Tarifautonomie sichern - Gesetzliches Lohndiktat stoppen - Bundesvereinigung der ...
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Tarifautonomie sichern – Gesetzliches Lohndiktat stoppen Anträge zur Änderung des Mindestlohngesetzes zielen in die falsche Rich- tung 13. September 2018 Einleitung ▪ Das Recht der Allgemeinverbindlicherklä- rung ist mit der Novelle aus dem Jahr 2014 Die vier Anträge zum Mindestlohn (19/96; (sogenanntes Tarifautonomiestärkungs- 19/1828; 19/1829 und 19/975) über die der gesetz) bereits deutlich ausgeweitet wor- Ausschuss für Arbeit und Soziales des Deut- den. Allgemeinverbindlicherklärungen schen Bundestags am 24. September 2018 können im Einzelfall einen Beitrag zur Sta- beraten will, lassen ein rückwärtsgewandtes bilisierung der Tarifautonomie leisten. Sie Verständnis von Tarifautonomie und Tarifbin- sind im Regelfall aber ein Eingriff in die Ta- dung erkennen. Die Antragsteller wollen of- rifvertragsfreiheit. Eine hohe Tarifbindung fenbar an die Stelle von einer stärkeren Tarif- ist ein wichtiges Gut. Tarifbindung ist als autonomie mehr staatliche Gängelungen set- Ausdruck der Tarifautonomie aber auch zen. Das ist der falsche Weg, den Arbeits- Privatautonomie. Die privatautonome Ent- markt für die Zukunft fit zu machen. Der Min- scheidung, einem Arbeitgeberverband destlohn darf nicht dazu missbraucht werden, beizutreten, oder ihm fernzubleiben, ist Vorschriften des Arbeitsrechts an anderer vom Grundgesetz geschützt. Eine weitere Stelle noch restriktiver und bürokratischer zu Veränderung der formalen oder materiel- gestalten. len Voraussetzung für eine Allgemeinver- bindlicherklärung, die Privatautonomie ▪ Der Mindestlohn ist kein Mindestlohn der und Vertragsfreiheit einschränken würde, Tarifvertragsparteien; er ist ein Mindest- wäre vor diesem Hintergrund mittelbar ein lohn des Gesetzgebers. Das gilt auch für Anschlag auf die Tarifautonomie. Anpassungsentscheidungen. Daher ist es wichtig, dem Mindestlohn nicht den Cha- ▪ Ein gesetzlicher Mindestlohn von zwölf rakter von tarifautonomer Gestaltung zu Euro verkennt die Bedeutung des Min- geben. Dazu muss sich der Mindestlohn destlohns. Es wird Tarifverträge – fast alle nachlaufend an der Tarifentwicklung ori- mit DGB-Gewerkschaften geschlossen – entieren, wie sie vom Statistischem Bun- verdrängen die Vergütungssysteme unter- desamt festgestellt wird. Die für die amtie- halb dieser Schwelle vorsehen. Die der rende Mindestlohnkommission geltende Tarifautonomie feindliche Stoßrichtung Geschäftsordnung sieht daher zu Recht des Mindestlohns würde sich dadurch ver- und zum Schutz der Tarifautonomie diese stärken. weitgehende Bindung an den Tarifindex vor. Die Kommission hat in ihrem Be- ▪ Die Zahl der vom Zoll geahndeten Ver- schluss aus dem Juni 2018 zur Anpassung stöße gegen den Mindestlohn ist erfreulich des Mindestlohns einen gewissen Spiel- gering. Dass es solche Verstöße gibt und raum – wie vom Gesetz vorgesehen – für geben kann, ist richtig. Sie halten sich je- eine Anpassung gesehen und genutzt. doch in einem sehr geringen Bereich. Die
