Transnationale Vermarktung regionaler Lebensmittel am Beispiel von GlaMUR
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Transnationale Vermarktung regionaler Lebensmittel am Beispiel von GlaMUR Diplomarbeit zur Erlangung des akademischen Grades eines Magisters der Naturwissenschaften an der Karl-Franzens-Universität Graz vorgelegt von Josef TSCHIGGERL am Institut für Geographie und Raumforschung Begutachter: Univ.-Prof. Dr. phil. Ulrich Ermann Weinburg am Saßbach, 2021
Ehrenwörtliche Erklärung Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen nicht benutzt und die den Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Die Arbeit wurde bisher in gleicher oder ähnlicher Form keiner anderen inländischen oder ausländischen Prüfungsbehörde vorgelegt und auch noch nicht veröffentlicht. Die vorliegende Fassung entspricht der eingereichten elektronischen Version. Weinburg am Saßbach, 2021 ________________________ Unterschrift 1
Vorwort und Danksagung In meiner Zeit als Lehramtsstudent mit den Unterrichtsfächern Mathematik und Geographie/Wirtschaftskunde war es mir möglich, einiges an Fachwissen zu erwerben. Ich wollte meine Diplomarbeit unbedingt über ein realitätsnahes Thema schreiben. Nach längerem Überlegen und mithilfe meines Diplomarbeitsbetreuers fand ich ein passendes Themengebiet, welches für meine Heimatregion relevant ist. Der Verein GlaMUR ist mir schon länger bekannt, da er regionale Produkte fördert und Veranstaltungen organisiert. Die Idee, den Begriff der Regionalität über die Staatsgrenze hinweg zu definieren, weckte mein Interesse und ist das Kernelement meiner Arbeit. Ich möchte mich recht herzlich bei meiner Familie und meinen FreundInnen bedanken, die mich immer wieder während meines gesamten Studiums unterstützten. Besondere Dank gilt meinem Betreuer Univ.-Prof. Dr. phil. Ulrich Ermann für seinen Einsatz bei der Begleitung meiner Diplomarbeit und allen InterviewpartnerInnen, die sich die Zeit nahmen, meine Fragen zu beantworten. 2
Zusammenfassung Die Diplomarbeit befasst sich damit, dass der Begriff „Regionalität“ im Lebensmittelsektor nicht an der Staatsgrenze enden muss. Untersuchungsregion ist dabei der Grenzraum zwischen Steiermark und Slowenien. Der Verein GlaMUR versucht ein Bewusstsein bei der Bevölkerung zu schaffen, dass ein slowenisches Produkt auch als regional anerkannt werden kann. Ziel dieser Arbeit ist aufzuzeigen, welche Probleme dieses transnationale Verständnis von Regionalität beim Vermarkten eines regionalen Nahrungsmittels mit sich bringt. Im ersten Teil der Arbeit wird die theoretische Basis geschaffen. Verschiedene Aspekte eines regionalen Lebensmittels werden erläutert und auf wichtige Ansätze bei der Vermarktung eingegangen. Der zweite Teil beschäftigt sich speziell mit dem Fallbeispiel GlaMUR. Mithilfe von Interviews wird der Verein analysiert. Eine Befragung in der Untersuchungsregion repräsentiert dabei die Sicht der KonsumentInnen. Durch diese zwei Methoden können einige Problemfelder aufgezeigt werden, die eine transnationale Vermarktung regionaler Lebensmittel mit sich bringt. 3
Abstract The thesis deals with the fact that the term “regionality” in the food sector does not have to end at the state border. The region under investigation is the border area between Styria and Slovenia. The GlaMUR association tries to create awareness among the population that a Slovenian product can also be recognized as regional. The aim of this work is to show which problems this transnational understanding of regionality brings with it when marketing regional food. In the first part of the thesis, the theoretical basis is created. Various aspects of regional food are explained and important approaches to marketing are discussed. The second part deals specifically with the GlaMUR case study. The association is analyzed with the help of interviews. A survey in the research region represents the consumer's point of view. With these two methods, some problem areas can be identified that the transnational marketing of regional foods entails. 4
Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung ............................................................................................................................................... 8 2. Regionalität ........................................................................................................................................... 9 2.1. Definition ....................................................................................................................................... 9 2.2. Regionale Lebensmittel ............................................................................................................... 10 2.2.1. Die vier Haupttypen von Regionsbildungen ........................................................................ 11 2.2.2. Lokale Lebensmittel............................................................................................................. 14 2.3. Herkunft und Moral des Essens................................................................................................... 15 2.4. Sehnsucht nach Regionalität ....................................................................................................... 16 2.5. Vorteile regionaler Lebensmittel................................................................................................. 17 3. Vermarktung regionaler Lebensmittel ................................................................................................ 19 3.1. Produkt branding......................................................................................................................... 20 3.2. Formen von regionalem Marketing............................................................................................. 21 3.3. Kooperationen ............................................................................................................................. 23 3.3.1. Voraussetzungen für das Zustandekommen einer Kooperation......................................... 24 3.3.2. Cummunity Supported Agriculture (CSA) ............................................................................ 