TEXTILMASCHINENBAU IN DEUTSCHLAND - Strukturen, Trends und Herausforderungen IG METALL

 
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TEXTILMASCHINENBAU IN DEUTSCHLAND - Strukturen, Trends und Herausforderungen IG METALL
TEXTILMASCHINENBAU
IN DEUTSCHLAND
Strukturen, Trends und Herausforderungen

                                           IG METALL
                                            Vorstand
TEXTILMASCHINENBAU IN DEUTSCHLAND - Strukturen, Trends und Herausforderungen IG METALL
Impressum
    Herausgeber: IG Metall Vorstand, VB 04, 60329 Frankfurt am Main
    Verantwortlich: Wolfgang Lemb
    Text: Kay Kürschner, Benedikt Schreiter, Sebastian Schwidder, Marie Klemsmann, PCG-Project Consult GmbH , unter
    Mitarbeit von: Matthias Macanović, Theresa Schmid, Marleen Twelsiek
    Auftraggeber: Hans-Böckler-Stiftung, IG Metall Vorstand
    Redaktion: Dr. Sascha Kristin Futh, IG Metall Vorstand
    Satz und Layout: Susanne Schwarz, IG Metall Vorstand
    Titelbild: Pfaff Industriesysteme GmbH

    Die vorliegende Publikation ist auch elektronisch unter dem Titel »Branchenanalyse Textilmaschinenbau« in der Rei-
    he Working Paper Forschungsförderung der Hans-Böckler- Stiftung erschienen und steht als Download zur Verfügung
    unter: https://www.boeckler.de/de/faust-detail.htm?sync_id=HBS-008005

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INHALT
Vorwort ............................................................................................................................................................... 4

Einleitung ............................................................................................................................................................. 5

Struktur und Entwicklung ......................................................................................................................................7
Räumliche Verortung der Betriebe .........................................................................................................................7
Aufteilung der Rechtsformen und Konzernmütter ................................................................................................. 10
Tarifbindung ....................................................................................................................................................... 11
Entwicklung der Beschäftigtenzahlen .................................................................................................................. 11
Umsatzentwicklung ............................................................................................................................................ 13
Investitionsausgaben.......................................................................................................................................... 16
Internationale Märkte: Import und Export ............................................................................................................ 17
Exkurs: Die Auswirkungen der Corona-Pandemie ................................................................................................ 20

Trends und Herausforderungen ...........................................................................................................................23
Globalisierung ....................................................................................................................................................23
Demographischer Wandel und Fachkräftesicherung ............................................................................................. 27
Digitalisierung und Automatisierung .................................................................................................................. 36
Umweltfreundliche Produktion und Ressourceneffizienz ...................................................................................... 41

Handlungsfelder und Zukunftsthemen ................................................................................................................ 44
Rahmenbedingungen der Zusammenarbeit zwischen Arbeitgebern und Betriebsräten ......................................... 44
Themenfelder ..................................................................................................................................................... 45
Forderungen an die Politik................................................................................................................................... 45

Literaturverzeichnis ........................................................................................................................................... 48

                                                                                                                                                                             3
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VORWORT
    Der Textilmaschinenbau ist eine der traditionsreichsten     die Branche nun zusätzlich. Jetzt gilt es, mit tariflichem
    Teilbranchen des Maschinenbaus. Bereits im 18. Jahr-        und politischem Druck vor allem Produktionsstandorte
    hundert entstanden die ersten Spinn- und Webmaschi-         und Beschäftigung zu sichern. Die Krise hat gezeigt,
    nen. Seitdem hat sich der Textilmaschinenbau vielfältig     dass der Textilmaschinenbau essentieller Teil der Wert-
    gewandelt. Er hat sich an eine veränderte Textilindustrie   schöpfungskette zur Produktion kritischer Güter, wie
    angepasst und Produkte für Märkte über die Textilin-        beispielsweise Schutzmasken, ist. Diese Wertschöpfung
    dustrie hinaus entwickelt. In Deutschland produzieren       muss in Deutschland und Europa gesichert werden.
    aktuell noch etwa 125 Textilmaschinenbauer mit rund         Die qualifizierten Beschäftigten der Branche sind das
    21.000 Beschäftigten einen Umsatz von 4,5 Milliarden        Rückgrat für Innovationen und die Herstellung der High-
    Euro. Ihre Produkte reichen von den klassischen Spinn-      tech-Produkte. Sie müssen in angemessener Weise wei-
    und Webmaschinen über Strick- und Nähmaschinen bis          terqualifiziert werden, denn neben der Krise ist auch im
    zu Färberei- und Wäschereimaschinen. Längst werden          Textilmaschinenbau die Transformation zu bewältigen.
    nicht mehr nur Naturfasern wie Baumwolle mit den Ma-        Um den Fachkräftebedarf zu decken, braucht es im Tex-
    schinen verarbeitet, sondern vor allem auch Chemiefa-       tilmaschinenbau wieder deutlich mehr Ausbildungsplät-
    sern.                                                       ze. Der aktuelle Abbau muss umgekehrt werden, um die
                                                                Zukunftsfähigkeit der Branche zu sichern.
    Die Struktur der Branche hat sich über die letzten Jahre
    stark verändert. Heute gehören die umsatzstärksten Be-      Der vorliegende Report beschreibt die Herausforderun-
    triebe weltweiten Konzernen an, immer weniger Betriebe      gen der Branche und zeigt auf, wie die Betriebsrät*innen
    sind in deutscher Hand und familiengeführt. Vor allem       und die Beschäftigten diese mitgestalten. Er wurde im
    chinesische Eigner haben die Branche im Blick und be-       Auftrag der IG Metall und der Hans-Böckler-Stiftung er-
    reits für die Branche bedeutende Betriebe übernommen.       stellt. Ich bedanke mich herzlich bei dem Projektleiter
    Diese globalen Strukturen führen zu Herausforderungen,      Kay Kürschner von PCG-Project Consult sowie den Be-
    Mitbestimmungsrechte angemessen ausführen zu kön-           triebsrät*innen, die die Erstellung des Reports mit Ge-
    nen. Verlagerungen sind zudem seit Langem auf der Ta-       sprächen und ihrer Beteiligung an Workshops unter-
    gesordnung. Mit einer Exportquote von über 80 Prozent       stützt haben. Die Erkenntnisse der Studie werden uns in
    spielt die Globalisierung schon lange eine herausragen-     der Branchenarbeit und die Betriebsrät*innen vor Ort
    de Rolle für die Branche. Darüber hinaus müssen die         unterstützen, um die Herausforderungen im Sinne der
    Betriebe bei der Digitalisierung Schritt halten und durch   Beschäftigten zu gestalten.
    den demografischen Wandel ihre Fachkräfte sichern. Um
    sich über die Gestaltung dieser Herausforderungen im
    Sinne der Beschäftigten auszutauschen und sich gegen-
    seitig zu unterstützen, besteht seit 16 Jahren ein Netz-
    werk zwischen den Betriebsrät*innen der Branche und
    der IG Metall.

    Viele Textilmaschinenbauer hatten schon vor der Corona -
    Krise mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten aufgrund in-
    ternationaler Konflikte auf ihren Absatzmärkten zu
    kämpfen. Die Auswirkungen der Corona-Krise belasten                                               Wolfgang Lemb
                                                                                  Geschäftsführendes Vorstandmitglied

