Ausbildung in Migrantenunternehmen in Baden-Württemberg - Dialog und Vernetzung von Projektträgern und Forschung

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Ausbildung in Migrantenunternehmen in Baden-Württemberg - Dialog und Vernetzung von Projektträgern und Forschung
Ausbildung in Migrantenunternehmen
in Baden-Württemberg
Dialog und Vernetzung von Projektträgern und Forschung
Ausbildung in Migrantenunternehmen in Baden-Württemberg - Dialog und Vernetzung von Projektträgern und Forschung
Ausbildung in Migrantenunternehmen in Baden-Württemberg - Dialog und Vernetzung von Projektträgern und Forschung
Dokumentation

Ausbildung in Migrantenunternehmen
in Baden-Württemberg
Dialog und Vernetzung von Projektträgern und Forschung
Ausbildung in Migrantenunternehmen in Baden-Württemberg - Dialog und Vernetzung von Projektträgern und Forschung
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Ausbildung in Migrantenunternehmen in Baden-Württemberg - Dialog und Vernetzung von Projektträgern und Forschung
Inhaltsverzeichnis

Grußwort ......................................................................................................... 5

Einführung ....................................................................................................... 6

Akquise: Auf die Wertschätzung kommt es an................................................. 14

Besetzung der Ausbildungsplätze: Wie gelingt erfolgreiches Matching?........... 24

Ausbildungsbegleitung: Gemeinsam den Weg der Ausbildung gehen.............. 30
                                                                                                                       3
Qualifizierung: Ausbildungsqualität durch Ausbilderkurse................................ 38

Die Projekte des Arbeitskreises stellen sich vor.................................................. 42

Die beteiligten Institutionen............................................................................. 47

Impressum....................................................................................................... 48
Ausbildung in Migrantenunternehmen in Baden-Württemberg - Dialog und Vernetzung von Projektträgern und Forschung
4
Ausbildung in Migrantenunternehmen in Baden-Württemberg - Dialog und Vernetzung von Projektträgern und Forschung
Grußwort
  des Ministerialdirektors des Wirtschaftsministeriums des Landes Baden-Württemberg

  Dr. Hans Freudenberg

  Baden-Württemberg hat mit einem Anteil von 25 % an der             Migrant/innen keine abgeschlossene Berufsausbildung (gegen-
Gesamtbevölkerung den höchsten Migrantenanteil aller Flä-            über 11 % der Nicht-Migrant/innen). Da Migrantenunterneh-
chenländer. Migrantinnen und Migranten spielen aber nicht            men für viele jugendliche Migrantinnen und Mi­gran­ten oft
mehr nur als Beschäftigte oder Verbraucher eine wichtige Rolle,      eine besondere Chance zum Einstieg in den Ausbildungsmarkt
sondern zunehmend auch als Existenzgründer, Arbeitgeber und          darstellen, ist die Steigerung der Ausbildungsaktivitäten dieser
ausbildende Unternehmer/innen.                                       Betriebe von besonderer Bedeutung.

   Obwohl über die Hälfte der rund 80.000 in Baden-Württem-             In der Vergangenheit gab es zahlreiche Ansätze zur För-
berg von Migranten oder Migrantinnen geführten Unterneh-             derung und Begleitung der Ausbildungsbereitschaft solcher
men ausbildungsberechtigt sind, bilden bislang nur weniger als       Betriebe. Allerdings fehlte es bislang an einer systematischen
ein Fünftel von ihnen tatsächlich aus. Hier gilt es, die Unterneh-   Zusammenführung der praktischen Erfahrungen und theoreti-
men zur aktiven Teilnahme am dualen Ausbildungssystem zu
motivieren und sie in ihren Ausbildungsbemühungen weiter zu
                                                                     schen Ansätze, was einer effektiven Unterstützung ihrer Ausbil-
                                                                     dungsbemühungen im Wege stand.
                                                                                                                                        5
unterstützen.
                                                                        Ich freue mich deshalb sehr, dass mit der vom Wirtschafts-
   Dies gilt vor allem deshalb, weil sich Baden-Württemberg          ministerium unterstützen Dokumentation des ikubiz nun eine
in den kommenden Jahren und Jahrzehnten einem branchen-              solche Gesamtauswertung vorliegt, auf deren Grundlage sinn-
übergreifenden Mangel an Fachkräften gegenüber sieht, den            volle Maßnahmen entwickelt und bestehende Projekte weiter
wir nur mit gemeinsamer Anstrengung bewältigen werden.               optimiert werden können.
Künftig werden wir mehr gut ausgebildete Jugendliche brau-
chen, wenn wir unseren Wohlstand und die Zukunftsfähigkeit             Vielen Dank allen, die sich hierfür engagiert und ihr Know-
unseres Landes nicht aufs Spiel setzen wollen. Das gilt auch für     how eingebracht haben.
diejenigen, die sich bislang schwer tun, einen Ausbildungsplatz
zu bekommen oder davon ausgehen, dass es sich auch ohne
qualifizierte Ausbildung gut leben lässt.                            Dr. Hans Freudenberg

   Hier rücken die Jugendlichen mit Migrationshintergrund in         Ministerialdirektor im
den Blickpunkt, weil sie besonders zahlreich sind und häufig         Wirtschaftsministerium
keine Berufsausbildung haben: Noch immer besitzen 38 % der           des Landes Baden-Württemberg
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EINFÜHRUNG

                                       Rund 80.000 Unternehmer/        Ausgangspunkt der Initiative
                                       innen in Baden-Württemberg
             haben einen Migrationshintergrund. Wirtschaft und          Seit vielen Jahren wird in unterschiedlichen Projektansätzen
             Gesellschaft profitieren hiervon. Die Migrantenunter-   die Ausbildungsbereitschaft von Migrantenunternehmen geför-
             nehmen schaffen Arbeitsplätze, neue Produkte und        dert und begleitet, es mangelt jedoch an einer systematischen
             sind ein Integrationsmotor. Doch das wirtschaftliche    Zusammenführung der Erfahrungen und Erkenntnisse (sowohl
             Potenzial ist noch nicht ausgeschöpft, denn:            aus der Praxis als auch aus der Wissenschaft). Geht dieses
             –– Knapp über die Hälfte der Migrantenunternehmen       anwendungsorientierte Know-how verloren, ist die Nachhaltig-
                sind ausbildungsberechtigt, aber weniger als ein     keit der Arbeit gefährdet, neue Projekte können nicht profitie-
                Fünftel bildet aus. Es besteht ein großer Nachhol-   ren und der öffentlichen Hand und den in Projekten engagier-
                bedarf.                                              ten Unternehmen entsteht ein finanzieller Schaden.
             –– Migrantenbetriebe absorbieren in hohem Maße
                „benachteiligte Jugendliche“. Dies ist enorm wich-      Bei der Durchführung von Projekten tauchen neben unbe-
                tig, denn für Migrant/innen ist die Chance, einen    streitbaren Erfolgen auch Schwierigkeiten und Hindernisse auf,
                Ausbildungsplatz zu bekommen, nur halb so hoch       die wir gemeinsam angesprochen und dabei Kooperations-
                wie für deutsche Jugendliche. Ohne stärkere Betei-   möglichkeiten und Lösungswege gefunden haben.
                ligung von Migrantenunternehmen wird sich diese
   6            Misere vergrößern.
             –– Aber auch wenn Migrantenunternehmen ausbil-
                                                                        Instrumentelle Grundlage für den Arbeitskreis war eine kon-
                                                                     krete Netzwerkbildung aller (bisher) mit der Ausbildung in Mi-
                den, ist die Nachhaltigkeit und die Versorgung mit   grantenunternehmen befassten Projektträger in Baden Würt-
                Fachkräften nicht gesichert, denn bei der Projekt-   temberg und eine wissenschaftliche Begleitung zur Identifizie-
                förderung wurde der Qualität der Ausbildungsleis-    rung und Systematisierung von Stärken und Schwächen.
                tungen und des externen Ausbildungsmanagements
                zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet.
             –– Es gibt derzeit keine Konzepte zur Lösung dieses
                Problems, weil es keine Möglichkeit gab, a) die
                in den Projekten gesammelten Erfahrungen und                            MITGLIEDER DES ARBEITSKREISES
                b) das in der Forschung gewonnene Wissen lan-                            ƒƒ   ikubiz Ausbildungsverbund Mannheim
                desweit den Unternehmen, den Kammern, den                                ƒƒ   ABba plus Stuttgart
                Bildungsträgern und der Politik zur Verfügung zu                         ƒƒ   AIKA – AFB Karlsruhe
                stellen.                                                                 ƒƒ   Bruderhaus Diakonie in Reutlingen
             –– Vor diesem Hintergrund haben verschiedene Pro-                           ƒƒ   HWK Freiburg
                jektträger in Baden-Württemberg, die sich mit der                        ƒƒ   IHK Rhein Neckar
                Ausbildung in Migrantenunternehmen befassen,                             ƒƒ   Institut für Mittelstandsforschung
                einen Arbeitskreis gegründet. Plattform der Arbeit                            der Universität Mannheim (ifm)
                waren Workshops, die zwischen März 2009 bis Juli
                2010 stattgefunden haben.
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EINFÜHRUNG

