Technischer Bericht Einführung - UEFA.com
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Technischer Bericht Einführung Geschichte wiederholt sich: Im Mai war England Schauplatz der UEFA-U17-Europameisterschaft, zum ersten Mal seit der letzten Austragung des U16-Turniers 2001. Im Juli war Finnland Gastgeber der U19-Endrunde, zum ersten Mal seit dem letzten U18-Turnier. Und von den sieben Nationen, die 2001 in Finnland antraten, kehrte lediglich die Ukraine 2018 zurück. Abgesehen von der Besetzung gab es auch unterschiedliche Austragungsorte. Während sich das Turnier 2001 auf die Achse Tampere – Helsinki fokussierte, ging es 2018 in den Nordwesten in die Küstenstadt Vaasa und etwa eine Stunde landeinwärts in die Bothnia-Region nach Seinäjoki. In den beiden Stadien mit nahezu identischer Kapazität (5 572 zu 5 672) wurden alle 16 Spiele ausgetragen, und zum ersten Mal fanden alle Partien auf Kunstrasenplätzen statt. Wie auch schon 2001 präsentierte sich das Wetter von seiner besten Seite mit ungewöhnlich hohen Temperaturen während der langen nordischen Sommertage. Die Bothnia-Region erlebte beispielsweise den heißesten Tag seit 60 Jahren. Als das Turnier am Montag, den 16. Juli um 15 Uhr Ortszeit startete (gerade einmal 21 Stunden nach dem Anstoß des Endspiels der FIFA- Weltmeisterschaft in Russland), war es klar, dass Trinkpausen Mitte beider Durchgänge ein regelmäßiges Ereignis werden würden. Gerade einmal zwei Teilnehmer des Turniers in Finnland (Portugal und Titelverteidiger England) waren bei der U19-Endrunde ein Jahr zuvor in Georgien am Ball. Zu den fehlenden Nationen zählten auch die früheren Champions Spanien und Deutschland. 1
Abgesehen von einer tadellosen Organisation setzte der Fußballverband von Finnland bei der Werbung für das Turnier auf Tim Sparv, der 60 Mal für die finnische Nationalmannschaft auflief, und Maija Saari (86 Einsätze für die Nationalmannschaft der ©UEFA.com Frauen) als Botschafter. Das Stadion in Seinäjoki Während der Endrunde gab es Fanzonen in Vaasa und Seinäjoki. Das Turnier wartete mit einer zusätzlichen Begegnung auf: Die drittplatzierten Teams der beiden Gruppen bestritten ein Play-off-Duell, um den sechsten europäischen Teilnehmer (zusammen mit den vier Halbfinalisten sowie Gastgeber Polen) bei der FIFA-U20-Weltmeisterschaft im Mai-Juni 2019 zu bestimmen. Bis auf zwei Partien wurden alle anderen im Fernsehen ausgestrahlt. Die Technischen Beobachter der UEFA bei der Endrunde in Finnland waren zwei Trainer mit umfangreicher Erfahrung bei UEFA-Juniorenturnieren: Jarmo Matikainen aus Finnland und László Szalai aus Ungarn. Deren Ansichten und Beobachtungen wurden in diesem Technischen Bericht zusammengefasst, der nicht nur eine dauerhafte Aufzeichnung des Events bietet, sondern auch Trainern - vor allem denen, die im Juniorenfußball arbeiten - nützliche Informationen geben will. 2
Der Weg ins Finale Die Italiener feiern den Sieg im Gruppenspiel-Thriller gegen Portugal ©UEFA.com Es ist eine weit verbreitete Annahme, dass Spieler Fehler machen müssen, um sich zu entwickeln. Allerdings ist es dennoch schwer, mit jedem einzelnen Fehler richtig umzugehen. Und je höher das Niveau ist, das man als Fußballer erreicht, desto härter werden Fehler bestraft. In Finnland hatte die Endrunde auf Kunstrasen kaum begonnen, da nahm der schmerzhafte Lernprozess schon seinen Lauf. Wie schon bei der U17-Endrunde zwei Monate zuvor trafen die Norweger in ihrem Auftaktspiel auf Portugal. Die Skandinavier versuchten, dem Spielfluss der Iberer mit einer gut organisierten Verteidigung, basierend auf einer Fünferkette, beizukommen. Allerdings unterliefen ihnen gleich zwei Fehler, die die Portugiesen prompt bestraften. Zunächst wurde der Ball an der eigenen Strafraumgrenze verloren, danach unterschätzten die Norweger eine Flanke von der Torauslinie auf den langen Pfosten. Sie markierten zwar den Anschlusstreffer, trafen aber auch dreimal das Aluminium - und kassierten nach einem Konter der Portugiesen das entscheidende Tor zur 1:3- Niederlage. Auch wenn der Auftakt der Gastgeber ähnlich schief ging, waren die Gründe für die Niederlage der Finnen eher in der Offensive als in der Defensive zu suchen. Fünfmal standen sie mehr oder weniger frei vor dem gegnerischen Tor, doch Italiens Schlussmann Alessandro Plizzari konnten sie nicht überwinden. Auf der anderen Seite nutzte Nicolò Zaniolo eine der wenigen Unachtsamkeiten in der finnischen Abwehr, umkurvte gleich drei Verteidiger und blieb - im Gegensatz zu den Gastgebern - auch vor dem Tor eiskalt. 3
Im folgenden Spiel erhielten die Finnen die nächste bittere Lektion. Nach einem frühen Rückstand schlugen sie gegen Norwegen zurück. Die Norweger spielten in der Verteidigung ein 5-4-1- System, das die Finnen mit schnellen Angriffen zu überwinden versuchten. ©Sportsfile Mittelfeldspieler Saku Finnland musste gegen Norwegen eine ganz bittere Niederlage hinnehmen Ylätupa lenkte das Spiel der Gastgeber und hatte auch das Auge für den entscheidenden Pass ins Angriffsdrittel. Nach dem Ausgleich per Elfmeter war es Ylätupa, der einen Konter mit einem Solo abschloss und die Gastgeber mit 2:1 in Führung brachte. Diese Führung hielt bis zur 90. Minute, ehe zwei Abwehrfehler in der Nachspielzeit noch für den späten K.-o. sorgten. Nach dem 2:3 mussten die Finnen gegen Portugal gewinnen, um zumindest noch eine theoretische Chance auf Platz drei in der Gruppe und damit auf das Play-off-Spiel um das letzte Ticket zur U20-WM zu haben. Doch die Mannschaft von Hélio Sousa, in der viele Spieler standen, die zwei Jahre zuvor den U17-Titel geholt hatten, zahlten ebenfalls einen hohen Preis für ihre Schwächen im Defensivverhalten gegen Italien. Nach nur neun Minuten profitierte der italienische Angreifer Moise Kean davon, dass die beiden Innenverteidiger zu zögerlich agierten. Lucas Queirós wusste sich anschließend nur mit einem Foul zu helfen und sah dafür vom polnischen Schiedsrichter die Rote Karte. Die Portugiesen zeigten sich davon aber unbeeindruckt und wechselten in eine 4-2-3-Formation, mit der die Italiener sichtlich Probleme hatten. Erst als sie nach der Pause etwas höher verteidigten, wurden sie gefährlicher - und bezwangen die tapfer kämpfenden Portugiesen mit 3:2. Gegen Finnland dominierten die Portugiesen das Spiel nicht nur wegen ihres Tempos und ihrer Technik, sondern auch dank ihrer Ballkontrolle. Aber sie profitierten auch wieder von zwei Unzulänglichkeiten bei den Hausherren - und führten deshalb zur Pause mit 2:0. Nach dem Seitenwechsel kamen die neu formierten Finnen besser ins Spiel, weil sie mehr Druck ausübten und vor allem über die linke Seite gefährlicher wurden. Doch nach einer Viertelstunde war die ganze Herrlichkeit schon wieder vorbei. Die Portugiesen kamen wieder vermehrt zu Kontern und nutzten den letzten Schnellangriff, um mit dem 3:0 in der Nachspielzeit alles klar zu machen. Im Parallelspiel löschte Italien den letzten Funken Hoffnung bei den Norwegern. Sieben Minuten vor Schluss glichen die Italiener aus, nachdem Norwegen durch einen Elfmeter in Führung gegangen war. In Gruppe A sicherte sich Italien den Sieg mit einem Punkt Vorsprung vor Portugal. In Gruppe B sorgten die Türken für die große Leidensgeschichte. Nach nur zwei Spielen stand ihr Scheitern bereits fest, was sie sich aber zum Großteil selbst zuzuschreiben hatten. Gegen England ging die Mannschaft von Vedat Inceefe zwar nach einem Ballgewinn früh in Führung. Doch dann schlichen sich Fehler bei gegnerischen Freistößen und Ballverluste ein, und prompt 4
