Ausbildung in Migrantenunternehmen in Baden-Württemberg - Dialog und Vernetzung von Projektträgern und Forschung
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Ausbildung in Migrantenunternehmen in Baden-Württemberg Dialog und Vernetzung von Projektträgern und Forschung
Dokumentation Ausbildung in Migrantenunternehmen in Baden-Württemberg Dialog und Vernetzung von Projektträgern und Forschung
Inhaltsverzeichnis Grußwort ......................................................................................................... 5 Einführung ....................................................................................................... 6 Akquise: Auf die Wertschätzung kommt es an................................................. 14 Besetzung der Ausbildungsplätze: Wie gelingt erfolgreiches Matching?........... 24 Ausbildungsbegleitung: Gemeinsam den Weg der Ausbildung gehen.............. 30 3 Qualifizierung: Ausbildungsqualität durch Ausbilderkurse................................ 38 Die Projekte des Arbeitskreises stellen sich vor.................................................. 42 Die beteiligten Institutionen............................................................................. 47 Impressum....................................................................................................... 48
Grußwort des Ministerialdirektors des Wirtschaftsministeriums des Landes Baden-Württemberg Dr. Hans Freudenberg Baden-Württemberg hat mit einem Anteil von 25 % an der Migrant/innen keine abgeschlossene Berufsausbildung (gegen- Gesamtbevölkerung den höchsten Migrantenanteil aller Flä- über 11 % der Nicht-Migrant/innen). Da Migrantenunterneh- chenländer. Migrantinnen und Migranten spielen aber nicht men für viele jugendliche Migrantinnen und Migranten oft mehr nur als Beschäftigte oder Verbraucher eine wichtige Rolle, eine besondere Chance zum Einstieg in den Ausbildungsmarkt sondern zunehmend auch als Existenzgründer, Arbeitgeber und darstellen, ist die Steigerung der Ausbildungsaktivitäten dieser ausbildende Unternehmer/innen. Betriebe von besonderer Bedeutung. Obwohl über die Hälfte der rund 80.000 in Baden-Württem- In der Vergangenheit gab es zahlreiche Ansätze zur För- berg von Migranten oder Migrantinnen geführten Unterneh- derung und Begleitung der Ausbildungsbereitschaft solcher men ausbildungsberechtigt sind, bilden bislang nur weniger als Betriebe. Allerdings fehlte es bislang an einer systematischen ein Fünftel von ihnen tatsächlich aus. Hier gilt es, die Unterneh- Zusammenführung der praktischen Erfahrungen und theoreti- men zur aktiven Teilnahme am dualen Ausbildungssystem zu motivieren und sie in ihren Ausbildungsbemühungen weiter zu schen Ansätze, was einer effektiven Unterstützung ihrer Ausbil- dungsbemühungen im Wege stand. 5 unterstützen. Ich freue mich deshalb sehr, dass mit der vom Wirtschafts- Dies gilt vor allem deshalb, weil sich Baden-Württemberg ministerium unterstützen Dokumentation des ikubiz nun eine in den kommenden Jahren und Jahrzehnten einem branchen- solche Gesamtauswertung vorliegt, auf deren Grundlage sinn- übergreifenden Mangel an Fachkräften gegenüber sieht, den volle Maßnahmen entwickelt und bestehende Projekte weiter wir nur mit gemeinsamer Anstrengung bewältigen werden. optimiert werden können. Künftig werden wir mehr gut ausgebildete Jugendliche brau- chen, wenn wir unseren Wohlstand und die Zukunftsfähigkeit Vielen Dank allen, die sich hierfür engagiert und ihr Know- unseres Landes nicht aufs Spiel setzen wollen. Das gilt auch für how eingebracht haben. diejenigen, die sich bislang schwer tun, einen Ausbildungsplatz zu bekommen oder davon ausgehen, dass es sich auch ohne qualifizierte Ausbildung gut leben lässt. Dr. Hans Freudenberg Hier rücken die Jugendlichen mit Migrationshintergrund in Ministerialdirektor im den Blickpunkt, weil sie besonders zahlreich sind und häufig Wirtschaftsministerium keine Berufsausbildung haben: Noch immer besitzen 38 % der des Landes Baden-Württemberg
EINFÜHRUNG Rund 80.000 Unternehmer/ Ausgangspunkt der Initiative innen in Baden-Württemberg haben einen Migrationshintergrund. Wirtschaft und Seit vielen Jahren wird in unterschiedlichen Projektansätzen Gesellschaft profitieren hiervon. Die Migrantenunter- die Ausbildungsbereitschaft von Migrantenunternehmen geför- nehmen schaffen Arbeitsplätze, neue Produkte und dert und begleitet, es mangelt jedoch an einer systematischen sind ein Integrationsmotor. Doch das wirtschaftliche Zusammenführung der Erfahrungen und Erkenntnisse (sowohl Potenzial ist noch nicht ausgeschöpft, denn: aus der Praxis als auch aus der Wissenschaft). Geht dieses –– Knapp über die Hälfte der Migrantenunternehmen anwendungsorientierte Know-how verloren, ist die Nachhaltig- sind ausbildungsberechtigt, aber weniger als ein keit der Arbeit gefährdet, neue Projekte können nicht profitie- Fünftel bildet aus. Es besteht ein großer Nachhol- ren und der öffentlichen Hand und den in Projekten engagier- bedarf. ten Unternehmen entsteht ein finanzieller Schaden. –– Migrantenbetriebe absorbieren in hohem Maße „benachteiligte Jugendliche“. Dies ist enorm wich- Bei der Durchführung von Projekten tauchen neben unbe- tig, denn für Migrant/innen ist die Chance, einen streitbaren Erfolgen auch Schwierigkeiten und Hindernisse auf, Ausbildungsplatz zu bekommen, nur halb so hoch die wir gemeinsam angesprochen und dabei Kooperations- wie für deutsche Jugendliche. Ohne stärkere Betei- möglichkeiten und Lösungswege gefunden haben. ligung von Migrantenunternehmen wird sich diese 6 Misere vergrößern. –– Aber auch wenn Migrantenunternehmen ausbil- Instrumentelle Grundlage für den Arbeitskreis war eine kon- krete Netzwerkbildung aller (bisher) mit der Ausbildung in Mi- den, ist die Nachhaltigkeit und die Versorgung mit grantenunternehmen befassten Projektträger in Baden Würt- Fachkräften nicht gesichert, denn bei der Projekt- temberg und eine wissenschaftliche Begleitung zur Identifizie- förderung wurde der Qualität der Ausbildungsleis- rung und Systematisierung von Stärken und Schwächen. tungen und des externen Ausbildungsmanagements zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet. –– Es gibt derzeit keine Konzepte zur Lösung dieses Problems, weil es keine Möglichkeit gab, a) die in den Projekten gesammelten Erfahrungen und MITGLIEDER DES ARBEITSKREISES b) das in der Forschung gewonnene Wissen lan- ikubiz Ausbildungsverbund Mannheim desweit den Unternehmen, den Kammern, den ABba plus Stuttgart Bildungsträgern und der Politik zur Verfügung zu AIKA – AFB Karlsruhe stellen. Bruderhaus Diakonie in Reutlingen –– Vor diesem Hintergrund haben verschiedene Pro- HWK Freiburg jektträger in Baden-Württemberg, die sich mit der IHK Rhein Neckar Ausbildung in Migrantenunternehmen befassen, Institut für Mittelstandsforschung einen Arbeitskreis gegründet. Plattform der Arbeit der Universität Mannheim (ifm) waren Workshops, die zwischen März 2009 bis Juli 2010 stattgefunden haben.