24 4. Transnationale Zusammenarbeit innerhalb der EU ............................................................................ 26 5. Methodik ............................................................................................................................................. 28 5.1. Interviews .................................................................................................................................... 28 5.1.1. Interviewarten ..................................................................................................................... 29 5.1.2. Durchführung der Interviews .............................................................................................. 29 5.1.3. Auswertung der Interviews ................................................................................................. 30 5.2. Fragebogen .................................................................................................................................. 31 6. Untersuchungsregion .......................................................................................................................... 33 6.1. Mitgliedsgemeinden von GlaMUR .............................................................................................. 33 6.2. Unteres Murtal ............................................................................................................................ 35 6.3. Mitgliedsbetriebe ........................................................................................................................ 36 6.3.1. Die slowenische Region ....................................................................................................... 37 5
6.3.2. Die österreichische Region .................................................................................................. 38 7. GlaMUR - Genuss am Fluss .................................................................................................................. 39 7.1. Gründung des Vereins ................................................................................................................. 41 7.2. Ziele des Vereins.......................................................................................................................... 43 7.2.1. Zusammenarbeit ................................................................................................................. 43 7.2.2. Gastronomie und Hotellerie ................................................................................................ 43 7.2.3. Bewusstsein für regionale Produkte schaffen ..................................................................... 45 7.2.4. Tourismus und Landwirtschaft ............................................................................................ 46 7.2.5. Regionale Wirtschaftskreisläufe .......................................................................................... 48 7.2.6. Grenzenloses Denken .......................................................................................................... 50 7.3. Kooperationen des Vereins ......................................................................................................... 53 7.3.1. Vereinsveranstaltungen ...................................................................................................... 53 7.3.2. Einflüsse der Pandemie ....................................................................................................... 54 7.3.3. Regionaltheken.................................................................................................................... 55 8. Problemfelder...................................................................................................................................... 57 8.1. Preisunterschiede ........................................................................................................................ 57 8.2. Kaufverhalten der Bevölkerung ................................................................................................... 58 8.2.1. Allgemeine Informationen der befragten Personen ........................................................... 58 8.2.2. Der Begriff „Regionalität“ .................................................................................................... 59 8.2.3. Einkaufsszenarien ................................................................................................................ 61 8.3. Administrative Hindernisse ......................................................................................................... 64 8.4. Grenzenloses Denken .................................................................................................................. 65 9. Schlussfolgerung.................................................................................................................................. 67 Literaturverzeichnis ..................................................................................................................................... 69 Anhang ........................................................................................................................................................ 75 6
Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Darstellung der Wirtschaftsverflechtungen in den vier Haupttypen von Regionsbildungen……………….…13 Abbildung 2: Formen der Regionalvermarktung………………………………………………………………………………………….…………..23 Abbildung 3: Landschaftsgliederung der Steiermark. Unteres Murtal rot markiert…………………………..……………………….36 Abbildung 4: Tätigkeitsregion von GlaMUR nach Mitgliedsbetrieben…………………………………………………….…………………37 Abbildung 5: Vereinslogo von GlaMUR……………………………………………………………………………………………….……………………40 Abbildung 6: Regionaltheken im Siebinger Hof (Gastronomiebetrieb)……………………………………………….…………………….56 Abbildung 7: Regionaltheken im Siebinger Hof (Gastronomiebetrieb)………………………………………………….………………….56 Abbildung 8: Häufigkeiten von Einkäufen regionaler Lebensmittel…………………………………………………….…………………….58 Abbildung 9: Altersgruppen der TeilnehmerInnen…………………………………………………………………………………………………..59 Abbildung 10: Assoziationen mit regionalen Lebensmitteln……………………………………………………………………………………..60 Abbildung 11: Bevorzugte Herkunftsregion frischer Tomaten………………………………………………………………………………….62 Abbildung 12: Bevorzugte Herkunftsregion frischer Tomaten………………………………………………………………………………….62 Abbildung 13: Bevorzugte Herkunftsregion eines Marillen Joghurts…………………………………………………………………………62 Abbildung 14: Bevorzugte Herkunftsregion eines Marillen Joghurts…………………………………………………………………………62 Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Die zwei Typen von Regionalvermarktung………………………………………………………………………………………………19 Tabelle 2: Überblick über Interviewpartner und deren Funktion…………………………………………………………………………….30 Tabelle 3: Mitgliedsgemeinden von GlaMUR…………………………………………………………………………………………………………..34 7
