Lebens..WeltWelt - BUNTER LEBENSHILFE WALD - Lebenshilfe Tirol

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Lebens..WeltWelt - BUNTER LEBENSHILFE WALD - Lebenshilfe Tirol
21-3

Lebens..Welt
Lebens
Zeitschrift der Lebenshilfe Tirol
                                                 LEBENS.WELT JULI 2021
                                              ÖSTERREICHISCHE POST AG
                                                     SPONSORING POST
                                                        GZ 02Z031792 S

                               BUNTER
                         ­ EBENSHILFE WALD
                         L
                                    SEITE 7
Lebens..WeltWelt - BUNTER LEBENSHILFE WALD - Lebenshilfe Tirol
Bildungszentrum

                                                         at
                                                          Höllr igl pr iv
                                                                                                                                                                      Podiumsdiskussion
    Die Lebenshilfe und...                                                                                                          Spannungsfeld

                                                              ne
                                                                                                                                 Selbstbestimmung

                                                         Celi
                                                         to:
                                                       Fo
                                                                                                                                            Zwischen Freiheit und Veran
                                                                                                                                                                       twortung

                                                                                                                               Donnerstag, 30. September 2021
                  Celine Höllrigl                                              Metacom Symbol für Selbstbesti
                                                                                                                                                             , 19 bis
                                                                                                                                       Veranstaltungsort: je nach aktuelle
                                                                                                                                                                          n Covid-19 Vorgaben
                                                                                                                                                                                                     21 Uhr
                                                                                                             mmung                      Haus der Begegnung, Haus Vierund
                                                                                                                                                                             einzig oder online.
           ist eine von 18 jungen Frauen
       und M­ ännern, die in der Lebenshilfe
                                                                                                                     Spannungsfeld Selbstbestimmung
       ein Freiwilliges Soziales Jahr leisten.
                                                                                                                     Donnerstag, 30.September 2021, 19 Uhr,
      „Ich bin sehr dankbar für diese schöne                                                                         Ort: je nach geltenden Covid-Vorgaben
      Zeit und die Erfahrungen“, erklärt die
      22-Jährige, die auch künftig in diesem
        Bereich arbeiten möchte, „damit ich
          Menschen auf ihrem Weg in die
              Selbständigkeit begleiten
                       kann.“

                                                                                                                                                                          Foto: Dragan Tactic, BKA
                                                                            Einsatz für Existenzsicherung
                                                                            Zum Tag der Inklusion am 5. Mai waren drei
                                                                            Lebenshilfe-Vertreterinnen bei Arbeitsminister
                                                                            Kocher (li.) und Bundeskanzler Kurz zu Besuch.
                                                                            Sie forderten „Gehalt statt Taschengeld“ für die
                                                                            Arbeit von Menschen mit Behinderungen und
                                                                            präsentierten zur Finanzierung das Zwei-Säulen-
                                                                            Modell der Lebenshlfe.

        Damals & heute
        Das ausgebaute „Tripphaus“ in Landeck ermög-
        lichte 1998 acht Menschen mit Behinderungen,
        von daheim auszuziehen. Der heurige Umbau
        verschafft den älter gewordenen Bewohner/
        innen nun mehr Privatsphäre und Ruhe.

2                                                                                                                                           LEBENS.WELT 21-3
Lebens..WeltWelt - BUNTER LEBENSHILFE WALD - Lebenshilfe Tirol
Podiumsdiskussion mit
Georg Gasser: Professor für Philosophie, Universität
                                                                                                      7.891
                                                                                                      Unterschriften
Augsburg
Sabine Jäger: Leiterin Begleitung im Dialog, Lebenshilfe                                    übergab die Lebenshilfe im Mai an Bundes-
Tirol, Klinische und Gesundheitspsychologin                                              kanzler Kurz und Arbeitsminister Kocher. Damit
Christine Riegler: Mitglied des Tiroler Monotoring-Aus-                                  fordert die Lebenshilfe ein Ende der Bittsteller-­
schusses, Peer-Beraterin, Dance-Ability-Tänzerin                                             Rolle und „Gehalt statt Taschengeld“ für
Marianne Schulze: Juristin, international tätige                                         Menschen mit Behinderungen. Einige Sprecher/
­Menschenrechts-Expertin                                                                  innen aus Tirol machten den Kanzler mit Post-
 Moderation                                                                                     karten auf ihre Lage aufmerksam.
 Zuhal Mössinger-Soyhan: Journalistin, Mitarbeiterin des
 Bayerischen Rundfunks, Autorin

                                                                      Foto: Schafferer

             Verhandelt und durchgesetzt
             Als wir im Lockdown daheim bleiben mussten,
             vermissten viele die gemeinsamen Sport­
             aktivitäten. Über eine Umfrage im Betrieb holte
             sich Werner Stadelwieser Unterstützung. „Des
             war ja no schianer, wenn des nit gang“, erklärte
             der Regionalsprecher von Landeck und verhan-
             delte mit der Leitung, dass im Mai die Rad- und
             Walkingbegeisterten wieder starten konnten.
                                                                                               Der Renner
                                                                                                                             auf Faceboo
                                                                                                                                                  k

                                                                                                                                        Gedruckt nach der Richt-
                                                                                                                                        linie „Druckerzeugnisse“
                                                                                                                                        des österreichischen
                                                                                                                                        Umweltzeichens,
                                                                                                                                        Gutenberg-Werbering
                                                                                                                                        GmbH, UW-Nr. 844

    Lebenshilfe Tirol gem. GmbH // Ing.-Etzel-Straße 11, 6020 Innsbruck // T 050-434-0 // W lebenshilfe.tirol // M office@lebenshilfe.tirol // Redaktion
    Peter Schafferer, Manfred Lechner, Ulli Pizzignacco-Widerhofer // Grafik Andreas Focke // Titelfoto Manfred Lechner // Druck Gutenberg-Werbering

                                                                                                                        3
Lebens..WeltWelt - BUNTER LEBENSHILFE WALD - Lebenshilfe Tirol
Ein wacher Geist be
Karolin Jaggler kennt in Matrei in Osttirol viele Leute. Die junge Frau geht gern auf
Menschen zu und tauscht sich mit ihnen aus – mittels Blicken und einigen weni-
gen Worten, etwa auf dem Weg zur Arbeit. Ihr Unterstützungsbedarf ist hoch.

