SIA 380/1: Einfluss der vermeintlich konstanten Eingabedaten auf den Heizwärmebedarf
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SIA 380/1: Einfluss der vermeintlich konstanten Eingabedaten auf den Heizwärmebedarf CAS Bauphysik 2011, Institut Energie am Bau 1/23
Autor/innen Antje Heinrich Dipl.-Ing. Arch., lic. rer. reg., Karlsruhe Baudirektion Kanton Zürich, AWEL, Abteilung Energie, Stampfenbachstrasse 12, 8090 Zürich antje.heinrich@bd.zh.ch Stephan Huber Energieingenieur NDS HTL, dipl. Architekt FH Wichser Akustik + Bauphysik AG, Schaffhauserstrasse 550, 8052 Zürich huber@wichser.ch Die vorliegende CAS-Arbeit wurde von den Studierenden des CAS Bauphysik 2011 erarbeitet. Es muss an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass die Arbeit nicht im Rahmen eines Auftragsverhältnisses erstellt wurde. Weder die Autor/innen noch die Fachhochschule Nordwestschweiz können deshalb für Aktivitäten auf der Basis dieser Studierendenarbeit planerische Haftung übernehmen. CAS Bauphysik 2011, Institut Energie am Bau 2/23
Inhaltsverzeichnis Autor/innen ................................................................................................................2 Inhaltsverzeichnis ......................................................................................................3 1. Ausgangslage.....................................................................................................4 2. Ziel ......................................................................................................................5 3. Vermeintlich konstante Eingabewerte................................................................5 3.1. Berechnung des Heizwärmebedarfs........................................................5 3.2. Die Rolle des Ausnutzungsgrads.............................................................6 3.3. Die Rolle der solaren Wärmegewinne .....................................................6 3.4. Die Rolle des Aussenluftvolumenstroms .................................................8 3.5. Die Rolle der Raumlufttemperatur ...........................................................8 4. Vorgehensweise .................................................................................................9 4.1. Festlegungen für die Fallbeispiele ...........................................................9 4.2. Überprüfung des Ausnutzungsgrads .....................................................10 4.3. Überprüfung der solaren Wärmegewinne..............................................12 4.4. Überprüfung des Aussenluftvolumenstroms..........................................16 4.5. Überprüfung der Raumlufttemperatur....................................................19 5. Ergebnisse........................................................................................................21 6. Anregungen für weiterführende Diskussionen .................................................21 7. Quellenverzeichnis ...........................................................................................23 CAS Bauphysik 2011, Institut Energie am Bau 3/23
1. Ausgangslage In der Pressemitteilung „Energiepolitik der EnDK – Eckwerte und Aktionsplan“ haben die Energiedirektoren verschiedene Massnahmen verabschiedet, die die bevorstehende Versorgungslücke auf Grund des geplanten Atomausstiegs vermeiden sollen. Im Gebäudebereich heisst dies, dass „neue Gebäude ab 2020 sich im Bereiche der Wärmeenergie ganzjährig möglichst selbst versorgen können und Anteile der Versorgung mit Elektrizität übernehmen“. Dem Grundsatz nach entspricht diese Forderung der EU, die die Umsetzung des „nearly zero energy building (NZEB) von ihren Mitgliedstaaten fordert. Damit erhielten die Kantone die Aufforderung, die „Mustervorschriften der Kantone im Energiebereich (MuKEn)“ zu revidieren, sodass diese bis spätestens 2018 Eingang in die kantonale Energie- gesetzgebung finden. Im Zuge der Überarbeitung der MuKEn sind verschiedene Parameter, die für die Berechnung des Heizwärmebedarfs herangezogen werden, zu überprüfen, da bei Nullenergiegebäuden die einzugebenden Parameter möglichst nahe der tat- sächlichen Gegebenheiten entsprechen müssen. So wird bei der heutigen Ermittlung des Heizwärmebedarfs nach der Norm SIA 380/1 „Thermische Energie im Hochbau“, Ausgabe 2009 bei vielen Eingabegrössen davon ausgegangen, dass diese konstant seien. Solare Wärmegewinne: Dies betrifft zum Beispiel die Berechnung der solaren Wärmegewinne. Es fragt sich, ob die solaren Wärmegewinne an Gebäuden nicht überbewertet sind. Heute werden die solaren Wärmegewinne im Monatsverfahren berücksichtigt, was aber zu ungenau ist. Ebenso wird der Verschattungsfaktor pro Fassade pauschal für das ganze Jahr festgelegt, wohin hingegen mit monatlich variierenden Werten eine höhere Treffsicherheit der solaren Gewinne erwartet wird. Eine Abschattung der Fenster durch Betätigung des Sonnenschutzes wird beim Heizwärmebedarf gänzlich vernachlässigt. Aussenluftvolumenstrom: Des Weiteren wird von einem konstanten Lüftungsverhalten ausgegangen. Im SIA 380/1-Nachweis beträgt der thermisch wirksame Aussenluftvolumenstrom bei Wohnbauten 0,7 m3/hm2. Was genau heisst dies aber bezogen auf ein Wohn- zimmer durchschnittlicher Grösse? Oder ist es nicht eher so, dass bei kälteren