Schwerpunkte der fünf Workshops                          Querschnittsthemen

1. Erfahrungsaustausch                                   ƒƒ Bedeutung und Nachhaltigkeit von Ausbildung im Kon-
ƒƒ Allgemeiner Austausch über Erfahrungen und               text des demografischen Wandels: Jugendliche mit Mig-
   Rahmenbedingungen                                        rationshintergrund als Fachkräftenachwuchs
ƒƒ Problemaufriss                                        ƒƒ Bedeutung von Migrantenunternehmen bei der Ausbil-
ƒƒ Ziele der Workshops – Vernetzungsmöglichkeiten           dung und Qualifizierung von Fachkräften: Um qualifi-
                                                            zierten Nachwuchs zu erhalten, bedarf es der Begleitung
2. Akquise von Betrieben                                    der ausbildenden Unternehmen.
ƒƒ Strategien der Anwerbung und Erfolg
ƒƒ Notwendige Kompetenzen der Projektträger
   (fachlich, interkulturell etc.)                       Zusätzliche (wissenschaftliche) Fragestellungen
ƒƒ Organisatorische Fragen zur Akquise und
   Rahmenbedingungen                                     ƒƒ Welche Entwicklungen und v.a. strukturelle Veränderun-
                                                            gen sind hinsichtlich der Ausbildungsbereitschaft und
3. Besetzung der Ausbildungsplätze                          -qualität von Migrantenunternehmen derzeit und künf-
ƒƒ Charakteristika und Chancen von (potenziellen)           tig in Baden-Württemberg zu erwarten?
   Auszubildenden
ƒƒ Vor- und Nachteile bestimmter Vorgehensweisen
                                                         ƒƒ Was sind die Besonderheiten der von Migrant/innen
                                                            geführten Unternehmen? Welche Motivlagen, Hemm-
                                                                                                                          7
   in der Besetzung                                         nisse und Unterstützungsmöglichkeiten lassen sich er-
ƒƒ Wie kommen Projektträger an die Bewerber/innen?          kennen?
                                                         ƒƒ Welche herkunfts- und branchenbezogenen Unterschie-
4. Begleitung des Ausbildungsprozesses                      de gibt es und welche Implikationen haben diese für die
ƒƒ Praktikable Formen der Ausbildungsbegleitung             Akquise von Betrieben und Jugendlichen?
ƒƒ Hemmnisse beim externen Ausbildungsmanagement         ƒƒ Was bewirkt unsere Lobby für diese Betriebe?
                                                         ƒƒ Welchen Beitrag erbringt die Ausschöpfung des Aus-
5. Qualifizierung der Ausbilder/innen                       bildungspotenzials von Migrantenbetrieben hinsichtlich
ƒƒ Woher kommen die Kompetenzen?                            der Ausbildungsplatznot für benachteiligte Jugendliche?
ƒƒ Erfahrungen bei der Vermittlung der
   Ausbildungseignung
ƒƒ Schlussfolgerungen aus Ausbilderkursen und -prüfung
   und Fachseminaren
ƒƒ Implikationen der Aussetzung und Wiedereinführung
   der AEVO
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EINFÜHRUNG

             Index der Entwicklung ausländischer und deutscher Selbständiger
             und abhängig Beschäftigter in Baden-Württemberg

                              220

                              200

                              180
             Index 1991=100

                              160
   8                          140

                              120

                              100

                               80
                                 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008
                                       ausländische Selbständige                                    deutsche Selbständige
                                       ausländische abhängig Beschäftigte                           deutsche abhängig Beschäftigte

             Quelle: Statistisches Landesamt (Mikrozensus); Berechnungen ifm Universität Mannheim
EINFÜHRUNG

Ausbildungsbeteiligung nach ethnischer Herkunft
der Betriebsinhaber/innen in Baden-Württemberg

35%

30%
                                                                                                                 27

25%
         21
                                                  20
20%                                                                                              19

15%                14
                                                                  13
                                                                                  16
                                                                                                                                   9
                                  9
10%

 5%

 0%

      türkisch   italie-   griechisch ehem.       polnisch    ost-     Naher/                                deutsch
                 nisch               jugoslawisch          europäisch Mittlerer
                                                                       Osten

                    Quelle: Studie „Triebkräfte ausländischen Unternehmertums in Baden-Württemberg“ ifm Universität Mannheim
ERFAHRUNGSAUSTAUSCH

              „Einzelprojekte ohne greifbare Erkenntnisse
              und ohne Vernetzung verpuffen ins Nichts“
              Verbesserung der Ausbildungsfähigkeit erfordert Zusammenführen von Projekten und Erkenntnissen

              Das erste Treffen von baden-württembergischen Projektträ-          Ein Teil der Förderpolitik der letzten Jahre war darauf gerich-
            gern, die sich mit der Ausbildung in Migrantenunternehmen         tet, die Ausbildungsbeteiligung von Migrantenbetrieben zu er-
            befassen, diente vor allem dazu, die Ausgangslage gemeinsam       höhen und die Ausbildungsreife von jungen Migrant/innen zu
            zu beurteilen, die bislang erfahrenen Probleme zu benennen        verbessern. Dies ist nach wie vor wichtig und richtig, aber der
            und hierfür Lösungsmöglichkeiten zu suchen. In dieser Debatte     Erfolg der bisherigen Maßnahmen ist äußerst begrenzt, denn:
            wurde folgendes festgestellt:
                                                                                 ƒƒ Eine stärkere Ausbildungsbeteiligung von Migranten­
               ƒƒ Die derzeit entspannte Angebots-Nachfrage-Relation                unternehmen kann nur erreicht werden, wenn es ge-
                  am Ausbildungsmarkt verringert in keiner Weise die                lingt, die besonderen Bedingungen, die Projekte kurz-
                  Probleme von Migrantenunternehmen oder gar von Ju-                fristig schaffen, in allgemeine und langfristig wirksame
  10              gendlichen mit Migrationshintergrund. Im Gegenteil: Im
                  Wettbewerb um qualifizierte Kräfte sind die Unterneh-
                                                                                    Rahmenbedingungen zu überführen.
                                                                                 ƒƒ Soweit es gelungen ist, Unternehmer/innen mit Migrati-
                  men von Migrant/innen im Nachteil. Und die jugend-                onshintergrund zur Ausbildung zu bewegen, mangelt es
                  lichen Migrant/innen haben, wie auch neuere Studien               an Unterstützungsformen, welche dieses Engagement
                  zeigen, eine geringere Chance als einheimische Jugend-            auch nachhaltig sichern.
                  liche einen Ausbildungsplatz zu erhalten.                      ƒƒ Wenn Jugendliche in den (zumeist kleinen) Mi­gran­ten­
               ƒƒ Nicht nur die Projektträger, auch Bildungsexperten aus            betrieben einen Ausbildungsplatz finden, sind sie häufig
                  Verwaltung, Wissenschaft und Praxis sind sich einig, dass         mit wesentlich anderen Rahmenbedingungen als an­dern­­
                  der allerorts erkennbare Fachkräftemangel durch eine              orts konfrontiert, weil die Betriebsinhaber/innen wenig
                  Stärkung und bessere Ausschöpfung der Ausbildungs-                Erfahrung im Umgang mit Auszubildenden besitzen.
                  potenziale in einem sehr breiten Spektrum an Unterneh-
                  men angegangen werden muss. Mehr denn je zählen
                  hierzu die Unternehmen von Migrant/innen, da ihre Zahl
                  weit schneller als die von Einheimischen wächst.
               ƒƒ Die Chancen von Jugendlichen am Ausbildungsstellen-
                  markt können nur durch die pointierte Unterstützung
                  von solchen Unternehmen verbessert werden, die dazu
                  prädestiniert sind, auch für die Benachteiligten ein ad-
                  äquates Stellenpotenzial zu bieten. Dies sind vor allem
                  die Migrantenunternehmen.
ERFAHRUNGSAUSTAUSCH

  Warum eine Workshop-Reihe?                                         Als Stärken bzw. Vorteile wurden genannt:

   Ingesamt mangelt es an generalisierbaren Erkenntnissen da-          ƒƒ Projekte, die in ein örtliches Netzwerk zum Thema „Aus-
rüber, welches die spezifischen Hemmnisse in der Ausbildungs-              bildung“ eingebunden sind (etwa in Gestalt kommunaler
bereitschaft von Migrantenbetrieben sind und in welcher Weise              Initiativen) haben einen besseren Zugang zu relevanten
diese Unternehmen bei der Rekrutierung von geeigneten Aus-                 Informationen und Ressourcen. Auch die Einbindung in
bildungsplatzbewerber/innen unterstützt werden können.                     ein lokales ESF-Netzwerk kann unter Umständen Vortei-
    ƒƒ Die isoliert in einzelnen Regionen gewonnenen Pro-                  le bringen.
        jekterfahrungen können nur durch eine Vernetzung und           ƒƒ Langjährige und verlässliche Partner (Arbeitsagenturen,
        vor allem durch eine systematische Auswertung bishe-               Kammern, Schulen) im Wirkungskreis der Institutionen
        riger Erkenntnisse zum Nutzen aller Beteiligten zusam-             erweisen sich als äußerst nützliche Plattform, um erwei-
        mengetragen werden.                                                terte Kooperationen einzugehen. Die Kompetenzen der
    ƒƒ Bislang fehlen hierfür jedoch die Mittel und der organi-            Projektträger sind dann den Institutionen in der Regel
        satorische Rahmen. Dies hat zur Selbsthilfe der Projekt-           bekannt, wodurch Vertrauen aufgebaut werden kann.
        träger geführt.                                                ƒƒ Bei der Akquise von Betrieben oder Jugendlichen sind
   Auf Initiative des Interkulturellen Bildungszentrums (ikubiz)           Kooperationen nicht nur mit den Institutionen sondern
Mannheim und des Instituts für Mittelstandsforschung (ifm) der             auch auf persönlicher Ebene (z.B. mit den Ausbildungs-
Universität Mannheim wurde mit dem Start einer Workshop-                   berater/innen der Kammern) hilfreich.
Reihe ein erster Versuch unternommen, alle (potenziellen) Pro-
jektträger in Baden-Württemberg an einen Tisch zu bekommen
                                                                       ƒƒ Interkulturelle Kompetenz kann Fachkenntnisse zwar
                                                                           nicht ersetzen aber den Wissenstransfer wesentlich
                                                                                                                                       11
und einen Erfahrungsaustausch einzuleiten. In diesem Kontext               verbessern. Eine personifizierte Form der Expertise ent-
sollten zudem Überlegungen angestellt werden, ob und in wel-               wickelt sich in der Institution und im Projekt vor allem
cher Form ein solcher Austausch mittelfristig zu koordinieren              durch langjährige und konstante Mitarbeit und nicht zu-
und zu institutionalisieren ist.                                           letzt auch durch Personal mit Migrationshintergrund.
                                                                       ƒƒ Für Träger, die gleichzeitig mit anderen Zielgruppen ar-
  Welche Erfahrungen wurden bisher                                         beiten, so z.B. in Projekten der Jugendberufshilfe, sind
  in der Projektarbeit gemacht?                                            Formen der internen Zusammenarbeit sinnvoll. Daraus
                                                                           ergibt sich oft ein erleichterter Zugang zu Bewerber/in-
  Die Teilnehmer/innen stellten ihre Projekte zur Förderung der            nen. Zudem können Ausbildungsplätze gezielter besetzt
„Ausbildung in Migrantenunternehmen“ vor, wobei besonders                  werden.
auf die hierbei auftretenden Stärken und Schwächen einge-              ƒƒ Projekte, die sich auch die Qualifizierung der Ausbilder/
gangen wurde. Durch den Austausch konnten viele Gemein-                    innen zum Ziel gesetzt haben, genießen ein stärkeres
samkeiten, aber auch Differenzen bei der Einschätzung der                  Vertrauen.
Rahmenbedingungen und der bisher angewandten Strategien               Zusammenfassend ist zu resümieren, dass im Workshop vor
entdeckt werden.                                                   allem die Netzwerk-, Vertrauens- und Kompetenzentwicklung
                                                                   als besonders erfolgsrelevant eingestuft wurden. Die Identifizie-
                                                                   rung der genannten Stärken bedeutet aber nicht, dass solche
                                                                   bei allen Projekten in erforderlichem Umfang vorhanden sind.
ERFAHRUNGSAUSTAUSCH

              Als Schwächen bzw. Nachteile wurden genannt:                       Welchen Beitrag leistet die Wissenschaft?

               ƒƒ Projekte sind häufig zu kurzfristig bzw. nur mit gerin-         Die praktische Projektarbeit und die empirische Erforschung
                   ger Vorlaufzeit ausgeschrieben. Dies behindert die Ent-     der Perspektiven und Probleme von Migrantenunternehmen
                   wicklung alternativer Konzepte und führt ggf. auch zum      haben bisher nur in geringem Maße den Weg zueinander ge-
                   Ausschluss von Anbietern mit neuen Ideen.                   funden. Soweit dies der Fall war, handelte es sich zumeist um
               ƒƒ Soweit Projekte eine kurze Laufzeit besitzen, kann bei       eine örtliche und eng in den Projektgrenzen verlaufende wis-
                   den teilnehmenden Betrieben und Jugendlichen nicht          senschaftliche Begleitung, die nur bedingt auch vergleichbare
                   die erforderliche Nachhaltigkeit in Bezug auf die Ausbil-   oder generalisierbare Erkenntnisse zugelassen hat. Erforderlich
                   dungsleistungen erzielt werden.                             sind jedoch sowohl überregionale Beobachtungen als auch re-
               ƒƒ Vielen Projekten fehlt das Wissen, welche Erfahrungen        präsentative Daten.
                   bisher in anderen Projekten gemacht wurden und wel-            Vor diesem Hintergrund wurden vom Institut für Mittel-
                   che Konzepte und Maßnahmen zu Erfolg und welche zu          standsforschung der Universität Mannheim (Dr. René Leicht,
                   Misserfolg führen.                                          Joana Tur Castello) einige Untersuchungsergebnisse zur Bedeu-
               ƒƒ Ein solches Erfahrungswissen kann auch in den projekt-       tung von Migrantenbetrieben (bundesweite Befunde) und zu
                   führenden Institutionen kaum in interner Form gewon-        deren Ausbildungsbereitschaft vorgestellt. In Kürze lassen sich
                   nen werden, da die Förderstrukturen es häufig gar nicht     diese wie folgt zusammenfassen:
                   zulassen, dass erfahrene Mitarbeiter/innen weiterbe-           ƒƒ Die Zahl der Unternehmer/innen mit Migrationshin-
  12               schäftigt werden.
               ƒƒ Die Kooperation mit anderen Institutionen erweist sich
                                                                                      tergrund nahm in den letzten Jahren in etwa dreimal
                                                                                      so stark zu wie die der „Deutschen“, was entspre-
                   in bestimmten Fällen nicht nur als Stärke; sondern auch            chende Implikationen für das derzeitige und künftige
                   als Schwäche, sofern die Kooperationspartner auf ihren             Ausbildungspotenzial birgt.
                   „alten Pfaden“ verharren: So hat sich bspw. die Zusam-         ƒƒ Mit Blick auf die relative Stärke der Unternehmer/innen
                   menarbeit mit einer Kammer bei der Akquise von Unter-              mit Migrationshintergrund bildet Baden-Württemberg
                   nehmen mancherorts als nachteilig erwiesen, da dies als            das Schlusslicht im Ländervergleich. Gleiches gilt auch
                   Einmischung in bestehende Strukturen bzw. als Konkur-              für Stuttgart in Bezug auf die deutschen Großstädte.
                   renz empfunden wurde.                                          ƒƒ Seit der Erweiterung der EU verlieren die selbständigen
               ƒƒ Unklar war bis dato, inwieweit sich die Wiedereinfüh-               Migrant/innen aus den klassischen Anwerbeländern
                   rung der AEVO als hinderlich bei der Akquise von Be-               gegenüber denjenigen aus Osteuropa an Bedeutung.
                   trieben erweist.                                                   Absolut stellen diejenigen italienischer und türkischer
               ƒƒ Bei Ausdehnung eines Projektes in ein regionales Um-                Herkunft in Baden-Württemberg zwar noch die größ-
                   feld, in welchem die Institution noch wenig verankert              ten Gruppen, aber über das Qualifizierungsverhalten
                   ist, muss wesentlich mehr Zeit und Aufwand in das Pro-             der zahlenmäßig schnell wachsenden osteuropäischen
                   jekt investiert werden und Erfolgszahlen stellen sich zö-          Unternehmer/innen (v.a. aus Polen) liegen noch weniger
                   gerlicher ein.                                                     Informationen vor.
              Zusammenfassend betrachtet wurde herausgestellt, dass es            ƒƒ Die Ausbildungsbeteiligung von Migranten­unter­nehmen
            den Projekten vor allem an Zeit, Akzeptanz sowie an Informati-            liegt noch ein gutes Stück hinter der von „einheimischen“
            onen und Wissen fehlt, um die geleistete Arbeit zu reflektieren           Betrieben. Doch soweit Migrant/innen ausbilden, dann
            und weiter zu entwickeln.                                                 (je nach ethnischer Herkunft) mit teils gleicher Intensität
ERFAHRUNGSAUSTAUSCH