stand es 1:3. Einen Abwehrfehler der Engländer nutzten die Türken zum Anschlusstreffer, selbst ein Unentschieden war jetzt wieder drin. Doch dazu reichte es am Ende nicht mehr. Gegen Frankreich wurde es dann noch bitterer. Nach nur zwei Minuten gerieten die Türken in Rückstand. Anschließend drängten sie auf den Ausgleich, doch die Angriffsbemühungen gingen nach hinten los. Frankreich konterte die Türken gnadenlos aus und gewann am Ende mit 5:0. Der klare Erfolg sorgte bei der Mannschaft von Bernard Diomède für große Erleichterung. Denn zum Auftakt hatten die Franzosen gegen die Ukraine überraschend mit 1:2 verloren. Die Ukrainer verteidigten in einer 5-4- 1-Formation sehr effizient und resolut. Bei Kontern waren sie sehr ©Jussi Eskola gefährlich und sorgten Die Ukraine kam zu einem dramatischen Sieg gegen Frankreich dafür, dass sich die französischen Verteidiger häufig nur mit Fouls zu helfen wussten. Drei Spieler aus der Viererkette sahen Gelb, der vierte - Innenverteidiger Malang Sarr - wurde in der 64. Minute sogar vom Platz gestellt. Zu diesem Zeitpunkt stand es noch 1:1. Vier Minuten vor Schluss aber war es Serhiy Buletsa, der den Siegtreffer für die Ukrainer erzielte. Dank einer ähnlich soliden Leistung sprang gegen England ein Unentschieden heraus. Die Briten gingen durch einen exzellent verwerteten Eckball in Führung, ehe die Ukrainer durch eine feine Einzelleistung der einzigen Spitze, Vladyslav Supriaha, ausgleichen konnten. In der zweiten Halbzeit ließen die Kräfte bei den Schützlingen von Trainer Olexandr Petrakov zwar langsam nach. Es reichte aber noch, um sich dem Ansturm der Engländer erfolgreich entgegen zu stellen. In ihrem letzten Gruppenspiel trafen die Ukrainer auf eine türkische Mannschaft, die auf drei Innenverteidiger setzte und damit das System des Gegners kopierte. Die Türken hatten über weite Strecken mehr Ballbesitz, fanden aber gegen sehr diszipliniert verteidigende Ukrainer keinen Weg zum Erfolg. Den Ukrainern indes reichte ein gut ausgespielter Konter über die linke Seite, um das Spiel zu gewinnen und Gruppensieger zu werden. England, das im ersten Spiel auf eine Fünfer-Abwehr und im zweiten Spiel auf eine Viererkette gesetzt hatte, begann die Partie gegen Frankreich, in der es um alles oder nichts ging, sehr energisch. Aber die Engländer hatten große Probleme mit dem hohen Pressing, der ausgereiften Technik und den explosiven Antritten der Franzosen. Außerdem machten es die Engländer ihren Gegnern mit Ballverlusten im eigenen Verteidigungsdrittel ein ums andere Mal relativ leicht. Am Ende bezahlten sie dafür mit einer 0:5-Niederlage. So endete die Gruppenphase wie sie begonnen hatte: Mit Fehlern, die eiskalt bestraft wurden. England spielte als Gruppendritter gegen Norwegen um einen Platz bei der FIFA-U20- 5
Weltmeisterschaft. In dieser Partie zahlten die Engländer den Preis dafür, dass die Klubs sich geweigert hatten, insgesamt über 30 Spieler für die Endrunde abzustellen. Die Mannschaft von Paul Simpson ging schließlich mit 0:3 gegen die Norweger unter, die sich damit das Ticket für die Junioren-WM sicherten. Als das erste Halbfinale in Vaasa begann, hätte wohl keiner gedacht, dass das Spiel schon nach einer halben Stunde hätte abgepfiffen werden können. Hélio Sousa überraschte mit der Berufung von Stürmer Pedro Correia, der zuvor noch gar nicht zum Einsatz gekommen ©Sportsfile war. Ausgerechnet Pedro Correia brachte Portugal im Halbfinale in Führung Correia war es dann, der nach nur zwei Minuten die Portugiesen per Abstauber in Führung brachte. Die Kontertaktik der Ukrainer wurde noch stärker über den Haufen geworfen, als Stürmer Vladyslav Supriaha nach nur zehn Minuten vom Platz humpelte. Das Drama für die Osteuropäer ging auch danach unvermindert weiter, zwischen der 19. und 30. Minute kassierten sie weitere vier Gegentore. Ihre Fünfer-Abwehr hatte dem flüssigen Angriffsspiel der Portugiesen nichts entgegen zu setzen. Die Iberer hatten danach wohl ein Einsehen mit ihren Gegnern und ließen es in der restlichen Stunde etwas ruhiger angehen. Das zweite Halbfinale bot hingegen Hochgeschwindigkeitsfußball von der ersten bis zur letzten Minute. Die Italiener präsentierten sich taktisch schon sehr reif und traten überaus selbstbewusst auf. Die Franzosen hingegen bestachen durch große individuelle Klasse. In der Abwehr standen große, athletische Spieler, im Mittelfeld boten die Franzosen sehr passsichere Akteure auf, und die Stürmer waren außerordentlich schnell und dribbelstark. Die Italiener setzten ihre defensive Klasse dagegen. Schnell schalteten sie um von einem 4-1-4-1 in der Verteidigung auf ein 4-3-3 im Angriff. Das Team von Paolo Nicolato trat insgesamt sehr diszipliniert und hochkonzentriert auf. Frankreich dagegen griff fast ununterbrochen an, vor allem in der zweiten Halbzeit, als es einen Rückstand aufzuholen galt. Zweimal scheiterten die Franzosen aber mit ihren Bemühungen an der Querlatte. Außerdem wurden zwei Tore wegen Abseitsstellungen nicht anerkannt. Das Team von Bernard Diomède erspielte sich genügend Möglichkeiten. Doch die Italiener verteidigten leidenschaftlich und warfen sich tapfer in jeden Ball. Jeder, nicht nur die vier Verteidiger und der Torwart, beteiligten sich bei den Italienern an der Abwehrarbeit. Damit hielten sie ihren Kasten sauber. Die Tore wurden auf der anderen Seite geschossen. Sandro Tonali, herausragend als defensiver Mittelfeldspieler, spielte den Ball die rechte Seite entlang, wo drei Italiener eine Überzahl kreierten. Rechtsverteidiger Raoul Bellanova passte die Kugel in den Rücken der Abwehr, und Christian Capone schloss überragend ab. Zuvor hatte Stürmer Moise Kean die Innenverteidiger 6
