THEATER & DIGITALITÄT - IMPULSE - Theater und Orchester Heidelberg
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02 MÄRZ 2021 02 THEATERZEITUNG 1 SPIELZEIT 2020|21 MÄRZ 2021 THEATER & DIGITALITÄT IMPULSE DEBATTE EXPERIMENTE NEUE FORMEN
2 02 THEATERZEITUNG MÄRZ 2021 IMPULSE IMPULSE Theater im digitalen Raum Digitalkuratorin Lea Goebel über das utopische Potenzial neuer Theaterformen »Homecoming« Foto Barbara Lenartz »A Room of Our Own« Foto Swoosh Lieu I m vergangenen November richtete quo noch eine Weile dauern würde, erar- und Drang wird mithilfe von eBay-Klein- Nicht nur diese drei Produktionen zeigen: nachtkritik.de gemeinsam mit dem Li- beitete man innovativere, experimentelle- anzeigen, Zoom oder WhatsApp in die Das Digitale ist kein Substitut, perspekti- teraturforum im Brecht-Haus und der re Formate. Ob Live-Streams mit Chat- Jetztzeit versetzt. Die Zuschauer*innen visch könnte es zu einer dauerhaften Er- funktion, Abstimmungstools, die einen Heinrich-Böll-Stiftung die Online-Konfe- tauchen durch Werthers Desktop in seine gänzung des analogen Spielplans werden. Eingriff in den Handlungsverlauf zulie- renz »Das Postpandemische Theater« Welt und die Figurenkonstellationen ein. Wir stehen erst am Anfang der Erkundung ßen, VR-Brillen, Gaming-Formate oder aus. Dabei sprach Regisseur Ersan Mond- »werther.live« gelingt es, die fiktiven Bio- eines neuen Arbeitsfelds der darstellenden die Zuhilfenahme von interaktiven Apps: tag über die Abwesenheit des gesell- grafien dank personalisierter Instagram- Kunst, das sich technisch rasend schnell ein neuer Ehrgeiz war geweckt, der sich schaftlichen Versammlungsortes Theater: Accounts auch auf Social Media weiter- weiterentwickelt und noch viel Potenzial nicht nur bei den Kulturschaf- zuerzählen. für Symbiosen zwischen Augmented Rea- »Das postpandemische Theater fenden abzeichnete, sondern auch vom Publikum und den »Eine Frau muss Geld und ein eigenes lity, Virtual Reality, 360°-Aufnahmen, Künstlicher Intelligenz, Robotik und Thea- ist kein Wiederaufbau, es ist ein Kritiker*innen erwartet wurde. Zimmer haben, um schreiben zu kön- ter birgt. Jetzt ist der Zeitpunkt, Erkennt- nen«, so Virginia Woolf 1929 in ihrem nisse in die Recherche neuer virtueller Neubau. Der Sturm der Pandemie Wie bildet man dieses Jahr also Essay. Swoosh Lieu gehen in ihrem Kurz- Spielwelten einfließen zu lassen. So ent- hat unsere prächtigen Bauten akkurat ab? Der Heidelberger film »A Room of Our Own – Vor- decken wir gemeinsam digitale Verfahren, Stückemarkt hat sich durch die stellung für Browser:in und variab- die das Potenzial neuer Erzähldramatur- eingerissen. Das Haus, das Heim neue Rubrik »Netzmarkt« für les Publikum« den Thesen Woolfs aus gien im virtuellen Raum eröffnen. LGoe des Theaters, braucht einen neu- einen hybriden Weg entschie- heutiger Perspektive auf den Grund. Eine den. Ich persönlich hoffe, dass feministische Intervention, gedreht im en Entwurf. (...) Verputzen wir die diesem Vorbild noch andere Bühnen- als auch Stadtraum, die durch 38. Heidelberger alten Risse mit bunter Farbe? Festivals folgen, gegebenenfalls den Sound, der extra für Kopfhörer auf- Stückemarkt braucht es darüber hinaus neue bereitet wurde, besticht. 30. April bis 9. Mai 2021 Oder bauen wir etwas Neues?« Kategorien für Theaterpreise, Vorverkaufsstart 10. April 2021, 13 Uhr die digitale Projekte bedenken, machina eX arbeiten seit vielen Jahren an Diese Frage stellten sich in diesem be- ähnlich dem österreichischen Nest- der Schnittstelle von Gaming und Thea- sonderen Theaterjahr 2020|21 auch die roy-Preis. ter. Mit »Homecoming« haben sie ein Kulturinstitutionen. Als sie im März und Für den »Netzmarkt« haben wir uns für drei interaktives Live-Game für den Messen- November ihre Türen schlossen, mussten Produktionen entschieden: »werther.live« , ger-Dienst Telegram entwickelt, das sich sie neue Austragungsorte, ein neues »A Room of Our Own« und »Homecoming«. thematisch mit der Pandemie und den »Heim« für die Projekte suchen. Das fan- physischen und psychischen Folgen der den sie häufig im digitalen Raum. Der »werther.live« startete zunächst als Isolation auseinandersetzt. Das gemein- erste Lockdown war geprägt von Neugier- kleines Projekt eines neuformierten Thea- same Online-Erlebnis in Chat-Gruppen de, einem Sich-Ausprobieren. Als ab No- terkollektivs und schaffte es im Februar erfährt durch ein Päckchen, das die Zu- vember langsam deutlich wurde, dass mit einem Bericht sogar in die New York schauer*innen vorab per Post erhalten, eine Rückkehr zum altbekannten Status Times. Goethes Briefroman des Sturm eine kreative Offline-Erweiterung.
