Tarifautonomie sichern - Gesetzliches Lohndiktat stoppen - Bundesvereinigung der ...

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Tarifautonomie sichern – Gesetzliches
Lohndiktat stoppen
Anträge zur Änderung des Mindestlohngesetzes zielen in die falsche Rich-
tung

13. September 2018

Einleitung                                        ▪ Das Recht der Allgemeinverbindlicherklä-
                                                    rung ist mit der Novelle aus dem Jahr 2014
Die vier Anträge zum Mindestlohn (19/96;            (sogenanntes Tarifautonomiestärkungs-
19/1828; 19/1829 und 19/975) über die der           gesetz) bereits deutlich ausgeweitet wor-
Ausschuss für Arbeit und Soziales des Deut-         den.      Allgemeinverbindlicherklärungen
schen Bundestags am 24. September 2018              können im Einzelfall einen Beitrag zur Sta-
beraten will, lassen ein rückwärtsgewandtes         bilisierung der Tarifautonomie leisten. Sie
Verständnis von Tarifautonomie und Tarifbin-        sind im Regelfall aber ein Eingriff in die Ta-
dung erkennen. Die Antragsteller wollen of-         rifvertragsfreiheit. Eine hohe Tarifbindung
fenbar an die Stelle von einer stärkeren Tarif-     ist ein wichtiges Gut. Tarifbindung ist als
autonomie mehr staatliche Gängelungen set-          Ausdruck der Tarifautonomie aber auch
zen. Das ist der falsche Weg, den Arbeits-          Privatautonomie. Die privatautonome Ent-
markt für die Zukunft fit zu machen. Der Min-       scheidung, einem Arbeitgeberverband
destlohn darf nicht dazu missbraucht werden,        beizutreten, oder ihm fernzubleiben, ist
Vorschriften des Arbeitsrechts an anderer           vom Grundgesetz geschützt. Eine weitere
Stelle noch restriktiver und bürokratischer zu      Veränderung der formalen oder materiel-
gestalten.                                          len Voraussetzung für eine Allgemeinver-
                                                    bindlicherklärung, die Privatautonomie
▪ Der Mindestlohn ist kein Mindestlohn der          und Vertragsfreiheit einschränken würde,
  Tarifvertragsparteien; er ist ein Mindest-        wäre vor diesem Hintergrund mittelbar ein
  lohn des Gesetzgebers. Das gilt auch für          Anschlag auf die Tarifautonomie.
  Anpassungsentscheidungen. Daher ist es
  wichtig, dem Mindestlohn nicht den Cha-         ▪ Ein gesetzlicher Mindestlohn von zwölf
  rakter von tarifautonomer Gestaltung zu           Euro verkennt die Bedeutung des Min-
  geben. Dazu muss sich der Mindestlohn             destlohns. Es wird Tarifverträge – fast alle
  nachlaufend an der Tarifentwicklung ori-          mit DGB-Gewerkschaften geschlossen –
  entieren, wie sie vom Statistischem Bun-          verdrängen die Vergütungssysteme unter-
  desamt festgestellt wird. Die für die amtie-      halb dieser Schwelle vorsehen. Die der
  rende Mindestlohnkommission geltende              Tarifautonomie feindliche Stoßrichtung
  Geschäftsordnung sieht daher zu Recht             des Mindestlohns würde sich dadurch ver-
  und zum Schutz der Tarifautonomie diese           stärken.
  weitgehende Bindung an den Tarifindex
  vor. Die Kommission hat in ihrem Be-            ▪ Die Zahl der vom Zoll geahndeten Ver-
  schluss aus dem Juni 2018 zur Anpassung           stöße gegen den Mindestlohn ist erfreulich
  des Mindestlohns einen gewissen Spiel-            gering. Dass es solche Verstöße gibt und
  raum – wie vom Gesetz vorgesehen – für            geben kann, ist richtig. Sie halten sich je-
  eine Anpassung gesehen und genutzt.               doch in einem sehr geringen Bereich. Die
deutschen Arbeitgeber verhalten sich ge-                 Die AVE von Tarifverträgen ist ein Ausnah-
   setzeskonform. Natürlich muss der Min-                   meinstrument in Deutschland und muss auch
   destlohn eingehalten werden. Aus weni-                   künftig diese Sonderrolle im System der Tarif-
   gen Verstößen aber eine große Zahl im                    autonomie behalten. Durch das Tarifautono-
   Graubereich handelnder Unternehmen zu                    miestärkungsgesetz aus dem Jahr 2014 hat
   konstruieren, ist unzulässig.                            die Bundesregierung bereits die rechtlichen
                                                            Vorrausetzungen der AVE im TVG grundle-
▪ Der Mindestlohn darf in keinem Fall dazu                  gend geändert. Die BDA lehnt daher eine Än-
  genutzt werden, das deutsche Arbeits-                     derung des Tarifvertragsgesetzes, die die Be-
