Theaterpädagogisches Begleitmaterial
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Theaterpädagogisches Begleitmaterial Orientierungshilfe zur Inszenierung von Jan Bosse am Burgtheater Wien Erstellt im Rahmen der Ausbildung „Theaterpädagogik But“. An der Theaterwerkstatt Heidelberg entstanden. Ausschließlich für den internen Gebrauch bestimmt. Autor: Volker Kraft
William Shakespeare - Viel Lärm L rm um Nichts Inhaltverzeichnis 1. Theoretischer Teil - Inszenierung Einleitung Seite 3 - 4 Der Autor und seine Zeit Seite 5 Die Komödie: „Viel Lärm um Nichts“ Seite 6 Die Besetzung Seite 7 Der Regisseur Seite 8 - 9 Das Konzept Seite 10 2. Praktischer Teil Hinweise zur Durchführung Seite 11 Vorausgehende Aspekte zur Vorbereitung Seite 12 Vorbereitungsübungen Nr. 1 - 4 Seite 13 - 16 Vorausgehende Aspekte zur Nachbereitung Seite 17 Nachbereitungsübungen Nr. 1 - 4 Seite 18 - 21 Impressum Seite 22 Literatur- und Quellenverzeichnis Seite 23 3. Anhang Beobachtungsaufgaben Seite 24 - 25 Theaterkritik Seite 26 Bericht über die Wertegesellschaft heute Seite 27 2
William Shakespeare - Viel Lärm L rm um Nichts Einleitend Sehr geehrte Lehrkräfte Schön, dass Sie sich für die Aufführung „Viel Lärm um Nichts“, von William Shakespeare interessieren. Wir möchten Sie ganz herzlich zu dieser faszinierenden Komödie einladen. Wir hoffen, Sie sind mehr oder weniger ein Anhänger von William Shakespeare und können einen Theaterabend in unserem Hause in vollen Zügen genießen. Dazu halten Sie gerade in Ihren Händen eine Orientierungshilfe mit theaterpädagogischem Begleitmaterial, das sich primär an Pädagogen der Sekundärstufe 2 richtet. Wir möchten Ihnen Ideen und Anreize mitgeben, damit Ihre Klassen für den Theaterbesuch vorbereitet sind und im Nachhinein wertvolle Erkenntnisse schöpfen können. Diese Orientierungshilfe beinhaltet zwei Teile. Im ersten, theoretischen Teil werden Ihnen die Komödie „Viel Lärm um Nichts“ und William Shakespeare dargestellt. Danach wird der Regisseur Jan Bosse und seine Arbeit näher beleuchtet. Im zweiten, praktischen Teil werden Unterrichtseinheiten zur Vor- und Nachbearbeitung vorgestellt, die den aktuellen Bezug der Unterscheidung des wahren Seins und des fadenscheinigen Lebens in der Inszenierung behandeln. Vor dem Theaterbesuch wird versucht, die Schüler für die Wahrnehmung des anderen und von sich selbst zu sensibilisieren. Nach dem Theaterbesuch wird Raum zur Nachbesprechung des aktuellen Bezugs der Inszenierung geschaffen, wobei auch entstehende Kritik geäußert werden kann. Im Anhang finden Sie Textvorlagen, die sich für die Vor- und Nachbearbeitung benötigen. 3
William Shakespeare - Viel Lärm L rm um Nichts Wenn Sie noch Fragen haben oder weitere Anregungen wünschen, nehmen Sie Kontakt zu uns auf. Tel. : 0043 (1) 51444-4140 Viel Vergnügen beim Lesen der Lektüre Volker Kraft 4