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EINLEITUNG
Der Textilmaschinenbau in Deutschland besitzt zwei          verstärkt zu Tage traten und zum Teil deutliche Auswir-
zentrale Charakteristika: Erstens ist die Branche durch     kungen hatten (vgl. Kap. Exkurs: Die Auswirkungen der
klein- und mittelständische Betriebe geprägt. So besit-     Corona-Pandemie).
zen 85 % der Betriebe weniger als 250 Mitarbeitende
(Destatis 2020). Zweitens zeichnet sie sich durch eine      Gleichzeitig resultieren aus einer starken Exportorientie-
hohe Exportquote von 83 % aus, die damit höher liegt        rung zu bewältigende Herausforderungen. So ergeben
als im Maschinenbau1, bei welchem die Quote 80 % be-        sich insbesondere aus einer Zunahme protektionisti-
trägt (VDMA 2020: 11). Die Exporte weisen dabei weniger     scher Tendenzen im Welthandel, aber auch der zum Teil
eine Fragmentierung, sondern vielmehr eine Zentrierung      unsicheren Lage in einigen Ländern (bspw. Türkei, Iran,
auf spezifische Zielmärkte auf, von denen China, die        Syrien), die als wichtige Zukunftsmärkte der deutschen
Türkei und die USA eine herausragende Stellung einneh-      Textilmaschinenbauer zu sehen sind, (Planungs-)
men (Destatis 2020).                                        Unsicherheiten (VDMA 2017: 8, 15). Der Wettbewerb,
                                                            insbesondere mit China und Indien, der den deutschen
Ein weiteres Charakteristikum für die Betriebe ist eine     Textilmaschinenbau bereits in der Vergangenheit unter
zunehmende Orientierung am Highend-Segment. Dies            Druck gesetzt hat, wird in diesem Zusammenhang an
drückt sich vor allem in der »Transformation« der Pro-      Bedeutung gewinnen (VDMA & McKinsey 2014: 2).
dukte aus. So werden kundenspezifische System- und
Integrationslösungen durch ein umfassendes Aftersales-      Bisher konnten die deutschen Betriebe durch die Positi-
und Serviceangebot (u.a. Ersatzteile, Wartung und Repa-     onierung im Highend-Segment diesen Prozessen entge-
ratur) ergänzt (Schreiber & Felk 2017: 436). Die Anforde-   genwirken. Allerdings verfügen auch deutsche Unterneh-
rungen an das Personal werden u. a. bei der Betrachtung     men über Standorte im Ausland, an denen in der Ver-
der Entwicklung der Berufsabschlüsse deutlich. Zwi-         gangenheit vor allem weniger anspruchsvolle Maschi-
schen 2012 und 2020 nahm die Anzahl der sozialversi-        nen im Einfach- und Mittelsegment produziert worden
cherungspflichtig Beschäftigten im Textilmaschinenbau       sind, wodurch eine Konkurrenz zu den deutschen Stand-
um rund. 2 % ab, wohingegen die Anzahl der sozialversi-     orten befördert wurde. Zusätzlich holen Wettbewerber
cherungspflichtig Beschäftigten mit einem akademi-          auch im Highend-Segment, u. a. durch ausländische
schen Abschluss im selben Zeitraum um rund 4 % zu-          Investoren, die sich in diese Betriebe gezielt einkaufen,
nahm (Bundesagentur für Arbeit 2021).                       auf. Von dieser Entwicklung sind sowohl große Unter-
                                                            nehmen als auch KMU betroffen. In der Behauptung der
Diese Rahmenbedingungen verdeutlichen das Span-             globalen Führungsposition im Highend-Segment wird für
nungsverhältnis, in dem sich der Textilmaschinenbau in      die Branche eine der größten Herausforderungen in den
Deutschland befindet. Das Deutsche Produktionsmodell        nächsten Jahren liegen, wobei der Druck insbesondere
bringt im Rahmen des Highend-Segments Vorteile für          durch chinesische Hersteller spürbar zunehmen wird.
Produktion(sstandorte). Das Produktionsmodell setzt         Diese greifen bereits jetzt verstärkt die deutsche High-
jedoch auch ein zunehmendes Maß an Internationalisie-       tech-Strategie im Rahmen der Made in China 2025 Stra-
rung voraus, was sich beispielsweise in einer zuneh-        tegie an und auf (VDMA 2021, vgl. Kap. Globalisierung).
menden Integration der Betriebe in internationale Wert-
schöpfungsketten ausdrückt (vgl. Kap. Globalisierung).      1 Innerhalb des Textes wird Maschinenbau in reduzierter Form genutzt
Hierdurch steigen die logistischen Anforderungen für die      und adressiert in Summe den Maschinen- und Anlagenbau.

Branche, welche u. a. im Rahmen der Corona-Pandemie

                                                                                                                                   5
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Aber auch der Standort Deutschland stellt die Branche        deren wird sich vor allem die Arbeit im Rahmen des Au-
    vor Herausforderungen. So sind beispielsweise die Ferti-     ßendienstes verändern, d. h., beispielsweise längere
    gungs- und Beschaffungskosten aufgrund der Energie-          und ausgedehntere Serviceeinsätze vor Ort, aber es wer-
    kosten in Deutschland und bei in Deutschland ansässi-        den sich auch erweiterte Möglichkeiten ergeben, Aufga-
    gen Anbietern vergleichsweise hoch. Die Steigerung der       ben und Tätigkeiten ohne einen Vorortbesuch erledigen
    Ressourcen- und Energieeffizienz stellt an dieser Stelle     zu können.
    eine wichtige Herausforderung dar. Dies betrifft sowohl
    die eigene Herstellung von Maschinen als auch das End-       Zudem setzt der Bedarf an Fachkräften und der demo-
    produkt, da inzwischen auch in den Ländern mit vielen        graphische Wandel die Branche weiter unter Druck und
    textilverarbeitenden Betrieben die Kosten für Rohstoffe      erfordert von den Betrieben Konzepte zur Fachkräftesi-
    und Energie ansteigen (vgl. Kap. Globalisierung, Um-         cherung und -gewinnung. Es zeichnet sich ab, dass die
    weltfreundliche Produktion und Ressourceneffizienz).         Beschäftigten im Textilmaschinenbau im Durchschnitt
                                                                 älter werden und damit – mindestens perspektivisch –
    Bei der Betrachtung der Trends im Maschinenbau, aber         Nachwuchsprobleme entstehen können. Dies betrifft vor
    auch im Textilmaschinenbau, ist zwischen der anbieten-       allem den »Mittelbau« der 25- bis 49-Jährigen, welcher
    den (Hersteller) und der anwendenden Seite (Kunden)          über die letzten Jahre stetig abnahm (Bundesagentur für
    zu differenzieren. Die Digitalisierung der Produktion        Arbeit 2021). So bildet die größte Herausforderung für
    stellt ein (noch) nachrangigeres Thema der Branche dar.      den Textilmaschinenbau laut VDMA (2018: 17), der Stu-
    Der Fokus der Digitalisierung liegt stattdessen viel stär-   die von Dispan & Schwarz-Kocher (2018: 47) bezie-
    ker auf den Produkten (vgl. Kap. Digitalisierung und Au-     hungsweise im Kap. Demographischer Wandel und Fach-
    tomatisierung). Dabei ist in beiden Fällen der treibende     kräftesicherung, die Personalverfügbarkeit besonders
    Faktor die Wettbewerbsfähigkeit (Dispan & Schwarz-           im Fachkräftebereich.
    Kocher 2018: 19f.).
                                                                 Der Branchenreport setzt sich aus drei Bestandteilen
    Infolgedessen wachsen die Anforderungen an den Textil-       zusammen. Im ersten Teil geht es darum, die Branchen-
    maschinenbau, flexiblere Produktionssysteme zu entwi-        struktur insbesondere mit einem quantitativen Fokus zu
    ckeln, die in der Lage sind, eine größere Bandbreite an      systematisieren und strukturieren. Darauf aufbauend
    Textilien herzustellen und auch nach dem Einbau in die       werden Themenschwerpunkte gesetzt, mit denen sich
    Produktionsstätte durch Module oder Software flexibel        die Branche und insbesondere die Betriebsräte konfron-
    erweiterbar sind (Schreiber & Felk 2017: 444). Darüber       tiert sehen. Das abschließende Kapitel ist als Konklusi-
    hinaus werden Themenfelder wie die vorausschauende           on der vorgelagerten Kapitel zu verstehen und bündelt
    Wartung, datenbasierte Dienstleistungen oder automati-       die einzelnen Erkenntnisse zu (politischen) Forderungen
    sche Maschinenüberwachung immer zentraler. So ge-            für die Betriebsrats- bzw. Gewerkschaftsarbeit.
    winnt neben der Bereitstellung der Maschinen die Ser-
                                                                                                                    Saurer
    vicebetreuung der Kunden sowie der Ausbau des After-
    sales-Bereichs mit einer intensiven Kundenbindung, die
    nicht mehr zwingend vor Ort vollzogen werden muss,
    zunehmend an Bedeutung (Dispan & Schwarz-Kocher
    2018: 24; Kap. Globalisierung, Digitalisierung und Auto-
    matisierung, zu den Herausforderungen Kap. Demogra-
    phischer Wandel und Fachkräftesicherung).

    Durch die steigende Komplexität der Maschinen und das
    zunehmende Wartungs- und Servicegeschäft sind die
    Arbeitsbedingungen der Beschäftigten in den kommen-
    den Jahren einem starken Wandel ausgesetzt. So wer-
    den sich zum einen die Ausbildung und die berufliche
    Weiterbildung verändern müssen, um den neuen Anfor-
    derungen und Ansprüchen gerecht zu werden. Zum an-
6
TEXTILMASCHINENBAU IN DEUTSCHLAND - Strukturen, Trends und Herausforderungen IG METALL
STRUKTUR UND ENTWICKLUNG
Im nachfolgenden Kapitel werden neben einer kartogra-      dargestellt. Aus der Abbildung geht eine Zentrierung auf
phischen und deskriptiven Erläuterung zur regionalen       die Bundesländer Baden-Württemberg (27,4 %), Nord-
Verteilung der Betriebe im Textilmaschinenbau relevan-     rhein-Westfalen (26,4 %) und Bayern (19,7 %) hervor.
te betriebliche Kennzahlen (u. a. Umsatzentwicklung,       Auch in Betrieben mit einer höheren Anzahl an Be-
Beschäftigungsentwicklung, Entgeltentwicklungen) her-      schäftigten setzt sich die räumliche Konzentration fort.
ausgearbeitet und mit dem Maschinen- und Anlagenbau        Die elf Betriebe mit mehr als 499 Beschäftigten befinden
(insgesamt) verglichen. Außerdem wird den gegenwärti-      sich ausschließlich in Baden-Württemberg (4), Nord-
gen durch die Corona-Pandemie vorherrschenden Rah-         rhein-Westfahlen (3), Bayern (3) und Hessen (1).
menbedingungen Rechnung getragen.