deutschen Arbeitgeber verhalten sich ge- Die AVE von Tarifverträgen ist ein Ausnah- setzeskonform. Natürlich muss der Min- meinstrument in Deutschland und muss auch destlohn eingehalten werden. Aus weni- künftig diese Sonderrolle im System der Tarif- gen Verstößen aber eine große Zahl im autonomie behalten. Durch das Tarifautono- Graubereich handelnder Unternehmen zu miestärkungsgesetz aus dem Jahr 2014 hat konstruieren, ist unzulässig. die Bundesregierung bereits die rechtlichen Vorrausetzungen der AVE im TVG grundle- ▪ Der Mindestlohn darf in keinem Fall dazu gend geändert. Die BDA lehnt daher eine Än- genutzt werden, das deutsche Arbeits- derung des Tarifvertragsgesetzes, die die Be- recht weiter einzuschränken. Die Auf- deutung der Repräsentativität des Tarifver- zeichnungspflichten nach dem Mindest- trags immer weiter aushöhlt, entschieden ab. lohngesetz sind bereits erheblich. Die For- derung, das Arbeitszeitgesetz weiter zu a) Besetzung der Mindestlohnkommission ändern und jede Stunde Arbeitszeit aufzu- zeichnen, würde nicht nur notwendige Re- Die Mindestlohnkommission ist keine Kom- formschritte des Arbeitszeitrecht in mission der Tarifpartner und sie führt auch Deutschland weiter verhindern; es wäre keine Tarifverhandlungen. Dennoch sind die ein gravierender Rückschritt. stimmberechtigten Mitglieder Vertreter der Arbeitgeber und Arbeitnehmer in Deutsch- ▪ Zu Recht gilt der gesetzliche Mindestlohn land und damit der Personenkreis, der am für bestimmte Personengruppen nicht besten über die Anpassung des gesetzlichen ausnahmslos. Die von diesen Ausnahmen Mindestlohns entscheiden kann. Die Exper- erfassten Personengruppen sollten aus- tise der Wissenschaft spielt seit Benennung geweitet werden. So sollten Praktikanten der Mindestlohnkommission eine wichtige Rolle. So gehören zwei wissenschaftliche und Menschen, die es besonders schwer Mitglieder ebenfalls zum Kreis der Mindest- am Arbeitsmarkt haben, generell für zwölf lohnkommission. Zudem wird die Kommis- Monate von der Pflicht befreit werden, sion durch Gastbeiträge weiterer Wissen- nach Mindestlohn vergütet zu werden. schaftler aus unterschiedlichen Fachberei- Dies kann ein Baustein dafür sein, die chen regelmäßig beraten. Länge von Praktika zu erhöhen und damit praxisgerecht zu gestalten. Es kann Zur Erstellung des alle zwei Jahre erschei- ebenso ein Baustein sein, dass Menschen nenden Berichts zu den Auswirkungen des einen Schritt in Arbeit gehen können. gesetzlichen Mindestlohns werden zahlrei- che Forschungsprojekte in Auftrag gegeben, Im Einzelnen deren Zwischenergebnisse bzw. Ergebnisse den Kommissionsmitgliedern vorgestellt und erläutert werden. Darüber hinaus hat die 1. Zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/DIE Mindestlohnkommission im Rahmen beider GRÜNEN Anpassungsentscheidungen im Jahr 2016 und 2018 Sachverständige um Stellungnah- Die von der Fraktion Bündnis 90/DIE men zu den Auswirkungen des gesetzlichen GRÜNEN geforderte flankierende Erleichte- Mindestlohns gebeten. Diese sind ebenfalls rungen bei der Allgemeinverbindlicherklärung in die Bewertungen der Kommission einge- (AVE) sind abzulehnen. Die AVE darf kein In- flossen. Dieses umfassende Netz an wissen- strument sein, um flächendeckend eine schaftlicher Expertise zeigt, dass es keiner zweite Ebene von Mindestlöhnen auf Bran- Änderungen an der Zusammensetzung der chenebene in Deutschland einzuziehen. Mindestlohnkommission bedarf. Diese Form der verpflichtenden Tarifanwen- dung würde das Ziel einer Stärkung der Ta- b) Anpassungsentscheidung rifbindung sogar konterkarieren. Welcher Be- trieb würde noch einem Arbeitsgeberverband Die Kriterien zur Gesamtabwägung in § 9 beitreten, wenn er bereits gesetzlich dazu Abs. 2 Satz 1 um den Aspekt zu ergänzen, verpflichtet ist, Tarifverträge anzuwenden. dass der Mindestlohn vor Armut schützen Stellungnahme zu den Anträgen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Fraktion DIE LINKE 19/975; 19/96; 19/1828 und 19/1829 2
