TEXTILMASCHINENBAU IN DEUTSCHLAND - Strukturen, Trends und Herausforderungen IG METALL
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Impressum Herausgeber: IG Metall Vorstand, VB 04, 60329 Frankfurt am Main Verantwortlich: Wolfgang Lemb Text: Kay Kürschner, Benedikt Schreiter, Sebastian Schwidder, Marie Klemsmann, PCG-Project Consult GmbH , unter Mitarbeit von: Matthias Macanović, Theresa Schmid, Marleen Twelsiek Auftraggeber: Hans-Böckler-Stiftung, IG Metall Vorstand Redaktion: Dr. Sascha Kristin Futh, IG Metall Vorstand Satz und Layout: Susanne Schwarz, IG Metall Vorstand Titelbild: Pfaff Industriesysteme GmbH Die vorliegende Publikation ist auch elektronisch unter dem Titel »Branchenanalyse Textilmaschinenbau« in der Rei- he Working Paper Forschungsförderung der Hans-Böckler- Stiftung erschienen und steht als Download zur Verfügung unter: https://www.boeckler.de/de/faust-detail.htm?sync_id=HBS-008005 2
INHALT Vorwort ............................................................................................................................................................... 4 Einleitung ............................................................................................................................................................. 5 Struktur und Entwicklung ......................................................................................................................................7 Räumliche Verortung der Betriebe .........................................................................................................................7 Aufteilung der Rechtsformen und Konzernmütter ................................................................................................. 10 Tarifbindung ....................................................................................................................................................... 11 Entwicklung der Beschäftigtenzahlen .................................................................................................................. 11 Umsatzentwicklung ............................................................................................................................................ 13 Investitionsausgaben.......................................................................................................................................... 16 Internationale Märkte: Import und Export ............................................................................................................ 17 Exkurs: Die Auswirkungen der Corona-Pandemie ................................................................................................ 20 Trends und Herausforderungen ...........................................................................................................................23 Globalisierung ....................................................................................................................................................23 Demographischer Wandel und Fachkräftesicherung ............................................................................................. 27 Digitalisierung und Automatisierung .................................................................................................................. 36 Umweltfreundliche Produktion und Ressourceneffizienz ...................................................................................... 41 Handlungsfelder und Zukunftsthemen ................................................................................................................ 44 Rahmenbedingungen der Zusammenarbeit zwischen Arbeitgebern und Betriebsräten ......................................... 44 Themenfelder ..................................................................................................................................................... 45 Forderungen an die Politik................................................................................................................................... 45 Literaturverzeichnis ........................................................................................................................................... 48 3
VORWORT Der Textilmaschinenbau ist eine der traditionsreichsten die Branche nun zusätzlich. Jetzt gilt es, mit tariflichem Teilbranchen des Maschinenbaus. Bereits im 18. Jahr- und politischem Druck vor allem Produktionsstandorte hundert entstanden die ersten Spinn- und Webmaschi- und Beschäftigung zu sichern. Die Krise hat gezeigt, nen. Seitdem hat sich der Textilmaschinenbau vielfältig dass der Textilmaschinenbau essentieller Teil der Wert- gewandelt. Er hat sich an eine veränderte Textilindustrie schöpfungskette zur Produktion kritischer Güter, wie angepasst und Produkte für Märkte über die Textilin- beispielsweise Schutzmasken, ist. Diese Wertschöpfung dustrie hinaus entwickelt. In Deutschland produzieren muss in Deutschland und Europa gesichert werden. aktuell noch etwa 125 Textilmaschinenbauer mit rund Die qualifizierten Beschäftigten der Branche sind das 21.000 Beschäftigten einen Umsatz von 4,5 Milliarden Rückgrat für Innovationen und die Herstellung der High- Euro. Ihre Produkte reichen von den klassischen Spinn- tech-Produkte. Sie müssen in angemessener Weise wei- und Webmaschinen über Strick- und Nähmaschinen bis terqualifiziert werden, denn neben der Krise ist auch im zu Färberei- und Wäschereimaschinen. Längst werden Textilmaschinenbau die Transformation zu bewältigen. nicht mehr nur Naturfasern wie Baumwolle mit den Ma- Um den Fachkräftebedarf zu decken, braucht es im Tex- schinen verarbeitet, sondern vor allem auch Chemiefa- tilmaschinenbau wieder deutlich mehr Ausbildungsplät- sern. ze. Der aktuelle Abbau muss umgekehrt werden, um die Zukunftsfähigkeit der Branche zu sichern. Die Struktur der Branche hat sich über die letzten Jahre stark verändert. Heute gehören die umsatzstärksten Be- Der vorliegende Report beschreibt die Herausforderun- triebe weltweiten Konzernen an, immer weniger Betriebe gen der Branche und zeigt auf, wie die Betriebsrät*innen sind in deutscher Hand und familiengeführt. Vor allem und die Beschäftigten diese mitgestalten. Er wurde im chinesische Eigner haben die Branche im Blick und be- Auftrag der IG Metall und der Hans-Böckler-Stiftung er- reits für die Branche bedeutende Betriebe übernommen. stellt. Ich bedanke mich herzlich bei dem Projektleiter Diese globalen Strukturen führen zu Herausforderungen, Kay Kürschner von PCG-Project Consult sowie den Be- Mitbestimmungsrechte angemessen ausführen zu kön- triebsrät*innen, die die Erstellung des Reports mit Ge- nen. Verlagerungen sind zudem seit Langem auf der Ta- sprächen und ihrer Beteiligung an Workshops unter- gesordnung. Mit einer Exportquote von über 80 Prozent stützt haben. Die Erkenntnisse der Studie werden uns in spielt die Globalisierung schon lange eine herausragen- der Branchenarbeit und die Betriebsrät*innen vor Ort de Rolle für die Branche. Darüber hinaus müssen die unterstützen, um die Herausforderungen im Sinne der Betriebe bei der Digitalisierung Schritt halten und durch Beschäftigten zu gestalten. den demografischen Wandel ihre Fachkräfte sichern. Um sich über die Gestaltung dieser Herausforderungen im Sinne der Beschäftigten auszutauschen und sich gegen- seitig zu unterstützen, besteht seit 16 Jahren ein Netz- werk zwischen den Betriebsrät*innen der Branche und der IG Metall. Viele Textilmaschinenbauer hatten schon vor der Corona - Krise mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten aufgrund in- ternationaler Konflikte auf ihren Absatzmärkten zu kämpfen. Die Auswirkungen der Corona-Krise belasten Wolfgang Lemb Geschäftsführendes Vorstandmitglied 4