  recht weiter einzuschränken. Die Auf-                     deutung der Repräsentativität des Tarifver-
  zeichnungspflichten nach dem Mindest-                     trags immer weiter aushöhlt, entschieden ab.
  lohngesetz sind bereits erheblich. Die For-
  derung, das Arbeitszeitgesetz weiter zu                   a) Besetzung der Mindestlohnkommission
  ändern und jede Stunde Arbeitszeit aufzu-
  zeichnen, würde nicht nur notwendige Re-                  Die Mindestlohnkommission ist keine Kom-
  formschritte des Arbeitszeitrecht in                      mission der Tarifpartner und sie führt auch
  Deutschland weiter verhindern; es wäre                    keine Tarifverhandlungen. Dennoch sind die
  ein gravierender Rückschritt.                             stimmberechtigten Mitglieder Vertreter der
                                                            Arbeitgeber und Arbeitnehmer in Deutsch-
▪ Zu Recht gilt der gesetzliche Mindestlohn                 land und damit der Personenkreis, der am
  für bestimmte Personengruppen nicht                       besten über die Anpassung des gesetzlichen
  ausnahmslos. Die von diesen Ausnahmen                     Mindestlohns entscheiden kann. Die Exper-
  erfassten Personengruppen sollten aus-                    tise der Wissenschaft spielt seit Benennung
  geweitet werden. So sollten Praktikanten                  der Mindestlohnkommission eine wichtige
                                                            Rolle. So gehören zwei wissenschaftliche
  und Menschen, die es besonders schwer
                                                            Mitglieder ebenfalls zum Kreis der Mindest-
  am Arbeitsmarkt haben, generell für zwölf
                                                            lohnkommission. Zudem wird die Kommis-
  Monate von der Pflicht befreit werden,
                                                            sion durch Gastbeiträge weiterer Wissen-
  nach Mindestlohn vergütet zu werden.                      schaftler aus unterschiedlichen Fachberei-
  Dies kann ein Baustein dafür sein, die                    chen regelmäßig beraten.
  Länge von Praktika zu erhöhen und damit
  praxisgerecht zu gestalten. Es kann                       Zur Erstellung des alle zwei Jahre erschei-
  ebenso ein Baustein sein, dass Menschen                   nenden Berichts zu den Auswirkungen des
  einen Schritt in Arbeit gehen können.                     gesetzlichen Mindestlohns werden zahlrei-
                                                            che Forschungsprojekte in Auftrag gegeben,
Im Einzelnen                                                deren Zwischenergebnisse bzw. Ergebnisse
                                                            den Kommissionsmitgliedern vorgestellt und
                                                            erläutert werden. Darüber hinaus hat die
1. Zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/DIE
                                                            Mindestlohnkommission im Rahmen beider
GRÜNEN
                                                            Anpassungsentscheidungen im Jahr 2016
                                                            und 2018 Sachverständige um Stellungnah-
Die von der Fraktion Bündnis 90/DIE                         men zu den Auswirkungen des gesetzlichen
GRÜNEN geforderte flankierende Erleichte-                   Mindestlohns gebeten. Diese sind ebenfalls
rungen bei der Allgemeinverbindlicherklärung                in die Bewertungen der Kommission einge-
(AVE) sind abzulehnen. Die AVE darf kein In-                flossen. Dieses umfassende Netz an wissen-
strument sein, um flächendeckend eine                       schaftlicher Expertise zeigt, dass es keiner
zweite Ebene von Mindestlöhnen auf Bran-                    Änderungen an der Zusammensetzung der
chenebene in Deutschland einzuziehen.                       Mindestlohnkommission bedarf.
Diese Form der verpflichtenden Tarifanwen-
dung würde das Ziel einer Stärkung der Ta-                  b) Anpassungsentscheidung
rifbindung sogar konterkarieren. Welcher Be-
trieb würde noch einem Arbeitsgeberverband                  Die Kriterien zur Gesamtabwägung in § 9
beitreten, wenn er bereits gesetzlich dazu                  Abs. 2 Satz 1 um den Aspekt zu ergänzen,
verpflichtet ist, Tarifverträge anzuwenden.                 dass der Mindestlohn vor Armut schützen