William Shakespeare - Viel Lärm L rm um Nichts Der Autor und seine Zeit William Shakespeare (Getauft am 26. April 1564 in Stratford-upon-Avon. + 23. April 1616) Shakespeare war ein englischer Dichter und Schauspieler. Er zählte zu den bedeutendsten Dramatikern der Weltliteratur. Er betätigte sich als Stückeschreiber, Dichter und Geschäftsmann. Durch den Erwerb des Londoner "The Globe Theaters", in welchem er auch zeitweise als Schauspieler auftrat, gelangte er zu großem Vermögen und weitreichendem Einfluss auf die gesamte englische Theaterszene. „Die ganze Welt ist eine Bühne“ war sein leitendes Motto. Einige wichtige Ereignisse: Komödie der Irrungen 1589-1594 Comedy of Errors Romeo und Julia 1594-1596 Romeo and Juliet Ein Sommernachtstraum 1594-1596 A Midsummer Night´s Dream Der Kaufmann von Venedig 1596-1597 A Merchant of Venice Viel Lärm um Nichts 1598-1600 Much Ado about Nothing 1599 Mitbesitzer des Londoner Globe Theater Was ihr wollt 1600-1602 As you like it Hamlet 1600-1601 Hamlet Macbeth 1605-1606 Macbeth Das Winter-Märchen 1610-1611 Winters Tale 5
William Shakespeare - Viel Lärm L rm um Nichts Die Komödie: Viel Lärm um Nichts Inspiriert von der Idee, so manchen weltlichen und materialistischen Grund für das Liebeswerben der damaligen Zeit darzustellen, entstand das Stück „Viel Lärm um Nichts“. Shakespeare wollte zeigen, dass äußere Einflüsse wie Geld, Intrigen, Selbstdarstellung, usw. durchaus dazu dienen können, im Menschen selbst das Gefühl der vermeintlichen „Liebe“ zu erzeugen. Die wahre Liebe gerät in den Hintergrund, das Liebeswerben wegen Erbe und Eitelkeit wird dominant. Shakespeares Komödie beginnt nach der Beendigung eines Bruderkrieges. Der siegreiche Don Pedro, Prinz von Aragon wird an den Hof von Leonato, dem Gouvaneur von Messina geladen. Claudio, Graf und Weggefährte Don Pedros interessiert dich für Hero, Leonatos Tochter und deren Erbe. Don John, Don Pedros Halbruder, Verlierer des Krieges, setzt alles daran, seinen Bruder und dessen Gefolgsleuten zu schaden. Don Pedro wiederum möchte aus Spaß Benedict, Edelmann aus Padua und Beatrice, Leonatos Nichte, die sich beide äußerst heiratsunwillig zeigen, ineinander „sterblich verliebt machen“. Durch Intrigen Don John gerät Don Pedro und Claudio in Misskredit bei Leonato, und Hero, Leonatos Tochter, ist Opfer der Diffamierungen Don Johns. Durch ein Geständnis von Don Johns Gefolgsmann Borachio kommt die Wahrheit zum Vorschein. Don John muss aus Messina fliehen und es wird eine Doppelhochzeit gefeiert, (Claudio/Hero und Benedict/Beatrice) wobei das Glück der Paare durch Geld und Selbstdarstellung zustande kam. Shakespeares Komödie zeigt, dass durch geringen Aufwand an Täuschung viel Unheil und Missverständnis entstehen kann, weil die Wahrnehmung der Menschen untereinander mehr auf Klischees und Äußeres als auf innere und wahre Werte gerichtet ist. 6
William Shakespeare - Viel Lärm L rm um Nichts Die Inszenierung Die Besetzung Don Pedro Leonato Don John Claudio Nicholas Ofczarek Martin Reinke Jörg Ratjen Christian Nickel Benedict Borachio Hero Beatrice Joachim Meyerhoff, Michael Masula, Dorothee Hartinger, Christine von Poelnitz Die restlichen Rollen der Komödie hat Jan Bosse gestrichen. 7
William Shakespeare - Viel Lärm L rm um Nichts Die Inszenierung Der Regisseur Jan Bosse wurde 1969 in Stuttgart geboren. Er studierte von 1990-1993 in Erlangen Theaterwissenschaft, Germanistik und Kunstgeschichte. 