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Reduktion von Metallartefakten in der Computertomographie: Anwendung und Evaluation eines dreidimensionalen iterativen Verfahrens in der Kopf-Hals-Bildgebung Der Medizinischen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg zur Erlangung des Doktorgrades Dr. med. vorgelegt von Nadine Christina Bayerl
Als Dissertation genehmigt von der Medizinischen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Vorsitzender des Promotionsorgans: Prof. Dr. Markus F. Neurath Gutachter: Prof. Dr. Michael Lell Prof. Dr. Michael Uder Tag der mündlichen Prüfung: 27.07.2021
Für meine Familie
Inhaltsverzeichnis Zusammenfassung 1 1 Einleitung 5 1.1 Bedeutung der Computertomographie in der Kopf-Hals-Diagnostik . 5 1.2 Grundlagen........................................................................................ 7 1.2.1 Metallartefakte in der Computertomographie .......................... 7 1.2.2 Algorithmen zur Reduktion von Metallartefakten in der Computertomographie ........................................................... 11 1.3 Zielsetzung ...................................................................................... 13 2 Material und Methoden 14 2.1 Patientenkollektiv ............................................................................ 14 2.2 Technische Daten ........................................................................... 14 2.2.1 Hardware und Datenakquisition ............................................ 14 2.2.2 Rekonstruktion des diagnostischen Bildmaterials ................. 16 2.3 Untersuchte Rekonstruktionsalgorithmen ....................................... 16 2.3.1 Gewichtete gefilterte Rückprojektion (WFBP) ....................... 17 2.3.2 Linear-interpolierte Metallartefaktreduktion (LIMAR) ............. 17 2.3.3 Iterative Metallartefaktreduktion (IMAR) ................................ 19 2.4 Bildanalyse ...................................................................................... 27 2.4.1 Subjektive Beurteilung ........................................................... 28 2.4.2 Objektive Beurteilung ............................................................ 29 2.4.3 Qualitative Beurteilung IMAR-induzierter Auffälligkeiten ....... 32 2.5 Statistische Auswertung .................................................................. 32 2.6 Diagramme ...................................................................................... 33 3 Ergebnisse 34 3.1 Häufigkeit von Metallartefakten im akquirierten Bildmaterial........... 34 3.2 Subjektive Analyse .......................................................................... 34 3.3 Objektive Analyse............................................................................ 40 3.4 IMAR-induzierte Artefakte ............................................................... 42 Zusammenfassung
4 Diskussion 44 4.1 Problematik der Metallartefakte in der Kopf-Hals-Bildgebung......... 44 4.2 Interpretation der Ergebnisse .......................................................... 45 4.3 Alternative Ansätze zur Metallartefaktreduktion in der Kopf-Hals- Bildgebung ...................................................................................... 47 4.3.1 Magnetresonanztomographie als alternative Untersuchungsmodalität ........................................................ 47 4.3.2 Modifikation der Untersuchungsparameter in der Computertomographie ........................................................... 48 4.3.3 Virtuelle monoenergetische Bildgebung durch Dual- Energy-Computertomographie .............................................. 49 4.4 Algorithmen zur Metallartefaktreduktion .......................................... 52 4.4.1 Sinogramm-Inpainting-basierte Methoden ............................ 53 4.4.2 Iterative Metallartefaktreduktion (IMAR) ................................ 58 4.5 Limitationen ..................................................................................... 61 4.6 Schlussfolgerung ............................................................................. 