Aussentemperaturen die Lüftungsdauer deutlich verkürzt wird? Dies würde ebenfalls für eine monatliche Betrachtung der Lüftungsverluste sprechen. Raumlufttemperatur: Die Anforderungen an die Hüllenqualität basieren auf einer festgelegten Raumluft- temperatur. Dies sind für Wohn- und Bürobauten 20° C. In der Regel werden die Gebäude aber auf höheren Raumlufttemperaturen betrieben. Folglich müssten die Anforderungen an die Gebäudehülle auch steigen, um die höheren Wärmeverluste zu kompensieren. Da die heute gültige Version der Norm SIA 380/1 revidiert wird, soll diese Arbeit die notwendige Grundlage bieten, die oben aufgeführten Parameter in der Ermittlung des Heizwärmebedarfs entsprechend zu berücksichtigen. Erst damit ist gewährleistet, dass das Ziel der NZEB möglichst realitätsnah erreicht werden kann. CAS Bauphysik 2011, Institut Energie am Bau 4/23
2. Ziel Der Einfluss der heutigen konstanten Eingabewerte, die aber in Wirklichkeit variabel sind, ist anhand von Fallstudien zu verdeutlichen. Zudem soll aufgezeigt werden, ob die konstanten Werte so, wie sie gemäss der Norm SIA 380/1 zu berücksichtigen sind, einen zu hohen oder zu geringen Heizwärmebedarf ergeben. Dieser Bericht gilt als Sensibilisierung für die Weiterentwicklung der Norm SIA 380/1 und soll als Grundlage für die Kantone zur weiteren Beurteilung und Fest- legung der Grenzwerte und Eingabedaten im SIA 380/1-Nachweis im Hinblick auf die Diskussion der nearly-zero-energy-buildings dienen. 3. Vermeintlich konstante Eingabewerte Der Heizwärmebedarf für Gebäude wird nach dem Berechnungsverfahren, wie es in der SIA Norm 380/1 „Thermische Energie im Hochbau“ beschrieben ist, ermittelt. Hierzu sind unterschiedliche Grössen notwendig, die Eingang in die Berechnung finden. Zu diesen Eingabewerten gehören z.B.: • Solare Wärmegewinne / Verschattungsfaktoren • Aussenluftvolumenstrom • Raumlufttemperatur Die Bedeutung dieser Konstanten in der Berechnung des Heizwärmebedarfs soll aufgezeigt werden. Betrachtet man diese Werte genauer wie zum Beispiel die Verschattungsfaktoren, die fassaden- bzw. fensterabhängig als Konstante für das ganze Jahr ermittelt werden, stellt sich die Frage, ob diese Grundannahmen richtig festgelegt sind und wie hoch ihr Einfluss bei stündlicher Betrachtung auf den Heizwärmebedarf ist. Ein weiteres Beispiel ist der Aussenluftvolumenstrom, der über das ganze Jahr betrachtet von einem gleich bleibenden Luftwechsel ausgeht. Die Raumlufttemperatur wird je nach Nutzungskategorie immer noch auf einen bestimmten Wert festgelegt, obwohl diese Annahmen längstens nicht mehr die Realität abbilden. Diese drei Eingabewerte spielen jedoch eine wichtige Rolle in der Ermittlung des Heizwärmebedarfs. Der Ausnutzungsrad der Wärmegewinne fliesst in diese Betrachtungen mit ein, da er massgeblichen Einfluss auf den Heizwärmebedarf hat. D.h. je höher der Ausnutzungsgrad, desto höher der Anteil der nutzbaren Gewinne, umso tiefer ist der Heizwärmebedarf. Daher können die zuvor beschriebenen Eingabegrössen nicht ohne den Ausnutzungsgrad behandelt werden. 3.1. Berechnung des Heizwärmebedarfs Das Berechnungsverfahren gemäss Norm SIA 380/1 basiert auf einer Energie- bilanzbetrachtung, die entlang der thermischen Gebäudehülle verläuft. Dabei kann die thermische Gebäudehülle gegen aussen, gegen Erdreich, gegen unbeheizte Räume oder gegen beheizte bzw. gekühlte Räume verlaufen. Die Berechnungen beruhen auf einer monatlichen Betrachtungsweise zur Ermittlung des Heizwärme- bedarfs. Der jährliche Heizwärmebedarf ergibt sich aus der Summe des monatlichen Bedarfs. Für die Berechnung des monatlichen Heizwärmebedarfs werden die Transmissionswärme- und Lüftungswärmeverluste den internen und solaren Wärmegewinnen gegenüber gestellt, wobei die Wärmegewinne mit dem Ausnutzungsgrad multipliziert werden. Die internen Wärmegewinne als auch CAS Bauphysik 2011, Institut Energie am Bau 5/23
Eingabewerte wie die Raumlufttemperatur beruhen auf einer Einteilung der Räume in 12 Nutzungskategorien. Dem entsprechend werden zum Beispiel für Gebäude der Nutzungskategorie „Industrie“ tiefere Raumlufttemperaturen zu Grunde gelegt als bei Spitälern oder Hallenbädern. Berechnung des Heizwärmebedarfs: Qh = Σ[QT+QV-ηg(Qi+Qs)] 1 Qh Heizwärmebedarf MJ/m2 QT Transmissionswärmeverlust MJ/m2 QV Lüftungswärmeverlust MJ/m2 ηg Ausnutzungsgrad für Wärmegewinne - Qi interne Wärmegewinne MJ/m2 Qs solare Wärmegewinne MJ/m2 3.2. Die Rolle des Ausnutzungsgrads Der Ausnutzungsgrad gibt an, inwieweit die Wärmegewinne in der Energiebilanz des Gebäudes genutzt werden können. Die Wärmegewinne können nur soweit berücksichtigt werden, solange die Gewinne durch die Gebäudeträgheit nutzbar sind und zu keiner Überhöhung der Raumlufttemperatur führen. Für die Berechnung des Ausnutzungsgrad sind das Verhältnis von Wärmegewinne zu Wärmeverluste und die thermische Trägheit des Gebäudes somit massgeblich. Gemäss Norm SIA 380/1 ist der jährliche Ausnutzungsgrad der Wärmegewinne gleich der Jahressumme der genutzten Wärmegewinne geteilt durch die Jahres- summe der Wärmegewinne. In der vorliegenden Arbeit wird der Ausnutzungsgrad selbst nicht hinterfragt, sondern fliesst gemäss Definition EN ISO 13790:2008 ein. Berechnung des Ausnutzungsgrad ηg: wenn γ>1 und ≠ 1 dann ηg = (1-γa) / (1-γa+1) [2] wenn γ=1, dann ηg = a / (a+1) wenn Qot ≤ 0, dann ηg = 0 ηg Ausnutzungsgrad für Wärmegewinne - γ Wärmegewinn/-verlust-Verhältnis - a Parameter für Ausnutzungsgrad - Qot Gesamtwärmeverlust MJ/m2 3.3. Die Rolle der solaren Wärmegewinne Die solaren Wärmegewinne sind von den jeweiligen Klimabedingungen, die am Standort des Gebäudes herrschen, abhängig. In Davos zum Beispiel scheint die Sonne an Wintertagen mehr Stunden als dies in Zürich der Fall ist. Um diesem Umstand gerecht zu werden, ist für die Berechnung des Heizwärmebedarfs die entsprechende Klimastation auszuwählen. Als Grundlage für die Klimadaten wird auf die Klimastationen im SIA Merkblatt 2028 „Klimadaten für Bauphysik, Energie- 1 Quelle: Norm SIA 380/1 „Thermische Energie im Hochbau“, Kap. 1.2.1 2 Quelle: Norm SN EN ISO 13790:2008 „Energieeffizienz von Gebäuden – Berechnung des Energiebedarfs für Heizung und Kühlung“, Kap. 12.2.1.1 CAS Bauphysik 2011, Institut Energie am Bau 6/23
und Gebäudetechnik“ zurückgegriffen, dem die Monatsmitteltemperaturen zu entnehmen sind. Für die Ermittlung der globalen (direkt und diffus) Sonnenstrahlung ist die Aus- richtung des Fensters ausschlaggebend, wobei die globale Sonnenstrahlung für die vier vertikalen Hauptausrichtungen berechnet wird. Der solare Wärmegewinn hängt von dem Gesamtenergiedurchlassgrad der Verglasung und der Verschattung der Fenster ab. In der Regel wird der Gesamt- energiedurchlassgrad für senkrecht einfallendes Licht angegeben. Da der Einfalls- winkel variiert und die Verschmutzung den Gesamtenergiedurchlassgrad ebenfalls reduziert, wird der Gesamtenergiedurchlassgrad um 10% gemindert. Die solaren Gewinne werden durch die Verschattung der Fenster auf Grund der Topographie und etwaiger baulichen Elementen reduziert. Hierzu werden die Verschattungsfaktoren ermittelt, die die solaren Gewinne abmindern. Der Verschattungsfaktor Horizont wird für die Fassade festgelegt, der Verschattungs- faktor für Überhang und Seitenblende für das jeweilige betroffene Fenster. Aus der Multiplikation der drei Faktoren ergibt sich pro Fenster die Abminderung der solaren Gewinne. FS = FS1 ∗ FS2 ∗ FS3 3 FS1 Verschattungsfaktor Horizont (Topographie und andere Gebäude) FS2 Verschattungsfaktor Überhang FS3 Verschattungsfaktor Seitenblende Berechnung der solaren Wärmegewinne am Beispiel der Südfassade: QsS = GsS ∗ AwS ∗ 0.9 ∗ g⊥ ∗ FF ∗ FSS / A E 4 QsS solarer Wärmegewinn Süd MJ/m2 GsS globale Sonnenstrahlung Süd MJ/m2 AwS Fenster Süd m2 g⊥ Gesamtenergiedurchlassgrad Fenster (senkrecht) - FF Abminderungsfaktor für Fensterrahmen - FSS Verschattungsfaktor Süd - AE Energiebezugsfläche m2 Berechnung der gesamten solaren Wärmegewinne: QS = QsH + QsS + QsE + QsW + QsN 5 QS solarer Wärmegewinn total MJ/m2 QsH solarer Wärmegewinn horizontal MJ/m2 QsS solarer Wärmegewinn Süd MJ/m2 QsE solarer Wärmegewinn Ost MJ/m2 QsW solarer Wärmegewinn West MJ/m2 QsN solarer Wärmegewinn Nord MJ/m2 3 Quelle: Norm SIA 380/1 „Thermische Energie im Hochbau“, Kap. 3.5.4.12 4 Quelle: Norm SIA 380/1 „Thermische Energie im Hochbau“, Anhang E 5 Quelle: Norm SIA 380/1 „Thermische Energie im Hochbau“, Anhang E CAS Bauphysik 2011, Institut Energie am Bau 7/23
3.4. Die Rolle des Aussenluftvolumenstroms Für eine gute und angenehme Luftqualität im Raum muss die Luft in entsprech- enden Abständen ausgetauscht werden. Der minimale Aussenluftvolumenstrom ist gemäss der Norm SIA 180 und 382/1 auszulegen. Für die Berechnung der Lüftungsverluste ist der gemittelte Aussenluftvolumenstrom zu berücksichtigen. Für natürlich belüftete Räume ist der minimale Aussenluftvolumenstrom, der für die Erneuerung der Raumluft zur Vermeidung von Schadstoffen und ähnlichem nötig ist, einzusetzen. In der Norm SIA 380/1 sind die Aussenluftvolumenströme bezogen auf die Energiebezugsfläche in Abhängigkeit der 12 Standardnutzungs- kategorien aufgeführt. Für Wohn- und Verwaltungsbauten beträgt der Aussenluft- volumenstrom 0,7 m3/(hm2). Dieser Wert ist etwas höher als der hygienisch notwendige Aussenluftvolumenstrom von 0,5 m3/(hm2). Die Lüftungsverluste berechnen sich wie folgt: QV = (θoc - θe) V/AE ∗ tc ∗ pa•ca ∗ 24 / 106 [6] QV Lüftungswärmeverluste MJ/m2 θoc Raumlufttemperatur mit Regelungszuschlag °C θe Aussentemperatur °C V/AE flächenbezogener Aussenluftvolumenstrom m3/(hm2) tc Länge der Berechnungsperiode d pa•ca spez. Wärmespeicherfähigkeit der Luft J/(m3K) Mit dem flächenbezogenem Aussenluftvolumenstrom von 0,7 m3/(hm2) liegt die Eingabe-grösse für die Berechnung des Heizwärmebedarfs zwar vor, aber was dies konkret für das Lüftungsverhalten eines Nutzers heisst, ist unklar. Hierzu ist zu ermitteln, wie hoch der Lüftungsvolumenstrom ist. Berechnung des Lüftungsvolumenstroms eines vollständig geöffneten Fensters: 7 V’E = cd ∗ H ∗ B ∗ 1/3 √ (g ∗ H (Ti – Ta) / Ta) m3/s V’E Lüftungsvolumenstrom m3/s cd Durchlassfaktor (∼ 0,6) - H Höhe Öffnung m B Breite Öffnung m g Erdbeschleunigung (9,81) m/s2 Ti Raumlufttemperatur K Ta Aussenlufttemperatur K 3.5. Die Rolle der Raumlufttemperatur Die Raumlufttemperatur ist die Kenngrösse, für die der Heizwärmebedarf berechnet wird. D.h. für Gebäude gleicher thermischer Gebäudehülle sind die Transmissionsverluste und damit der Heizwärmebedarf bei niedrigerer Raumluft- temperatur kleiner und entsprechend bei höherer Raumlufttemperatur grösser. In der Norm SIA 380/1 wird für jede Standardnutzungskategorie ein räumlicher und zeitlicher Mittelwert über das ganze Gebäude festgelegt, in dem die Heizungs- absenkung berücksichtigt wird. Dabei wird davon ausgegangen, dass die 6 Quelle: Norm SIA 380/1 „Thermische Energie im Hochbau“, Anhang E 7 Quelle: Merkblatt SIA 2023 „Lüftung in Wohnbauten“, Anhang C CAS Bauphysik 2011, Institut Energie am Bau 8/23
