DIE NEUERE RECHTSPRECHUNG IN DEN KANTONEN BASEL-STADT UND BASEL-LANDSCHAFT

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ÖFFENTLICHES BESCHAFFUNGSRECHT

DIE NEUERE RECHTSPRECHUNG IN DEN KANTONEN BASEL-STADT UND
BASEL-LANDSCHAFT
von Dr. Christoph Meyer, Advokat, LL.M., Lehrbeauftragter Universität Basel, Fachanwalt SAV Bau- und Immobilienrecht, chris-
toph.meyer@neovius.ch

1. ANWENDBARES VERFAHREN                   FREIHÄNDIGE VERGABE INFOLGE                 entscheid resp. der Verfahrenswahl ge-
EINRÄUMUNG EINES BAURECHTS                 TECHNISCHER BESONDERHEIT                    führt haben, ausführlich dargelegt hatte.
VD.2018.214 URTEIL vom 19. Juni 2019       VD.2018.228 und 230 URTEIL vom 5. No-       Die Umschreibung des Beschaffungsge-
(Appellationsgericht Basel-Stadt)          vember 2019 (Appellationsgericht Basel-     genstands erscheint vor diesem Hinter-
                                           Stadt)                                      grund sachlich begründet. Die Vergabe-
Die sich im Finanzvermögen befindende                                                  stelle war dazu berechtigt, als
Liegenschaft Holdenweid wurde öffent-      Die vorliegenden Rekurse richteten sich     Beschaffungsgegenstand eine Vor-
lich zur Abgabe im Baurecht ausge-         gegen die freihändige Vergabe eines Auf-    gangsbearbeitungsplattform mit vollin-
schrieben. Nach Durchführung eines öf-     trags für die Einführung einer hoch-per-    tegrierter "Advanced Analytics"-Technik
fentlichen Verfahrens erteilte der         formanten Plattform mit integrierter        und einer hierfür erforderlichen Perfor-
Regierungsrat einer Anbieterin den Zu-     "Advanced Analytics" (SAP) für das Jus-     mance festzulegen (E. 3.4.3).
schlag, wogegen Beschwerde erhoben         tiz- und Sicherheitsdepartement des
wurde.                                     Kantons Basel-Stadt.                        Gemäss Verwaltungsgericht ist die Be-
                                                                                       schaffungsstelle überdies zu Recht zum
Von Interesse ist dabei die Ausführung     Wird in einem Rekurs geltend gemacht,       Schluss gelangt, dass alleine die Beigela-
des Appellationsgerichts in E. 1.2.1. Es   es sei zu Unrecht ein freihändiges Ver-     dene in der Lage ist, diesen Beschaf-
hält richtigerweise fest, dass die Über-   fahren durchgeführt worden, muss die        fungsgegenstand zu liefern. Die Beschaf-
lassung eines Grundstücks im Baurecht      Rekurrentin zur Begründung ihrer Legiti-    fungsstelle konnte aufzeigen, dass die
nicht als öffentlicher Auftrag im Sinne    mation aufzeigen, dass sie als potentiel-   Beigeladene als einzige die technischen
des Beschaffungsrechts definiert werden    ler Anbieter die zu beschaffende Leis-      Spezifikationen im erwarteten Umfang
kann.                                      tung hätte anbieten können und eine         erbringen kann und damit eine techni-
                                           Offerte eingereicht hätte. Wenn ein Re-     sche Besonderheit aufweist (E. 3.5).
Trotzdem kann der Vergabeentscheid         kurrent hingegen geltend macht, die De-
angefochten werden. Unter Berücksich-      finition des Beschaffungsgegenstands        SCHÄTZUNG DER AUFTRAGSSUMME
tigung der Rechtsweggarantie (Art. 29a     sei rechtswidrig, genügt es, dass er bei    Urteil vom 23. Oktober 2019 (810 19 139)
BV) ist der Zuschlagsentscheid bei der     zulässiger Umschreibung des Beschaf-        (Kantonsgericht Basel-Landschaft)
Vergabe von Finanzvermögen an Dritte       fungsgegenstands die zu beschaffende
als anfechtbarer Entscheid im Sinne des    Leistung hätte anbieten können und eine     Eine Gemeinde hat für das Projekt "Er-
Verwaltungsprozessrechts zu verstehen      Offerte eingereicht hätte (E. 1.3).         weiterung Schulhaus" Architekturleis-
(E. 1.2.2).                                                                            tungen (als Dienstleistungsauftrag) im
                                           Das Verwaltungsgericht erkannte, dass       Einladungsverfahren ausgeschrieben.