auf sich gezogen. Nur drei Minuten später fing Nicolò Zaniolo einen Pass von Innenverteidiger Malang Sarr ab, der dann nicht mehr rechtzeitig zurücklaufen konnte. Zaniolo nutzte das aus und passte auf Kean. Der markierte nach einem Solo mit rechts das 2:0. Der Rest des Spiels wurde zum Duell anrennender Franzosen gegen verteidigende Italiener. Ein Tor fiel nicht mehr, weshalb die Italiener ins Finale einzogen, wo sie zum zweiten Mal bei diesem Turnier auf Portugal trafen. 7
Das Endspiel Portugal jubelt nach einem denkwürdigen Finale ©Sportsfile Das Vorspiel zu einer wundersamen Geschichte wurde geschrieben, bevor es an einem heißen Nachmittag in Seinäjoki zum Anstoß kam. Launische Wolken lieferten etwas Farbe und Schatten, doch wenn man von dem von Kiefern umgebenen Stadion in den Himmel schaute, sah man dort vor allem blauen Himmel. Nachdem Hélio Sousa die Aufstellung bekanntgegeben hatte, musste er auf Miguel Luís verzichten, der schon das ganze Turnier über mit Verletzungsproblemen zu kämpfen hatte. Für ihn kam Nuno Nunes ins Spiel, der zuvor lediglich acht Minuten Einsatzzeit hatte. Die Nummer 13 übernahm eine Position im defensiven Mittelfeld, während der bisher so auffällige Florentino weiter nach vorne und in eine offensivere Rolle schlüpfte. Paolo Nicolato sorgte für eine Überraschung und änderte seine Offensive auf gleich fünf Positionen. Er kehrte zu einer 1-4-4-2-Formation mit Raute im Mittelfeld zurück, die er bereits am Anfang des Turniers hatte spielen lassen. Gianluca Scamacca war nach abgesessener Sperre wieder dabei und lief im Sturm neben Andrea Pinamonti auf, während Filippo Melegoni anstelle von Nicolò Zaniolo, der nun auf der linken Seite agierte, den Spielmacher gab. Als die Spieler das Feld betraten, waren auf den blauen Trikots von Italien keine Namen, während auf den roten Trikots von Portugal die Spielernamen in goldener Schrift zu lesen waren. Sollte es eine Auseinandersetzung kollektiver Tugenden gegen individuelle Ausnahmekünstler werden? Taktische Disziplin gegen freigeistige Kreativität? 8
In den ersten Minuten war es eine ausgeglichene Angelegenheit. Italien war geduldiger im Aufbau als in den Spielen zuvor und war im Pressing aggressiv genug, um einige vielversprechende Umschaltsituationen zu erzwingen. Diese wurden von einer gut ©Sportsfile organisierten Defensive Beide Abwehrreihen verrichteten in der ersten Halbzeit gute Arbeit Portugals aber immer wieder schnell entschärft. Die ersten Angriffe der Italiener zielten darauf ab, die Flügel zu überladen. Die beiden Angreifer waren viel unterwegs und machten die vorderste Linie breit, anstatt als Tandem im Zentrum zu arbeiten. Die Portugiesen, bei denen der gefährliche João Filipe 'Jota' quasi überall zu finden war, scheuten sich nicht, viele Spieler mit in den Angriff einzubinden. Oftmals wurde nach Ballverlust ein hohes Pressing angewendet, damit Italien einen langen Ball spielen musste. Es dauerte nicht lange, bis Scamacca nach einem weiteren unpräzisen Befreiungsschlag seine Teamkollegen das erste Mal mit kritischen Blicken versah. Die beiden Trainer grübelten und gestikulierten an der Seitenlinie, ehe sie im Rahmen einer Trinkpause die Chance bekamen, einige taktische Veränderungen vorzunehmen. Nicolato sollte sich nun mehr um Pinamonti kümmern, während Sousa den Rechtsverteidiger Thierry Correia in Schach halten sollte. Beide Teams kamen danach zu Kopfballchancen. Pinamonti fehlte zum Tor nicht viel, als Portugals Hintermannschaft einen Moment lang unachtsam war, auf der anderen Seite scheiterte Correia nach einer Ecke. Als der vierte Offizielle an der Seitenlinie die Nachspielzeit anzeigte, kam es zum ersten Tor der Partie. Portugals Kapitän José Gomes, der in der Offensive mit viel Übersicht und Ballgefühl glänzte, brachte eine Flanke von der linken Seite und über den Kopf von Francisco Trincão landete das Leder bei Jota. Der zog ab und Alessandro Plizzari konnte den Gegentreffer nicht verhindern. Nicolato reagierte mit der Herausnahme von Pinamonti in der Halbzeit und brachte dafür den schnellen und explosiven Moise Kean als Sturmpartner von Scamacca. Vielleicht ließen sie sich durch die Gruppe von "Cheerleadern" hinter dem portugiesischen Tor motivieren, die zur Pause das rot-grüne Portugal-Outfit gegen blaue Italien-Fanutensilien getauscht hatten. Auf jeden Fall war Italien von nun an spielbestimmend. Auch die Einwechslung von Christian Capone für Melegoni wirkte sich positiv aus. Das Angriffsspiel war variabler, besser durchdacht und gefährlicher, insbesondere über die rechte Seite, wo Raoul Bellanova unermüdlich rackerte und für gute Flanken sorgte. Portugal, das sonst der eigenen Philosophie immer treu blieb und in Angriff und Defensive im 1-4-3-3 agierte, musste gegen den Ball in ein 1-4-1-4-1 umschalten und die Flügelstürmer etwas zurückziehen, um Italiens Vorstöße auf den Seiten besser in Schach halten zu können. Während der Trinkpause gab Nicolato seinem Stürmer Kean einen aufmunternden Klaps auf den 9
Rücken, Sousa instruierte Innenverteidiger Romain Correia und Mittelfeldspieler Florentino. Sekunden nach Wiederanpfiff nahm Jota einen langen Pass mit der Brust an und Trincão war zur Stelle - 0:2. Der Treffer markierte gleichzeitig das Ende aller taktischen Überlegungen - die Zuschauer erlebten fortan eine emotionale Achterbahnfahrt. Während sich Portugal noch über das Polster einer Zwei-Tore- Führung freute, schlug Italien zurück. Ein Einwurf in vermeintlich ©UEFA.com harmloser Position auf João Filipe (rechts) traf doppelt für Portugal der rechten Seite führte dazu, dass Kean mit Geschwindigkeit in den Strafraum eindrang, von Capone mit der Hacke bedient wurde und zum Anschluss traf. Portugal reagierte geschockt auf den Gegentreffer und ließ sich danach von Italien mit nur sechs Pässen ausspielen. Zaniolo lieferte das letzte Zuspiel auf Kean und schon stand es 2:2. Als der spanische Schiedsrichter die reguläre Spielzeit abpfiff, kehrten die italienischen Spieler mit viel Selbstvertrauen und einem guten Gefühl an die Seitenlinie zurück. In der Verlängerung wollte Italien die schnelle Entscheidung erzwingen und verlor dabei die defensive Ordnung. Beide Trainer nahmen ihre Option auf einen vierten Wechsel wahr. Sousas Entscheidung, mit Pedro Correia einen Zielstürmer auf den Platz zu bringen, sollte sich als goldrichtig erweisen. Er lieferte die Vorarbeit zu dem wuchtigen Schuss von Jota aus der zweiten Reihe, den Plizzari nur ins eigene Netz ablenken konnte. Dieses Mal gab es großen Jubel auf der portugiesischen Bank, die anschließend vom Schiedsrichter ermahnt werden musste. Mit der 3:2- Führung von Portugal ging es in die zweite Halbzeit der Verlängerung. Während die Sonne in Seinäjoki langsam unterging, hatte das Spiel eine erneute Wende parat. Kurz nach Wiederanpfiff baute Italien über die linke Seite auf, passte in die Mitte und von dort zurück nach links. Jetzt folgte der Wechsel auf rechts, von wo Bellanova eine perfekte Flanke auf Scamacca in den Strafraum segeln ließ - 3:3. Nun war die italienische Bank erneut an der Reihe, der Euphorie freien Lauf zu lassen. 10