1997 schloss er ein Regiestudium an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch in Berlin ab. Es folgten Regieassistenzen u.a. bei Manfred Karge und Robert Wilson. Von 2000- 2005 war er Hausregisseur am Deutschen Schauspielhaus Hamburg, am Deutschen Theater in Berlin und am Schauspielhaus Bochum. Danach folgte eine Zeit als freier Regisseur. Seit der Spielzeit 2007/2008 ist er Hausregisseur des Maxim Gorki Theaters Berlin. Einige wichtige Inszenierungen: 1998 „Feuergesicht“ von Marius v. Mayenburg - Münchner Kammerspiele 2002 „Der Menschenfeind“ von Moliere - Deutsches Schauspielhaus Hamburg 2004 „Warten auf Godot“ von Samuel Beckett – Deutsches Schauspielhaus Hamburg 2005 „Faust, erster Teil“ von Goethe – Deutsches Schauspielhaus Hamburg 2006 „Die Leiden des jungen Werther“ von Goethe – Maxim Gorki Theater Berlin 2006 „Viel Lärm um Nichts“ von Shakespeare – Burgtheater Wien 2007 „Hamlet“ von Shakespeare – Schauspielhaus Zürich 2008 „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ von Edward Albee – Burgtheater Wien 8
William Shakespeare - Viel Lärm L rm um Nichts „Der Regisseur der Stunde“ – schon seit Jahren wird Jan Bosse so bezeichnet. Er, der, so wie er selbst sagt, Mittelmaß hasst, inszeniert jugendlich, zeitgemäß und immer mit gehörigem Humor. Verlässt man den Saal, dann im Gefühl, etwas begriffen zu haben. Er hat, wie kaum ein anderer, das Publikum im Blick und arbeitet am liebsten aus der Gruppe heraus, sprich mit Ensemble und Technikern, usw. „Wenn ich jetzt sage, ich sei mehr Handwerker als Genie, so trifft dies nicht ganz zu. Vielleicht bin ich so eine Art Reiseführer… Nein besser: Sieb, Schwamm und Sortiermaschine.“ – und –„Zurücklehnen und einschlafen gibt es bei mir hoffentlich nicht.“ 9
William Shakespeare - Viel Lärm L rm um Nichts Die Inszenierung Das Konzept Wahre Worte – scheinbares Handeln Die Figuren wirken nicht wie ernsthafte, gesellschaftlich wertvolle Gestalten. Alles geschieht im leichten Sein, locker und freudig, unverbindlich, die Zeit vertreibend. Vieles wird getan, um sich möglichst prägnant und anerkannt in Szene zu setzten, bzw. Seinen aufkommenden Gefühlsbedürfnissen in angenehmer Weise nachzukommen. Don Pedro stellt seine Macht, Beatrice und Benedict ihre Abneigung gegenüber dem anderen Geschlecht, Claudio seine Männlichkeit, Hero ihre Weiblichkeit und Don John seinen Hass auf die Umstände dar. Ernst wird es erst, als Hero gedemütigt und für Tod erklärt wird. Doch selbst diese Tragik wird dazu benutzt, andere nach eigenem Gusto zu beeinflussen. Authentizität wird verschleiert mit äußerem Gehabe, obwohl im Inneren der Figuren die Sehnsucht nach Wahrheit keimhaft entflammen möchte. Jan Bosse stellt das Stück in seiner Inszenierung in eine aktuelle Gegenwartsströmung. In Zeiten des vermehrten Medienkonsums und unbeschwerter Internetnutzung möchte der Mensch anerkannt und selbstbestätigt werden. Schnelle Anerkennung durch fassadenhaften Schein. Und doch das Sehnen nach wahrer Selbstfindung und echter Anerkennung. Im Stück bleibt schlussendlich alles beim Alten. Ob die Figuren ihr wahres Selbst finden, bleibt offen, ebenso offen, wie heutzutage der Mensch seinen Weg zur Selbstfindung einschlägt und den Zugang zu wahren Werten gewinnt. In der Inszenierung lässt Jan Bosse die Zuschauer Einblicke in die wahre Welt des Theaters gewähren. Man sieht Techniker offen auf der Bühne, Umbauten, offene Szenenwechsel und die Schauspieler, wie sie sich hinter den Kulissen verhalten. Wahre Einblicke zu einem Stück des fadenscheinigen und/oder des scheinheiligen Daseins. 10