                                           die Vergabestelle mit einem Bericht die
                                           Gründe, welche zum strittigen Vergabe-      Der Schwellenwert für das Einladungs-

 DR. CHRISTOPH MEYER, LL.M.
 ist Partner, Lehrbeauftragter an der Universität Basel und Fachanwalt SAV Bau- und
 Immobilienrecht. Er begleitet Klienten bei der Konzeption und Durchführung von
 komplexen Ausschreibungsverfahren und vertritt Beschaffungsstellen bzw. Anbieter
 in beschaffungsrechtlichen Beschwerdeverfahren.
Neovius Aktuell Nr. 16                                                                                                      1/6
verfahren liegt bei Dienstleistungsauf-                2. BERECHTIGUNG ZUR                          Rekurrentin rügte, dass die Vergabe-
trägen bei Fr. 250'000.--. Massgebend                     BESCHWERDE                                stelle in der Ausschreibung ausschliess-
für die Wahl des richtigen Verfahrens ist              ANFECHTUNG DURCH NICHT                       lich die Verwendung des Produkts der
einerseits die Art des zu vergebenden                  BETROFFENE ANBIETERIN                        Marke "X" (Bodenmopp) für die ausge-
Auftrags (Bauauftrag, Lieferung, Dienst-               VD.2019.105 URTEIL vom 16. Dezember          schriebene Leistung verlange.
leistung) und andererseits der Wert des                2019 (Appellationsgericht Basel-Stadt)
konkreten Auftrags bzw. das Auftrags-                                                               Das Appellationsgericht weist richtiger-
volumen. Entscheidend ist dabei der vor                Das Appellationsgericht hatte sich mit       weise darauf hin, dass eine Partei im of-
der Ausschreibung geschätzte Auftrags-                 der Frage zu befassen, unter welchen         fenen Verfahren bereits die Ausschrei-
wert und nicht der Wert des später bei                 Umständen ein Unternehmen, das gar           bung anzufechten hat und damit nicht
der Vergabe berücksichtigten Angebots.                 nicht als potentielle Anbieterin einer       bis zu einer für sie ungünstigen Zu-
Die Vergabestelle hat vorgängig der Aus-               ausgeschriebenen Dienstleistung in           schlagsverfügung zuwarten darf, falls sie
schreibung des Auftrags eine Schätzung                 Frage kommt, gegen die Ausschreibung         ungenügende oder diskriminierende
der mutmasslichen Auftragssumme                        selber Rekurs erheben kann.                  Ausschreibungskriterien rügen will (E.
nach sachlichen Kriterien und aufgrund                                                              1.1).
allfälliger Erfahrungswerte vorzuneh-                  Die Rekurrentin hat eine Ausschreibung
men. Es hat sich dabei um eine zuverläs-               des Universitätsspitals angefochten. Sie     Die Rekurrentin war zum Rekurs berech-
sige und sorgfältige Schätzung zu han-                 beantragte, die Ausschreibung sei auf-       tigt, da sie als Anbieterin für die Aus-
deln. Insbesondere darf dabei nicht zu                 zuheben und die Vergabestelle sei anzu-      schreibung tatsächlich in Frage kommt
knapp kalkuliert werden; die Behörde                   weisen, das Verfahren neu auszuschrei-       und auf dem betreffenden Markt tätig ist
hat sich eher an die obere Bandbreite der              ben. Die in der Ausschreibung gesuchte       (E. 1.2).