EINLEITUNG Der Textilmaschinenbau in Deutschland besitzt zwei verstärkt zu Tage traten und zum Teil deutliche Auswir- zentrale Charakteristika: Erstens ist die Branche durch kungen hatten (vgl. Kap. Exkurs: Die Auswirkungen der klein- und mittelständische Betriebe geprägt. So besit- Corona-Pandemie). zen 85 % der Betriebe weniger als 250 Mitarbeitende (Destatis 2020). Zweitens zeichnet sie sich durch eine Gleichzeitig resultieren aus einer starken Exportorientie- hohe Exportquote von 83 % aus, die damit höher liegt rung zu bewältigende Herausforderungen. So ergeben als im Maschinenbau1, bei welchem die Quote 80 % be- sich insbesondere aus einer Zunahme protektionisti- trägt (VDMA 2020: 11). Die Exporte weisen dabei weniger scher Tendenzen im Welthandel, aber auch der zum Teil eine Fragmentierung, sondern vielmehr eine Zentrierung unsicheren Lage in einigen Ländern (bspw. Türkei, Iran, auf spezifische Zielmärkte auf, von denen China, die Syrien), die als wichtige Zukunftsmärkte der deutschen Türkei und die USA eine herausragende Stellung einneh- Textilmaschinenbauer zu sehen sind, (Planungs-) men (Destatis 2020). Unsicherheiten (VDMA 2017: 8, 15). Der Wettbewerb, insbesondere mit China und Indien, der den deutschen Ein weiteres Charakteristikum für die Betriebe ist eine Textilmaschinenbau bereits in der Vergangenheit unter zunehmende Orientierung am Highend-Segment. Dies Druck gesetzt hat, wird in diesem Zusammenhang an drückt sich vor allem in der »Transformation« der Pro- Bedeutung gewinnen (VDMA & McKinsey 2014: 2). dukte aus. So werden kundenspezifische System- und Integrationslösungen durch ein umfassendes Aftersales- Bisher konnten die deutschen Betriebe durch die Positi- und Serviceangebot (u.a. Ersatzteile, Wartung und Repa- onierung im Highend-Segment diesen Prozessen entge- ratur) ergänzt (Schreiber & Felk 2017: 436). Die Anforde- genwirken. Allerdings verfügen auch deutsche Unterneh- rungen an das Personal werden u. a. bei der Betrachtung men über Standorte im Ausland, an denen in der Ver- der Entwicklung der Berufsabschlüsse deutlich. Zwi- gangenheit vor allem weniger anspruchsvolle Maschi- schen 2012 und 2020 nahm die Anzahl der sozialversi- nen im Einfach- und Mittelsegment produziert worden cherungspflichtig Beschäftigten im Textilmaschinenbau sind, wodurch eine Konkurrenz zu den deutschen Stand- um rund. 2 % ab, wohingegen die Anzahl der sozialversi- orten befördert wurde. Zusätzlich holen Wettbewerber cherungspflichtig Beschäftigten mit einem akademi- auch im Highend-Segment, u. a. durch ausländische schen Abschluss im selben Zeitraum um rund 4 % zu- Investoren, die sich in diese Betriebe gezielt einkaufen, nahm (Bundesagentur für Arbeit 2021). auf. Von dieser Entwicklung sind sowohl große Unter- nehmen als auch KMU betroffen. In der Behauptung der Diese Rahmenbedingungen verdeutlichen das Span- globalen Führungsposition im Highend-Segment wird für nungsverhältnis, in dem sich der Textilmaschinenbau in die Branche eine der größten Herausforderungen in den Deutschland befindet. Das Deutsche Produktionsmodell nächsten Jahren liegen, wobei der Druck insbesondere bringt im Rahmen des Highend-Segments Vorteile für durch chinesische Hersteller spürbar zunehmen wird. Produktion(sstandorte). Das Produktionsmodell setzt Diese greifen bereits jetzt verstärkt die deutsche High- jedoch auch ein zunehmendes Maß an Internationalisie- tech-Strategie im Rahmen der Made in China 2025 Stra- rung voraus, was sich beispielsweise in einer zuneh- tegie an und auf (VDMA 2021, vgl. Kap. Globalisierung). menden Integration der Betriebe in internationale Wert- schöpfungsketten ausdrückt (vgl. Kap. Globalisierung). 1 Innerhalb des Textes wird Maschinenbau in reduzierter Form genutzt Hierdurch steigen die logistischen Anforderungen für die und adressiert in Summe den Maschinen- und Anlagenbau. Branche, welche u. a. im Rahmen der Corona-Pandemie 5
Aber auch der Standort Deutschland stellt die Branche deren wird sich vor allem die Arbeit im Rahmen des Au- vor Herausforderungen. So sind beispielsweise die Ferti- ßendienstes verändern, d. h., beispielsweise längere gungs- und Beschaffungskosten aufgrund der Energie- und ausgedehntere Serviceeinsätze vor Ort, aber es wer- kosten in Deutschland und bei in Deutschland ansässi- den sich auch erweiterte Möglichkeiten ergeben, Aufga- gen Anbietern vergleichsweise hoch. Die Steigerung der ben und Tätigkeiten ohne einen Vorortbesuch erledigen Ressourcen- und Energieeffizienz stellt an dieser Stelle zu können. eine wichtige Herausforderung dar. Dies betrifft sowohl die eigene Herstellung von Maschinen als auch das End- Zudem setzt der Bedarf an Fachkräften und der demo- produkt, da inzwischen auch in den Ländern mit vielen graphische Wandel die Branche weiter unter Druck und textilverarbeitenden Betrieben die Kosten für Rohstoffe erfordert von den Betrieben Konzepte zur Fachkräftesi- und Energie ansteigen (vgl. Kap. Globalisierung, Um- cherung und -gewinnung. Es zeichnet sich ab, dass die weltfreundliche Produktion und Ressourceneffizienz). Beschäftigten im Textilmaschinenbau im Durchschnitt älter werden und damit – mindestens perspektivisch – Bei der Betrachtung der Trends im Maschinenbau, aber Nachwuchsprobleme entstehen können. Dies betrifft vor auch im Textilmaschinenbau, ist zwischen der anbieten- allem den »Mittelbau« der 25- bis 49-Jährigen, welcher den (Hersteller) und der anwendenden Seite (Kunden) über die letzten Jahre stetig abnahm (Bundesagentur für zu differenzieren. Die Digitalisierung der Produktion Arbeit 2021). So bildet die größte Herausforderung für stellt ein (noch) nachrangigeres Thema der Branche dar. den Textilmaschinenbau laut VDMA (2018: 17), der Stu- Der Fokus der Digitalisierung liegt stattdessen viel stär- die von Dispan & Schwarz-Kocher (2018: 47) bezie- ker auf den Produkten (vgl. Kap. Digitalisierung und Au- hungsweise im Kap. Demographischer Wandel und Fach- tomatisierung). Dabei ist in beiden Fällen der treibende kräftesicherung, die Personalverfügbarkeit besonders Faktor die Wettbewerbsfähigkeit (Dispan & Schwarz- im Fachkräftebereich. Kocher 2018: 19f.). Der Branchenreport setzt sich aus drei Bestandteilen Infolgedessen wachsen die Anforderungen an den Textil- zusammen. Im ersten Teil geht es darum, die Branchen- maschinenbau, flexiblere