1. Einleitung In der Grenzregion zwischen Steiermark und Slowenien befinden sich viele Direktvermarkter. Die Bevölkerung ist sich gar nicht bewusst, dass unzählige regionale Produkte in ihrer Nähe produziert werden. Es ist irgendwie bedauerlich, dass die BewohnerInnen einer Region in den Supermarkt gehen und Lebensmittel aus weiter Ferne kaufen, wenn doch auch die Möglichkeit besteht, sich direkt vor Ort zu versorgen. Der Verein GlaMUR erkannte dieses Potential, das in dieser Region steckt. Er möchte darauf aufmerksam machen und versucht das Regionalmarketing zu unterstützen. Das Interessante dabei ist, dass der Verein auch auf slowenische Lebensmittel setzt. VertreterInnen des Vereins sind nämlich der Meinung, dass in der Grenzregion ein slowenisches Lebensmittel auch als regional bezeichnet werden sollte. Diese Denkweise hat durchaus seine Berechtigung, wenn man bedenkt, dass beispielsweise die Stadtgemeinden Mureck und Bad Radkersburg direkt an der slowenischen Grenze liegen. Diese Ansicht teilt aber nicht die ganze Bevölkerung. Dadurch entstehen Konflikte. Es stellt sich die Frage, ob ein regionales Lebensmittel überhaupt aus einem anderen Land kommen darf und welche weiteren Schwierigkeiten mit diesem staatsübergreifenden Denken verbunden sind? Dabei müssen zuerst einmal die Kriterien für ein regionales Lebensmittel festgelegt werden. Im ersten Teil der Arbeit wird aus diesem Grund die theoretische Basis geschaffen. Der zweite Teil gibt dann einen näheren Einblick in den Verein GlaMUR und gibt Aufschluss über die Sichtweise der VertreterInnen. Die Perspektive der KonsumentInnen sollte dabei auch nicht ungeachtet bleiben. Um an brauchbare Daten kommen zu können, werden zwei Forschungsmethoden angewendet. Letztendlich soll eine Antwort auf folgende Forschungsfrage gefunden werden: Welche Probleme sind damit verbunden, regionale Lebensmittel, transnational zu vermarkten am Fallbeispiel GlaMUR? Die Einstellung Lebensmittel über eine Nation als regional zu bewerten, macht GlaMUR zu einem hervorragenden Fallbeispiel meine Problemstellung zu betrachten. Das letzte Kapitel der Arbeit konzentriert sich darauf, die wichtigsten Erkenntnisse wiederzugeben und Antworten auf die Forschungsfrage zu liefern. 8
2. Regionalität Dieses Kapitel soll zur Erläuterung des Begriffes Regionalität dienen. Wörter wie „lokal“ und regional“ sind den meisten LeserInnen wahrscheinlich geläufig, da sie im Alltag verwendet werden. Autoren sind sich bei genaueren Definitionen jedoch oft uneinig. 2.1. Definition Das Wort Region wird in der Öffentlichkeit, aber auch im wissenschaftlichen Bereich sehr vielseitig verwendet. Nach Klement (2012, S. 64) wird dabei meist ein mittelgroßer zusammenhängender Raum beschrieben. Dieser wird wegen seiner bestimmten Merkmale von einem anderen Gebiet abgegrenzt. Regionen können auch administrativ in Form von Bundesländern oder Bezirken abgegrenzt werden. Eine meiner Meinung nach etwas bessere Definition entsteht, wenn der Begriff über zwei Aspekte beleuchtet wird: Während sich die naturwissenschaftliche Betrachtung vor allem auf den Boden und das Klima bezieht, priorisiert die sozialwissenschaftliche Betrachtung den geschichtlichen Hintergrund des Gebietes (Wiesmann et al. 2015, S. 3). Eine Region kann somit als eine Landschaft, welche von Mensch wahrgenommene Gemeinsamkeiten aufweist, oder auch als ein Gebiet mit politischen, wirtschaftlichen oder kulturellen Besonderheiten verstanden werden (Sauter und Meyer 2003, S. 25). Nach Maier et al. (2012, S. 13) kann „Region“ für drei sehr unterschiedliche räumliche Gebiete verwendet werden. Deshalb untergliederten sie den Begriff in drei Arten: subnationale, supranationale und transnationale Gebiete. Subnationale Regionen sind Teilgebiete eines Staates, wie beispielsweise das Waldviertel. Mittelamerika hingegen ist als eine Zusammenfassung von mehreren Staaten als eine supranationale Region zu verstehen. Wenn man den Begriff in der transnationalen Ebene betrachtet, könnte man die „Europaregion Tirol“, als Beispiel anführen. Dabei versteht man ein Territorium, das sich über mehrere Staaten erstreckt (Maier et al. 2012, S. 13). 9
2.2. Regionale Lebensmittel Die unterschiedlichen Betrachtungsweisen machen eine einheitliche Erläuterung des Begriffes „Region“ kaum möglich. Das Verständnis des Wortes hat aber großen Einfluss auf die regionale Nahrungsmittelversorgung. So haben die ungenauen Definitionen unterschiedliche Methoden bei der Produktion und Vermarktung regionaler Lebensmittel hervorgebracht (Sauter und Meyer 2003, S. 26). Pícha et al. (2018, S. 126) unterscheiden sogar zwischen lokalen, regionalen und nationalen Lebensmitteln, welche Aufgrund ihrer Entfernung, die sie von der Produktion bis zum Verbrauch zurücklegen, untergliedert werden. Mit der Frage: „Kann man eine Region essen?“ beschäftigte sich Ermann (2005) in seinem Buch „Regionalprodukte. Vernetzungen und Grenzziehungen bei der Regionalisierung von Nahrungsmitteln“. Lebensmittelwerbungen, die aufgrund ihrer Regionalität vermarktet werden, versuchen den Eindruck zu vermitteln, eine bestimmte Landschaft schmecken zu können (Ermann 2005, S. 11). Bio – Lebensmittel müssen bestimmte Produktrichtlinien erfüllen, um als solche gekennzeichnet werden zu dürfen. Da der Begriff „Regionalität“ keiner genauen Definition unterliegt, müssen Lebensmittel, die unter diesem Begriff verkauft werden, auch keine bestimmten Kriterien erfüllen (Wiesmann et al. 2015, S. 3). Ein weiteres Problem entsteht, dass bei den mehrmals zusammengesetzten Nahrungsmitteln heutzutage nicht nur die endgültige Verarbeitung regional erfolgen sollte, sondern auch alle landwirtschaftlichen Vorprodukte aus der Region stammen sollten. Somit ist eine strenge Regionalität bei den meisten Lebensmitteln gar nicht möglich (Sauter und Meyer 2003, S. 26). Bei regionalen Lebensmitteln geht es vor allem um Produkte, die in der Nähe des Verkaufsortes erzeugt wurden. Der Begriff „Nähe“ kann aber auch hier als sehr vielschichtig verstanden werden. Es ist möglich sich darunter eine Gemeinde, aber auch ein ganzes Bundesland vorzustellen (Ermann 2015, S. 81). Dennoch sind es vielmehr die sozialen Gegebenheiten, die den Begriff „Region“ prägen. Sie sind bereits im Vorhinein in diesem Gebiet verankert und charakterisieren diesen Teil der Erde (Ermann 2005, S. 62). Des Weiteren ist es durchaus hilfreich, die gebildeten Netzwerke in einer Region genau zu untersuchen. Nach Ermann (2005) kann man Regionen zwischen objektivistischen und 10