Temperaturregelung in allen Räumen schnell auf sich ändernde Gegebenheiten reagiert. Ein etwaiger Temperaturzuschlag berücksichtigt den Einfluss einer nicht optimalen Regelung auf den Heizwärmebedarf. Gemäss Norm SIA 380/1 wird für Wohn- und Verwaltungsbauten eine Raumluft- temperatur von 20° C festgelegt. Die Berücksichtigung der Raumlufttemperatur ist in der Berechnung der Lüftungsverluste als auch der Transmissionswärmeverluste pro Bauteil zu finden. Berechnung der Lüftungswärmeverluste: QV = (θoc - θe) V/AE ∗ tc ∗ pa•ca ∗ 24 / 106 Berechnung der Transmissionswärmeverluste aufgezeigt am Beispiel Dach: QRE = (θoc - θe) tc ∗ ARe ∗ URe ∗ 86400 / AE ∗ 106 [8] QRe Transmissionswärmeverlust (Dach) MJ/m2 θoc Raumlufttemperatur mit Regelungszuschlag °C θe Aussentemperatur °C tc Länge der Berechnungsperiode d ARe Fläche Dach gegen Aussenluft m2 URe U-Wert Dach gegen Aussenluft W/(m2K) AE Energiebezugsfläche m2 Die Transmissionswärmeverluste der weiteren am Gebäude vorkommenden Bauteile werden entsprechend dem Beispiel „Dach gegen Aussenluft“ berechnet. 4. Vorgehensweise Für die Berechnung des Heizwärmebedarfs werden in der Regel lizenzierte Softwareprogramme verwendet. Für die Überprüfung der einzelnen Eingabedaten wurde das Programm „Entech“ der Huber Energietechnik AG, Zürich verwendet, dessen Source-Code offen ist, sodass die konstanten Grössen manuell geändert werden und als Berechnungsgrundlage der solaren Gewinne die Klimadaten der Klimastation Zürich MeteoSchweiz im Stundenschritt verwendet werden können. Als Ausgangslage dienen drei Fallbeispiele, die mit der heute gültigen Version der Norm SIA 380/1 berechnet wurden. Die Ergebnisse mit den geänderten Eingabe- werten werden anschliessend mit denen der Ausgangslage verglichen, um somit eine Aussage hinsichtlich der Genauigkeit der Heizwärmebedarfsberechnung treffen zu können. Die Rückschlüsse werden in der Zusammenfassung dargestellt. 4.1. Festlegungen für die Fallbeispiele Für die Betrachtung der Fallbeispiele wird die SIA Norm 380/1, Ausgabe 2009 mit ihren Grenz- und Eingabewerten zu Grunde gelegt. Es werden drei Fallbeispiele ausgewählt: zwei Wohnbauten (EFH, MFH) und ein Verwaltungsbau. Für die Untersuchung wird von folgenden Annahmen ausgegangen: 8 Quelle: Norm SIA 380/1 „Thermische Energie im Hochbau“, Anhang E CAS Bauphysik 2011, Institut Energie am Bau 9/23
Klimastation: Zürich MeteoSchweiz Höhenlage über Meer: 450 m Raumlufttemperatur: 20° C Thermisch wirksamer Aussenluftvolumenstrom: 0,7 m3/(hm2) [ohne KWL] Wärmespeicherfähigkeit: 0,5 MJ/(m2K) Interne Wärmegewinne: gemäss Norm SIA 380/1 Geschosshöhe (keine Raumhöhenkorrektur) 3m Vorlauftemperatur der Fussbodenheizung: 35° C / 40° C (Verwaltung) Die U-Werte der opaken Bauteile werden so festgelegt, dass die Grenzwerte gemäss Norm SIA 380/1 der drei Fallbeispiele gerade erfüllt werden. Anhand der Untersuchung der zuvor beschriebenen „konstanten“ Eingabedaten soll somit transparent werden, inwieweit sich der Heizwärmebedarf in Bezug auf den Grenz- wert verändert. Als Fallbeispiele wurde jeweils ein Gebäude der Kategorie EFH, MFH und Verwaltung mit den folgenden Kenndaten ausgewählt: Kategorie EFH MFH Verwaltung 2 2 EBF 310 m 1’691 m 2’860,5 m2 Gebäudehüllzahl 2,11 1,11 1,06 Flächenanteil Fenster/EBF 40 % 23 % 24 % Höchster Glasanteil pro Fassade 67 % (SW) 41 % (W) 56 % (NE) 2 2 Heizwärmebedarf 188 MJ/m 118 MJ/m 144 MJ/m2 Grenzwert 188 MJ/m2 118 MJ/m2 144 MJ/m2 Transmissionswärmeverluste 310 MJ/m2 180 MJ/m2 223 MJ/m2 Lüftungswärmeverluste 74 MJ/m2 74 MJ/m2 81 MJ/m2 Solare Wärmegewinne 214 MJ/m2 95 MJ/m2 148 MJ/m2 Ausnutzungsgrad 0,68 0,70 0,64 4.2. Überprüfung des Ausnutzungsgrads Der Ausnutzungsgrad hängt, wie in Kapitel 3.2 beschrieben, vom Verhältnis der Wärmegewinne zu den Wärmeverlusten und der thermischen Trägheit des Gebäudes ab. D.h. je höher der Ausnutzungsgrad umso mehr Wärmegewinne können genutzt werden. Daraus ergibt sich, dass in den Monaten mit einer tiefen Aussentemperatur die Wärmegewinne zu 100 % dem Gebäude zugute kommen. Im Gegensatz zu den Wintermonaten ist im Sommer die Aussentemperatur zwar höher, dadurch die Transmissionsverluste tiefer, sodass die Wärmegewinne nur zu einem kleinen Teil genutzt werden können. Der Ausnutzungsgrad wird am Beispiel des Einfamilienhauses anhand unter- schiedlicher Raumlufttemperaturen überprüft. Damit soll aufgezeigt werden, inwieweit die Wärmegewinne besser genutzt werden können. D.h. es ist zu erwarten, dass über einen längeren Zeitraum der Ausnutzungsgrad gleich 1 ist als mit niedrigerer Raumlufttemperatur. CAS Bauphysik 2011, Institut Energie am Bau 10/23