IMPULSE MÄRZ 2021 02 THEATERZEITUNG 3 Liebes Publikum, Theater geht online. Auch in Heidelberg. Die Corona-Pandemie zwingt uns geradezu, auf digitale Formen auszuweichen, um we- nigstens hin und wieder ein Lebenszeichen aus der Theaterstraße oder dem Zwinger senden zu können. Und siehe da: Es geht. Der Computer-Bildschirm erweist sich keineswegs als natürlicher Feind der Theaterkunst. Im Gegenteil, er eröffnet neue Möglichkeiten, »werther.live« die wir erst nach und nach ausprobieren und entdecken. Davon berichtet diese Ausgabe der Theaterzeitung. Sie ist anders als sonst. Sie ist ein Themenheft: über Theater und Digitalität. Virtuelle Formate prägen diese Spielzeit. Deshalb wird es beim Heidelberger Stückemarkt erstmals ein zusätzliches digitales Pro- gramm geben, den »Netzmarkt«. Es freut mich, dass wir als Kura- torin dafür Lea Goebel vom Schauspiel Köln gewinnen konnten, eine ausgewiesene Expertin auf diesem Gebiet. Sie stellt sich und ihr Programm im Gespräch mit Brit Bartkowiak vor, der neuen Oberspielleiterin des Schauspiels (Seite 6). Lassen Sie sich überraschen von der Unterschiedlichkeit der digi- talen Formate. Folgen Sie uns ins virtuelle »Neuland«. So heißt übrigens die Online-Performance des Jungen Theaters zum Mit- spielen. Eine wirklich neue Erfahrung! Wir alle freuen uns auf die hoffentlich nicht allzu ferne Zeit, wenn ganz normale Theatervorstellungen wieder möglich sind: analog, IMPRESSUM live und mit Publikum. Doch ich bin sicher, etwas von den groß- Die Theaterzeitung ist eine Sonderver- öffentlichung der Rhein-Neckar-Zeitung. artigen Möglichkeiten der Digitalität wird bleiben. Titelfoto: S. Reichardt Gestaltung: M. Stufferin Foto Editorial: Susanne Reichardt Konzept: M. Stufferin Ihr Gestaltung: RNZ Grafik Redaktion: J. Tydecks Anzeigen: A. Miltner (verantw.) Druck: Heidelberger Mediengestaltung Holger Schultze HVA GmbH
4 02 THEATERZEITUNG MÄRZ 2021 DEBATTE DEBATTE Digitales Theater im Diskurs: Pro & Contra »Neuland« Foto Susanne Reichardt PRO Wann, wenn CONT RA Live is live nicht jetzt? Digitalität kann den Theater- besuch nicht ersetzen Digitalität im Theater ist weit mehr als eine Notlösung in W ie, die singen live?« Nie mehr mer-Konzert bis zur Opernaufführung werde ich die Verblüffung der kann man nun auf vielen Kanälen, nach- Pandemiezeiten » Siebtklässlerin vergessen, die und durcheinander alle möglichen Forma- mit ihren Mitschüler*innen die erste te beschauen. Sonst vielbeschimpft, ist Opernaufführung ihres Lebens besuchen das Zappen auch beim hartgesottensten B eim jüngsten Digital-Gipfel der gleich in die nächste gedankliche Falle. sollte. Und ich war mindestens genauso Klassikfan angekommen. Erst neulich Bundesregierung brachte es Angela Digitale Kunst kann sehr viel mehr sein: verblüfft. Das Live-Erlebnis Theater und schilderte mir eine Freundin, einen Hauch Merkel durchaus ein bisschen lus- Interaktiv, partizipativ, kollaborativ. Mit Konzert ist im Bewusstsein des Zeitalters Selbstironie inklusive, wie sie zwischen tig auf den Punkt: Deutschland dürfe »Neuland« lotet das Junge Theater bei- von YouTube und Spotify keine Selbstver- zwei Streamingpremieren hin und her beim digitalen Wandel nicht »Bummel- spielhaft dieses Feld aus: Die jungen Zu- ständlichkeit, lernte ich jetzt durch die wechselte. Bei der einen interessierte sie letzter« sein, sagte sie – und erntete uni- schauer*innen werden zu Akteur*innen, Schülerinnen und Schüler. mehr das Inszenierungskonzept, bei der sones Nicken von links nach rechts. Auch die das digitale Geschehen bestimmen. Nur, dass wir uns nicht falsch verstehen: anderen Dirigent X, den sie sehr schätzt wenn es bei dem politischen Gipfel pri- Klar ist: Digitaler Wandel im Theater be- Das hier soll keine Klage vom Untergang und der ab und zu im Close-up erschien. mär um Themen wie technische Ge- deutet keinesfalls eine geringere Wert- des Abendlandes werden. Schon ewig Schön, sage ich mir. So kann man auch schwindigkeit, Bildung und Verwaltung schätzung des klassisch analogen Thea- sind digitale Kommunikation und neue Verluste kompensieren. Nein, verteufeln ging, darf und muss das Wort »Bummel- terabends. Er ist vielmehr eine Erweiterung Medien in meinen Alltag integriert, und will ich die Möglichkeit des Streamens letzter« auch die deutsche Kulturland- des theatralen Kosmos und damit ein Ge- auch in Inszenierungen beschäftigen wir nicht. Aber ich, ich hänge am »live« und schaft aufwecken. schenk für künstlerische Fantasie. Und uns nicht erst seit gestern mit dem Er- stecke als Theaterarbeitende meine Ener- Zu lange haben wir Theatermacher*innen die gilt es dringend auch nach der Pande- zählmehrwert durch den Einsatz audiovi- gie eben lieber in die Idee und Verwirkli- – im festen Glauben an das zutiefst ana- mie weiterzuentwickeln! LGr sueller Medien. Das