subjektivistischen, aber auch zwischen kollektivistischen und individualistischen Konstrukten unterscheiden. Objektivistische Regionsbildungen orientieren sich an bestimmten Distanzangaben, wohingegen es bei den subjektivistischen Regionsbildungen vor allem um die Gemeinsamkeit und Vertrautheit in einem bestimmten Gebiet geht. Somit werden hier keine klaren Grenzen gezogen. In einem kollektivistischen Konstrukt schließt die Region alle Akteure, die sich in diesem Gebiet befinden, mit ein. Eine individualistisch kreierte Region setzt dabei eher auf einzelne Menschen, Haushalte oder Betriebe (Ermann 2005, S. 62–63). 2.2.1. Die vier Haupttypen von Regionsbildungen Mithilfe der oben genannten Differenzierung ist es nun möglich vier Haupttypen von Regionsbildungen zu benennen, die für die Regionalität von Lebensmitteln entscheidend sind: Kollektivistisch – objektivistische Regionen: Dabei handelt es sich um klar definierte Teile der Erdoberfläche, die durch naturräumliche, administrative oder historische Grenzen bestimmt sind. Gemeinden und Bezirke können als solche Regionen bezeichnet werden. Kollektivistisch – subjektivistische Regionen: Falls in einer kollektivistisch – objektivistischen Region die BewohnerInnen ein gewisses Zusammengehörigkeitsgefühl entwickelt haben, kann diese auch als kollektivistisch – subjektivistisch gebildete Region betrachtet werden. Wenn eine Person von seiner/ihrer Heimatregion spricht, verwendet er/sie den Begriff „Region“ unter diesem Aspekt. Das Problem bei allen kollektivistischen Regionen ist allerdings, dass sich die internen Verflechtungen von Menschen, Haushalten und Betrieben nicht an die vorgegebenen Grenzen halten. Ein am Rand der Region befindlicher Betrieb, wird weder seinen Kunden-, noch seinen Lieferantenkreis ausschließlich von der Region beziehen. 11
Individualistisch - objektivistische Regionen: Bei den individualistischen Regionsbildungen hat man das oben genannte Randproblem einer Region nicht, da sich die Region um einen bestimmten Akteur herum bildet. In einer individualistisch – objektivistisch entwickelten Region wird genau dann ein Produkt als regional anerkannt, wenn es in einem gewissen Umkreis um den Ort der Vermarktung produziert und verarbeitet wurde. Dieser Regionstyp wird nicht durch politische Unterschiede oder anderen Erschwernissen abgegrenzt und kann somit auch länderübergreifend auftreten. Individualistisch – subjektivistische Regionen: Die Entfernung wird hierbei nicht durch eine vorgegebene Distanz bestimmt, sondern bezieht sich auf die Vertrautheit. Je unbekannter etwas ist, desto weiter ist es entfernt. Ein bekanntes Produkt ist somit auch ein Produkt aus der Region (Ermann 2005, S. 62–64). Abbildung 1 zeigt eine vereinfachte Darstellung der Wirtschaftsverflechtungen, die man in den angeführten Arten von Regionsbildungen wiederfindet: Die Punkte stellen dabei diejenigen Betriebe dar, welche das Lebensmittel im Vorhinein bearbeitet haben. Am Ende dieser Produktionskette befindet sich der Vermarktungsort des Nahrungsmittels, welcher mit einem schwarzen Quadrat gekennzeichnet ist. Im ersten System kann man eine deutliche Grenze der Region erkennen. Das Produkt gelangt innerhalb dieser Abgrenzung von Betrieb zu Betrieb, bis es schließlich zum Ort des Verkaufes gelangt. Lieferbeziehungen befinden sich dabei nicht immer auf der kürzesten Strecke. Im zweiten Verflechtungsmuster kommt gerade der Aspekt der kleinsten Distanz zum Vorschein. Das Produkt wandert in einem gewissen Radius von einem Betrieb bis zum nächsten. In den subjektivistischen Regionsbildungen sind keine klaren Grenzen erkennbar, wobei vor allem das vierte System die Ungebundenheit des Produkts an eine bestimmte räumliche Distanz wiederspiegelt (Ermann 2005, 64-66). 12
Abbildung 1: Darstellung der Wirtschaftsverflechtungen in den vier Haupttypen von Regionsbildungen (Quelle: Ermann 2005, S. 65) 13
2.2.2. Lokale Lebensmittel In der Literatur wird auch von „lokalen“ Lebensmitteln gesprochen. Ähnlich wie in der individualistisch-objektivistischen Regionalität spielt hier die Entfernung eine Rolle, die das Lebensmittel von der Herstellung bis zum Konsum zurücklegt. Im Vereinigten Königreich beispielweise, müssen zertifizierte Bauernmärkte ihr Produkt innerhalb eines Radius von 30 Meilen herstellen, damit dieses als lokal gilt (Pearson et al. 2011, S. 887–888). Eine aus meiner Sicht etwas gelungenere Definition wäre: “local food is food produced and consumed by exploiting the raw material and production inputs within the region, promoting the economic development and employment of this particular area. This particular area may be a municipality, province, or economic area” (Forsman und Paananen 2003, zitiert nach Pícha et al. 2018, S. 127–128) Es stellt sich die Frage, wie man ein regionales Lebensmittel von einem lokalen Lebensmittel unterscheiden kann? Ein regionales Produkt ist ein traditionelles Produkt, das in einem genau definierten geographischen Gebiet erzeugt wurde. Ein lokales Produkt hingegen wird in der Nähe des Konsumortes auch fabriziert (Pícha et al. 2018, S. 128). Nach dieser Definition müsste ich in meiner Arbeit den Begriff „regional“ durch „lokal“ ersetzen, da GlaMUR - Genuss am Fluss (2020a, S. 2–3) eindeutig hervorhebt: „Wir erzeugen und vermarkten regionale Produkte – im GlaMURtal.“ „Wir wollen, dass in der Gastronomie und Hotellerie mehr regionale Produkte verarbeitet werden.“ „Wir wollen, dass die Bevölkerung gezielt auf Produkte aus ihrer Heimatregion greifen.“ Es wird aber auch der Gedanke vertreten, dass regionale Produkte außerhalb der Region vermarktet und somit konsumiert werden (GlaMUR - Genuss am Fluss 2020a, S. 2–3). Deshalb sind meiner Meinung nach beide Begriffe zutreffend und werden aus diesem Grund in der Arbeit auch als Synonyme behandelt. 14