                   Stellungnahme zu den Anträgen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Fraktion DIE LINKE
                   19/975; 19/96; 19/1828 und 19/1829

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soll, ist nicht notwendig, da dieser Aspekt be-             bestehen bleiben und sinnvolle Differenzie-
reits im ersten gesetzlich festgelegtem Krite-              rungen zugelassen werden. Die derzeit be-
rium „angemessener Mindestschutz der Ar-                    stehende Ausnahme für Langzeitarbeitslose
beitnehmer“ enthalten ist. Deutlich wird das                sollte nicht eingeschränkt, sondern vielmehr
auch im Bericht der Mindestlohnkommission,                  auf zwölf Monate und auf alle Menschen mit
dessen Kapitel sich nach den im Gesetz ge-                  Vermittlungshemmnissen ausgedehnt wer-
nannten Kriterien gliedert und im Kapitel                   den.
„Schutz der Arbeitnehmer“ umfassend das
Thema „Armutsgefährdung“ berücksichtigt.                    Auch für Praktika sollten die bestehenden
                                                            Ausnahmetatbestände erweitert werden. Es
Mit der gesetzlichen Festlegung in § 9 Abs. 2               hat sich gezeigt, dass seit der Einführung des
Satz 2 MiLoG sowie der von Arbeitnehmer-                    Mindestlohns die Zahl der Unternehmen, die
und Arbeitsgeberseite gemeinsam beschlos-                   weiterhin Praktika (für länger als drei Monate)
senen Geschäftsordnung orientiert sich die                  anbieten, zurückgegangen ist. Das ist darauf
Mindestlohnkommission bei der Anpassungs-                   zurückzuführen, dass Unternehmen, wenn
entscheidung an der nachlaufenden Tarifloh-                 sie von den geltenden Ausnahmeregelungen
nentwicklung. Diese Systematik verhindert                   für Pflicht., Orientierungs- und Freiwilligen-
übergeordnete Tarifverhandlungen auf Bun-                   praktika nach § 22 Abs. 1 S. 2 MiLoG Ge-
desebene, denn diese werden in Deutschland                  brauch machen wollen, umfassende Nach-
ohne Einfluss des Staates nur von den Tarif-                weise von den Praktikantinnen und Praktikan-
vertragsparteien der einzelnen Branchen ge-                 ten verlangen müssen, z.B. die jeweilige Stu-
führt. Durch die Bezugnahme auf den Anstieg                 dienordnung oder einen Nachweis durch die
des Tarifindex, der vom Statistischem Bun-                  Hochschule. Die Abgrenzung der verschiede-
desamt auf Grundlage der einzelnen bran-                    nen Arten von Praktika voneinander birgt
chendifferenzierten, regionalen Tariflohnan-                Schwierigkeiten und führt zu Rechtsunsicher-
stiege ermittelt wird, berücksichtigt die Min-              heit. Das zurückgehende Angebot an Praktika
destlohnkommission bereits die wirtschaftli-                und die Verkürzung der Praktikumsdauer wi-
che Entwicklung in den verschiedenen Wirt-                  derspricht dem Ziel, dass Studierende neben
schaftszweigen sowie die unterschiedlichen                  den akademischen auch berufsqualifizie-
Ermessungsspielräume. Durch die nachlau-                    rende praktische Kompetenzen erlangen sol-
fende Betrachtung wird weitestgehend ver-                   len. Um diese Möglichkeit zu erhalten und
hindert, dass Entgeltgruppen geltender von                  auch das Engagement von Unternehmen im
den Sozialpartnern ausgehandelter Tarifver-                 Rahmen von Praktika und Ausbildung zu un-
träge außer Kraft gesetzt werden.                           terstützen, sollten vom Gesetzgeber entspre-
                                                            chende Regelungen erlassen und Ausnah-
c) Ausnahmen vom Mindestlohn                                men zugelassen werden.