Schätzung zu halten (E. 3.2).                          Dienstleistung bietet sie zwar nicht an,
                                                       sie bemängelt jedoch, dass infolge der       Das Appellationsgericht hält fest, dass
Die Angebotssummen haben sich vorlie-                  spezifischen Vorgaben der Ausschrei-         die öffentliche Vergabebehörde als Auf-
gend auf Fr. 592'145.-- (Beschwerdefüh-                bung der betreffende Leistungserbringer      traggeberin zwar bestimmen können
rerin) bzw. Fr. 613'890.-- (Beigeladene)               seine Dienstleistungen nicht mit den von     muss, welche Dienstleistungen sie benö-
belaufen. Der Wert des zu vergebenden                  ihr vertriebenen Produkten erbringen         tigt und welche konkreten Anforderun-
Auftrags übersteigt somit den Schwel-                  darf.                                        gen sie stellt. Sie sei aber bei der Festle-
lenwert bei Weitem. Aufgrund der offe-                                                              gung der Anforderungen nicht völlig
rierten Preise hätte eine vorgängige                   Nach Auffassung des Appellationsge-          ungebunden. Durch die vorgenommene
Schätzung der mutmasslichen Auftrags-                  richts ist die Rekurrentin nicht berech-     genaue Festlegung des Typs des Boden-
summe einen Wert über dem Schwellen-                   tigt, Rekurs gegen diese Ausschreibung       mopps werden Anbieter, die andere Bo-
wert ergeben müssen. Die Vergabebe-                    einzureichen. Bei einem Rekurs gegen         denmopps mit gleichwertigen Spezifika-
hörde hätte somit ein offenes oder                     eine Ausschreibung ist massgeblich, ob       tionen anbieten bzw. beziehen können,
selektives Vergabeverfahren durchfüh-                  die Rekurrentin selbst als potentielle An-   in unzulässiger Weise vom Wettbewerb
ren müssen, was eine vorgängige öffent-                bieterin der nachgefragten Dienstleis-       ausgeschlossen (E. 3.3).
liche Ausschreibung vorausgesetzt                      tung infrage kommt. Eine blosse Konkur-
hätte. Mit dem durchgeführten Einla-                   renzstellung vermittelt im Markt keine       Nach Auffassung des Gerichts hätten
dungsverfahren hat die Beschwerdegeg-                  Legitimation zur Drittbeschwerde. An-        vorliegend die Ausschreibungsunterla-
nerin die vergaberechtlichen Vorschrif-                ders wäre dies nur, falls mit erwähnter      gen nicht markenbezogen formuliert
ten verletzt (E. 3.6). Die Wahl des                    Beschaffung über den blossen Einkauf         werden dürfen, sondern neutrale Vorga-
falschen Vergabeverfahrens führt ohne                  hinaus in die Wirtschaftsordnung einge-      ben und Bedingungen bezüglich des an-
Weiteres zur Aufhebung des Zuschlags                   griffen würde. Dies sei vorliegend nicht     zubietenden Produkts enthalten müssen
und zur Rückweisung der Sache zur er-                  der Fall (E. 1.3.3).                         (E. 3.3). Der Rekurs wurde in diesem
neuten Durchführung im richtigen Ver-                                                               Punkt gutgeheissen.
fahren (E. 4). Das Gericht prüft die Wahl              MARKENBEZOGENE
der richtigen Verfahrensart übrigens von               AUSSCHREIBUNG                                3. ANFECHTUNG DER
Amtes wegen (E. 3.2).                                  VD.2019.104 URTEIL vom 16. Dezember             AUSSCHREIBUNG
                                                       2019 (Appellationsgericht Basel-Stadt)       DISKRIMINIERUNGSFREIE
                                                                                                    AUSSCHREIBUNG
                                                       Gegen dieselbe Ausschreibung hat sich        VD.2019.77 URTEIL vom 25. September
                                                       eine andere Rekurrentin gewendet. Die        2019 (Appellationsgericht Basel-Stadt)

NEOVIUS AG Hirschgässlein 30, CH-4051 Basel, Postfach, CH-4010
Basel, Tel. +41 61 271 27 70, Fax +41 61 271 27 71, info@neovius.ch

Neovius Aktuell Nr. 16                                                                                                                     2/6
Das Bau- und Verkehrsdepartement                       vornherein für die Beschaffung dieses        tig ausdrücklich möglich sein soll, Lehr-
schrieb im offenen Verfahren den Liefer-               Fahrzeugs entschieden (E. 3.3.2.2).          lingsplätze zu würdigen. Dies allerdings
auftrag «Beschaffung 3-Achser Voll-                                                                 beschränkt auf Beschaffungen aus-
elektro-Kehrichtfahrzeuge» aus. Der Re-                LEHRLINGSAUSBILDUNG ALS                      serhalb des Staatsvertragsbereichs (Art.
kurs gegen die Ausschreibung gab dem                   ZUSCHLAGSKRITERIUM                           29 Abs. 2 revIVöB).