soll, ist nicht notwendig, da dieser Aspekt be- bestehen bleiben und sinnvolle Differenzie- reits im ersten gesetzlich festgelegtem Krite- rungen zugelassen werden. Die derzeit be- rium „angemessener Mindestschutz der Ar- stehende Ausnahme für Langzeitarbeitslose beitnehmer“ enthalten ist. Deutlich wird das sollte nicht eingeschränkt, sondern vielmehr auch im Bericht der Mindestlohnkommission, auf zwölf Monate und auf alle Menschen mit dessen Kapitel sich nach den im Gesetz ge- Vermittlungshemmnissen ausgedehnt wer- nannten Kriterien gliedert und im Kapitel den. „Schutz der Arbeitnehmer“ umfassend das Thema „Armutsgefährdung“ berücksichtigt. Auch für Praktika sollten die bestehenden Ausnahmetatbestände erweitert werden. Es Mit der gesetzlichen Festlegung in § 9 Abs. 2 hat sich gezeigt, dass seit der Einführung des Satz 2 MiLoG sowie der von Arbeitnehmer- Mindestlohns die Zahl der Unternehmen, die und Arbeitsgeberseite gemeinsam beschlos- weiterhin Praktika (für länger als drei Monate) senen Geschäftsordnung orientiert sich die anbieten, zurückgegangen ist. Das ist darauf Mindestlohnkommission bei der Anpassungs- zurückzuführen, dass Unternehmen, wenn entscheidung an der nachlaufenden Tarifloh- sie von den geltenden Ausnahmeregelungen nentwicklung. Diese Systematik verhindert für Pflicht., Orientierungs- und Freiwilligen- übergeordnete Tarifverhandlungen auf Bun- praktika nach § 22 Abs. 1 S. 2 MiLoG Ge- desebene, denn diese werden in Deutschland brauch machen wollen, umfassende Nach- ohne Einfluss des Staates nur von den Tarif- weise von den Praktikantinnen und Praktikan- vertragsparteien der einzelnen Branchen ge- ten verlangen müssen, z.B. die jeweilige Stu- führt. Durch die Bezugnahme auf den Anstieg dienordnung oder einen Nachweis durch die des Tarifindex, der vom Statistischem Bun- Hochschule. Die Abgrenzung der verschiede- desamt auf Grundlage der einzelnen bran- nen Arten von Praktika voneinander birgt chendifferenzierten, regionalen Tariflohnan- Schwierigkeiten und führt zu Rechtsunsicher- stiege ermittelt wird, berücksichtigt die Min- heit. Das zurückgehende Angebot an Praktika destlohnkommission bereits die wirtschaftli- und die Verkürzung der Praktikumsdauer wi- che Entwicklung in den verschiedenen Wirt- derspricht dem Ziel, dass Studierende neben schaftszweigen sowie die unterschiedlichen den akademischen auch berufsqualifizie- Ermessungsspielräume. Durch die nachlau- rende praktische Kompetenzen erlangen sol- fende Betrachtung wird weitestgehend ver- len. Um diese Möglichkeit zu erhalten und hindert, dass Entgeltgruppen geltender von auch das Engagement von Unternehmen im den Sozialpartnern ausgehandelter Tarifver- Rahmen von Praktika und Ausbildung zu un- träge außer Kraft gesetzt werden. terstützen, sollten vom Gesetzgeber entspre- chende Regelungen erlassen und Ausnah- c) Ausnahmen vom Mindestlohn men zugelassen werden. Für Menschen, deren Zugang zum Arbeits- Freiwillige