Karolin Jaggler sitzt im Rollstuhl an einem       Karolin Jaggler sofort laut und holt auf
Tisch und bemalt eine Stofftasche. Mit einer      diese Weise Hilfe. Auch mitten im morgend-
Hand hält sie den Pinsel fest umklammert          lichen Arbeitstrubel bemerkt sie als erste
und führt ihn konzentriert über den Stoff.        die Ankunft eines Busses und macht die
Die Tasche ist mit Klebebändern am Tisch          Assistentin darauf aufmerksam, die Neu-
fixiert, damit sie nicht verrutscht. Denn die     ankömmlinge an der Tür zu empfangen und
zweite Hand gehorcht ihr nicht. Eine Assis-       ihre Temperatur zu messen. Und natürlich
tentin hält ihr zwei Dosen mit Farbe hin.         hat Karolin Jaggler ihre eigenen Therapie-
Karolin Jaggler wehrt ab. Offensichtlich pas-     termine stets im Blick und mahnt alle, sie
sen beide nicht zu dem Motiv, das sie im          nicht zu übersehen. „Wenn ich sie bitte, mich
Kopf hat. „Karolin hat ein gutes Farbgefühl“,     an etwas Wichtiges zu erinnern, kann ich
erklärt ihre Assistentin Brigitte Groder, „und    mich darauf verlassen. Dann denkt sie sicher
sie weiß, was sie will.“ Die Frau im Rollstuhl    daran!“, ist die Arbeitsassistentin überzeugt.
schaut sie an und nickt. Die Farbtöne, die sie
schließlich wählt, passen auch wirklich bes-
                                                  Feine Antennen
ser zu den blauen Wellen auf der Tasche.
Achtsam nimmt sie Farbe auf, wischt den           „Karo ist sehr feinfühlig. Sie hat Antennen:
Pinsel ab und malt helle Gischt auf die Wel-      Wenn eine Mitbewohnerin einen epilepti-
lenberge. „Wassa“, sagt sie und lächelt.          schen Anfall bekommt, spürt sie das schon
                                                  im Vorfeld und gibt Alarm“, berichtet ein
                                                  Assistent. Auch wenn er einmal mit Sor-
Alles im Blick
                                                  gen in den Dienst kommt, merkt sie das
Die Osttirolerin liebt das Wasser und verbin-     ohne Worte. „Da ist sie weniger anspruchs-
det Urlaub immer mit dem Meer, erklärt die        voll. Im Gegenteil: Sie streckt mir ihre Hand
Assistentin. „I Wassa“ sagt sie oft, wenn sie     entgegen, drückt mich und zeigt mir damit
vom Urlaub am Meer berichtet. „Wer Karo           ihr Mitgefühl.“ Sie merkt auch, ob man im
zum ersten Mal mit der Spastik sieht und          Kontakt mit ihr aufmerksam ist: „Wenn ich
ihre Laute hört, unterschätzt sie“, sagt die      mal nur ‚Ja‘ sage, weil ich die Unterhaltung
Assistentin überzeugt und beschreibt, wie         abkürzen will, sorgt sie dafür, dass ich sie
hilfreich die aufmerksame Frau im Rollstuhl       wirklich verstehe!“
oft ist.                                                Diese Beobachtungsgabe trainiert sie
     Als sich eine Kollegin einmal verschluckt­   von klein auf. In ihrem Heimatort Huben,
und selbst keinen Ton hervorbringt, wird          im Urlaub am Meer, im Café oder im

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                 Menschen aus der Nähe

ekommt viel mit

                                                         Foto: Reinhold Koefele

            Am Geschehen teilhaben:
            Karolin Jaggler will das Leben im Ort mit-
            bekommen und Bekannte treffen. Daher
            nimmt sie nicht den Lebenshilfe-Bus. Sie
            wählt lieber ihren eigenen Weg zur Arbeit.

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Dorfgasthaus – überall saugt sie Eindrü-                                                                      ängstlich, krampfte und schrie, wenn ihre
cke auf und berichtet auf ihre Art von ihren              Karolin Jaggler hat                                 ­Ärztin sie berühren wollte.“ Sicherheit gab es
Erlebnissen. Aus diesem Grund fährt sie                   hohen Unterstüt-                                     ihr, wenn ihr jemand die Hand hielt. Mit der
in letzter Zeit lieber mit dem Rollstuhl zur              zungsbedarf. Trotz                                   Zeit schloss sie neue Freundschaften, fasste
Arbeit. Sie kennt den Weg und wählt mit                   ihrer Schwiergkeiten                                 Vertrauen. Heute verwendet sie beim Essen
ihrer Begleiterin die Route, wo sie Menschen              bekommt sie alles mit                                einen Teller mit hohem Rand, eine rutsch-
begegnet und mitbekommt, was sich im Ort                  und bringt sich mutig                                feste Unterlage und Besteck mit dicken
abspielt.                                                 ein. Assistent/innen                                 Griffen. Damit löffelt sie so routiniert, dass
                                                          fertigen Wörterbücher                                nur wenig daneben geht.
                                                                                                                     „Karo merkt, wenn wir ihr etwas
Anpacken                                                  und Speisekarten mit
                                                          Bildern an. Das hilft                                zutrauen. Sie übernimmt immer mehr Auf-
Am Arbeitsplatz und in der Wohngemein-                    ihr und manchen Mit-                                 gaben oder regelt ihre Angelegenheiten
schaft übernimmt die 38-Jährige möglichst                 bewohner/innen, sich                                 selbst“, erklärt eine Assistentin, die sie
viele Handgriffe selbst. Sie bringt das Hand-             im Gasthaus und im                                   ermutigt, dem neuen Zivildiener selbst zu
tuch zurück an seinen Platz, sie schaltet                 Urlaub mitzuteilen.                                  sagen, wenn eine Fahrt zur Therapie ansteht.
das Licht aus, sie löst mit einer Hand beide                                                                   Sich mitzuteilen, kostet Karolin Jaggler Zeit
Bremsen ihres Rollstuhls oder öffnet den                                                                       und Mühe. Aber sie sieht, wie es die ande-
Gurt selbst.                                                                                                   ren machen, und letztlich will sie das auch.
      Obwohl sie beim Anziehen und Zubett-                                                                     „Zurzeit probieren wir, dass sie die Strecke
gehen immer auf Unterstützung angewiesen                                                                       vom Wohnzimmer in die Küche alleine fährt“,
ist, erledigt sie so viel wie möglich eigen-                                                                   berichtet eine Begleiterin, die seit 16 Jahren
ständig. Selbst beim Aussortieren der                                                                          an Karolin Jagglers Seite ist. „Karo ist ehrgei-
Wäsche oder beim Staubsaugen leistet sie                                                                       zig und müht sich ab. Aber wenn sie ans Ziel
ihren Beitrag und saugt, soweit es ihr mög-                                                                    kommt, ist sie stolz.“
lich ist.
      Das war nicht immer so, erinnert sich
                                                                                                              Dazugehören
die Assistentin Cornelia Weiskopf. „Als
sie von daheim in die Wohngemeinschaft                                                                        Wie alle Kinder wollte Karolin Jaggler immer
übersiedelte, war sie verunsichert und                                                                        mit ihren Geschwistern mithalten. „Als
schüchtern. Wenn wir ihr das Essen einga-                                                                     ihre kleine Schwester ein Radio geschenkt
ben, wie sie es von daheim gewohnt war,                                                                       bekommen hat, rief sie zum ersten Mal
reagierte sie sehr sensibel. Karo war damals                                                                  ‚I a!‘ Als sie dann ein eigenes bekam, hatte
                                                                                                              sie eine große Freude damit“, berichtet ihre
                                                                                                              Mutter. Den Wunsch, es den erwachsenen
                                                                                                              Schwestern gleichzutun, hat Karolin Jaggler
                                                                                                              immer noch. Sie will es daheim ordent-
                                                                                                              lich haben. Mit einem Blick sieht sie, wenn
                                                                                                              ein Vorhang nicht am Platz ist, eine Kasten-
                                                                                                              tür einen Spalt offensteht oder ihr Rollstuhl
                                                                                                              nicht akkurat am Tisch steht. Dann rückt sie
                                                                                                              zurecht, was sie kann, oder bittet die Assis-
                                                                                                              tent/innen, es zu tun. „Und sie will fesch
                                                                                                              beinand sein“, attestiert ein Begleiter. „Sie
                                                                                        Foto: Stefan Wibmer