Abbildung 1: Ausnutzungsgrad in Abhängigkeit der Raumlufttemperatur und mittleren Aussentemperatur am Beispiel des EFH Wie die Abbildung 1 zeigt, liegt der Ausnutzungsgrad bei einer Raumlufttemperatur von 20° C in den Wintermonaten Januar, Februar, März und Oktober, November, Dezember bei 1. Bei einer Raumlufttemperatur von 24° C steigt der Ausnutzungs- grad im Monat April auch auf 1, die solaren Gewinne lassen sich besser nutzen. Somit ist es von Bedeutung, wie hoch die solaren Gewinne ausfallen, d.h. ob die solaren Gewinne auf Grund von Verschattung beeinträchtigt werden. In der folgenden Abbildung wird für das Beispiel EFH der Heizwärmebedarf für die Raumlufttemperaturen von 20°, 22° und 24° C gegenüber dem Ausnutzungsgrad aufgetragen. Abbildung 2: Heizwärmebedarf bei unterschiedlichen Raumlufttemperaturen und Ausnutzungsgrad am Beispiel EFH CAS Bauphysik 2011, Institut Energie am Bau 11/23
Eine höhere Raumlufttemperatur bedingt einen höheren Heizwärmebedarf. Wie gross die Auswirkung der Raumlufttemperatur auf den Heizwärmebedarf ist, wird in Kapitel 4.5 „Überprüfung der Raumlufttemperatur“ aufgezeigt. Deutlich zu erkennen ist, dass bei einer Raumlufttemperatur von 24° C im Vergleich zu 20° und 22° C der Ausnutzungsgrad in den Monaten Mai und September höher ist. Bei einer Raumlufttemperatur von 20° C besteht in diesen beiden Monaten kein Heizwärmebedarf im Vergleich zur Raumlufttemperatur von 24° C. Für das Fallbeispiel MFH ergibt sich ein vergleichbares Diagramm wie für das EFH, weshalb auf die Darstellung an dieser Stelle verzichtet wurde. Das Fallbeispiel „Verwaltungsgebäude“ verfügt mit einem erhöhten Glasanteil folglich auch über einen hohen Anteil an solaren Wärmegewinnen. Wie sich eine Veränderung der Raumlufttemperatur auf den Ausnutzungsgrad auswirkt, zeigt die folgende Abbildung. Abbildung 3: Heizwärmebedarf bei unterschiedlichen Raumlufttemperaturen und Ausnutzungsgrad am Beispiel Verwaltung Der Ausnutzungsgrad beim Verwaltungsgebäude beträgt nur in den Monaten Januar und Dezember 100 %. Da es sich um ein Gebäude mit hohem Glasanteil handelt, nimmt der Ausnutzungsgrad bereits innerhalb der Heizperiode verglichen mit den beiden Beispielen EFH und MFH deutlich ab. Gleichzeitig zeigt sich hier bei hoher Raumlufttemperatur ein ganzjähriger Heizwärmebedarf. 4.3. Überprüfung der solaren Wärmegewinne Die Höhe des solaren Wärmeeintrags hängt von der Verschattung auf Grund von Überhängen oder Seitenblenden der einzelnen Fensterflächen am Gebäude ab. Die Verschattung durch den Horizont wird in den folgenden Betrachtungen nicht in Frage gestellt und somit gemäss den Vorgaben nach der Norm SIA 380/1 über- nommen. Die stündlichen Verschattungsfaktoren werden anhand des Sonnen- verlaufs (Standort Zürich, Schweiz) mit der Software „Überhänge, Markisen & Mauervorsprünge“ ermittelt. Die Ergebnisse werden mit den Verschattungs- faktoren, wie sie mit dem Hilfstool „Berechnung der Verschattungsfaktoren“ ermittelt werden können, verglichen. CAS Bauphysik 2011, Institut Energie am Bau 12/23
Um die Verschattungsfaktoren zu überprüfen, werden jene Fenster am Fallbeispiel EFH ausgewählt, die entweder einen Überhang und/oder Seitenblenden auf- weisen. Die stündlichen Verschattungen nach dem Tool „Überhänge, Markisen & Mauervorsprünge“ werden zu einem Monatswert zusammengefasst. Zusätzlich werden die Faktoren für die Heizperiode Oktober bis April und das ganze Jahr berechnet. Die unterschiedlichen Werte werden anhand einiger aussagekräftiger Beispiele aufgezeigt. Da der Verschattungsfaktor Horizont FS1 nicht hinterfragt wird, wird er an dieser Stelle nicht berücksichtigt, da die Topographie als auch die nähere Umgebung nicht beeinflussbar ist. Abbildung 4: Verschattungsanteile an einem Fenster (1,05 m x 1,15 m) Nordwestfassade (Seitenblende) Wenn die Verschattungsfaktoren nach EN ISO13790 ermittelt werden, ergibt sich für das betroffene Fenster eine Reduktion der solaren Wärmegewinne um 14 %. Bei der stündlichen Betrachtung des effektiven Sonnenverlaufs auf die Nordwest- fassade ist keine Verschattung des Fensters nachzuweisen. Folglich fällt der Heizwärmebedarf unter Berücksichtigung der solaren Wärmegewinne nach EN ISO13790 höher aus, als er tatsächlich ist. CAS Bauphysik 2011, Institut Energie am Bau 13/23
Abbildung 5: Verschattungsanteile an einem Fenster (2,20 m x 2,25 m) Südostfassade (Seitenblende) Während die Betrachtung nach EN ISO13790 eine Verschattung von 38 % ausweist, ist bei stündlicher Ermittlung das Jahresmittel nur bei 7 %. Für die massgebliche Heizperiode sind dies sogar nur 3 % im Mittel. Auch im Monat Juni wird bei der stündlichen Berücksichtigung des Sonnenverlaufs mit 16 % eine deutlich tiefere Reduktion der solaren Wärmegewinne als das Jahresmittel mit 38 % nach EN ISO13790 bestimmt. Am Beispiel der Südostfassade wird aufgezeigt, wie hoch die solaren Wärme- gewinne mit den effektiven Verschattungsfaktoren und nach EN ISO13790 sind. Die Transmissionswärmeverluste der Fenster bleiben in beiden Fällen gleich gross, da diese Verluste unabhängig von der Ausrichtung der Sonneneinstrahlung sind. Abbildung 6: Solarer Wärmegewinn nach effektiven Verschattungsfaktoren und nach EN ISO13790 (Südostfassade) CAS Bauphysik 2011, Institut Energie am Bau 14/23