praktische Tätigkeiten sollten min- markt aufgrund von Vermittlungshemmnissen destens zwölf Monate ausgeübt werden kön- ohnehin erschwert ist, muss es eine Aus- nen, ohne dass die Mindestlohnpflicht ausge- nahme von der Mindestlohnpflicht geben. Der löst wird. Es sollte dafür eine gesetzliche Klar- gesetzliche Mindestlohn darf für diese Men- stellung erfolgen, dass die Mindestlohnpflicht schen nicht eine weitere Hürde beim Eintritt in erst ab dem dreizehnten Monat eintritt. Beschäftigung darstellen. Durch gesetzliche Differenzierungen z. B. für Langzeitarbeits- d) Verstöße gegen Mindestlohngesetz lose, aber auch für Menschen, die noch nie gearbeitet haben und Menschen ohne ausrei- Die gesetzlichen Vorgaben für den Mindest- chende Qualifikation muss eine gesetzliche lohn müssen von allen eingehalten werden. Lösung gefunden werden, die keine falschen Da die Tariflohnstrukturen meist über dem Ni- Anreize setzt und Benachteiligten nicht den veau des gesetzlichen Mindestlohns liegen, Einstieg in Arbeit verschließt. Ausnahmerege- führen Verstöße vor allem zu Lasten derjeni- lungen von der Mindestlohnpflicht müssen gen Arbeitgeber, die Tarifverträge anwenden bzw. sich an ihnen orientieren. Stellungnahme zu den Anträgen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Fraktion DIE LINKE 19/975; 19/96; 19/1828 und 19/1829 3
stehen vor der Herausforderung diese Auf- Neben effektiven Kontrollen, bedarf es für zeichnungspflichten in ihre täglichen Arbeits- eine erfolgreiche Mindestlohneinhaltung aber abläufe integrieren zu müssen. Insbesondere auch ausreichender Information und Kennt- kleine Unternehmen ohne ein systematisches nis. Verstöße kommen häufig durch Rechts- z.B. elektronisches Zeiterfassungssystem unsicherheit und Abgrenzungsschwierigkei- werden dadurch belastet. Diese Belastung ten über die Anwendung einzelner Vorschrif- wird dadurch verstärkt, dass bei einer nicht ten des Gesetzes zustande. Davon sind ins- richtigen, nicht vollständigen oder nicht recht- besondere kleine und mittlere Unternehmen zeitigen Aufzeichnung Bußgelder von bis zu betroffen, für die das Mindestlohngesetz viele 30.000 € drohen. Fallstricke beinhaltet. So zeigt die Auswer- tung des Anruferaufkommens der Mindest- Die Mindestlohnaufzeichnungsverordnung, lohnhotline des Bundesministeriums für Ar- die eine Vereinfachung der Arbeitszeitauf- beit und Soziales, dass die Themenschwer- zeichnung bringen sollte, hat in der Praxis nur punkte auch aktuell immer noch bei den Re- einen begrenzten Anwendungsbereich, da gelungen zu den Praktika, den Aufzeich- die Erleichterungen nur für Arbeitgeber gel- nungspflichten und dem persönlichen Anwen- ten, soweit sie Arbeitnehmerinnen und Arbeit- dungsbereich liegen. Nur 3,2 % der Anrufe im nehmer mit ausschließlich mobilen Tätigkei- Jahr 2017 betrafen Fragen zum Thema Min- ten beschäftigen, diese keinen Vorgaben zur destlohnverstöße. Darüber hinaus zeigen die konkreten täglichen Arbeitszeit (Beginn und Auswertungen der Finanzkontrolle Schwarz- Ende) unterliegen und sich die Arbeitnehmer arbeit, dass im Jahr 2017 lediglich 2,4 % aller ihre tägliche Arbeitszeit eigenverantwortlich Arbeitgeberprüfungen des Zolls zu Ordnungs- einteilen. Diese drei Voraussetzungen erfül- widrigkeitsverfahren wegen Nichtzahlung des len nur wenige Arbeitnehmer, sodass die Min- Mindestlohns