                                                                                                              wählt ihre Kleidung selber aus. Sie erin-
                                                                                                              nert uns, wenn irgendwo ein Reißverschluss
                                                                                                              offen ist und achtet auf ihre Frisur.“ Von
                                                                                                              ihrer Assistentin lässt sie sich Zöpfe ins Haar
                                                                                                              flechten und kontrolliert die Frisur im Spie-
Im Gasthaus, im Café, im Urlaub: Karolin Jaggler erkundet die Welt mit ihren Augen.                           gel. Dann lächelt sie und sagt damit: „Danke!
Was sie erlebt hat, versucht sie, den Daheimgebliebenen zu erzählen – so gut es geht.                         Gut gemacht!“. 

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Lebens..WeltWelt - BUNTER LEBENSHILFE WALD - Lebenshilfe Tirol
Foto: Manfred Lechner

                                                                                                                    Unsere Mission

                        Bunter
                        Lebenshilfe Wald
                                                                                             450 Laub- und Nadelbäume hat das Team aus
                        Was wir heute tun, bestimmt, wie die Welt in                         Klient/innen, Mitarbeiter/innen und Forstspezi-
                        30 Jahren aussehen wird. In einem gemeinsa-                          alist/innen gesetzt. In Reutte, Imst, Innsbruck,
                        men Projekt setzen Förster und Klient/innen                          Gschnitz und Scheffau wurden Löcher gegra-
                        450 verschiedene Laubbäume. So entsteht                              ben und Bäume eingepflanzt, mit Pfosten
                        ein nachhaltig robuster Mischwald, der so                            gestützt, vor Wildverbiss geschützt und
                        bunt ist wie unsere Gesellschaft.                  Selbst aktiv      schließlich mit Namensschildern versehen.
                                                                                             Evelyn Nagl aus Innsbruck hat so „ihren“ ers-
                                                                          zu werden für
                        „Der Wald ist nicht nur Lebensraum für Tiere                         ten Baum gepflanzt. Das Namensschild wird
                        und Pflanzen, sondern auch Erholungsraum für       eine bessere      ihr helfen, ihn bei künftigen Besuchen wieder-
                        uns Menschen“, sagt Georg Willeit, Geschäfts-                        zufinden. Sie und die anderen haben hier viel
                                                                          Welt, ist auch
                        führer der Lebenshilfe Tirol. „Die Lebenshilfe                       über den Wald, die Tiere, die Aufforstung, das
                        begleitet Menschen bei einem barrierefreien,      Menschen mit       Alter der Bäume und ihre Bedeutung für das
                        selbstbestimmten und erfüllten Leben. Daher                          Klima gelernt.
                                                                           Behinderun-
                        gestalten wir Lebens- und Entwicklungsräume                               „Mit dem gemeinsam gestarteten Pro-
                        mit, die unsere Welt für alle lebenswerter,       gen ein großes     jekt Bunter Lebenshilfe Wald ermöglichen wir
                        inklusiver und nachhaltiger machen“. Als Klima-                      Menschen mit Behinderungen, Freude und
                                                                            ­Anliegen.
                        bündnispartnerin übernimmt die Lebenshilfe                           positive Erfahrungen aus dem Wald zu gewin-
                        gesellschaftliche Verantwortung. „Das Schöne         Lebenshilfe-    nen und sich für einen klimafitten Wald stark
                        an diesem Projekt ist, dass alle selbst etwas      Geschäftsführer   zu machen“, erklären Andreas Wildauer von der
                        tun und sich so aktiv am Klimaschutz beteili-       Georg Willeit    Stadt Innsbruck und Patricia Schrittwieser vom
                        gen können“, so Georg Willeit.                                       Tiroler Forstverein.

                                                                                                                 7
Lebens..WeltWelt - BUNTER LEBENSHILFE WALD - Lebenshilfe Tirol
Foto: Peter Schafferer
Prominente im Interview

                                                                           Musiker im Gespräch: Hannes Fankhauser
                                                                           (li.) und Martin Bieber (re.) mit dem Tiroler
                                                                           Komponisten Manu Delago

Ich komme immer
		 wieder gern zurück
Der weitgereiste Schlagwerker Manu Delago                                 anderen Gruppen. Mit 22 Jahren, das war 2006,
machte im Mai 2021 eine Tournee mit Fahrrä-                               habe ich eine Band unter meinem Namen Manu
dern, Solarstrom und möglichst wenig Abfall.                              Delago gegründet und anfangs viel hier im Treib-
Dass die Lebenshilfe die Musiker mit „Essen                               haus gespielt.
im Glas“ versorgte, ist nur eine von mehreren                             MB: Woher kommen deine Bandmitglieder?
Verbindungen.                                                             Die Mitglieder sind großteils aus Österreich und
                                                     Wenn man             Tirol, einige waren mit mir am Musikgymna-
Hannes Fankhauser: Wann hast du angefangen                                sium. Nachdem ich in London wohne, spiele ich
                                                   andere Länder
zu musizieren?                                                            aber auch mit Leuten aus England, Island oder
Ich habe mit zwei Jahren angefangen, Schlagzeug     kennenlernt,          Amerika.
zu spielen, mit sechs Akkordeon gelernt, so wie                           MB: Was waren die Gründe für deine „ReCyc-
                                                   wird man offe-
du in der Musikschule. Später kamen noch Kla-                             ling-Tour“?
vier, E-Gitarre und Marimba dazu.                  ner und lernt,         Als Komponist probiere ich ja immer gern etwas
Martin Bieber: Wie hast du das „Hang“ ent-                                Neues. Ich war für Konzerte viel mit dem Flug-
                                                    die Welt aus
deckt und gelernt?                                                        zeug unterwegs und habe überlegt, wie man den
Das hat mein Vater Hermann Delago 2003 von         verschiedenen          Transport, die Energie, den Abfall klimaschonen-
einem Festival in der Schweiz mitgebracht. Weil                           der gestalten kann. Also haben wir beschlossen,
                                                   Blickwinkeln zu
es für das neue Instrument keine Lehrer und kein                          Fahrräder mit Anhängern als Transportmittel
Studium gab, habe ich meine Erfahrungen ein-            sehen.            zu nutzen. Außerdem bewege ich mich gern.
fließen lassen und es mir selber erarbeitet.                              Auf Tourneen stehe ich oft früher auf und gehe
HF: Seit wann hast du eine eigene Band?             Manu Delago lebt in   eine Runde laufen. Um zum nächsten Konzert zu
Ich war 13, als ich begann, in einer Band zu             London.          laufen, ist es meist zu weit. So haben wir eine
spielen, und spielte später als Schlagzeuger in                           Tour in Österreich geplant, auf der alle Etappen