konventionelle Thea- chung von Projekten, die unter pandemi- loge Wesen von Theater – das Potenzial terhandwerk, nein, es soll eben nicht schen Bedingungen stattfinden dürfen, von Digitalität unterschätzt. Oder anders abgeschafft werden, sondern im Mitein- aber möglichst nicht so aussehen sollen. formuliert: Wir sind in die Falle getappt, ander mit digitalen Techniken und einem Außerdem: Keine noch so gute Tontechnik das Digitale und das Analoge gegeneinan- partizipierenden Publikum neue Präsen- kann die Kluft zwischen Konserve und der auszuspielen, statt zu begreifen, dass tationsformen entwickeln, die sich nicht real-dabei-sein überbrücken, Gänsehaut- sich beide Sphären künstlerisch befruch- oberflächlich im Dekor erschöpfen. So momente erzeugt nur die unmittelbar er- ten können. Erst jetzt, pandemieerzwun- weit, so digital. lebte Musik oder Stimme. Das war es am gen, findet vielerorts eine tiefere Ausein- Doch dann kam die Pandemie und brach- Ende dann auch, was den ersten Opern- andersetzung mit den Möglichkeiten im te zeitweise den Lockdown mit, der den besuch der eingangs erwähnten siebenten digitalen Raum statt. Wer nämlich kultu- darstellenden Künsten etwas Essentielles Klasse unvergesslich werden ließ. US relle Digitalisierung mit bloßen abgefilm- nimmt: das Publikum. Dafür sprang das ten Inszenierungen gleichsetzt, tappt Streaming ein. Vom privaten Wohnzim-
DEBATTE MÄRZ 2021 02 THEATERZEITUNG 5 DEBATTE Verrückt ins Netz oder safe die Bühnen stürmen? Zwei gegensätzliche Projekte des Jungen Theaters in Zeiten von Corona »Bambi« Virtual Gaming Reality Drei Fragen an »Bambi«-Regisseur Ekat Cordes PRO Für deine Inszenierung des Jugend- Was kann der digitale Raum, was der analoge nicht kann? Was glaubst du, wird im Theater in Zukunft mehr Digi- klassikers »Bambi« ziehst du mit Der digitale Raum schafft jederzeit Zugang. Es macht tales stattfinden? deinem Team ins Digitale – wie kommt es dazu? mich freier in meiner Option, was ich und wann ich es Ich finde, es wird zu viel Zeit mit Hoffen und Warten Eine digitale, interaktive Inszenierung bietet sich bei sehen will. Allein die Videospieleindustrie zum Beispiel darauf, dass alles wieder »normal« wird, verbracht. The- meiner Version von Bambi mehr als an. Sie spielt in einer bietet so unendlich viele interaktive Möglichkeiten, dass ater ist doch auch dafür da, auf den Puls der Zeit zu nicht allzu weit entfernten Zukunft, in der es keine Natur Theater eine eigene, einzigartige Form im Digitalen ent- reagieren. Und wenn das gerade heißt, dass niemand ins mehr gibt. So gibt es nur noch digitale Simulationen, so wickeln muss. Ich finde es wichtig, dass ich, obwohl ich Theater gehen kann, dann muss das Theater eben zu wie Bambi, um Wechselwirkungen zwischen Mensch alleine vor dem Computer sitze, trotzdem das Gefühl habe, allen nach Hause kommen. und Natur zu erfahren und eine vorsichtige Annäherung Teil eines Publikums zu sein. Theater lebt für mich davon, zu schaffen. dass es live, hier und jetzt, vor mir, mit mir und vor allem PREMIERE auch mit ganz vielen anderen um mich herum passiert. »Bambi« geplant für September 2021 (digital) Meerschweinchen, die auf Bühnen starren Drei Fragen an »Schimmerndes Wasser«-Regisseur Andreas Weinmann CONT RA Wie viele andere Premieren musste Was kann der analoge Raum, was der digitale nicht Was glaubst du, wird im Theater in Zukunft mehr Digi- auch »Schimmerndes Wasser« ver- kann? tales stattfinden? schoben werden, jetzt kommt die Inszenie- Das kann ich nicht vergleichen, weil es zwei ganz ver- Für digitale Formate benötigt es Stücke die eigens dafür rung endlich auf die Bühne. Worauf können wir uns schiedene Formate sind. Was der digitale Raum nicht geschrieben werden. Die Kamera muss Teil des Spiels freuen? kann, ist allerdings genau das, was ich am meisten ver- werden. Ich bin davon überzeugt, dass das digitale The- Eine skurrile, düstere, magische Geschichte, bei der es misse – die Gerüche, die ungefilterten Stimmen der ater auch weiterhin und über Corona hinaus einen Platz einiges zu lachen gibt, die gleichzeitig aber auch be- Schauspieler*innen, die Dreidimensionalität des Raumes in der Theaterlandschaft finden wird. rührend ist und zum Nachdenken anregen soll – darüber, und das Gemeinschaftsgefühl. In diesen Zeiten müssen Die Fragen stellte Dramaturgin Mathilde Lehmann. dass wir nach wie vor in einer Gesellschaft leben, in der Künstler*innen und die Theater flexibel sein, um über- der Status-Quo aufrechterhalten wird und wir den Men- haupt Inszenierungen anbieten zu können. Zusammen PREMIERE schen, die nicht der Norm entsprechen, mit Vorurteilen mit einem ganzen Team an Techniker*innen arbeiten wir begegnen. daran, die Qualität des Stückes auch als Stream beizu- »Schimmerndes Wasser« geplant für April 2021 behalten.