William Shakespeare - Viel Lärm L rm um Nichts Praktisches Hinweise zur Durchführung • Für die Durchführung des praktischen Teiles sind eine Doppelstunde vor dem Besuch des Theaterstückes und eine Doppelstunde danach notwendig. • Bewegungsfreiheit für die ganze Gruppe ist sehr wichtig. Es wäre ratsam die Unterrichtseinheiten in einem größerem Raum durchführen zu lassen (Turnhalle, Aula, Theatersaal o. a.) Zur Not müssten in einem Klassenzimmer die Tische und Stühle beiseite geräumt werden. • Im Anhang finden Sie alle Textvorlagen, die während der Übungen benutzt werden. • Die Lektüre „Viel Lärm um Nichts“ von William Shakespeare ist zwar nicht zwingend notwendig für die Schüler, jedoch wäre die Kenntnis des Überblickes zur Handlung des Stückes durch Lesen sehr von Vorteil. 11
William Shakespeare - Viel Lärm L rm um Nichts Viel Lärm um Nichts im Unterricht Vorbereitung Vorausgehende Aspekte Die Vorbereitung auf die Theateraufführung soll die Schüler ein Gespür entwickeln lassen für das Thema „wahre Werte – scheinbares Handeln“. Zunächst soll die Möglichkeit geschaffen werden, dass sich die Schüler selbst und untereinander wahrnehmen können unter etwas anderen Blickwinkeln wie denen des Schulalltages. Danach wird behutsam versucht, die eigene und die Wahrnehmung der anderen in Relation zu den eigenen Sinneseindrücken zu setzten. Die Schüler sollen sensibilisiert werden, ob eine Handlung nur schienbar, zu Erfüllung eines egogesteuerten Zweckes dient und wie stark dabei die eigene Wahrnehmung getäuscht oder beeinflusst werden kann. Zum Abschluss der Vorbereitung erhalten ihre Schüler Beobachtungs- aufgaben für die Inszenierung. (siehe Anhang 1) Claudio: „Oh, was Menschen nicht alles zu tun wagen, was Menschen alles tun, was Menschen täglich tun und doch nicht wissen, was sie tun“. Don Pedro: „Meine Maske ist nur Hülle, drinnen wohnt Gott“. 12
William Shakespeare - Viel Lärm L rm um Nichts Vorbereitung Übung 1: Wahrnehmung Absicht: Diese Übung gibt einerseits dem Schüler die Möglichkeit, aus dem gerade gelebten Alltag zu kommen, sich auf Theaterarbeit einzulassen und andererseits die Wahrnehmung für den Raum und die anderen Teilnehmer zu schulen. Materialien: keine Vorbereitung: keine Dauer: ca. 15 Minuten Ablauf: Die Teilnehmer stehen im Kreis. Nach einer Begrüßung und einer Wahrnehmungsübung (siehe Übung 1 der Nachbereitung), gehen die Schüler locker schweigend durch den Raum, nehmen ihren Gang, ihre Haltung wahr, berühren sich gegenseitig nicht und achten darauf, dass im Raum die ganze Fläche von den Teilnehmern begangen wird. Auf Zeichen bleiben sie stehen und reflektieren kurz mit geschlossenen Augen ihren Gang, ihre Haltung. Beim nochmaligen Gehen durch den Raum sollen die Teilnehmer auf Ausstattung, Wände, Decke etc. des Raumes achten und ebenfalls nach Zeichen mit geschlossenen Augen für sich reflektieren. So auch ein drittes Mal, wobei diesmal ein anderer Teilnehmer hinsichtlich des Ganges, der Haltung und der Kleidung wahrgenommen werden soll. 13