2.3. Herkunft und Moral des Essens Das Bundesministerium für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus schreibt auf ihrer Homepage, dass es vielen ÖsterreicherInnen bedeutend ist, woher die Lebensmittel stammen. KonsumentInnen greifen häufiger zu regionalen Lebensmitteln. Das Interesse über die Herkunft und die Herstellung eines Nahrungsmittels nimmt zu. Der moralische Aspekt der KonsumentInnen hinter einem regionalen Lebensmittel muss berücksichtigt werden. Ein regional erzeugtes Nahrungsmittel ist nämlich ein „gutes Nahrungsmittel“ und kann mit gutem Gewissen gekauft und konsumiert werden. VerbraucherInnen verbinden mit einem regionalen Lebensmittel ein hohes qualitatives Produktionsniveau und durch die kürzeren Transportwege auch einen behutsameren Umgang mit der Natur (Ermann 2015, S. 77). Pícha et al. (2018, S. 129) schreiben, dass ein regionales Lebensmittel wegen seiner kurzen Lieferketten weniger Energie verbraucht, weshalb es mit dem Begriff „Nachhaltigkeit“ assoziiert wird. Die Herkunftsfrage ist somit keine reine „Wo-Frage“, sondern auch eine „Wie-Frage“. (Ermann 2015, S. 77). Für die VerbraucherInnen ist die regionale Herkunft vor allem bei Produkten wie Fleisch, Obst, Gemüse und Milch von großer Bedeutung. Diese Produkte werden unter anderem auf Bauernmärkten angeboten ( Wirthgen et al. 1999, zitiert nach Sauter und Meyer 2003, S. 27). Bei diesen Frischeprodukten steht die regionale Herkunft für die kurze Distanz, die die Ware zurückgelegt hat, und ist somit ein wichtiger Indikator für die Frische des Erzeugnisses. Je größer der Verarbeitungsgrad des Produktes ist, desto unbedeutender wird die regionale Herkunft der Ware (Czech et al. 2002, S. 16–17). Besonders KonsumentInnen aus den Städten zeigen Interesse an der geographischen Herkunft der Ware und legen Wert auf die Rückverfolgbarkeit des Produkts (Pícha et al. 2018, S. 129). Food from Somewhere Campbell (2009, S. 309) spricht von einem Umdenken von „Food from Nowhere“ zu „Food from Somewhere“. Darunter kann die neue Denkweise vieler KonsumentInnen in Bezug auf die 15
Herkunft eines Lebensmittels verstanden werden. Mit der Globalisierung und seit dem Beitritt Österreichs zur EU ist ein erhöhtes Aufkommen an regionalen und nationalen Lebensmitteln zu erkennen. VerbraucherInnen zeigen ein erhöhtes Interesse, die Herkunft eines Lebensmittels zu lokalisieren (Schermer 2015, S. 121). Nach Pícha et al. (2018, S. 125) sehen KonsumentInnen Nahrungsmittel, die von einem lokalen Produzenten hergestellt wurden, als „[…] being of higher quality and better complying with their habits and requirements than “regional” or “national” food products. […]” (Pícha et al. 2018, S. 125) Daraus lässt sich entnehmen, dass der Erfolg eines lokalen Produktes wieder eine Frage des Vertrauens ist. Der Begriff „lokal“ bedeutet hier eine viel nähere Beziehung zu den HerstellerInnen und wird von den Autoren nicht mit dem „regional“ oder „national“ gleichgesetzt. 2.4. Sehnsucht nach Regionalität Die Globalisierung hat viele kleine ProduzentInnen vom Markt verdrängt. Regionale HerstellerInnen können die großen Lieferungsanforderungen von Einzelhandelsketten nicht erfüllen und sind deshalb nicht wettbewerbsfähig (Pícha et al. 2018, S. 125). Ein weiteres Problem beschreibt Ermann (2005): „[…] Durch eine zunehmende Spezialisierung der Industriebetriebe und eine wachsende Bedeutung von Markenprodukten lösten sich immer mehr regionale Absatzverflechtungen auf und wurden durch überregionale bis internationale Distributionssysteme ersetzt. […]“ (Ermann 2005, S. 31). VerbraucherInnen zeigen aber durchaus Interesse ihre Identitäten wiederzuerlangen und setzen vermehrt auf lokale Kulturen und traditionelle Werte. Dies kann sich als eine Möglichkeit für kleinere, regionale Hersteller darstellen, um ihre Produkte in der Region zu vermarkten (Pícha et al. 2018, S. 125). Auch Pearson et al. (2011, S. 887) verweisen darauf, dass KonsumentInnen wieder Interesse zeigen in, was sie essen, woher es kommt und wie es produziert wurde. Durch die globalisierte Wirtschaft und die Vereinigung der Lebensmittelproduktion haben die 16
VerbraucherInnen den Bezug zu ihrem Nahrungsmittel verloren und wünschen sich diesen zurück (Pearson et al. 2011, S. 887). 2.5. Vorteile regionaler Lebensmittel Für Einheimische gibt es einen besonderen Grund, ein regionales Lebensmittel zu kaufen. Anstatt sich ein Lebensmittel aus einem fernen Land zuzulegen, haben sie die Möglichkeit mit ihrer Anschaffung ihr regionales Lebensmittelnetzwerk zu fördern. Das hat sowohl einen ökologischen (1), als auch sozialen (2), wirtschaftlichen (3) und gesundheitlichen (4) Nutzen (Pearson et al. 2011, S. 888). Die ökologischen Vorteile (1) sind aber durchaus umstritten. Der verringerte Transportweg spart zwar einiges an Energie, doch mehrere Lebenszyklusanalysen regionaler Produkte, beispielsweise von Edwards-Jones et al. (2008, S. 265–272), haben ergeben, dass einige lokale Lebensmittel mehr Emissionen bei Herstellung, Verarbeitung und Vermarktung erzeugen, als Lebensmittel, die zwar weit entfernt, aber dafür in Massen produziert wurden. Der kürzere Lieferweg bringt jedoch den ökologischen Vorteil mit sich, dass das Lebensmittel weniger Verpackung benötigt, um es frisch zu halten (Pearson et al. 2011, S. 888). Lokale Lebensmittelsysteme ziehen den sozialen Vorteil (2) des Vertrauens mit sich. Zwischen ErzeugerInnen und VerbraucherInnen können Verbindungen entstehen, die zur Entstehung lokaler Gemeinschaften beitragen. Durch diese fühlen sich viele KonsumentInnen wieder enger mit ihrem Lebensmittel verbunden und können auch zu einer bewussteren Ernährung beitragen (Pearson et al. 2011, S. 889). LandwirtInnen haben die Möglichkeit einen höheren Preis für ihre Produkte zu verlangen und können so ihr Einkommen steigern. Lokale Lebensmittelsysteme fördern nicht nur lokale ErzeugerInnen, sondern auch lokale VerarbeiterInnen und Einzelhändler. Durch ein geschicktes local branding (siehe Kapitel 3.1.) und gezielten Einkaufsmöglichkeiten besteht die Möglichkeit TouristInnen anzulocken. Diese erzielten lokalen Einnahmen der einzelnen AkteurInnen, bleiben in der Regel in der regionalen Wirtschaft und erhöhen zusätzlich die ArbeiterInnenzahlen in 17