EINFÜHRUNG Schwerpunkte der fünf Workshops Querschnittsthemen 1. Erfahrungsaustausch Bedeutung und Nachhaltigkeit von Ausbildung im Kon- Allgemeiner Austausch über Erfahrungen und text des demografischen Wandels: Jugendliche mit Mig- Rahmenbedingungen rationshintergrund als Fachkräftenachwuchs Problemaufriss Bedeutung von Migrantenunternehmen bei der Ausbil- Ziele der Workshops – Vernetzungsmöglichkeiten dung und Qualifizierung von Fachkräften: Um qualifi- zierten Nachwuchs zu erhalten, bedarf es der Begleitung 2. Akquise von Betrieben der ausbildenden Unternehmen. Strategien der Anwerbung und Erfolg Notwendige Kompetenzen der Projektträger (fachlich, interkulturell etc.) Zusätzliche (wissenschaftliche) Fragestellungen Organisatorische Fragen zur Akquise und Rahmenbedingungen Welche Entwicklungen und v.a. strukturelle Veränderun- gen sind hinsichtlich der Ausbildungsbereitschaft und 3. Besetzung der Ausbildungsplätze -qualität von Migrantenunternehmen derzeit und künf- Charakteristika und Chancen von (potenziellen) tig in Baden-Württemberg zu erwarten? Auszubildenden Vor- und Nachteile bestimmter Vorgehensweisen Was sind die Besonderheiten der von Migrant/innen geführten Unternehmen? Welche Motivlagen, Hemm- 7 in der Besetzung nisse und Unterstützungsmöglichkeiten lassen sich er- Wie kommen Projektträger an die Bewerber/innen? kennen? Welche herkunfts- und branchenbezogenen Unterschie- 4. Begleitung des Ausbildungsprozesses de gibt es und welche Implikationen haben diese für die Praktikable Formen der Ausbildungsbegleitung Akquise von Betrieben und Jugendlichen? Hemmnisse beim externen Ausbildungsmanagement Was bewirkt unsere Lobby für diese Betriebe? Welchen Beitrag erbringt die Ausschöpfung des Aus- 5. Qualifizierung der Ausbilder/innen bildungspotenzials von Migrantenbetrieben hinsichtlich Woher kommen die Kompetenzen? der Ausbildungsplatznot für benachteiligte Jugendliche? Erfahrungen bei der Vermittlung der Ausbildungseignung Schlussfolgerungen aus Ausbilderkursen und -prüfung und Fachseminaren Implikationen der Aussetzung und Wiedereinführung der AEVO
EINFÜHRUNG Index der Entwicklung ausländischer und deutscher Selbständiger und abhängig Beschäftigter in Baden-Württemberg 220 200 180 Index 1991=100 160 8 140 120 100 80 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 ausländische Selbständige deutsche Selbständige ausländische abhängig Beschäftigte deutsche abhängig Beschäftigte Quelle: Statistisches Landesamt (Mikrozensus); Berechnungen ifm Universität Mannheim
EINFÜHRUNG Ausbildungsbeteiligung nach ethnischer Herkunft der Betriebsinhaber/innen in Baden-Württemberg 35% 30% 27 25% 21 20 20% 19 15% 14 13 16 9 9 10% 5% 0% türkisch italie- griechisch ehem. polnisch ost- Naher/ deutsch nisch jugoslawisch europäisch Mittlerer Osten Quelle: Studie „Triebkräfte ausländischen Unternehmertums in Baden-Württemberg“ ifm Universität Mannheim
ERFAHRUNGSAUSTAUSCH „Einzelprojekte ohne greifbare Erkenntnisse und ohne Vernetzung verpuffen ins Nichts“ Verbesserung der Ausbildungsfähigkeit erfordert Zusammenführen von Projekten und Erkenntnissen Das erste Treffen von baden-württembergischen Projektträ- Ein Teil der Förderpolitik der letzten Jahre war darauf gerich- gern, die sich mit der Ausbildung in Migrantenunternehmen tet, die Ausbildungsbeteiligung von Migrantenbetrieben zu er- befassen, diente vor allem dazu, die Ausgangslage gemeinsam höhen und die Ausbildungsreife von jungen Migrant/innen zu zu beurteilen, die bislang erfahrenen Probleme zu benennen verbessern. Dies ist nach wie vor wichtig und richtig, aber der und hierfür Lösungsmöglichkeiten zu suchen. In dieser Debatte Erfolg der bisherigen Maßnahmen ist äußerst begrenzt, denn: wurde folgendes festgestellt: Eine stärkere Ausbildungsbeteiligung von Migranten Die derzeit entspannte Angebots-Nachfrage-Relation unternehmen kann nur erreicht werden, wenn es ge- am Ausbildungsmarkt verringert in keiner Weise die lingt, die besonderen Bedingungen, die Projekte kurz- Probleme von Migrantenunternehmen oder gar von Ju- fristig schaffen, in allgemeine und langfristig wirksame 10 gendlichen mit Migrationshintergrund. Im Gegenteil: Im Wettbewerb um qualifizierte Kräfte sind die Unterneh- Rahmenbedingungen zu überführen. Soweit es gelungen ist, Unternehmer/innen mit Migrati- men von Migrant/innen im Nachteil. Und die jugend- onshintergrund zur Ausbildung zu bewegen, mangelt es lichen Migrant/innen haben, wie auch neuere Studien an Unterstützungsformen, welche dieses Engagement zeigen, eine geringere Chance als einheimische Jugend- auch nachhaltig sichern. liche einen Ausbildungsplatz zu erhalten. Wenn Jugendliche in den (zumeist kleinen) Migranten Nicht nur die Projektträger, auch Bildungsexperten aus betrieben einen Ausbildungsplatz finden, sind sie häufig Verwaltung, Wissenschaft und Praxis sind sich einig, dass mit wesentlich anderen Rahmenbedingungen als andern der allerorts erkennbare Fachkräftemangel durch eine orts konfrontiert, weil die Betriebsinhaber/innen wenig Stärkung und bessere Ausschöpfung der Ausbildungs- Erfahrung im Umgang mit Auszubildenden besitzen. potenziale in einem sehr breiten Spektrum an Unterneh- men angegangen werden muss. Mehr denn je zählen hierzu die Unternehmen von Migrant/innen, da ihre Zahl weit schneller als die von Einheimischen wächst. Die Chancen von Jugendlichen am Ausbildungsstellen- markt können nur durch die pointierte Unterstützung von solchen Unternehmen verbessert werden, die dazu prädestiniert sind, auch für die Benachteiligten ein ad- äquates Stellenpotenzial zu bieten. Dies sind vor allem die Migrantenunternehmen.
