Total verbohrt - Österreichischer ...
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Franziska Haack ist freie Journalistin mit Basislager in München und beschäftigt sich beruflich wie privat am liebsten mit bzw. in den Bergen. Sicherheitsstandards, genormtes Material und der Boom des Outdoorsports haben dazu geführt, dass Sportklettern heute Breitensport statt Subkultur ist. Doch mit den Menschenmengen steigen Konfliktpotenzial und Nutzungsdruck auf die Natur. Vielerorts drohen Gebietssperrungen. Beim Eröffnen neuer Routen sind daher Dia- log und Rücksichtnahme angesagt. Statt auf juristisches Halbwissen zu vertrauen, sollten Erschließerinnen und Erschließer die Rechtslage kennen und vorab mit den Regionalvertretern der Kletterverbände sowie mit den zuständigen Behörden und den Grundbesitzern sprechen. Von Franziska Haack Eine kompakte Wand mit vielen schönen land. Das Betretungsrecht, das in diesen Linien und nur zwei, drei Routen mit alten drei Ländern zugunsten von Naturschutz, Schlaghaken drin. Ein Traum für Erschließer. Jagd oder anderen Interessen eingeschränkt Aber ist es erlaubt so nah an der Gemeinde werden kann, umfasst bei einzelnen Routen neue Kletterrouten zu eröffnen? „Als ich vor auch das Setzen von Haken, da diese zur acht Jahren das erste Mal vor diesen Felsen persönlichen Absicherung gegen Absturz in der Nähe von Gramais stand, hatte ich nötig sind. noch keine Ahnung von den ganzen Re- geln“, erzählt Marvin Kärle aus Tirol. Statt Anders ist die Lage in Südtirol. Hier gibt sich in Gesetze, Regelungen und Verordnun- es kein Recht auf Betreten der freien Natur. gen zu vertiefen, wandte er sich zunächst Deshalb müssen Erschließerinnen immer anderen Felsen im Lechtal zu und vergaß zuvor die Grundeigentümer, häufig Berg- das Projekt in Gramais. „Im Klettergarten bauern, kontaktieren und mit ihnen eine Steeg wird bereits seit den 70er-Jahren ge- schriftliche Grundnutzungsvereinbarung klettert. Aber es ist noch viel Raum für neue abschließen, die einen Halter und somit Touren. Hier haben wir nach und nach Haftenden benennt und konfliktträchtige Routen erschlossen und auch viele bereits Punkte wie Parken, Zustieg und gegeben- bestehende saniert.“ Mit der Gemeinde enfalls Toiletten regelt. Der AVS hat hierfür sprachen Marvin und seine Freunde vorher eine Vorlage mit dem Südtiroler Bauern- nicht, sie verließen sich auf die Abmachun- bund erarbeitet (für Infos und Unterstüt- gen, die andere Kletterer irgendwann ein- zung: bergsport@alpenverein.it). mal mündlich gemacht haben. b Betretungsrecht: das „Gehen mit Händen“ in der freien Natur Prinzipiell fällt in Österreich, Deutschland und der Schweiz das Erschließen einzelner Kletterrouten, ob in einem gewachsenen Klettergarten oder an einem bislang unge- nutzten Fels, unter das freie Betretungs- recht. Die genaue Rechtslage unterscheidet Klasse statt Masse: Bergführer sich nicht nur zwischen den Ländern, son- Marvin Kärle legt Wert auf Sorgfalt | unsicherheit dern teils auch von Bundesland zu Bundes- beim Erschließen. Foto: Marvin Kärle 47
Um Auseinandersetzungen zu vermeiden, stimmung des Waldeigentümers. Wie sich 1 Der DAV befindet sich derzeit in einer raten aber auch die alpinen Vereine1 und Kontaktaufnahme und Vereinbarung konkret Arbeitsphase, in der umfangreiche Fragen Kletterverbände der Länder mit freiem Be- gestalten, hängt von der Region ab. Wäh- zum Thema Recht, Haftung, Raumplanung, tretungsrecht, vor einer Erschließung immer rend in den Schweizer Voralpen und dem Bohrhakentechnik u. a. geklärt und nach ak- die regionalen Vertreter der Kletterverbände Basler Jura Klettergärten meist etwas älter tuellem Stand beantwortet