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Lebens..WeltWelt - BUNTER LEBENSHILFE WALD - Lebenshilfe Tirol
zwischen 30 und 120 Kilometern entfernt und die                              Solarpaneelen in Akkus geladen. Damit wurde
Distanzen daher mit dem Rad bewältigbar waren.                               die Lichtanlage aus der Sonne gespeist.
HF: Ihr habt dabei auf Wegwerfgeschirr ver-                                  MB: Wie hast du den Lockdown überstanden?
zichtet. Was habt ihr da erlebt?                                             Im ersten Lockdown habe ich die Ruhe ohne
Wir hatten uns Jausenboxen mitgenommen, die                                  Tourneen geschätzt. Ich habe mich ausgeruht
wir täglich befüllen wollten. Vegetarisch, selbst-                           und regeneriert. Später habe ich neue Musik
gemacht, abfallfrei, regional. Das haben wir alle                            komponiert, ein Album aufgenommen. Ich bin
Fans wissen lassen. Darauf haben sich viele                                  raus in die Natur, wandern, klettern, Rad fahren
nette Menschen gemeldet, die bereit waren, uns                               gegangen. Mir ist nie fad geworden.
eine Jause zuzubereiten. Das bedeutete sehr viel                             HF: Freust du dich auch, dass wir wieder musi-
Organisation, viele E-Mails, viele Telefonate. Aber    In Clubs und          zieren und damit Menschen glücklich machen
wir haben immer sehr gutes Essen bekommen,                                   dürfen?
                                                      bei vielen Kon-
hatten mehr als genug und wir konnten im Ver-                                Auf jeden Fall, da kann ich dich gut verstehen!
gleich zu Fertigessen viel Abfall vermeiden. Diese     zerten gibt es        Das habe ich auch vermisst. Die Streaming-Kon-
Idee wollen wir weiterführen. Denn mit Hausge-                               zerte sind als Überbrückung ganz nett, aber nicht
                                                      noch Getränke
machtem und Übriggebliebenem kann man viel                                   das Wahre. Daher freue ich mich auch, jetzt wie-
Verpackung sparen.                                     in Einwegfla-         der Konzerte vor Leuten zu spielen.
MB: Hattet ihr Pannen auf der Tour?                                          MB: Du lebst in London und tourst durch die
                                                      schen. Wir ha-
Wir hatten platte Reifen, einen umgekippten                                  Welt. Was schätzt du an Tirol?
oder ausgehängten Anhänger. Wenn man mit              ben mit unserer        Seitdem ich in London lebe, habe ich Tirol noch
sechs Fahrrädern 1500 Kilometer fährt, passiert                              mehr schätzen gelernt. Dass man hier das Lei-
                                                      ReCycling-Tour
halt einiges. Aber letztlich ist es ziemlich gut                             tungswasser trinken kann und eine gute Luft
gelaufen.                                              einige Men-           zum Atmen hat, dass es ruhige Rückzugsorte in
HF: Was habt ihr bei der Tour gemacht, wenn                                  der Natur gibt. Das sind Dinge, die wir für selbst-
                                                      schen angeregt
ein Gewitter war?                                                            verständlich halten, die aber nicht überall auf
Gewitter hatten wir nur eines, und da waren wir        und Beispiele         der Welt so sind. Auch dass viele Menschen hier
Gott sei Dank schon am Ziel. Aber die Musiker                                ein Dach über dem Kopf haben, dass man keine
                                                       gegeben, die
waren echt fit und hart im Nehmen. Denn es war                               Angst haben braucht, wenn man auf die Straße
kein Urlaub, sondern ein harter Monat: sehr viel      andere nachah-         geht. All das ergibt eine gute Lebensqualität.
Radeln, viele Konzerte, viele Videodrehs, wenig                              Tirol ist mein Lieblingsurlaubsziel und ich ver-
                                                       men können.
Schlaf – und das bei jedem Wetter, denn Regen                                bringe hier viel Zeit in den Bergen. Trotzdem:
gab es viel.                                             Manu Delago         Ich bin auch froh, in der Welt herumgekommen
MB: Was für Wünsche und Ziele hast du noch?                                  zu sein und verschiedene Länder gesehen zu
Mit Blick auf die ReCycling-Tour wünsche ich mir,                            haben. Da wird man offener und lernt, die Welt
dass man den Klimaschutz endlich ernst nimmt.                                aus verschiedenen Blickwinkeln zu sehen. Aber
Da gibt es viel zu tun, und da muss gehandelt                                ich komme immer wieder gern zurück. 
werden, von ganz oben – von der Politik. Als
Musiker wünsche ich mir, dass ich weiterhin kre-
ativ bin und andere Menschen inspirieren kann,
                                                       IM GESPRÄCH
damit wir gemeinsam wieder schöne Konzerte             Der Tiroler Schlagwerker Manu Delago beherrscht das
erleben.                                               seltene Instrument „Hang“ wie kein zweiter und spielt
HF: Ich spiele mit meiner Ziachorgel ohne Ver-         weltweit bei Produktionen mit. Bei seiner „ReCycling-
stärker. Spielst du immer ohne Strom, Manu?            Tour“ reisten sechs Musiker mit dem Fahrrad durch
Ich spiele eigentlich oft mit Strom. Aber jetzt        Österreich. Um Abfall zu vermeiden, ließen sie sich von Fans
habe ich viele Konzerte mit einem akustischen          und der Lebenshilfe bekochen. Hannes Fankhauser spielte mit
Ensemble gespielt. Das heißt, alle Instrumente         der Ziehharmonika bei den Zillertaler Bahnhöflern und komponiert
erzeugen ihren Klang aus sich selber. Aber auch        auch eigene Instrumentalstücke. Martin Bieber begeistert sich
wir brauchen Mikrofone und Verstärker, weil wir        für alle Arten von Musik. Er arbeitet im Kindergarten von Radfeld
gern vor größerem Publikum spielen. Auf der            und im Sommer im Recycling-Team der Lebenshilfe Brixlegg.
ReCycling-Tour haben wir allerdings Strom aus