6 02 THEATERZEITUNG MÄRZ 2021 NETZMARKT NETZMARKT Von der Longlist zur Shortlist Die neue Oberspielleiterin Brit Bartkowiak im Gespräch mit Netzmarkt-Kuratorin Lea Goebel BB: Liebe Lea, der »Netzmarkt« als digi- tale Sparte des Heidelberger Stücke- markts findet dieses Jahr zum ersten Mal statt und du bist Kuratorin. Wie bist du bei der Auswahl vorgegangen? LG: Ich habe digitale Formate, die zwi- schen März 2020 und Januar 2021 ent- standen sind, in die Auswahl einbezogen. Ich habe geschaut, wo die Unterschiede zwischen den beiden Lockdown-Phasen liegen und ob es Weiterentwicklungen gibt. Am Anfang tastete man sich so ganz langsam ran. Die innovativeren Formate gibt es etwa seit Ende November 2020. Man merkt, dass die Theater den Ehrgeiz entwickelt haben, zu experimentieren. Aber auch von Seiten der Rezipierenden kamen neue Anforderungen. Sowohl von Zuschauer*innen als auch von Kritiker*in- nen wurde der Wunsch nach Innovation Lea Goebel Foto privat Brit Bartkowiak Foto Susanne Reichardt größer. Demgegenüber zeigten sich viele Theater in Deutschland sehr offen. Außerdem sollte eine Variation unter- Durchaus gab es Formate, die kontrovers Raum zum Scheitern gab, der im analogen Schließlich erstellte ich aus allen gesich- schiedlicher Formate, wie Games, Live waren und bei denen es gegensätzliche Theater manchmal fehlt. Man startete kol- teten Produktionen eine Auswahl derer, streams, Webserien, Theaterfilme etc. Meinungen gab. Aber die Top Drei, die wir lektiv bei null und niemand wurde verris- die in dieser Zeit herausragend waren. Auf abgebildet werden. jetzt haben, wurde dann am Ende relativ sen, wenn etwas nicht funktionierte. Lang- dieser Longlist standen nun noch elf Pro- einstimmig so gewählt. sam ist diese Phase vorbei und jetzt duktionen. BB: Also hattest du die Longlist fertig. interessiert mich darüber hinaus, wie wir Wie ging es dann weiter? BB: Ich persönlich spüre nach all den einen Mehrwert im Digitalen produzieren BB: Würdest du sagen, es sind vor allem LG: Ich habe meine Auswahl dem Stücke- Monaten ohne analoges Theater eine ge- können, sodass das analoge Theater, so- die großen Theater, die über größere fi- markt-Auswahlteam inklusive Aufzeich- wisse Ermüdung dem digitalen Theater bald es wieder stattfinden kann, nicht nanzielle Mittel verfügen, die im digitalen nungen zur Verfügung gestellt, teilweise gegenüber. Was würdest du mir raten? mehr das einzige Programm auf dem Bereich hervorstechen? Wie sieht es an wurde auch live gesichtet. Anschließend Was fasziniert dich so daran? Spielplan bleibt. Digitales Theater birgt den kleineren Stadttheatern, den Lan- haben wir innerhalb des Auswahlteams dis- LG (lacht): Bleib dran! Ich glaube an das die Chance einer größeren Teilhabe, wenn desbühnen, etc. aus? kutiert. Ich fand es sehr spannend, wie die Potenzial digitaler Formate. Im März 2020 es niedrigschwellig gemacht ist, nicht nur LG: Ich denke, es gibt in beiden Berei- Auswahl wahrgenommen wurde. In zwei hatte ich einfach eine wahnsinnige Sehn- für junge, auch für alte Menschen. Auch chen Positiv- und Negativbeispiele. Na- Sitzungen haben wir unsere gemeinsamen sucht nach Theater und Lust, Menschen die Möglichkeit der direkten Interaktion, türlich ist die Qualität im digitalen Be- Top Drei gewählt. Es war ein sehr schöner dabei zuzusehen, wie sie Dinge auspro- sei es durch Livechats, Abstimmungstools reich zu einem großen Teil von der Prozess, den wir da durchlaufen haben. bierten. Ich mochte es, dass es einen usw. ist eine spannende Entwicklung. technischen Ausstattung abhängig. Ich verstehe den Vorwurf, die großen Häuser könnten die Livestreams mit fünf Kame- ras produzieren, während kleine Häuser »Netzmarkt«-Longlist technisch wie personell dazu gar nicht in der Lage seien und daher »nur« eine Web- Dekalog (Christopher Rüping), Schauspielhaus Zürich serie auf YouTube herausbringen könnten. Homecoming (machina eX), HAU Hebbel am Ufer/FFT Düsseldorf/Hellerau Dresden Aber es gibt ebenso Beispiele kleinerer werther.live (punktlive) Häuser, die sich hervortun. Ich finde, Der Zauberberg (Sebastian Hartmann), Deutsches Theater Berlin man sollte diese Arbeit ebenso honorie- ren. Bei meiner Auswahl für die Longlist From Horror till Oberhausen (Gruppe FUX), Theater Oberhausen habe ich darauf geachtet, dass sowohl Woyzeck Interrupted (Amir Reza Koohestani), Deutsches Theater Berlin kleine als auch große wie ebenfalls freie Map to Utopia (Eine Koproduktion von fringe ensemble, Bonn und Platform Tiyatro, Istanbul), Theater im Ballsaal Theater und Kollektive vertreten sind. Ei- Eternal Peace (Alexander Eisenach), Schauspiel Frankfurt nige dieser freien Kollektive beschäftigen sich schon seit Jahren mit Digitalität, ha- Customerzombification (BORGTHEATER – cyborg performing theater), Theater Vorpommern ben daher schon ein gewisses Knowhow A Room of Our Own (Swoosh Lieu), Künstlerhaus Mousonturm und geben den Theatern Orientierung. 14 Vorhänge (André Bücker), Staatstheater Augsburg