werden sollen. und die Grundeigentümer zu kontaktieren. sind und informelle Abmachungen bevor- Denn bei einer guten Wand müssen sie zugt werden, empfiehlt der ÖAV eine schrift- damit rechnen, dass es nicht bei einer Route liche Vereinbarung mit einer Klausel, die bleibt, weil andere Kletterinnen weitere Tou- den Eigentümer vor Haftung und Klage ren erschließen werden und ein möglicher- schützt. Im Schadensfall haften zu müssen, weise gut besuchter Klettergarten entsteht. ist oft die größte Sorge der Grundeigentü- Wurden Parksituation und Zustiege nicht mer. Mit einem Vertrag kann man sie aus- vorher mit dem Grundeigentümer abgeklärt, räumen. Ein Sonderfall in Deutschland sind sind Konflikte vorprogrammiert. Steinbrüche. Diese gehen erst mit dem Ablauf der Abbaugenehmigung wieder in Richtet ein einzelner Kletterer einen ganzen die freie Natur über, davor trägt der Betrei- Klettergarten ein, ist in Österreich immer ber die Verkehrssicherungspflicht – auch die Zustimmung des Eigentümers nötig, wie für Bereiche, in denen aktuell nichts mehr das Oberlandesgericht Linz und der Oberste abgebaut wird. Teils schließen Vereine Gerichtshof (OGH) in Wien an einem Präze- Verträge über eine klettersportliche Nutzung denzfall festgestellt haben: Das Anlegen von in diesen Bereichen ab und übernehmen Auch Zustiegswege (und die Parksituation) 44 Kletterrouten und Einschlagen von 500 damit die Verkehrssicherungspflicht. Je sollten schon beim Erschließen mitbedacht Bohrhaken in nur einer Felswand stelle eine nach Historie des Steinbruchs gelten unter- werden. Führen sie durch Schutzgebiete über § 33 Abs. 1 Forstgesetz hinausgehende schiedliche Regeln, die vor Erschließungen oder über Privatgrund? Foto: Wolfgang Ehn Benutzung dar und bedürfe daher der Zu- abzuklären sind. Betretungsrecht In Österreich erlaubt Paragraf 33 des Forstgesetzes zu Erholungszwe- cken allen den freien Zutritt zu Waldgebieten – auch zu den darin lie- genden Felsen. Den Zutritt zum alpinen Ödland gestatten wiederum verschiedene Landesgesetze, meist mit Ausnahme von Weideflächen. In Tirol und Niederösterreich, wo es keine entsprechenden Gesetze gibt, beruft man sich auf das Gewohnheitsrecht. In Deutschland garantieren das Bundesnaturschutzgesetz und das Bun- deswaldgesetz die Erholung in der freien Landschaft und auf Waldflä- chen, wozu auch sportliche Betätigung zählt (§ 59 und § 7 Nr. 3 BNatSchG, § 14 Abs. 1 BWaldG), die Landesgesetze können dies aller- dings durch ein Wegegebot einschränken oder in Wildschutzgebieten generell verbieten. In Baden-Württemberg wird aus der Biotopschutz- Klausel des Naturschutzgesetzes ein allgemeines Kletterverbot mit Er- laubnisvorbehalt abgeleitet (§ 30 BNatSchG). Die Schweizer Gesetze sehen ein allgemeines Zutrittsrecht zu Wald und unproduktivem Land vor (Schweizerisches Zivilgesetzbuch Art.6991, BGWald Art. 141), das durch Behörden eingeschränkt werden kann. 48
k einen Halter oder Betreiber, der für Einrich- Klettergarten ist nicht gleich tung und Wartung zuständig ist. Der Großteil Klettergarten der österreichischen Klettergärten ist bei- spielsweise zunächst natürlich gewachsen, Aber ab wann handelt es sich überhaupt um wurde aber irgendwann von einem Verein einen Klettergarten? Felsen gelten üblicher- oder Tourismusverband saniert und gilt nun weise als Klettergarten, wenn sich dort meh- als eingerichteter Klettergarten der jeweili- rere Touren in geringem Abstand befinden, gen Organisation. Ähnlich ist es in Südtirol: als Richtwert schlägt der ÖAV circa zehn 97 von 150 Klettergärten sind offizielle Klet- Routen mit Abständen von drei bis fünf Me- tergärten, von denen über die Hälfte vom tern