Räumliche Verortung der Betriebe
In Deutschland gibt es 225² Betriebe des Textilmaschi-     2 Um einen Gesamtüberblick über die Betriebe des Textilmaschinen-
                                                             baus zu erhalten, wurden über Bisnode alle Betriebe recherchiert,
nenbaus. Aus Tabelle 1 geht hervor, dass mehr als die
                                                             die der Teilbranche zugerechnet werden konnten und durch spezifi-
Hälfte der Betriebe³ unter 50 Beschäftigte hat4. Über        sche IG Metall-Daten (u. a. Vorhandensein von Betriebsräten, Ta-
90 % der Betriebe haben unter 250 Beschäftigte. Nur          rifbindung) ergänzt. Es konnten so Daten von 225 Betrieben einbezo-
9,9 % haben 250 Beschäftigte und mehr.                       gen werden.
                                                           3 Für 210 Betriebe lagen Daten für die Beschäftigtenanzahl vor.

In Abbildung 1 wird die Verteilung der Betriebe mit mehr   4 Die Beschäftigtengrößenklassen orientieren sich an den Klassen des
                                                             Statistischen Bundesamts (Destatis 2019).
als 49 Beschäftigten auf die jeweiligen Bundesländer

                                                                                                                                   7
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In den einzelnen Bundesländern lassen sich zudem vier       Tabelle 1: Beschäftigtengrößenklassen (N=210)
    regionale Cluster identifizieren (vgl. Abbildung      2):
    mittlere schwäbische Alb (21), Niederrhein (14), Spessart   Beschäftigtengrößen-
                                                                                                   Anzahl             Anteil in %
    (7) und nördliches Erzgebirge (6). Sie beheimaten den       klasse
    Großteil der deutschen Textilmaschinenbauer.                unter 50                              119                56,7
                                                                50-99                                 31                 14,8
    Im Hinblick auf die Gesamtanzahl der deutschen Betrie-
    be hat in der Folge der Finanzkrise ein Konsolidierungs-    100-249                               39                 18,6
    prozess eingesetzt, was bis zum Jahr 2013 zu einer Ver-     250-499                               10                 4,8
    ringerung der Betriebe, von 160 Betrieben 2008 auf 120
                                                                500-999                                7                  3,3
    im Jahr 2013, geführt hat (VDMA & McKinsey 2014: 27).
    In den Folgejahren ist eine leichte Zunahme der Betriebe    1.000 und mehr                         4                  1,9
                                                                                    Quelle: Eigene Darstellung nach IG Metall 2021c
    auf zuletzt 124 in 2019 festzustellen. Zudem wurde der
    positive Wachstumstrend wieder durchbrochen (vgl.
    Abbildung 3).

    Abbildung 1: Verteilung der Betriebe (N=91)
    mit ≥ 50 Beschäftigten auf die Bundesländer

                                           1

                                                                    Quelle: Eigene Darstellung nach IG Metall 2021c
                                                                                               Unterstützt von Bing
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Abbildung 2: Regionale Verteilung (mit mindestens 50 Mitarbeitenden)

                                                                       Quelle: Eigene Darstellung nach IG Metall 2021c
                                                                        Leaflet|©OpenStreetMap contributors|©Carto

                                                                                                                         9
TEXTILMASCHINENBAU IN DEUTSCHLAND - Strukturen, Trends und Herausforderungen IG METALL
Abbildung 3: Anzahl der Betriebe

                                                                  Quelle: Eigene Darstellung nach Statistisches Bundesamt 2020

     Aufteilung der Rechtsformen und                              Tabelle 2: Sitz der globalen Mutter von
     Konzernmütter                                                Betrieben mit ≥ 50 Beschäftigten (N=51)
     Findet eine Differenzierung nach Rechtsformen auf
     Grundlage der Daten der IG Metall (2021c) statt, so zeigt
                                                                   Herkunftsland
     sich, dass die beiden am häufigsten vorkommenden                                                Anzahl          Anteil in %
                                                                   der globalen Mutter
     Rechtsformen die GmbH (60,4 %) und die GmbH & Co.
     KG (25,3 %) sind. Bilden die Betriebe mit mehr als 49
                                                                   Deutschland                          28               54,9
     Beschäftigten die Grundlage, findet nochmals eine leich-
     te Verschiebung statt, sodass ca. zwei Drittel der Betrie-    China                                 7               13,7
     be die Rechtsform der GmbH und 30 % der Betriebe die          Schweiz                              6                 11,8
     Rechtsform der GmbH & Co. KG besitzen. Von 11 Betrie-
     ben mit über 500 Beschäftigten haben sechs entweder           Österreich                            3                5,9
     die Rechtsformen einer GmbH & Co. KG (4), einer AG &          Belgien                               2                3,9
     Co. KG (1) oder einer KG (1).
                                                                   Hongkong                              2                3,9
     Bei mehr als der Hälfte der Betriebe, bei denen eine glo-     Luxemburg                             2                3,9
     bale Mutter angegeben war, hat diese ihren Sitz in
                                                                   Frankreich                            1                2,0
     Deutschland (vgl. Tabelle 2). Bei über 70 % der Betriebe
     mit einer direkten Mutter, stammt diese aus Deutsch-                                                       Quelle: IG Metall 2021c

     land. Ausländische Mütter kommen am häufigsten aus
     China (13,7 %) und aus der Schweiz (12,2 %). Dies ver-
     deutlicht die Tendenz, dass die Branche in den letzten
     Jahren verstärkt von chinesischen Eigentümern in den
     Blick genommen wird.

10
Exkurs: Betriebliche Mitbestimmung                           Im Textilmaschinenbau haben 6,5 % der Betriebe mit 5
 Der Anteil der Betriebe mit Betriebsrat ist in Deutsch-      bis 50 Beschäftigten einen Betriebsrat und 10,9 % der
 land seit 1996 rückläufig (von 12 % auf 9 % in 2019).        Beschäftigten. In Betrieben mit einer Belegschaft zwi-
 Die Prozentzahl der insgesamt Beschäftigten, die in          schen 51 und 100 Personen haben 60 % der Betriebe
 einem Betrieb mit Betriebsrat arbeiten, ist ebenfalls        und 60,7 % der Mitarbeitenden einen Betriebsrat. In
 rückläufig von 51 % in Westdeutschland und 43 % in           Betrieben mit über 500 Mitarbeitenden sind es 90 %
 Ostdeutschland im Jahre 1996 auf 41 %                        der Betriebe, die einen Betriebsrat haben und 91 % der
 (Westdeutschland) bzw. 36 % (Ostdeutschland) in              Beschäftigten (IG Metall 2021c).
 2019 (Ellguth & Kohaut 2020: 281ff.).
                                                              Im Textilmaschinenbau haben 71 Betriebe einen Be-
 Im Vergleich dazu ist auf Grundlage der Informationen        triebsrat mit Kontakt zur IG Metall. In Bezug auf die
 der IG Metall festzustellen, dass mindestens 31,6 %          Beschäftigtengrößenklassen ist zu erwähnen, dass
 der Betriebe und 78,1 % der Beschäftigten einen Be-          Betriebe, in denen weniger als 50 Beschäftigte tätig
 triebsrat mit Kontakt zur IG Metall besitzen (IG Metall      sind, nur 16, d. h. nur 13,4 %, einen Betriebsrat haben.
 2021c). Damit ist die Situation im Textilmaschinenbau        Von den Betrieben mit 250 Beschäftigten und mehr
 deutlich besser als der allgemeine Trend (Ellguth &          haben hingegen 19, d. h., 90,5 %, einen Betriebsrat.
 Kohaut 2020: 281ff.). In Betrieben mit einer hohen An-       Daraus lässt sich schließen, dass in kleineren Betrie-
 zahl an Beschäftigten finden sich häufiger Betriebsräte      ben hinsichtlich der Mitbestimmung noch Nachholbe-
 als in Betrieben mit nur wenigen Beschäftigten.              darf besteht.

Tarifbindung
Die Flächentarifbindung von Betrieben hat zwischen            Beschäftigungsniveau vor der Finanzkrise 2008/2009
1996 und 2019 sowohl in Westdeutschland um 24 %               bisher nicht wieder erreicht werden konnte.
(von 70 % in 1996) als auch in Ostdeutschland um 22 %
(von 56 % in 1996) abgenommen. 2019 waren 25 % der            Die Beschäftigungsentwicklung für die nächsten 12 Mo-
deutschen Betriebe durch Flächentarife gebunden. Ei-          nate wird im Rahmen der Trendmelder-Befragung grund-
nen Haustarifvertrag gab es in 2 % der Betriebe. Des          sätzlich positiv bewertet. So geben 75 % der befragten
Weiteren arbeiteten 2019 44 % der Beschäftigten in Be-        Betriebsrätinnen und Betriebsräte an, dass keine Stel-
trieben mit Flächentarifvertrag und 8 % in Betrieben mit      len abgebaut werden. Über 20 % gehen von einer wach-
Haustarifvertrag. Je mehr Beschäftigte in einem Betrieb       senden Belegschaft aus (vgl. Tabelle 3).
tätig sind, desto häufiger ist ein Flächen- oder Haustarif-
vertrag vorhanden (Ellguth & Kohaut 2020: 279ff.).            Tabelle 3: Beschäftigungsentwicklung in den nächsten
                                                              12 Monaten am Standort
Die Daten des Trendmelders der IG Metall (2021a) zeigen
für den Textilmaschinenbau, dass in 76,5 % der Betriebe                                     Jahr der Befragung
eine Tarifbindung vorliegt. In diesen Betrieben mit Ta-                         2018         2019         2020          2021
rifbindung sind die häufigsten vorliegenden Varianten
der Haustarifvertrag (38,5 %) und der Flächentarifvertrag                       N=14         N=15          N=12         N=13
(38,5 %) vor.                                                 steigt            42,9%        13,3%        41,7%        23,1%