     (Ausbildungsquote). Über die Nachhaltigkeit ist aller-        ƒƒ In Bezug auf einzelne Unterstützungsmaßnahmen ist
     dings noch wenig bekannt.                                        unter Migrantenbetrieben der Zuspruch in fast allen
ƒƒ   Migrantenunternehmen lassen sich nicht als homoge-               Punkten höher als in von „deutschen“ Inhaber/innen ge­
     nes Gebilde fassen. Das Ausbildungsverhalten variiert            führten Betrieben.
     mit der ethnischer Herkunft der Inhaber/innen, da die         ƒƒ Soweit Migrantenbetriebe ausbilden, ist ihr Bedarf an ex­
     Bildungsressourcen auch ganz unterschiedlich sind.               ternem Ausbildungsmanagement (v.a. Beratung, Nach­
ƒƒ   Aufgrund verschiedener Erfahrungswelten haben be-                hilfe, Mediation, sozialpädagogische Betreuung) weit hö-
     stimmte Hemmnisse für die ausbildenden und die nicht-            her als bei „Deutschen“.
     ausbildenden Betriebe teils ganz unterschiedliche Be-
     deutung, was entsprechende Folgen für die Akquisestra-        Bei allem ist hervorzukehren, dass die aufgelisteten wis-
     tegien hat. Für bereits ausbildende Migrantenbetriebe      senschaftlichen Befunde (Auswahl) zunächst nur einen Trend
     haben betriebsinterne Bedingungen weniger Bremskraft       auf Bundes- und Landesebene widerspiegeln. Einige erste Un-
     als für nicht ausbildende, während umgekehrt die Aus-      tersuchungsergebnisse auf lokaler Ebene, darunter vor allem
     bildungsaktiven stärker mit der Überwindung extern er-     aus Mannheim, lassen jedoch erkennen, dass das Bild starken
     zeugter Probleme (z.B. institutionelle Hürden) kämpfen.    regionalen Schwankungen unterliegt, nicht zuletzt, weil die
ƒƒ   Migrantenbetriebe beklagen stärker als die „deutschen“     nationale Herkunft der Unternehmensinhaber/innen, aber vor
     Betriebe rechtliche, bürokratische und wirtschaftliche     allem auch die gelebte Ausbildungskultur in den Regionen dif-
     Hürden im Umgang mit dem Dualen System.                    ferieren. Wünschenswert sind daher weitere Untersuchungen
ƒƒ   Im Ausbildungsmotiv „Fachkräftebedarf“ unterscheiden
     sich Unternehmer/innen mit und ohne Migrationshinter-
                                                                in bestimmten Städten und Gemeinden.
                                                                                                                                    13
     grund kaum, v.a. wenn der Brancheneffekt kontrolliert        Welches sind die wichtigsten Problemfelder?
     wird.
ƒƒ   Ausbildende Migrantenbetriebe suchen in der Regel             Es wurde ein Meinungsbild zu den wichtigsten Problemfel-
     ihre Auszubildenden weit seltener über formelle (z.B.      dern im Ausbildungsprozess erstellt. Hier wurden vier Felder als
     Arbeitsagentur) und häufiger über informelle Wege          besonders wichtig identifiziert. Diese Probleme betreffen (1) die
     (Ausnahme: italienischstämmige Unternehmer/innen).         Akquise von Betrieben, (2) die Besetzung der Ausbildungsplätze,
     Vor allem türkischstämmige Ausbilder/innen gehen den       (3) die Begleitung im Ausbildungsprozess, (4) die Qualifizierung
     Weg über Bekannte und das engere Umfeld.                   der Ausbilder/innen und als Querschnittsthema die Kooperati-
ƒƒ   Migrant/innen bilden zu einem weit höheren Anteil          on mit den Institutionen. Diese Themen wurden in den darauf
     sogenannte „benachteiligte“ Jugendliche aus. Haupt-        folgenden Workshops behandelt.
     schüler/innen und natürlich solche mit Migrationshinter-
     grund haben dort eine fast doppelt so große Chance
     einen Ausbildungsplatz zu bekommen. Das heißt, die
     Akquise von Migrantenbetrieben bringt für die Nachfra-
     geseite und die einschlägigen Förderinstitutionen einen
     höheren „Ertrag“.
AKQUISE

            Auf die Wertschätzung kommt es an
            Ausbildungsbereitschaft und Akquise von Migrantenbetrieben

            Welche Faktoren hemmen oder begünstigen                           siteur/innen besitzen müssen, um Migran­ten­­­betriebe zur Teil-
            die Anwerbung von Betrieben?                                      nahme am Dualen Berufsbildungssystem zu motivieren. Dies
                                                                              ist auch eine Frage der Perspektive: Verschiedene Befragungen
             Für alle Projekte, die sich mit der Ausbildung in Migranten­     des ifm Mannheim ermitteln diese Anforderungen aus der Sicht
          unternehmen befassen, gehört es (vereinfacht formuliert) zu         der Migrantenbetriebe. Eine andere Sicht ergibt sich aus den
          ihrem „Kerngeschäft“, die Betriebsinhaber/innen von den Vor­        subjektiven Erfahrungen der Projekte im Umgang mit den Be-
          teilen einer Ausbildungsbeteiligung zu überzeugen und den           trieben.
          Bedenken sachlich zu begegnen. Die Einflussfaktoren und Ak-
          quisestrategien sind nicht nur für die Ausbildungsmarktpolitik,       Wie wichtig ist ein Migrationshintergrund?
          sondern auch für die Projektträger von zentraler Bedeutung.
          Ohne eine ausreichende Zahl an ausbildungsbereiten Unter-              Es wurde die Frage diskutiert, ob es förderlich ist, wenn Ak-
          nehmen sind Projekte, vor allem wenn sie erprobenden Cha-           quisiteur/innen selbst einen Migrationshintergrund besitzen.
  14      rakter haben, von Beginn an zum Scheitern verurteilt.
             Der Erfolg von Anwerbungsstrategien wird aus zwei grund-
                                                                              Als Vorteil erscheint, dass sich Unternehmer/innen eher verstan-
                                                                              den fühlen, da sie bei ihrem Gegenüber ähnliche Erfahrungen
          sätzlich unterschiedlichen Richtungen beeinflusst: Zum einen        voraussetzen. Dabei steht nach Einschätzung der Arbeitskreis-
          müssen die Projektträger bzw. werbenden Institutionen be-           mitglieder weniger die jeweilige Herkunftssprache im Vorder-
          stimmte Fähigkeiten und Eigenschaften besitzen. Zum anderen         grund, sondern ein sensibles Auftreten, bei welchem sich die
          steht deren Anwerbungs- und Problemlösungskompetenz in              Betriebsinhaber/innen „akzeptiert“ fühlen und auf ihre Belange
          engem Zusammenhang mit dem Wissen um die Hemmnisse                  eingegangen wird. Hinzu kommt, dass Akquisiteur/innen mit
          und Bedarfe der umworbenen Migrantenbetriebe.                       migrantischem Hintergrund für die Akquise zusätzlich eigene
             Entsprechend befasste sich der Workshop (erstens) mit den        soziale Netzwerke nutzen können, um Zugang zu Betrieben zu
          persönlichen Anforderungen, die an die Akquisiteur/innen zu         erhalten. Einige waren der Meinung, dass der Einsatz der jewei-
          richten sind sowie (zweitens) mit den Bedingungen, welche           ligen Muttersprache zwar für die erste Generation der „Gast­
          die Projektträger organisatorisch zu bewältigen haben. Und          arbeiter“ wichtig sei, ansonsten jedoch eher zweitrangig.
          schließlich stand (drittens) der Blickwinkel der Betriebe im Vor-      Es gibt keine wissenschaftliche Untersuchung, welche die
          dergrund, die sich nur unter bestimmten Bedingungen an der          Hypothese belegt, dass Ausbildungsplatzwerber/innen mit Mi-
          Ausbildung beteiligen.                                              grationshintergrund die besseren „Türöffner“ sind. Allerdings
                                                                              wurde in einer Studie des ifm zum Beratungsbedarf von Un-
            Welche Anforderungen müssen die                                   ternehmer/innen mit Migrationshintergrund festgestellt, dass
            Akquisiteurinnen und Akquisiteure erfüllen?                       sich diesbezüglich die Bedarfe je nach ethnischer Herkunft
                                                                              unterscheiden. So wünschen sich beispielsweise türkischstäm-
            Es gibt bislang kaum systematisch gesammelte Erkenntnisse,        mige Unternehmer/innen viel eher Berater/innen (und daher
          welche persönlichen Eigenschaften und Fähigkeiten die Akqui-        vielleicht auch Akquisiteur/innen) aus der eigenen Ethnie, wäh-
AKQUISE