Appellationsgericht Gelegenheit, ver-                  Urteil vom 20. November 2019 (810 19 185)
schiedene interessante Aussagen zu                     (Kantonsgericht Basel-Landschaft)            4. ANFECHTUNG DES
treffen.                                                                                               AUSSCHLUSSES
                                                       Angefochten wurde vorliegend die Aus-        FRISTGERECHTES EINREICHEN DES
Eine Vergabestelle ist auch nach Anfech-               schreibung. Sie sei unzulässig, da es sich   ANGEBOTS
tung einer Ausschreibung (zumindest bis                beim Unterkriterium "Lehrlinge", wel-        VD.2020.87 URTEIL vom 14. August 2020
zum Einreichen der Rekursantwort) be-                  ches mit 10% bewertet wird, um ein           (Appellationsgericht Basel-Stadt)
fugt, die Ausschreibung im Einklang mit                vergabefremdes Kriterium handle, wel-
den Vergabegrundsätzen (Gleichbe-                      ches nichts zur Bewertung der Qualität       Gemäss        Ausschreibungsunterlagen
handlung, Nichtdiskriminierung, Trans-                 der angebotenen Leistung beitragen           musste das Angebot der Anbieter am 26.
parenzgebot) zu korrigieren, wenn dies                 könne.                                       März 2020 um 11:00 Uhr bei der Vergabe-
sachlich geboten ist und nicht zu einer                                                             stelle eingegangen sein. Es wurde darauf
wesentlichen Änderung des Projekts                     Die Förderung der Lehrlingsausbildung        hingewiesen, dass bei Versand per Post
führt (E. 1.2.2.1).                                    ist ein sozialpolitisches Anliegen, wel-     das Datum des Poststempels nicht
                                                       ches Unternehmen einen Anreiz dafür          massgeblich sei. Mit Datum vom 9. April
Zulässig ist es, als Allgemeine Teilnah-               bieten soll, Lehrlinge auszubilden. Das      2020 wurde eine Anbieterin vom Verfah-
mebedingung eine deutschsprachige                      Kriterium Lehrlingsausbildung darf nach      ren ausgeschlossen, da ihre Offerte erst
Service- und Reparaturstelle in der                    Praxis und Literatur nur gestützt auf eine   drei Stunden nach offizieller Offertöff-
Schweiz und den Nachweis zu verlangen,                 ausdrückliche gesetzliche Grundlage in       nung via Postsendung bei der Vergabe-
wonach Bau- und Ersatzteile innert 2                   Betracht gezogen werden (E. 4.3). Zum        stelle eingegangen ist.
Werktagen lieferbar sein müssen. Eine                  anderen darf diesem Kriterium aufgrund
solche Service- und Reparaturstelle in                 dessen vergabefremder Natur in der Be-       Gemäss Beschaffungsgesetz sind ver-
der Schweiz wie auch die zu garantie-                  wertung kein grosses Gewicht zukom-          spätet eingetroffene Angebote vom Ver-
rende Ersatzteilversorgung könne aus                   men. Liegt eine gesetzliche Grundlage        fahren auszuschliessen. Die Berücksich-
betriebswirtschaftlichen Gründen zur                   vor, darf die Gewichtung des Kriteriums      tigung von verspäteten Angeboten
Vermeidung zolltechnischer, entsen-                    "Lehrlingsausbildung" nicht mehr als         würde dem Gebot der Gleichbehandlung
dungsrechtlicher und betriebstechni-                   10% der Gesamtgewichtung ausmachen           im Vergaberecht widersprechen. Es gel-
scher Probleme als notwendig betrach-                  (E. 4.4).                                    ten deshalb im Vergaberecht strenge An-
tet werden. Ausländische Anbieter                                                                   forderungen (E. 2.3).