Produktionssysteme zu entwi- struktur insbesondere mit einem quantitativen Fokus zu ckeln, die in der Lage sind, eine größere Bandbreite an systematisieren und strukturieren. Darauf aufbauend Textilien herzustellen und auch nach dem Einbau in die werden Themenschwerpunkte gesetzt, mit denen sich Produktionsstätte durch Module oder Software flexibel die Branche und insbesondere die Betriebsräte konfron- erweiterbar sind (Schreiber & Felk 2017: 444). Darüber tiert sehen. Das abschließende Kapitel ist als Konklusi- hinaus werden Themenfelder wie die vorausschauende on der vorgelagerten Kapitel zu verstehen und bündelt Wartung, datenbasierte Dienstleistungen oder automati- die einzelnen Erkenntnisse zu (politischen) Forderungen sche Maschinenüberwachung immer zentraler. So ge- für die Betriebsrats- bzw. Gewerkschaftsarbeit. winnt neben der Bereitstellung der Maschinen die Ser- Saurer vicebetreuung der Kunden sowie der Ausbau des After- sales-Bereichs mit einer intensiven Kundenbindung, die nicht mehr zwingend vor Ort vollzogen werden muss, zunehmend an Bedeutung (Dispan & Schwarz-Kocher 2018: 24; Kap. Globalisierung, Digitalisierung und Auto- matisierung, zu den Herausforderungen Kap. Demogra- phischer Wandel und Fachkräftesicherung). Durch die steigende Komplexität der Maschinen und das zunehmende Wartungs- und Servicegeschäft sind die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten in den kommen- den Jahren einem starken Wandel ausgesetzt. So wer- den sich zum einen die Ausbildung und die berufliche Weiterbildung verändern müssen, um den neuen Anfor- derungen und Ansprüchen gerecht zu werden. Zum an- 6
STRUKTUR UND ENTWICKLUNG Im nachfolgenden Kapitel werden neben einer kartogra- dargestellt. Aus der Abbildung geht eine Zentrierung auf phischen und deskriptiven Erläuterung zur regionalen die Bundesländer Baden-Württemberg (27,4 %), Nord- Verteilung der Betriebe im Textilmaschinenbau relevan- rhein-Westfalen (26,4 %) und Bayern (19,7 %) hervor. te betriebliche Kennzahlen (u. a. Umsatzentwicklung, Auch in Betrieben mit einer höheren Anzahl an Be- Beschäftigungsentwicklung, Entgeltentwicklungen) her- schäftigten setzt sich die räumliche Konzentration fort. ausgearbeitet und mit dem Maschinen- und Anlagenbau Die elf Betriebe mit mehr als 499 Beschäftigten befinden (insgesamt) verglichen. Außerdem wird den gegenwärti- sich ausschließlich in Baden-Württemberg (4), Nord- gen durch die Corona-Pandemie vorherrschenden Rah- rhein-Westfahlen (3), Bayern (3) und Hessen (1). menbedingungen Rechnung getragen. Räumliche Verortung der Betriebe In Deutschland gibt es 225² Betriebe des Textilmaschi- 2 Um einen Gesamtüberblick über die Betriebe des Textilmaschinen- baus zu erhalten, wurden über Bisnode alle Betriebe recherchiert, nenbaus. Aus Tabelle 1 geht hervor, dass mehr als die die der Teilbranche zugerechnet werden konnten und durch spezifi- Hälfte der Betriebe³ unter 50 Beschäftigte hat4. Über sche IG Metall-Daten (u. a. Vorhandensein von Betriebsräten, Ta- 90 % der Betriebe haben unter 250 Beschäftigte. Nur rifbindung) ergänzt. Es konnten so Daten von 225 Betrieben einbezo- 9,9 % haben 250 Beschäftigte und mehr. gen werden. 3 Für 210 Betriebe lagen Daten für die Beschäftigtenanzahl vor. In Abbildung 1 wird die Verteilung der Betriebe mit mehr 4 Die Beschäftigtengrößenklassen orientieren sich an den Klassen des Statistischen Bundesamts (Destatis 2019). als 49 Beschäftigten auf die jeweiligen Bundesländer 7
In den einzelnen Bundesländern lassen sich zudem vier Tabelle 1: Beschäftigtengrößenklassen (N=210) regionale Cluster identifizieren (vgl. Abbildung 2): mittlere schwäbische Alb (21), Niederrhein (14), Spessart Beschäftigtengrößen- Anzahl Anteil in % (7) und nördliches Erzgebirge (6). Sie beheimaten den klasse Großteil der deutschen Textilmaschinenbauer. unter 50 119 56,7 50-99 31 14,8 Im Hinblick auf die Gesamtanzahl der deutschen Betrie- be hat in der Folge der Finanzkrise ein Konsolidierungs- 100-249 39 18,6 prozess eingesetzt, was bis zum Jahr 2013 zu einer Ver- 250-499 10 4,8 ringerung der Betriebe, von 160 Betrieben 2008 auf 120 500-999 7 3,3 im Jahr 2013, geführt hat (VDMA & McKinsey 2014: 27). In den Folgejahren ist eine leichte Zunahme der Betriebe 1.000 und mehr 4 1,9 Quelle: Eigene Darstellung nach IG Metall 2021c auf zuletzt 124 in 2019 festzustellen. Zudem wurde der positive Wachstumstrend wieder durchbrochen (vgl. Abbildung 3). Abbildung 1: Verteilung der Betriebe (N=91) mit ≥ 50 Beschäftigten auf die Bundesländer 1 Quelle: Eigene Darstellung nach IG Metall 2021c Unterstützt von Bing ©DSAT for MSFT, GeoNames, TomTom 8
Abbildung 2: Regionale Verteilung (mit mindestens 50 Mitarbeitenden) Quelle: Eigene Darstellung nach IG Metall 2021c Leaflet|©OpenStreetMap contributors|©Carto 9
Abbildung 3: Anzahl der Betriebe Quelle: Eigene Darstellung nach Statistisches Bundesamt 2020 Aufteilung der Rechtsformen und Tabelle 2: Sitz der globalen Mutter von Konzernmütter Betrieben mit ≥ 50 Beschäftigten (N=51) Findet eine Differenzierung nach Rechtsformen auf Grundlage der Daten der IG Metall (2021c) statt, so zeigt Herkunftsland sich, dass die beiden am häufigsten vorkommenden Anzahl Anteil in % der globalen Mutter Rechtsformen die GmbH (60,4 %) und die GmbH & Co. KG (25,3 %) sind. Bilden die Betriebe mit mehr als 49 Deutschland 28 54,9 Beschäftigten die Grundlage, findet nochmals eine leich- te Verschiebung statt, sodass ca. zwei Drittel der Betrie- China 7 13,7 be die Rechtsform der GmbH und 30 % der Betriebe die Schweiz 6 11,8 Rechtsform der GmbH & Co. KG besitzen. Von 11 Betrie- ben mit über 500 Beschäftigten haben sechs entweder Österreich 3 5,9 die Rechtsformen einer GmbH & Co. KG (4), einer AG & Belgien 2 3,9 Co. KG (1) oder einer KG (1). Hongkong 2 3,9 Bei mehr als der Hälfte der Betriebe, bei denen eine glo- Luxemburg 2 3,9 bale Mutter angegeben war, hat diese ihren Sitz in Frankreich 1 2,0 Deutschland (vgl. Tabelle 2). Bei über 70 % der Betriebe mit einer direkten Mutter, stammt diese aus Deutsch- Quelle: IG Metall 2021c land. Ausländische Mütter kommen am häufigsten aus China (13,7 %) und aus der Schweiz (12,2 %). Dies ver- deutlicht die Tendenz, dass die Branche in den letzten Jahren verstärkt von chinesischen Eigentümern in den Blick genommen wird. 10
