzt wird, um genügend grosse und verformungsfähige plastische Bereiche zu entwickeln
(Bachmann, 2002). Zwei Parameter zur Beschreibung der post-elastischen Eigenschaften des Stahls
entscheiden über die Duktilität des Tragwerks: Das Verfestigungsverhältnis ks und die Dehnung bei
Höchstlast Agt. Als Mindestanforderung an duktile Bewehrungsstähle wird für das Verfestigungs-
verhältnis 1,15 und für die Dehnung bei Höchstlast 6 % angegeben. Gemäss aktuell gültiger Norm für
Betonbau SIA 262:2013 gilt für B500C ein Verfestigungsverhältnis zwischen 1.15 und 1.35 und eine
Dehnung bei Höchstlast von 7.5 %

3 QUALITÄT DER STABDÜBEL-STÄHLE

Auf der Basis des Grundsatzes von Bachmann untersuchte Bergmann (2019) die zyklische Duktilität
sowie die serielle Aktivierung von *BSB*-Verbindungen. Dabei sind für die Stabdübel Stähle eingesetzt
worden, welche ein höheres Verfestigungsverhältnis und eine höhere Dehnung bei Höchstlast
aufweisen als der üblicherweise verwendete, kaltgezogene S355.

 27
S-WIN-Tagung 2021 L. Furrer, M. Geiser
Von der Forschung zur Praxis

3.1 Material und Methodik

Zu Beginn der Untersuchungen wurden unterschiedliche Stähle getestet und schliesslich eine Auswahl
von drei Stählen festgelegt, welche für die Prüfkörper verwendet wurden. Die Spannungs-Dehnungs-
Kurven dieser drei Stähle sind auf der Abb. 1 durchgezogen, die Kurven der Stahlqualitäten, welche
nicht verwendet worden sind, gestrichelt dargestellt.

Für die Prüfkörper wurden schliesslich S355, geglühter S355 und geglühter ETG100 verwendet. Da
kaltverformte Stähle, wie etwa herkömmlicher S355, während der Herstellung bereits eine Verfestigung
erfahren, verschlechtern sich deren post-elastische Eigenschaften deutlich. Durch Wärmebehandlung
solcher Stähle können jedoch diese Eigenschaften wiedergewonnen werden, was bei einem Vergleich
der Kurven von S355 und geglühtem S355 festgestellt werden kann. Allerdings verliert der Stahl beim
Glühen deutlich an Festigkeit.

Tab. 1: Festigkeiten und post-elastische Eigenschaften der drei Stahlqualitäten, welche für die
 Prüfkörper verwendet wurden.

 Stahlqualität ks [-] Agt [%] fy [MPa] fu [MPa]
 S355 1.03 4.2 630 650
 ETG100 geglüht 1.23 12.2 512 627
 S355 geglüht 1.46 20.7 265 386

Zunächst wurden drei Serien (A.1 bis A.3) mit jeweils drei Prüfkörpern monoton getestet. Pro Prüfserie
wurde dabei einer der in Tab. 1 aufgeführten Stähle für die Stabdübel eingesetzt, ansonsten bestanden
die Holzteile aller Prüfkörper aus GL24h und die 5 mm dicken Schlitzbleche aus handelsüblichem S355.
Geprüft wurden pro Versuch zwei identische, vierschnittige Stahl-Holz-Stabdübelverbindungen mit neun
Stabdübeln mit einem Durchmesser von 6 mm. Auf der Grundlage der Ergebnisse der ersten drei
Prüfserien wurde entschieden, eine weitere Prüfserie (A.4) mit geglühtem ETG100 zu testen. Im
Gegensatz zu den ersten drei Serien wurden jedoch die Anschlüsse zweiseitig mit Vollgewinde-
schrauben verstärkt, um einerseits ein Auseinanderdrücken der Seitenhölzer und andererseits ein
Aufspalten entlang der Stabdübel zu verhindern (Abb. 2).