könnten, um dies zu erfüllen, mit Part-                Die Verwendung des Zuschlagskriteri-
nern in der Schweiz zusammenarbeiten                   ums "Lehrlingsausbildung" lässt sich         Dass die Anbieterin ihr Angebot recht-
(E. 3.2.6).                                            vorliegend mit Blick auf die allgemeine      zeitig via E-Mail an einen externen Pla-
                                                       Bestimmung in § 2 Abs. 2 lit. d BeG be-      ner der Vergabestelle gesandt hat, kann
Die Unabhängigkeit und Objektivität der                gründen, sofern sich dessen Gewichtung       an der Beurteilung nichts ändern. Sie hat
Vergabestelle werde im Übrigen nicht                   in einem untergeordneten Rahmen be-          die Eingabefrist verpasst (E. 2.4). Zwar
dadurch in Frage gestellt, dass dem                    wegt. Vorliegend erachtete das Gericht       hatte der Regierungsrat des Kantons Ba-
Grossen Rat mit Blick auf den Ausgaben-                im Vergleich mit einem erheblichen, di-      sel-Stadt am 24. März 2020 als Reaktion
beschluss (Ratschlag) in erster Linie der              rekt leistungsbezogenen Kriterium wie        auf die Coronavirus-Pandemie rückwir-
Nachweis der Verfügbarkeit und Erpro-                  dem Fuhrpark, welcher mit 10% gewich-        kend per 21. März 2020 einen Verfahrens-
bung des Fahrzeugs eines Anbieters dar-                tet worden ist, die Gewichtung der Lehr-     stillstand betreffend die kantonalen Ver-
gestellt wurde (E. 3.3.2.1). Auch aus der              lingsausbildung mit ebenfalls 10% als zu     waltungs- und Einspracheverfahren
Tatsache, dass für die Ausarbeitung des                hoch und stattdessen maximal 5% als          erlassen. Davon aber hat er die Verfah-
Ratschlags nur Tests mit dem Fahrzeug                  noch vertretbar (E. 5).                      ren betreffend das öffentliche Beschaf-
eines Anbieters durchgeführt worden                                                                 fungswesen explizit ausgenommen (Re-
sind, lasse sich nicht schliessen, die Be-             Hinzuweisen bleibt auf die Tatsache,         gierungsratsbeschluss P200505 vom 24.
schaffungsbehörde habe sich zum                        dass gemäss revidierter IVÖB es inskünf-     März 2020). Trotz der Coronavirus-Pan-

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demie galt beim Beschaffungswesen                      eigenen Produkte und Artikelnummern         Version 2 Betriebliche Sozialberatung"
kein Fristenstillstand. Die Fristen muss-              anpassen (E. 4.1.1 ff.).                    aus. Das Appellationsgericht kam zu-
ten eingehalten werden (2.5.2).                                                                    sammenfassend zum Schluss, dass die
                                                       Damit waren der Zuschlag an die Beige-      Vergabestelle bei der Bewertung der An-
VORBEFASSUNG UND ABWEICHUNG                            ladene und der Ausschluss der Be-           gebote der Rekurrentin und der Beigela-
VON MANGELHAFTEM                                       schwerdeführerin aus dem Verfahren          denen von den Gewichtungsvorgaben in
LEISTUNGSVERZEICHNIS IN DER                            aufzuheben.                                 der Ausschreibung abgewichen ist. Die
OFFERTE                                                                                            Sache wurde an die Vergabestelle zu-
Urteil vom 15. Januar 2020 (810 19 155)                5. ANFECHTUNG DES                           rückgewiesen. Dabei hat das Appellati-
(Kantonsgericht Basel-Landschaft)                         VERGABEENTSCHEIDS                        onsgericht unter anderem folgende
                                                       ANFECHTUNG VON KRITERIEN,                   wichtigen Hinweise angebracht:
Eine Gemeinde führte eine Ausschrei-                   PREISGEWICHTUNG, PREISKURVE
bung im Einladungsverfahren für Kü-                    VD.2019.241 URTEIL vom 16. Juni 2020        Bleiben die Zuschlagskriterien in der
cheneinrichtungen durch. Die Beschwer-                 (Appellationsgericht Basel-Stadt)           Ausschreibung unangefochten, so sind
deführerin    machte      geltend,   die                                                           sie für die Bewertung der Offerten ver-
Zuschlagsempfängerin habe die Aus-                     In einem Rekurs gegen den Zuschlag bei      bindlich und können im Rahmen der An-
schreibungsunterlagen, die der Be-                     der Beschaffung von Stoffhandtuchrol-       fechtung des Zuschlagsentscheids nicht
schwerdeführerin zugestellt worden                     len durch das Erziehungsdepartement         mehr gerügt werden. Ungeachtet dessen
seien, angefertigt. Es liege demzufolge                wollte die Rekurrentin unzulässige Aus-     ist eine (relativ tiefe) Gewichtung des
eine Vorbefassung dieser Firma vor. Des                schreibungskriterien rügen. Das Appel-      Angebotspreises mit 45% mit Bezug auf
Weiteren wehrt sich die Beschwerdefüh-                 lationsgericht wies einmal mehr darauf      Dienstleistungen im Bereich der betrieb-
rerin gegen den Vorwurf, sie habe mit ih-              hin, dass diesfalls vorweg die Ausschrei-   lichen Sozialberartung nicht zu bean-
rem Angebot nicht das Originalleis-                    bung anzufechten ist. Es darf damit nicht   standen (E. 3.2).