rend andererseits russischstämmige Unternehmer/innen nicht          nen Ausbildungsordnungen einarbeiten, um die Inhaber/innen
unbedingt von co-ethnischen Personen beraten (oder besucht)         kompetent beraten zu können. In diesem Zusammenhang
werden möchten, da sie hierin teilweise eine Stigmatisierung        wurde auch darauf hingewiesen, dass in einigen Projekten die
sehen.                                                              Akquisiteur/innen bei der Ausbildungsberatung der Kammern
                                                                    angesiedelt sind.
  „Interkulturelle Kompetenz“ – nur ein Schlagwort?                     Neben der fachlichen Qualifikation spielen nach Ansicht der
                                                                    Diskutanten auch soziale Kompetenzen bzw. Soft Skills eine
    Die Forderung nach „interkultureller Kompetenz“ wurde           zentrale Rolle. Wichtig sei bspw. ein hohes Maß an Kommuni-
auf breiter Front in den Grundwortschatz der Projekt- und Be-       kationsfähigkeit und die Fähigkeit, über die ausgewiesene Qua-
ratungsszene aufgenommen und als wichtig im Umgang mit              lifikation eine Vertrauensbasis zu den Betriebsinhaber/innen zu
Migrant/innen erachtet, obwohl oftmals nicht klar wird, was         schaffen.
hierunter zu verstehen ist. Interkulturelle Kompetenz beinhal-          Offenbar entwickelt jede Werberin und jeder Werber ein ei-
tet, unterschiedliche kulturelle Orientierungen und Lebenswei-      genes Konzept des Auftretens bei den Betrieben. Generell sind
sen von Individuen und Gruppen anzuerkennen und ihnen Gel-          immer mehrere Besuche notwendig, die gut vorbereitet sein
tung zu verschaffen sowie die Fähigkeit, mit kultureller Vielfalt   sollen. Haben sich die Kontakte zwischen den Unternehmer/
und den damit verbundenen unterschiedlichen Bedürfnissen            innen und den Werber/innen stabilisiert, äußern die Unterneh-
und Interessenlagen kompetent umzugehen.                            mer/innen oft noch Beratungsbedarf außerhalb des Themas
    Neben solchen Aktivposten kommt es nach Ansicht der             Ausbildung. Gerade bei Werber/innen aus der gleichen Ethnie
Workshopteilnehmer/innen aber auch auf Formen des passiven
Verhaltens an: Es wurde übereinstimmend bemerkt, dass die
                                                                    wird eher die Bereitschaft vorausgesetzt, auch bei familiären
                                                                    und betrieblichen Anliegen zu unterstützen. Das bedeutet
                                                                                                                                      15
Werber/innen immer „politisch“ neutral auftreten sollten. In        zwar mehr Aufwand, erleichtert aber auch die Kooperation mit
vielen Communities gibt es unterschiedliche religiöse und po-       dem Betrieb, wenn sich die Akquisiteur/innen als verlässliche
litische Strömungen, die sich in Vereinen u.ä. organisieren. Al-    Ansprechpartner/innen für den Betrieb erweisen. Einige Ausbil­
len Unternehmer/innen sollte bei der Akquise mit der gleichen       dungs­platzwerber/innen sprachen auch von „Beziehungsarbeit“.
Wertschätzung begegnet werden.
                                                                      Welcher organisatorische und institutionelle
  Welche Rolle spielen die Qualifikationen und sozialen               Rahmen erscheint geeignet?
  Kompetenzen?
                                                                       Projekte zur Gewinnung von Ausbildungsbetrieben sind in
   Ein im Dualen Berufsbildungssystem erzielter Abschluss gibt      aller Regel in Dachorganisationen eingebunden. Diese bringen
den Akquisiteur/innen ggf. Sicherheit im Anwerbungsprozess.         jedoch hinsichtlich der Akquise von Migrantenunternehmen
Ideal wären zusätzlich eigene unternehmerische Erfahrungen.         unterschiedliche Voraussetzungen mit sich. Wesentlichen Ein-
Die Befragungsergebnisse des ifm legen nahe, dass es Mi­gran­       fluss auf die Akquisesstrategie und deren Ausrichtung nehmen
ten­betriebe besonders schätzen, wenn Beraterinnen und Bera-        aber auch die Zielvorgaben der Förderinstitutionen. Ein weite-
ter zuvor selbst ein Unternehmen geführt haben.                     res organisatorisches Problem ist der Zugang zu den Adressen
   Eventuell sind Kenntnisse über ganz unterschiedliche Aus­        potenzieller Ausbildungsbetriebe.
bildungsberufe von größerem Nutzen als eine fachspezifische
Qualifikation in einem bestimmten Beruf. Abhängig von Beruf
und Branche müssen sich die Werber/innen in die verschiede-
AKQUISE

            Welche Folgen haben die institutionelle Zugehörigkeit               Exkurs bzgl. der Förderziele und der Qualität und Nach-
            und die Zielvorgaben?                                               haltigkeit der Ausbildungsplätze:

              Die Zugehörigkeit zu klassischen Wohlfahrtsverbänden wie           Ein Problem besteht hinsichtlich der übergeordneten Zielset-
          Arbeiterwohlfahrt, Caritas oder Diakonie kann den Zugang zu         zungen in den Förderprogrammen und -institutionen und den
          Betrieben möglicherweise erschweren, da deren Genre und Tä-         Kriterien der Zielerreichung: Vor Jahren wurden viele Förder­
          tigkeitsfeld weniger mit betrieblich relevanten Fragen in Verbin-   programme (und darauf aufbauend auch Projekte) mit dem Ziel
          dung gebracht wird. Hingegen wurde die Position der Vertre-         implementiert, für benachteiligte Jugendliche geeignete Aus­
          ter/innen von Kammern im Workshop ambivalent eingeschätzt:          bildungsplätze zu schaffen. Ein Zielerreichungskriterium war
          Einerseits werden sie durch ihre Zugehörigkeit als besonders        die Zahl der geschaffenen Ausbildungsplätze (oft unabhängig
          fachlich kompetent angesehen, andererseits könnte ihr Auftre-       von deren Güte). Da man erkannte, dass eine Vermehrung von
          ten in Betrieben auch als „Kontrollbesuch“ verstanden werden.       Ausbildungsplätzen nur durch eine Erhöhung der Ausbildungs-
          Erfahrungsgemäß wirken Visitenkarten von einer Kammer oder          bereitschaft erzielt werden kann, folgte teilweise (z.B. mit dem
          Arbeitsagentur gewichtiger als die Karte eines Bildungsträgers.     JOBSTARTER-Programm) ein Paradigmenwechsel, indem die
              Die Rolle der Organisationen wird von den Migrantenunter-       Interessen der Betriebe (KMU) in den Vordergrund gestellt wur-
          nehmen unterschiedlich gesehen; einerseits als „soziale Hel-        den. Die Betriebe haben aber auch ein Interesse an geeigneten
          fer“, andererseits nüchtern als Dienstleister auf dem Feld der      Bewerber/innen und an nachhaltigen Ausbildungsverhältnis-
          Wirtschaftsförderung. Die erstgenannte Sicht setzt eine Hilfs-      sen. Allerdings orientieren sich die Erfolgskriterien bei der Be-
  16      bedürftigkeit voraus, die für eine Begegnung auf Augenhöhe
          wenig förderlich ist. Wird hingegen „Wirtschaftsförderung“
                                                                              urteilung von Projekten nach wie vor an der Anzahl geschaffe-
                                                                              ner Ausbildungsplätze, weshalb die Projekte oft weniger auf
          angeboten, kann diese dennoch mit einer Unterstützung bei           die Qualität und Nachhaltigkeit als vielmehr auf die Quantität
          administrativen Vorgängen zum Thema Ausbildung verbunden            setzen. Insofern stehen die Förderziele und die Indikatoren für
          werden. Die Dienstleistung hat auch die Funktion einer Schnitt-     deren Erfüllung in einem Widerspruch.
          stelle zu anderen ausbildungsrelevanten Institutionen.
              Neben der institutionellen Zugehörigkeit der Projekte haben       Wie identifizieren Projekte Interessenten und potenzielle
          auch die Zielvorgaben der Förderinstitutionen (zumeist staatli-       Ausbildungsbetriebe?
          che bzw. kommunale Stellen) erheblichen Einfluss auf die Art
          und Weise, wie Projekte in Bezug auf die Akquise von Betrieben         Ein Problem, welches alle Projektträger wesentlich beschäf-
          organisiert und durchgeführt werden. Je nach Förderprogramm         tigt, ist die Frage, wie man an die Adressen der potenziell zu ak-
          müssen die zu gewinnenden Betriebe erstmalig oder zusätz-           quirierenden Unternehmen kommt und worauf beim Zugang
          lich ausbilden, um die Förderkriterien zu erfüllen und der Pro-     zu Betrieben zu achten ist. Hier wurden vier unterschiedliche
          jekterfolg wird häufig lediglich an der Zahl der geschaffenen       Strategien diskutiert:
          Ausbildungsplätze gemessen. Dies hat zur Folge, dass sich die          Entweder wird auf Unternehmensadressen zurückgegriffen,
          Akquisesstrategien eher an quantitativen und weniger an qua-        wie sie beispielsweise bei Kammern, Wirtschaftsfördergesell-
          litativen Zielen orientieren.                                       schaften oder auch Migrantenverbänden vorliegen, oder es
                                                                              werden Netzwerke bemüht, indem Ausbildungsbetriebe auf In-
                                                                              teressenten verweisen („Schneeballsystem“). Eine dritte Mög-
                                                                              lichkeit besteht im „Abklappern“ bzw. Aufsuchen von Betrie-
                                                                              ben mittels „Rundgängen“ in den Stadtteilen mit hohem Anteil
AKQUISE