vor. Weitere Merkmale eines Klettergar- AVS betrieben werden. Für einen Teil schei- tens sind Nähe zur Zivilisation und das nen Tourismusverbände als Betreiber auf weitgehende Fehlen alpiner Gefahren. Über oder es sind historisch gewachsene Kletter- einen langen Zeitraum und durch verschie- gärten auf öffentlichem Grund. Dem AVS dene Kletterinnen und Kletterer erschlos- sind – auch mit Blick auf die Haftung – ko- sene Klettergärten, wie beim Klettergarten ordinierte Strukturen wichtig. „Wir wollen Steeg, bezeichnet man als (natürlich) ge- nicht überall neue Routen, sondern dass wachsenen Klettergarten. Davon abzugren- sich die Erschließer hinterher auch küm- zen sind eingerichtete also ad hoc mern. Wildwuchs ist nicht förderlich”, sagt erschlossene Klettergärten, die gezielt und Stefan Steinegger, Sachbearbeiter Bergsport planvoll in kurzer Zeit von einem Verein, und Ausbildung beim AVS. In der Schweiz Tourismusverband, einer Gemeinde oder sind es vereinzelte Ausnahmen, wenn ein In Österreich, Deutschland und der Privatperson eingerichtet worden sind und Verein, eine Gemeinde usw. das Betreiben Schweiz, nicht aber in Südtirol, gilt gene- rechtlich anders behandelt werden. Einge- und somit die Haftung für einen Klettergar- rell das freie Betretungsrecht der Natur – richtete Klettergärten haben in der Regel ten übernehmen. Felsen eingeschlossen. Foto: Wolfgang Ehn Haftung Generell gilt bei Kletterrouten in allen vier Ländern das Prinzip der Eigenverantwortlichkeit, das heißt, Klette- rer können sich nicht darauf verlassen, dass Haken halten, sondern sind verpflichtet den Zustand selbst zu prüfen. Richten Kletterinnen einzelne Routen ein, eröffnen sie damit keinen Weg und haben keine Verkehrs- sicherungspflichten. Die Haken dienen schließlich nur dazu ihren eigenen Absturz zu verhindern. Da sie aber davon ausgehen müssen, dass auch andere Kletterer die Route begehen werden, sind sie zur Sorgfalt ver- pflichtet. Eine regelmäßige Kontrolle ist nicht zumutbar. Anders verhält es sich bei errichteten Klettergärten in Österreich. Hier haben Halter oder Gebietsbetreuer Verkehrssicherungspflichten für Kletterrouten und Zu- stiege, sofern dies nicht vertraglich ausgeschlossen wurde. Sonderfälle mit erhöhter Sicherungspflicht sind kommerzielle Nutzung von Klettergärten oder die explizite Bewerbung als besonders gut abgesichert. In der Schweiz, Österreich und Deutschland hat der Grundeigentümer keine Haftungspflichten, unabhängig davon, ob er das Klettern duldet oder gar nichts davon weiß. Der österreichische Oberste Gerichtshof hat dies im Rechtsstreit nach einem Unfall durch einen ausgebrochenen Bohrhaken an der Mizzi-Langer-Wand fest- gestellt. Die Grundeigentümerin sei nicht verpflichtet, den Zustand der Felswand zu überprüfen (Eigenverant- wortung). Dennoch empfiehlt der ÖAV schriftliche Vereinbarungen zur Schad- und Klagloshaltung der Eigentümer. In Südtirol muss möglicherweise die Grundeigentümerin haften, falls es keinen Betreiber gibt. Alpenvereine und Tourismusverbände schließen Haftpflichtversicherungen für die Betreiber ihrer Klettergär- ten ab. Da das Halten von Klettergärten in der Haftpflicht der Alpenvereine inkludiert ist, befürworten sie, dass Sektionen Halter von Klettergärten werden. | unsicherheit 49