tungsverzeichnis eingereicht.                          bis zur Zuschlagsverfügung zugewartet
                                                       werden (E 3.1).                             Was die Bewertung von Referenzaufträ-
Gemäss § 18 Abs. 1 Beschaffungsverord-                                                             gen betrifft, ist es zulässig, dass die
nung (BeV) und der bundesgerichtlichen                 Unabhängig davon wies das Gericht hin-      Vergabebehörde bei der Bewertung von
Rechtsprechung hätte die Zuschlags-                    sichtlich der Gewichtung und Bewertung      bisherigen Leistungen einer Submitten-
empfängerin aufgrund des Verfassens                    des Preisangebots auf den diesbezüglich     tin (zusätzlich zur Befragung einer Refe-
der Angebotsunterlagen zweifellos nicht                grossen Beurteilungsspielraum der           renzperson) auf vorhandene eigene
mehr am Verfahren teilnehmen dürfen.                   Vergabestelle hin. Das Gericht überprüft    Kenntnisse und Erfahrung zurückgreift
Auch für den Fall, dass die Teilnahme der              nur die Einhaltung der Minimalanforde-      (BGE 139 II 489 E.3.2; VGE VD.2014.5 vom
Beigeladenen ausnahmsweise aufgrund                    rungen. Die Gewichtung des Preises mit      21. Mai 2014 E. 5.3). Dass die Mitglieder
besonderer Umstände zulässig gewesen                   50% hält diese ein. Hat doch das Bundes-    des Bewertungsteams dabei auch ohne
wäre, hätte dies gemäss § 11 Abs. 2 BeV in             gericht diesbezüglich eine Untergrenze      Rücksprache mit der Rekurrentin auf in-
der Ausschreibung bekannt gegeben                      von 20% statuiert (BGE 129 I 313 E. 9 S.    nerhalb der Bedarfsstelle eingeholte In-
werden müssen (E. 3.1 ff.).                            328). Im Übrigen verlaufe eine Preiskurve   formationen und Erfahrungen abstellen,
                                                       mit einer Preisspanne von 150% auch         ist grundsätzlich nicht zu beanstanden,
Weiter hätte die Beschwerdeführerin                    nicht derart flach, dass damit die mini-    da es sich hierbei nicht um Referenzaus-
nicht aus dem Verfahren ausgeschlossen                 male Gewichtung des Preises unterlau-       künfte Dritter handelt (E. 3.4.3; vgl. Ver-
werden dürfen. Die Küchen-Devisierung                  fen wird (E. 3.5.1).                        waltungsgericht Graubünden, Entscheid
hat die Artikelnummern der Küchenmö-                                                               U 18 24 vom 12. September 2018 in PVG
bel der Zuschlagsempfängerin (und Au-                  GEWICHTUNG PREIS,                           2018 S. 213).