Abermals hatte das Schicksal andere Pläne. Während Italien noch im Jubelmodus war, fand Jota die Lücke für einen Pass auf den eingewechselten Stürmer Pedro Correia, der sich erst im Zweikampf behauptete, um nach einer Drehung in die lange Ecke abzuschließen. Wieder ©Sportsfile kam es zu emotionalen Portugal schlug in der 109. Minute zu Szenen an der Seitenlinie, nur dieses Mal sollte das für die jubelnde Mannschaft keinen schlechten Nachgeschmack entwickeln. Italien hatte noch zwei gute Chancen, konnte Portugals Defensive aber nicht mehr knacken. Sekunden vor dem Ende bekam Jota bei seiner Auswechslung stehende Ovationen. Bevor Portugal erstmals die U19-Trophäe in die Hände bekam, zollte man dem Gegner großen Respekt. Auf eine zunächst taktische Angelegenheit war ein denkwürdiges Spektakel gefolgt - Jubel auf der einen und Tränen auf der anderen Seite waren aber immer unvermeidlich. Die Akteure werden für den weiteren Verlauf der Karriere die Lektion gelernt haben, wie wichtig emotionale Intelligenz sein kann. 11
Technische Themen Italien und Portugal lieferten sich ein packendes Finale ©UEFA.com Kader und Spielerstatistiken Das Turnier in Finnland war ein höchst unterhaltsames Spektakel. Bevor wir jedoch den taktischen Vorhang öffnen, müssen wir noch die Bühne bereiten. Die Besonderheit der Endrunde lag darin, dass in den beiden Spielorten Kunstrasen eingesetzt wurde. Dieser Umstand löste bei den Trainern ein gewisses Maß an Zurückhaltung aus. Frankreichs Bernard Dioméde beherzigte die Warnungen hinsichtlich Knie- und Rückenbeschwerden und ließ auf Naturrasen trainieren. Er begrenzte die Nutzung von Kunstrasen nur auf die Spieltage. Das Bewässern des Platzes wurde als enorm wichtig angesehen, doch die außergewöhnlich hohen Temperaturen führten teilweise dazu, dass das Wasser aus den Sprinkleranlagen verdampfte, ehe es am Boden ankam. Die allgemeine Meinung der Trainer wurde kurz und bündig von Italiens Trainer Paolo Nicolato zusammengefasst: "Ich denke, die Spieler werden schneller müde, aber der Spielstil wird dadurch nicht beeinträchtigt." Im Kontrast zu diesem Novum gab es auch einige Beständigkeiten. Der Austragungstermin im Juli brachte die gewohnten Probleme mit sich. So erläuterte Englands Trainer Paul Simpson ein extremes Beispiel, dass mehr als 30 Kandidaten seines Kaders keine Freigabe ihrer Vereine erhielten. Das Ergebnis war, dass England das Play-off verlor und somit seinen Titel bei der FIFA- U20-WM 2019 nicht verteidigen kann. Da andere Endrunden-Teilnehmer weniger oder gar nicht davon beeinträchtigt waren, wurde das Turnier - zumindest in dieser Hinsicht - nicht unter gleichen Wettbewerbsvoraussetzungen durchgeführt. Wie in vergangenen Ausgaben gehörte auch die Analyse der Geburtsdaten der Spieler zu den wichtigsten Themen. Von den 160 Spielern in Finnland wurden 43 Prozent in den ersten drei Monaten des Jahres geboren, nur 15 Prozent in den letzten drei Monaten. Die Trainer erklärten einheitlich, dass das Geburtsdatum der Spieler bei der Zusammenstellung des Kaders keine Rolle 12
gespielt habe. Die Daten geben aber unmissverständlich zu verstehen, dass es weiterhin viel Arbeit gibt, um die Chancengleichheit in der Entwicklung zu gewährleisten. Mehr Verteidiger, mehr Tore Soweit zu den grundlegenden Dingen. Auf dem Platz gab es ein Phänomen zu beobachten, das in gewisser Weise als paradox zu werten ist. Während Norwegen bei der UEFA-U17-EURO zwei Monate zuvor noch das einzige von 16 ©UEFA.com Teams war, welches mit Die Trainer der Gruppe A einer Fünferkette in der Abwehr operiert hatte, griffen gleich fünf der acht Teilnehmer in Finnland zumindest in Teilen des Turniers auf dieses Mittel zurück. "Ich denke, wir müssen vorsichtig sein, dies als eindeutigen Trend zu bezeichnen", meinte Jarmo Matikainen, Technischer Beobachter der UEFA. "Die Trainer haben dies aus unterschiedlichen Gründen und in verschiedenen Wegen an ihr System angepasst." Simpsons 1-5-3-2-Formation war der Tatsache geschuldet, dass ihm im improvisierten Kader die Flügelstürmer fehlten. Vedat Inceefe setzte im letzten Gruppenspiel der Türkei auf einen ähnlichen Ansatz, um die Formation der Ukraine zu spiegeln. Norwegens "Paco" Johansen ließ grundsätzlich eine Fünferkette auflaufen, der Spielaufbau sah aber vor, dass sich ein defensiver Mittelfeldspieler als zentrale Komponente der drei Innenverteidiger positionierte. Bei Halbfinalist Ukraine gab es derweil eine eher klassische Fünferkette als Teil eines 1-5-4-1. Matikainen dazu: "Es war perfekt für die Spielphilosophie, zunächst auf eine kompakte Defensive zu setzen, um in der Abwehr stets Überzahl zu haben. Somit war die Abwehr schwer zu überspielen und man konnte auf Konter setzen. Diese Strategien der Trainer zeigen, dass man sich der vorhandenen Spielertypen und Qualitäten anpasste." Und obwohl es teilweise sehr dicht gestaffelte Abwehrlinien gab, fielen im Verlauf des Turniers 55 Treffer (aus Vergleichsgründen wurde das WM-Play-off nicht mitgezählt). Es war eine deutlich höhere Ausbeute als bei den Turnieren 2015 (36) und 2017 (39). "Wenn wir nach Erklärungen suchen", so der Technische Beobachter László Szalai, "können wir erkennen, das Mannschaften mit Fünferketten nach Ballgewinn schnell nach vorne spielen wollen. In diesem Moment ist man verwundbar und wir haben einige Tore gesehen, die nach hohen Rückeroberungen in der kritischen Phase des Umschaltens von Abwehr auf Angriff gefallen sind." Wenn man eher das Positive als das Negative in den Vordergrund stellt, kommt man bei der Analyse der Tore zu dem Schluss, dass relativ wenige aus "Abwehrfehlern" resultierten. Geht man die Sache eher kritisch an, könnte das Fazit aber auch anders ausfallen. Der Ballverlust nahe des eigenen Strafraums, welcher Norwegen den Rückstand gegen Portugal einbrachte; je ein Treffer für beide Teams beim Spiel zwischen der Türkei und England, als Pässe in kritischen Zonen 13