                                                              bleibt gleich     42,9%       40,0%         33,3%        53,8%
Entwicklung der Beschäftigtenzahlen
Die Anzahl der Beschäftigten im Textilmaschinenbau            fällt             14,3%       46,7%         16,7%        23,1%
verzeichnet seit 2010 einen positiven Trend. Davon aus-
                                                              weiß nicht           –           –          8,3%            –
genommen sind jedoch die Jahre 2016 sowie 2019 (vgl.
Abbildung 4). Allerdings ist festzustellen, dass das            Quelle: Eigene Darstellung nach IG Metall 2018, 2019, 2020a, 2021a

                                                                                                                                     11
Abbildung 4: Anzahl der Beschäftigten

       ’’
                                                                  Quelle: Eigene Darstellung nach Statistisches Bundesamt 2020

                                                                                                             Richard Müller
                                                                                                    Betriebsratsvorsitzender
                                                                                               Pfaff Industriesysteme GmbH
       Hohe Durchsetzungskraft:
       Haustarifvertrag erfolgreich verhandelt

       Obwohl wir im Jahr 2019 in einer schlechten Situation
       waren, haben wir nach langen Verhandlungen einen
       Haustarifvertrag durchgesetzt. Gestützt wurden wir
       dabei von die IG Metall und einer starken Beleg-
       schaft. Unsere Belegschaft wollte, egal wie die Lage
       ist, wieder an den Tarifvertrag herangeführt werden.
       Es war bislang so, dass wir immer zu Weihnachten
       und zur Urlaubszeit gegenüber unserem Arbeitgeber
                                                                                                           Wolfgang Biffar
       bitten mussten, um etwas zu bekommen. Als wir vor
                                                                                Stellvertretender Betriebsratsvorsitzender
       Weihnachten 2018 zu unserem Arbeitgeber gegangen
                                                                                              Pfaff Industriesysteme GmbH
       sind und uns wurde gesagt, dass wir keine 850 Euro
       Weihnachtsgeld mehr bekommen, sondern nur noch
       500 Euro, war das für uns der Zünder, um zu sagen:
       Jetzt verzichten wir auf gar nichts mehr. Bei uns ist es
       eine Besonderheit, dass prozentuale Anpassungen
       nicht immer der richtige Weg waren. Die Annäherung
       an die Fläche wäre gescheitert, wenn wir prozentuale
       Steigerungen vorgenommen hätten. Für uns war es
       wichtig, einen Festbetrag einzufordern, sodass insbe-
       sondere niedrigere Einkommen davon profitieren
       konnten.

12
Abbildung 5: Umsatzentwicklung (in Mio. Euro)

                                                                 Quelle: Eigene Darstellung nach Statistisches Bundesamt 2020

Umsatzentwicklung
Die Umsatzentwicklung hat im deutschen Textilmaschi-        Der zuvor positiv beschriebene Trend der Umsatzent-
nenbau in den letzten Jahren einen positiven Verlauf        wicklung drückt sich ebenfalls beim Umsatz je Be-
genommen und konnte sich von der Finanz- und Wirt-          schäftigten aus. So brach dieser 2009 in Folge der Fi-
schaftskrise in 2008/2009 relativ schnell erholen. So       nanz- und Wirtschaftskrise von rund 172.000 auf rund
konnte das Vorkrisenniveau bereits 2011 um rund 600         135.000 Euro pro Beschäftigten ein, erholte sich jedoch
Mio. Euro übertroffen werden (vgl. Abbildung 5). Dabei      im Folgejahr bereits vollständig und lag mit rund
ist vor allem der Auslandsumsatz für die Zunahme ver-       202.000 Euro rund 18 % über dem Wert aus 2008 (vgl.
antwortlich: Bereits im Jahr 2010 lag der reine Aus-        Abbildung 6). Der positive Trend flachte in den Folgejah-
landsumsatz gut 60 Mio. Euro höher als vor der Krise.       ren ab und erreichte 2017 seinen Höhepunkt mit
Bis 2018 hat sich dieser Wert deutlich auf 4,5 Mrd. Euro    247.674 Euro pro Beschäftigten. Ab 2018 ist jedoch eine
erhöht. Die Exportquote stieg seit 2008 von rund 78 %       rückläufige Entwicklung festzustellen, die sich insbe-
auf rund 83 % an. Der Anstieg erfolgte in den ersten drei   sondere im Jahr 2019 durch ein relativ starkes Absinken
Jahren nach der Krise, ehe seit 2013 eine Stabilisierung    auf 216.573 Euro Umsatz je Beschäftigten ausdrückt.
folgte. Für den Inlandsumsatz hingegen ist zwar eine
Erholung von der Krise und zuletzt (2017 auf 2018) auch     Abbildung 6: Umsatz je Beschäftigten (in Tsd. Euro)
eine deutliche Steigerung aus-
zumachen, jedoch liegt dieser
mit 914 Mio. Euro Umsatz noch
hinter den 974 Mio. Euro aus
dem Jahr 2008 zurück. Nach-
dem Rekordjahr 2018 ist je-
doch ein starker Umsatzein-
bruch zu verzeichnen, der vor
allem auf den Auslandsumsatz
zurückzuführen ist: Dieser
brach um rund 800 Mio. Euro
ein. Der Inlandsumsatz ging in
2019 ebenfalls zurück, aller-
dings weniger stark, um 120
                                                                  Quelle: Eigene Darstellung nach Statistisches Bundesamt 2020
Mio. Euro.

                                                                                                                                 13
Die Umsatzentwicklung in der jüngeren Vergangenheit          Folgejahren weniger dynamisch ausgeprägt, sodass der
     korrespondiert mit der Entwicklung der Mehrarbeit in         Maschinenbau nur in den Jahren 2016 und 2019 einen
     den Betrieben des deutschen Textilmaschinenbaus:             höheren Umsatz je Arbeitsstunde aufweisen kann.
     So wurde von der überwiegenden Anzahl der befragten
     Betriebsrätinnen und Betriebsräte im Jahr 2018 angege-       Anders sieht es jedoch bei der Entwicklung der Entgelte
     ben, dass es Mehrarbeit in ihrem Betrieb gibt (77 %).        der Beschäftigten in der Branche aus. Sie profitieren im
     Dies deckt sich mit den stark hervorstechenden Zahlen        geringeren Maß von der positiven Entwicklung, die im
     im Hinblick auf u. a. die Umsatzentwicklung. Für die         Maschinenbau (insgesamt) anzutreffen ist (vgl. Abbil-
     Folgejahre ist dagegen ein entgegengesetzter Trend fest-     dung 9). So wächst das Entgelt der Beschäftigten im
     zustellen. Im Jahr 2019 konnte die Mehrarbeit in einigen     Maschinenbau von rund 43.600 Euro (2008) auf rd.
     Betrieben verringert werden, sodass in weniger als der       56.100 Euro (2019) (Zunahme um rund 28,4 %). Wohin
     Hälfte (43 %) noch Mehrarbeit geleistet wurde. Für 2020      gegen Beschäftigte im Textilmaschinenbau im gleichen
     ist hingegen wieder ein leichter Anstieg der Mehrarbeit      Zeitraum einen Entgeltanstieg von rund 11.300 Euro, von
     (55 %) zu verzeichnen (vgl. Tabelle 4). Im Gegensatz zu      rund 42.000 Euro (2008) auf rund 53.200 Euro (2019),
     den zuvor herangezogenen Daten wird der Umsatz je            verzeichnen können (Zunahme um rund 26,8 %). Damit
     Arbeitsstunde nur für Unternehmen mit mehr als 50 Be-        liegt das Entgeltniveau der Beschäftigten im Textilma-

     Abbildung 7: Umsatz je Arbeitsstunde (in Euro, nur Unternehmen mit mehr als 50 Beschäftigten)

     schäftigten vom Statistischen Bundesamt erfasst. Den-                 Quelle: Eigene Darstellung nach Statistisches Bundesamt 2020

     noch wird ersichtlich, dass der Umsatz je Arbeitsstunde
     einen ähnlichen Trend wie der Umsatz aufweist: Einem         Tabelle 4: Mehrarbeit am Standort
     erheblichen Rückgang im Jahr 2009 (105 Euro pro Ar-
     beitsstunde) folgt eine schnelle Erholung, die ihren                                        Jahr der Befragung
     Höchststand im »Rekordjahr« 2018 (172 Euro pro Ar-
     beitsstunde) erreicht (vgl. Abbildung 7). Für 2019 ist je-                      2018          2019          2020          2021
     doch ein Sinken um 18 Euro auf 154 Euro Umsatz je Ar-
     beitsstunde auf das Niveau vor die beiden »Rekordjahre                          N=13          N=14          N=11          N=16
     2017/2018« zu verzeichnen.
                                                                  Ja                76,9%         42,9%         54,5%         43,8%

     Werden vergleichend dazu die Entwicklungen im Ma-
                                                                  Nein              23,1%         50,0%         45,5%         50,0%
     schinenbau (insgesamt) hinzugezogen, so zeigen sich
     insbesondere in den Krisenjahren 2008 und 2009 gerin-        Geplant              –           7,1%            –           6,3%
     gere Schwankungen beim Umsatz je Arbeitsstunde (vgl.
     Abbildung 8). Andererseits ist das Wachstum in den                Quelle: Eigene Darstellung nach IG Metall 2018, 2019, 2020a, 2021a

14
Abbildung 8: Umsatz je Arbeitsstunde im Vergleich Maschinenbau und Textilmaschinenbau (in Euro)

                                                                 Quelle: Eigene Darstellung nach Statistisches Bundesamt 2020

Abbildung 9: Entgelt je Beschäftigten im Maschinenbau und Textilmaschinenbau (in Euro)

                                                                 Quelle: Eigene Darstellung nach Statistisches Bundesamt 2020

schinenbau – abgesehen von 2012 – unter dem der Be-        Lohnstückkosten zum Teil deutlich unter dem Wert von
schäftigten im Maschinenbau (insgesamt).                   2005 – in der Spitze um rund 20 % darunter.