Exkurs: Betriebliche Mitbestimmung Im Textilmaschinenbau haben 6,5 % der Betriebe mit 5 Der Anteil der Betriebe mit Betriebsrat ist in Deutsch- bis 50 Beschäftigten einen Betriebsrat und 10,9 % der land seit 1996 rückläufig (von 12 % auf 9 % in 2019). Beschäftigten. In Betrieben mit einer Belegschaft zwi- Die Prozentzahl der insgesamt Beschäftigten, die in schen 51 und 100 Personen haben 60 % der Betriebe einem Betrieb mit Betriebsrat arbeiten, ist ebenfalls und 60,7 % der Mitarbeitenden einen Betriebsrat. In rückläufig von 51 % in Westdeutschland und 43 % in Betrieben mit über 500 Mitarbeitenden sind es 90 % Ostdeutschland im Jahre 1996 auf 41 % der Betriebe, die einen Betriebsrat haben und 91 % der (Westdeutschland) bzw. 36 % (Ostdeutschland) in Beschäftigten (IG Metall 2021c). 2019 (Ellguth & Kohaut 2020: 281ff.). Im Textilmaschinenbau haben 71 Betriebe einen Be- Im Vergleich dazu ist auf Grundlage der Informationen triebsrat mit Kontakt zur IG Metall. In Bezug auf die der IG Metall festzustellen, dass mindestens 31,6 % Beschäftigtengrößenklassen ist zu erwähnen, dass der Betriebe und 78,1 % der Beschäftigten einen Be- Betriebe, in denen weniger als 50 Beschäftigte tätig triebsrat mit Kontakt zur IG Metall besitzen (IG Metall sind, nur 16, d. h. nur 13,4 %, einen Betriebsrat haben. 2021c). Damit ist die Situation im Textilmaschinenbau Von den Betrieben mit 250 Beschäftigten und mehr deutlich besser als der allgemeine Trend (Ellguth & haben hingegen 19, d. h., 90,5 %, einen Betriebsrat. Kohaut 2020: 281ff.). In Betrieben mit einer hohen An- Daraus lässt sich schließen, dass in kleineren Betrie- zahl an Beschäftigten finden sich häufiger Betriebsräte ben hinsichtlich der Mitbestimmung noch Nachholbe- als in Betrieben mit nur wenigen Beschäftigten. darf besteht. Tarifbindung Die Flächentarifbindung von Betrieben hat zwischen Beschäftigungsniveau vor der Finanzkrise 2008/2009 1996 und 2019 sowohl in Westdeutschland um 24 % bisher nicht wieder erreicht werden konnte. (von 70 % in 1996) als auch in Ostdeutschland um 22 % (von 56 % in 1996) abgenommen. 2019 waren 25 % der Die Beschäftigungsentwicklung für die nächsten 12 Mo- deutschen Betriebe durch Flächentarife gebunden. Ei- nate wird im Rahmen der Trendmelder-Befragung grund- nen Haustarifvertrag gab es in 2 % der Betriebe. Des sätzlich positiv bewertet. So geben 75 % der befragten Weiteren arbeiteten 2019 44 % der Beschäftigten in Be- Betriebsrätinnen und Betriebsräte an, dass keine Stel- trieben mit Flächentarifvertrag und 8 % in Betrieben mit len abgebaut werden. Über 20 % gehen von einer wach- Haustarifvertrag. Je mehr Beschäftigte in einem Betrieb senden Belegschaft aus (vgl. Tabelle 3). tätig sind, desto häufiger ist ein Flächen- oder Haustarif- vertrag vorhanden (Ellguth & Kohaut 2020: 279ff.). Tabelle 3: Beschäftigungsentwicklung in den nächsten 12 Monaten am Standort Die Daten des Trendmelders der IG Metall (2021a) zeigen für den Textilmaschinenbau, dass in 76,5 % der Betriebe Jahr der Befragung eine Tarifbindung vorliegt. In diesen Betrieben mit Ta- 2018 2019 2020 2021 rifbindung sind die häufigsten vorliegenden Varianten der Haustarifvertrag (38,5 %) und der Flächentarifvertrag N=14 N=15 N=12 N=13 (38,5 %) vor. steigt 42,9% 13,3% 41,7% 23,1% bleibt gleich 42,9% 40,0% 33,3% 53,8% Entwicklung der Beschäftigtenzahlen Die Anzahl der Beschäftigten im Textilmaschinenbau fällt 14,3% 46,7% 16,7% 23,1% verzeichnet seit 2010 einen positiven Trend. Davon aus- weiß nicht – – 8,3% – genommen sind jedoch die Jahre 2016 sowie 2019 (vgl. Abbildung 4). Allerdings ist festzustellen, dass das Quelle: Eigene Darstellung nach IG Metall 2018, 2019, 2020a, 2021a 11
Abbildung 4: Anzahl der Beschäftigten ’’ Quelle: Eigene Darstellung nach Statistisches Bundesamt 2020 Richard Müller Betriebsratsvorsitzender Pfaff Industriesysteme GmbH Hohe Durchsetzungskraft: Haustarifvertrag erfolgreich verhandelt Obwohl wir im Jahr 2019 in einer schlechten Situation waren, haben wir nach langen Verhandlungen einen Haustarifvertrag durchgesetzt. Gestützt wurden wir dabei von die IG Metall und einer starken Beleg- schaft. Unsere Belegschaft wollte, egal wie die Lage ist, wieder an den Tarifvertrag herangeführt werden. Es war bislang so, dass wir immer zu Weihnachten und zur Urlaubszeit gegenüber unserem Arbeitgeber Wolfgang Biffar bitten mussten, um etwas zu bekommen. Als wir vor Stellvertretender Betriebsratsvorsitzender Weihnachten 2018 zu unserem Arbeitgeber gegangen Pfaff Industriesysteme GmbH sind und uns wurde gesagt, dass wir keine 850 Euro Weihnachtsgeld mehr bekommen, sondern nur noch 500 Euro, war das für uns der Zünder, um zu sagen: Jetzt verzichten wir auf gar nichts mehr. Bei uns ist es eine Besonderheit, dass prozentuale Anpassungen nicht immer der richtige Weg waren. Die Annäherung an die Fläche wäre gescheitert, wenn wir prozentuale Steigerungen vorgenommen hätten. Für uns war es wichtig, einen Festbetrag einzufordern, sodass insbe- sondere niedrigere Einkommen davon profitieren konnten. 12
Abbildung 5: Umsatzentwicklung (in Mio. Euro) Quelle: Eigene Darstellung nach Statistisches Bundesamt 2020 Umsatzentwicklung Die Umsatzentwicklung hat im deutschen Textilmaschi- Der zuvor positiv beschriebene Trend der Umsatzent- nenbau in den letzten Jahren einen positiven Verlauf wicklung drückt sich ebenfalls beim Umsatz je Be- genommen und konnte sich von der Finanz- und Wirt- schäftigten aus. So brach dieser 2009 in Folge der Fi- schaftskrise in 2008/2009 relativ schnell erholen. So nanz- und Wirtschaftskrise von rund 172.000 auf rund konnte das Vorkrisenniveau bereits 2011 um rund 600 135.000 Euro pro Beschäftigten ein, erholte sich jedoch Mio. Euro übertroffen werden (vgl. Abbildung 5). Dabei im Folgejahr bereits vollständig und lag mit rund ist vor allem der Auslandsumsatz für die Zunahme ver- 202.000 Euro rund 18 % über dem Wert aus 2008 (vgl. antwortlich: Bereits im Jahr 2010 lag der reine Aus- Abbildung 6). Der positive Trend flachte in den Folgejah- landsumsatz gut 60 Mio. Euro höher als vor der Krise. ren ab und erreichte 2017 seinen Höhepunkt mit Bis 2018 hat sich dieser Wert deutlich auf 4,5 Mrd. Euro 247.674 Euro pro Beschäftigten. Ab 2018 ist jedoch eine erhöht. Die Exportquote stieg seit 2008 von rund 78 % rückläufige Entwicklung festzustellen, die sich insbe- auf rund 83 % an. Der Anstieg erfolgte in den ersten drei sondere im Jahr 2019 durch ein relativ starkes Absinken Jahren nach der Krise, ehe seit 2013 eine Stabilisierung auf 216.573 Euro Umsatz je Beschäftigten ausdrückt. folgte. Für den Inlandsumsatz hingegen ist zwar eine Erholung von der Krise und zuletzt (2017 auf 2018) auch Abbildung 6: Umsatz je Beschäftigten (in Tsd. Euro) eine deutliche Steigerung aus- zumachen, jedoch liegt dieser mit 914 Mio. Euro Umsatz noch hinter den 974 Mio. Euro aus dem Jahr 2008 zurück. Nach- dem Rekordjahr 2018 ist je- doch ein starker Umsatzein- bruch zu verzeichnen, der vor allem auf den Auslandsumsatz zurückzuführen ist: Dieser brach um rund 800 Mio. Euro ein. Der Inlandsumsatz ging in 2019 ebenfalls zurück, aller- dings weniger stark, um 120 Quelle: Eigene Darstellung nach Statistisches Bundesamt 2020 Mio. Euro. 13