Werden die Verschattungsfaktoren nach EN ISO13790 ermittelt, ergeben sich tiefere solare Wärmegewinne als nach den effektiven Verschattungsfaktoren. Am grössten ist der Unterschied während der Heizperiode im Monat März und April, hier beträgt die Differenz 0,5 MJ/m2a. Nach EN ISO13790 heben sich in diesem Beispiel die Gewinne (18 MJ/m2a) und Verluste (16 MJ/m2a) für die Südostfassade nahezu auf, mit den effektiven Verschattungsfaktoren ergeben sich mehr Gewinne als Verluste. Auf das ganze Gebäude bezogen sinkt der Heizwärmebedarf unter Berücksichtigung der effektiven Verschattung von 188 MJ/m2a auf 182 MJ/m2a, wie die folgenden beiden Abbildungen zeigen. Abbildung 7: Heizwärmebedarf mit solaren Wärmegewinnen nach EN ISO13790 (EFH) Abbildung 8: Heizwärmebedarf mit solaren Wärmegewinnen nach effektiver Verschattung (EFH) CAS Bauphysik 2011, Institut Energie am Bau 15/23
Der Vergleich der beiden oberen Abbildungen zeigt, dass die solaren Wärme- gewinne bei der effektiven Betrachtung höher ausfallen, wodurch der Aus- nutzungsgrad auch steigt. Eine Abweichung des Heizwärmebedarfs auf Grund der Ermittlung der solaren Wärmegewinne nach EN ISO13790 und den effektiven solaren Wärmegewinnen ist somit nachgewiesen. Jedoch beträgt die Reduktion des Heizwärmebedarfs bei diesem Beispielgebäude nur 6 MJ/m2a, was 3 % entspricht. Wird die Betrachtung auf das Beispielgebäude MFH ausgeweitet, ergibt sich eine Reduktion von 10 % (- 11 MJ/m2), für das Verwaltungsgebäude von 0 % aus. Dies liegt darin begründet, dass die Fensterflächen des Verwaltungs- gebäudes durch keine Überhänge oder Seitenblenden verschattet wird. 4.4. Überprüfung des Aussenluftvolumenstroms Wie sich die Lüftungswärmeverluste berechnen, wurde im Kapitel 3.4 beschrieben. Im Folgenden soll ermittelt werden, wie hoch der Lüftungsvolumenstrom für eine 3,5-Zimmerwohnung mit 85 m2 Grundfläche des Beispielobjekts MFH ist. Davon ausgehend soll abgeleitet werden, wie lange eine Lüftungsöffnung offen stehen muss, um den hygienischen Luftwechsel für diese 3,5-Zimmerwohnung zu gewährleisten. Ermittlung des Lüftungsvolumenstroms: V/AE = 0,7 m3/(hm2) ergibt für AE = 85 m2 einen Lüftungsvolumenstrom von V = 0,7 m3/(hm2) ∗ 85 m2 = 59,5 m3/h Im nächsten Schritt soll aufgezeigt werden, wie gross ein Fenster sein muss, um einen Volumenstrom von 59,5 m3/h zu erhalten. Für die Berechnung wird von einem Schiebeelement (entspricht einem Öffnungswinkel von 180°) mit einer Höhe von 2,20 m und einer Aussentemperatur von -10° C ausgegangen. Der Volumen- strom wird auf Sekunden umgerechnet, woraus sich ein Lüftungsvolumenstrom von V’E = 0,0164 m3/s ergibt. Eine etwaige Infiltration auf Grund der Undichtigkeit der Gebäudehülle wird ausser Acht gelassen. Die Gleichung wird nach der Breite der Öffnung aufgelöst: 0,0164 m3/s = 0,6 ∗ 2,2 m ∗ X ∗ 1/3 √ (9,81 m/s2 ∗ 2,2 m (293 K – 263 K) / 263 K) X = 0,024 m Das heisst, für einen hygienischen Lüftungsvolumenstrom müsste ein 2,20 m hohes Fenster den ganzen Tag 2,4 cm offen stehen. Umgerechnet auf ein Zeitintervall von 15 min müsste bei einer Aussentemperatur von -10° C das Schiebeelement 2,30 m weit geöffnet werden, um den not- wendigen Luftaustausch zu erhalten. Da der Lüftungsvolumenstrom von der Aussentemperatur abhängig ist, wird für die zuvor beschriebene Wohnung die notwendige Lüftungsdauer in Abhängigkeit der Aussentemperaturen ermittelt. Die Raumlufttemperatur beträgt 20° C ent- sprechend der Nutzungskategorie gemäss Norm SIA 380/1. CAS Bauphysik 2011, Institut Energie am Bau 16/23
Abbildung 9: Lüftungsdauer in Abhängigkeit der Aussentemperatur für eine Öffnungsfläche von 2,20 m x 2,30 m (Öffnungswinkel 180°) Die Abbildung 9 zeigt, dass mit steigender Aussentemperatur bei gleich bleibendem Lüftungsvolumenstrom die Lüftungsdauer zunimmt. So ist die 3,5- Zimmerwohnung bei einer Aussentemperatur von -15° C nur 14 min, bei 15° C aber fast 40 min lang zu lüften. Dies beruht auf der Tatsache, dass der Luftaus- tausch durch die Dichtedifferenz der Luft, die auf Grund der unterschiedlichen Temperaturen entsteht, zwischen innen und aussen bestimmt wird. Deshalb ist die notwendige Lüftungsdauer bei tiefen Aussentemperaturen am geringsten. Für die Berechnung der Lüftungsverluste nach Norm SIA 380/1 wird davon aus- gegangen, dass die Räume kontinuierlich am Tag und in der Nacht gelüftet werden. Der Aussenluftvolumenstrom über 24 Stunden betrachtet ist somit immer gleich (0,7 m3/hm2). Dies gilt für alle drei Fallbeispiele und ist unabhängig von der Gebäudekubatur, da bei den drei Nutzungen EFH, MFH und Verwaltung der Aussenluftvolumenstrom gleich ist. Für den Monat April ergibt sich demgemäss ein Lüftungswärmeverlust von 6,7 MJ/m2. Abbildung 10: Lüftungswärmeverlust im Stundenschritt für Monat April (EFH) (blau = Lüftungsverlust, rot = Aussentemperatur) Eine Unterscheidung zwischen Tag- und Nachtbetrieb findet nicht statt. Insbesondere im Wohnungsbau zeigt es sich, dass die Bewohner sich in zwei Nutzerkategorien einteilen lassen. Dies ist zum einen die Gruppe, die nachts die Fenster geschlossen hält und jene, die nachts die Fenster gekippt lässt. Beide Fälle werden in der Norm SIA 380/1 nicht korrekt berücksichtigt. So wird auch bei einem Verwaltungsgebäude der Lüftungswärmeverlust über 24 Stunden am Tag CAS Bauphysik 2011, Institut Energie am Bau 17/23