Österreich Deutschland Schweiz Südtirol Freies Betretungsrecht Ja Ja Ja Nein Grundbesitzer Haftet nicht. Haftet nicht. Haftet nicht. Sollte Haftet möglicherweise, Sollte kontaktiert werden Sollte kontaktiert werden. kontaktiert werden. falls kein Betreiber. Muss kontaktiert werden. Prinzip Eigenverant- Ja Ja Ja Ja wortlichkeit Bei errichtetem Klettergar- In Einzelfällen (z. B. Steinbrü- ten hat Betreiber die Ver- chen) hat der Betreiber die kehrssicherungspflicht. Verkehrssicherungspflicht. Naturschutzgebiete/ Bewilligungspflicht Abhängig vom Bundesland Bewilligungspflicht, Bewilligungspflicht Nationalparks und Schutzziel bewilligungs- im Nationalpark ver- pflichtig oder verboten boten Ein paar Jahre nachdem Marvin Kärle das baren Rahmen ausüben. Die österreichische zu finden, wo es keine Bedenken von Seiten erste Mal vor der vielversprechenden Wand Rechtsprechung verlangt beispielsweise des Naturschutzes gibt“, sagt Sebastian. Auf in Gramais gestanden hatte, begannen er einen Kontrollgang pro Jahr. Wobei die Anfor- wenig Raum kommen zu viele Interessens- und ein Kollege schließlich doch mit der Er- derungen mit kommerziellem Interesse stei- gruppen zusammen: Naturschützer, Jäger, schließung. „Der Kollege hat sich informiert, gen, etwa wenn der Klettergarten zu einer Förster und zunehmend mehr Wanderer, mit der Gemeinde gesprochen und als zu- Hütte oder Seilbahn gehört oder ein Bergfüh- Mountainbiker und eben Kletterer. künftiger Halter einen Vertrag mit dem rer ihn für Kurse nutzt. Um das Thema Naturschutz vorab abzuklä- Grundeigentümer unterzeichnet, dann Ob es sich um einen eingerichteten Kletter- ren, sollte man unbedingt die Regionalver- haben wir nach und nach Routen einge- garten handelt und vor dem Erschließen der treter von Alpenverein oder IG Klettern bohrt“, erzählt Marvin, der mittlerweile die Halter kontaktiert werden muss, ist oft an kontaktieren. Diese sind gut mit den lokalen Ausbildung zum Bergführer absolviert und der Beschilderung zu erkennen. Tourismus- Naturschutzbehörden vernetzt und spre- in den letzten Jahren um die 50 Sportkletter- verbände oder alpine Vereine stellen in chen gegebenenfalls mit den zuständigen routen erschlossen hat. Obwohl sie mit der ihren Klettergärten, natürlich gewachsen Stellen. Auch hier unterscheiden sich die Genehmigung der Gemeinde nun den gan- oder nicht, Schautafeln mit Topos und Ver- Regeln von Land zu Land. In Österreich gibt zen Felsen auf einmal erschließen könnten, haltenshinweisen auf. Gibt es keine Tafeln es – abgesehen von Oberösterreich und Vor- wollte Marvin es langsam angehen. Der Klet- sollten sich Erschließerinnen bei den loka- arlberg – außerhalb von Naturschutzgebie- tergarten soll trotzdem natürlich wachsen. len Kletterern durchfragen. „Normalerweise ten und Sonderstandorten keine allgemeine „Da geht es auch um die Qualität der Tou- kommt man ja nicht gleich mit der Bohr- Bewilligungspflicht für Klettergebiete durch ren. Ich will nicht einfach zehn Haken in die maschine in der Hand in ein neues Gebiet. die Naturschutzämter. Dennoch wird eine Wand hauen, sondern die schönsten natürli- Sondern man ist zunächst als Kletterer da, Abklärung empfohlen. Eine Bewilligung kann chen Linien finden.“ Dass er Haken von sieht dann eine interessante neue Linie, nötig sein, wenn in der Gegend seltene unten einbohrt, um die beste Position zu kommt mit den Locals ins Gespräch und Arten vorkommen, Felsen, Zustiegswege finden, die Route ordentlich putzt, selbst kann so die Möglichkeiten für Neuerschlie- oder Parkplätze in der Nähe von Seen und klettert und erst dann freigibt, ist für den ßungen ausloten“, sagt Sebastian Weiß. Flüssen (500 bzw. fünf Meter Abstand) oder Kletterer eine Selbstverständlichkeit. in Sonderstandorten wie Feuchtgebieten und Auenwäldern liegen. Sogar ein längerer e Marvin Kärle und der Halter des Klettergar- Zustieg oder ein größerer Parkplatz können tens haben eine vertrauensvolle Beziehung, Ein Regelungsdschungel für eine Bewilligung erfordern. Eine Erschließung daher fragt er seinen Kollegen