abgefangen wurden; Finnlands Unachtsamkeit an der Strafraumgrenze gefolgt vom 0:2 gegen Portugal und gleich drei haarsträubende Schnitzer von England tief in der eigenen Hälfte gegen Frankreich… Ein zusätzlicher Innenverteidiger ist auch nicht gleichbedeutend mit mehr Absicherung. So gab es von ihnen auch Fehler, die den Spielverlauf maßgeblich beeinflussten. So wie den Vorstoß von Frankreichs Innenverteidiger Malang Sarr in die gegnerische ©Jussi Eskola Hälfte im Halbfinale Finalist Italien nutzte viele Abwehrfehler aus gegen Italien. Dabei spielte er einen Pass, der einfach zu durchschauen war, und Nicolò Zaniolo leitete den Gegenangriff ein. Dieser schickte Moise Kean auf die Reise und der Stürmer ließ sich nicht zweimal bitten. Oder der Fehler von Lucas Queirós, der seinen Gegenspieler (erneut Kean) einfach davonlaufen ließ, was zu einer Roten Karte führte, so dass Portugal im Spiel gegen Italien schon nach acht Minuten nur noch zu zehnt agierte. Geben und nehmen Bei der Analyse des Turniers lag die Herausforderung darin, auf der einen Seite die Fehler aufzuzeigen, diese aber auch mit der Fähigkeit aufzuwiegen, gegnerische Schnitzer auszunutzen. Die Diskussionen führten zu einer Vielzahl an Themen, die eng miteinander verbunden sind. Etwa das Pressing, die Positionierung von Abwehrreihen, die Nutzung von Kontern als Hauptwaffe oder die Bereitschaft einer Mannschaft - selbst bei gegnerischen Fünferketten - voll auf die Abwehr draufzugehen und mit großem Laufpensum abseits des Balles und Positionswechsel Chaos zu schaffen. "Die Mannschaften waren bereit, die vorderste Reihe zu überladen", so die Einschätzung von Matikainen. "Der Gegner sollte auch mit direkten Angriffen und Pässen in die Tiefe überrumpelt werden. Wir haben viele Angriffe gesehen, die durch die Überladung einer Seite entstanden sind, worauf es dann zum Seitenwechsel kam, wenn der Gegner gerade dabei war, sich der Situation anzupassen. Die Türkei hat dies gegen England sehr gut gemacht. Aber danach haben sie ihren Stil verändert und konnten in den nächsten zwei Partien kein Tor mehr erzielen." 14
"Italien war das taktische Chamäleon", so Szalai. "Sie hatten die Flexibilität in ihrem Angriff und haben in der Offensive permanent die Positionen getauscht." Die Grafik 1, die sich auf das Gruppenspiel gegen Norwegen bezieht, zeigt eine der Angriffsoptionen, die in der 1-4-4-2- Formation mit Zaniolo als Spielmacher in der Mittelfeldraute zur Verfügung stand. Während Sandro Tonali (Nummer 18) die Innenverteidiger absicherte, konnten sich beide Außenverteidiger weit vorne mit einschalten. Insbesondere Raoul Bellanova (14) tat dies auf der rechten Seite. Zaniolo stieß meist zu den beiden Stürmern, die sich knapp an der Abseitslinie bewegten und immer wieder die Positionen wechselten. Dabei lauerten sie auf Pässe in die Schnittstelle oder ©UEFA.com Grafik 1: Italien mit Mittelfeldraute und offensiven auf Bälle über die Abwehr hinweg. Abhängig von Außenverteidigern der Reaktion der Innenverteidiger entschied sich Zaniolo manchmal dazu, sich fallen zu lassen, um so einen Gegenspieler herauszuziehen, oder den Ball im Zwischenraum in Empfang zu nehmen. Portugal, das Team mit den meisten Toren bei der Endrunde, war besonders zweikampfstark, ebenso wie Frankreich. Grafik 2 zeigt, wie sich diese Qualität mit den flüssigen Bewegungen abseits des Balles in der Offensive ergänzte. Anders als Italien setzte man dabei nicht auf einen Zielstürmer. José Gomes nutzte seine Mobilität und seine gute erste Ballberührung, um zu den überlegten Angriffen beizutragen, anstatt auf die Brechstange zu setzen. Die Grafik (aus dem Spiel gegen Finnland) zeigt einen typischen Angriff über die rechte Seite. Francisco Trincão (17) bewegte sich auf Thierry Correia (14) zu, während Miguel Luís (8) und Gomes Überzahl schafften, um den Gegner zu zwingen, die Formation zu verlassen. Oftmals kam es danach ©UEFA.com Grafik 2: Portugal hatte sehr starke Flügelstürmer zu schönen Kombinationen zwischen Quina (10) und Jota (7), die auf der nun unbewachten linken Seite den Freiraum ausnutzten. 15
©Jussi Eskola Ukraine bot gute Leistungen "Insgesamt hatte ich das Gefühl, dass die Mannschaften das Passspiel in der eigenen Hälfte nicht übertrieben", meinte Szalai. "Stattdessen haben wir ein größeres Bemühen hin zu direkten Angriffsoptionen gesehen." Das Paradebeispiel lieferte die Ukraine unter Olexandr Petrakov. Bis zur desaströsen halben Stunde im Halbfinale gegen Portugal agierte das Team in einem 1-5-4-1 mit "militärischer Präzision" (Zitat Paul Simpson). Die Grafik 3 vom Auftaktsieg gegen Frankreich zeigt, wie der herausragende Vladyslav Supriaha (11) - der bei Ballgewinn oft extrem isoliert stand - gute Läufe startete, um einen direkten Ball von den Innenverteidigern in Empfang zu nehmen. Die beiden Außenverteidiger hatten die nötige ©UEFA.com Grafik 3: Ukraine setzte auf lange Pässe Kondition, um permanent die Linie auf und ab zu laufen, während die äußeren Mittelfeldspieler nach innen zogen, wo sie ihre Dribbelstärke zur Geltung bringen konnten. So konnte die Ukraine viele gefährliche Konter fahren. Der falsche Fuß ist der richtige Fuß Das Turnier in Finnland hat gezeigt, dass Flügelstürmer immer öfter auf der "falschen" Seite eingesetzt werden: Linksfüßer auf rechts, Rechtsfüßer auf links. Dies war einst Rarität, ist heute aber weit verbreitet. Die Ukrainer Heorhii Tsitaishvili und Serhii Buletsa waren dafür ein gutes Beispiel, aber auch Portugal war mit Trincão und Jota besonders effektiv. "Die Vorteile liegen auf der Hand", erklärte Szalai. "Ein Flügelstürmer, der auf der anderen Seite eingesetzt wird, kann in die Räume zwischen die Innenverteidiger gehen und so die Seite für den Außenverteidiger frei 16