63 5 Literaturverzeichnis 64 6 Anhang 83 6.1 Abbildungsverzeichnis..................................................................... 83 6.2 Tabellenverzeichnis......................................................................... 84 6.3 Abkürzungsverzeichnis ................................................................... 85 6.4 Vorveröffentlichung ......................................................................... 86 6.5 Danksagung .................................................................................... 87 6.6 Lebenslauf ....................................................................................... 88 Zusammenfassung
–1– Zusammenfassung Hintergrund und Ziele In der computertomographischen Bildgebung der Kopf-Hals-Region sind Artefakte durch metallischen Zahnersatz, sogenannte dentale Metallarte- fakte, ein häufiges Problem, da sie die Bildqualität und den diagnostischen Nutzen der Aufnahmen teilweise erheblich reduzieren. Die Diagnose und die Verlaufsbeurteilung von Pathologien in der Kopf-Hals-Region können dadurch unterschiedlich stark eingeschränkt oder unmöglich sein. Iterative Rekonstruktionen können eingesetzt werden, um die Ausprägung von Me- tallartefakten zu reduzieren. Ziel dieser Arbeit war die Anwendung und Eva- luation der iterativen Metallartefaktreduktion (IMAR), eines neuen dreidi- mensionalen iterativen Algorithmus, in der Computertomographie der Kopf- Hals-Bildgebung. Methoden Computertomographische Rohdatensätze von 50 konsekutiven Routinepa- tienten wurden mittels dreier Algorithmen rekonstruiert: gewichtete gefilterte Rückprojektion (WFBP), linear-interpolierte Metallartefaktreduktion (LIMAR) und dreidimensionale iterative Metallartefaktreduktion (IMAR). Pa- tienten ohne metallischen Zahnersatz wurden ausgeschlossen. Die rekon- struierten Schnittbilder mit Metallartefakten (n = 455 pro Algorithmus) wur- den für jeden der drei Algorithmen separat bewertet. Hierzu wurde die Bild- qualität für jeden Algorithmus subjektiv anhand einer fünfstufigen Likert- Skala bezüglich des Schweregrades der Metallartefakte und des diagnosti- schen Nutzens evaluiert, während die Artefakte durch Bestimmung der mitt- leren Standardabweichungen der Röntgendichte in Zunge, Wangen und Nackenmuskulatur objektiv quantifiziert wurden. Obige Parameter wurden mittels ANOVA und generalisiertem Pearson-χ2-Test auf signifikante Unter- schiede analysiert. Zusammenfassung
–2– Ergebnisse Die subjektive Bildqualität der IMAR-Rekonstruktionen war signifikant höher im Vergleich zu den LIMAR- und WFBP-Rekonstruktionen (jeweils p < 0,001), während sich die Bildqualität zwischen den LIMAR- und WFBP- Rekonstruktionen sowohl im Median als auch in der prozentualen Verteilung nicht signifikant voneinander unterschied (p = 0,822 bzw. p = 0,206). Die mittleren Standardabweichungen der Dichtemessungen als objektive Para- meter für den Schweregrad der Artefakte waren im Weichteilgewebe von Zunge und Wangen in den IMAR-Rekonstruktionen signifikant niedriger als in den WFBP- und LIMAR-Rekonstruktionen (jeweils p < 0,001) und in den LIMAR-Rekonstruktionen signifikant niedriger als in den WFBP-Rekon- struktionen (p < 0,001). Die mittleren Standardabweichungen in der Na- ckenmuskulatur waren unter IMAR im Vergleich zu LIMAR und WFBP eben- falls signifikant erniedrigt (jeweils p < 0,001), während zwischen WFBP- und LIMAR-Rekonstruktionen kein signifikanter Unterschied nachgewiesen wer- den konnte (p = 0,1). Schlussfolgerungen IMAR-Rekonstruktionen erreichten im Vergleich zu WFBP- und LIMAR-Re- konstruktionen die höchste Bildqualität bei Patienten mit dentalen Metallar- tefakten. Die Bildqualität und der diagnostische Nutzen computertomogra- phischer Untersuchungen der Kopf-Hals-Region konnten durch IMAR sig- nifikant gesteigert werden. Ergebnisse dieser Arbeit wurden veröffentlicht in Wuest, W., May, M.S., Brand, M., Bayerl, N., Krauss, A., Uder, M. und Lell, M. (2015) Improved Image Quality in Head and Neck CT Using a 3D Iterative Approach to Re- duce Metal Artifact. American Journal of Neuroradiology 36: 1988–1993. Zusammenfassung