Wird für die zuvor herangezogenen Daten eine Indexbe-      Bei einer vergleichenden Betrachtung des Maschinen-
trachtung (2005 = 100) vorgenommen, lassen sich die        baus (insgesamt) (Index 2005 = 100) kann konstatiert
Entwicklungen deutlicher herausarbeiten. So hat sich       werden, dass die Entwicklungen sowohl vom Entgelt je
das Entgeltniveau seit 2005 kontinuierlich erhöht und      Arbeitsstunde, den Lohnstückkosten als auch der Pro-
liegt 2019 rund 35 % höher als 2005 (vgl. Abbildung 10).   duktivität weitaus weniger starke Schwankungen auf-
Mit Ausnahme der Finanz- und Wirtschaftskrise              weisen als im Textilmaschinenbau (vgl. Abbildung 11).
2008/2009 hat auch die Produktivität über die Jahre        So gibt es in den Jahren um die Finanz- und Wirtschafts-
hinweg zugenommen, ehe sie 2019 einen deutlichen           krise 2008/2009 bei den Lohnstückkosten und der Pro-
Rückgang um 11 % aufweist. Ebenfalls auffällig ist die     duktivität die größten Abweichungen gegenüber den
Entwicklung der Lohnstückkosten. Mit Ausnahme der          ansonsten relativ konstanten und positiven Entwickl-
beiden Krisenjahre 2008 und 2009 sowie 2019 lagen die      gen. Auffällig ist, dass die Lohnstückkosten je Arbeits-

                                                                                                                                15
Abbildung 10: Entwicklung Entgelte je Stunde, Lohnstückkosten nominal, Produktivität im Textilmaschinenbau
     (nur Unternehmen mit mehr als 50 Beschäftigten)

                                                        Quelle: Eigene Berechnung und Darstellung nach Statistisches Bundesamt 2020

     Abbildung 11: Entwicklung Entgelte je Stunde, Lohnstückkosten nominal, Produktivität im Maschinenbau
     (nur Unternehmen mit mehr als 50 Beschäftigten)

                                                         Quelle: Eigene Berechnung und Darstellung nach Statistisches Bundesamt 2020

                                                                 Investitionsausgaben
     stunde in 2009 einen kleinen Sprung machen und erst         Bei den Investitionsausgaben sowie den Ausgaben für
     im Folgejahr leicht absinken, ehe sie den allgemein po-     Forschung und Entwicklung (FuE) zeigt sich im Rahmen
     sitiven Trends fortsetzen. Dies ist auf Probleme auf den    der Trendmelder-Befragung eine starke Verringerung
     Absatzmärkten zurückzuführen, welche zu einem Um-           zwischen dem Jahr 2021 gegenüber 2018. Im Jahr 2018
     satzrückgang geführt haben, wohingegen die Be-              wurde die Lage bezogen auf Investitionen sowie FuE als
     schäftigtenentgelte nicht im selben Tempo gesunken          sehr gut bis eher gut von immerhin 46 % der Betriebsrä-
     sind. Der Maschinenbau kann in der Folge als deutlich       tinnen und Betriebsräte eingeschätzt und nur von 16 %
     weniger volatil als der Textilmaschinenbau angesehen        als schlecht bis eher schlecht. 2021 hat sich das Bild
     werden.                                                     beinahe umgekehrt: 25 % bewerten die Situation als
                                                                 sehr gut oder eher gut. 44 % hingegen charakterisieren
                                                                 sie als eher schlecht oder sehr schlecht (vgl. Tabelle 5).

16
Tabelle 5: Situation bei Investitionen und FuE -                       BR 10, Abs. 5, 103; BR 11, Abs. 7, 13; BR 12, Abs. 27). Die
Investitionen                                                          Verlagerung der Zielmärkte ist aus Sicht der Betriebsrä-
                                                                       tinnen und Betriebsräte jedoch noch nicht abgeschlos-
                            Jahr der Befragung                         sen. Seit Jahrzehnten wandert die Industrie in Zyklen in
                            2018      2019       2020      2021        Länder, welche die niedrigsten Lohnkosten aufweisen.
                                                                       Daraus folgt, dass der Trend, in Richtung China zu verla-
                            N=13      N=14       N=13      N=16
                                                                       gern, weiter abflacht und stattdessen inzwischen eine
sehr/eher gut               46,2% 14,3%          23,1% 25,0%           Konzentration auf andere asiatische Länder, wie bei-
                                                                       spielsweise Vietnam oder Bangladesch, stattfindet. Für
teils/teils                 38,5%     35,7% 30,8% 31,3%
                                                                       die nächsten 20 Jahre wird eine zunehmende Fokussie-
sehr/eher schlecht          15,4%     50,0% 46,2% 43,8%                rung auf den afrikanischen Kontinent erwartet (vgl. BR
  Quelle: Eigene Darstellung nach IG Metall 2018, 2019, 2020a, 2021a   02, Abs. 3, 53; BR 04; Abs. 5, 8f.; BR 09, Abs. 3, 5, 14-16;
                                                                       BR 10, Abs. 5; BR 12, Abs. 17-25; BR 15, Abs. 5, 9). Neben
Eine zunehmende Verringerung der Ausgaben im Be-                       den Märkten unterliegen auch die angebotenen Produk-
reich der Investitionen bzw. FuE sind kritisch zu werten.              te einem Wandel. Dies untermauern die Ergebnisse der
Insbesondere vor dem Hintergrund einer sehr hohen                      Trendmelder-Befragung. So ist die Hälfte der befragten
Exportorientierung der Branche und einer Ausrichtung                   Betriebe ausschließlich im Highend-Segment tätig. Ein
der deutschen Standorte im Hightech-Bereich läuft man                  Großteil ist jedoch diversifiziert aufgestellt: So produzie-
Gefahr, der internationalen Konkurrenz und dem Stand-                  ren 2021 rund 38 % sowohl für den Highend-Bereich als
ortwettbewerb zu unterliegen (vgl. Kap. Globalisierung).               auch für das Mittelsegment. Nur ein kleiner Anteil (13 %)
                                                                       sind Vollsortimenter, die alle drei Segmente bedienen
Internationale Märkte: Import und Export                               (vgl. Tabelle 6). Anhand der Daten wird eine Orientie-
Die Internationalisierung und Globalisierung betrifft die              rung hin zum Highend-Bereich ersichtlich, bei zuneh-
deutschen Textilmaschinenbauer in hohem Maße. Sie                      menden Verlagerungstendenzen, die das Einfach- und
sind in nationale und internationale Wertschöpfungsket-                Mittelsegment in der Vergangenheit betroffen haben,
ten eingebunden. Die Fertigung der Maschinen und An-                   aber auch zunehmend durch Verlagerungsprozesse
lagen findet nicht mehr ausschließlich in einem Land                   durch Investoren begünstigt werden (vgl. BR 01, Abs. 14;
statt, sondern Teile und Komponenten werden in mehre-                  BR 12, Abs. 85).
ren Ländern produziert und zusammengefügt (vgl. BR 01,
Abs. 97; BR 04, Abs. 106; BR 06, Abs. 52; BR 08, Abs. 31;
BR 09, Abs. 26, 32; BR 10, Abs. 21). Besonders deutlich
wird dies bei der Betrachtung der Zielmärkte, welche
                                                                       Tabelle 6: Vorrangiges Produktsegment
sich in den letzten Jahren ebenfalls – maßgeblich in
Richtung Asien – verschoben haben. So bilden die USA                                                 Jahr der Befragung
und insbesondere Europa einen schrumpfenden Markt.                                                    2018      2019      2020      2021
In Europa stellt die Türkei ein nach wie vor wichtiges                                                 N=15     N=16      N=11      N=16
Zielland dar. Allerdings wird dies zunehmend kritischer
bewertet. Dabei spielen u. a. die politische Lage und der               nur Highend                  60,0% 81,3% 45,5% 50,0%
Kurs der Lira eine zentrale Rolle für die zunehmend pes-                nur Mittelsegment             13,3%        –        –         –
simistische Betrachtungsweise. Außerdem stellen politi-
sche Maßnahmen immer wieder ein nur wenig kalkulier-                    nur einfach                   6,7%         –        –         –
bares Risiko dar, exemplarisch ist auf die wechselhafte                 Highend+
Situation und damit einhergehenden Sanktionen mit                                                     20,0% 12,5% 45,5% 37,5%
                                                                        Mittelsegment
Blick auf den Iran sowie die protektionistischen Maß-
                                                                        Highend+
nahmen der USA und China zu verweisen (vgl. BR 01,                                                       –      6,3%      9,1%     12,5%
                                                                        Mittelsegment+einfach
Abs. 142; BR 03, Abs. 141; BR 04, Abs. 5, 8f.; BR 05, Abs.
85, 89; BR 06, Abs. 11; BR 07, Abs. 63; BR 09, Abs. 5, 42;                Quelle: Eigene Darstellung nach IG Metall 2018, 2019, 2020a, 2021a