weiteren Bereichen des Dienstleistungssektors (z.B. Hotellerie durch Übernächtigungen). All diese Faktoren erbringen der Region einen wirtschaftlichen Vorteil (3) (Pearson et al. 2011, S. 889). Zuletzt können sich für die KonsumentInnen persönliche gesundheitliche Vorteile erbringen. Durch ein lokales Lebensmittelnetzwerk erhöht sich die Verfügbarkeit und die Auswahl an unterschiedlichen saisonaler Nahrungsmitteln und es besteht die Möglichkeit ein frisches und unverarbeitetes Produkt zu kaufen. Diese weisen wahrscheinlich einen höheren Nährstoffgehalt als ein über einen längeren Zeitraum gelagertes und transportiertes Lebensmittel auf. Ein weiteres Kriterium ist die Ernährungssicherheit. Eine Region, die in der Lage ist sich selbst zu ernähren, muss keine Lebensmittel importieren und ist unabhängig (Pearson et al. 2011, S. 889). 18
3. Vermarktung regionaler Lebensmittel Eine wichtige Rolle bei der Frage nach Regionalität eines Nahrungsmittels, spielt auch die regionale Vermarktung. Eine Möglichkeit Regionalmarketing zu definieren, ist folgende Formulierung: „Regionalmarketing kann als eine Handlungsweise verstanden werden, die durch ihren zielgerichteten Instrumenteneinsatz der lokalen Erzeugung, Verarbeitung und dem regionalen Absatz von Lebensmitteln dient.“ (Hausladen 2001, zitiert nach Stockebrand 2012, S. 220) Es sollte berücksichtigt werden, ob eine regional produzierte Ware über die Region hinaus vermarktet wird, oder die Lebensmittel ganz absichtlich nur um die Region herum angeboten werden und in der Region bleiben. Bei ersterem würde man von einer regionalen Spezialität sprechen, welche von der EU besonders gefördert wird (Sauter und Meyer 2003, S. 26–27). Stockebrand (2012, S. 220) spricht auch von zwei Formen von Regionalmarketing. Einerseits kann es auf nationaler Ebene betrieben werden, um eine Region selbst zu versorgen, andererseits kann das Produkt auch auf internationaler Ebene vermarktet werden. Tabelle 1: Die zwei Typen von Regionalvermarktung (Quelle: Spiller und Zühlsdorf 2006, zitiert nach Stockebrand 2012, S. 221) 19
Tabelle 1 zeigt die Unterschiede dieser zwei Typen auf. Auffallend bei Typ 1 sind die häufig verwendeten Wörter „Qualität“ und „Qualifiziert“. Um das Produkt möglichst erfolgreich als regionale Spezialität vermarkten zu können, gibt es genaue Vorgaben, damit eine hohe Qualität garantiert werden kann. Die Direktvermarktung ist ein kennzeichnendes Beispiel für den zweiten Typen von Regionalvermarktung. Hier findet man keine strikten Vorgaben von Qualität und Herkunft. Das hat ein unterschiedliches Verarbeitungsniveau des Produktes zur Folge. Dennoch vertrauen hier die VerbraucherInnen aufgrund der Nähe zum Hersteller auf eine gute Qualität (Stockebrand 2012, S. 221–222). Deglobalisierung Der Begriff wird in der Literatur Waldon Bello zugeschrieben und bezeichnet die Notwendigkeit eines Umdenkens bezüglich der Ideologie des freien Marktes. Er beschreibt insgesamt elf Kernelemente des Deglobalisierungsverfahrens. Unter anderem ist er der Meinung, dass sich die Produktion eines Landes auf den heimischen Markt konzentrieren muss und nicht dem Export dienen sollte. Zölle sollen dabei dazu dienen, um die lokale Wirtschaft vor den niedrigen Preisen zu schützen (Bello 2009). Der Gedanke von Deglobalisierung stellt also durchaus eine Chance für Vermarktung regionaler Lebensmittel dar. 3.1. Produkt branding Es ergeben sich Schwierigkeiten beim Branding von regionalen Produkten, da der Begriff „Region“ nicht eindeutig definiert ist (siehe Kapitel 2.1). Ein regionales Produkt als ein solches zu kennzeichnen, hat den Nutzen, die regionale Wirtschaft anzukurbeln und die Region zu unterstützen. Erzeugnisse, die mit einer solchen Marke gekennzeichnet sind, haben eine besondere Verbindung mit der Region, ihrem Charakter, ihrer Tradition, ihrer Kultur oder Geschichte. Ein wichtiges Element bei der Vermarktung eines regionalen Lebensmittels ist, dass die VerbraucherInnen von der „Echtheit“ und „Glaubwürdigkeit“ eines Produktes 20
beziehungsweise einer Marke überzeugt sind. Produkteigenschaften müssen verlässlich und sicher wirken (Pícha et al. 2018, S. 127–128). Um ein erfolgreiches local branding zu schaffen, muss die Marke auf das Orts- und Identitätsgefühl der lokalen Bevölkerung aufgebaut sein (Govers 2011, S. 230). Ein Produkt mit einer gut geführten regionalen Marke ist somit für den Konsumenten bzw. die Konsumentin ein nachvollziehbares und traditionelles Produkt (Pícha et al. 2018, S. 129). 3.2. Formen von regionalem Marketing Üblicherweise werden regionale Lebensmittel über einen Hofladen oder einem Verkaufsstand an der Straße direkt an den Konsumenten bzw. die Konsumentin vermarktet. Die VerbraucherInnen haben somit die Möglichkeiten mit den Herstellern des Produktes zu sprechen und können ihnen Fragen zur Herstellung stellen. Bei der Direktvermarktung kann somit eine Vertrauensbasis entstehen (Czech et al. 2002, S. 17). Österreich ist in Europa eines der erfolgreichsten Länder, was biologische, regionale und handwerkliche Lebensmittelproduktion betrifft. Bereits in den 1980er Jahren entstanden Direktvertriebsprojekte und somit die ersten Bauernmärkte und Hofläden (Schermer 2015, S. 122). Nach Czech et al. (2002, S. 17–26) sind neben der Direktvermarktung weitere Möglichkeiten ein regionales Nahrungsmittel erfolgreich zu vermarkten folgende: Auf Bauernmärkten schließen sich mehrere Landwirte zusammen, um ihr Produkt zu vermarkten. Damit können sie mehr Produkte anbieten und somit ihren Kundenkreis vergrößern. Um das Einkaufserlebnis noch attraktiver zu gestalten, werden manchmal verschiedenste Kultur- und Freizeitangebote mit den Märkten verknüpft. Regionale Feste eignen sich hervorragend um ein Produkt aus der Region vorzustellen und im Anschluss zu verkaufen. Veranstaltungen, in denen es rund um ein bestimmtes Lebensmittel geht, können das Interesse der VerbraucherInnen wecken und Vertrauen zwischen ErzeugerInnen und VerbraucherInnen schaffen. 21