torin der Ausschreibungsunterlagen)                    BERÜCKSICHTIGUNG EIGENER
enthalten. Damit ist das Leistungsver-                 ERFAHRUNGEN                                 VERWENDUNG VON REFERENZEN
zeichnis nicht mehr neutral. Die Anbiete-              VD.2019.68 URTEIL vom 11. November          EINER ANDEREN UNTERNEHMUNG
rinnen konnten dadurch ihr Angebot gar                 2019 (Appellationsgericht Basel-Stadt)      VD.2019.132 URTEIL vom 27. März 2020
nicht leistungsverzeichniskonform und                                                              (Appellationsgericht Basel-Stadt)
damit ausschreibungskonform anbieten.                  Mit Publikation vom 19. Januar 2019
Die Beschwerdeführerin durfte das Leis-                schrieben die Basler Verkehrsbetriebe       Das Verwaltungsgericht hatte sich im
tungsverzeichnis somit zu Recht auf ihre               (BVB) den Dienstleistungsauftrag "D399      Rahmen der Beurteilung einer Bauleis-

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tungsausschreibung mit der Frage zu be-                bung vorgeschriebenen Art. Ihr Angebot      Mit dem Kriterium Preis werden im Un-
fassen, unter welchen Umständen bei                    erfüllte die Vorgaben des Kriterienkata-    terschied zu den anderen Zuschlagskri-
wirtschaftlicher Betrachtungsweise eine                logs damit nur zum Teil. Erklärvideos       terien nicht qualitative Aspekte bewer-
Anbieterin im Einzelfall Referenzen einer              vermögen die Live-Demonstration nicht       tet, sondern die Entschädigung. Wie gut
anderen, mit ihr verbundenen Unterneh-                 zu ersetzen. Die Vergabestelle durfte       oder schlecht ein Anbieter die geforderte
mung vorlegen dürfe.                                   bzw. musste dieses Manko bei der Punk-      Leistungserbringung qualitativ oder
                                                       tevergabe berücksichtigen (E. 5.1 f.).      quantitativ in seinem Angebot darstellt,
Das Gericht verweist auf die Praxis des                                                            ist nicht bei der Preisbewertung zu be-
Zürcher Verwaltungsgerichts, wonach                    Die Preisgewichtung wurde nicht mit Be-     rücksichtigen. Mit dem Subkriterium
die Vergabebehörde unter gewissen Um-                  schwerde gegen die Ausschreibung gel-       "Transparenz und Detaillierungsgrad"
ständen auch Referenzobjekte berück-                   tend gemacht. Sie konnte deshalb mit        wurde folglich – so das Gericht – beim ZK
sichtigen darf, die nicht nur von einer                Beschwerde gegen den Zuschlag nicht         1 "Gesamtkosten des Angebots" ein
Rechtsvorgängerin der Anbieterin, son-                 mehr gerügt werden. Das Gericht wies        sachfremdes Unterkriterium eingeführt
dern auch von einem früher einer ande-                 dennoch darauf hin, es beurteile die        und damit eine unzulässige Vermi-
ren Unternehmung zugehörigen Ge-                       Preisgewichtung von 25% als tief. Zwar      schung der qualitativen Aspekte mit dem
schäftsbereich ausgeführt worden sind                  handle es sich um einen relativ komple-     Kriterium Preis vorgenommen. Demge-
(E. 2.3.3; VGE ZH VB.2016.00025 vom 27.                xen Beschaffungsgegenstand. Nach            mäss kann beim Subkriterium "Transpa-
September 2016 E. 3.3, VB.2016.00267                   Bundesgericht haben jedoch selbst Be-       renz und Detaillierungsgrad" nicht von
vom 14. Juli 2016 E. 3.4, VB.2010.00170                schaffungsvorhaben mit höchstem Kom-        einem konkretisierenden Unterkriterium
vom 22. September 2010 E. 5.2.1,                       plexitätsgrad eine Mindestgewichtung        ausgegangen werden. Vielmehr führt die
VB.2002.00241 vom 18. Dezember 2002                    von 20% einzuhalten (E. 7.2).               Einführung dieses Unterkriteriums dazu,
E. 4b/aa).                                                                                         dass die in den Ausschreibungsunterla-
                                                       SUBKRITERIEN /                              gen vorgegebene Gewichtung des Preis-
Es ist insofern nicht von einem überspitzt             TRANSPARENZPRINZIP                          kriteriums von 40% aufgrund dieser Be-
formalistischen Verhalten des Rekurs-                  Urteil vom 25. September 2019 (810 19 15)   wertungsart nicht mehr gewährleistet
gegners auszugehen (E. 2.5.2).                         (Kantonsgericht Basel-Landschaft)           ist, was zu einer Verletzung des Transpa-
                                                                                                   renzprinzips führt (E. 5.4).