                                                                                                                                               17
Abbildung 12: Hauptexportziele 2019

                                                                                       Unterstützt von Bing
                                                                                       ©GeoNames, Microsoft, Navinfo, TomTom, Wikipedia

                                                 Ausfuhr in Tsd.      Anteil am Gesamt-       Das Hauptexportzielland des
      Nr.   Land
                                                       Euro                volumen            deutschen      Textilmaschinen-
                                                                                              baus stellt im Jahr 2019 mit
        1   Volksrepublik China                    817.420                21,0%
                                                                                              21 % des Gesamtvolumens (rd.
       2    Türkei                                 328.962                 8,4%               817 Mio. Euro) die Volksrepub-
       3    USA                                    319.803                 8,2%               lik China dar. Mit großem Ab-
       4    Indien                                 197.861                 5,1%               stand auf Platz zwei und drei
       5    Italien                                169.583                 4,3%               folgen die Türkei (rd. 8,4 %) und
                                                                                              die USA (rd. 8,2 %). Weit über
       6    Tschechische Republik                  136.598                 3,5%
                                                                                              die Hälfte der Exporte (61,8 %)
       7    Singapur                               122.914                 3,2%               gingen in 2019 an nur zehn un-
       8    Frankreich                              113.132                2,9%               terschiedliche Länder (vgl. Ab-
       9    Vietnam                                101.554                 2,6%               bildung 12).
      10    Pakistan                               100.661                 2,6%
            Ausfuhrvolumen Top-10                2.408.488                61,8%
            Gesamtausfuhrvolumen                  3.899.255              100,0%
                              Quelle: Eigene Darstellung nach Statistisches Bundesamt 2020

18
Abbildung 13: Hauptexportländer 2019 nach Deutschland

                                                                                 Unterstützt von Bing
                                                                                 ©GeoNames, Microsoft, Navinfo, TomTom, Wikipedia

                                           Ausfuhr in Tsd.     Anteil am Gesamt-        Mit Blick auf den Import stam-
Nr.   Land                                                                              men über 79 % des Gesamt-
                                                Euro                volumen
                                                                                        einfuhrvolumens 2019 aus
1     Tschechische Republik                  155.795                16,0%
                                                                                        zehn Ländern. Hierbei nehmen
2     Volksrepublik China                   130.580                 13,4%
                                                                                        die tschechische Republik und
3     Italien                                95.532                 9,8%                die Volksrepublik China mit 16
4     Vietnam                                84.559                 8,7%                bzw. 13,4 % die ersten beiden
5     Schweiz                                67.882                 7,0%                Plätze ein (vgl. Abbildung 13).
                                                                                        Das Einfuhrvolumen der zehn
6     Polen                                  61.847                 6,3%
                                                                                        größten Exportländer liegt ca.
7     Portugal                               56.547                 5,8%                21 Mio. Euro unter dem In-
8     Indien                                 52.142                 5,3%                landsumsatz (791 Mio. Euro)
9     Thailand                               38.080                 3,9 %               des deutschen Textilmaschi-
10    Österreich                             27.138                 2,8%                nenbaus. Damit ist Deutsch-
                                                                                        land die mit Abstand wichtigs-
      Einfuhrvolumen Top-10                  770.102                79,0%
                                                                                        te Herstellernation für Textil-
      Gesamteinfuhrvolumen                   975.135               100,0%               maschinen, die in Deutschland
                        Quelle: Eigene Darstellung nach Statistisches Bundesamt 2020    verkauft werden.

                                                                                                                                    19
Exkurs:                                                              Tabelle 8: Betriebliche Regelungen zu Arbeitsformen
     Die Auswirkungen der Corona-Pandemie                                 aufgrund der Corona-Pandemie (n=16)
     Der Textilmaschinenbau ist aufgrund seiner internatio-
     nal ausgerichteten Produktionskette maßgeblich durch                                           Arbeitsform
     Auswirkungen der Pandemie betroffen. Dies betrifft auf                                         Mobiles          Home-        Tele-
     der einen Seite Produktionsprozesse, die sich über meh-                                        Arbeiten         Office       arbeit
     rere Länder erstrecken und eine aufwändige und termin-               ja, schon vor                 37,5%          12,5%        18,8%
     gerechte Logistik erfordern. Auf der anderen Seite steht             der Corona-Krise
     am Abschluss des Produktionsprozesses die Endmonta-                  ja, seit der Corona-
     ge vor Ort beim Kunden und damit verbundene Reise-                                                 50,0%         56,3%         12,5%
                                                                          Krise
     und Montagetätigkeiten.
                                                                          nein                          6,3%          25,0%         56,3%
     Die Reisebeschränkungen treffen die Branche im dop-
     pelten Maße, da sowohl die Auftragsbestimmung als                    geplant                       6,3%           6,3%         12,5%
     auch die Montage ohne persönliche Präsenz kaum bis
                                                                            Quelle: Eigene Darstellung nach IG Metall 2018, 2019, 2020a, 2021a
     gar nicht möglich sind. Hierdurch ergibt sich für die Be-
     triebe die Problematik, dass sie einerseits bestehende               negativ entwickeln wird. Ein Drittel geht sogar davon
     Aufträge sowie neue Aufträge nicht oder nur einge-                   aus, dass sie wieder zunehmen wird.
     schränkt abschließen können.                                         Standortspezifische Maßnahmen, mit denen auf die
                                                                          Corona-Pandemie reagiert wird, stellen insbesondere
     Darüber hinaus haben Bestandskunden bereits signali-                 Home Office-Regelungen für den indirekten Bereich,
     siert, dass sämtliche Investitionen vorerst zurückgestellt           aber auch der Abbau von Arbeitszeitkonten oder Kurzar-
     werden und der weitere Verlauf der Corona-Pandemie                   beit dar. Forciert werden, auch unter dem Gesichtspunkt
     abgewartet wird. Dies setzt den Textilmaschinenbau                   einer Erhöhung des Home Office-Anteils, die Digitalisie-
     zusätzlich unter Druck, da einige Kunden in den Investi-             rungsprozesse in den Betrieben. Dies äußert sich bspw.
     tionsrückstellungen das Jahr 2021 einbezogen haben                   in Einigungen zu Mobilem Arbeiten oder der Implemen-
     (vgl. BR 01, Abs. 23; BR 08, Abs. 11, 65; BR 09, Abs. 70;            tierung neuer Software (vgl. BR 03, Abs. 117; BR 07, Abs.
     BR 10, Abs. 7; BR 11, Abs. 81-91, 217; BR 15, Abs. 13, 15).          7). So ist inzwischen in fast 94 % der befragten Betriebe
     Allerdings wird für 2022 eine positive Entwicklung der               Mobiles Arbeiten geregelt oder zumindest geplant.
     Auftragseingänge erwartet (vgl. Tabelle 7). So gehen                 In etwa 75 % der Betriebe sind Regelungen zum Home
     rund 86 % der Betriebsrätinnen und Betriebsräte davon                Office vereinbart bzw. geplant. Lediglich im Bereich der
     aus, dass sich die Anzahl der Auftragseingänge nicht                 Telearbeit gibt es in mehr als der Hälfte der Betriebe
                                                                          keine Regelung und es ist auch keine Einführung einer
     Tabelle 7: Entwicklung der Auftragseingänge in den                   Regelung geplant (vgl. Tabelle 8).
     nächsten 12 Monaten
                                                                          Tabelle 9: Entwicklung der Auszubildendenzahlen in
                                    Jahr der Befragung                    den nächsten 12 Monaten
                           2018       2019        2020       2021
                           N=14       N=15        N=13        N=15                            Jahr der Befragung

     steigt               50,0%      28,7%       23,1%       33,3%                            2018        2019         2020       2021
                                                                                              N=14        N=15         N=12       N=13
     gleichbleibend       28,6%      33,3%       23,1%       53,3%        steigt               28,6%       13,3%        16,7%      15,4%
     sinkt                14,3%          –       23,1%          –         bleibt gleich         57,1%      46,7%       66,7%        53,8%
     weiß nicht            7,1%        40%       30,8%       13,3%        fällt                14,3%       40,0%        16,7%       30,8%
                        Quelle: Eigene Darstellung nach IG Metall 2021a     Quelle: Eigene Darstellung nach IG Metall 2018, 2019, 2020a, 2021a