EXPERIMENTE MÄRZ 2021 02 THEATERZEITUNG 7 EXPERIMENTE Neuland under construction »Neuland« Foto Susanne Reichardt »Könnt ihr bitte mal in die Kamera schauen anstatt auf die Kacheln? Hallo? Hört ihr mich?« (aus dem Stück »Neuland. Under Construction«) D ie Zeiten, in denen wir leben, haben Morgen für Morgen stehen Performer*in- Welche Art von Erbauer*in des Neulandes auch das Junge Theater Heidelberg nen, Mitglieder des Ensembles und »Alle zur selben Zeit am wirst du sein? Schriftsteller*in? Regis- auf die Probe gestellt: Wie Kinder Teams des Jungen Theaters in weißen selben digitalen Ort.« seur*in? Musiker*in? Oder Bühnenbild- und Jugendliche erreichen, wenn im Rah- Räumen, losgelöst von ihrer Gemein- (Katharina Rückl, Neuländerin) ner*in? Im Neuland hat Corona kurz Pau- men des Homeschoolings die Pla- schaft, auf den Bildschirmen vereint. Mit se. Das Digitale ist nicht Not und Mittel, nungs-Skills der Kinder, der Jugendli- von der Partie sind die Klassen, die nicht Im Zeitraum von etwa 100 Minuten wer- sondern der Weg, um dieses Kunstwerk chen, der Eltern, der Lehrer*innen mehr einfach Zeug*innen des Geschehens den sie zusammengebracht, arbeiten ge- digital zu erzeugen und maximal zugäng- denn je gefordert werden? Wie dieses sind, nein: Ohne die Schüler*innen findet meinsam an den Ausdrucksmitteln unse- lich zu machen. Nicht umsonst ist das unmögliche Theater möglich und erreich- nichts statt. Hier werden gemeinsam in rer innersten Sehnsüchte, um eine Welt eine Kernfrage der Theater heutzutage: bar machen? Die Produktion »Neuland« sogenannten »Break-Out-Sessions« As- gemeinsam zu erschaffen, in der sie ger- Wie zu den Menschen, wenn die Men- ist im Jungen Theater Neuland im wahrs- pekte einer Inszenierung erarbeitet, eine ne sein wollen. schen nicht zu uns können? ten Sinne des Wortes. Ein neuer Raum, digitale Bühne gestaltet, Kostüme aus- Worauf können wir uns also freuen? ML ein neuer Versuch. gewählt, Texte geschrieben, Musik kre- »Dass wir alleine in unseren iert. Alles kommt im Versuchsraum »Neu- Zimmern nicht stark sind, land. Under Construction« zusammen. »Irgendwas zwischen fröhli- »Ein kollektives Live-Erlebnis. chem Scheitern und hoch- Mit Partizipation. Endlich mal »Ein Gedankenexperiment: das sollten wir spätestens seit jauchzender Euphorie, aber wieder Aktion und Reaktion« Die eigenen Wünsche, Gefüh- Corona verstanden haben.« allem voran: Teil eines ge- (Simon Labhart, Neuländer) (Leon Wieferich, Neuländer) le und Bedürfnisse in einem meinsamen, einzigartigen Kunstwerk.« Neulands zu sein.« (Markus Strobl, Neuländer) (Nadja Rui, Neuländerin) »Neuland« Aktuelle Termine unter www.theaterheidelberg.de Fragen ans Probenpublikum Wenn’s ins Digitale geht: Wie gefällt dir das? Wenn’s nicht analog geht: Was fehlt dir? CONT PRO Helena (16): Ich fand’s toll, wie ausführlich die technischen Mög- RA Anisa (19): Was mir fehlt ist ganz klar das »klassische« Theater- lichkeiten genutzt und wie stark wir als Publikum in diesem Fall erlebnis mit Einlass, Mitfiebern und das direkte Wahrnehmen an- einbezogen wurden. Das hat Kreativität geweckt. derer Reaktionen. Daria (17): Voll gut auch für Leute, die vielleicht sonst nie ins Theater gehen. Lene (17): Man ist irgendwie trotzdem so weit voneinander weg. Ich finde, diese Ver- bundenheit und Direktheit, die man sonst im Theater hat, fehlt. Manuel (19): Ich fand’s super schön, dabei zu sein! Was mich mega berührt hat (ja tatsächlich berührt) waren die letzten 5 Minuten! Da hab ich erst so richtig realisiert, Daria (17): Mir fehlt es sehr, dass man nicht mehr ins Theater gehen kann. Dort gibt was da in den letzten 90 Minuten entstanden ist und wie die Kreativität durch so es eine gewisse Atmosphäre und man hat eine gewisse Nähe zu den Schauspielern viele Menschen zusammenkommt! und zum Geschehen.
8 02 THEATERZEITUNG MÄRZ 2021 EXPERIMENTE EXPERIMENTE Mut zu neuen Formaten In »Freiraum Film« choreografieren die Tänzer*innen des DTH diesmal direkt für die Kamera N ach einem Jahr voller Mitschnitte gefähr acht Minuten auf der Leinwand und Aufzeichnungen von Bühnen- ganz unterschiedliche Geschichten erzäh- stücken ist durchaus klar gewor- len. Dabei können wir uns auf eine Vielfalt den, dass der eigene Blick der Zuschau- von künstlerischen Ausdruckssprachen enden durch die Kameraführung nicht freuen. Mal im vertrauten Umfeld des nachgeahmt werden kann. Das Erlebnis, eigenen Zuhauses, mal in der Idylle der selbst im Raum präsent zu sein, kann Natur – immer wieder finden sich span- niemals wirklich ersetzt werden. Gerade nende Orte, die wir ohne den Blick der im Tanz, wo die präsente Körperlichkeit Kamera so nicht hätten erkunden kön- und die Nuancen der Bewegungen sowie nen. Die Tanzfilme sind auch das Ergeb- die Beziehungen zwischen den Körpern nis der engen Zusammenarbeit zwischen und zum Raum das grundlegende Aus- den Tänzer*innen und jeweils einem*r drucksmittel sind. Filmemacher*in und bieten somit die Doch mit der Kamera den Blick lenken zu Chance, weitere externe Künstler*innen können, kann auch Chancen bieten. Denn einzubeziehen. Im Rahmen der Tanzbien- wenn der Tanz direkt für die Kamera und nale werden die Kurzfilme im Gloria Kino deren detaillierten Blick geschaffen wur- auf der großen Leinwand Anfang Juni de, kann eine neue Nähe entstehen. Auf Premiere feiern. Wir dürfen gespannt genau diese Entdeckungsreise begeben bleiben, wie die tänzerische Ausdrucks- sich die Tänzer*innen des DTH, die für kraft uns auf mutige und neue Weise von »Freiraum Film« selbst zu Choreograf*in- aktuellen Lebensthemen sowie Sehn- nen und diesmal sogar Regisseur*innen süchten erzählen wird. JM werden. Zeit und Raum für persönliche Ausdrucksformen sowie eigene künstleri- PREMIERE sche Ideen zu schaffen – das ist die Idee von Freiraum mit der Iván Pérez als künst- »Freiraum Film« geplant im Rahmen der lerischer Leiter der Tanzsparte seine Tän- Tanzbiennale Heidelberg zer*innen immer wieder eigenen Arbeiten 4.