ERFAHRUNGSAUSTAUSCH Warum eine Workshop-Reihe? Als Stärken bzw. Vorteile wurden genannt: Ingesamt mangelt es an generalisierbaren Erkenntnissen da- Projekte, die in ein örtliches Netzwerk zum Thema „Aus- rüber, welches die spezifischen Hemmnisse in der Ausbildungs- bildung“ eingebunden sind (etwa in Gestalt kommunaler bereitschaft von Migrantenbetrieben sind und in welcher Weise Initiativen) haben einen besseren Zugang zu relevanten diese Unternehmen bei der Rekrutierung von geeigneten Aus- Informationen und Ressourcen. Auch die Einbindung in bildungsplatzbewerber/innen unterstützt werden können. ein lokales ESF-Netzwerk kann unter Umständen Vortei- Die isoliert in einzelnen Regionen gewonnenen Pro- le bringen. jekterfahrungen können nur durch eine Vernetzung und Langjährige und verlässliche Partner (Arbeitsagenturen, vor allem durch eine systematische Auswertung bishe- Kammern, Schulen) im Wirkungskreis der Institutionen riger Erkenntnisse zum Nutzen aller Beteiligten zusam- erweisen sich als äußerst nützliche Plattform, um erwei- mengetragen werden. terte Kooperationen einzugehen. Die Kompetenzen der Bislang fehlen hierfür jedoch die Mittel und der organi- Projektträger sind dann den Institutionen in der Regel satorische Rahmen. Dies hat zur Selbsthilfe der Projekt- bekannt, wodurch Vertrauen aufgebaut werden kann. träger geführt. Bei der Akquise von Betrieben oder Jugendlichen sind Auf Initiative des Interkulturellen Bildungszentrums (ikubiz) Kooperationen nicht nur mit den Institutionen sondern Mannheim und des Instituts für Mittelstandsforschung (ifm) der auch auf persönlicher Ebene (z.B. mit den Ausbildungs- Universität Mannheim wurde mit dem Start einer Workshop- berater/innen der Kammern) hilfreich. Reihe ein erster Versuch unternommen, alle (potenziellen) Pro- jektträger in Baden-Württemberg an einen Tisch zu bekommen Interkulturelle Kompetenz kann Fachkenntnisse zwar nicht ersetzen aber den Wissenstransfer wesentlich 11 und einen Erfahrungsaustausch einzuleiten. In diesem Kontext verbessern. Eine personifizierte Form der Expertise ent- sollten zudem Überlegungen angestellt werden, ob und in wel- wickelt sich in der Institution und im Projekt vor allem cher Form ein solcher Austausch mittelfristig zu koordinieren durch langjährige und konstante Mitarbeit und nicht zu- und zu institutionalisieren ist. letzt auch durch Personal mit Migrationshintergrund. Für Träger, die gleichzeitig mit anderen Zielgruppen ar- Welche Erfahrungen wurden bisher beiten, so z.B. in Projekten der Jugendberufshilfe, sind in der Projektarbeit gemacht? Formen der internen Zusammenarbeit sinnvoll. Daraus ergibt sich oft ein erleichterter Zugang zu Bewerber/in- Die Teilnehmer/innen stellten ihre Projekte zur Förderung der nen. Zudem können Ausbildungsplätze gezielter besetzt „Ausbildung in Migrantenunternehmen“ vor, wobei besonders werden. auf die hierbei auftretenden Stärken und Schwächen einge- Projekte, die sich auch die Qualifizierung der Ausbilder/ gangen wurde. Durch den Austausch konnten viele Gemein- innen zum Ziel gesetzt haben, genießen ein stärkeres samkeiten, aber auch Differenzen bei der Einschätzung der Vertrauen. Rahmenbedingungen und der bisher angewandten Strategien Zusammenfassend ist zu resümieren, dass im Workshop vor entdeckt werden. allem die Netzwerk-, Vertrauens- und Kompetenzentwicklung als besonders erfolgsrelevant eingestuft wurden. Die Identifizie- rung der genannten Stärken bedeutet aber nicht, dass solche bei allen Projekten in erforderlichem Umfang vorhanden sind.
ERFAHRUNGSAUSTAUSCH Als Schwächen bzw. Nachteile wurden genannt: Welchen Beitrag leistet die Wissenschaft? Projekte sind häufig zu kurzfristig bzw. nur mit gerin- Die praktische Projektarbeit und die empirische Erforschung ger Vorlaufzeit ausgeschrieben. Dies behindert die Ent- der Perspektiven und Probleme von Migrantenunternehmen wicklung alternativer Konzepte und führt ggf. auch zum haben bisher nur in geringem Maße den Weg zueinander ge- Ausschluss von Anbietern mit neuen Ideen. funden. Soweit dies der Fall war, handelte es sich zumeist um Soweit Projekte eine kurze Laufzeit besitzen, kann bei eine örtliche und eng in den Projektgrenzen verlaufende wis- den teilnehmenden Betrieben und Jugendlichen nicht senschaftliche Begleitung, die nur bedingt auch vergleichbare die erforderliche Nachhaltigkeit in Bezug auf die Ausbil- oder generalisierbare Erkenntnisse zugelassen hat. Erforderlich dungsleistungen erzielt werden. sind jedoch sowohl überregionale Beobachtungen als auch re- Vielen Projekten fehlt das Wissen, welche Erfahrungen präsentative Daten. bisher in anderen Projekten gemacht wurden und wel- Vor diesem Hintergrund wurden vom Institut für Mittel- che Konzepte und Maßnahmen zu Erfolg und welche zu standsforschung der Universität Mannheim (Dr. René Leicht, Misserfolg führen. Joana Tur Castello) einige Untersuchungsergebnisse zur Bedeu- Ein solches Erfahrungswissen kann auch in den projekt- tung von Migrantenbetrieben (bundesweite Befunde) und zu führenden Institutionen kaum in interner Form gewon- deren Ausbildungsbereitschaft vorgestellt. In Kürze lassen sich nen werden, da die Förderstrukturen es häufig gar nicht diese wie folgt zusammenfassen: zulassen, dass erfahrene Mitarbeiter/innen weiterbe- Die Zahl der Unternehmer/innen mit Migrationshin- 12 schäftigt werden. Die Kooperation mit anderen Institutionen erweist sich tergrund nahm in den letzten Jahren in etwa dreimal so stark zu wie die der „Deutschen“, was entspre- in bestimmten Fällen nicht nur als Stärke; sondern auch chende Implikationen für das derzeitige und künftige als Schwäche, sofern die Kooperationspartner auf ihren Ausbildungspotenzial birgt. „alten Pfaden“ verharren: So hat sich bspw. die Zusam- Mit Blick auf die relative Stärke der Unternehmer/innen menarbeit mit einer Kammer bei der Akquise von Unter- mit Migrationshintergrund bildet Baden-Württemberg nehmen mancherorts als nachteilig erwiesen, da dies als das Schlusslicht im Ländervergleich. Gleiches gilt auch Einmischung in bestehende Strukturen bzw. als Konkur- für Stuttgart in Bezug auf die deutschen Großstädte. renz empfunden wurde. Seit der Erweiterung der EU verlieren die selbständigen Unklar war bis dato, inwieweit sich die Wiedereinfüh- Migrant/innen aus den klassischen Anwerbeländern rung der AEVO als hinderlich bei der Akquise von Be- gegenüber denjenigen aus Osteuropa an Bedeutung. trieben erweist. Absolut stellen diejenigen italienischer und türkischer Bei Ausdehnung eines Projektes in ein regionales Um- Herkunft in Baden-Württemberg zwar noch die größ- feld, in welchem die Institution noch wenig verankert ten Gruppen, aber über das Qualifizierungsverhalten ist, muss wesentlich mehr Zeit und Aufwand in das Pro- der zahlenmäßig schnell wachsenden osteuropäischen jekt investiert werden und Erfolgszahlen stellen sich zö- Unternehmer/innen (v.a. aus Polen) liegen noch weniger gerlicher ein. Informationen vor. Zusammenfassend betrachtet wurde herausgestellt, dass es Die Ausbildungsbeteiligung von Migrantenunternehmen den Projekten vor allem an Zeit, Akzeptanz sowie an Informati- liegt noch ein gutes Stück hinter der von „einheimischen“ onen und Wissen fehlt, um die geleistete Arbeit zu reflektieren Betrieben. Doch soweit Migrant/innen ausbilden, dann und weiter zu entwickeln. (je nach ethnischer Herkunft) mit teils gleicher Intensität