machen." Pressing ist Premium In Verbindung mit der Anzahl der Abwehrfehler wurde von den Technischen Beobachtern auch die Bedeutung von einstudierten Pressingstrategien in den Vordergrund gestellt. Hohe Verteidigungslinien und "offensives Verteidigen" ©Jussi Eskola standen in Finnland England jubelt im Spiel gegen die Türkei hoch im Kurs. Die Beobachter suchten die Schlussphase von Finnlands Spiel gegen Norwegen heraus, um ein Beispiel für die Gefahr eines tiefen Verteidigens zu zeigen. Beim Stand von 2:1 in der 90. Minute ließ sich der Gastgeber instinktiv zurückfallen, um den Vorsprung über die Zeit zu retten. In der Nachspielzeit wurde man für die Passivität zweimal bestraft. Norwegen markierte nach einem Durcheinander im Strafraum den Siegtreffer. Es war eines von zwei Toren, die von einem Abwehrspieler markiert wurden. Bei dem anderen Treffer handelte es sich um Englands Ausgleich gegen die Türkei, als Innenverteidiger Japhet Tanganga nach einem Freistoß erfolgreich war. "Die Fähigkeit, den Ball in der gegnerischen Hälfte zu erobern, war eine der Schlüsselqualitäten", bilanzierte Matikainen. "Ich war besonders beeindruckt von den Mannschaften, die Situationen antizipieren konnten, in denen sich der beste Zeitpunkt zum Ballgewinn anbot, oder wann es besser war, positionelles Pressing und Zustellen der Passwege anzuwenden. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass die Fähigkeit, sich dem Pressing zu entziehen und die erste Verteidigungslinie auszuspielen, ein kritisches Element darstellte." Ein zufälliges Beispiel in Grafik 4 zeigt Englands Pressing im Spiel gegen die Ukraine. Ziel war es, den gegnerischen Spielaufbau auf eine bestimmte Seite zu limitieren. Die vorderen fünf Spieler bewegen sich energisch auf einen Flügel, um die Passwege zu blockieren. Einer aus ©UEFA.com dem Mittelfeldtrio rückt Grafik 4: England mit hohem Pressing heraus, um den 17
Innenverteidiger unter Druck zu setzen. Der Rechtsverteidiger geht ebenfalls ins Pressing, während der Rest der Abwehrkette sich zum Abfangen eines langen Ball bereit macht. In jener Partie lieferte England Beispiele, wie man das Aufbauspiel gestalten kann, wenn der Gegner (in diesem Fall also die Ukraine) sich für ein hohes und kollektives Pressing entscheidet. Grafik 5 zeigt, wie zwei der drei Innenverteidiger tief ©UEFA.com und breit stehen, Grafik 5: England entzieht sich dem Pressing während der dritte Innenverteidiger sich etwas absetzt, um Räume und Passwege zu öffnen. Damit erhält der Torwart mehr Möglichkeiten. Die vorderen Spieler waren bereit, um einen langen Pass festzumachen und nach der Spieleröffnung des Torwarts reagierten die Akteure schnell, um den ballführenden Mitspieler Unterstützung anzubieten. Die Ukraine mischte schnelle Konter mit geduldigem Aufbauspiel. Aber in beiden Fällen lag das Endziel darin, direkte Pässe in das vordere Drittel zu spielen. Grafik 6 zeigt, wie Englands Abwehr überladen wurde, um für Gefahr zu sorgen. Während sich der Ball auf der rechten ©UEFA.com Seite befindet, ließ sich Grafik 6: Die Ukraine mit der Spielverlagerung Nummer 21 fallen, um anschließend die Sturmspitze in Szene zu setzen oder einen Diagonalpass in den Laufweg von einem der beiden Spieler auf dem anderen Flügel zu spielen. Der Faktor Hitze "Die Hitze hinderte Teams daran, permanent kollektiv hoch zu pressen", urteilte Szalai, "deshalb haben wir einen guten Mix defensiver Strategien gesehen. Es gab hohe, mittlere und tiefe defensive Formationen. Immer war es aber so, dass auf Ballgewinne sehr schnelle Gegenangriffe folgten. Drei der fünf Tore im Spiel zwischen Frankreich und der Türkei waren das Ergebnis aus Kontern, die zu einer Eins-gegen-Eins-Situation führten." Zustimmung gab es von Matikainen: 18
"Wir haben klassische Überzahlkonter gesehen. Italiens Vorstoß bis ins Finale hat gezeigt, dass sie immer bereit waren, bei schnellen Gegenangriffen mehrere Spieler nach vorne zu schicken." Gegen Norwegen und Finnland zeigte jeweils das dritte Tor genau, wie viel Wert das portugiesische Team auf Konter legte. Zwei der vier Treffer der Ukraine entstanden nach schnellen Gegenangriffen und eines davon (der Siegtreffer gegen Frankreich) fiel als Folge eines Freistoßes des Gegners. Finnlands Trainer Juha Malinen hatte sich eine Pressing-und-Konter- Strategie zurechtgelegt, die dann ihre volle Wirkung entfalten sollte, wenn der Gegner besonders verwundbar war. Oder wie er es ausdrückte: "Damit sie 'Aua' sagen müssen." Während sich die eigenen Spieler nach ©UEFA.com Ballgewinn für den Grafik 7: Finnland im Aufbauspiel Konter bereit machen, wurden zunächst ein paar kurze Pässe gespielt. Grafik 7 zeigt, wie die Strategie umgesetzt wurde. nach dem Ballgewinn in der eigenen Hälfte folgt das eingestreute Kurzpassspiel. Zieht der Gegner in Richtung des ballführenden Spielers, folgt ein ©UEFA.com Seitenwechsel. Grafik 8 Grafik 8: Finnlands schnelles Angriffspiel illustriert Mechanismen des direkten und schnellen Angriffspiels. Während Nummer 9 auf Läufe in die Tiefe spekuliert, sucht Nummer 8 den Zwischenraum und ist bereit, in Dribblings zu gehen oder den Ball schnell weiterzuleiten. Auf der rechten Seite wurde der Gegner von der unermüdlichen Nummer 7 beschäftigt, während Nummer 10 und der Linksverteidiger ein gutes Zusammenspiel und ein Auge für offene Räume unter Beweis stellten. Die Rückkehr des großen Stürmers "Ein Merkmal des Turniers war die Anzahl an groß gewachsenen Stürmern", stellte Szalai fest. Viele Teams hatten diesen Spielertyp, Norwegens Erling Håland und Vladyslav Supriaha von der Ukraine sind nur zwei Beispiele. Allerdings interpretierten alle ihre Rolle unterschiedlich. Håland 19
war der klassische Zielstürmer, Supriaha wich auch gerne auf die Flügel aus. England und Finnland hatten ebenfalls Stürmer, die sich nicht in die eine Schublade packen lassen. Die beiden Finalisten hatten vielleicht die interessantesten Variationen. Portugals Trainer Hélio Sousa (im Gegensatz zu seinen Kollegen wie Bernard Diomède, ein Verfechter der Idee, "verschiedene Spielsysteme" in die Ausbildung fließen zu lassen) sagte mit Überzeugung: "Ich werde die Spieler dem Charakter meines Teams anpassen, anstatt die Struktur zu verändern." Dies setzte er in die Tat um, als er im Halbfinale mit Pedro Correia einen Stürmer aufstellte, der viel mehr dem Typ "Zielstürmer" entspricht als der quicklebendige José Gomes. Im Finale gegen Italien kam Correia von der Bank und markierte den Siegtreffer. Paolo Nicolato hatte zwei "große Stürmer" in seinem Kader, allerdings ließ er sie nur selten zusammen auflaufen. Moise Kean, der in zentraler Rolle agierte und seine Schnelligkeit einsetzte, um durch die Mitte für Durcheinander in der gegnerischen Defensive zu sorgen, zog es vor, ©UEFA.com sich über die Außen zu Italiens Gianluca Scamacca hinterließ einen guten Eindruck bewegen, wenn sein Team eher geduldig aufbaute. Dadurch öffneten sich mehr Räume im Mittelfeld. Gianluca Scamacca, ein großer, kopfballstarker und ballsicherer Akteur, war ebenfalls sehr effektiv darin, als Bindeglied aus der Tiefe zu agieren. Grafik 9 zeigt, wie Kean von Nicolato im Gruppenspiel gegen Portugal als Schlüsselelement in Italiens Umschaltspiel eingesetzt wurde. Die Nummer 20 war immer als Anspielstation bereit, konnte die Bälle festmachen oder selbst ein Solo starten. Aber er war auch ein wichtiger ©UEFA.com Bestandteil des Grafik 9: Italien im Umschaltspiel in die Offensive italienischen Teams, wenn es darum ging, schnelle Konter zu fahren. Er wich oft auf die Seiten aus und zog damit einen Verteidiger mit sich, wodurch sich Räume für die unterstützenden Spieler aus dem Mittelfeld 20