berechnet, obwohl mitunter eine Lüftungsanlage nur tagsüber betrieben werden soll. Diese zuvor beschriebene Fallunterscheidung wird für den Monat April durchgeführt, da insbesondere in diesem Monat Tage mit einer Aussentemperatur von mehr als 20° C einfliessen. Nachts sind die Temperaturen aber deutlich tiefer als die Tageswerte. Die beiden Fälle werden anhand des Fallbeispiels EFH untersucht. Wie sich die Lüftungsverluste bei Tag- und Nachtbetrieb verändern, zeigen die beiden folgenden Abbildungen. Abbildung 11: Lüftungswärmeverluste im Monat April bei Lüftungstätigkeit nur zwischen 8h und 20h (Taglüftung) (blau = Lüftungsverlust, rot = Aussentemperatur) Bei einer Lüftungstätigkeit am Tag ergibt sich eine höhere Tagesmitteltemperatur (ohne Nachtstunden) von 10,45° C statt 8,4° C und damit verbunden ein kleinerer Lüftungswärmeverlust von 5,57 MJ/m2 statt 6,70 MJ/m2. Bei einer Zunahme der Aussentemperatur von 2 K senkt sich der Lüftungsverlust um 17 %. Abbildung 12: Lüftungswärmeverluste im Monat April bei Lüftungstätigkeit nur zwischen 20h und 8h (Nachtlüftung) (blau = Lüftungsverlust, rot = Aussentemperatur) Wird das Gebäude nur nachts gelüftet, ergeben sich eine Aussenmitteltemperatur von 6,5° C und ein Lüftungswärmeverlust von 7,87 MJ/m2 statt 6,70 MJ/m2. Vergleicht man dieses Ergebnis mit den Lüftungswärmeverlusten am Tag, zeigt sich, dass die Lüftungswärmeverluste nachts von der monatlichen Betrachtungs- weise geringfügig stärker abweichen als die Lüftungswärmeverluste aus- schliesslich am Tag. Die Differenz des Lüftungswärmeverlusts zwischen Tag- und Nachtbetrieb liegt darin begründet, dass am Tag Stunden mit einer Aussentemperatur von mehr als 20° C vorhanden sind. Somit ergeben sich für diese Stunden negative Lüftungs- wärmeverluste (=Lüftungswärmegewinn). CAS Bauphysik 2011, Institut Energie am Bau 18/23
4.5. Überprüfung der Raumlufttemperatur Wie die Erfahrung zeigt, werden die heutigen Gebäude auf deutlich höheren Raumlufttemperaturen geheizt, als es gemäss den Standardnutzungen in der Norm SIA 380/1 vorgesehen ist. Die heutigen Nutzungsbedingungen und insbesondere die Anforderungen an den Komfort haben bislang keine Berück- sichtigung in der Norm SIA 380/1 gefunden. Im Volksmund wird davon ausgegangen, dass ein Grad höhere Raumlufttemperatur ungefähr 6 % mehr Heizwärmebedarf entspricht. Dies beruht auf dem Zusammenhang zwischen den früher benutzten Heizgradtagen und den Heiztagen. Um wie viel höher der Heiz- wärmebedarf tatsächlich ist, wird anhand der Anpassung der Raumlufttemperatur für die drei Fallbeispiele ermittelt. Fallbeispiel 1: EFH Raumlufttemperatur ohne Heizwärmebedarf (in MJ/m2) Anteil (in %) Regelungszuschlag (in °C) 20 188 100 21 208 111 22 230 122 23 252 134 24 276 147 25 301 160 Fallbeispiel 2: MFH Raumlufttemperatur ohne Heizwärmebedarf (in MJ/m2) Anteil (in %) Regelungszuschlag (in °C) 20 118 100 21 132 112 22 146 124 23 162 137 24 178 151 25 195 165 Fallbeispiel 3: Verwaltung Raumlufttemperatur mit Heizwärmebedarf (in MJ/m2) Anteil (in %) Regelungszuschlag (in °C) 20 144 100 21 160 111 22 177 123 23 195 135 24 214 149 25 233 162 CAS Bauphysik 2011, Institut Energie am Bau 19/23
Abbildung 13: Veränderung des Heizwärmebedarfs in Abhängigkeit der Raumlufttemperatur Wie die Abbildung 13 zeigt, vergrössert sich der Heizwärmebedarf bei einer Erhöhung der Raumlufttemperatur um 2 K bei den drei Fallbeispielen um 22 – 25 %. Diese Zunahme des Heizwärmebedarfs ist nur wenig von der Nutzungs- kategorie abhängig, bei allen drei Beispielen liegt sie in einem ähnlichen Bereich. Da die Kurven nahezu linear wirken, wird anhand des Beispiels MFH der Anteil des Heizwärmebedarfs bis zu einer Raumlufttemperatur bis 0° C untersucht. Abbildung 14: Veränderung des Heizwärmebedarfs in Abhängigkeit der Raumlufttemperatur zwischen 0° und 25° C (MFH) Wie man der Kurve entnehmen kann, besteht keine lineare Abhängigkeit zwischen Heizwärmebedarf und Raumlufttemperatur. Wird die Raumlufttemperatur aus- gehend von 20° C um 4° C erhöht, steigt der Heizwärmebedarf um 50 %. Soll der Heizwärmebedarf jedoch um 50 % gesenkt werden, ist die Raumlufttemperatur um 5° C zu reduzieren. Für eine heute übliche Raumlufttemperatur von 22° C ist ein Mehraufwand an Energie in Höhe 25 % in Kauf zu nehmen. CAS Bauphysik 2011, Institut Energie am Bau 20/23
5. Ergebnisse Ausnutzungsgrad / Solare Wärmegewinne / Verschattungsfaktoren: Die Ermittlung der Verschattungsfaktoren nach EN ISO13790, wie sie in der Norm SIA 380/1 zu berücksichtigen sind, sind im Vergleich zur Verschattung auf Stundenbasis zu streng. D.h. die solaren Wärmeeinträge sind tatsächlich höher als sie nach der Norm SIA 380/1 Einfluss in die Berechnung des Heizwärmebedarfs finden. Bei dieser Feststellung ist es untergeordnet, um welche Fassaden- orientierung oder um welchen Glasanteil es sich handelt. Die Differenzen zeigen sich bei allen Fassaden. Jedoch haben die Verschattungsfaktoren im Stundenschritt nur einen geringfügigen Einfluss auf den Heizwärmebedarf. Dies beruht auf der Tatsache, dass der Ausnutzungsgrad innerhalb der Heizperiode zumindest bei den betrachteten Fallbeispielen fast schon bei 100 % liegt. Aussenluftvolumenstrom: Wie sich in Kapitel 4.4 gezeigt hat, hängt die Lüftungsdauer für einen konstanten Aussenluftvolumenstrom von der Aussentemperatur ab. Je kälter es aussen ist, umso kürzer fällt die erforderliche Dauer für den notwendigen Luftwechsel aus. Ausgehend von den Betrachtungen der Lüftungswärmeverluste spielt es eine markante Rolle, ob nachts oder tagsüber gelüftet wird. Je nach Nutzerverhalten wird somit der Heizwärmebedarf nach der heute gültigen Version der Norm SIA 380/1 zu tief oder zu hoch ermittelt. Raumlufttemperatur: Wie die Abbildung 13 und Abbildung 14 zeigen, hat die Raumlufttemperatur einen markanten Einfluss auf den Heizwärmebedarf eines Gebäudes. Die Erhöhung der Raumlufttemperatur ergibt einen deutlich höheren Heizwärmebedarf als die allgemein erwarteten 6 % pro Grad. Insbesondere in Hinblick auf die Forderung der EnDK nach nearly-zero-energy-buildings (NZEB) ist zu überlegen, ob nicht die tatsächliche, benutzerspezifische Raumlufttemperatur in der Berechnung des Heizwärmebedarfs zu berücksichtigen ist oder Massnahmen ergriffen werden müssen, die der Berechnung zu Grunde gelegte Raumlufttemperatur limitiert. 