ERFAHRUNGSAUSTAUSCH (Ausbildungsquote). Über die Nachhaltigkeit ist aller- In Bezug auf einzelne Unterstützungsmaßnahmen ist dings noch wenig bekannt. unter Migrantenbetrieben der Zuspruch in fast allen Migrantenunternehmen lassen sich nicht als homoge- Punkten höher als in von „deutschen“ Inhaber/innen ge nes Gebilde fassen. Das Ausbildungsverhalten variiert führten Betrieben. mit der ethnischer Herkunft der Inhaber/innen, da die Soweit Migrantenbetriebe ausbilden, ist ihr Bedarf an ex Bildungsressourcen auch ganz unterschiedlich sind. ternem Ausbildungsmanagement (v.a. Beratung, Nach Aufgrund verschiedener Erfahrungswelten haben be- hilfe, Mediation, sozialpädagogische Betreuung) weit hö- stimmte Hemmnisse für die ausbildenden und die nicht- her als bei „Deutschen“. ausbildenden Betriebe teils ganz unterschiedliche Be- deutung, was entsprechende Folgen für die Akquisestra- Bei allem ist hervorzukehren, dass die aufgelisteten wis- tegien hat. Für bereits ausbildende Migrantenbetriebe senschaftlichen Befunde (Auswahl) zunächst nur einen Trend haben betriebsinterne Bedingungen weniger Bremskraft auf Bundes- und Landesebene widerspiegeln. Einige erste Un- als für nicht ausbildende, während umgekehrt die Aus- tersuchungsergebnisse auf lokaler Ebene, darunter vor allem bildungsaktiven stärker mit der Überwindung extern er- aus Mannheim, lassen jedoch erkennen, dass das Bild starken zeugter Probleme (z.B. institutionelle Hürden) kämpfen. regionalen Schwankungen unterliegt, nicht zuletzt, weil die Migrantenbetriebe beklagen stärker als die „deutschen“ nationale Herkunft der Unternehmensinhaber/innen, aber vor Betriebe rechtliche, bürokratische und wirtschaftliche allem auch die gelebte Ausbildungskultur in den Regionen dif- Hürden im Umgang mit dem Dualen System. ferieren. Wünschenswert sind daher weitere Untersuchungen Im Ausbildungsmotiv „Fachkräftebedarf“ unterscheiden sich Unternehmer/innen mit und ohne Migrationshinter- in bestimmten Städten und Gemeinden. 13 grund kaum, v.a. wenn der Brancheneffekt kontrolliert Welches sind die wichtigsten Problemfelder? wird. Ausbildende Migrantenbetriebe suchen in der Regel Es wurde ein Meinungsbild zu den wichtigsten Problemfel- ihre Auszubildenden weit seltener über formelle (z.B. dern im Ausbildungsprozess erstellt. Hier wurden vier Felder als Arbeitsagentur) und häufiger über informelle Wege besonders wichtig identifiziert. Diese Probleme betreffen (1) die (Ausnahme: italienischstämmige Unternehmer/innen). Akquise von Betrieben, (2) die Besetzung der Ausbildungsplätze, Vor allem türkischstämmige Ausbilder/innen gehen den (3) die Begleitung im Ausbildungsprozess, (4) die Qualifizierung Weg über Bekannte und das engere Umfeld. der Ausbilder/innen und als Querschnittsthema die Kooperati- Migrant/innen bilden zu einem weit höheren Anteil on mit den Institutionen. Diese Themen wurden in den darauf sogenannte „benachteiligte“ Jugendliche aus. Haupt- folgenden Workshops behandelt. schüler/innen und natürlich solche mit Migrationshinter- grund haben dort eine fast doppelt so große Chance einen Ausbildungsplatz zu bekommen. Das heißt, die Akquise von Migrantenbetrieben bringt für die Nachfra- geseite und die einschlägigen Förderinstitutionen einen höheren „Ertrag“.
AKQUISE Auf die Wertschätzung kommt es an Ausbildungsbereitschaft und Akquise von Migrantenbetrieben Welche Faktoren hemmen oder begünstigen siteur/innen besitzen müssen, um Migrantenbetriebe zur Teil- die Anwerbung von Betrieben? nahme am Dualen Berufsbildungssystem zu motivieren. Dies ist auch eine Frage der Perspektive: Verschiedene Befragungen Für alle Projekte, die sich mit der Ausbildung in Migranten des ifm Mannheim ermitteln diese Anforderungen aus der Sicht unternehmen befassen, gehört es (vereinfacht formuliert) zu der Migrantenbetriebe. Eine andere Sicht ergibt sich aus den ihrem „Kerngeschäft“, die Betriebsinhaber/innen von den Vor subjektiven Erfahrungen der Projekte im Umgang mit den Be- teilen einer Ausbildungsbeteiligung zu überzeugen und den trieben. Bedenken sachlich zu begegnen. Die Einflussfaktoren und Ak- quisestrategien sind nicht nur für die Ausbildungsmarktpolitik, Wie wichtig ist ein Migrationshintergrund? sondern auch für die Projektträger von zentraler Bedeutung. Ohne eine ausreichende Zahl an ausbildungsbereiten Unter- Es wurde die Frage diskutiert, ob es förderlich ist, wenn Ak- nehmen sind Projekte, vor allem wenn sie erprobenden Cha- quisiteur/innen selbst einen Migrationshintergrund besitzen. 14 rakter haben, von Beginn an zum Scheitern verurteilt. Der Erfolg von Anwerbungsstrategien wird aus zwei grund- Als Vorteil erscheint, dass sich Unternehmer/innen eher verstan- den fühlen, da sie bei ihrem Gegenüber ähnliche Erfahrungen sätzlich unterschiedlichen Richtungen beeinflusst: Zum einen voraussetzen. Dabei steht nach Einschätzung der Arbeitskreis- müssen die Projektträger bzw. werbenden Institutionen be- mitglieder weniger die jeweilige Herkunftssprache im Vorder- stimmte Fähigkeiten und Eigenschaften besitzen. Zum anderen grund, sondern ein sensibles Auftreten, bei welchem sich die steht deren Anwerbungs- und Problemlösungskompetenz in Betriebsinhaber/innen „akzeptiert“ fühlen und auf ihre Belange engem Zusammenhang mit dem Wissen um die Hemmnisse eingegangen wird. Hinzu kommt, dass Akquisiteur/innen mit und Bedarfe der umworbenen Migrantenbetriebe. migrantischem Hintergrund für die Akquise zusätzlich eigene Entsprechend befasste sich der Workshop (erstens) mit den soziale Netzwerke nutzen können, um Zugang zu Betrieben zu persönlichen Anforderungen, die an die Akquisiteur/innen zu erhalten. Einige waren der Meinung, dass der Einsatz der jewei- richten sind sowie (zweitens) mit den Bedingungen, welche ligen Muttersprache zwar für die erste Generation der „Gast die Projektträger organisatorisch zu bewältigen haben. Und arbeiter“ wichtig sei, ansonsten jedoch eher zweitrangig. schließlich stand (drittens) der Blickwinkel der Betriebe im Vor- Es gibt keine wissenschaftliche Untersuchung, welche die dergrund, die sich nur unter bestimmten Bedingungen an der Hypothese belegt, dass Ausbildungsplatzwerber/innen mit Mi- Ausbildung beteiligen. grationshintergrund die besseren „Türöffner“ sind. Allerdings wurde in einer Studie des ifm zum Beratungsbedarf von Un- Welche Anforderungen müssen die ternehmer/innen mit Migrationshintergrund festgestellt, dass Akquisiteurinnen und Akquisiteure erfüllen? sich diesbezüglich die Bedarfe je nach ethnischer Herkunft unterscheiden. So wünschen sich beispielsweise türkischstäm- Es gibt bislang kaum systematisch gesammelte Erkenntnisse, mige Unternehmer/innen viel eher Berater/innen (und daher welche persönlichen Eigenschaften und Fähigkeiten die Akqui- vielleicht auch Akquisiteur/innen) aus der eigenen Ethnie, wäh-