nicht vor jeder den Naturschutz in Nationalparks, Natur- und Landschafts- Neutour um Erlaubnis. Fremde müssen das schutzgebieten ist in Österreich möglich, schon. Denn in eingerichteten Klettergärten Der Münchner Kletterer hat verschiedene muss aber jedenfalls genehmigt werden. haften die Halter auch für die Installationen Alpintouren wie Sportkletterrouten in den anderer. Ihre Kontroll- und Verkehrssiche- Bayerischen Alpen erschlossen und feststel- In der Schweiz ist das Klettern in Natur- rungspflichten müssen die Halterinnen in len müssen, wie begrenzt die Möglichkeiten schutzgebieten oft auf bestehende Sektoren Österreich wie auch in Deutschland, Südtirol für neue Touren in den Voralpen sind. „Es ist oder bestimmte Zeiten beschränkt, auch in und der Schweiz aber nur in einem vertret- schwer hier noch unerschlossene Gebiete Wildruhezonen und Jagdbanngebieten kann 50
Felsen samt Geröllhalden und Felsköpfen sind sensible Biotope, in denen extrem angepasste Arten wie die Mauereidechse leben. Foto: DAV/S. Reich es (saisonale) Verbote geben. Wildruhezo- In Deutschland fallen die Naturschutz- nen und deren Bestimmungen können im gebiete unter das jeweilige Länderrecht. Portal www.map.geo.admin.ch (im Suchfeld Dieses kann das Verlassen der Wege gänz- Wildruhezonen eingeben) eingesehen wer- lich verbieten oder wie etwa in Bayern den. „Neuerschließungen sind in solchen grundsätzlich erlauben, wobei der Zugang Gebieten viel schwieriger, jedoch nicht un- je nach Schutzzweck eingeschränkt werden möglich. Hier muss zwingend Kontakt mit kann. Die Länder sind auch für die Umset- dem verantwortlichen Jagdaufseher, Förster zung der EU-Richtlinien zum Schutzgebiete- oder wer auch immer für die saisonale Ein- netz Natura 2000 zuständig, je nach zu schränkungen verantwortlich ist, aufgenom- schützender Art gelten verschiedene Be- men werden“, sagt Bruno Hasler, stimmungen. Besondere Bedeutung für das Bereichsleiter Ausbildung und Sicherheit Klettern haben die nach Paragraf 44 beim SAC. „In den meisten Gebieten in der BNatSchG streng geschützten Vogelarten Schweiz muss das Klettern nicht offiziell be- Uhu und Wanderfalke – wieder mit regiona- willigt werden. Zwischen bestehenden len Unterschieden. In Bayern, besonders in Routen neue zu erschließen ist weniger pro- Franken, gibt es flexible Sperrzeiten für Brut- blematisch, als den Klettergarten zu erwei- felsen, in Baden-Württemberg hingegen tern oder einen neuen zu eröffnen.“ Letztlich werden die Felsen für festgelegte Zeiträume muss jedoch jeder Klettergarten einzeln be- gesperrt. Generell ist die Vogelbrut beim Er- urteilt werden. Im Schweizer Nationalpark schließen unbedingt zu beachten, denn die im Unterengadin/Münstertal ist Klettern ge- Störung des Brutgeschäfts kann strafrecht- nerell verboten. liche Konsequenzen nach sich ziehen. Der DAV hat den Anspruch, dass alle außeralpi- In Südtirol ist für Erschließungen in Natur- nen Klettergebiete von einer seiner Sektio- parks und im Nationalpark Stilfserjoch das nen oder einem anderen Verein betreut schriftliche Einverständnis der Verwalter werden. Die Gebietsbetreuer sind für die nötig, was einen gewissen bürokratischen Umsetzung der Strategien zu naturverträg- Aufwand erfordert, da neben Grundbesit- lichem Klettern verantwortlich und können zern alle beteiligten Institutionen, also bei- auch bei Fragen zu Neuerschließungen hel- spielsweise auch Jäger, zustimmen müssen. fen (zu finden unter www.felsinfo-alpenver- Der AVS beschränkte sich in den letzten Jah- ein.de). Wo nötig erarbeiten sie Kletterkon- ren daher darauf, in Naturschutzgebieten zeptionen und stimmen diese mit den Be- bestehende Klettergebiete offiziell eintragen hörden ab. Bewährt hat sich die Einteilung zu lassen und durch Nominierung eines Be- in drei Zonen (Kletterverbot, Klettern auf treibers die Kontrollen und Sanierungsmaß- bestehenden Routen möglich, Neuerschlie- | unsicherheit nahmen zu gewährleisten. ßung erlaubt). 51