–3– Summary Purpose Metal artifacts from dental hardware reduce image quality in head and neck computed tomography. As a result, the visualization of head and neck le- sions may be impaired or impossible. Iterative reconstruction algorithms al- low to reduce metal artifacts. The aim of this study was to apply and evalu- ate the iterative metal artifact reduction (IMAR) reconstruction algorithm as a novel three-dimensional approach for metal artifact reduction in head and neck computed tomography. Methods Computed tomography raw data from 50 patients were reconstructed with three algorithms: weighted filtered backprojection (WFBP), linear interpola- tion metal artifact reduction (LIMAR) and IMAR. Patients without dental hardware were excluded. The reconstructed slices containing metal arti- facts (n = 455 per algorithm) were evaluated for each of the three algorithms separately. Image quality was subjectively assessed for each algorithm on a 5-point Likert scale, judging the severity of metal artifacts and overall di- agnostic value, whilst objective evaluation of metal artifact severity was ad- ditionally performed using mean standard deviations of density measure- ments in the soft tissue of the tongue, cheeks and muscles of the neck. The above measures were analyzed for significant differences using ANOVA and generalized Pearson’s χ2 tests. Zusammenfassung
–4– Results Subjective image quality of the IMAR reconstructions was significantly higher compared to both LIMAR and WFBP reconstructions (both p < 0.001), while image quality between LIMAR and WFBP reconstructions did not differ significantly with regard to both median and percentage distri- bution (p = 0.822 and p = 0.206, respectively). Mean standard deviations of the density measurements as an objective parameter for artifact strength in the soft tissue of the tongue and cheeks were significantly reduced for IMAR reconstructions compared to WFBP and LIMAR (both p < 0.001), and sig- nificantly reduced for LIMAR compared to WFBP (p < 0.001). Metal artifact strength within the muscles of the neck was significantly reduced with IMAR compared to both WFBP and LIMAR reconstructions as well (both p < 0.001), whilst no significant differences between WFBP and LIMAR re- constructions were observed for these regions (p = 0.1). Conclusions In comparison to WFBP and LIMAR, IMAR achieved the highest image quality in patients with metallic dental hardware. IMAR significantly im- proved image quality and diagnostic value in head and neck computed to- mography. Results of this work have been published in Wuest, W., May, M.S., Brand, M., Bayerl, N., Krauss, A., Uder, M. und Lell, M. (2015) Improved Image Quality in Head and Neck CT Using a 3D Iterative Approach to Reduce Metal Artifact. American Journal of Neuroradiology 36: 1988–1993. Zusammenfassung
–5– 1 Einleitung 1.1 Bedeutung der Computertomographie in der Kopf-Hals- Diagnostik Mit der Entdeckung der Röntgenstrahlen im Jahr 1895 legte Wilhelm C. Röntgen den Grundstein für die medizinische Bildgebung und die Entste- hung der Fachrichtung Radiologie (Röntgen, 1895). Über 70 Jahre später revolutionierte Godfrey W. Hounsfield mit der Vorstellung des ersten Com- putertomographie-Scanners im Jahr 1972 die diagnostische Bildgebung (Hounsfield, 1973). Die Computertomographie (CT) ermöglicht eine räumli- che Darstellung des menschlichen Körpers in überlagerungsfreien Schnitt- bildern. Während 1980 in den Vereinigten Staaten ca. 3 Millionen CT-Un- tersuchungen pro Jahr durchgeführt wurden, waren es 2007 mehr als 62 Millionen CT-Untersuchungen pro Jahr (Brenner und Hall, 2007). Das Bun- desamt für Strahlenschutz dokumentierte in Deutschland einen Anstieg der CT-Untersuchungen zwischen 1996 und 2012 um ca. 130% (Bundesamt für Strahlenschutz, 2016). Zwischen 2007 und 2014 nahm die Häufigkeit um weitere 40% zu (Nekolla et al., 2017). Die Computertomographie zählt heute zu den wichtigsten nicht-invasiven bildgebenden Verfahren in der klinischen Routine. Der enorme Bedeu- tungszuwachs lässt sich durch eine Vielzahl von Vorteilen erklären. CT-Un- tersuchungen können in kurzer Zeit durchgeführt