AKQUISE rend andererseits russischstämmige Unternehmer/innen nicht nen Ausbildungsordnungen einarbeiten, um die Inhaber/innen unbedingt von co-ethnischen Personen beraten (oder besucht) kompetent beraten zu können. In diesem Zusammenhang werden möchten, da sie hierin teilweise eine Stigmatisierung wurde auch darauf hingewiesen, dass in einigen Projekten die sehen. Akquisiteur/innen bei der Ausbildungsberatung der Kammern angesiedelt sind. „Interkulturelle Kompetenz“ – nur ein Schlagwort? Neben der fachlichen Qualifikation spielen nach Ansicht der Diskutanten auch soziale Kompetenzen bzw. Soft Skills eine Die Forderung nach „interkultureller Kompetenz“ wurde zentrale Rolle. Wichtig sei bspw. ein hohes Maß an Kommuni- auf breiter Front in den Grundwortschatz der Projekt- und Be- kationsfähigkeit und die Fähigkeit, über die ausgewiesene Qua- ratungsszene aufgenommen und als wichtig im Umgang mit lifikation eine Vertrauensbasis zu den Betriebsinhaber/innen zu Migrant/innen erachtet, obwohl oftmals nicht klar wird, was schaffen. hierunter zu verstehen ist. Interkulturelle Kompetenz beinhal- Offenbar entwickelt jede Werberin und jeder Werber ein ei- tet, unterschiedliche kulturelle Orientierungen und Lebenswei- genes Konzept des Auftretens bei den Betrieben. Generell sind sen von Individuen und Gruppen anzuerkennen und ihnen Gel- immer mehrere Besuche notwendig, die gut vorbereitet sein tung zu verschaffen sowie die Fähigkeit, mit kultureller Vielfalt sollen. Haben sich die Kontakte zwischen den Unternehmer/ und den damit verbundenen unterschiedlichen Bedürfnissen innen und den Werber/innen stabilisiert, äußern die Unterneh- und Interessenlagen kompetent umzugehen. mer/innen oft noch Beratungsbedarf außerhalb des Themas Neben solchen Aktivposten kommt es nach Ansicht der Ausbildung. Gerade bei Werber/innen aus der gleichen Ethnie Workshopteilnehmer/innen aber auch auf Formen des passiven Verhaltens an: Es wurde übereinstimmend bemerkt, dass die wird eher die Bereitschaft vorausgesetzt, auch bei familiären und betrieblichen Anliegen zu unterstützen. Das bedeutet 15 Werber/innen immer „politisch“ neutral auftreten sollten. In zwar mehr Aufwand, erleichtert aber auch die Kooperation mit vielen Communities gibt es unterschiedliche religiöse und po- dem Betrieb, wenn sich die Akquisiteur/innen als verlässliche litische Strömungen, die sich in Vereinen u.ä. organisieren. Al- Ansprechpartner/innen für den Betrieb erweisen. Einige Ausbil len Unternehmer/innen sollte bei der Akquise mit der gleichen dungsplatzwerber/innen sprachen auch von „Beziehungsarbeit“. Wertschätzung begegnet werden. Welcher organisatorische und institutionelle Welche Rolle spielen die Qualifikationen und sozialen Rahmen erscheint geeignet? Kompetenzen? Projekte zur Gewinnung von Ausbildungsbetrieben sind in Ein im Dualen Berufsbildungssystem erzielter Abschluss gibt aller Regel in Dachorganisationen eingebunden. Diese bringen den Akquisiteur/innen ggf. Sicherheit im Anwerbungsprozess. jedoch hinsichtlich der Akquise von Migrantenunternehmen Ideal wären zusätzlich eigene unternehmerische Erfahrungen. unterschiedliche Voraussetzungen mit sich. Wesentlichen Ein- Die Befragungsergebnisse des ifm legen nahe, dass es Migran fluss auf die Akquisesstrategie und deren Ausrichtung nehmen tenbetriebe besonders schätzen, wenn Beraterinnen und Bera- aber auch die Zielvorgaben der Förderinstitutionen. Ein weite- ter zuvor selbst ein Unternehmen geführt haben. res organisatorisches Problem ist der Zugang zu den Adressen Eventuell sind Kenntnisse über ganz unterschiedliche Aus potenzieller Ausbildungsbetriebe. bildungsberufe von größerem Nutzen als eine fachspezifische Qualifikation in einem bestimmten Beruf. Abhängig von Beruf und Branche müssen sich die Werber/innen in die verschiede-
AKQUISE Welche Folgen haben die institutionelle Zugehörigkeit Exkurs bzgl. der Förderziele und der Qualität und Nach- und die Zielvorgaben? haltigkeit der Ausbildungsplätze: Die Zugehörigkeit zu klassischen Wohlfahrtsverbänden wie Ein Problem besteht hinsichtlich der übergeordneten Zielset- Arbeiterwohlfahrt, Caritas oder Diakonie kann den Zugang zu zungen in den Förderprogrammen und -institutionen und den Betrieben möglicherweise erschweren, da deren Genre und Tä- Kriterien der Zielerreichung: Vor Jahren wurden viele Förder tigkeitsfeld weniger mit betrieblich relevanten Fragen in Verbin- programme (und darauf aufbauend auch Projekte) mit dem Ziel dung gebracht wird. Hingegen wurde die Position der Vertre- implementiert, für benachteiligte Jugendliche geeignete Aus ter/innen von Kammern im Workshop ambivalent eingeschätzt: bildungsplätze zu schaffen. Ein Zielerreichungskriterium war Einerseits werden sie durch ihre Zugehörigkeit als besonders die Zahl der geschaffenen Ausbildungsplätze (oft unabhängig fachlich kompetent angesehen, andererseits könnte ihr Auftre- von deren Güte). Da man erkannte, dass eine Vermehrung von ten in Betrieben auch als „Kontrollbesuch“ verstanden werden. Ausbildungsplätzen nur durch eine Erhöhung der Ausbildungs- Erfahrungsgemäß wirken Visitenkarten von einer Kammer oder bereitschaft erzielt werden kann, folgte teilweise (z.B. mit dem Arbeitsagentur gewichtiger als die Karte eines Bildungsträgers. JOBSTARTER-Programm) ein Paradigmenwechsel, indem die Die Rolle der Organisationen wird von den Migrantenunter- Interessen der Betriebe (KMU) in den Vordergrund gestellt wur- nehmen unterschiedlich gesehen; einerseits als „soziale Hel- den. Die Betriebe haben aber auch ein Interesse an geeigneten fer“, andererseits nüchtern als Dienstleister auf dem Feld der Bewerber/innen und an nachhaltigen Ausbildungsverhältnis- Wirtschaftsförderung. Die erstgenannte Sicht setzt eine Hilfs- sen. Allerdings orientieren sich die Erfolgskriterien bei der Be- 16 bedürftigkeit voraus, die für eine Begegnung auf Augenhöhe wenig förderlich ist. Wird hingegen „Wirtschaftsförderung“ urteilung von Projekten nach wie vor an der Anzahl geschaffe- ner Ausbildungsplätze, weshalb die Projekte oft weniger auf angeboten, kann diese dennoch mit einer Unterstützung bei die Qualität und Nachhaltigkeit als vielmehr auf die Quantität administrativen Vorgängen zum Thema Ausbildung verbunden setzen. Insofern stehen die Förderziele und die Indikatoren für werden. Die Dienstleistung hat auch die Funktion einer Schnitt- deren Erfüllung in einem Widerspruch. stelle zu anderen ausbildungsrelevanten Institutionen. Neben der institutionellen Zugehörigkeit der Projekte haben Wie identifizieren Projekte Interessenten und potenzielle auch die Zielvorgaben der Förderinstitutionen (zumeist staatli- Ausbildungsbetriebe? che bzw. kommunale Stellen) erheblichen Einfluss auf die Art und Weise, wie Projekte in Bezug auf die Akquise von Betrieben Ein Problem, welches alle Projektträger wesentlich beschäf- organisiert und durchgeführt werden. Je nach Förderprogramm tigt, ist die Frage, wie man an die Adressen der potenziell zu ak- müssen die zu gewinnenden Betriebe erstmalig oder zusätz- quirierenden Unternehmen kommt und worauf beim Zugang lich ausbilden, um die Förderkriterien zu erfüllen und der Pro- zu Betrieben zu achten ist. Hier wurden vier unterschiedliche jekterfolg wird häufig lediglich an der Zahl der geschaffenen Strategien diskutiert: Ausbildungsplätze gemessen. Dies hat zur Folge, dass sich die Entweder wird auf Unternehmensadressen zurückgegriffen, Akquisesstrategien eher an quantitativen und weniger an qua- wie sie beispielsweise bei Kammern, Wirtschaftsfördergesell- litativen Zielen orientieren. schaften oder auch Migrantenverbänden vorliegen, oder es werden Netzwerke bemüht, indem Ausbildungsbetriebe auf In- teressenten verweisen („Schneeballsystem“). Eine dritte Mög- lichkeit besteht im „Abklappern“ bzw. Aufsuchen von Betrie- ben mittels „Rundgängen“ in den Stadtteilen mit hohem Anteil