abgeschlossen wurden. (Zwei- destlohnaufzeichnungsverordnung nur in we- ter Bericht zu den Auswirkungen des gesetz- nigen Fällen eine spürbare Erleichterung für lichen Mindestlohns, 2018) Arbeitgeber gebracht hat. e) Dokumentationspflichten Die Aufzeichnungspflicht sollte für geringfügig Beschäftigte auf die Dauer der täglichen Ar- Die im Mindestlohngesetz geregelten Doku- beitszeit begrenzt werden. mentationspflichten verursachen für Arbeitge- ber einen erheblichen bürokratischen Auf- 2. Antrag „Den gesetzlichen Mindestlohn wand. Schon nach § 16 Abs. 2 ArbZG sind auf 12 Euro pro Stunde erhöhen“ Arbeitgeber verpflichtet, die Arbeitszeit, die über die gesetzliche werktägliche Höchstar- Die Forschung zeichnet hinsichtlich der Re- beitszeit hinausgeht, aufzuzeichnen. Nach § duzierung der Armutsgefährdung durch die 17 Abs. 1 MiLoG müssen Arbeitgeber, bei de- Einführung oder Anhebung von Mindestlöh- nen geringfügig Beschäftigte (Minijob) tätig nen ein skeptisches Bild. Zum einen sind be- sind oder die Arbeitnehmer in den Wirt- sonders armutsgefährdete Personen häufig schaftsbereichen nach dem Schwarzarbeits- nicht erwerbstätig und profitieren somit auch bekämpfungsgesetz beschäftigen, darüber nicht vom Mindestlohn bzw. einer Mindest- hinaus Beginn, Ende und Dauer der täglichen lohnanhebung. Von den Personen aus ar- Arbeitszeit dieser Arbeitnehmer spätestens mutsgefährdeten Haushalten sind rund 69 sieben Tage nach der Erbringung der Arbeits- Prozent Erwerbsfähig und 23 Prozent er- leistung aufzeichnen. Das bedeutet für die be- werbstätig (Bruckmeier und Becker, 2018). troffenen Unternehmen einen erheblichen Darüber hinaus lebt nur ein Teil der Mindest- Verwaltungsaufwand. Gerade der Minijob lohnbezieher in einem armutsgefährdeten sollte eine Möglichkeit für unbürokratische Haushalt. So lebten von den Beschäftigten, Beschäftigung bieten und wird durch die Auf- die vor Einführung des Mindestlohns unter zeichnungspflicht bürokratisiert und damit für 8,50 Euro pro Stunde verdienten, nur rund 27 Unternehmen unattraktiver gemacht. Betriebe Prozent in armutsgefährdeten Haushalten Stellungnahme zu den Anträgen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Fraktion DIE LINKE 19/975; 19/96; 19/1828 und 19/1829 4
(Bruckmeier und Becker, 2018). Darüber hin- dem Mindestlohngesetz. Schon die jetzt be- aus basiert die Bedürftigkeit von erwerbstäti- stehenden Regelungen führen zu erhebli- gen SGB-II-Beziehern häufig nicht auf einem chem Aufwand für Unternehmen und ermög- geringen Stundenverdienst, sondern aus ei- lichen nicht die insbesondere angesichts mo- ner geringen Wochenarbeitszeit oder fami- derner Arbeitsformen erforderliche Flexibili- lienbedingter Mehrbedarfe. Vier von Fünf er- sierung. Notwendig ist vielmehr eine umfas- werbstätigen SGB-II-Beziehern arbeiten le- sende Reform der Aufzeichnungspflichten, diglich in Teilzeit oder in einer geringfügigen die Möglichkeiten moderner Arbeitszeitgestal- Beschäftigung. Z. B. erlischt der Arbeitslosen- tung enthält. geld-II-Anspruch eines verheirateten Allein- verdieners mit zwei Kindern in Berlin erst voll- 4. Zum Antrag „Ausnahmen beim gesetzli- ständig bei einem Bruttostundenlohn von chen Mindestlohn aufheben“ mehr als 15 € - bezogen auf eine 38-Stunden- Woche (Berechnung: BDA) – ein für geringer Gerade Menschen mit Vermittlungshemmnis- Qualifizierte