William Shakespeare - Viel Lärm L rm um Nichts Vorbereitung Übung 2: Mit der Stimme führen Ziel: Bewusstsein der akustischen Wahrnehmung, Betonen von Vertrauen auf die verantwortungsvolle Führung der anderen und der eigenen Führung. Materialien: Augenbinden Vorbereitung: keine Dauer: ca. 20 Minuten Ablauf: Die Schüler gehen in Zweiergruppen zusammen und haben etwa fünf Minuten Zeit, Rücken an Rücken sitzend sich durch ein Gespräch auf die Stimme des anderen zu konzentrieren. Danach bleibt jeweils ein Schüler der Zweiergruppe an der Stelle liegen, verbindet sich eventuell die Augen und der andere begibt sich in eine weit entfernte Ecke des Raumes. Die „Ecksteher“ nehmen nun alle gleichzeitig verbal Kontakt mit ihren jeweiligen Partnern auf und beginnen nach und nach gewisse Anweisungen zu geben, die es den „Liegenden“ ermöglicht ins Sitzen, Stehen und sogar ins behutsame und tastende Gehen durch den Raum zu kommen. Nach etwa 6-7 Minuten wechseln die Partner. 14
William Shakespeare - Viel Lärm L rm um Nichts Vorbereitung Übung 3: Standpunkte Ziel: Mit dieser Übung können sich die Teilnehmer einen Überblick verschaffen, wie die Einstellung der ganzen Gruppe zu einem aktuellen Thema ist und wie der einzelne Schüler in Bezug zur Gruppe dazu steht. Materialien: keine Vorbereitung: keine Dauer: ca. 20 Minuten Ablauf: Im Raum werden zwei Punkte, die möglichst weit auseinander liegen, als Extreme, bzw. „Pole“ angegeben. Der Lehrer gibt nun verschiedene Themen an und die Schüler stellen sich, je dach eigenem Empfinden und Erleben, zwischen die beiden Extreme auf einer geraden Linie. Die Schüler sollen ohne zu sprechen ihren Standpunkt finden, vielleicht sogar durch Hin- und Hergehen und nachspüren, wo sie sich am wohlsten fühlen. Themen: (Je nach Gruppe verschieden) „Musste ich als Kind immer der/die Beste sein?“ „Wurde ich als Kind in meinen Begabungen gefördert?“ „Sind meine Eltern immer hinter mir gestanden?“ „Wurde ich als Kind von meinen Eltern so erkannt, wahrgenommen wie ich wirklich war?“ „Muss ich viel tun, um in einer Gruppe wahrgenommen, bzw. anerkannt zu werden?“ „Werde ich schnell ungehalten oder wütend?“ Besonderer Hinweis: Es ist ratsam, darauf hinzuweisen, dass es völlig in Ordnung ist, ehrlich zu sein und auch dazu zu stehen, falls jemandem ein Thema unangenehm ist. 15
William Shakespeare - Viel Lärm L rm um Nichts Vorbereitung Übung 4: Ich nehme wahr … und ich vermute Ziel: Bewusstsein der Problematik der inneren Vermutung, die auf äußere Sinneswahrnehmung basiert. Materialien: keine Vorbereitung: keine Dauer: ca. 20 Minuten Ablauf: Erster Teil: Zwei Partner sitzen sich jeweils gegenüber und machen sich gegenseitig bewusst, was sie aneinander äußerlich wahrnehmen: z.B. Kleidung, Schmuck, Stimme, Haltung, Gestik, Mimik, usw. In den ersten zehn Minuten nur Wahrnehmung äußern. Zweiter Teil: In den nächsten zehn Minuten verbinden die Partner ihre Wahrnehmungen mit ihren dadurch ausgelöschten Vermutungen und sprechen diese unkommentiert aus. Z.B. Ich sehe, dass du farbige Kleidung trägst und ich vermute, dass du ein lebenslustiger Mensch bist, usw. Die Vorbereitung wird mit einem gemeinsamen Kreisabschluss beendet. Dabei kann noch eine kurze Wahrnehmungssequenz (s. Übung 1 der Nachbereitung) erfolgen. Die Schüler sind jetzt für die Aufführung vorbereitet. Wir wünschen gute Unterhaltung. 16