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Lebenshilfe vor Ort

Mit Freizeitassistenz traut sich Jana, die Welt zu erkunden
Innsbruck Jana Simic liebt die Natur

                                                                                                                               Foto: Peter Schafferer
und kümmert sich gern um Pflanzen.
Daher besucht sie mit ihrer Freizeitas-
sistentin gern Gärtnereien, zieht selbst
Pflanzen und schmückt Beete mit bun-
ten Steinen. Seit Mai beteiligt sich die
Jugendliche am Gemeinschaftsgarten
im Waltherpark. Dort setzt sie Thy-
mian, Melisse, Erdbeeren sowie selbst
vorgezogene Sonnenblumen und
Tomatenpflanzen. Während sie die
Pflanzen gießt, schauen Parkbesucher/
innen zu. Jana lächelt und macht weiter.
     Jana spricht nicht. Daher macht die                                  Kinder und Jugendliche wachsen mit ihren Leidenschaften.
Freizeitassistentin ihr Vorschläge. So
gehen die beiden spazieren, schwim-        „Wenn Jugendliche ihren Leidenschaf-           und für ihre Pflanzen Verantwortung
men, Eis essen oder erledigen Einkäufe.     ten nachgehen können, bringt sie das          übernimmt. Auch Janas Mutter bemerkt
Auch zum Schwimmtraining und zu Ver-        genauso weiter wie manche Therapier-          die Fortschritte. Die berufstätige Frau
anstaltungen geht sie mit Begleitung.       stunde“, sagt die Freizeitassistentin. Sie    ist froh um die wöchentliche Familie-
Die 16-Jährige genießt es, das zu tun,      beschreibt, wie Jana sich immer mehr          nentlastung und sagt immer wieder:
was sie interessiert.                       zutraut, beim Einkaufen selbst bezahlt       „Schön, dass es euch gibt!“

Raus aus dem Alltag                                                                      marschieren gemeinsam, helfen sich
                                            Foto: Daniela Oberhofer

                                                                                         gegenseitig und warnen einander vor
Prutz Fünf Teilnehmer/innen der Wal-                                                     hereinhängenden Ästen. Alle Teilneh-
king-Gruppe aus Prutz fuhren vor                                                         mer/innen genossen diese Auszeit und
Kurzem Richtung Kaunertal, um der                                                        freuen sich schon auf die nächste.
Hitze zu entkommen. Nach einem kur-
zen Fußmarsch suchten sie sich am                                                        Wir versuchen,
Schnadigen-Weiher ein feines Platzl,
                                                                                         Menschen das zu
erfrischten sich die Füße im Wasser
und ließen den heißen Tag ausklingen       genossen den angenehmen Abend.                ermöglichen, was
Die mitgebrachte „Marend“ schmeckte        Solche Gelegenheiten können sehr ver-
                                                                                         sie sich wünschen.
besonders gut. Alle griffen zu, tausch-    bindend wirken. Bewohner/innen, die
ten und teilten, tratschten dabei und      im Alltag wenig zusammen machen,              Daniela Oberhofer, Assistentin

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Geräte länger nutzen                                         Erfolg beflügelt                                               Arbeiten und teilhaben
          Völs/Hall Noah Marx sam-                                                                                          Kufstein Monika Freisinger arbeitet seit
           melt leidenschaftlich alte                                                                                       zehn Jahren in der Lebenshilfe in der
           Radios und Fernseher. Auf                                                                                        Kienbergstraße. Weil ihre Sehkraft seit

                                                                                                    Foto: Heidi Nothegger
            Flohmärkten und im Inter-                                                                                       einigen Jahren nachlässt, werden viele
            net besorgt er sich schöne                                                                                      Tätigkeiten für die ältere Frau immer
             Stücke, repariert sie und                                                                                      schwieriger, zum Beispiel das tägliche
             stellt die schönsten in sei-                                                                                   Abzählen und Austeilen von zehn Gar-
              nem Zimmer auf einem                                                                                          nituren Besteck für das gemeinsame
              Regal aus. Im Elternhaus                       Niederkaiser Die Höhenwanderun-                                Mittagessen mit ihren Kolleg/innen.
            half ihm sein Vater, über-                       gen, die er im letzten Jahr gemacht                                 Dafür fand Assistentin Nina Höt-
zählige Geräte auszumisten. Seit er                          hat, scheinen Christoph Horngacher                             ling nun ein passendes Hilfsmittel: Aus
allein lebt, lernt er, selbst aufzuräu-                      zu beflügeln. Heuer organisierte er                            Eierkartons fertigte sie eine Zählhilfe
men und Platz zu schaffen.                                   mit seiner Begleiterin eine Klettertour.                       und ermöglicht Monika Freisinger so,
    „Ich verstehe nicht, dass man                            Schon beim Anstieg ist er vom Ausblick                         ihre vertraute Arbeit fortzuführen.
schöne Geräte wegwirft“, erklärt er                          wie gebannt, er macht mehrmals Halt                                 In der Begleitung erlebt die Assis-
unlängst und beschließt, einige Stü-                         und kann sich nicht sattsehen.                                 tentin täglich Grenzen. Wo immer es
cke auf einem Flohmarkt anzubieten.                               „Früher war Christoph ein stiller                         gelingt, diese Barrieren mit guten Ideen
Sein Assistent organisiert einen Markt-                      Mann“, berichtet die Begleiterin. „In                          zu überwinden, können Menschen am
stand in Völs, transportiert die Radios                      letzter Zeit steigt sein Selbstvertrauen.                      Gemeinschafsleben teilhaben.
mit seinem Auto und bestärkt ihn bei                         Er ist offener und sagt jetzt klarer, was
den Preisverhandlungen mit Kundin-                           er will, und er traut sich, Nein zu sagen,
nen und Kunden.                                              wo er früher still war.“

Auf gute Nachbarschaft                                       Lebenshilfe vernetzt
                                                             Wipptal Das Angebot sozialer Dienste
                                                             in Tirol ist vielfältig. Um die Ange-
                                                             bote gut aufeinander abzustimmen,
                                                             haben die Gemeinden im Wipptal die
                                      Foto: Isabelle Kretz

                                                             Lebenshilfe beauftragt, ein Netzwerk
                                                             namens WippCare aufzubauen. „Wipp-