boten. Zurück zum Spielsystem: Portugal hielt an dem 1-4-3-3 fest und stand damit um Kontrast zu Teilnehmern wie Italien, England oder der Türkei, die ihr System zu einem Grad änderten, der es den Technischen Beobachtern schwer machte, sich auf eine Standardformation der Mannschaften für die Grafik in diesem Bericht zu einigen. Aufbauspiel "Ich muss meine Spieler darauf hinweisen, dass das Aufbauspiel mit dem Torwart als Ausgangsposition manchmal riskant ist", so Hélio Sousa. "Ich denke, wir gehen manchmal zu weit, wenn wir bei tiefem Aufbauspiel ins Schwärmen geraten und ich versuche, meine Spieler davon zu überzeugen, dass nichts dagegen spricht, auch mal einen langen Ball in einen für uns nützlichen Bereich zu schlagen." Die Diskussion wurde angeheizt durch die Anzahl der Tore, die nach Fehlpässen und Fehlern tief in der eigenen Hälfte entstanden. Das Thema lässt sich erweitern, wenn man das Konzept "Ballbesitzfußball" als Ganzes mit dazu nimmt. In Finnland wurden sechs von 13 Siegen durch die Mannschaft mit weniger Ballbesitz als der Gegner gewonnen. Die Ukraine erreichte das Halbfinale, obwohl man im Schnitt nur knapp mehr als 40 Prozent Ballbesitz hatte. Der Höchstwert lag gerade einmal bei 45 Prozent und davon verzeichnete man einen Großteil, als man in der zweiten Halbzeit bereits mit 0:5 zurücklag. Die Statistik aller Spiele zeigt, bis zu welchem Ausmaß Ballbesitz zu Vorstößen in das letzte Drittel führte. Noch mehr Bedeutung hat in diesem Zusammenhang natürlich die Anzahl der Torschüsse. Motivation und Ansprache Finnlands Trainer, der erst im März ins Amt gekommen war, betonte die Bedeutung von Motivationsarbeit und in ein starkes Selbstvertrauen. Damit war er bei weitem nicht der einzige Trainer, der auf viel Kommunikation setzte. Frankreichs Coach Bernard Diomède, der bis 4 Uhr in der Früh aufblieb, um nach dem Sieg gegen England mit seinen Spielern zu sprechen, unterstrich die Bedeutung von persönlichen Beziehungen und dem Betreuen einer Gruppe, die aufgrund der Interessen von Klubs und Beratern leicht vom kollektiven Grundgedanken abgelenkt werden können. Olexandr Petrakov von der Ukraine formulierte es so: "Ich sehe mich nicht nur als Trainer, sondern auch als einen Mentor bei ihrem Lebenstraining-Prozess. Also geht es bei meinem Job viel um Psychologie, ich muss sie ermutigen und inspirieren." Englands Paul Simpson, einer der Befürworter von Rotation des Kaders, will "jedem Spieler Entwicklungsmöglichkeiten bieten." Für ihn ist es eine der wichtigsten Aufgaben, "aus Spielern bessere Persönlichkeiten" zu machen. Norwegens "Paco" Johansen freute sich über die Mithilfe eines Mentaltrainers, einem Master-Absolventen in Sportpsychologie, der unentgeltlich nach Finnland angereist war. Der türkische Trainer Vedat Inceefe hatte sich gewissenhaft auf die Endrunde vorbereitet und war mit der Mannschaft weit vor dem ersten Spiel nach Finnland gereist. Für ihn war es wichtig, sich mit Herausforderungen wie Heimweh und der Dynamik eines längeren Zusammenseins in einer Gruppe zu befassen. Der Terminplan, die hohe Intensität der Spiele, die Hitze und der Kunstrasen forderten ihren Tribut. Während die Spieler an ihre Grenzen gingen, mussten die Trainer eng mit dem Betreuerstab zusammenarbeiten, um die Regenerationsphasen so effektiv wie möglich zu 21
gestalten. Auch Rotation war ein wichtiges Werkzeug. Ein weiterer Faktor stellte Erfahrung bei großen Turnieren dar. War es Zufall, dass im portugiesischen Kader elf Spieler standen, die zwei Jahre zuvor den U17-Titel gewonnen hatten? Bei Italien waren es zehn, bei der Ukraine neun und bei Frankreich sieben. Viele Tore Das Turnier kam gänzlich ohne torlose Unentschieden aus. Es fielen 55 Treffer, was einem Schnitt von 3,67 pro Partie entspricht (58 und 3,63, wenn man das Play-off mit einbezieht). Dies kann sich durchaus sehen lassen. Die Analyse der Tore ergab, dass 15 der 46 Treffer, die aus dem Spiel heraus fielen, nach Flanken oder Hereingaben von außen erzielt wurden. Tore durch Schüsse aus der Distanz waren Mangelware, ebenso wie Sololäufe. Die meisten davon kamen nach schnellen Kontern. Nur vier Tore wurden per Kopf markiert - auch wenn die ersten beiden Treffer Portugals im Halbfinale gegen die Ukraine nach einer Hereingabe und einer Ecke erzielt wurden, nachdem es zunächst zu Kopfbällen gekommen war. Tore nach Standardsituationen waren außergewöhnlich selten (16,36 Prozent). Im Gegensatz dazu waren bei der FIFA-WM, welche nur Stunden vor dem Beginn der Endrunde in Finnland beendet wurde, ganze 43 Prozent der Treffer nach Standards gefallen. Auch in Abwesenheit des Video-Schiedsrichters stellt dies eine schwache Ausbeute nach Standardsituationen dar. Nur zwei der 140 Eckbälle resultierten in ein Tor. Die Tatsache, dass Finnland gegen Norwegen den Ausgleich erzielte, nachdem man im Anschluss an eine Ecke einen Elfmeter erhielt, macht die Statistik nur geringfügig besser. "Vielleicht war dies keine große Überraschung", reflektierte Matikainen, "muss man doch bedenken, dass nur wenig Zeit in das Trainieren von Standardsituationen gesteckt werden konnte. Die Türkei und Finnland widmeten den Standards im Training viel Aufmerksamkeit, während Frankreich und England dies weitestgehend vernachlässigten. "Wir haben nur wenig Zeit mit Standards verbracht", gab Paul Simpson zu. "Wir haben ein paar Dinge einstudiert, aber generell erlauben wir den Spielern viel Kreativität und Freiheiten bei ruhenden Bällen. In der Defensive haben die Spieler alle klare Anweisungen, wie sie ihre Rolle in der Mannschaft auszuführen haben." 22
©UEFA.com Zeiten der Tore (fehlende 2% = Stellen nach dem Komma) Auch zum Angriffsverhalten gibt es einige Zahlen: Im Vergleich zum Vorjahr wurde ein Anstieg von 19 Prozent bei den Torschüssen verzeichnet. Insgesamt 383 Torschüsse führten zu 55 Toren - also führte etwa jeder siebte Schuss zum Tor. Hinsichtlich der Präzision beim Abschluss bleibt festzuhalten, dass 46 Prozent der Schüsse auch auf das Tor gingen (60 Schüsse wurden abgeblockt). Italien war das einzige Team, welches mehr Schüsse über das Tor oder am Tor vorbei verzeichnete. Die detaillierte Analyse bestätigt, dass Portugal besonders effizient war. Jeder fünfte Torschuss führte zu einem Treffer. ©UEFA.com 23