William Shakespeare - Viel Lärm L rm um Nichts Viel Lärm um Nichts im Unterricht Nachbereitung Vorausgehende Aspekte Nach dem Theaterbesuch werden zur möglichst anschaulichen Reflexion freie Assoziationen durch die Schüler geäußert und zusammengetragen. Die Beobachtungsaufgaben werden dazu herangezogen. Im Anschluss wird anhand eines Zeitungsartikels der Süddeutschen Zeitung und der Beobachtungen der Schüler das Theatererlebnis reflektiert. In einem weiteren Aspekt wird versucht, einen aktuellen Bezug des Stückes zur heutigen Zeit nachzuvollziehen. Auszüge aus einem Bericht über die Wertegesellschaft heute von Dipl. Soz. Wolfgang Beiermann, Spiegel Artikel, dienen als Arbeitshilfe. Als Abschluss der Nachbereitung werden zweckbestimmte und/oder authentische Handlungen spielerisch offenbar gemacht. Claudio: „Eine faule Apfelsine verschenkt man nicht, auch wenn sie außen noch so fruchtig glänzt“. Claudio: „Was hätte aus dir werden können, wenn nur die Hälfte deiner äußeren Schönheit in deinem Herzen und Denken wohnte“. 17
William Shakespeare - Viel Lärm L rm um Nichts Nachbereitung 1.Übung: Kreisübung Ziel: Diese Übung dient als Einstimmung zur Arbeit an der Nachbereitung und zur gegenseitigen gruppenbezogenen Wahrnehmung. Zudem können die Schüler sich mental auf die Theaterarbeit einstellen. Materialien: keine Vorbereitung: keine Dauer: ca. 5 Minuten Ablauf: Die Schüler stellen sich im Kreis auf, Füße schulterbreit, guter Stand, Arme hängen locker an der Körperseite herab. Zunächst gehen alle gemeinsam auf Geheiß des Lehrers einen Schritt in Richtung der Mitte des Kreises und wieder zurück. Danach zwei Schritte in Richtung Mitte und zurück. Danach drei Schritte und danach vier Schritte. Der Schülerkreis soll auch ohne Kommando und mit geschlossenen Augen und mit dem Rücken zur Mitte des Kreises gewandt die Schritte nach innen absolvieren können. 18
William Shakespeare - Viel Lärm L rm um Nichts Nachbereitung Übung 2: Meine Stärken / meine Schwächen Ziel: Die Schüler sollen sich ihrer Stärken und Schwächen, ihrer positiven wie negativen Eigenschaften bewusst werden und üben, anderen davon mitzuteilen. Materialien: farbige Kärtchen, Stifte Vorbereitung: keine Dauer: ca. 40 Minuten Ablauf: Die Schüler werden für etwa 10 min. in die Einzelarbeit geschickt, wobei sie auf zwei verschiedenfarbigen Kärtchen ihre guten, bzw. ihre schlechten Eigenschaften stichwortartig aufschreiben sollen. Nach der Einzelarbeit sollen sich alle in Kleingruppen (bis 4 Personen) treffen und sich gegenseitig ihre Kärtchen vorstellen. Die anderen Gruppenmitglieder können Verständnisfragen stellen, sollen jedoch noch kein Feedback abgeben. Auswertung: Im Plenum unter folgenden Gesichtspunkten: Fielen mir eher Stärken oder eher Schwächen ein? Überwiegen die Schwächen oder sie Stärken? Fällt es mir leicht oder schwer, über meine Stärken, bzw. Schwächen zu reden? Wie ging es mir in der Gruppe? 19
William Shakespeare - Viel Lärm L rm um Nichts Nachbereitung Übung 3: Rollenbetrachtung Ziel: Die Schüler sollen sich über das Rollenverhalten der verschiedenen Charaktere in der Inszenierung klar werden und ein Gespür dafür bekommen, wie sich die Charaktere in bestimmten Situationen verhalten. Sind sie authentisch oder bauen sie eher eine persönliche Fassade auf? Materialien: Karten, Stifte, Pinnwandständer Vorbereitung: Pinnwandständer aufstellen Dauer: ca. 20 Minuten Ablauf: Die Schüler erinnern dich in Gruppen ( 4-6 Schüler) an bestimmte Szenen des Stückes und schreiben auf zwei verschiedenfarbige Kärtchen wie sich Benedict, Beatrice, Hero und Claudio verhalten haben, wann scheinen sie authentisch, wann wirkten sie zweck- oder fremdbestimmt, bzw. unwahr. Danach zusammentragen und kurze Besprechung im Plenum. Die Karten können gut sichtbar auf einen vorbereiteten Pinnwandständer befestigt werden. 20