Für Menschen, deren Zugang zum Arbeits-                     Freiwillige praktische Tätigkeiten sollten min-
markt aufgrund von Vermittlungshemmnissen                   destens zwölf Monate ausgeübt werden kön-
ohnehin erschwert ist, muss es eine Aus-                    nen, ohne dass die Mindestlohnpflicht ausge-
nahme von der Mindestlohnpflicht geben. Der                 löst wird. Es sollte dafür eine gesetzliche Klar-
gesetzliche Mindestlohn darf für diese Men-                 stellung erfolgen, dass die Mindestlohnpflicht
schen nicht eine weitere Hürde beim Eintritt in             erst ab dem dreizehnten Monat eintritt.
Beschäftigung darstellen. Durch gesetzliche
Differenzierungen z. B. für Langzeitarbeits-                d) Verstöße gegen Mindestlohngesetz
lose, aber auch für Menschen, die noch nie
gearbeitet haben und Menschen ohne ausrei-                  Die gesetzlichen Vorgaben für den Mindest-
chende Qualifikation muss eine gesetzliche                  lohn müssen von allen eingehalten werden.
Lösung gefunden werden, die keine falschen                  Da die Tariflohnstrukturen meist über dem Ni-
Anreize setzt und Benachteiligten nicht den                 veau des gesetzlichen Mindestlohns liegen,
Einstieg in Arbeit verschließt. Ausnahmerege-               führen Verstöße vor allem zu Lasten derjeni-
lungen von der Mindestlohnpflicht müssen                    gen Arbeitgeber, die Tarifverträge anwenden
                                                            bzw. sich an ihnen orientieren.

                   Stellungnahme zu den Anträgen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Fraktion DIE LINKE
                   19/975; 19/96; 19/1828 und 19/1829

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stehen vor der Herausforderung diese Auf-
Neben effektiven Kontrollen, bedarf es für                  zeichnungspflichten in ihre täglichen Arbeits-
eine erfolgreiche Mindestlohneinhaltung aber                abläufe integrieren zu müssen. Insbesondere
auch ausreichender Information und Kennt-                   kleine Unternehmen ohne ein systematisches
nis. Verstöße kommen häufig durch Rechts-                   z.B. elektronisches Zeiterfassungssystem
unsicherheit und Abgrenzungsschwierigkei-                   werden dadurch belastet. Diese Belastung
ten über die Anwendung einzelner Vorschrif-                 wird dadurch verstärkt, dass bei einer nicht
ten des Gesetzes zustande. Davon sind ins-                  richtigen, nicht vollständigen oder nicht recht-
besondere kleine und mittlere Unternehmen                   zeitigen Aufzeichnung Bußgelder von bis zu
betroffen, für die das Mindestlohngesetz viele              30.000 € drohen.
Fallstricke beinhaltet. So zeigt die Auswer-
tung des Anruferaufkommens der Mindest-                     Die Mindestlohnaufzeichnungsverordnung,
lohnhotline des Bundesministeriums für Ar-                  die eine Vereinfachung der Arbeitszeitauf-
beit und Soziales, dass die Themenschwer-                   zeichnung bringen sollte, hat in der Praxis nur
punkte auch aktuell immer noch bei den Re-                  einen begrenzten Anwendungsbereich, da
gelungen zu den Praktika, den Aufzeich-                     die Erleichterungen nur für Arbeitgeber gel-
nungspflichten und dem persönlichen Anwen-                  ten, soweit sie Arbeitnehmerinnen und Arbeit-
dungsbereich liegen. Nur 3,2 % der Anrufe im                nehmer mit ausschließlich mobilen Tätigkei-
Jahr 2017 betrafen Fragen zum Thema Min-                    ten beschäftigen, diese keinen Vorgaben zur
destlohnverstöße. Darüber hinaus zeigen die                 konkreten täglichen Arbeitszeit (Beginn und
Auswertungen der Finanzkontrolle Schwarz-                   Ende) unterliegen und sich die Arbeitnehmer
arbeit, dass im Jahr 2017 lediglich 2,4 % aller             ihre tägliche Arbeitszeit eigenverantwortlich
Arbeitgeberprüfungen des Zolls zu Ordnungs-                 einteilen. Diese drei Voraussetzungen erfül-
widrigkeitsverfahren wegen Nichtzahlung des                 len nur wenige Arbeitnehmer, sodass die Min-
Mindestlohns abgeschlossen wurden. (Zwei-                   destlohnaufzeichnungsverordnung nur in we-
ter Bericht zu den Auswirkungen des gesetz-                 nigen Fällen eine spürbare Erleichterung für
lichen Mindestlohns, 2018)                                  Arbeitgeber gebracht hat.