AKQUISE an Migrantenbetrieben. Eine Alternative hierzu ist die systema- Bei der Beratung von Jugendlichen wurde die Erfahrung tische Identifizierung mittels Namensanalysen im Telefonbuch. gemacht, dass diese selbst Firmen kennen oder sie wurden Es gab unterschiedliche Einschätzungen hinsichtlich des prin- bewusst losgeschickt, um in ihrem Umfeld nach möglichen zipiellen Zugangs zu den Adressdaten der Kammern, aber auch Ausbildungsbetrieben zu suchen. hinsichtlich ihres Nutzens: Soweit die IHK oder HWK nicht di- rekt in das Projekt eingebunden ist, steht es im Ermessen der Wie sollte der Zugang zu den Betrieben organisiert Kammer, die Daten an Dritte weiter zu geben. Je nach Projekt werden? kann die Anwerbung von Ausbildungsbetrieben von Kammern als Konkurrenz zu den eigenen Werber/innen gesehen werden, Die Anwerber/innen sollten sich nicht ausschließlich auf eine d.h. die Akquisiteur/innen des Projektes erhalten wenig Unter- Strategie verlassen, d.h. immer mit mehreren Optionen arbei- stützung durch die Kammer. Werden keine Adressdaten weiter- ten. Die Akquise erfordert ein hohes Maß an zeitlicher Flexibili- gereicht, werden oftmals Datenschutz-Argumente angeführt. tät, insbesondere was den Betriebsbesuch betrifft. Allerdings setzt dies voraus, dass die Kammern Betriebsinhaber/ Die Anwerbungsphase ist zeitintensiv. Aus diesen und an- innen mit Migrationshintergrund „herausfischen“, was selten deren Gründen sollten die Unternehmen nicht willkürlich, möglich ist. Zu berücksichtigen ist ferner, dass die Kammern sondern gezielt gewählt werden. Anstrengungen zur Akquise nicht alle Unternehmen erfassen. D.h. die Adressdaten vieler eines bestimmten Betriebes lohnen sich, wenn bestimmte Ei- Unternehmen aus den Freien Berufen (Rechtsanwälte, Steuer- genschaften erkennbar sind: berater, Ärzte usw.) sind nicht bei der IHK oder HWK, sondern Ernsthafte Übernahme der Ausbilderrolle: Die künftigen bei anderen Kammern oder Verbänden registriert. Hier ist der Zugang nicht leichter. Ausbilder/innen müssen sich der auf sie zukommenden Aufgabe bewusst sein. 17 Das ifm greift bei seinen Untersuchungen auf eine Telefon- Wirtschaftliche Stabilität: Das heißt, das Unternehmen adressbuchdatei zurück, die es erlaubt, Namen ausländischer sollte nicht „auf der Kippe“ stehen und auch in der Herkunft mittels der Erkenntnisse der Onomastik (Namensfor- Lage sein, die Ausbildungsvergütung kontinuierlich zu schung) herauszufiltern und einzelnen Nationalitäten zuzuord- leisten. Werden instabile Betriebe akquiriert und das nen. Die Daten bieten gleichzeitig Informationen über die zu- Ausbildungsverhältnis scheitert, wirkt sich das auf das gehörige Branche. Diese Adressdatengenerierung ist allerdings Image des Projektes aus. mit Arbeitsaufwand und entsprechenden Kosten verbunden. Verantwortliche Person im Betrieb: Es muss erkennbar In einigen Regionen gibt es mittlerweile Branchenbücher sein, wer die Verantwortung für die Ausbildung über- mit Bezug auf Migrantenunternehmen, meist jedoch nur für nimmt. „türkische“ Betriebe. Dazu kommen Magazine und Zeitun- Motivation der Inhaber/innen oder potentiellen Ausbil- gen, die sich an bestimmte Ethnien richten. Hier finden sich dungspersonals zur Qualifizierung (AdA). oft Anzeigen, aus denen sich Adressen gewinnen lassen. Als Ein Anwerber formulierte folgendermaßen: “Möchte ich, weitere Möglichkeit wurden die Konsulate genannt. Ebenso die dass in diesem Betrieb meine Tochter oder mein Sohn ausge- verschiedenen ethnischen Vereine, Unternehmerverbände und bildet wird?“. Allen war jedoch klar, dass niemand bei einem entsprechende Veranstaltungen (Festivitäten) dieser Organisa- Betrieb in letzter Konsequenz garantieren kann, dass die Aus- tionen. bildung gelingt. In der regionalen Presse werden in der Regel die Einträge in das Handelsregister veröffentlicht. Allerdings finden sich hier- unter wenig Migrantenbetriebe.
AKQUISE Unter welchen Bedingungen wären Was sind die Hürden in der Ausbildungsbereitschaft? Migrantenbetriebe bereit, auszubilden? Unter den bisher nicht ausbildenden Betrieben schlagen we- Inwieweit Migrantenunternehmen erfolgreich akquiriert niger als erwartet die externen Rahmenbedingungen wie etwa werden können, hängt auch davon ab, inwieweit die Projekte die bürokratischen Hürden zu Buche (die rund ein Drittel be- den betrieblichen Erfordernissen nachkommen können. Hin- klagen), sondern viel eher die betriebsinternen Voraussetzun- sichtlich der Ausbildungsbereitschaft hat das ifm die Hemmnis- gen: Rund die Hälfte (45 %) aller befragten Migrantenbetriebe se und den Unterstützungsbedarf von Klein- und Mittelbetrie- sieht ein Ausbildungshemmnis in dem „Mangel an Zeit und an ben sowie auch speziell von Migrantenbetrieben (auf Grund- Personal“. Daher dürften Projektangebote, die auf ein externes lage einer Unternehmensbefragung in Mannheim) ermittelt. Ausbildungsmanagement zielen, auf fruchtbaren Boden fallen. Einige ausgewählte Untersuchungsergebnisse des ifm wurden Wiederum fast die Hälfte der Betriebsinhaber/innen befürch- (ergänzend zu denen im ersten Workshop) vorgestellt. Bei al- tet zudem, dass die Ausbildungskosten zu hoch wären. Hier lem ist zu beachten, dass es sich um Durchschnittswerte für alle könnten daher exemplarisch Kosten-Nutzen-Rechnungen vor- Migrantenbetriebe handelt, wobei sich die Strukturen, Hemm- geführt werden, die belegen, dass den Kosten ein erheblicher nisse und Anreize jedoch je nach nationaler Herkunft unter- Ertrag gegenüber steht. scheiden. Was sind die Anreize auszubilden? Gibt es Unternehmensbereiche, die sich nicht für die 18 Anwerbung eignen? Interessanterweise sind die Betriebsinhaber/innen mit Migra- tionshintergrund, die sich bereits zu einem Ausbildungsengage- Prinzipiell sollten keine Segmente im Vorhinein ausgeschlos- ment entschlossen haben nicht häufiger als die Deutschen der sen werden, zumal es ja auch ein politisches Ziel ist, dass Meinung, dass Ausbildung ein schwieriges Unterfangen wäre. Migrantenbetriebe auf allen Ebenen partizipieren und keine Ni- Es kommt also darauf an, Migrantenbetriebe erst mal in den schen entstehen. Es gibt aber auch aus wissenschaftlicher Sicht Kreis der Ausbilder zu holen. Welche Attraktivität eine Ausbil- keine Argumente hierfür: Denn in der Ausbildungsbereitschaft dung im eigenen Unternehmen ausüben könnte, zeigt sich u.a. zeigen sich ähnliche Branchenunterschiede wie bei den einhei- an den Motiven der bereits ausbildenden Migrantenbetriebe: mischen Betrieben. (Allerdings sind Migrant/innen in bestimm- Dort rangiert an vorderster Stelle die Einsicht, dass die selbst ten Wirtschaftszweigen stärker präsent und in anderen unter- ausgebildeten Kräfte besser in den Betrieb passen. Rund 85% repräsentiert.) Und wie bei „deutschen“ Unternehmen nimmt der Migrant/innen sind dieser Meinung. Ein gewichtiges Motiv mit zunehmender Betriebsgröße folglich die Ausbildungsbe- ist natürlich auch der „Fachkräftebedarf“, den vier von fünf teiligung (aber nicht die Ausbildungsintensität) zu, was jedoch Unternehmen als eines der Hauptmotive angeben. Diese Fest- nicht als Leitkriterium für Akquisestrategien dienen kann, da stellung ist nicht trivial, weil gleichzeitig zu konstatieren ist, dass Migrantenunternehmen überwiegend kleinbetrieblich struktu- Migrantenunternehmer/innen etwas weniger häufig als die riert sind. Die Anwerbungsbemühungen sollten, entgegen all- „Deutschen“ (aber immerhin zu über 60 %) der Ansicht sind, gemeinen Vorurteilen, auch Neugründungen einschließen. Die dass Ausbildung eine „soziale und gesellschaftliche Verpflich- ifm-Analysen zeigen auf, dass es unter den Migrant/innen vor tung“ darstellt. Der Umstand, dass dieser Sicht stärker noch die allem die jüngeren Unternehmen sind, die sich überproportio- gut vernetzten türkischstämmigen Ausbilder/innen zustimmen, nal für Ausbildung interessieren. zeigt, dass neben betriebswirtschaftlichen Argumenten bei der Akquise auch Werthaltungen ins Feld gerückt werden können.