Abb. 1: Stahlqualitäten, welche getestet worden sind. Die drei Stahlsorten mit durchgezogenen
 Kurven wurden für die Stabdübel der Prüfkörper verwendet. (Bergmann, 2019)

28
L. Furrer, M. Geiser S-WIN-Tagung 2021
 Von der Forschung zur Praxis

Die zyklischen Tests umfassten sechs Serien mit jeweils drei Prüfkörpern. Die Prüfkörper der ersten
drei Serien (B.1 bis B.3) bestanden aus GL24h und waren unverstärkt, diejenigen der Serien B.4 bis
B.6 waren aus LVL-C und zusätzlich verstärkt mit Vollgewindeschrauben (vgl. Abb. 4). Diese
Massnahmen sollten ein frühzeitiges Holzversagen verhindern und zu einer Homogenisierung der
Prüfkörper und der Anschlüsse führen. Abgesehen von diesem Unterschied bestanden sämtliche
Prüfkörper aus jeweils zwei unterschiedlichen Anschlüssen an beiden Enden. Der Prüfanschluss
bestand, wie bei den monotonen Tests, aus einer vierschnittigen Stabdübelverbindung mit 3 x 3
Stabdübeln mit einem Durchmesser von 6 mm. Der Montageanschluss diente nur der Einspannung des
Prüfkörpers in die Prüfmaschine und war mit 3 x 5 Stabdübeln (S355) so überbemessen, dass sich
während der Tests vorwiegend der Prüfanschluss verschob.

Für die Überprüfung der seriellen Aktivierung unter zyklischer Belastung wurden zwei Prüfserien (C.1
und C.2) verwendet, deren Prüfkörper aus jeweils zwei identischen Anschlüssen bestanden (vgl. Abb.
5). Die Anschlüsse entsprachen den Prüfanschlüssen der Serie B.5 beziehungsweise B.6. Eine
Übersicht zu sämtlichen Prüfserien mit jeweils drei Prüfkörpern ist in der Tab. 2 dargestellt.

3.2 Erkenntnisse

Auf die Ergebnisse der Untersuchungen von Bergmann (2019) wird im Kapitel 5 genauer eingegangen.
An dieser Stelle werden nur die Haupterkenntnisse zusammengefasst, da diese die Grundlage für die
weiterführenden Untersuchungen von Furrer (2020) bildeten, die im folgenden Kapitel beschrieben
werden.

 Tab. 2: Prüfplan mit je drei Prüfkörpern pro Serie.
 Test Serie Stabdübel-Stahl ks [-] Agt [%] Holz Verstärkung
 monoton A.1 S355 1.03 4.2 GL24h -
 A.2 ETG100 geglüht 1.23 12.2 GL24h -
 A.3 S355 geglüht 1.46 20.7 GL24h -
 A.4 ETG100 geglüht 1.23 12.2 GL24h zweiseitig VGS
 zyklisch B.1 S355 1.03 4.2 GL24h -
 B.2 ETG100 geglüht 1.23 12.2 GL24h -
 B.3 S355 geglüht 1.46 20.7 GL24h -
 B.4 S355 1.03 4.2 LVL-C einseitig VGS
 B.5 ETG100 geglüht 1.23 12.2 LVL-C einseitig VGS
 B.6 S355 geglüht 1.46 20.7 LVL-C einseitig VGS
 serielle C.1 ETG100 geglüht 1.23 12.2 LVL-C einseitig VGS
 Aktivierung C.2 S355 geglüht 1.46 20.7 LVL-C einseitig VGS

 Abb. 2: Prüfkörper (Serie A.4) für monotone Tests mit zweiseitigen Verstärkungen durch
 Vollgewindeschrauben. (Bergmann, 2019)