Die Umsatzentwicklung in der jüngeren Vergangenheit Folgejahren weniger dynamisch ausgeprägt, sodass der korrespondiert mit der Entwicklung der Mehrarbeit in Maschinenbau nur in den Jahren 2016 und 2019 einen den Betrieben des deutschen Textilmaschinenbaus: höheren Umsatz je Arbeitsstunde aufweisen kann. So wurde von der überwiegenden Anzahl der befragten Betriebsrätinnen und Betriebsräte im Jahr 2018 angege- Anders sieht es jedoch bei der Entwicklung der Entgelte ben, dass es Mehrarbeit in ihrem Betrieb gibt (77 %). der Beschäftigten in der Branche aus. Sie profitieren im Dies deckt sich mit den stark hervorstechenden Zahlen geringeren Maß von der positiven Entwicklung, die im im Hinblick auf u. a. die Umsatzentwicklung. Für die Maschinenbau (insgesamt) anzutreffen ist (vgl. Abbil- Folgejahre ist dagegen ein entgegengesetzter Trend fest- dung 9). So wächst das Entgelt der Beschäftigten im zustellen. Im Jahr 2019 konnte die Mehrarbeit in einigen Maschinenbau von rund 43.600 Euro (2008) auf rd. Betrieben verringert werden, sodass in weniger als der 56.100 Euro (2019) (Zunahme um rund 28,4 %). Wohin Hälfte (43 %) noch Mehrarbeit geleistet wurde. Für 2020 gegen Beschäftigte im Textilmaschinenbau im gleichen ist hingegen wieder ein leichter Anstieg der Mehrarbeit Zeitraum einen Entgeltanstieg von rund 11.300 Euro, von (55 %) zu verzeichnen (vgl. Tabelle 4). Im Gegensatz zu rund 42.000 Euro (2008) auf rund 53.200 Euro (2019), den zuvor herangezogenen Daten wird der Umsatz je verzeichnen können (Zunahme um rund 26,8 %). Damit Arbeitsstunde nur für Unternehmen mit mehr als 50 Be- liegt das Entgeltniveau der Beschäftigten im Textilma- Abbildung 7: Umsatz je Arbeitsstunde (in Euro, nur Unternehmen mit mehr als 50 Beschäftigten) schäftigten vom Statistischen Bundesamt erfasst. Den- Quelle: Eigene Darstellung nach Statistisches Bundesamt 2020 noch wird ersichtlich, dass der Umsatz je Arbeitsstunde einen ähnlichen Trend wie der Umsatz aufweist: Einem Tabelle 4: Mehrarbeit am Standort erheblichen Rückgang im Jahr 2009 (105 Euro pro Ar- beitsstunde) folgt eine schnelle Erholung, die ihren Jahr der Befragung Höchststand im »Rekordjahr« 2018 (172 Euro pro Ar- beitsstunde) erreicht (vgl. Abbildung 7). Für 2019 ist je- 2018 2019 2020 2021 doch ein Sinken um 18 Euro auf 154 Euro Umsatz je Ar- beitsstunde auf das Niveau vor die beiden »Rekordjahre N=13 N=14 N=11 N=16 2017/2018« zu verzeichnen. Ja 76,9% 42,9% 54,5% 43,8% Werden vergleichend dazu die Entwicklungen im Ma- Nein 23,1% 50,0% 45,5% 50,0% schinenbau (insgesamt) hinzugezogen, so zeigen sich insbesondere in den Krisenjahren 2008 und 2009 gerin- Geplant – 7,1% – 6,3% gere Schwankungen beim Umsatz je Arbeitsstunde (vgl. Abbildung 8). Andererseits ist das Wachstum in den Quelle: Eigene Darstellung nach IG Metall 2018, 2019, 2020a, 2021a 14
Abbildung 8: Umsatz je Arbeitsstunde im Vergleich Maschinenbau und Textilmaschinenbau (in Euro) Quelle: Eigene Darstellung nach Statistisches Bundesamt 2020 Abbildung 9: Entgelt je Beschäftigten im Maschinenbau und Textilmaschinenbau (in Euro) Quelle: Eigene Darstellung nach Statistisches Bundesamt 2020 schinenbau – abgesehen von 2012 – unter dem der Be- Lohnstückkosten zum Teil deutlich unter dem Wert von schäftigten im Maschinenbau (insgesamt). 2005 – in der Spitze um rund 20 % darunter. Wird für die zuvor herangezogenen Daten eine Indexbe- Bei einer vergleichenden Betrachtung des Maschinen- trachtung (2005 = 100) vorgenommen, lassen sich die baus (insgesamt) (Index 2005 = 100) kann konstatiert Entwicklungen deutlicher herausarbeiten. So hat sich werden, dass die Entwicklungen sowohl vom Entgelt je das Entgeltniveau seit 2005 kontinuierlich erhöht und Arbeitsstunde, den Lohnstückkosten als auch der Pro- liegt 2019 rund 35 % höher als 2005 (vgl. Abbildung 10). duktivität weitaus weniger starke Schwankungen auf- Mit Ausnahme der Finanz- und Wirtschaftskrise weisen als im Textilmaschinenbau (vgl. Abbildung 11). 2008/2009 hat auch die Produktivität über die Jahre So gibt es in den Jahren um die Finanz- und Wirtschafts- hinweg zugenommen, ehe sie 2019 einen deutlichen krise 2008/2009 bei den Lohnstückkosten und der Pro- Rückgang um 11 % aufweist. Ebenfalls auffällig ist die duktivität die größten Abweichungen gegenüber den Entwicklung der Lohnstückkosten. Mit Ausnahme der ansonsten relativ konstanten und positiven Entwickl- beiden Krisenjahre 2008 und 2009 sowie 2019 lagen die gen. Auffällig ist, dass die Lohnstückkosten je Arbeits- 15
Abbildung 10: Entwicklung Entgelte je Stunde, Lohnstückkosten nominal, Produktivität im Textilmaschinenbau (nur Unternehmen mit mehr als 50 Beschäftigten) Quelle: Eigene Berechnung und Darstellung nach Statistisches Bundesamt 2020 Abbildung 11: Entwicklung Entgelte je Stunde, Lohnstückkosten nominal, Produktivität im Maschinenbau (nur Unternehmen mit mehr als 50 Beschäftigten) Quelle: Eigene Berechnung und Darstellung nach Statistisches Bundesamt 2020 Investitionsausgaben stunde in 2009 einen kleinen Sprung machen und erst Bei den Investitionsausgaben sowie den Ausgaben für im Folgejahr leicht absinken, ehe sie den allgemein po- Forschung und Entwicklung (FuE) zeigt sich im Rahmen sitiven Trends fortsetzen. Dies ist auf Probleme auf den der Trendmelder-Befragung eine starke Verringerung Absatzmärkten zurückzuführen, welche zu einem Um- zwischen dem Jahr 2021 gegenüber 2018. Im Jahr 2018 satzrückgang geführt haben, wohingegen die Be- wurde die Lage bezogen auf Investitionen sowie FuE als schäftigtenentgelte nicht im selben Tempo gesunken sehr gut bis eher gut von immerhin 46 % der Betriebsrä- sind. Der Maschinenbau kann in der Folge als deutlich tinnen und Betriebsräte eingeschätzt und nur von 16 % weniger volatil als der Textilmaschinenbau angesehen als schlecht bis eher schlecht. 2021 hat sich das Bild werden. beinahe umgekehrt: 25 % bewerten die Situation als sehr gut oder eher gut. 44 % hingegen charakterisieren sie als eher schlecht oder sehr schlecht (vgl. Tabelle 5). 16
Tabelle 5: Situation bei Investitionen und FuE - BR 10, Abs. 5, 103; BR 11, Abs. 7, 13; BR 12, Abs. 27). Die Investitionen Verlagerung der Zielmärkte ist aus Sicht der Betriebsrä- tinnen und Betriebsräte jedoch noch nicht abgeschlos- Jahr der Befragung sen. Seit Jahrzehnten wandert die Industrie in Zyklen in 2018 2019 2020 2021 Länder, welche die niedrigsten Lohnkosten aufweisen. Daraus folgt, dass der Trend, in Richtung China zu verla- N=13 N=14 N=13 N=16 gern, weiter abflacht und stattdessen inzwischen eine sehr/eher gut 46,2% 14,3% 23,1% 25,0% Konzentration auf andere asiatische Länder, wie bei- spielsweise Vietnam oder Bangladesch, stattfindet. Für teils/teils 38,5% 35,7% 30,8% 31,3% die nächsten 20 Jahre wird eine zunehmende Fokussie- sehr/eher schlecht 15,4% 50,0% 46,2% 43,8% rung auf den afrikanischen Kontinent erwartet (vgl. BR Quelle: Eigene Darstellung nach IG Metall 2018, 2019, 2020a, 2021a 02, Abs. 3, 53; BR 04; Abs. 5, 8f.; BR 09, Abs. 3, 5, 14-16; BR 10, Abs. 5; BR 12, Abs. 17-25; BR 15, Abs. 5, 9). Neben Eine zunehmende Verringerung der Ausgaben im Be- den Märkten unterliegen auch die angebotenen Produk- reich der Investitionen bzw. FuE sind kritisch zu werten. te einem Wandel. Dies untermauern die Ergebnisse der Insbesondere vor dem Hintergrund einer sehr hohen Trendmelder-Befragung. So ist die Hälfte der befragten Exportorientierung der Branche und einer Ausrichtung Betriebe ausschließlich im Highend-Segment tätig. Ein der deutschen Standorte im Hightech-Bereich läuft man Großteil ist jedoch diversifiziert aufgestellt: So produzie- Gefahr, der internationalen Konkurrenz und dem Stand- ren 2021 rund 38 % sowohl für den Highend-Bereich als ortwettbewerb zu unterliegen (vgl. Kap. Globalisierung). auch für das Mittelsegment. Nur ein kleiner Anteil (13 %) sind Vollsortimenter, die alle drei Segmente bedienen Internationale Märkte: Import und Export (vgl. Tabelle 6). Anhand der Daten wird eine Orientie- Die Internationalisierung und Globalisierung betrifft die rung hin zum Highend-Bereich ersichtlich, bei zuneh- deutschen Textilmaschinenbauer in hohem Maße. Sie menden Verlagerungstendenzen, die das Einfach- und sind in nationale und internationale Wertschöpfungsket- Mittelsegment in der Vergangenheit betroffen haben, ten eingebunden. Die Fertigung der Maschinen und An- aber auch zunehmend durch Verlagerungsprozesse lagen findet nicht mehr ausschließlich in einem Land durch Investoren begünstigt werden (vgl. BR 01, Abs. 14; statt, sondern Teile und Komponenten werden in mehre- BR 12, Abs. 85). ren Ländern produziert und zusammengefügt (vgl. BR 01, Abs. 97; BR 04, Abs. 106; BR 06, Abs. 52; BR 08, Abs. 31; BR 09, Abs. 26, 32; BR 10, Abs. 21). Besonders deutlich wird dies bei der Betrachtung der Zielmärkte, welche Tabelle 6: Vorrangiges Produktsegment sich in den letzten Jahren ebenfalls – maßgeblich in Richtung Asien – verschoben haben. So bilden die USA Jahr der Befragung und insbesondere Europa einen schrumpfenden Markt. 2018 2019 2020 2021 In Europa stellt die Türkei ein nach wie vor wichtiges N=15 N=16 N=11 N=16 Zielland dar. Allerdings wird dies zunehmend kritischer bewertet. Dabei spielen u. a. die politische Lage und der nur Highend 60,0% 81,3% 45,5% 50,0% Kurs der Lira eine zentrale Rolle für die zunehmend pes- nur Mittelsegment 13,3% – – – simistische Betrachtungsweise. Außerdem stellen politi- sche Maßnahmen immer wieder ein nur wenig kalkulier- nur einfach 6,7% – – – bares Risiko dar, exemplarisch ist auf die wechselhafte Highend+ Situation und damit einhergehenden Sanktionen mit 20,0% 12,5% 45,5% 37,5% Mittelsegment Blick auf den Iran sowie die protektionistischen Maß- Highend+ nahmen der USA und China zu verweisen (vgl. BR 01, – 6,3% 9,1% 12,5% Mittelsegment+einfach Abs. 142; BR 03, Abs. 141; BR 04, Abs. 5, 8f.; BR 05, Abs. 85, 89; BR 06, Abs. 11; BR 07, Abs. 63; BR 09, Abs. 5, 42; Quelle: Eigene Darstellung nach IG Metall 2018, 2019, 2020a, 2021a 17
Abbildung 12: Hauptexportziele 2019 Unterstützt von Bing ©GeoNames, Microsoft, Navinfo, TomTom, Wikipedia Ausfuhr in Tsd. Anteil am Gesamt- Das Hauptexportzielland des Nr. Land Euro volumen deutschen Textilmaschinen- baus stellt im Jahr 2019 mit 1 Volksrepublik China 817.420 21,0% 21 % des Gesamtvolumens (rd. 2 Türkei 328.962 8,4% 817 Mio. Euro) die Volksrepub- 3 USA 319.803 8,2% lik China dar. Mit großem Ab- 4 Indien 197.861 5,1% stand auf Platz zwei und drei 5 Italien 169.583 4,3% folgen die Türkei (rd. 8,4 %) und die USA (rd. 8,2 %). Weit über 6 Tschechische Republik 136.598 3,5% die Hälfte der Exporte (61,8 %) 7 Singapur 122.914 3,2% gingen in 2019 an nur zehn un- 8 Frankreich 113.132 2,9% terschiedliche Länder (vgl. Ab- 9 Vietnam 101.554 2,6% bildung 12). 10 Pakistan 100.661 2,6% Ausfuhrvolumen Top-10 2.408.488 61,8% Gesamtausfuhrvolumen 3.899.255 100,0% Quelle: Eigene Darstellung nach Statistisches Bundesamt 2020 18
Abbildung 13: Hauptexportländer 2019 nach Deutschland Unterstützt von Bing ©GeoNames, Microsoft, Navinfo, TomTom, Wikipedia Ausfuhr in Tsd. Anteil am Gesamt- Mit Blick auf den Import stam- Nr. Land men über 79 % des Gesamt- Euro volumen einfuhrvolumens 2019 aus 1 Tschechische Republik 155.795 16,0% zehn Ländern. Hierbei nehmen 2 Volksrepublik China 130.580 13,4% die tschechische Republik und 3 Italien 95.532 9,8% die Volksrepublik China mit 16 4 Vietnam 84.559 8,7% bzw. 13,4 % die ersten beiden 5 Schweiz 67.882 7,0% Plätze ein (vgl. Abbildung 13). Das Einfuhrvolumen der zehn 6 Polen 61.847 6,3% größten Exportländer liegt ca. 7 Portugal 56.547 5,8% 21 Mio. Euro unter dem In- 8 Indien 52.142 5,3% landsumsatz (791 Mio. Euro) 9 Thailand 38.080 3,9 % des deutschen Textilmaschi- 10 Österreich 27.138 2,8% nenbaus. Damit ist Deutsch- land die mit Abstand wichtigs- Einfuhrvolumen Top-10 770.102 79,0% te Herstellernation für Textil- Gesamteinfuhrvolumen 975.135 100,0% maschinen, die in Deutschland Quelle: Eigene Darstellung nach Statistisches Bundesamt 2020 verkauft werden. 19
Exkurs: Tabelle 8: Betriebliche Regelungen zu Arbeitsformen Die Auswirkungen der Corona-Pandemie aufgrund der Corona-Pandemie (n=16) Der Textilmaschinenbau ist aufgrund seiner internatio- nal ausgerichteten Produktionskette maßgeblich durch Arbeitsform Auswirkungen der Pandemie betroffen. Dies betrifft auf Mobiles Home- Tele- der einen Seite Produktionsprozesse, die sich über meh- Arbeiten Office arbeit rere Länder erstrecken und eine aufwändige und termin- ja, schon vor 37,5% 12,5% 18,8% gerechte Logistik erfordern. Auf der anderen Seite steht der Corona-Krise am Abschluss des Produktionsprozesses die Endmonta- ja, seit der Corona- ge vor Ort beim Kunden und damit verbundene Reise- 50,0% 56,3% 12,5% Krise und Montagetätigkeiten. nein 6,3% 25,0% 56,3% Die Reisebeschränkungen treffen die Branche im dop- pelten Maße, da sowohl die Auftragsbestimmung als geplant 6,3% 6,3% 12,5% auch die Montage ohne persönliche Präsenz kaum bis Quelle: Eigene Darstellung nach IG Metall 2018, 2019, 2020a, 2021a gar nicht möglich sind. Hierdurch ergibt sich für die Be- triebe die Problematik, dass sie einerseits bestehende negativ entwickeln wird. Ein Drittel geht sogar davon Aufträge sowie neue Aufträge nicht oder nur einge- aus, dass sie wieder zunehmen wird. schränkt abschließen können. Standortspezifische Maßnahmen, mit denen auf die Corona-Pandemie reagiert wird, stellen insbesondere Darüber hinaus haben Bestandskunden bereits signali- Home Office-Regelungen für den indirekten Bereich, siert, dass sämtliche Investitionen vorerst zurückgestellt aber auch der Abbau von Arbeitszeitkonten oder Kurzar- werden und der weitere Verlauf der Corona-Pandemie beit dar. Forciert werden, auch unter dem Gesichtspunkt abgewartet wird. Dies setzt den Textilmaschinenbau einer Erhöhung des Home Office-Anteils, die Digitalisie- zusätzlich unter Druck, da einige Kunden in den Investi- rungsprozesse in den Betrieben. Dies äußert sich bspw. tionsrückstellungen das Jahr 2021 einbezogen haben in Einigungen zu Mobilem Arbeiten oder der Implemen- (vgl. BR 01, Abs. 23; BR 08, Abs. 11, 65; BR 09, Abs. 70; tierung neuer Software (vgl. BR 03, Abs. 117; BR 07, Abs. BR 10, Abs. 7; BR 11, Abs. 81-91, 217; BR 15, Abs. 13, 15). 7). So ist inzwischen in fast 94 % der befragten Betriebe Allerdings wird für 2022 eine positive Entwicklung der Mobiles Arbeiten geregelt oder zumindest geplant. Auftragseingänge erwartet (vgl. Tabelle 7). So gehen In etwa 75 % der Betriebe sind Regelungen zum Home rund 86 % der Betriebsrätinnen und Betriebsräte davon Office vereinbart bzw. geplant. Lediglich im Bereich der aus, dass sich die Anzahl der Auftragseingänge nicht Telearbeit gibt es in mehr als der Hälfte der Betriebe keine Regelung und es ist auch keine Einführung einer Tabelle 7: Entwicklung der Auftragseingänge in den Regelung geplant (vgl. Tabelle 8). nächsten 12 Monaten Tabelle 9: Entwicklung der Auszubildendenzahlen in Jahr der Befragung den nächsten 12 Monaten 2018 2019 2020 2021 N=14 N=15 N=13 N=15 Jahr der Befragung steigt 50,0% 28,7% 23,1% 33,3% 2018 2019 2020 2021 N=14 N=15 N=12 N=13 gleichbleibend 28,6% 33,3% 23,1% 53,3% steigt 28,6% 13,3% 16,7% 15,4% sinkt 14,3% – 23,1% – bleibt gleich 57,1% 46,7% 66,7% 53,8% weiß nicht 7,1% 40% 30,8% 13,3% fällt 14,3% 40,0% 16,7% 30,8% Quelle: Eigene Darstellung nach IG Metall 2021a Quelle: Eigene Darstellung nach IG Metall 2018, 2019, 2020a, 2021a 20