Zur Versorgung von Haushalten kann ein Lieferdienst oder Partyservice behilflich sein. Es besteht somit die Möglichkeit sich beispielsweise ein Buffet liefern zu lassen, welches nur aus regionalen und saisonalen Produkte besteht. Das Internet stellt eine bequeme und schnelle Möglichkeit dar, einzukaufen. Vor allem in der heutigen Zeit, in der das Smartphone ein wichtiger Bestandteil unseres Lebens ist, kann das Internet große Potentiale im regionalen Marketing aufweisen. In der Gastronomie kann es schwierig sein, mit Lebensmitteln von einem regionalen Landwirt zu kochen. Vor allem für größere Küchen ist es umständlich mit Anbietern zu arbeiten, die nur wenige Produktgruppen zustellen. Sie brauchen große Mengen und eine Vielfalt an Lebensmittel und können diese oft nicht von einem einzigen regionalen Anbieter beziehen. Deshalb wird in der Gastronomie eher mit einem Großhändler kooperiert, der verschiedenste Waren in einer breiteren Masse liefern kann. Pícha et al. (2018, S. 128) beziehen sich sogar darauf, dass viele regionale Ökosysteme entweder gar nicht in der Lage sind manche Produkte herzustellen, oder die benötigte Menge nicht ausreicht, die gesamte Region zu versorgen. Um einen neuen Kundenkreis zu erreichen sind auch Regionaltheken in Supermärkten geeignet. Wegen der hohen Kundenfrequenz in solchen Geschäften kommt man an VerbraucherInnen heran, die normalerweise nicht auf Regionalität bei ihren Lebensmitteln setzen (Czech et al. 2002, S. 17–26). Stockebrand (2012, S. 222) hingegen gliedert die Formen von Regionalmarketing in zwei Gruppen: Einzelbetriebliches Engagement und Gruppenbezogene Ansätze (siehe Abbildung 2). Einzelbetriebliches Engagement ist ihrer Meinung nach nicht nur bei der Direktvermarktung, sondern auch auf Industrie- und Handelsebene zu finden. Der Handel versucht regionale Marken aufzubauen, um diese dann im Einzelhandel zu verkaufen. Bei den gruppenbezogenen Formen findet man horizontale und vertikale Arten von Zusammenschlüssen (Stockebrand 2012, S. 222). Diese werden im nächsten Kapitel (Kapitel 3.3.) genauer besprochen. 22
Abbildung 2: Formen der Regionalvermarktung (Quelle: Stockebrand 2012, S. 222) 3.3. Kooperationen Die bereits erwähnten horizontalen und vertikalen Kooperationen spielen auch nach Sauter und Meyer (2003, S. 30) eine wichtige Rolle bei der regionalen Nahrungsmittelversorgung. Balling (1994, S. 149) definiert diese Begriffe auf folgende Weise: „Unter horizontaler Kooperation ist die Kooperation von Akteuren einer Marktstufe (z.B. Landwirtschaftliche Erzeuger) zu verstehen. Vertikale Kooperation meint die Kooperation von Akteuren verschiedener Marktstufen (z.B. Landwirte mit Vermarktem und/oder Verarbeitern).“ (Balling 1994, S. 149) Ein regionales Produkt, kann durch eine gute vertikale und horizontale Kooperation an Qualität und Attraktivität dazugewinnen. Durch den Zusammenschluss von ErzeugerInnen (horizontale Kooperation) können Angebote zusammengefasst werden und somit größere einheitliche Mengen eines Produktes produziert werden (Sauter und Meyer 2003, S. 33). Die vertikale Kooperation geht über die Erzeugerstufe hinaus und schließt Akteure mehrerer Wertschöpfungsstufen mit ein (Stockebrand 2012, S. 222). Diese Kooperationsform ist von großer Bedeutung, da sich die Möglichkeit ergeben hat, in regelmäßigen Abständen eine Menge einer bestimmten Ware liefern zu können. Großverbraucher, wie die Gastronomie oder der Lebensmittelhandel, können nun mit dem regionalen Produkt beliefert werden (Sauter und Meyer 2003, S. 33). 23
3.3.1. Voraussetzungen für das Zustandekommen einer Kooperation Balling (1994, S. 150–151) ist der Meinung, dass es vier Erfordernisse als Grundlage für eine Kooperation benötigt: 1. Eine Kooperation macht nur Sinn, wenn der Erfolg des vereinten Teams größer ist als die Erfolge der einzelnen Teammitglieder zusammen. Dabei müssen auch die Kosten der Kooperation selbst (z.B. Organisation) berücksichtigt werden. Es liegt also eine Effizienzsteigerung vor. Die Gründe für den Kooperationsvorteil können unterteilt werden in Machtvorteile (1) und Produktivitätsvorteile (2). Bei den Machtvorteilen (1) geht es vor allem darum, Vorteile für die Mitglieder der Kooperation zu schaffen. Dies geschieht beispielsweise durch Umverteilung des Einkommens. Dies zieht natürlich auch Nachteile für Nichtmitglieder mit sich. Produktivitätsvorteile (2) hingegen können die Einkünfte der Kooperationsbeteiligten verbessern, ohne Nichtbeteiligte zu Schaden. Durch eine organisatorische Umgestaltung wird ein Fortschritt erzielt und die Produktivität erhöht (Grossekettler 1978, zitiert nach Balling 1994, S. 150). 2. Die Interessen der Mitglieder sind niemals absolut gleich. Deshalb können Schwierigkeiten entstehen. Die Beteiligten verfolgen unterschiedliche Ziele, die sogar im Konflikt zueinanderstehen können. Der zweite wichtige Punkt für eine gute Kooperation ist somit, dass die Interessensübereinstimmungen größer als die Interessengegensätze sind. 3. Die Kooperation muss aus Sicht der einzelnen Betriebe die beste Alternative darstellen. Das heißt, die Zusammenschließung muss für den Akteur die optimale Handlungsmöglichkeit sein, um größtmögliche Gewinne zu erzielen. 4. Jedes Mitglied der Kooperation kann sich eine Quasirente, also einen finanziellen Profit, aneignen (Balling 1994, S. 150–151). 3.3.2. Cummunity Supported Agriculture (CSA) Regionales Marketing kann durch einen Verein, durch die Landwirtschaftskammer oder durch eine Marketinggesellschaft übernommen werden. Sie vergeben regionale Herkunfts- und 24