                                                                                                                                                                    Foto: Nina Hötling
                                                             Care fördert starke und selbständige
                                                             Sozialregionen und unterstützt die
       Kleine Aufmerksamkeiten zaubern                       Zusammenarbeit aller Betreuungsein-
        Menschen ein Lächeln ins Gesicht.                    richtungen“, sagt Projektleiter Stefan
                                                             Freytag. Bei einem „Bürger/innenrat“                             Mit einer Sortierhilfe kann Monika Frei-
Innsbruck Die Seniorinnen in der                             im Juni diskutierten Jung und Alt, was                         singer ihre alte Aufabe weiterhin erfüllen.
Tagesbegleitung Bienerstraße sorgen                          sie sich im Bereich Pflege und Soziales
im Stadtteil für ein gutes Miteinander.                      wünschen. Die Teilnehmer/innen waren                           Wenn Monika Freisinger nun wieder
Am Tag der Nachbarschaft verteil-                            sich einig, dass ein regionales Erstver-                       jeden Vormittag das Besteck für Mit-
ten sie Blumensamen und Gutscheine                           sorgungszentrum und eine Hotline für                           tag austeilt, kommt sie im Haus herum,
und kamen so mit Passant/innen ins                           soziale Fragen vieles erleichtern wür-                         begegnet den Beschäftigten der ande-
Gespräch. Außerdem organisierten sie                         den. Auch künftig sind Wipptaler/innen                         ren Bereiche und sorgt überall für gute
mit Schüler/innen der Waldorfschule                          eingeladen, ihre Ideen zum Thema                               Stimmung „Moni ist eine lebensfrohe
Hochbeete, wo jetzt Kinder und Senior/                       Pflege und Soziales einzubringen: bei                          Frau und freut sich, dass sie auf diese
innen aus der Umgebung Pflanzen set-                         einem Online-Bürger/innen-Café auf                             Art etwas beitragen kann“, erklärt die
zen, pflegen und ernten.                                     wipptal.mitdenken.online                                       Assistentin.

                                                                                                                                       11
Den Lichtschalter für Zufriedenheit gefunden                                                                                                     Weil Benedikt Jäger nicht spricht und
                                                                                                                                                 nur Geräusche hört, ist es für ihn
                                                                                tenlang die Schatten, die er mit seinen                          schwierig, Veränderungen nachzuvoll-
                                                                                Fingern auf den Boden zaubert.                                   ziehen. Beim Wechsel vom Kindergarten
                                                                                     Das war nicht immer so, berich-                             in die Schule rannte er oft davon oder
                                                                                tet sein Vater: „Früher war Benedikt                             beruhigte sich, indem er Lichtschalter
                                                                                oft aufgewühlt und hielt es kaum aus,                            an- und ausknipste. Am Lebenshilfe-
Foto: Sebastian Winkler

                                                                                nichts zu tun.“ Wenn der 21-Jährige                              Arbeitsstandort erhielt er daher zu
                                                                                keine Aufgabe hatte oder ein Puzzle-                             Beginn einen Rückzugsraum und eine
                                                                                Stück vermisste, rieb er sich den Kopf                           Betreuungsperson ganz für sich allein.
                                                                                und wurde laut. Heute ist er mit den                             Heute ist er mit allem vertraut und
                                                                                Abläufen am Bauernhof vertraut und                               nicht mehr in alten Zwängen gefan-
                                    Seit Benedikt Jäger Hühner                  organisiert sich auch selbst. Er geht                            gen. Wenn er nach Hause kommt, ist
                     und Schweine versorgt, geht es ihm gut.                    allein zu den Hühnern oder deckt den                             er müde und zufrieden, berichtet sein
                                                                                Tisch, wenn es sonst niemand tut. „Als                           Vater. „Selbst der Kinderarzt, der ihm
Reutte Benedikt Jäger arbeitet gerne.                                           wir ihn das erste Mal alleine Wasser                             eine lebenslange schwere Behinderung
Auf einem nahen Bauernhof füllt er                                              holen ließen, waren wir selber unsi-                             vorhergesagt hat, war überrascht, wie
die Tränke der Schweine, bringt ihnen                                           cher, ob er nicht abhaut“, erinnert sich                         gut Benedikt sich entwickelt hat!“
Futter und kümmert sich um die Hüh-                                             eine Assistentin, „dabei hat er den
ner. Er weiß, wo man das Wasser für                                             Weg völlig souverän und unaufge-                                 Benedikt ist mit Begleitung
die Tränke holt, welches Heu als Futter                                         regt zurückgelegt.“ Seither übernimmt                            so weit gekommen! Wir
dient und wo er den Mist hinbringen                                             Benedikt Jäger immer mehr Aufga-
muss. Wenn er eine Aufgabe erledigt                                             ben und braucht dafür immer weniger                              sind dankbar dafür.
hat, macht er Pause und verfolgt minu-                                          Unterstützung.                                                   Erich Jäger, Vater

Familien im Fokus                                                               Fachmann für hundert Spielsachen
                                                                                Kufstein „Ich arbeite gern in der                                der höfliche, ordentliche Mann sofort
                                                                                Lebenshilfe.“ Das war für Laurin                                 die Filialleitung und erhält im Mai 2021
                                                                                Liebeskind lange klar. Doch mitten in                            eine Anstellung. „Er hat sich gewünscht,
                                                                                der Pandemie beschließt er, „etwas                               in der Spielwarenabteilung mitzuarbei-
                                                                                mit Kindern zu arbeiten“. Mit Assis-                             ten. Hier hat er sich sofort gut eingelebt
                                                            Foto: Nadia Hofer

                                                                                tentin Sabine Schwaiger sucht er nach                            und man sieht, wie viel Spaß ihm das
                                                                                geeigneten Stellen und macht ein Prak-                           macht“, berichtet der Filialleiter. „Die
                                                                                tikum im Interspar. Dort beeindruckt                             Abwicklung der finanziellen Förderun-
                                                                                                                                                 gen ist ein bisschen schwierig, aber das
                          Frühförderung und Freizeitassistenz                                                                                    erledigt zum Glück die Lebenshilfe!“
                          beraten auf Innsbrucker Spielplätzen.                                                                                       In dem großen Markt ist Laurin
                                                                                                                                                 Liebeskind viel auf den Beinen, um alle
Innsbruck Um Eltern besser zu er                                                                                                                 Regale in Ordnung zu halten. „Daher ist
reichen, sind heuer Sozialorganisatio-                                                                                                           es mir recht, mit wenig Stunden anzu-
nen auf Spielplätzen und an anderen                                                                                                              fangen, bis ich mir mehr zutrauen
                                                                                                                       Foto: S abine Schwaiger

öffentlichen Orten im Einsatz. So will                                                                                                           kann“, erklärt Laurin Liebeskind. Zum
man Menschen erreichen, die Hem-                                                                                                                 Essen und Ausruhen kehrt er täglich in
mungen haben, eine Beratungsstelle                                                                                                               die Arbeit Endach zurück. Das gibt ihm
aufzusuchen. „Hier verlieren Eltern und                                                                                                          und den berufstätigen Eltern die nötige
Großeltern die Scheu, erfahren von den                                                                                                           Sicherheit auf diesem Weg. „Wunder-
Angeboten und erzählen das weiter“,                                                   Laurin Liebeskind hat seinen ersten                        schön, dass man ihm diese Chance
so eine Mitarbeiterin.                                                                   Schritt in die Wirtschaft gewagt.                       gibt“, freut sich auch die Mutter.