AKQUISE Gibt es regionale Unterschiede in den Motivlagen und tur entwickelt. Die Workshopteilnehmer/innen schlugen dem Hemmnissen? ifm daher vor, die in den Workshop-Treffen gewonnenen Ein- schätzungen durch eine regionenübergreifende Befragung von Es kann nach bisherigen Befunden davon ausgegangen wer- Migrantenbetrieben zu komplettieren. Hierdurch könnte auch den, dass die dargestellten Untersuchungsergebnisse zwischen die Sicht der Projektträger und der Akquisiteur/innen mit der den Städten und Kreisen Baden-Württembergs variieren. So hat Sicht der Migrantenbetriebe abgeglichen werden. Momentan sich bspw. in Mannheim durch das Engagement von Kommu- fehlen jedoch hierfür mögliche Auftraggeber, die solche Befra- ne und Vereinen eine bundesweit beachtete Ausbildungskul- gungen auf kommunaler Ebene finanzieren. Ausbildungshemmnisse bei nicht-ausbildenden Betrieben Baden-Württemberg "Migrantenbetriebe" Inhaber/innen ohne Migrationshintergrund extern bedingte Hemmnisse Rechtl. Regelungen erschweren Ausbildung Zu hoher bürokratischer Aufwand 19 Zu schwer, geeignete Azubis zu finden Trennung von ungeeignetem Azubi zu schwierig Wegen Berufsschule sind Azubis zu wenig im Betrieb betriebsbedingte Hemmnisse Der Betrieb ist zu klein um auszubilden Kein Bedarf an jungen Fachkräften Es fehlt an Zeit und Personal Ausbildungskosten sind zu hoch Wirtschaftliche Lage des Betriebs zu unsicher Bessere Erfahrung mit Rekrutierung a.d. Arbeitsmarkt Betrieb ist zu stark spezialisiert 0 10 20 30 40 50 60 70 Quelle: Ausbildungsplatzpotenzialanalyse ifm Universität Mannheim
AKQUISE „Es lohnt sich“ Tübinger Unternehmerehepaar setzt ein Zeichen für Ausbildung Giovanni und Gabriele Lo Castro führen seit elf Jahren das italienische Restaurant „Da Giovanni“ in Tübingen. Im Ausbil- dungsjahr 2007/2008 bildete das Ehepaar insgesamt sechs jun- ge Menschen aus, zwei Auszubildende für den Bereich Küche, vier Auszubildende unterstützen den Service. Bei sechs Auszubildenden ist während der gesamten Ausbil- dungszeit sehr viel Verwaltungsarbeit zu erledigen. Bei Bedarf unterstützt der Ausbildungsplatzbetreuer auch hier das Unter- nehmerehepaar. Ali Sevinc und Daniel Albrich besuchen die Tü- binger Gastronomen regelmäßig und halten sie über aktuelle Informationen zur Ausbildung auf dem Laufenden. „Nicht nur 20 wir profitieren von der Unterstützung, auch unsere Auszubil- denden wissen, dass sie sich bei Fragen und Problemen, zum Beispiel in der Berufsschule, an den Ausbildungsplatzbetreuer der BruderhausDiakonie wenden dürfen“, betont der Restau- rantbesitzer. Seine Frau möchte andere Unternehmerinnen und Unterneh- mer dazu „anstiften“, ebenfalls Ausbildungsplätze zu schaffen: „Wir können unseren Kollegen, die keine oder wenig Erfahrung mit dem Thema Ausbildung haben oder die vielleicht Sprach- barrieren überwinden müssen, nur empfehlen, die Angebote und Hilfeleistungen der BruderhausDiakonie in Anspruch zu nehmen. Es lohnt sich“
AKQUISE „Sehr viele konstruktive und aufklärende Gespräche“ Eine erfolgreiche Akquise erfordert Zeit und Pflege Anibal Marques Ausbildungsplatzwerber HWK Freiburg Ein messbarer Erfolg anhand von Stückzahlen ist schwer zu erfassen und nachzuweisen. Die Betriebe teilen nicht unbedingt mit, wenn sie nach dem Akquise- oder Beratungsgespräch einen Lehrling einstellen oder wenn sich ein Betrieb erst nach Jahren dazu entschließt auszubilden. Wichtig ist, dass die Betriebe für das Thema Ausbildung sensibilisiert werden und sie einen An- sprechpartner haben, auf den sie zurückgreifen können. Da die Bereitschaft auszubilden in der Regel nicht schon nach einem ersten Gespräch besteht, sind weitere Kontakte notwendig, in denen die Voraussetzungen geschaffen werden können. Vor- aussichtlich werden die nächsten Projektjahre neben neuer Un- ternehmensakquise besonders von der Pflege der bestehenden Kontakte geprägt sein. 21 Der Akquisezeitpunkt in der zweiten Jahreshälfte von 2009 er- folgte zu einer relativ ungünstigen Zeit. Durch den zeitlich nah stehenden Lehrbeginn haben die Betriebe in der Regel das The- Betriebe ohne Ausbildungsberechtigung wurden über die ver- ma Ausbildung auf das nächste Jahr verschoben. Dennoch gab schiedene Wege zur Ausbildungsberechtigung beraten. Es wur- es Betriebe, die sich nach dem Akquise- bzw. Beratungsgespräch de im Einzelfall geklärt, wie der Betrieb diese für sich erlangen gleich dazu bereit erklärt haben, einen Ausbildungsplatz oder kann und welche Voraussetzungen vielleicht geschaffen werden Einstiegs-Qualifizierungsplatz zu schaffen. müssen, um die Möglichkeit zu haben, im eigenen Betrieb aus- zubilden. Es sind 2009 (ab 01.Juli) 206 Betriebe und 2010 (bis 30.Juni) 230 Betriebe besucht worden, einige Betriebe mehrmals. Die Für die Migrant/innen der ersten Generation, die nicht hier in 436 Betriebe sind, sofern gewünscht, mit Informationsmaterial Deutschland aufgewachsen sind, somit auch nicht die deutsche Schwerpunkt Ausbildung, mit berufbezogener Ausbildungsord- Schule besucht haben, ist Deutsch eine schwierige Fremdsprache. nung, Standortatlas und überbetrieblichen Ausbildungsplänen Oft wird der Kontext eines gelesenen Satzes nicht verstanden, versorgt und beraten worden. weil dieser in „Juristendeutsch, Amtsdeutsch“ geschrieben ist, Es sind sehr viele konstruktive und aufklärende Gespräche mit wie z.B. „die widerrufliche Zuerkennung der fachlichen Eignung“ den Betriebsinhaber/innen entstanden. Dabei wurden diese über (Ausbildungsberechtigung). Von daher brauchen viele Betriebe die aktuellen Förderprogramme informiert, wie EQ, abH und Aus- mit Migrationshintergrund, die die Ausbildungsberechtigung er- bildungsbonus. langen wollen, (zeit-)intensive Betreuung.