e) Dokumentationspflichten                                  Die Aufzeichnungspflicht sollte für geringfügig
                                                            Beschäftigte auf die Dauer der täglichen Ar-
Die im Mindestlohngesetz geregelten Doku-                   beitszeit begrenzt werden.
mentationspflichten verursachen für Arbeitge-
ber einen erheblichen bürokratischen Auf-                   2. Antrag „Den gesetzlichen Mindestlohn
wand. Schon nach § 16 Abs. 2 ArbZG sind                     auf 12 Euro pro Stunde erhöhen“
Arbeitgeber verpflichtet, die Arbeitszeit, die
über die gesetzliche werktägliche Höchstar-                 Die Forschung zeichnet hinsichtlich der Re-
beitszeit hinausgeht, aufzuzeichnen. Nach §                 duzierung der Armutsgefährdung durch die
17 Abs. 1 MiLoG müssen Arbeitgeber, bei de-                 Einführung oder Anhebung von Mindestlöh-
nen geringfügig Beschäftigte (Minijob) tätig                nen ein skeptisches Bild. Zum einen sind be-
sind oder die Arbeitnehmer in den Wirt-                     sonders armutsgefährdete Personen häufig
schaftsbereichen nach dem Schwarzarbeits-                   nicht erwerbstätig und profitieren somit auch
bekämpfungsgesetz beschäftigen, darüber                     nicht vom Mindestlohn bzw. einer Mindest-
hinaus Beginn, Ende und Dauer der täglichen                 lohnanhebung. Von den Personen aus ar-
Arbeitszeit dieser Arbeitnehmer spätestens                  mutsgefährdeten Haushalten sind rund 69
sieben Tage nach der Erbringung der Arbeits-                Prozent Erwerbsfähig und 23 Prozent er-
leistung aufzeichnen. Das bedeutet für die be-              werbstätig (Bruckmeier und Becker, 2018).
troffenen Unternehmen einen erheblichen                     Darüber hinaus lebt nur ein Teil der Mindest-
Verwaltungsaufwand. Gerade der Minijob                      lohnbezieher in einem armutsgefährdeten
sollte eine Möglichkeit für unbürokratische                 Haushalt. So lebten von den Beschäftigten,
Beschäftigung bieten und wird durch die Auf-                die vor Einführung des Mindestlohns unter
zeichnungspflicht bürokratisiert und damit für              8,50 Euro pro Stunde verdienten, nur rund 27
Unternehmen unattraktiver gemacht. Betriebe                 Prozent in armutsgefährdeten Haushalten

                   Stellungnahme zu den Anträgen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Fraktion DIE LINKE
                   19/975; 19/96; 19/1828 und 19/1829