Abbildung 14: Stabilität der Lieferketten Corona-Pandemie). Abbildung 14 verdeutlicht die vorgelagerten Aus- führungen. Durch die unterschied- lichen Erhebungszeitpunkte wird die Fragilität der Lieferketten im Rahmen der Corona-Pandemie deutlich. Sowohl der Maschinen- bau im Allgemeinen als auch der Textilmaschinenbau sehen sich insbesondere zum Beginn der Corona-Pandemie mit gefährdeten (rd. 38 % bzw. 42 % im April 2020) bzw. gestörten (rd. 26 % bzw. rd. 35 % im April 2020) Lieferketten konfrontiert. Im Zeitverlauf ist je- Quelle: Eigene Darstellung auf Grundlage IG Metall 2020b, c, d, 2021b doch eine zunehmende Stabilisie- Entlassungen stellen ein eher nachrangiges Mittel zur rung der Lieferketten (im letzten Erhebungszeitpunkt Begegnung der Corona-Pandemie dar, allerdings wird in Februar 2021 76 % bzw. rd. 53 %) festzustellen. Auffällig vielen Betrieben darüber diskutiert, dass Personalan- ist dabei, dass der Textilmaschinenbau nach wie vor passungen notwendig werden könnten, sollte sich die stärker von gefährdeten (rd. 32 % im Februar 2021) bzw. Situation in naher Zukunft nicht verbessern (vgl. BR 06, gestörten (rd. 16 % im Februar 2021) Lieferketten be- Abs. 13; BR 08, Abs. 9; BR 09, Abs. 70; BR 10, Abs. 7; BR troffen ist. Zur Abfederung der Corona-Folgen wird in 11, Abs. 217; BR 12, Abs. 103-105; BR 15, Abs. 13). Die Per- vermehrtem Maß auf das arbeitsmarktpolitische Instru- spektive für die Auszubildenden ist besonders negativ ment der Kurzarbeit zurückgegriffen, um so bspw. Ent- zu bewerten. Seit 2019 wird die Anzahl der Auszubilden- lassungen entgegen zu wirken. Es ist festzustellen, dass den deutlich reduziert, obwohl angesichts der demogra- von dem Instrument der Kurzarbeit im Textilmaschinen- phischen Lage eher eine Erhöhung der Ausbildungsplät- bau mehr Gebrauch gemacht wird als im Maschinenbau. ze sinnvoll wäre. Auch für 2022 gehen 31 % der befrag- Mit dem Beginn des Jahres 2021 ist eine Entspannung ten Betriebsrätinnen und Betriebsräte davon aus, der Situation zu erkennen, so hat sich der Anteil der Be- schwierigen Situation im Rahmen der Corona-Pandemie triebe ohne Kurzarbeit von rund 13 % im Oktober auf (vgl. Kap. Demographischer Wandel und Fachkräftesi- 44 % im Februar erhöht (vgl. Abbildung 15). cherung). Abbildung 15: Situation bei Kurzarbeit Des Weiteren steigen durch das zunehmende Maß an Internatio- nalisierung die logistischen Her- ausforderungen für die Branche, welche u. a. im Rahmen der Corona-Pandemie verstärkt zu Tage getreten sind und zum Teil signifikante Auswirkungen ge- habt haben (vgl. BR 01, Abs. 101f.; BR 04, Abs. 104; BR 05, Abs. 21, 57; BR 07, Abs. 47; BR 09, Abs. 26, 28, 66; BR 10, Abs. 5,21; BR 11, Abs. 195 und Kap. Exkurs: Die Auswirkungen der Quelle: Eigene Darstellung nach IG Metall 2020b, c, d, 2021b 21
Tabelle 10: Kurzarbeit am Standort Wird ein längerer Zeitraum in den Blick genommen und Jahr der Befragung die zuvor bereits thematisierten Entwicklungen (vgl. da- 2018 2019 2020 2021 zu die vorgelagerten Kapitel) berücksichtigt, wird deut- N=10 N=14 N=12 N=16 lich, dass das Instrument Kurzarbeit nicht erst durch Ja – 21,4% 50,0% 56,3% Corona zum Einsatz kam, sondern bereits davor ein Nein 100,0% 71,4% 50,0% 43,8% wichtiges Instrument in der Branche darstellte. Bereits Geplant – 7,1% – – im Jahr 2019 kam es in 21 % der Betriebe zur Anwendung (vgl. Tabelle 10). Für 2018 hingegen gab es bei keinem Quelle: Eigene Darstellung nach IG Metall 2021a der befragten Betriebe Kurzarbeit am Standort. Tabelle 11: Re- und Umstrukturierungen Mögliche Re- und Umstrukturierungen waren bereits 2020 ein Thema im Textilmaschinenbau. So wurden bei Jahr der Befragung rund 38,5 % der Betriebe entsprechende Maßnahmen 2020 2021 durchgeführt oder angekündigt. Im Hinblick auf 2021 hat sich der Anteil der Betriebe mit Re- und Umstrukturierun- N=13 N=16 gen erhöht, so geben rund die Hälfte der Betriebsrätin- Keine Re- und Umstrukturierungen 61,5% 37,5% nen und Betriebsräte an, dass entsprechende Maßnah- Bereits durchgeführt 15,4% 6,3% men bereits durchgeführt wurden bzw. derzeit durchge- führt werden oder aber angekündigt wurden (vgl. Tabelle Laufen bereits 0,0% 12,5% 11). Sind geplant/angekündigt 23,1% 31,3% Keine Angabe 7,7% 18,8% Quelle: Eigene Darstellung nach IG Metall 2021a 22
TRENDS UND HERAUSFORDERUNGEN In den nachfolgenden Teilkapiteln werden vier Schwer- chen Rahmenbedingungen statt. Zum anderen ist zu punktthemen bearbeitet, die einen zentralen Stellenwert beobachten, dass deutsche Produktionsstätten, die sich für die Arbeit der Betriebsräte des Textilmaschinenbaus auf das Highend-Segment spezialisieren, diesen Verla- einnehmen. gerungsprozessen nicht folgen. Globalisierung Die Verlagerung der Produktionsstätten findet von Dieses Kapitel beschäftigt sich mit der Veränderung der Deutschland, Europa und den USA insbesondere in asia- Produktionsstandorte, um daran anknüpfend auf die tische, afrikanische und südamerikanische Länder statt. Einbettung in Wertschöpfungsketten einzugehen. Darauf Dabei erfolgt die Verlagerung entsprechend der Ziel- aufbauend wird das Servicegeschäft vertiefend betrach- märkte der nähenden Industrie und damit vordergründig tet, um mit den Chancen und Risiken, die durch die Glo- der Modeindustrie sowie der Automobilindustrie als balisierung entstehen, zu schließen. zentrale Abnehmer des Textilmaschinenbaus (vgl. BR 02, Abs. 43; BR 07, Abs. 59; BR 08, Abs. 63; BR 11, Abs. Produktionsstandorte und 13; BR 12, Abs. 27; BR 14, Abs. 9). Diese haben ihre Pro- Wertschöpfungsketten duktionsstandorte über die vergangenen Jahre in Länder Bei der räumlichen Verortung des Textilmaschinenbaus mit zunehmend geringeren Lohnkosten verlagert (vgl. BR lassen sich zwei zentrale Entwicklungen aufzeigen. Zum 01, Abs. 10, 14; BR 04, Abs. 5, 8; BR 05, Abs. 33, 85; BR einen findet eine Verlagerung von Produktionsstätten 08, Abs. 63; BR 09, Abs. 3; BR 12, Abs. 1, 17, 19; BR 14, aufgrund einer Verschiebung von Zielmärkten, niedrigen Abs. 5,9). Lohnkosten sowie politischen und gesamtwirtschaftli- 23