– 6. Juni 2021 kreieren lässt. Dieses Jahr werden es Tanzfilme, die mit einer Länge von un- Kuan-Ying Su probierte in einem Fotoshooting mit dem ehemaligen Tänzer Leon Poulton bereits Bewegungen für die Kamera an spannenden Ort der Stadt aus. Mit dem Computer tanzen D ie beliebten DTH-Workshops sind grund des englischsprachigen Angebots letztes Jahr zunächst zum Podcast mit den Künstler*innen des Dance Thea- geworden, doch nun geben es auch tre Heidelberg. die technischen Möglichkeiten auf den Probebühnen her, dass die Tänzer*innen DTH-Workshop des DTH Sie direkt über einen Livestream Voraussichtlich wieder mit Bild und Ton zuhause anleiten. Je im April und Mai 2021. nach eigenem Niveau und natürlich auch Aktuelle Termine und Tickets Platz bringen die 60-minütigen Work- auf www.theaterheidelberg.de shops Sie in Bewegung. In kleinen Grup- pen geben die online stattfindenden Kur- Auch das tägliche Training der Tänzer*innen fand in den vergangenen Monaten teils se Einblicke in die ganz unterschiedlichen digital angeleitet statt. Arno Brys, Andrea Muelas Blanco und Yi-Wei Lo trainieren mit Interessen und Stile der Ensemblemit- entsprechenden Abständen auf der Bühne des Alten Saals. glieder. Wie immer steht vor allem eine Iván Pérez leitet von zu Hause eine kleine Gruppe im Alten Saal und Zwinger 1 gleich- positive Körpererfahrung und auch der zeitig an. Fotos Susanne Reichardt Spaß an den Bewegungen im Vorder-
EXPERIMENTE MÄRZ 2021 02 THEATERZEITUNG 9 EXPERIMENTE »Du bist noch auf mute« Spielclubs in der Pandemie Spielclub-Proben für eine Stückentwicklung im Februar 2021 Fotos Jeremy Heiß Markus (Spielleiter) »Theaterlabor. Test: Zukunft« Philine (16) »Digital ersetzt nicht analog – das ist klar. 6.–9. April 2021: »Auch online sind die Proben einfach eine Deshalb nutze ich diese Zeit zum einen für Anmeldefrist verlängert bis 28. März 2021! tolle Abwechslung zum Alltag und eine Materialsammlung, für den Austausch und Alle Informationen unter Möglichkeit, um mit anderen Menschen zu Kontakt zwischen den Spieler*innen und www.theaterheidelberg.de/produktion/ kommunizieren, zu diskutieren und kreativ versuche, lustvoll mit den digitalen Mög- theaterlabor-testzukunft/ zu werden.« lichkeiten umzugehen. Der Spaß bleibt so trotzdem!« Amelie (22) »Es bringt mir regelmäßig kreativen Input in meinen Alltag und regt mich dadurch immer wieder zum Denken an und schenkt mir Abwechslung zu meiner Arbeit. In Zoom vermisse ich aber vor allem die Gruppendynamik auf der Probebühne.« Smilla (10) »Ich finde es halt blöd, dass man kein Theaterstück erfinden kann. Aber sonst Simon (33) finde ich es toll. Auch die Spiele machen »Beim Theaterspielen ist es wie beim Le- Spaß, am meisten mag ich »Werwolf«. sen – es muss knistern. Für Stückentwick- Und ich finde es toll, dass du [Spielleite- lung mit kreativem Schreiben bieten sich rin] so viel mit uns machst, das muss man aber die Textverarbeitungsmöglichkeiten ja nicht, aber du machst es – das finde ich am Rechner sehr an. Ein Theaterstück be- sehr toll.« ginnt manchmal eben doch am Küchen- tisch oder Schreibtisch ...« Jeremy (Spielleiter) »Für mich als Spielleiter war die Umstel- lung auf Zoom-Proben eine große Heraus- forderung, da viele der theaterpädagogi- schen Methoden mit der Dynamik einer gesamten Gruppe arbeiten. Eine solche Dynamik lässt sich nicht herstellen, wenn man nur über kleine bewegte Bildchen miteinander im Kontakt ist. Ich versuche die Gegebenheiten einer Zoom-Probe nicht als Hindernis für kreative Theaterarbeit zu sehen, sondern nutze die Tools von Zoom wie Breakout-Sessions, Chatfunktion und Bildschirmteilen, um abwechslungsreiche Proben zu gestalten. Es ist spannend, auf diese Weise neue Wege zu finden, wie man auch über Zoom Texte, Haltungen und Kör- perlichkeiten entwickeln und reaktives Spiel ermöglichen kann.«