William Shakespeare - Viel Lärm L rm um Nichts Nachbereitung Übung 4: Rollenspiel Ziel: Spielerisches Umgehen mit Authentizität und Fremd - , bzw. Zweckbestimmtheit. Materialien: evtl. Kostüme aus dem Klassenspielfundus Vorbereitung: keine Dauer: ca. 20 Minuten Ablauf: Die Schüler inszenieren in Gruppen Alltagsszenen, in denen es möglich ist, sich authentisch zu verhalten und in denen man geneigt ist fremd- oder zweckbestimmt zu reagieren. Je nach Gruppenzusammensetzung können auch Szenenhilfen gegeben werden, z. B. Discobesuch, Cliquentreffen usw. Kurze Vorführung vor den anderen Gruppen Ein Stehkreis rundet die Nachbereitung in der Art ab, dass jeder Schüler kurz eine Körperhaltung einnimmt, die authentisch zeigt, wie er sich gerade fühlt. 21
William Shakespeare - Viel Lärm L rm um Nichts Impressum Adresse: Burgtheater Wien Doktor Karl Lueger Ring 2 1010 Wien, Österreich info@burgtheater.at www.burgtheater.at Herausgeber: Burgtheater Wien Direktor: Matthias Hartmann Gestaltung: Volker Kraft Druck: Fa. Lebemann, Pforzheim Erscheinungsdatum: 10. März 2010 Auflage: 50 Exemplare Hinweis: Die Vervielfältigung der Kopiervorlage für Unterrichtszwecke ist genehmigt. 22
William Shakespeare - Viel Lärm L rm um Nichts Literatur- und Quellenverzeichnis Literatur: • William Shakespeare: „Viel Lärmen um Nichts“ Stuttgart. Reclam 2007 • Süddeutsche Zeitung, Artikel vom 8. Dezember 2006 DVD: „Viel Lärm um Nichts“ Aufführung im Wiener Burgtheater 2007, Regie Jan Bosse. Internet: • www.spiegel.de (Zeitschrift Spiegel) • www.wikipedia.de (Internetenzyklopädie) 23
William Shakespeare - Viel Lärm L rm um Nichts Anhang 1 Beobachtungsaufgaben Jede Gruppe soll während der Aufführung eine der folgenden Beobachtungsaufgaben übernehmen. 1. Beschreibe die Bühne anhand folgender Fragen: Welche Materialien werden verwendet? Welche Gegenstände werden verwendet? Wird die Bühne umgebaut? Wie oft? Welches Bühnenbild wirkt authentisch, welches dient zur äußeren Fassade? 2. Beschreibe die Requisiten anhand folgender Fragen: Welche Requisiten werden verwendet? Wozu dienen die Requisiten? Welche Requisiten dienen der „Wahrheit“ und der Echtheit der Personen, welche Requisiten sollen etwas Scheinbares darstellen? 3. Beschreibe die Kostüme anhand folgender Fragen: Welche Stoffe/Schnitte wurden verwendet? Welche Farben wurden verwendet? Welche Details wurden Verwendet? Ziehen sich die Figuren während des Stückes um? Welches Kostüm stellt Alltag und Wahrheit dar, welches „Fassade“, bzw. besonderes Ereignis dar? 24
William Shakespeare - Viel Lärm L rm um Nichts 4. Beschreibe die Musik anhand folgender Fragen: Gibt es Musik? Gibt es Geräusche, Einspielungen? Dient die Musik, dienen die Einspielungen der echten Charakterdarstellung, bzw. der scheinbaren Darstellung der Figuren? Welche Assoziationen löst die Musik bei dir aus? 5. Beschreibe das Licht anhand folgender Fragen: Gibt es Szenen-,Bühnenlicht? Welche Farben wurden verwendet? Gibt es Dunkel-Hell-Kontraste? Welche Lichteinstellung untermalt die Authentizität der Szene, der Figuren, welche unterstützt den fassadenmäßigen Schein? Welche Stimmung löst das Licht bei dir aus? 25