BEWERTUNG EINER PRÄSENTATION,                          Eine Gemeinde schrieb das Projekt «IT
PREISGEWICHTUNG                                        Servicebezug» aus. Das Projekt sieht vor,   6. ZUSCHLAGSERTEILUNG
Urteil vom 29. April 2020 (810 19 25) (Kan-            dass die Infrastruktur- und Betriebsser-       DURCH KANTONSGERICHT
tonsgericht Basel-Landschaft)                          vices der Gemeinde von einem externen       Urteil des Bundesgerichts vom 22. Januar
                                                       IT-Dienstleister erbracht werden sollen.    2020 (2C_979/2018) betreffend Urteil
Der Kanton schrieb den Dienstleistungs-                Zukünftig sollen definierte IT-Services     vom 18. Juli 2018 (810 17 297) (Kantonsge-
auftrag «Aufbau einer zentralen                        von einem externen Serviceanbieter si-      richt Basel-Landschaft)
SharePoint-Plattform und Realisierung                  chergestellt werden.
Intranet für die kantonale Verwaltung»                                                             Durch das Bundesgericht aufgehoben
im offenen Verfahren aus.                              Die Beschwerdeführerin wandte sich ge-      wurde ein Urteil des Kantonsgerichts be-
                                                       gen den Zuschlagsentscheid, unter an-       treffend die Ausschreibung des Dienst-
Gemäss Pflichtenheft war vorgesehen,                   derem da unter dem ZK 1 nicht nur (wie in   leistungsauftrags «Bearbeitungsstelle
die Anbietenden zu einer Präsentation                  der Ausschreibung mit 40% gewichtet)        Fördergesuche Baselbieter Energiepa-
ihres Angebots einzuladen. Diese sollte                die Gesamtkosten bewertet wurden. Die       ket». Das Kantonsgericht hatte zwar
zur Plausibilisierung der Angaben im An-               Gesamtkosten seien nur noch mit 31%         richtigerweise den erteilten Zuschlag
gebot und zur Klärung von allfälligen of-              gewichtet worden. Zusätzlich seien wei-     aufgehoben und eine zu flache Preis-
fenen Fragen dienen. Vorgesehen wurde                  tere Kriterien (Stundenansätze, Aus-        kurve sowie einen Ermessensmissbrauch
dabei ausdrücklich die «Präsentation der               stiegszahlungen, Transparenz/Detaillie-     festgestellt. Vom Bundesgericht nicht
[…] anhand einer Live-Demo […]». Die                   rungsgrad) unter dem ZK 1 mit je 30         geschützt wurde jedoch, dass das Kan-
Beschwerdeführerin präsentierte ihre                   Punkten bewertet worden. Dies habe          tonsgericht im Rahmen seines reforma-
Intranetlösung jedoch nicht live, son-                 dazu geführt, dass das Hauptzuschlags-      torischen Urteils den Zuschlag direkt
dern mittels eines Erklärvideos. Die Be-               kriterium Gesamtkosten viel tiefer ge-      dem beschwerdeführenden Drittplat-
schwerdeführerin präsentierte damit ihr                wichtet worden sei als in der Ausschrei-    zierten erteilt und den zweitplatzierten,
Produkt nicht in der durch die Ausschrei-              bung vorgesehen (E. 5.2.1).                 nicht beschwerdeführenden Anbieter

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unberücksichtigt gelassen hatte.                       zwei Anbieterinnen an der Ausschrei-       der Sache an die Vergabebehörde führen
                                                       bung teilgenommen haben oder der Zu-       müssen, welche unter Berücksichtigung
Gemäss Bundesgericht darf die Erteilung                schlag ohne Weiteres an die nächstbes-     aller am Vergabeverfahren Beteiligten
des Zuschlags durch das – auf Rechts-                  ser platzierte Anbieterin erteilt werden   eine Neubewertung mit vollem Ermes-
kontrolle beschränkte – kantonale Ver-                 kann.                                      sen wahrzunehmen hat (E. 6.4).
waltungsgericht nur erfolgen, wenn die
Konstellation hinreichend geklärt ist (E.              Vorliegend hätte folglich die Aufhebung
6.3.4). Das ist der Fall, wenn lediglich               des Vergabeentscheids zur Rückweisung      Basel, März 2021

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