10 02 THEATERZEITUNG MÄRZ 2021 NEUE FORMEN NEUE FORMEN Die Energie im Raum Karola Obermüller, Komponistin und Preisträgerin des Heidelberger Künstlerinnenpreises 2021 im Gespräch mit Anna Weberbauer und Leon Gruidl (FSJ Kultur am Theater und Orcherster Heidelberg). Das 5. Philharmonische Konzert sowie die Verleihung des Heidelberger Künstlerinnenpreises wurden 2021 live aus dem Marguerre-Saal gestreamt und werden am 2. Mai 2021 um 21.05 Uhr im Deutschlandfunk gesendet. Karola Obermüller Fotos Susanne Reichardt Livestream aus dem Marguerre-Saal: Auf der Bühne das Philharmonische Orchester Heidelberg Hören Sie Ihre Musik in Ihrer Freizeit? liche zeitgenössische klassische Musik Was sind die Vorteile digitaler Konzerte? Hat es ihre Komposition beeinflusst, dass Nein. »Freizeit« ist sowieso ein schwieri- höre ich regelmäßig zum einen durchs Man kann sehr flexibel dabei sein – auch »Phosphor« digital uraufgeführt wurde? ger Begriff, Arbeit und Freizeit sind in Unterrichten, wenn ich Studierenden Re- an Tagen, an denen ein Echtzeit-Kon- Nein, dafür hätte ich das schon am An- meinem Leben nicht so getrennt. Eigent- pertoire näherbringe, zum anderen wenn zert-Besuch nicht möglich gewesen wäre. fang des Kompositionsprozesses wissen lich arbeite ich (zumindest im Kopf) stän- Kolleg*innen und befreundete Musi- Man kann weltweit dabei sein. Die Kinder müssen. Dann wäre dieses Wissen viel- dig, außer wenn ich mit Familie oder ker*innen neue CDs veröffentlichen oder können auch zuhören und zuschauen, leicht eingeflossen in die Musik und/oder Freund*innen in die Natur gehe, wir zu- mir Aufnahmen schicken. Da die Stille für ohne andere zu stören. Man kann mit- den Kompositionsprozess. sammen essen, wenn ich mit meinen mein Komponieren sehr wichtig ist, reicht singen oder -tönen! Kindern übe und musiziere, oder wenn das alles meistens dicke, und ich freue ich lese. Meine Musik zu hören, zum Bei- mich, wenn es nachts im Haus ruhig wird. spiel wenn ich einen Schnitt im Zuge der Vorbereitungen für eine CD-Veröffentli- Wenn Sie eine Zeitreise machen könnten chung anhöre, bedeutet immer volle Kon- – in welche Zeit würden Sie reisen und zentration. Also jedenfalls kommt dabei warum? kein »Freizeitgefühl« auf. Am liebsten in viele verschiedene … wenn ich unbedingt wählen müsste, viel- »Die Zertrennlichen« von Fabrice Melquiot /10+ Welche Songs/Stücke stehen auf Ihrer leicht zu Sappho, ca. 600 v. Chr., ich Playlist? wüsste zu gerne, wie sie ihre Lyrik ge- Das Junge Theater freut sich, nun auch Erstaunlicherweise habe ich immer noch sungen und begleitet hat. »Die Zertrennlichen« in den digitalen keine Playlist! Es wird im Haus aber dank Spielplan zu holen. Es geht um Sabah meiner Kinder ständig Musik gemacht In die Zukunft, um zu schauen, ob die und Romain, zwei neunjährige Kinder, oder gehört. Oft natürlich das, was sie Menschheit die Klimakrise hat meistern beste Freunde. Sabah hat algerische gerade üben, aber auch vieles andere – können? Wurzeln, Romains Eltern sind Einheimi- unser 13-Jähriger ist ein Opernfan, und Lieber nicht, ich will meine Hoffnung sche. Die Freundschaft wird durch ei- gerade schauen wir auf seinen Wunsch nicht aufgeben. nen Streit der Väter auf die Probe ge- hin jeden Abend ein wenig »Tosca«, nach- stellt. Auf der On-Demand-Plattform dem er viele der Mozartopern bereits ge- Was vermissen Sie bei Online-Veranstal- theater-stream.de präsentieren drei- sehen hat. Unsere 11-Jährige spielt Cello tungen am meisten? zehn baden-württembergische Theater und ist, seitdem sie letztes Jahr Solocello Die Nähe zu den Menschen, die Musik Live-Streams und Theaterfilme, die in Corellis Weihnachtskonzert spielen machen, und die Nähe zu den Menschen, exklusiv für Schulklassen für diese durfte, im Barockfieber. Da die Schule die zuhören. Damit verbunden, die Ener- Plattform produziert werden. Gefördert zur Zeit zuhause am Computer stattfin- gie im Raum. Das gemeinsame Erlebnis. wird die Plattform durch das Ministe- det, läuft meistens irgendeine CD, die Die Atmosphäre, diese Verzauberung rium für Wissenschaft, Forschung und Nadja Rui in »Die Zertrennlichen« eins der Kinder ausgesucht hat. Alle mög- während eines gemeinsamen Rituals. Kunst Baden-Württemberg. Foto Susanne Reichardt
NEUE FORMEN MÄRZ 2021 02 THEATERZEITUNG 11 NEUE FORMEN Tanzgala im Juni als hybrides Format geplant W ährend der Tanzbiennale Heidel- berg ist die Gala der Ba- chester Heidelberg Anfang Juni also man- che Gruppen live auf der Bühne stehen präsentieren im filmischen Format Aus- schnitte etablierter Companys aus Ba- every 4.– 6.6. 2021 body den-Württembergischen Tanz- und andere mittels der großflächigen Vi- den-Württemberg. JM can akteur*innen immer ein wichtiges deoprojektion im Marguerre-Saal zu se- Highlight und zeigt die Vielfalt des Tanzes hen sein. Dass sich solche hybriden For- Tanzbiennale Heidelberg in der Region. Auch bei der diesjährigen men zum Ausprobieren im Theaterraum Geplant für den 4.–6. Juni 2021 Ausgabe der kleineren und zweigeteilten Tanzbiennale darf die Gala nicht fehlen. Da einerseits jedoch die zuverlässige Pla- nung für viele Ensembles sehr schwierig anbieten, zeigt sich zurzeit immer wieder und hat auch organisatorische Vorteile. Denn um eine für alle Beteiligen sichere Gala auf die Beine zu stellen, ist nebst am Theater und Orchester Heidelberg Informationen zum ersten Teil des Festivalprogramms vom 8.