Qualitätszeichen. Mithilfe von Werbungen wird der Bekanntheitsgrad des Zeichens erhöht und man erhofft sich einen erhöhten Absatz (Becker 2002, S. 47). Eine etwas andere Form der Kooperation stellt die sogenannte Cummunity Supported Agriculture (CSA) dar. Darunter sind Netzwerke zu verstehen, welche die Herstellerseite mit der Verbraucherseite verbindet. Diese beiden Seiten arbeiten zusammen und tauschen sich aus. Die Beziehung wird vertraglich vereinbart. VerbraucherInnen können somit direkt die Produktion beeinflussen und ProduzenteInnen haben ein geringeres Risiko bei der Herstellung. In vielen Ländern Europas und Nordamerikas findet man solche alternativen Lebensmittelnetzwerke. Österreich hinkt hier ein wenig hinterher. Ein Beispiel für einen solchen Zusammenschluss findet man an einem Hof in der Nähe von Wien (Schermer 2015, S. 121–122). Der Verein „Gemeinsam Landwirtschaften Ochsenherz“ verwendet die Grundidee der CSA, indem sie ihre Mitglieder wöchentlich mit Gemüse versorgen und diese sich zugleich um den Anbau, die Pflege und die Ernte kümmern. Die jährlichen Mitgliedsbeiträge sind dabei die finanzielle Grundlage des Vereins (Gemeinsam Landwirtschaften Ochsenherz). 25
4. Transnationale Zusammenarbeit innerhalb der EU Ein wichtiges Hilfsmittel zur Förderung des Zusammenhalts innerhalb der EU ist die Kommunikation auf transnationaler Ebene. Das Wissen über bewährte Methoden für eine erfolgreiche territoriale Zusammenarbeit soll grenzüberschreitend ausgetauscht werden (Knippschild und Vock 2017, S. 1737–1738). Eine Zusammenarbeit bringt neue Sichtweisen mit sich und kann bei der Entwicklung von Lösungen beitragen. Bei einer erfolgreichen Kooperation können die verfügbaren Ressourcen eines Gebietes gebündelt werden und somit Entfernungen verkürzt werden. Jedoch ist ein hoher zeitlicher und finanzieller Aufwand nötig, um eine solche Zusammenarbeit zu schaffen. Kooperationen zwischen europäischen Gebieten wurden bereits im Jahr 1989 gebildet. Sie stellten die Basis für die INTERREG-Initiative, welche ein wichtiges Programm der Kohäsionspolitik der EU ist, dar (Luca et al. 2018, S. 20–21). Die Kohäsionspolitik richtet sich an alle Gebiete der EU und dient zur Schaffung neuer Arbeitsplätze, der Unterstützung der Wettbewerbsfähigkeiten von Unternehmen, dem Wirtschaftswachstum, der nachhaltigen Entwicklung und der Verbesserung der Lebensqualität der EU-Bürger (Europäische Kommission 2014). Dühr und Nadin (2007, S. 375) sehen eine transnationale Kooperation als einen „learning by doing“ - Prozess, bei dem Erfahrungen generiert und ausgetauscht werden müssen. Territoriale Agenda der EU Die Territoriale Agenda der Europäischen Union (2011, S. 9) nahm sich bereits 2011 eine bessere Integration in grenzüberschreitenden Regionen als Ziel. Folgende Punkte wurden im Schreiben angeführt: „(32) Wir unterstützen die über Kooperationsvorhaben hinausgehende transnationale und grenzüberschreitende Integration und die gezielte Ausrichtung auf Entwicklungen und Ergebnisse mit wirklich grenzüberschreitender oder transnationaler Bedeutung. […]“ (Territoriale Agenda der Europäischen Union 2011, S. 9–10) 26
„(57) Wir begrüßen sämtliche Initiativen, die von staatlichen Behörden auf verschiedenen Ebenen ausgehen und zur Entwicklung langfristiger grenzüberschreitender territorialer Strategien beitragen, und fordern die Europäische Kommission auf, bei Bedarf Unterstützung zu leisten.“ (Territoriale Agenda der Europäischen Union 2011, S. 15) Geographische Gegebenheiten wie Berg- und Flussregionen sind häufig grenzüberschreitende Gemeinsamkeiten einer Region. Diese können Nachteile, aber auch Entwicklungspotentiale darstellen. Ein besonderes Natur-, Landschafts- oder Kulturerbe soll durch eine Zusammenarbeit besser genutzt werden. Dabei ist es wichtig ein Vertrauen und ein soziales Kapital aufzubauen (Territoriale Agenda der Europäischen Union 2011, S. 9). Bei einer grenzüberschreitenden Zusammenarbeit wäre es von entscheidender Bedeutung, die gemeinsamen regionalen Nachteile zu verringern und dabei auch die regionalen Vorteile zu erhöhen (Knippschild und Vock 2017, S. 1738). Auch im Jahr 2020 hat die Territoriale Agenda der Europäischen Union (2020, S. 19–20) unter den Territorialen Prioritäten für Europa angegeben, dass sich Integration über die Grenzen hinweg vollziehen soll. Maßnahmen sollen ergriffen werden, um in Entwicklungsstrategien eine dauerhafte grenzüberschreitende Kooperation zu errichten. Eine solche Zusammenarbeit birgt jedoch noch zahlreiche administrative Schwierigkeiten (Territoriale Agenda der Europäischen Union 2020, S. 19–20). 27
5. Methodik Im Empirischen Teil der Arbeit, wird der Verein GlaMUR genauer analysiert und die Probleme betrachtet, die der transnationale Vermarktungsgedanke mit sich bringt. Mithilfe von leitfadengestützten Interviews wurden die Betrachtungsweisen verschiedener Vertreter des Vereins und eines Vermarktungsunternehmens aufgezeichnet. Um die Sichtweise der KonsumentInnen auch zu berücksichtigen, wurde eine Umfrage mittels eines Fragebogens durchgeführt. Hierbei ging es einerseits um Kriterien, die ein regionales Lebensmittel aus Sicht der VerbraucherInnen erfüllen muss, andererseits wurde auch der transnationale Gedanke in die Fragen miteingebaut. Im Gegensatz zu leitfadengestützten Interviews, welche zu den qualitativen Forschungsmethoden zählen, befindet sich eine Umfrage mittels eines Fragebogens auf der Liste der quantitativen Forschungsmethoden. Diese arbeiten mit exakt messbaren, numerischen („harten“) Daten und versuchen mithilfe von mathematischen Verfahrensweisen, möglichst objektive und realitätsnahe Analysen zu erstellen. Qualitative Forschungsverfahren berücksichtigen hingegen die Subjektivität in ihren Untersuchungsgebieten und vertreten den Standpunkt, dass die Wahrnehmung einer „objektiven Realität“ unmöglich ist, da nicht alle Informationen wahrgenommen und berücksichtigt werden können. Eine solche Realität kann nicht untersucht werden, weil sie von zu vielen sozialen Faktoren beeinflusst wird (Mattissek et al. 2013, S. 34–38). 5.1. Interviews In qualitativ-interpretativen Interviews wird darauf geachtet, dass ein Umfeld für einen möglichst informativen Dialog geschaffen wird. Anders als bei quantitativen Methoden wird auf eine Normierung der Gegebenheiten verzichtet. Es wird versucht, sich an die Situation des Interviewpartners anzupassen. Deshalb ist es auch möglich, wenn nicht gar erwünscht, die Interviewleitfäden von Gespräch zu Gespräch demensprechend abzuändern (Kromrey und Strübing 2009, S. 386). 28
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