in einfachen Tätigkeiten kaum zu sen wie Langzeitarbeitslosen, Menschen erreichender Betrag. ohne Ausbildung oder Menschen, die noch nie gearbeitet haben, haben Schwierigkeiten, 3. Zum Antrag „Mindestlöhne wirksam am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Aus diesem kontrollieren“ Grund sollten für diese Personengruppen sinnvolle Ausnahmen beim gesetzlichen Min- Wie im zweiten Bericht zu den Auswirkungen destlohn zugelassen bzw. geschaffen wer- des gesetzlichen Mindestlohns festgehalten, den. Für diese Menschen dürfen keine weite- wurden mit Einführung des gesetzlichen Min- ren Hürden zum Arbeitsmarktzugang errichtet destlohns vom Deutschen Bundestag 1.600 werden. Die derzeit bestehende Ausnah- neue Planstellen bewilligt. Zudem wurden der meregelung in § 22 Abs. 4 MiLoG sollte nicht Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) schon auf Langzeitarbeitslose beschränkt bleiben, seit 2015 zusätzliche Ressourcen im Umfang sondern alle Menschen mit Vermittlungs- von jährlich rund 320 Kräften zugeführt. Im Er- hemmnissen umfassen. Außerdem sollte eine gebnis standen der FKS jeweils 6.865 Plan- Ausnahmeregelung für zwölf Monate gelten. stellen in den Jahren 2014, 2015 und 2016 sowie jeweils 7.211 Planstellen in den Jahren Für Jugendliche unter 18 Jahren ohne abge- 2017 und 2018 zur Verfügung. Tatsächlich schlossene Berufsausbildung sollte die Aus- besetzt waren, jeweils zum 1. Januar, im Jahr nahme von der Mindestlohnpflicht bestehen 2015 5.955 Stellen, im Jahr 2017 6.268 und bleiben. Ohne diese Ausnahme besteht das im Jahr 2018 6.453 Stellen (Deutscher Bun- Risiko, dass die Jugendlichen nicht zunächst destag 2018). Vor dem Hintergrund dieses eine Ausbildung anfangen und abschließen, Stellenanstiegs sowie der geringen Anzahl sondern stattdessen eine mit dem Mindest- festgestellter Mindestlohnverstöße durch den lohn vergütete Beschäftigung aufnehmen. Die Zoll (siehe Punkt 1 d)), ist zu prüfen, ob die Berufsausbildung würde dann an Attraktivität geforderte Aufstockung tatsächlich notwendig verlieren. Der Abschluss einer Berufsausbil- ist. dung ist als Investition in die Zukunft aber der beste Schutz vor Armut und erhöht später die Eine Dokumentationspflicht des Arbeitgebers Chancen am Arbeitsmarkt. Es sollte deshalb für jede Stunde Arbeit lehnt die BDA strikt ab. Ziel sein, dass möglichst viele Jugendliche Eine solche Regelung wäre höchst bürokra- eine Berufsausbildung abschließen. tisch und in der täglichen Praxis für viele -ins- besondere kleine Betriebe- kaum zu bewerk- stelligen. Schon jetzt besteht gemäß § 16 Abs. 2 ArbZG die Pflicht Arbeitsstunden, die über die gesetzliche werktägliche Höchstar- beitszeit hinausgehen, aufzuzeichnen. Hinzu kommen die Dokumentationspflichten aus Stellungnahme zu den Anträgen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Fraktion DIE LINKE 19/975; 19/96; 19/1828 und 19/1829 5
Ansprechpartner BDA | DIE ARBEITGEBER Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeber- verbände Arbeits- und Tarifrecht T +49 30 2033-1213 arbeitsrecht@arbeitgeber.de Lohn- und Tarifpolitik T +49 30 2033-1300 tarifpolitik@arbeitgeber.de Stellungnahme zu den Anträgen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Fraktion DIE LINKE 19/975; 19/96; 19/1828 und 19/1829 6
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