m Mit Respekt und Rücksicht Sind Neutouren aus Naturschutzsicht mög- sorgen können, sollte man sie nicht zu Literatur lich, dies jedoch kein Freifahrtschein, denn lange hängen lassen. Als letzte Hürde vor Felsen sind als letzte von den Menschen dem Einbohren sind nun noch Stil- und y Handbuch Klettergarten, Land Tirol, unberührte Orte wertvolle Biotope, in denen Ethikfragen zu klären. ÖAV und Climbers Paradise extrem spezialisierte Arten leben. Erschlie- Bereichert diese Route das Angebot und y Erstbegehungs- und Sanierungs-Charta ßer sollten Routenverläufe wählen, bei bringt sie der Gemeinschaft einen Mehr- von Felskletterrouten, DAV, ÖAV denen der Fels nicht übermäßig geputzt wert? Welche Hakenabstände sind im ge- y Tiroldeklaration Artikel 9, Kongress werden muss. Felsen regelrecht freizuschä- wählten Klettergebiet üblich? Kommt die Future of Mountain Sports len oder Risse auskratzen ist nicht im Sinne geplante Route bereits bestehenden zu y Klettern und Naturschutz, DAV des naturverträglichen Kletterns. Durch Um- nahe oder kreuzt sie sogar eine Tour, die y Leitfaden Recht zum Klettern in der lenker lassen sich das Betreten empfindli- dadurch möglicherweise entwertet oder ent- Natur, DAV cher Felsköpfe – der Teil des Felsbiotops mit schärft würde? Sich vor dem Einbohren mit y Leitfaden Klettern in Steinbrüchen, DAV der vielfältigsten Flora – und das Anlegen den lokalen Kletterern und Erstbegeherin- y Mensch Fels Falke, IG Klettern, moun- zusätzlicher Abstiegswege umgehen. Wird nen der Nachbarrouten auszutauschen, ist tain wilderness Schweiz, SAC, Kletterwelt ein Gebiet komplett neu erschlossen, sollte nicht nur „ein Zeichen des Respekts“, wie y Neuerschliessungen/Sanierungen von man die Zustiegswege am besten in Abstim- Kletterer Sebastian Weiß sagt. Es verhindert Kletterrouten und Klettersteigen, SAC mung mit Eigentümern und Behörden anle- auch Streit, böses Blut und eigenmächtiges y Tiroldeklaration, Punkt 9 – Erstbestei- gen und sensible Bereiche wie die Geröll- (oder vereinbartes) Entfernen von Bohr- gungen und Erstbegehungen halden unter den Felsen möglichst meiden. haken wie zuletzt wieder im Frankenjura, Da Fixseile und Expressen für Projekte unnö- an den Wendenstöcken oder an der tige Aufmerksamkeit erregen und für Ärger Drusenfluh im Rätikon. ■ Wer noch keine Erfahrung hat, sollte mit Sanieren beginnen oder einen Kurs, zum Beispiel beim ÖAV, machen. Foto: ÖAV Zusammenfassung y Abstimmung mit Felsbetreuerinnen: Die gut vernetzten Regionalvertreter der Verbände sollten immer kontaktiert werden. Sie helfen mit Kontakten und dabei, alle Kon- sequenzen (Parkplätze, Zustiege, Andrang) abzuklären. y Grundeigentümer: In allen vier Ländern wird empfohlen die Eigentümerinnen auch vor dem Erschließen einzelner Routen zu kontaktieren. In Südtirol braucht es zwingend deren Einwilligung! y Haftung: Haben sie nur einzelne Routen eingerichtet, haften die Erschließerinnen nicht. y Naturschutz: Felsen sind sensible Biotope, die nur rück- sichtsvoll erschlossen werden sollten. y Naturschutzgebiete: Klettern kann abhängig von Art und Ziel des Schutzgebiets verboten sein, in allen Ländern ist eine Bewilligung durch die Naturschutzbehörden nötig. y Sinnfrage: Neutouren sollten eine Bereicherung – kein bloßer Egotrip – sein und der lokalen Kletterethik folgen. 52
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