an Migrantenbetrieben. Eine Alternative hierzu ist die systema-      Bei der Beratung von Jugendlichen wurde die Erfahrung
tische Identifizierung mittels Namensanalysen im Telefonbuch.      gemacht, dass diese selbst Firmen kennen oder sie wurden
   Es gab unterschiedliche Einschätzungen hinsichtlich des prin-   bewusst losgeschickt, um in ihrem Umfeld nach möglichen
zipiellen Zugangs zu den Adressdaten der Kammern, aber auch        Ausbildungsbetrieben zu suchen.
hinsichtlich ihres Nutzens: Soweit die IHK oder HWK nicht di-
rekt in das Projekt eingebunden ist, steht es im Ermessen der        Wie sollte der Zugang zu den Betrieben organisiert
Kammer, die Daten an Dritte weiter zu geben. Je nach Projekt         werden?
kann die Anwerbung von Ausbildungsbetrieben von Kammern
als Konkurrenz zu den eigenen Werber/innen gesehen werden,            Die Anwerber/innen sollten sich nicht ausschließlich auf eine
d.h. die Akquisiteur/innen des Projektes erhalten wenig Unter-     Strategie verlassen, d.h. immer mit mehreren Optionen arbei-
stützung durch die Kammer. Werden keine Adressdaten weiter-        ten. Die Akquise erfordert ein hohes Maß an zeitlicher Flexibili-
gereicht, werden oftmals Datenschutz-Argumente angeführt.          tät, insbesondere was den Betriebsbesuch betrifft.
Allerdings setzt dies voraus, dass die Kammern Betriebsinhaber/       Die Anwerbungsphase ist zeitintensiv. Aus diesen und an-
innen mit Migrationshintergrund „herausfischen“, was selten        deren Gründen sollten die Unternehmen nicht willkürlich,
möglich ist. Zu berücksichtigen ist ferner, dass die Kammern       sondern gezielt gewählt werden. Anstrengungen zur Akquise
nicht alle Unternehmen erfassen. D.h. die Adressdaten vieler       eines bestimmten Betriebes lohnen sich, wenn bestimmte Ei-
Unternehmen aus den Freien Berufen (Rechtsanwälte, Steuer-         genschaften erkennbar sind:
berater, Ärzte usw.) sind nicht bei der IHK oder HWK, sondern          ƒƒ Ernsthafte Übernahme der Ausbilderrolle: Die künftigen
bei anderen Kammern oder Verbänden registriert. Hier ist der
Zugang nicht leichter.
                                                                           Ausbilder/innen müssen sich der auf sie zukommenden
                                                                           Aufgabe bewusst sein.
                                                                                                                                       17
   Das ifm greift bei seinen Untersuchungen auf eine Telefon-          ƒƒ Wirtschaftliche Stabilität: Das heißt, das Unternehmen
adressbuchdatei zurück, die es erlaubt, Namen ausländischer                sollte nicht „auf der Kippe“ stehen und auch in der
Herkunft mittels der Erkenntnisse der Onomastik (Namensfor-                Lage sein, die Ausbildungsvergütung kontinuierlich zu
schung) herauszufiltern und einzelnen Nationalitäten zuzuord-              leisten. Werden instabile Betriebe akquiriert und das
nen. Die Daten bieten gleichzeitig Informationen über die zu-              Ausbildungsverhältnis scheitert, wirkt sich das auf das
gehörige Branche. Diese Adressdatengenerierung ist allerdings              Image des Projektes aus.
mit Arbeitsaufwand und entsprechenden Kosten verbunden.                ƒƒ Verantwortliche Person im Betrieb: Es muss erkennbar
   In einigen Regionen gibt es mittlerweile Branchenbücher                 sein, wer die Verantwortung für die Ausbildung über-
mit Bezug auf Migrantenunternehmen, meist jedoch nur für                   nimmt.
„türkische“ Betriebe. Dazu kommen Magazine und Zeitun-                 ƒƒ Motivation der Inhaber/innen oder potentiellen Ausbil-
gen, die sich an bestimmte Ethnien richten. Hier finden sich               dungspersonals zur Qualifizierung (AdA).
oft Anzeigen, aus denen sich Adressen gewinnen lassen. Als            Ein Anwerber formulierte folgendermaßen: “Möchte ich,
weitere Möglichkeit wurden die Konsulate genannt. Ebenso die       dass in diesem Betrieb meine Tochter oder mein Sohn ausge-
verschiedenen ethnischen Vereine, Unternehmerverbände und          bildet wird?“. Allen war jedoch klar, dass niemand bei einem
entsprechende Veranstaltungen (Festivitäten) dieser Organisa-      Betrieb in letzter Konsequenz garantieren kann, dass die Aus-
tionen.                                                            bildung gelingt.
   In der regionalen Presse werden in der Regel die Einträge in
das Handelsregister veröffentlicht. Allerdings finden sich hier-
unter wenig Migrantenbetriebe.
AKQUISE

            Unter welchen Bedingungen wären                                     Was sind die Hürden in der Ausbildungsbereitschaft?
            Migrantenbetriebe bereit, auszubilden?
                                                                                Unter den bisher nicht ausbildenden Betrieben schlagen we-
             Inwieweit Migrantenunternehmen erfolgreich akquiriert           niger als erwartet die externen Rahmenbedingungen wie etwa
          werden können, hängt auch davon ab, inwieweit die Projekte         die bürokratischen Hürden zu Buche (die rund ein Drittel be-
          den betrieblichen Erfordernissen nachkommen können. Hin-           klagen), sondern viel eher die betriebsinternen Voraussetzun-
          sichtlich der Ausbildungsbereitschaft hat das ifm die Hemmnis-     gen: Rund die Hälfte (45 %) aller befragten Migrantenbetriebe
          se und den Unterstützungsbedarf von Klein- und Mittelbetrie-       sieht ein Ausbildungshemmnis in dem „Mangel an Zeit und an
          ben sowie auch speziell von Migrantenbetrieben (auf Grund-         Personal“. Daher dürften Projektangebote, die auf ein externes
          lage einer Unternehmensbefragung in Mannheim) ermittelt.           Ausbildungsmanagement zielen, auf fruchtbaren Boden fallen.
          Einige ausgewählte Untersuchungsergebnisse des ifm wurden          Wiederum fast die Hälfte der Betriebsinhaber/innen befürch-
          (ergänzend zu denen im ersten Workshop) vorgestellt. Bei al-       tet zudem, dass die Ausbildungskosten zu hoch wären. Hier
          lem ist zu beachten, dass es sich um Durchschnittswerte für alle   könnten daher exemplarisch Kosten-Nutzen-Rechnungen vor-
          Migrantenbetriebe handelt, wobei sich die Strukturen, Hemm-        geführt werden, die belegen, dass den Kosten ein erheblicher
          nisse und Anreize jedoch je nach nationaler Herkunft unter-        Ertrag gegenüber steht.
          scheiden.
                                                                                Was sind die Anreize auszubilden?
            Gibt es Unternehmensbereiche, die sich nicht für die
  18        Anwerbung eignen?                                                   Interessanterweise sind die Betriebsinhaber/innen mit Migra-
                                                                             tionshintergrund, die sich bereits zu einem Ausbildungsengage-
             Prinzipiell sollten keine Segmente im Vorhinein ausgeschlos-    ment entschlossen haben nicht häufiger als die Deutschen der
          sen werden, zumal es ja auch ein politisches Ziel ist, dass        Meinung, dass Ausbildung ein schwieriges Unterfangen wäre.
          Migrantenbetriebe auf allen Ebenen partizipieren und keine Ni-     Es kommt also darauf an, Migrantenbetriebe erst mal in den
          schen entstehen. Es gibt aber auch aus wissenschaftlicher Sicht    Kreis der Ausbilder zu holen. Welche Attraktivität eine Ausbil-
          keine Argumente hierfür: Denn in der Ausbildungsbereitschaft       dung im eigenen Unternehmen ausüben könnte, zeigt sich u.a.
          zeigen sich ähnliche Branchenunterschiede wie bei den einhei-      an den Motiven der bereits ausbildenden Migrantenbetriebe:
          mischen Betrieben. (Allerdings sind Migrant/innen in bestimm-      Dort rangiert an vorderster Stelle die Einsicht, dass die selbst
          ten Wirtschaftszweigen stärker präsent und in anderen unter-       ausgebildeten Kräfte besser in den Betrieb passen. Rund 85%
          repräsentiert.) Und wie bei „deutschen“ Unternehmen nimmt          der Migrant/innen sind dieser Meinung. Ein gewichtiges Motiv
          mit zunehmender Betriebsgröße folglich die Ausbildungsbe-          ist natürlich auch der „Fachkräftebedarf“, den vier von fünf
          teiligung (aber nicht die Ausbildungsintensität) zu, was jedoch    Unternehmen als eines der Hauptmotive angeben. Diese Fest-
          nicht als Leitkriterium für Akquisestrategien dienen kann, da      stellung ist nicht trivial, weil gleichzeitig zu konstatieren ist, dass
          Migrantenunternehmen überwiegend kleinbetrieblich struktu-         Migrantenunternehmer/innen etwas weniger häufig als die
          riert sind. Die Anwerbungsbemühungen sollten, entgegen all-        „Deutschen“ (aber immerhin zu über 60 %) der Ansicht sind,
          gemeinen Vorurteilen, auch Neugründungen einschließen. Die         dass Ausbildung eine „soziale und gesellschaftliche Verpflich-
          ifm-Analysen zeigen auf, dass es unter den Migrant/innen vor       tung“ darstellt. Der Umstand, dass dieser Sicht stärker noch die
          allem die jüngeren Unternehmen sind, die sich überproportio-       gut vernetzten türkischstämmigen Ausbilder/innen zustimmen,
          nal für Ausbildung interessieren.                                  zeigt, dass neben betriebswirtschaftlichen Argumenten bei der
                                                                             Akquise auch Werthaltungen ins Feld gerückt werden können.
AKQUISE