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Beruflich neu orientiert                   Jugendliche zwischen Schule und Beruf
Kufstein In der Corona-beding-
ten Pause des Restaurants Kienbichl
begannen die Klient/innen, sich für
neue Aufgaben und Betätigungsfelder
zu interessieren. Daher fiel die gemein-
same Entscheidung, das Restaurant
nicht mehr zu öffnen.
    „Die Menschen, die wir begleiten,
wollen ihre Fähigkeiten weiterentwi-

                                                                                                                                                Foto: AusbildungsFit
ckeln und Neues ausprobieren“, sagt
der Leiter des Arbeitsstandortes
Kienbichl. So gibt es schon konkrete
Projekte und Ideen, wie die Klient/
innen ihre Talente und Fähigkeiten in        Junge Arbeitssuchende machen sich Gedanken über ihr Leben. Die Lebenshilfe begleitet.
Betrieben der Umgebung einbringen
können. „Derzeit planen wir gemein-        Imst 15 Jugendliche vom Projekt Ausbil-                         recycelten Stoffen erinnern sie an den
sam, welchen Tätigkeitsfeldern wir         dungsFit Oberland beteiligten sich an                           Zusammenhang von Mode und Nach-
uns künftig widmen werden. Gespräche       einem Textilprojekt, das die Vielfalt der                       haltigkeit oder an die Ausgrenzung von
über Zusammenarbeit mit einem Seni-        Stadt aufzeigt. In ihren Werken thema-                          Menschen aufgrund ihrer sexuellen
orenheim und Firmen laufen bereits“,       tisieren sie ihre Nöte in Corona-Zeiten                         Orientierung. „Unser Frühlingsbaum
gibt Regionalleiterin Carina Praxmarer     und auch den Umgang mit dem Inter-                              steht für den Lebensabschnitt zwi-
Einblick in den aktuellen Stand.           net und den sozialen Medien. Mit                                schen Schule und Beruf.“

                                                                                                                                             ...
Ein Beitrag zur Pandemiebekämpfung                                                                                     a l i s t d a s de nn
                                                                                                                     m
                                                                                                            W ie nor
Matrei i. O. Beim Anstehen in der Test-
straße beobachtet Roland Raffler, wie                                                                      Gefragte Schreiberin
das Personal jedes Testformular mit
Strichcode-Etiketten beklebt. „Etiket-                                                                      Uderns Die Traditionszeitung Zillerta-
ten picken kann ich auch”, erklärt er                                                                       ler Heimatstimme veröffentlicht seit
und bietet dem Testpersonal seine                                                                           2019 Lebensbetrachtungen von Mar-
Hilfe an. „Versuchsweise haben wir                                                                          tina Wurm. Die Texte der Klientin aus
                                                                                   Foto: Christine Fuchs

einen Stapel Formulare mitgenommen“,                                                                        Uderns kommen bei den Leser/innen
erzählt Assistentin Helga Berger, „und                                                                      gut an, weil sie aus dem Leben berich-
seitdem arbeiten wir laufend auch für                                                                       tet. Wenn sie über den „Stress im
andere Teststraßen in Osttirol.“                                                                            Alltag“, die „flotten E-Biker“ oder den
     So leisten sechs bis sieben Perso-                                                                    „eigenen Vogel“ schreibt, tut sie das
nen mit Behinderungen einen Beitrag              In Osttirol bekleben Klient/innen die                      stets mit Augenzwinkern. Und sie lädt
zu den Testungen im Bezirk und liefern          Covid-Testformulare mit einem Code.                         ein, die eigenen Grenzen oder die der
immer termingerecht den Nachschub                                                                           anderen gelassen anzunehmen.
an Formularen. Weil Hansjörg Tegischer     Beitrag zur Pandemiebekämpfung und                                   „Martina spricht Alltagsprobleme
Unterstützung braucht, um die nötigen      bringen uns ein, mit dem was wir kön-                            an. So ehrlich und unverstellt, dass
Handgriffe verlässlich auszuführen,        nen“, erklärt sie.                                               es allen gut tut“, befindet die Her-
unterstützt ihn Kollegin Irene Patte-           Das Team in der Teststraße ist                              ausgeberin, Bürgermeisterin Monika
rer (Foto). Eine kleine Vorarbeit dazu     jedenfalls froh über diese kleine, aber                          Wechselberger. „Ihr treffsicherer Stil
erledigt Thomas Steiner mit Assisten-      spürbare Entlastung und dankt den                                amüsiert uns in der Redaktion und
tin Helga Berger. „So leisten wir einen    ehrenamtlichen Helfer/innen.                                     kommt auch bei den Leuten gut an!“

                                                                                                                      13
Mit Ihrer Hilfe

Helfen, wo Hilfe nottut
                                                                   Der Verein Lebenshilfe Tirol unterstützt
                                                                   seit dem Jahr 1963 Menschen mit Behin-
                                                                   derungen. Gemeinsam mit 12.000 aktiven
                                                                   Unterstützer/innen versuchen wir, Hür-
                                                                   den zu meistern, Ungleichbehandlung zu
                                                                   bekämpfen und Lasten aufzuteilen.

                                                                   Drei Personen benötigten Psychotherapie.
                                                                   Auf einen kostenlosen Therapieplatz muss
                                                                   man jedoch lange warten. Zur Überbrückung
                                                                   finanziert die Lebenshilfe die ersten Psycho-
                                                                   therapie-Einheiten mit jeweils 460 Euro.

                                                                   Eine Frau benötigte eine Kur und traute
                                                                   sich nur mit Assistenz, dort teilzunehmen.
                                                                   Für den erforderlichen privaten PCR-Test
                                                                   bezahlte die Lebenshilfe 90 Euro.