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(Bruckmeier und Becker, 2018). Darüber hin-                  dem Mindestlohngesetz. Schon die jetzt be-
aus basiert die Bedürftigkeit von erwerbstäti-               stehenden Regelungen führen zu erhebli-
gen SGB-II-Beziehern häufig nicht auf einem                  chem Aufwand für Unternehmen und ermög-
geringen Stundenverdienst, sondern aus ei-                   lichen nicht die insbesondere angesichts mo-
ner geringen Wochenarbeitszeit oder fami-                    derner Arbeitsformen erforderliche Flexibili-
lienbedingter Mehrbedarfe. Vier von Fünf er-                 sierung. Notwendig ist vielmehr eine umfas-
werbstätigen SGB-II-Beziehern arbeiten le-                   sende Reform der Aufzeichnungspflichten,
diglich in Teilzeit oder in einer geringfügigen              die Möglichkeiten moderner Arbeitszeitgestal-
Beschäftigung. Z. B. erlischt der Arbeitslosen-              tung enthält.
geld-II-Anspruch eines verheirateten Allein-
verdieners mit zwei Kindern in Berlin erst voll-             4. Zum Antrag „Ausnahmen beim gesetzli-
ständig bei einem Bruttostundenlohn von                      chen Mindestlohn aufheben“
mehr als 15 € - bezogen auf eine 38-Stunden-
Woche (Berechnung: BDA) – ein für geringer                   Gerade Menschen mit Vermittlungshemmnis-
Qualifizierte in einfachen Tätigkeiten kaum zu               sen wie Langzeitarbeitslosen, Menschen
erreichender Betrag.                                         ohne Ausbildung oder Menschen, die noch
                                                             nie gearbeitet haben, haben Schwierigkeiten,
3. Zum Antrag „Mindestlöhne wirksam                          am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Aus diesem
kontrollieren“                                               Grund sollten für diese Personengruppen
                                                             sinnvolle Ausnahmen beim gesetzlichen Min-
Wie im zweiten Bericht zu den Auswirkungen                   destlohn zugelassen bzw. geschaffen wer-
des gesetzlichen Mindestlohns festgehalten,                  den. Für diese Menschen dürfen keine weite-
wurden mit Einführung des gesetzlichen Min-                  ren Hürden zum Arbeitsmarktzugang errichtet
destlohns vom Deutschen Bundestag 1.600                      werden. Die derzeit bestehende Ausnah-
neue Planstellen bewilligt. Zudem wurden der                 meregelung in § 22 Abs. 4 MiLoG sollte nicht
Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) schon                    auf Langzeitarbeitslose beschränkt bleiben,
seit 2015 zusätzliche Ressourcen im Umfang                   sondern alle Menschen mit Vermittlungs-
von jährlich rund 320 Kräften zugeführt. Im Er-              hemmnissen umfassen. Außerdem sollte eine
gebnis standen der FKS jeweils 6.865 Plan-                   Ausnahmeregelung für zwölf Monate gelten.
stellen in den Jahren 2014, 2015 und 2016
sowie jeweils 7.211 Planstellen in den Jahren                Für Jugendliche unter 18 Jahren ohne abge-
2017 und 2018 zur Verfügung. Tatsächlich                     schlossene Berufsausbildung sollte die Aus-
besetzt waren, jeweils zum 1. Januar, im Jahr                nahme von der Mindestlohnpflicht bestehen
2015 5.955 Stellen, im Jahr 2017 6.268 und                   bleiben. Ohne diese Ausnahme besteht das
im Jahr 2018 6.453 Stellen (Deutscher Bun-                   Risiko, dass die Jugendlichen nicht zunächst
destag 2018). Vor dem Hintergrund dieses                     eine Ausbildung anfangen und abschließen,
Stellenanstiegs sowie der geringen Anzahl                    sondern stattdessen eine mit dem Mindest-
festgestellter Mindestlohnverstöße durch den                 lohn vergütete Beschäftigung aufnehmen. Die
Zoll (siehe Punkt 1 d)), ist zu prüfen, ob die               Berufsausbildung würde dann an Attraktivität
geforderte Aufstockung tatsächlich notwendig                 verlieren. Der Abschluss einer Berufsausbil-
ist.                                                         dung ist als Investition in die Zukunft aber der
                                                             beste Schutz vor Armut und erhöht später die
Eine Dokumentationspflicht des Arbeitgebers                  Chancen am Arbeitsmarkt. Es sollte deshalb
für jede Stunde Arbeit lehnt die BDA strikt ab.              Ziel sein, dass möglichst viele Jugendliche
Eine solche Regelung wäre höchst bürokra-                    eine Berufsausbildung abschließen.
tisch und in der täglichen Praxis für viele -ins-
besondere kleine Betriebe- kaum zu bewerk-
stelligen. Schon jetzt besteht gemäß § 16
Abs. 2 ArbZG die Pflicht Arbeitsstunden, die
über die gesetzliche werktägliche Höchstar-
beitszeit hinausgehen, aufzuzeichnen. Hinzu
kommen die Dokumentationspflichten aus

                    Stellungnahme zu den Anträgen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Fraktion DIE LINKE
                    19/975; 19/96; 19/1828 und 19/1829

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BDA | DIE ARBEITGEBER
Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeber-
verbände

Arbeits- und Tarifrecht
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arbeitsrecht@arbeitgeber.de

Lohn- und Tarifpolitik
T +49 30 2033-1300
tarifpolitik@arbeitgeber.de

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                     19/975; 19/96; 19/1828 und 19/1829

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