6. Anregungen für weiterführende Diskussionen Die Überprüfung der so genannten konstanten Eingabewerte hat einige Ergebnisse ergeben, die in der anstehenden Revision der Norm SIA 380/1 Eingang finden sollten. Ausnutzungsgrad / solare Wärmegewinne / Verschattungsfaktoren: Die solaren Wärmegewinne, wie sie gemäss der Norm SIA 380/1 Eingang in die Berechnungen finden, haben sich in ihrer Richtigkeit bestätigt. Eine Abweichung von 3 % des Heizwärmebedarfs bei Berücksichtigung der effektiven Verschattung ist eine zu vernachlässigbare Grösse. Somit ist ein Einbezug der Fensterleibung, wie sie im Merkblatt Fenster der EnFK vorgeschlagen wird, ausreichend. Jedoch sei darauf hingewiesen, dass insbesondere bei z.B. Verwaltungsbauten die solaren Wärmegewinne auf Grund von betätigten Blendschutzeinrichtungen deutlich reduziert werden können. Dies gilt analog für bewegliche Sonnenschutz- einrichtungen z.B. an Wohnbauten, die unabhängig von den äusseren Bedingungen wie z.B. Aussentemperatur oder Tageszeit benutzt werden. Wie die Untersuchungen gezeigt haben, ist eine Benutzung eines Sonnenschutzes für die Klimastation Zürich MeteoSchweiz während der Heizperiode aus energetischer CAS Bauphysik 2011, Institut Energie am Bau 21/23
Sicht unsinnig. Für jede Stunde, in der ein Sonnen- oder Blendschutz betätigt wird, erhöht sich der Heizwärmebedarf unmittelbar. Dies zeigte auch die Studie „Blendschutz SIA 380/1, Berechnung monatlicher Solargewinne“. Auf der anderen Seite wird aber auch deutlich, dass bei der Erhöhung der Raumlufttemperatur bei gleichzeitig hohem Glasanteil sich ein ganzjähriger Heizwärmebedarf ergibt (Beispiel Verwaltung). Fraglich ist, ob nicht der Glasanteil für Bauten auf einen bestimmten Anteil zu beschränken ist. Aussenluftvolumenstrom: Die Lüftungswärmeverluste zeigen auch vernünftige Grössen auf. Dass eine 3,5- Zimmerwohnung an einem kalten Wintertag 15 min gelüftet werden muss, ist sicher eine Annahme, die in der Realität auch Berücksichtigung findet. Bleibt weiterhin das Problem der dauergekippten Fenster, die einen deutlich höheren Lüftungswärmeverlust verursachen. Abhilfe könnte zum Beispiel mit einem Verbot von Kippflügelfenster geschaffen werden. In den Betrachtungen wurde von einem Aussenluftvolumenstrom gemäss Norm SIA 380/1 ausgegangen. Die Auswirkungen einer kontrollierten Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung wurden ausser Acht gelassen. Mit einer kontrollierten Komfortlüftungsanlagen liessen sich die Lüftungswärmeverluste spürbar reduzieren, wie die Erfahrung aus den MINERGIE-Bauten zeigt. Dies wäre ein weiterer Schritt in Richtung NZEB. Raumlufttemperatur: Die tatsächliche Raumlufttemperatur eines beheizten Gebäudes ist mit Sicherheit eine der wesentlichen Eingabegrössen, die bei der Ermittlung des Heizwärme- bedarfs berücksichtigt werden muss. Bereits geringfügige Abweichungen wirken sich markant auf den tatsächlichen Heizwärmebedarf aus. Des Weiteren gilt es zu beachten, dass insbesondere Wärmepumpen auf eine Normheiztemperatur gemäss Norm SIA 380/1 ausgelegt werden. Eine höhere Raumlufttemperatur verschlechtert den Wirkungsgrad der Wärmepumpe, so dass der Stromanteil zum Beheizen des Gebäudes grösser wird. Fraglich ist, ob die Raumlufttemperaturen für die einzelnen Nutzungskategorien, wie sie in der Norm SIA 380/1 verwendet werden, nicht anzuheben sind. Zürich, den 11. Januar 2012 CAS Bauphysik 2011, Institut Energie am Bau 22/23
7. Quellenverzeichnis Energiepolitik der EnDK Eckwerte und Aktionsplan, Generalversammlung der EnDK, 02.09.2011, Zürich Norm SIA 380/1 „Thermische Energie im Hochbau“, Ausgabe 2009 Norm SIA 180 „Wärme- und Feuchteschutz im Hochbau“, Ausgabe 1999 Norm SIA 382/1 „Lüftungs- und Klimaanlagen – Allgemeine Grundlagen und Anforderungen“, Ausgabe 2007 Merkblatt SIA 2023 „Lüftung in Wohnbauten“, Ausgabe 2004 Norm SN EN ISO 13790:2008 „Energieeffizienz von Gebäuden – Berechnung des Energiebedarfs für Heizung und Kühlung“, 2008 Studie „Blendschutz SIA 380/1, Berechnung monatlicher Solargewinne“. Amstein & Walthert, 18.11.2004, Zürich Verwendete Software: SIA 380/1-Programm „Entech“, Huber Energietechnik AG, Jupiterstrasse 26, 8032 Zürich Merkblatt SIA 2028 „ Klimadaten für Bauphysik, Energie- und Gebäudetechnik“, Ausgabe 2008, Klimastation Zürich MeteoSchweiz, elektronische Daten „Überhänge, Markisen & Mauervorsprünge“, Universität Siegen, Fachgebiet Bauphysik & Solarenergie „Berechnung der Verschattungsfaktoren“, Maurer Ingenieurbüro GmbH, Brühlstrasse 103, 9320 Arbon CAS Bauphysik 2011, Institut Energie am Bau 23/23
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