– 18. April 2021 am UnterwegsTheater finden Sie online. dance geworden ist und andererseits auch posi- Abstand die gründliche Reinigung wichti- tive Seiten für die Umwelt deutlich wer- ger Teil des Hygienekonzepts. Nachdem den, wenn Menschen weniger Reisen, hat also ein Beitrag von den anwesenden Tän- die Leitung der Tanzbiennale beschlos- zer*innen auf der Bühne gezeigt wurde, sen, die Gala als gemischtes Format zu muss der Boden immer wieder neu ge- Ein Projekt der Tanzallianz – Kooperation präsentieren. Es werden zum Auftakt des wischt werden – da kommen die Videobei- von Theater und Orchester Heidelberg dreitägigen Festivals am Theater und Or- träge auf der Leinwand wie gerufen und und UnterwegsTheater Heidelberg Online-Premiere genau ein Jahr später »Momentum« hieß der dreiteilige Abend im Rahmen der Internationalen Wochen für den mit Astrid Boons auch erstmals gegen Rassismus darüber hinaus ein eine internationale Gastchoreografin mit künstlerisches Zeichen setzten. dem Ensemble des Dance Theatre Hei- Das digitale Künstler*innengespräch vor delberg arbeitete. Leider konnten die Stü- der zweiten Online Vorstellung bot darü- cke aufgrund des ersten Lockdowns im ber hinaus die Möglichkeit, mit der in den März 2020 nicht im Zwinger 1 Premiere Niederlanden ansässigen Künstlerin Ast- feiern. Fertig geprobt und vom Filmema- rid Boons sowie Yi-Wei Lo und Iván Pérez cher Michael Maurissens aufgezeichnet, unmittelbar in den Austausch zu kom- konnte der Abend nun aber zumindest men. So wurden geografische Grenzen online noch verspätet Premiere feiern und digital überwunden. Eine Szene aus Astrid Boons Stück »Crash«, welches sich mit den Auswirkungen der Reizüberflutung auf den menschlichen Körper beschäftigt. Foto Susanne Reichardt
12 02 THEATERZEITUNG MÄRZ 2021 NEUE FORMEN NEUE FORMEN Was sind wir bereit, aus Liebe zu tun? »Die Beleidigten. Belarus(sland)« als Online-Lesung D er belarussische Autor Andrej Ku- rejtschik, geboren 1980 in Minsk, hat über die aktuellen Ereignisse in Weißrussland ein Theaterstück geschrie- ben, welches das Ensemble des Theaters Heidelberg als deutschsprachige Erstauf- führung in einer Online-Lesung präsentiert. Das Stück besteht aus sieben ineinander verzahnten Monologen. Diese Technik eig- net sich gut für ein digitales Format unter Corona-Bedingungen. Jedes Ensemblemit- glied wurde unabhängig von den anderen und in einem anderen Setting aufgenom- men. Für Probe und Aufnahme war jeweils ein Tag veranschlagt. Die entstandenen Videos konnten so ineinander geschnitten werden, wie es die Textfassung vorsah. Da- durch gelang eine lebendigere Präsentati- onform als eine lediglich abgefilmte Le- sung. Durch die Abstraktion der Monologe (ohne Nennung der realen Namen) ergibt sich das vielstimmige Bild einer Revolution, das über den konkreten Anlass in Belarus hinausweist, geleitet von Swetlana Ticha- nowskajas Frage »Was sind wir bereit, aus Es lesen: Daniel Friedl, Christina Rubruck, Benedict Fellmer (links, von oben nach unten), Lisa Förster (Mitte), Katharina Quast, Liebe zu tun?« Esra Schreier, Steffen Gangloff (rechts, von oben nach unten), Texteinrichtung: Jürgen Popig, Video: Hanna Green Im Rahmen der Internationalen Wochen gegen Rassismus ist die Online-Lesung bis 8. April 2021 kostenlos unter www.theater- heidelberg.de verfügbar. JP Lesezeit digital Freundeskreisbackstage – der Talk Am 25. März 2021 feiert die beliebte Ver- die Leiterin des Veranstaltungsprogramms Der bekannte Freundeskreis-Talk weicht halten. Nachdem der erste Talk der Rei- anstaltungsreihe ihr 13-jähriges Jubiläum der Stadtbücherei, und Jürgen Popig, lei- in diesem Frühjahr vom Alten Saal he Freundeskreisbackstage er- mit der 125. Folge: Schauspielerin Esra Schreier liest »Schischyphusch« von tender Dramaturg des Schauspiels, äu- ßern sich zur – in Zeiten des Lockdowns ins »Netz« aus, um auf diesem Weg in direkten Kontakt und Jetzt folgreich stattgefunden hat, werden weitere Talks folgen. Mitgli werde ed Wolfgang Borchert. Beate Frauenschuh, – digitalen Version der »Lesezeit«. Austausch untereinander und Die Termine werden den Jürgen Popig: mit den Theaterschaffenden zu bleiben. Zu Gast werden Mit- n! Mitgliedern des Freundes- kreises rechtzeitig mitgeteilt. Die Lesung wird nicht durch Die Lesung wird nicht durch glieder aus dem Ensemble sein, Alle Informationen zum Freun- den Bibliotheksbetrieb dar- CONT den Bibliotheksbetrieb dar- aber auch Mitarbeitende, die hinter deskreis auf PRO RA um herum beeinflusst. um herum beeinflusst. den Kulissen die »Fäden« in den Händen www.freundeskreis-heidelberg.de Beate Frauenschuh: Mit den gestreamten »Le- Es bleibt zu befürchten, Tickets sezeiten« erreichen wir ins- CONT dass viele ältere Zuhörer aus PRO RA gesamt mehr Zuhörer*in- dem Umfeld des Freundes- Der Vorverkauf für den Heidelberger Stückemarkt startet nen als mit den Live- kreises, die zum Stamm- am 10. April 2021 um 13 Uhr. Lesungen und können neue Zielgruppen publikum gehörten, den Schritt in die erreichen. Die Klickzahlen gehen in die Digitalität nicht mitgehen. Ich hoffe sehr, Kontakt und Öffnungszeiten der Theaterkasse, aktuelle Termine und Informationen, Höhe. dass sie wiederkommen. auch zu weiteren buchbaren Veranstaltungen, auf www.theaterheidelberg.de
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