’’ Mehr Unterstützung durch den Gesetzgeber nötig: Europäische Betriebsräte Europäische Betriebsräte sollten von der Politik viel Der größte Erfolg ist nach meiner Meinung, dass bei uns ein Zusammengehörigkeitsgefühl auf europäi- scher Ebene entstanden ist. Wir kennen uns und wir vertrauen uns. Es wäre wichtig, dass der Gesetzgeber uns mehr unterstützt. Wir brauchen einen Gerichts- stand mit einem Recht für alle und keine Wahl des stärker geschützt und gefördert werden. Wir haben einen kleinen Betriebsrat auf der europäischen Ebe- rechtlichen Sitzes, je nachdem in welchem Land das ne. Gestartet sind wir 1999 mit 13 Leuten aus 8 Län- Recht der Betriebsräte am schlechtesten ist. Dann dern, aber durch eine Aufspaltung des Konzerns sind wären wir ein Stück mehr auf Augenhöhe. wir jetzt nur noch insgesamt 4 Kollegen aus den Län- dern Schweiz, der Tschechischen Republik, den Nie- Gerhard Hyna derlanden und Deutschland. Wir sehen uns regelmä- Betriebsratsvorsitzender ßig, treffen uns und tauschen uns aus, was sehr wert- Rieter Ingolstadt GmbH voll ist. Du weißt, du bist nicht allein. Es bringt uns weiter, wenn wir unser Wissen zusammentragen. So haben wir die Möglichkeit, besser zu verstehen, wel- che Strategien der Arbeitgeber verfolgt, da er diese nie wirklich offenlegt. Manchmal ist es auch so, dass wir kein Mittel dagegen haben, aber durch den ge- meinsamen Austausch sind wir darauf vorbereitet und können unsere Kolleginnen und Kollegen ent- sprechend informieren. Einen weiteren Faktor für die Standortentscheidungen Gleichzeitig sind trotz der Verlagerungsprozesse weiter- stellen politische Rahmenbedingungen sowie die ge- hin diverse Produktionsstätten und -kapazitäten in samtwirtschaftliche Situation dar. Zu nennen sind Sub- Deutschland vorhanden, bei denen eine Spezialisierung ventionen im Rahmen von Förderpolitiken, wie sie bei- auf das Highend-Segment zu beobachten ist (vgl. BR 01, spielsweise in China oder in der Türkei (u. a. Förderung Abs. 14; BR 12, Abs. 85). In den letzten Jahren haben je- der Baumwollproduktion und -verarbeitung) betrieben doch auch an dieser Stelle Veränderungen und Verlage- werden. Aber auch protektionistische Maßnahmen wie rungen stattgefunden und insbesondere der chinesische Handelsabkommen, Einfuhrbestimmungen und Zölle Markt holt im Highend-Segment auf. In weiten Teilen nehmen Einfluss auf die Standortwahl (vgl. BR 01, Abs. bezieht sich dies jedoch auf die reine Fertigungsleis- 142; BR 06, Abs. 72; BR 10, Abs. 103). So ist die USA bei- tung, die Entwicklung der Maschinen und Anlagen ver- spielsweise aufgrund von Zollbestimmungen zu einem bleibt nach wie vor in Deutschland (vgl. BR 01, Abs. 10; schwierigeren Absatzmarkt geworden (vgl. BR 01, Abs. BR 04, Abs. 114; BR 05, Abs. 10; BR 09, Abs. 3, 14-16; BR 10; BR 11, Abs. 13; BR 14, Abs. 23). Ein Beispiel für den 10, Abs. 3, 13). Eng verknüpft mit dem Highend-Segment Einfluss der gesamtwirtschaftlichen Situation stellt die ist das an Bedeutung gewinnende Servicegeschäft, da Türkei dar, in der Währungsabwertung und Krisen in Sy- die Endkunden bei diesen Anlagen und Maschinen ein rien zu einer Schwächung des Absatzmarktes geführt gewisses Maß an Service beim Kauf erwarten (vgl. BR haben (vgl. BR 12, Abs. 21). 02, Abs. 67). 24
Der Textilmaschinenbau ist im Zuge der zunehmenden Obgleich die Bedeutung des Servicegeschäfts so zentral Internationalisierung und Globalisierung immer stärker ist, stellt es die Betriebe jedoch vor zunehmende Her- in internationale Wertschöpfungsketten eingebunden ausforderungen. Insbesondere im Bereich der Fach- (vgl. BR 02, Abs. 61; BR 07, Abs. 61). Die Fertigung der kräftegewinnung und -bindung gestaltet sich diese auf- Maschinen und Anlagen findet nicht mehr ausschließ- grund einer abnehmenden Reisebereitschaft, verbunden lich in einem Land statt, sondern Teile und Komponen- mit langen Aufenthalten im Zielland sowie einer ten werden in mehreren Ländern produziert (vgl. BR 01, »regionalen Unattraktivität« als immer schwieriger (vgl. Abs. 97; BR 04, Abs. 106; BR 06, Abs. 52; BR 08, Abs. 31; Kap. Digitalisierung und Automatisierung sowie BR 04, BR 09, Abs. 26, 32; BR 10, Abs. 21). Dabei führt die zu- 140; BR 06, 76; BR 08, 89). Als eine Reaktion darauf fin- nehmende Fragmentierung und damit einhergehende det eine Verlagerung von Serviceniederlassungen mit Globalisierung der Wertschöpfungsketten dazu, dass Personal vor Ort statt. Wurde früher das Servicepersonal die Abhängigkeit von internationalen Zulieferern zu- in Deutschland vorgehalten, so wird heute versucht, nimmt (vgl. BR 01, Abs. 101f.; BR 03, Abs. 75; BR 04, Abs. direkt vor Ort Serviceniederlassungen aufzubauen, um 104; BR 06, Abs. 52, 54; BR 08, Abs. 39; BR 09, Abs. 26). so Wege zu verkürzen und Kosten zu reduzieren (vgl. BR 09, Abs. 50-56). Gerade in der Corona-Pandemie mit Servicegeschäft Reisebeschränkungen erweist sich diese Strategie der Vor dem Hintergrund der Globalisierung nimmt das Ser- Regionalisierung als vorteilhaft (vgl. BR 01, Abs. 146; BR vicegeschäft im Textilmaschinenbau eine herausragen- 02, Abs. 71; BR 04, Abs. 140; BR 06, Abs. 76; BR 08, Abs. de Stellung ein, was sich insbesondere aus dem hohen 79-89; BR 09, Abs. 50-56; BR 12, Abs. 189-195). Exportanteil ableiten lässt und Abnehmermärkten Rech- nung trägt (vgl. Kap. Internationale Märkte: Import und Gleichzeitig ermöglicht die Digitalisierung (vgl. Kap. Di- Export). Es stellt überwiegend einen wachsenden, um- gitalisierung und Automatisierung) des Servicegeschäfts satzgenerierenden und damit wichtigen Geschäftsbe- einen zunehmend ortsunabhängigen Service. Durch die reich dar (vgl. BR 12, Abs. 189, 195). Für rund 93 % der Ausstattung der Maschinen mit diversen Sensoren und befragten Betriebsrätinnen und Betriebsräte ist der Ser- der Vernetzung über das Internet können viele Fehler vice überwiegend ein wichtiges Geschäftsfeld. An dieser digital und ortsunabhängig ausgelesen und behoben Stelle ist eine kontinuierliche Zunahme über den Befra- oder mittels direkter Anweisungen für kleinere Reparatu- gungszeitraum zu beobachten, so lag die Zustimmung ren durch das Servicepersonal an den Kunden übermit- für die Bedeutung des Servicegeschäfts in 2018 noch bei telt werden (vgl. BR 14, Abs. 31, 123). Vor-Ort-Einsätze rund 65 % (vgl. Tabelle 12). werden dadurch nur erforderlich, wenn es Fachkräfte beziehungsweise Spezialisten bedarf, wie beispielswei- Tabelle 12: se im Falle von Nachrüstungen, Montagefehlern oder Der Service ist ein wichtiger Geschäftsbereich Maschinenupgrades (vgl. BR 14, Abs. 29). Servicemitar- beitende vor Ort bleiben jedoch weiterhin wichtig, da Jahr der Befragung nicht alle Fehler per Fernwartung behebbar sind (Vgl. BR 2018 2019 2020 2021 12, Abs. 189-195). Vor dem Hintergrund der Schwierigkei- ten der Fachkräftegewinnung und -bindung, insbesonde- N=14 N=15 N=12 N=14 re in Hinblick auf eine abnehmende Reisebereitschaft, trifft (überwiegend) stellt die Digitalisierung für das Servicegeschäft eine 64,3% 73,3% 91,7% 93,3% zu Chance dar, durch ortsunabhängigen Service das benö- tigte Personal für einen weiteren Ausbau des Geschäfts- teils/teils 7,1% 26,7% 8,3% 6,7% bereichs besser gewinnen und binden zu können. trifft (überwiegend) 28,6% – – – nicht zu Quelle: Eigene Darstellung nach IG Metall 2018, 2019, 2020a, 2021a 25
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