werden und zeichnen sich durch breite Verfügbarkeit in fast allen Kliniken, geringe Untersuchungskos- ten, einfache Durchführbarkeit und gute Reproduzierbarkeit aus (Tshering Vogel und Thoeny, 2016). Für die Bildgebung von Tumoren der Kopf-Hals-Region ist die Computerto- mographie neben der Magnetresonanztomographie die bevorzugte Unter- suchungsmodalität (Geets et al., 2005, Wippold 2nd, 2007, Cohan et al., 2009). Tumoren dieser Region sind überwiegend Plattenepithelkarzinome, die in der Regel klinisch auffällig werden. Durch Inspektion, Palpation und Einleitung – Bedeutung der Computertomographie in der Kopf-Hals- Diagnostik
–6– Endoskopie werden sie weiter abgeklärt und bioptisch gesichert (Lell et al., 2016). Die computertomographische Schnittbilddiagnostik spielt präthera- peutisch im Rahmen des Tumorstagings eine wichtige Rolle für die Bestim- mung der Tumorgröße, der Infiltration von Nachbarstrukturen und zum Aus- schluss von Metastasen (Lell et al., 2012, Lell et al., 2016, Tshering Vogel und Thoeny, 2016). Diese Faktoren beeinflussen die weiterführende Thera- pieplanung, insbesondere bezüglich der Entscheidung zwischen primärer Resektion und neoadjuvanter Radiochemotherapie. Auch posttherapeu- tisch hat die Computertomographie in Nachsorgeuntersuchungen zur früh- zeitigen Erkennung von Tumorrezidiven einen hohen Stellenwert (Lell et al., 2012). Eine Herausforderung für die Computertomographie in der Kopf-Hals-Bild- gebung ist die große Anzahl an Patienten mit metallischem Zahnersatz. Dazu gehören Zahnfüllungen aus Amalgam, Brücken oder Kronen aus Gold und Zahnimplantate. Metallischer Zahnersatz im Strahlengang führt in CT- Aufnahmen zu Metallartefakten in der Mundhöhle und dem umliegenden Gewebe. Metallartefakte weisen Dichtesprünge von mehreren hundert Hounsfield-Einheiten (HU) auf und beeinträchtigen die Bildqualität und den diagnostischen Nutzen eines CT-Bildes stark (Meyer et al., 2010, Meyer et al., 2012). In Anwesenheit von metallhaltigen Zahnfüllungen können vor al- lem Strukturen mit niedrigem Kontrast im Mundboden und in der Zunge leicht durch Metallartefakte verdeckt und übersehen werden (Meyer et al., 2010). Insbesondere das Erkennen eines Tumors oder eines Tumorrezidivs und die genaue Bestimmung der Ausdehnung können durch Metallartefakte erheblich beeinträchtigt sein. Dies kann schwerwiegende Folgen haben, da für das chirurgische und strahlentherapeutische Vorgehen eine genaue Kenntnis der Tumorlokalisation und der Anatomie des umgebenden Gewe- bes essentiell ist. Um diesem Problem zu begegnen, wurden Algorithmen zur Metallartefakt- reduktion vorgestellt. Metallartefakte durch metallischen Zahnersatz, soge- nannte dentale Metallartefakte, stellen aufgrund der komplexen Geometrie Einleitung – Bedeutung der Computertomographie in der Kopf-Hals- Diagnostik
–7– eine besondere Herausforderung dar. Zahnfülllungen und Zahnimplantate sind im Verhältnis zu anderen Implantaten besonders röntgendicht, unre- gelmäßig geformt und in eine sehr heterogene Umgebung aus Zähnen, Knochen, Muskeln und Luft eingebettet (Lell et al., 2012, Huang et al., 2015). Darüber hinaus haben – neben metallischem Zahnersatz – auch Zähne per se und daran angrenzende knöcherne Strukturen wie Ober- und Unterkiefer eine hohe Röntgendichte, was die Beurteilbarkeit des angren- zenden Weichteilgewebes zusätzlich einschränkt. Aufgrund dieser Problematik ergibt sich die Notwendigkeit zur Verbesse- rung der Bildqualität von CT-Aufnahmen in der Kopf-Hals-Bildgebung, ins- besondere wenn deren diagnostische und therapeutische Validität durch dentale Metallartefakte stark eingeschränkt ist. 1.2 Grundlagen 1.2.1 Metallartefakte in der Computertomographie Metallartefakte in der CT werden durch die hohe Röntgendichte von Metall und der damit einhergehenden Absorption eines großen Anteils der Rönt- genstrahlen verursacht (Meyer et al., 2010, Meyer et al., 2012, Skornitzke, 2018). Alltägliche Praxisbeispiele für Metallartefakte in der Computertomo- graphie sind in der Kopf-Hals-Bildgebung metallischer Zahnersatz (Abbil- dung 1), in den übrigen Körperregionen Schulter- und Hüftprothesen, Oste- osynthesematerial, Clips, Stents oder endovaskuläre Coils. Einleitung – Grundlagen