20
Abbildung 14: Stabilität der Lieferketten                                                       Corona-Pandemie). Abbildung 14
                                                                                                verdeutlicht die vorgelagerten Aus-
                                                                                                führungen. Durch die unterschied-
                                                                                                lichen Erhebungszeitpunkte wird
                                                                                                die Fragilität der Lieferketten im
                                                                                                Rahmen der Corona-Pandemie
                                                                                                deutlich. Sowohl der Maschinen-
                                                                                                bau im Allgemeinen als auch der
                                                                                                Textilmaschinenbau sehen sich
                                                                                                insbesondere zum Beginn der
                                                                                                Corona-Pandemie mit gefährdeten
                                                                                                (rd. 38 % bzw. 42 % im April 2020)
                                                                                                bzw. gestörten (rd. 26 % bzw. rd.
                                                                                                35 % im April 2020) Lieferketten
                                                                                                konfrontiert. Im Zeitverlauf ist je-
                          Quelle: Eigene Darstellung auf Grundlage IG Metall 2020b, c, d, 2021b doch eine zunehmende Stabilisie-

Entlassungen stellen ein eher nachrangiges Mittel zur                 rung der Lieferketten (im letzten Erhebungszeitpunkt
Begegnung der Corona-Pandemie dar, allerdings wird in                 Februar 2021 76 % bzw. rd. 53 %) festzustellen. Auffällig
vielen Betrieben darüber diskutiert, dass Personalan-                 ist dabei, dass der Textilmaschinenbau nach wie vor
passungen notwendig werden könnten, sollte sich die                   stärker von gefährdeten (rd. 32 % im Februar 2021) bzw.
Situation in naher Zukunft nicht verbessern (vgl. BR 06,              gestörten (rd. 16 % im Februar 2021) Lieferketten be-
Abs. 13; BR 08, Abs. 9; BR 09, Abs. 70; BR 10, Abs. 7; BR             troffen ist. Zur Abfederung der Corona-Folgen wird in
11, Abs. 217; BR 12, Abs. 103-105; BR 15, Abs. 13). Die Per-          vermehrtem Maß auf das arbeitsmarktpolitische Instru-
spektive für die Auszubildenden ist besonders negativ                 ment der Kurzarbeit zurückgegriffen, um so bspw. Ent-
zu bewerten. Seit 2019 wird die Anzahl der Auszubilden-               lassungen entgegen zu wirken. Es ist festzustellen, dass
den deutlich reduziert, obwohl angesichts der demogra-                von dem Instrument der Kurzarbeit im Textilmaschinen-
phischen Lage eher eine Erhöhung der Ausbildungsplät-                 bau mehr Gebrauch gemacht wird als im Maschinenbau.
ze sinnvoll wäre. Auch für 2022 gehen 31 % der befrag-                Mit dem Beginn des Jahres 2021 ist eine Entspannung
ten Betriebsrätinnen und Betriebsräte davon aus,                      der Situation zu erkennen, so hat sich der Anteil der Be-
schwierigen Situation im Rahmen der Corona-Pandemie                   triebe ohne Kurzarbeit von rund 13 % im Oktober auf
(vgl. Kap. Demographischer Wandel und Fachkräftesi-                   44 % im Februar erhöht (vgl. Abbildung 15).
cherung).
                                                                      Abbildung 15: Situation bei Kurzarbeit
Des Weiteren steigen durch das
zunehmende Maß an Internatio-
nalisierung die logistischen Her-
ausforderungen für die Branche,
welche u. a. im Rahmen der
Corona-Pandemie verstärkt zu
Tage getreten sind und zum Teil
signifikante Auswirkungen ge-
habt haben (vgl. BR 01, Abs.
101f.; BR 04, Abs. 104; BR 05,
Abs. 21, 57; BR 07, Abs. 47; BR
09, Abs. 26, 28, 66; BR 10, Abs.
5,21; BR 11, Abs. 195 und Kap.
Exkurs: Die Auswirkungen der
                                                                             Quelle: Eigene Darstellung nach IG Metall 2020b, c, d, 2021b

                                                                                                                                            21
Tabelle 10: Kurzarbeit am Standort

     Wird ein längerer Zeitraum in den Blick genommen und                   Jahr der Befragung
     die zuvor bereits thematisierten Entwicklungen (vgl. da-                 2018            2019          2020           2021
     zu die vorgelagerten Kapitel) berücksichtigt, wird deut-
                                                                              N=10           N=14            N=12          N=16
     lich, dass das Instrument Kurzarbeit nicht erst durch       Ja            –             21,4%          50,0%         56,3%
     Corona zum Einsatz kam, sondern bereits davor ein
                                                                 Nein        100,0%          71,4%          50,0%         43,8%
     wichtiges Instrument in der Branche darstellte. Bereits
                                                                 Geplant          –           7,1%             –             –
     im Jahr 2019 kam es in 21 % der Betriebe zur Anwendung
     (vgl. Tabelle 10). Für 2018 hingegen gab es bei keinem                           Quelle: Eigene Darstellung nach IG Metall 2021a

     der befragten Betriebe Kurzarbeit am Standort.
                                                                 Tabelle 11: Re- und Umstrukturierungen
     Mögliche Re- und Umstrukturierungen waren bereits
     2020 ein Thema im Textilmaschinenbau. So wurden bei                                                  Jahr der Befragung
     rund 38,5 % der Betriebe entsprechende Maßnahmen
                                                                                                             2020          2021
     durchgeführt oder angekündigt. Im Hinblick auf 2021 hat
     sich der Anteil der Betriebe mit Re- und Umstrukturierun-                                               N=13         N=16
     gen erhöht, so geben rund die Hälfte der Betriebsrätin-     Keine Re- und Umstrukturierungen           61,5%         37,5%
     nen und Betriebsräte an, dass entsprechende Maßnah-
                                                                 Bereits durchgeführt                       15,4%          6,3%
     men bereits durchgeführt wurden bzw. derzeit durchge-
     führt werden oder aber angekündigt wurden (vgl. Tabelle     Laufen bereits                              0,0%         12,5%
     11).                                                        Sind geplant/angekündigt                   23,1%         31,3%
                                                                 Keine Angabe                                7,7%         18,8%
                                                                                      Quelle: Eigene Darstellung nach IG Metall 2021a

22
TRENDS UND
HERAUSFORDERUNGEN
In den nachfolgenden Teilkapiteln werden vier Schwer-     chen Rahmenbedingungen statt. Zum anderen ist zu
punktthemen bearbeitet, die einen zentralen Stellenwert   beobachten, dass deutsche Produktionsstätten, die sich
für die Arbeit der Betriebsräte des Textilmaschinenbaus   auf das Highend-Segment spezialisieren, diesen Verla-
einnehmen.                                                gerungsprozessen nicht folgen.

Globalisierung                                            Die Verlagerung der Produktionsstätten findet von
Dieses Kapitel beschäftigt sich mit der Veränderung der   Deutschland, Europa und den USA insbesondere in asia-
Produktionsstandorte, um daran anknüpfend auf die         tische, afrikanische und südamerikanische Länder statt.
Einbettung in Wertschöpfungsketten einzugehen. Darauf     Dabei erfolgt die Verlagerung entsprechend der Ziel-
aufbauend wird das Servicegeschäft vertiefend betrach-    märkte der nähenden Industrie und damit vordergründig
tet, um mit den Chancen und Risiken, die durch die Glo-   der Modeindustrie sowie der Automobilindustrie als
balisierung entstehen, zu schließen.                      zentrale Abnehmer des Textilmaschinenbaus (vgl. BR
                                                          02, Abs. 43; BR 07, Abs. 59; BR 08, Abs. 63; BR 11, Abs.
Produktionsstandorte und                                  13; BR 12, Abs. 27; BR 14, Abs. 9). Diese haben ihre Pro-
Wertschöpfungsketten                                      duktionsstandorte über die vergangenen Jahre in Länder
Bei der räumlichen Verortung des Textilmaschinenbaus      mit zunehmend geringeren Lohnkosten verlagert (vgl. BR
lassen sich zwei zentrale Entwicklungen aufzeigen. Zum    01, Abs. 10, 14; BR 04, Abs. 5, 8; BR 05, Abs. 33, 85; BR
einen findet eine Verlagerung von Produktionsstätten      08, Abs. 63; BR 09, Abs. 3; BR 12, Abs. 1, 17, 19; BR 14,
aufgrund einer Verschiebung von Zielmärkten, niedrigen    Abs. 5,9).
Lohnkosten sowie politischen und gesamtwirtschaftli-

                                                                                                                      23
’’
       Mehr Unterstützung durch den Gesetzgeber
       nötig: Europäische Betriebsräte