  Gibt es regionale Unterschiede in den Motivlagen und                        tur entwickelt. Die Workshopteilnehmer/innen schlugen dem
  Hemmnissen?                                                                 ifm daher vor, die in den Workshop-Treffen gewonnenen Ein-
                                                                              schätzungen durch eine regionenübergreifende Befragung von
   Es kann nach bisherigen Befunden davon ausgegangen wer-                    Migrantenbetrieben zu komplettieren. Hierdurch könnte auch
den, dass die dargestellten Untersuchungsergebnisse zwischen                  die Sicht der Projektträger und der Akquisiteur/innen mit der
den Städten und Kreisen Baden-Württembergs variieren. So hat                  Sicht der Migrantenbetriebe abgeglichen werden. Momentan
sich bspw. in Mannheim durch das Engagement von Kommu-                        fehlen jedoch hierfür mögliche Auftraggeber, die solche Befra-
ne und Vereinen eine bundesweit beachtete Ausbildungskul-                     gungen auf kommunaler Ebene finanzieren.

Ausbildungshemmnisse bei nicht-ausbildenden Betrieben Baden-Württemberg

                                                                 "Migrantenbetriebe"
                                                                  Inhaber/innen ohne Migrationshintergrund
   extern bedingte Hemmnisse
            Rechtl. Regelungen erschweren Ausbildung

                     Zu hoher bürokratischer Aufwand
                                                                                                                                                     19
                Zu schwer, geeignete Azubis zu finden

       Trennung von ungeeignetem Azubi zu schwierig

   Wegen Berufsschule sind Azubis zu wenig im Betrieb

   betriebsbedingte Hemmnisse
                Der Betrieb ist zu klein um auszubilden

                    Kein Bedarf an jungen Fachkräften

                          Es fehlt an Zeit und Personal

                       Ausbildungskosten sind zu hoch

          Wirtschaftliche Lage des Betriebs zu unsicher

   Bessere Erfahrung mit Rekrutierung a.d. Arbeitsmarkt

                        Betrieb ist zu stark spezialisiert

                                                             0         10          20          30            40       50          60          70

                                                                                 Quelle: Ausbildungsplatzpotenzialanalyse ifm Universität Mannheim
AKQUISE

            „Es lohnt sich“
            Tübinger Unternehmerehepaar setzt ein Zeichen für Ausbildung

             Giovanni und Gabriele Lo Castro führen seit elf Jahren das
          italienische Restaurant „Da Giovanni“ in Tübingen. Im Ausbil-
          dungsjahr 2007/2008 bildete das Ehepaar insgesamt sechs jun-
          ge Menschen aus, zwei Auszubildende für den Bereich Küche,
          vier Auszubildende unterstützen den Service.

             Bei sechs Auszubildenden ist während der gesamten Ausbil-
          dungszeit sehr viel Verwaltungsarbeit zu erledigen. Bei Bedarf
          unterstützt der Ausbildungsplatzbetreuer auch hier das Unter-
          nehmerehepaar. Ali Sevinc und Daniel Albrich besuchen die Tü-
          binger Gastronomen regelmäßig und halten sie über aktuelle
          Informationen zur Ausbildung auf dem Laufenden. „Nicht nur
  20      wir profitieren von der Unterstützung, auch unsere Auszubil-
          denden wissen, dass sie sich bei Fragen und Problemen, zum
          Beispiel in der Berufsschule, an den Ausbildungsplatzbetreuer
          der BruderhausDiakonie wenden dürfen“, betont der Restau-
          rantbesitzer.

            Seine Frau möchte andere Unternehmerinnen und Unterneh-
          mer dazu „anstiften“, ebenfalls Ausbildungsplätze zu schaffen:
          „Wir können unseren Kollegen, die keine oder wenig Erfahrung
          mit dem Thema Ausbildung haben oder die vielleicht Sprach-
          barrieren überwinden müssen, nur empfehlen, die Angebote
          und Hilfeleistungen der BruderhausDiakonie in Anspruch zu
          nehmen. Es lohnt sich“
AKQUISE

  „Sehr viele konstruktive und aufklärende Gespräche“
  Eine erfolgreiche Akquise erfordert Zeit und Pflege

  Anibal Marques Ausbildungsplatzwerber HWK Freiburg

   Ein messbarer Erfolg anhand von Stückzahlen ist schwer zu
erfassen und nachzuweisen. Die Betriebe teilen nicht unbedingt
mit, wenn sie nach dem Akquise- oder Beratungsgespräch einen
Lehrling einstellen oder wenn sich ein Betrieb erst nach Jahren
dazu entschließt auszubilden. Wichtig ist, dass die Betriebe für
das Thema Ausbildung sensibilisiert werden und sie einen An-
sprechpartner haben, auf den sie zurückgreifen können. Da die
Bereitschaft auszubilden in der Regel nicht schon nach einem
ersten Gespräch besteht, sind weitere Kontakte notwendig, in
denen die Voraussetzungen geschaffen werden können. Vor-
aussichtlich werden die nächsten Projektjahre neben neuer Un-
ternehmensakquise besonders von der Pflege der bestehenden
Kontakte geprägt sein.
                                                                                                                                       21
   Der Akquisezeitpunkt in der zweiten Jahreshälfte von 2009 er-
folgte zu einer relativ ungünstigen Zeit. Durch den zeitlich nah
stehenden Lehrbeginn haben die Betriebe in der Regel das The-         Betriebe ohne Ausbildungsberechtigung wurden über die ver-
ma Ausbildung auf das nächste Jahr verschoben. Dennoch gab         schiedene Wege zur Ausbildungsberechtigung beraten. Es wur-
es Betriebe, die sich nach dem Akquise- bzw. Beratungsgespräch     de im Einzelfall geklärt, wie der Betrieb diese für sich erlangen
gleich dazu bereit erklärt haben, einen Ausbildungsplatz oder      kann und welche Voraussetzungen vielleicht geschaffen werden
Einstiegs-Qualifizierungsplatz zu schaffen.                        müssen, um die Möglichkeit zu haben, im eigenen Betrieb aus-
                                                                   zubilden.
   Es sind 2009 (ab 01.Juli) 206 Betriebe und 2010 (bis 30.Juni)
230 Betriebe besucht worden, einige Betriebe mehrmals. Die            Für die Migrant/innen der ersten Generation, die nicht hier in
436 Betriebe sind, sofern gewünscht, mit Informationsmaterial      Deutschland aufgewachsen sind, somit auch nicht die deutsche
Schwerpunkt Ausbildung, mit berufbezogener Ausbildungsord-         Schule besucht haben, ist Deutsch eine schwierige Fremdsprache.
nung, Standortatlas und überbetrieblichen Ausbildungsplänen        Oft wird der Kontext eines gelesenen Satzes nicht verstanden,
versorgt und beraten worden.                                       weil dieser in „Juristendeutsch, Amtsdeutsch“ geschrieben ist,
   Es sind sehr viele konstruktive und aufklärende Gespräche mit   wie z.B. „die widerrufliche Zuerkennung der fachlichen Eignung“
den Betriebsinhaber/innen entstanden. Dabei wurden diese über      (Ausbildungsberechtigung). Von daher brauchen viele Betriebe
die aktuellen Förderprogramme informiert, wie EQ, abH und Aus-     mit Migrationshintergrund, die die Ausbildungsberechtigung er-
bildungsbonus.                                                     langen wollen, (zeit-)intensive Betreuung.
AKQUISE