–8– Geringe Metallartefakte Ausgeprägte Metallartefakte Topogramm Axiales Schnittbild Abbildung 1: CT-Untersuchungen der Kopf-/Halsregion mit metallischem Zahnersatz und resultierenden Metallartefakten unterschiedlicher Intensität. Linke Spalte: Das Topogramm (oben) zeigt metallischen Zahnersatz, der auf den anterio- ren Unterkiefer beschränkt ist. Das entsprechende CT-Schnittbild des Halses (unten) weist Metallartefakte geringer Intensität auf. Rechte Spalte: Das Topogramm (oben) zeigt metallischen Zahnersatz in allen Quadranten des Ober- und Unterkiefers. Das entsprechende CT-Schnittbild (unten) weist Metallarte- fakte hoher Intensität auf. Grundsätzlich existieren verschiedene Arten von Metallartefakten, die in der Regel kombiniert auftreten und sich meist als Streifenartefakte mit dunklen und hellen Linien entlang des Metallobjektes manifestieren (Abbildung 1). Am bedeutendsten sind Strahlaufhärtung, Windmühlenartefakte, Streuarte- fakte, Partialvolumenartefakte und Photon Starvation (Barrett und Keat, 2004, Do et al., 2018). Einleitung – Grundlagen
–9– Strahlaufhärtung tritt bei dichten Objekten mit hoher Ordnungszahl auf, d.h. neben Metallobjekten auch bei Anwendung positiver Röntgenkontrastmittel oder in knöchernen Körperregionen wie der hinteren Schädelgrube (Boas und Fleischmann, 2012). Strahlaufhärtung beruht auf dem Photoeffekt und entsteht, wenn der Röntgenstrahl aus einem polychromatischen Photonen- spektrum beim Durchdringen einer röntgendichten Struktur abgeschwächt wird (Do et al., 2018). Bei steigender Röntgendichte und Dicke eines Ob- jektes werden Photonen mit niedriger Energie (weiche Röntgenstrahlen) stärker absorbiert als Photonen mit hoher Energie (harte Röntgenstrahlen) (Boas und Fleischmann, 2012). Nach Durchdringen eines dichten Objektes enthält der Röntgenstrahl einen größeren relativen Anteil an Photonen mit hoher Energie, d.h. einen größeren Anteil harter Röntgenstrahlung. Der Röntgenstrahl wird somit „aufgehärtet“ (Barrett und Keat, 2004). Dies führt zu Streifenartefakten zwischen und entlang von dichten Objekten sowie im Grenzbereich von Geweben mit stark unterschiedlicher Dichte (De Man et al., 1999, Boas und Fleischmann, 2012). Streuartefakte sind Abbildungsfehler, die sich ebenfalls als dunkle und helle Streifen zwischen und entlang von dichten Objekten darstellen und neben dem Bildkontrast auch das Signal-Rausch-Verhältnis vermindern (Engel et al., 2008). Streuartefakte beruhen auf dem Compton-Effekt (Glover, 1982) und entstehen, wenn Röntgen-Photonen beim Durchdringen eines dichten Objektes vom ursprünglichen Strahlengang abweichen und von einem an- deren Detektor als dem im ursprünglichen Strahlengang liegenden regis- triert werden (Do et al., 2018). Je dicker das durchstrahlte Objekt oder Ge- webe ist, desto mehr Streuartefakte treten auf (Joseph und Spital, 1982, Do et al., 2018). Das Photon Starvation Phänomen beschreibt Abbildungsfehler, die sich ebenfalls als Streifenartefakte bei gleichzeitigem starken Bildrauschen ma- nifestieren (Barrett und Keat, 2004). Photon Starvation entsteht, wenn der Röntgenstrahl dichte Objekte oder Strukturen mit hohem Schwächungsko- Einleitung – Grundlagen
– 10 – effizienten durchdringt und zu wenige Photonen die Detektorelemente er- reichen (Barrett und Keat, 2004, Mori et al., 2013). Neben stark schwächen- den Untersuchungsregionen wie Schulter und Hüfte (Mori et al., 2013) füh- ren auch Metallobjekte zu Photon Starvation (Nasirudin et al., 2015). Windmühlenartefakte bezeichnen Abbildungsfehler, die sich als sternför- mige Streifenartefakte um das dichte Objekt und an Kanten mit hohem Kon- trast manifestieren (Boas und Fleischmann, 2012, Do et al., 2018). Sie tre- ten nur in der Mehrzeilen-Spiral-CT auf (Barrett und Keat, 2004, Boas und Fleischmann, 2012). Windmühlenartefakte entstehen durch eine Unterab- tastung der Untersuchungsregion in z-Richtung aufgrund der limitierten Größe der Detektoreinheiten und der spiralförmigen Bildakquisition, da bei der Bildrekonstruktion