Trainieren nach Zahlen Ein Großteil der Fußball-Beobachter ist der Meinung, dass Fußball nicht "auf Statistiken reduziert" werden kann. In einer Ära, in der mehr Daten als je zuvor zur Verfügung stehen, besteht eine der Herausforderungen für den Trainer darin, die statistischen Zusammenfassungen richtig zu interpretieren. Welche davon sind für die Verbesserung einer Mannschaft überhaupt hilfreich? Das Turnier in Finnland wurde statistisch von InStat beobachtet. Die Daten von InStat wurden mit den Statistiken, die von der UEFA selbst angefertigt wurden, zusammengetragen und flossen in diesen Bericht ein. Dabei sind einzelne Spielstatistiken den Durchschnittswerten vorzuziehen, da letztere manchmal irreführend sein können. Beispielsweise hatte Norwegen in der Gruppenphase einen Schnitt von elf Torschüssen pro Spiel, im Play-off gegen England waren es aber 25. Man darf hoffen, dass die Statistiken zum Nachdenken in Bereichen wie der Bedeutung von Ballbesitz und dem Umschalten nach Balleroberungen anregen. Wie lassen sich positive Aktionen wie Vordringen in den Strafraum und letztendlich das Erzielen von Toren steigern? Die Statistiken deuten an, dass allgemein die Flügel der beste Weg zum Torerfolg sind. Frankreich war dabei die Ausnahme der Regel und verzeichnete besonders viele gute Angriffe durch die Mitte. Titelträger Portugal nutzte die Flügel regelmäßig und vor allem die herausragenden Leistungen von Jota führten dazu, dass man es immer wieder über links probierte. Nur in dem Gruppenspiel zwischen Portugal und Italien kam es anders (erneut ein Beleg dafür, dass Durchschnittswerte mit Vorsicht zu genießen sind), denn dabei griff die Elf von Hélio Sousa vor allem durch die Mitte an. Eine mögliche Erklärung: Nach dem Platzverweis von Lucas Queirós in der neunten Minute wurde Jota aus dem Spiel genommen, so dass David Carmo die Lücke in der Innenverteidigung schließen konnte. Einige der wichtigsten Statistiken des Turniers lassen eine Vielzahl an Interpretationsmöglichkeiten zu. Torschussversuche ©UEFA.com 24
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©UEFA.com Hinweis: Schüsse, die an Latte/Pfosten gingen, werden in der Spalte "Schüsse auf das Tor" gewertet, wenn sie vom Torwart oder einem Verteidiger berührt wurden. Schüsse an das Aluminium ohne Berührung werden als "nicht auf das Tor" gewertet. 31
Trainer des Siegers Portugals Trainer Hélio Sousa (links) und Kapitän Diogo Queirós ©FPF "Wir haben den Spielen einen portugiesischen Stempel aufgedrückt: Defensiv stark sein, den Gegner unter Druck setzen, viele Chancen kreieren und Tore schießen. Meine Spieler waren positiv, haben ihre Qualitäten gezeigt und demonstriert, dass wir eine Spielphilosophie haben." Diese Worte von Hélio Sousa wurden nach Portugals Gewinn des UEFA-U17-Titels 2016 gesprochen. In den zwei Jahren seither hat sich seine Einstellung nicht geändert, obwohl er in Finnland ein ganz anderes Team unter sich hatte. Fünf Spieler waren aufgrund fehlender Freistellung ©Sportsfile ihrer Vereine nicht Portugal erhält in Finnland den Pokal dabei, einer war verletzt. "Das Wichtigste ist, dass wir unsere Identität nicht verloren haben, egal was passierte. Und es ist wichtig, dass wir weiterhin versuchen, diese Identität zu entwickeln: Dass wir das implementieren, was wir im Training tun, und unser Wissen aus den gemeinsamen Jahren auch nutzen. Alle portugiesischen Nationalmannschaften spielen auf Basis eines 1-4-3-3. Das kann aufgrund der Spielerentwicklung und von individuellen Eigenschaften angepasst werden, und manchmal sieht man uns auch im 1-4-4-2. Das ist die Basis unserer Arbeit. Ich glaube, dass man 32
die Persönlichkeit des Teams verändert, indem man Spieler verändert, und nicht die Strukturen." Nirgendwo zeigte sich seine positive Philosophie so wie im Gruppenspiel gegen Italien in Vaasa, in dem sein Team nach acht Minuten in Unterzahl geriet. Unbeeindruckt spielte Portugal im 1-4-2- 3 hohes Pressing und fiel nur, wenn es sein musste, in ein 1-4-4-1 zurück. Portugal schoss zwei Tore. "Wir haben in diesem Spiel ein paar Fehler gemacht – wie in der Szene vor der Roten Karte – und für diese wurden wir bestraft. Aber die Art und Weise, wie Italien den 3:2-Sieg gefeiert hat, zeigt, wie viel Respekt sie vor unserem Team hatten." Als Schlüsselelemente seiner kontinuierlichen Spielerentwicklung identifiziert er in erster Linie "Intensität". "Im Training muss man intensiv arbeiten", sagt er. "Wenn man nur kurz mit der Gruppe arbeiten kann, muss man die Spieler aus ihrer Komfortzone holen. Ich glaube, dass zum ©Sportsfile Beispiel ein Training João Filipe feiert eines seiner zwei Tore im Endspiel ohne Gegner kein richtiges Training ist. Ich denke, dass Nationaltrainer aus anderen Ländern das gleiche Problem haben wie ich:Ddie Spieler bei Topklubs werden nicht oft an ihr Limit gebracht. Das heißt zum Beispiel, dass wir den Fokus auf Spielsituationen ohne Ballbesitz legen müssen, weil sie oft nicht hart pressen müssen, um den Ball zurückzubekommen. Auf internationalem Niveau treffen wir auf viele Teams, die - zumindest in einigen Spielsituationen - auf Ballbesitz ausgelegt sind. Deshalb müssen die Spieler lernen, damit umzugehen und geduldig und effizient zu sein, wenn der Gegner den Ball hat." Auch das Umschaltspiel und die defensive Struktur gehören zu den Prioritäten. "Das Spiel entwickelt sich und ich denke, dass manchmal fast zu viel Wert darauf gelegt wird, das Spiel von hinten aufzubauen. Man muss akzeptieren, dass es ein Risikoelement gibt und man muss daran arbeiten, einen längeren Pass in einen Bereich zu spielen, wo wir ihn nutzen können." "Der Sieg war schön", gibt er zu. "Aber es ist auch wichtig, sich nicht nur auf das Ergebnis zu konzentrieren. Wenn man mit diesen Altersgruppen arbeitet, muss man im Kopf behalten, dass es diese Wettbewerbe sind, die man ihnen geben will. Erinnerungen sind Spiele, aber zu Erinnerungen gehören auch Kollegen und gemeinsame Erfahrungen. Ich kenne das aus meiner eigenen Vergangenheit und dem Beginn meiner Karriere. Die Beziehungen, die ich damals aufgebaut habe, bedeuten mir heute noch sehr viel. Klar, nur ein Team kann den Titel holen, aber man muss im Kopf behalten, dass diese Turniere eine unvergleichliche Erfahrung sind." 33
Team des Turniers Torhüter Alessandro Plizzari Yehvann Diouf 1 16 Italien Frankreich Verteidiger Romain Correia Rúben Vinagre Trevoh Chalobah Davide Bettella 4 5 6 6 Portugal Portugal England Italien Thierry Correia Raoul Bellanova 14 14 Portugal Italien Mittelfeldspieler Nicolò Zaniolo Florentino Saku Ylätupa Mickaël Cuisance 5 6 8 8 Italien Portugal Finnland Frankreich 34
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