       Europäische Betriebsräte sollten von der Politik viel
                                                                  Der größte Erfolg ist nach meiner Meinung, dass bei
                                                                  uns ein Zusammengehörigkeitsgefühl auf europäi-
                                                                  scher Ebene entstanden ist. Wir kennen uns und wir
                                                                  vertrauen uns. Es wäre wichtig, dass der Gesetzgeber
                                                                  uns mehr unterstützt. Wir brauchen einen Gerichts-
                                                                  stand mit einem Recht für alle und keine Wahl des
       stärker geschützt und gefördert werden. Wir haben
       einen kleinen Betriebsrat auf der europäischen Ebe-        rechtlichen Sitzes, je nachdem in welchem Land das
       ne. Gestartet sind wir 1999 mit 13 Leuten aus 8 Län-       Recht der Betriebsräte am schlechtesten ist. Dann
       dern, aber durch eine Aufspaltung des Konzerns sind        wären wir ein Stück mehr auf Augenhöhe.
       wir jetzt nur noch insgesamt 4 Kollegen aus den Län-
       dern Schweiz, der Tschechischen Republik, den Nie-                                              Gerhard Hyna
       derlanden und Deutschland. Wir sehen uns regelmä-                                      Betriebsratsvorsitzender
       ßig, treffen uns und tauschen uns aus, was sehr wert-                                   Rieter Ingolstadt GmbH
       voll ist. Du weißt, du bist nicht allein. Es bringt uns
       weiter, wenn wir unser Wissen zusammentragen. So
       haben wir die Möglichkeit, besser zu verstehen, wel-
       che Strategien der Arbeitgeber verfolgt, da er diese
       nie wirklich offenlegt. Manchmal ist es auch so, dass
       wir kein Mittel dagegen haben, aber durch den ge-
       meinsamen Austausch sind wir darauf vorbereitet
       und können unsere Kolleginnen und Kollegen ent-
       sprechend informieren.

     Einen weiteren Faktor für die Standortentscheidungen         Gleichzeitig sind trotz der Verlagerungsprozesse weiter-
     stellen politische Rahmenbedingungen sowie die ge-           hin diverse Produktionsstätten und -kapazitäten in
     samtwirtschaftliche Situation dar. Zu nennen sind Sub-       Deutschland vorhanden, bei denen eine Spezialisierung
     ventionen im Rahmen von Förderpolitiken, wie sie bei-        auf das Highend-Segment zu beobachten ist (vgl. BR 01,
     spielsweise in China oder in der Türkei (u. a. Förderung     Abs. 14; BR 12, Abs. 85). In den letzten Jahren haben je-
     der Baumwollproduktion und -verarbeitung) betrieben          doch auch an dieser Stelle Veränderungen und Verlage-
     werden. Aber auch protektionistische Maßnahmen wie           rungen stattgefunden und insbesondere der chinesische
     Handelsabkommen, Einfuhrbestimmungen und Zölle               Markt holt im Highend-Segment auf. In weiten Teilen
     nehmen Einfluss auf die Standortwahl (vgl. BR 01, Abs.       bezieht sich dies jedoch auf die reine Fertigungsleis-
     142; BR 06, Abs. 72; BR 10, Abs. 103). So ist die USA bei-   tung, die Entwicklung der Maschinen und Anlagen ver-
     spielsweise aufgrund von Zollbestimmungen zu einem           bleibt nach wie vor in Deutschland (vgl. BR 01, Abs. 10;
     schwierigeren Absatzmarkt geworden (vgl. BR 01, Abs.         BR 04, Abs. 114; BR 05, Abs. 10; BR 09, Abs. 3, 14-16; BR
     10; BR 11, Abs. 13; BR 14, Abs. 23). Ein Beispiel für den    10, Abs. 3, 13). Eng verknüpft mit dem Highend-Segment
     Einfluss der gesamtwirtschaftlichen Situation stellt die     ist das an Bedeutung gewinnende Servicegeschäft, da
     Türkei dar, in der Währungsabwertung und Krisen in Sy-       die Endkunden bei diesen Anlagen und Maschinen ein
     rien zu einer Schwächung des Absatzmarktes geführt           gewisses Maß an Service beim Kauf erwarten (vgl. BR
     haben (vgl. BR 12, Abs. 21).                                 02, Abs. 67).

24
Der Textilmaschinenbau ist im Zuge der zunehmenden                     Obgleich die Bedeutung des Servicegeschäfts so zentral
Internationalisierung und Globalisierung immer stärker                 ist, stellt es die Betriebe jedoch vor zunehmende Her-
in internationale Wertschöpfungsketten eingebunden                     ausforderungen. Insbesondere im Bereich der Fach-
(vgl. BR 02, Abs. 61; BR 07, Abs. 61). Die Fertigung der               kräftegewinnung und -bindung gestaltet sich diese auf-
Maschinen und Anlagen findet nicht mehr ausschließ-                    grund einer abnehmenden Reisebereitschaft, verbunden
lich in einem Land statt, sondern Teile und Komponen-                  mit langen Aufenthalten im Zielland sowie einer
ten werden in mehreren Ländern produziert (vgl. BR 01,                 »regionalen Unattraktivität« als immer schwieriger (vgl.
Abs. 97; BR 04, Abs. 106; BR 06, Abs. 52; BR 08, Abs. 31;              Kap. Digitalisierung und Automatisierung sowie BR 04,
BR 09, Abs. 26, 32; BR 10, Abs. 21). Dabei führt die zu-               140; BR 06, 76; BR 08, 89). Als eine Reaktion darauf fin-
nehmende Fragmentierung und damit einhergehende                        det eine Verlagerung von Serviceniederlassungen mit
Globalisierung der Wertschöpfungsketten dazu, dass                     Personal vor Ort statt. Wurde früher das Servicepersonal
die Abhängigkeit von internationalen Zulieferern zu-                   in Deutschland vorgehalten, so wird heute versucht,
nimmt (vgl. BR 01, Abs. 101f.; BR 03, Abs. 75; BR 04, Abs.             direkt vor Ort Serviceniederlassungen aufzubauen, um
104; BR 06, Abs. 52, 54; BR 08, Abs. 39; BR 09, Abs. 26).              so Wege zu verkürzen und Kosten zu reduzieren (vgl. BR
                                                                       09, Abs. 50-56). Gerade in der Corona-Pandemie mit
Servicegeschäft                                                        Reisebeschränkungen erweist sich diese Strategie der
Vor dem Hintergrund der Globalisierung nimmt das Ser-                  Regionalisierung als vorteilhaft (vgl. BR 01, Abs. 146; BR
vicegeschäft im Textilmaschinenbau eine herausragen-                   02, Abs. 71; BR 04, Abs. 140; BR 06, Abs. 76; BR 08, Abs.
de Stellung ein, was sich insbesondere aus dem hohen                   79-89; BR 09, Abs. 50-56; BR 12, Abs. 189-195).
Exportanteil ableiten lässt und Abnehmermärkten Rech-
nung trägt (vgl. Kap. Internationale Märkte: Import und                Gleichzeitig ermöglicht die Digitalisierung (vgl. Kap. Di-
Export). Es stellt überwiegend einen wachsenden, um-                   gitalisierung und Automatisierung) des Servicegeschäfts
satzgenerierenden und damit wichtigen Geschäftsbe-                     einen zunehmend ortsunabhängigen Service. Durch die
reich dar (vgl. BR 12, Abs. 189, 195). Für rund 93 % der               Ausstattung der Maschinen mit diversen Sensoren und
befragten Betriebsrätinnen und Betriebsräte ist der Ser-               der Vernetzung über das Internet können viele Fehler
vice überwiegend ein wichtiges Geschäftsfeld. An dieser                digital und ortsunabhängig ausgelesen und behoben
Stelle ist eine kontinuierliche Zunahme über den Befra-                oder mittels direkter Anweisungen für kleinere Reparatu-
gungszeitraum zu beobachten, so lag die Zustimmung                     ren durch das Servicepersonal an den Kunden übermit-
für die Bedeutung des Servicegeschäfts in 2018 noch bei                telt werden (vgl. BR 14, Abs. 31, 123). Vor-Ort-Einsätze
rund 65 % (vgl. Tabelle 12).                                           werden dadurch nur erforderlich, wenn es Fachkräfte
                                                                       beziehungsweise Spezialisten bedarf, wie beispielswei-
Tabelle 12:                                                            se im Falle von Nachrüstungen, Montagefehlern oder
Der Service ist ein wichtiger Geschäftsbereich                         Maschinenupgrades (vgl. BR 14, Abs. 29). Servicemitar-
                                                                       beitende vor Ort bleiben jedoch weiterhin wichtig, da
                           Jahr der Befragung                          nicht alle Fehler per Fernwartung behebbar sind (Vgl. BR
                            2018       2019       2020        2021     12, Abs. 189-195). Vor dem Hintergrund der Schwierigkei-
                                                                       ten der Fachkräftegewinnung und -bindung, insbesonde-
                            N=14       N=15        N=12       N=14
                                                                       re in Hinblick auf eine abnehmende Reisebereitschaft,
trifft (überwiegend)                                                   stellt die Digitalisierung für das Servicegeschäft eine
                           64,3%      73,3%       91,7%      93,3%
zu                                                                     Chance dar, durch ortsunabhängigen Service das benö-
                                                                       tigte Personal für einen weiteren Ausbau des Geschäfts-
teils/teils                 7,1%      26,7%       8,3%        6,7%
                                                                       bereichs besser gewinnen und binden zu können.

trifft (überwiegend)
                           28,6%         –           –          –
nicht zu
  Quelle: Eigene Darstellung nach IG Metall 2018, 2019, 2020a, 2021a

                                                                                                                                    25
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