            „So manche Tasse Tee oder Kaffee wird getrunken ...“
            Mobilisierung von Betriebsinhaber/innen

            Hasan Aydogan ikubiz Ausbildungsverbund Mannheim                 trunken, bis alle Modalitäten einer Ausbildung besprochen sind.
                                                                             Dann erfolgt der gemeinsame Besuch der ausgewählten und
             Ich bin Lehrer und Volkswirt und lebe seit 1980 in Mann-        vorbereiteten Betriebe mit den Ausbildungsberater/innen der
          heim. Seit über 25 Jahren arbeite ich beim Interkulturellen Bil-   IHK. Ausbildungsbarrieren, wie die fachliche Eignung der Aus-
          dungszentrum gGmbH Mannheim ikubiz. Ein multikulturelles           bilder/innen oder fehlende Ausbildungsinhalte, können durch
          Team unterstützt die Jugendlichen bei ihrer Suche nach einem       unser Qualifizierungsangebot und den ergänzenden Verbund-
          Ausbildungsplatz, bei Bewerbungen und in Krisensituationen.        unterricht genommen werden.
          Dort habe ich Migrant/innen in allen Lebenslagen beraten. Seit
          1996 mobilisiere ich Betriebsinhaber/innen ausländischer Her-
          kunft kon­tinuierlich, Ausbildungsplätze zu schaffen und unter-
                                                                               „Bir fincan kahvenin kırk yıl hatırı vardır“
          stütze die an der Ausbildung Beteiligten während der Ausbil-
          dungszeit.                                                           „Wenn man eine Tasse Kaffee zusammen trinkt,

  22         Es hat sich viel getan in den letzten Jahren: Den Platz des
                                                                               geht die Freundschaft 40 Jahre lang weiter“

                                                                                                                     Türkisches Sprichwort
          traditionellen ausländischen Geschäftmanns ohne Abschluss
          übernehmen jetzt Männer und mittlerweile auch verstärkt
          Frauen mit Ausbildungs- und Studienabschlüssen. Auch die Be-
          triebsbereiche werden vielfältiger, reichen vom klassischen Ein-
          zelhandel über Gastronomie und Reisebüros bis hin zu neuen
          Medien oder dem IT-Bereich.

             Wichtig sind gute Schuhe und ein funktionierendes Mobilte-
          lefon. Diese Arbeit ist nicht vom Bürostuhl aus zu bewältigen,
          sondern erfordert viele „Wege“ zu den verschiedensten Betrie-
          ben. Das persönliche Ansprechen, die Wertschätzung und der
          beständige Kontakt, über den eine Vertrauensbasis entsteht,
          sind ausschlaggebend dafür, dass sich ausländische Selbständi-
          ge an der Ausbildung beteiligen.

            Meine langjährige Beratungstätigkeit erleichtert den Zugang
          zu den Betriebsinhaber/innen, die ich teilweise schon seit ihrer
          Schulzeit kenne. Trotzdem ist Geduld eine wichtige Eigenschaft
          bei meiner Tätigkeit. So manche Tasse Tee oder Kaffee wird ge-
23
BESETZUNG

              Chancen nutzen – Fachkräfte sichern
              Besetzung von Ausbildungsstellen in Migrantenunternehmen: Wie gelingt erfolgreiches Matching?

              Ausbildungsplätze für junge Frauen und                         das Projekt die Wege zum Ausbildungsplatz. Bei der IHK Rhein
              Männer mit Migrationshintergrund                               Neckar werden mit Jugendlichen Berufseignungstests durch-
                                                                             führt, um sie dann entsprechenden Betrieben, auch dem ikubiz
               Junge Migrantinnen und Migranten haben bereits in der         Ausbildungsverbund, zuzuführen. Projekte wie Bonus in Reut-
            allgemeinbildenden Schule im Vergleich zu Jugendlichen deut-     lingen arbeiten direkt mit der Jugendberufshilfe des Trägers zu-
            scher Herkunft erheblich geringere Chancen, die sich in nied-    sammen und haben so Zugang zu Bewerber/innen.
            rigeren Schulabschlüssen und schlechteren Schulnoten nieder-        Die Vernetzung der wichtigsten Institutionen (Arbeitsagen-
            schlagen, insbesondere bei den Jungen. Ihre Aussichten auf       turen, ARGEn, Kammern, Bildungsträger, Kommunen) und
            einen betrieblichen Ausbildungsplatz verglichen mit Jugendli-    eine gute Kooperation mit maßgeblichen Mitarbeiter/innen
            chen deutscher Herkunft sind jedoch wesentlich schlechter. Der   der Institutionen erleichtert eine erfolgreiche Besetzung der
            Übergang in die Berufsausbildung wird für junge Migrantinnen     Ausbildungsplätze. Durch dichte Zusammenarbeit kann die
            und Migranten zwar durch die schlechteren schulischen Vor-       Auswahl der Bewerber/innen optimiert werden, „kurze Dienst-
  24        aussetzungen eindeutig erschwert, diese sind aber keineswegs
            der alleinige Grund für ihre mangelnden Chancen auf einen
                                                                             wege“ fördern das Anwerbe- und Auswahlverfahren. Wenn ein
                                                                             Vertrag zustande kommt, erleichtert die Kooperation, vor allem
            Ausbildungsplatz. Die duale Ausbildung stellt für sie oft die    mit Kammern und Arbeitsagenturen, die Einstellungsformalitä-
            einzige Möglichkeit einer beruflichen Vollqualifizierung dar,    ten. Ist das Projekt in der Region/Gemeinde bekannt, kommen
            da hierfür keine formalen Zugangsbeschränkungen existieren.      die Ausbildungsplatzsuchenden über Kontakte aus Jugendein-
            Die Jugendlichen müssen sich auf einem Ausbildungsmarkt          richtungen, Bildungsträgern, peer-groups, Communities, u.a.
            behaupten, auf dem die Betriebe nach Leistungsgesichtspunk-      Eine exponierte Stellung der Ausbildungsplatzvermittler/innen,
            ten über die Vergabe der Ausbildungsplätze entscheiden und       gerade wenn sie aus einer Community kommen, führt viele Ju-
            leistungsschwächeren Jugendlichen, insbesondere bei einem        gendliche zu, kann aber auch eine Belastung sein, da die Erwar-
            Migrationshintergrund, eher selten eine Chance geben (BiBB       tung in Ausbildung zu vermitteln (oft von den Eltern) hoch ist.
            Report 15/10).                                                      Diskutiert wurde die Frage, wie attraktiv Migrantenun­
                                                                             ternehmen für Jugendliche als Ausbildungsbetriebe sind. In
              Anwerbung und Vermittlung von Jugendlichen                     diesem Zusammenhang wurden von Bewerber/innen mit und
                                                                             ohne Migrationshintergrund berichtet, die Vorurteile gegen-
               Die klassischen Anwerbungsmöglichkeiten sind: Schulen,        über Migrantenbetrieben haben, zum Teil besonders aus der
            Arbeitsagenturen, ARGEn, Kammern, Internetbörsen, Jugend-        eigenen Ethnie. Oft spiegelt sich in den Vorurteilen die ge-
            häuser, Ausbildungsmessen, Bildungsträger. Ergänzend kön-        samtgesellschaftliche Akzeptanz von Migrant/innen wieder, die
            nen Migrantenvereine und -organisationen genutzt werden,         Projektmitarbeiter/innen mit Jugendlichen und Betrieben re-
            die zum Teil Veranstaltungen für Jugendliche und Eltern zum      flektieren müssen. Einer der Vorbehalte, der von Jugendlichen
            Thema Ausbildung durchführen. Jugendliche kennen in ihrer        wahrgenommen wird, sind angebliche geringere Übernahme-
            Community oft potentielle Ausbildungsbetriebe, dann bahnt        chancen als bei „deutschen“ Betrieben. In der Realität besteht
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