 29
S-WIN-Tagung 2021 L. Furrer, M. Geiser
Von der Forschung zur Praxis

Durch den Einsatz von optimierten Stabdübeln stieg der Tragwiderstand und auch die Steifigkeit einer
Stabdübelverbindung. Die monotonen und zyklischen Tests haben ausserdem gezeigt, dass durch den
Einsatz von Stabdübeln aus Stahl mit vorteilhaften post-elastischen Eigenschaften die serielle
Aktivierung möglich war. Des Weiteren konnte die monotone wie auch die zyklische Duktilität durch den
Einsatz solcher Stähle um rund 30% gesteigert werden. Allerdings kam es bei den zyklischen Versuchen
jeweils zu einem frühzeitigen Scherversagen der Stabdübel, wodurch die zyklische Duktilität begrenzt
worden war. Diese Tatsache führte zu der Vermutung, dass die scharfen Kanten der Schlitzbleche eine
Kerbwirkung auf die Stabdübel ausübten, wodurch die Stabdübel unter zyklischer Belastung nicht ihr
volles Fliesspotential ausschöpfen konnten.

4 STAHLQUALITÄTEN UND DETAILAUSBILDUNG

Gemäss Geiser et al. (2020) liegt eine mögliche Erklärung für die Kerbwirkung in einer unvorteilhaften
Hierarchie der Stahlfestigkeiten zwischen dem Stabdübel-Stahl und dem Schlitzblech-Stahl. Die
zyklische Duktilität sollte durch das Verhindern dieser Kerbwirkung auf die Stabdübel verbessert werden
können, was möglicherweise durch die folgenden zwei Massnahmen erreicht werden kann:

 • Herstellen einer Hierarchie der Festigkeiten zwischen Stabdübeln und Schlitzblech
 • Runden oder Fasen der Lochkanten im Schlitzblech

Auf der Grundlage dieser Massnahmen führte Furrer (2020) weiterführende Untersuchungen durch mit
dem Ziel, die zyklische Duktilität zu steigern und ein frühzeitiges Versagen der Stabdübel zu verhindern.
Die Ergebnisse der Untersuchungen von Bergmann (2019) dienten dabei als Basis.

4.1 Material und Methodik

Neben dem Einsatz von Stabdübeln aus Stählen mit vorteilhaften post-elastischen Eigenschaften
wurden die oben beschriebenen Massnahmen folgendermassen umgesetzt: Einerseits sollte eine
Hierarchie der Stahlfestigkeiten zwischen dem Stahl des Schlitzblechs und dem der Stabdübel
hergestellt werden, sodass die Festigkeit des Schlitzblech-Stahls 80% der Fliessgrenze des Stabdübel-
Stahls nicht überschritt. Dies sollte dazu führen, dass die scharfen Kanten der Löcher im Schlitzblech
von den Stabdübeln eingedrückt werden. Andererseits bestand die zweite Massnahme darin, die
Lochkanten mit einem Radius von 2 mm zu runden. Die beiden Massnahmen führten schliesslich zu
vier unterschiedlichen Konfigurationen, welche in der Tab. 3 dargestellt sind. Die Massnahmen wurden
jeweils einzeln und in Kombination angewandt.

Die Symbole sowie die Prüfkörper-ID beziehen sich auf die jeweiligen Eigenschaften einer Verbindung.
Die Konfigurationen 1 bis 3 beinhalten zweischnittige Verbindungen mit 2 x 3 Stabdübeln mit einem
Durchmesser von 8 mm (2S-6d8), die Konfiguration 4 vierschnittige Verbindungen mit 3 x 3 Stabdübeln
mit einem Durchmesser von 6 mm (4S-9d6). Das «K» in der Prüfkörper-ID steht für die Massnahme der
Hierarchie der Stahlfestigkeiten und das «R» für gerundete Lochkanten.

 Tab. 3: Konfigurationen entsprechend der beiden Massnahmen (einzeln und in Kombination)
 Konfiguration 1 2 3 4

 Symbol

 Prüfkörper-ID 2S-6d8-K 2S-6d8-R 2S-6d8-RK 4S-9d6-RK
 Hierarchie X X X
 Gerundete Lochkanten X X X
 Stabdübel-Stahl ETG100 g* S235JR ETG100 g* ETG100 g*
 Schlitzblech-Stahl DD11 S355 DD11 DD11
 *geglüht

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