William Shakespeare - Viel Lärm L rm um Nichts Anhang 2 Theaterkritik Zwei Paare, die verschiedener nicht sein könnten, werden einander gegenüber gestellt: Auf der einen Seite Claudio und Hero, die lieber heute als morgen heiraten wollen, obwohl sie sich kaum kennen und durch die Intrigen des bösartigen Don John daran gehindert werden. Auf der anderen Seite Beatrice und Benedict, die geschworen haben, sich niemals und unter keinen Umständen mit dem anderen Geschlecht einzulassen, aber schließlich doch heiraten. Für Regisseur Jan Bosse spielt die Geschichte um die ersten überzeugten Singles der Theatergeschichte in der Welt einer Pseudo-Idylle. Eine künstliche Welt der Oberfläche und der Illusion, nur zur Triebabfuhr geschaffen für eine Gesellschaft, die am liebsten von sich selbst Urlaub machen würde. Liebe zuzulassen fällt hier schwerer, als man denkt oder einen das Theater glauben machen will. Doch darf sich der Zuschauer daran erfreuen, wie Shakespeare wahre Verbal-Eroten skizziert, deren Fetisch der Witz und die eigene Schlagfertigkeit sind. Vor Selbstverliebtheit blasen sie ihr Ego so weit auf, dass das wahre Objekt der Leidenschaft fast aus ihrem Blickfeld gerät. Am Ende der Komödie siegt die Welt des verwirrenden Scheins, in der sich Witz, harmlose Torheit und Liebe nur als Strategien entpuppen, ohne die das Überleben in dieser Gesellschaft der verschlagenen Täuschung schlicht unmöglich wäre. „Ein Heidenspaß!“ Süddeutsche Zeitung 8. Dezember 2006 26
William Shakespeare - Viel Lärm L rm um Nichts Anhang 3 Bericht über die Wertegesellschaft heute …… In unserer stark medienbereicherten Welt, in der es beispielsweise möglich ist, ohne großen Aufwand mit Menschen von anderen Kontinenten und aus anderen Kulturen jederzeit zu kommunizieren oder jederzeit via Internet zu kaufen oder verkaufen, sich über alles zu informieren, unbegrenzt zu spielen und sich die Zeit auf vielerlei Arten vertreiben zu können, verändern sich zunehmend Wahrnehmung, Kontakt und soziale Empfindungen gegenüber der Umwelt und den Mitmenschen. Es scheint nicht mehr wichtig, das persönliche Gespräch zu führen, Augenkontakt zu haben, den anderen in seiner Art, seiner Haltung, seiner Meinung, seiner Sozialität zu erleben. Das Gefühl für Mitmenschlichkeit, Mitleid, Dinge aus der Sicht des anderen zu sehen und nachzuempfinden, usw. nehmen ab und es fällt schwerer, den anderen verstehen zu können und zu wollen….. Der eigene Vorteil steht im Vordergrund, welcher auch durch Lügen, Halbwahrheiten, Imponiergehabe, Gewalt, usw. legimitiert werden kann. Es scheint nicht mehr angebracht zu sein, ehrlich und wahrhaftig zu wirken, sondern es muss Eindruck und Erstaunen hervorgerufen werden und dazu scheint jedes Mittel recht…… Eine Umfrage unter Jugendlichen bis 16 Jahren ergab, dass Reichtum, Bekanntheitsgrad und Anerkennung durch andere noch vor Freiheit, Gesundheit und Authentizität in der Werteskala stehen. Die Clique steht vor echter Freundschaft, der Konsum vor der Hilfsbereitschaft…… Dipl. Soz. Dr. Beiermann Don John: „Ich ziehe allen Nutzten daraus, denn ich nutzte nie etwas anderes“. Benedict: „Wenn nicht alle Ideale der Frau in einer einzigen zusammen kommen, komm´ ich mit keiner zusammen“. 27
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