AKQUISE „So manche Tasse Tee oder Kaffee wird getrunken ...“ Mobilisierung von Betriebsinhaber/innen Hasan Aydogan ikubiz Ausbildungsverbund Mannheim trunken, bis alle Modalitäten einer Ausbildung besprochen sind. Dann erfolgt der gemeinsame Besuch der ausgewählten und Ich bin Lehrer und Volkswirt und lebe seit 1980 in Mann- vorbereiteten Betriebe mit den Ausbildungsberater/innen der heim. Seit über 25 Jahren arbeite ich beim Interkulturellen Bil- IHK. Ausbildungsbarrieren, wie die fachliche Eignung der Aus- dungszentrum gGmbH Mannheim ikubiz. Ein multikulturelles bilder/innen oder fehlende Ausbildungsinhalte, können durch Team unterstützt die Jugendlichen bei ihrer Suche nach einem unser Qualifizierungsangebot und den ergänzenden Verbund- Ausbildungsplatz, bei Bewerbungen und in Krisensituationen. unterricht genommen werden. Dort habe ich Migrant/innen in allen Lebenslagen beraten. Seit 1996 mobilisiere ich Betriebsinhaber/innen ausländischer Her- kunft kontinuierlich, Ausbildungsplätze zu schaffen und unter- „Bir fincan kahvenin kırk yıl hatırı vardır“ stütze die an der Ausbildung Beteiligten während der Ausbil- dungszeit. „Wenn man eine Tasse Kaffee zusammen trinkt, 22 Es hat sich viel getan in den letzten Jahren: Den Platz des geht die Freundschaft 40 Jahre lang weiter“ Türkisches Sprichwort traditionellen ausländischen Geschäftmanns ohne Abschluss übernehmen jetzt Männer und mittlerweile auch verstärkt Frauen mit Ausbildungs- und Studienabschlüssen. Auch die Be- triebsbereiche werden vielfältiger, reichen vom klassischen Ein- zelhandel über Gastronomie und Reisebüros bis hin zu neuen Medien oder dem IT-Bereich. Wichtig sind gute Schuhe und ein funktionierendes Mobilte- lefon. Diese Arbeit ist nicht vom Bürostuhl aus zu bewältigen, sondern erfordert viele „Wege“ zu den verschiedensten Betrie- ben. Das persönliche Ansprechen, die Wertschätzung und der beständige Kontakt, über den eine Vertrauensbasis entsteht, sind ausschlaggebend dafür, dass sich ausländische Selbständi- ge an der Ausbildung beteiligen. Meine langjährige Beratungstätigkeit erleichtert den Zugang zu den Betriebsinhaber/innen, die ich teilweise schon seit ihrer Schulzeit kenne. Trotzdem ist Geduld eine wichtige Eigenschaft bei meiner Tätigkeit. So manche Tasse Tee oder Kaffee wird ge-
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BESETZUNG Chancen nutzen – Fachkräfte sichern Besetzung von Ausbildungsstellen in Migrantenunternehmen: Wie gelingt erfolgreiches Matching? Ausbildungsplätze für junge Frauen und das Projekt die Wege zum Ausbildungsplatz. Bei der IHK Rhein Männer mit Migrationshintergrund Neckar werden mit Jugendlichen Berufseignungstests durch- führt, um sie dann entsprechenden Betrieben, auch dem ikubiz Junge Migrantinnen und Migranten haben bereits in der Ausbildungsverbund, zuzuführen. Projekte wie Bonus in Reut- allgemeinbildenden Schule im Vergleich zu Jugendlichen deut- lingen arbeiten direkt mit der Jugendberufshilfe des Trägers zu- scher Herkunft erheblich geringere Chancen, die sich in nied- sammen und haben so Zugang zu Bewerber/innen. rigeren Schulabschlüssen und schlechteren Schulnoten nieder- Die Vernetzung der wichtigsten Institutionen (Arbeitsagen- schlagen, insbesondere bei den Jungen. Ihre Aussichten auf turen, ARGEn, Kammern, Bildungsträger, Kommunen) und einen betrieblichen Ausbildungsplatz verglichen mit Jugendli- eine gute Kooperation mit maßgeblichen Mitarbeiter/innen chen deutscher Herkunft sind jedoch wesentlich schlechter. Der der Institutionen erleichtert eine erfolgreiche Besetzung der Übergang in die Berufsausbildung wird für junge Migrantinnen Ausbildungsplätze. Durch dichte Zusammenarbeit kann die und Migranten zwar durch die schlechteren schulischen Vor- Auswahl der Bewerber/innen optimiert werden, „kurze Dienst- 24 aussetzungen eindeutig erschwert, diese sind aber keineswegs der alleinige Grund für ihre mangelnden Chancen auf einen wege“ fördern das Anwerbe- und Auswahlverfahren. Wenn ein Vertrag zustande kommt, erleichtert die Kooperation, vor allem Ausbildungsplatz. Die duale Ausbildung stellt für sie oft die mit Kammern und Arbeitsagenturen, die Einstellungsformalitä- einzige Möglichkeit einer beruflichen Vollqualifizierung dar, ten. Ist das Projekt in der Region/Gemeinde bekannt, kommen da hierfür keine formalen Zugangsbeschränkungen existieren. die Ausbildungsplatzsuchenden über Kontakte aus Jugendein- Die Jugendlichen müssen sich auf einem Ausbildungsmarkt richtungen, Bildungsträgern, peer-groups, Communities, u.a. behaupten, auf dem die Betriebe nach Leistungsgesichtspunk- Eine exponierte Stellung der Ausbildungsplatzvermittler/innen, ten über die Vergabe der Ausbildungsplätze entscheiden und gerade wenn sie aus einer Community kommen, führt viele Ju- leistungsschwächeren Jugendlichen, insbesondere bei einem gendliche zu, kann aber auch eine Belastung sein, da die Erwar- Migrationshintergrund, eher selten eine Chance geben (BiBB tung in Ausbildung zu vermitteln (oft von den Eltern) hoch ist. Report 15/10). Diskutiert wurde die Frage, wie attraktiv Migrantenun ternehmen für Jugendliche als Ausbildungsbetriebe sind. In Anwerbung und Vermittlung von Jugendlichen diesem Zusammenhang wurden von Bewerber/innen mit und ohne Migrationshintergrund berichtet, die Vorurteile gegen- Die klassischen Anwerbungsmöglichkeiten sind: Schulen, über Migrantenbetrieben haben, zum Teil besonders aus der Arbeitsagenturen, ARGEn, Kammern, Internetbörsen, Jugend- eigenen Ethnie. Oft spiegelt sich in den Vorurteilen die ge- häuser, Ausbildungsmessen, Bildungsträger. Ergänzend kön- samtgesellschaftliche Akzeptanz von Migrant/innen wieder, die nen Migrantenvereine und -organisationen genutzt werden, Projektmitarbeiter/innen mit Jugendlichen und Betrieben re- die zum Teil Veranstaltungen für Jugendliche und Eltern zum flektieren müssen. Einer der Vorbehalte, der von Jugendlichen Thema Ausbildung durchführen. Jugendliche kennen in ihrer wahrgenommen wird, sind angebliche geringere Übernahme- Community oft potentielle Ausbildungsbetriebe, dann bahnt chancen als bei „deutschen“ Betrieben. In der Realität besteht
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