Hör-Wahrnehmungs-Trainings sind nicht billig. Aber Kinder mit      Bevor ein Sechsjähriger im Herbst einschult,
Entwicklungsverzögerungen machen damit große Fortschritte.         empfiehlt ihm die Frühförderin eine Therapie­
                                                                   in der Klinik. Die Mutter hat den Job verlo-
                                                                   ren, der Antrag auf Mindestsicherung ist
                                                                   noch nicht genehmigt. Allein die Fahrtkos-
                                                                   ten für die drei Monate summieren sich auf
                                                                   300 Euro. Die Lebenshilfe springt ein und
                                                                   finanziert die Kosten.
               Früher schaute das Mädchen
                                                                   Mehrere Kinder machen durch ein Hör-
                durch mich hindurch. Heute
                                                                   Wahrnehmungs-Training große Fortschritte.
                 nach dem Wahrnehmungs-                            Weil dieses Training 990 Euro kostet, bitten
                                                                   Familien, die von Kurzarbeit betroffen sind,
             Training schaut sie mich an und
                                                                   um Unterstützung. Die Lebenshilfe hilft und
               grüßt mich mit ihren Lauten.                        freut sich über die Erfolge der Kinder.

                     Bernhard Heuschneider, Nachbar

                                                                                   !
                                                                       a  uch Sie
                                                                Helfen
                                                                          nkonto
                                                                   Spende        irol,
                                                                        hilfe T
                                                                  Lebens    ir ol,
                                                                     Hypo T 0 0002
                                                                               0
                                                                       T50 57
                                                                 IBAN A 7 4229
                                                                      000

14                                                                                          LEBENS.WELT 21-3
                                                                                               Warum Menschen helfen

Facebook-Freunde helfen
        200 € von 150 € erreicht.

Neun Personen haben heuer auf Facebook erfolgreich
eine „Spendenaktion“ gestartet und gemeinsam mit
ihren Freund/innen ihre Verbundenheit mit Menschen mit
Behinderungen bewiesen.

Familie Fankhauser hat zwei Kinder. „Die Kleine hat das
Down-Syndrom. Der Ältere hat Muskeldystrophie“, erklärt
die junge Mutter. Für ihre dreijährige Tochter nutzt sie die
Frühförderung der Lebenshilfe. „Ich unterstütze gern eine
Organisation, die ich kenne. Obwohl unsere Kinder ihr ‚Bigai‘
(Rucksack) haben, leiden wir selber ja keine Not“, erklärt
Sarah Fankhauser. Als sie im April 2021 auf Facebook um
eine Geburtstagsspende zugunsten der Lebenshilfe bittet,
kommen rasch 200 Euro zusammen. „Wir waren überrascht,
wie viele – auch entfernte – Freunde da was beitragen!“

„Jeder, der kann, soll was geben“
Auch Christian Winkler kennt die Lebenshilfe seit Jahren. Er
findet es gut, wie sie sich für „Gehalt statt Taschengeld“ ein-
setzt, „damit Menschen eine Aufgabe und ein Einkommen
haben. Denn Menschen mit Behinderungen sind viel zu oft
Bittsteller!“ Der Vater eines achtjährigen Kindes unterstützt
regelmäßig gemeinnützige Projekte und stiftete seine Face-
book-Geburtstagsspende der Lebenshilfe, „weil sie eine
regionale Organisation ist, von der man immer wieder was
mitbekommt.“

„Wer hilft, bekommt was zurück“
Thomas Hlinka war der erste, der seine Facebook-Freund/
innen zum Spenden motivierte. Der Zillertaler Unterneh-
mer spendierte schon 2020 viele Corona-Schutzschilde für
die Lebenshilfe im Tal und entdeckte so, wie viele Menschen
                                                                  DANKE
dort engagiert sind.                                              Check-square   2.300 Euro überreichten heuer Bäckereien an
     „Wenn man hilft, bekommt man auch was zurück“,                              die Lebenshilfe Ostirol. Seit 16 Jahren gibt es die
betont Papa Herbert Fankhauser, der froh ist, selbst Unter-                      Lichtblicke-Benefiz-Aktion, die Urlaubsaktionen,
stützung zu erhalten. Er bemerkt, wie seine Tochter mithilfe                     Sportaktivitäten und Therapiegeräte ermöglicht.
der Lebenshilfe-Frühförderin ihre Fein- und Grobmotorik           Check-square   Zehn Familien waren es allein in Osttirol, die bei
verbessert und sich gut entwickelt. „Sie singen immer ein                        ihrer Trauerfeier um Spenden für die Lebenshilfe
Lied, machen verschiedene Fingerspiele und vieles mehr.                          anstelle von Kränzen und Blumen gebeten haben.
Davon profitiert die Kleine wirklich sehr!“

                                                                                                            15
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                                                                                                                                                                                                                       O st t i
Lebens.Welten

                                                                                                                                                                                                                          g sFit    un
                                                                                                                                                                                                                              usbild    A
                                                                                                                                                                                                                                  Foto:
                                                                                                                                                                                                     AusbildungsFit heißt ein
                                                                                                                                                                                            Projekt, das Jugendliche auf dem
                                                                                                                                                                                            Weg zum Beruf begleitet und sie

                                                                        Foto: Martina Stenico
                                                                                                                                                                                            bestärkt, ihre Talente und Kreati-
                                                                                                Mit Fahnen in Regenbogen­farben                                                             vität zu nutzen.
                                                                                                zeigt auch die Lebenshilfe:
                                                                                                Menschen sind verschieden, und
                                                                                                das ist gut so!

                       Sonnengarten Lienz heißt
                       der neue, bunte Mitmach-

                                                                                                                                                           Foto: Peter Schafferer
                       garten, bei dem jeder und jede
                       ­mitmachen kann.
                                                        s s er
                                                         rl ies P rea
                                                            Foto: M

                                                                                                                                                                                    Erstmals in Österreich: Ein abge-
                                                                                                                                                                                    senkter Innenraum kommt E-Rollis
                                                                                                                                                                                    entgegen und schafft Platz, damit sie
                                                                                                                                                                                    auch in kleinen, sparsamen Fahr-
                                                                                                                                                  r
                                                                                                                                               ria Keile

                                                                                                                                                                                    zeugen mitfahren können.
                                                                                                                                             Foto: Ma

                                                                                                     Johannes Grander
                                                                                                     und Christoph Horngacher
                                                                                                     radelten mit Maria Keiler die große
                                                                                                     Steinberg-Runde.

                                                                                                                                                                                                    Mit „Mobiler Beglei-
                                                                                                                                                                                                    tung“ traut C
                                                                                                                                                                                                                ­ hristoph
            r
     nacco-Widerhofe

                                                                                                                                                                                                    ­Horngacher sich
                                                                                                                                                                                                     immer mehr zu.
Foto: Ul li Pizzig

                                                                                                                          hegger       Not
                                                                                                                           Foto: Heidi

                                Bunter Lebenshilfe Wald in Gschnitz: Im
                                Wipptal kennen sich Förster und KlientInnen
                                schon lange und rufen sich beim Namen.
                                                                                                                                                                                                  lebenshilfe.tirol
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