zwei Detektorreihen interpoliert werden (Do et al., 2018). Partialvolumenartefakte sind Abbildungsfehler, die als Streifenartefakte zwi- schen Objektkanten (Glover und Pelc, 1980) oder als unscharfe Schatten um Objektkanten erscheinen (Barrett und Keat, 2004). Sie entstehen, wenn Strukturen unterschiedlicher Dichte im gleichen Voxel dargestellt werden. Durchdringt der kollimierte Strahl gleichzeitig zwei Strukturen unterschiedli- cher Dichte, werden die Bildinformationen des entstehenden Voxels nicht- linear gemittelt (Glover und Pelc, 1980). Der Grauwert dieses Voxels ent- spricht dann nicht mehr dem wirklichen Dichteprofil der abzubildenden Struktur, sondern einer nicht-linearen Mittelung. Partialvolumeneffekte kom- men umso ausgeprägter vor, je weiter das dichte Objekt außerhalb des Iso- zentrums der Gantry liegt und je größer die Kollimation während der Bildak- quisition ist (Do et al., 2018). Partialvolumenartefakte treten besonders an den Rändern sehr dichter Strukturen, beim Hineinragen von dichten Objek- ten in ein Voxel und bei mittig im Voxel gelegenen, sehr kleinen Strukturen auf (Barrett und Keat, 2004). Als Metallschatten oder Metallspur werden Bereiche in den Rohdaten be- zeichnet, die durch Metall und die resultierenden Metallartefakte beein- trächtigt sind (Meyer et al., 2010). Die Bildqualität in der näheren Umgebung Einleitung – Grundlagen
– 11 – des Metalls ist durch den Metallschatten teilweise stark herabgesetzt und der diagnostische Nutzen des Bildes erheblich eingeschränkt. 1.2.2 Algorithmen zur Reduktion von Metallartefakten in der Compu- tertomographie Die gewichtete gefilterte Rückprojektion (WFBP) stellt die klinische Stan- dardrekonstruktionsmethode von CT-Rohdaten dar (Stierstorfer et al., 2004). Zur Korrektur von Metallartefakten in der CT wurden seit den ersten Publikationen in den 1980er-Jahren (Glover und Pelc, 1981, Kalender et al., 1987) verschiedene Rekonstruktionsmethoden vorgeschlagen und weiter- entwickelt. Sie lassen sich unterteilen in Sinogramm-Inpainting-basierte Methoden (Glover und Pelc, 1981, Kalender et al., 1987, Abdoli et al., 2010, Meyer et al., 2010, Prell et al., 2010, Meyer et al., 2012), virtuelle mono- energetische Bildgebung durch Dual-Energy-CT (Bamberg et al., 2011, Zhou et al., 2011, Guggenberger et al., 2012, Mangold et al., 2014), iterative (Wang et al., 1996, Robertson et al., 1997, Wang et al., 1999, Wang et al., 2000, De Man et al., 2001, Lemmens et al., 2009, X Zhang et al., 2011) und statistische Verfahren (Buzug und Oehler, 2007, Aootaphao et al., 2008), Filterungsmethoden (Watzke und Kalender, 2004, Rinkel et al., 2008, Prell et al., 2010, Naranjo et al., 2011) sowie Kombinationen dieser Techniken. Die ersten Algorithmen zur Metallartefaktreduktion (Glover und Pelc, 1981, Kalender et al., 1987) in den 1980er Jahren waren Sinogramm-Inpainting- Methoden. Sie zählen heute zu den geläufigsten Methoden zur Korrektur von Metallartefakten und beruhen auf dem Prinzip, den durch Metallarte- fakte beeinträchtigten Bereich in den Rohdaten bzw. im Sinogramm wie ei- nen fehlenden Datensatz zu behandeln. Durch Interpolation (Kalender et al., 1987, Mahnken et al., 2003, Yu et al., 2009, Veldkamp et al., 2010) und Vorwärtsprojektion (Bal und Spies, 2006, Prell et al., 2009, Meyer et al., 2010) werden die betroffenen Bereiche des Sinogrammes mit künstlich ge- nerierten Daten ersetzt. Die im Jahr 1987 vorgestellte linear-interpolierte Metallartefaktreduktion (LIMAR) (Kalender et al., 1987) ist ein Beispiel für Einleitung – Grundlagen
– 12 – eine Sinogramm-Inpainting-Methode. Als Nebenprodukt entstehen bei Ver- wendung dieser Algorithmen oft neue Artefakte (Müller und Buzug, 2009, Meyer et al., 2010, Lell et al., 2012, Lell et al., 2013). Um das Auftreten dieser Algorithmus-induzierten Artefakte zu reduzieren, wurde Anfang der 2010er-Jahre die normalisierte Metallartefaktreduktion (NMAR) vorgestellt, in der die Technik der linearen Interpolation unter Hin- zufügung jeweils eines Schrittes zur Normalisierung und Denormalisierung der Rohdaten verwendet wird (Meyer et al., 2010, Lell et al., 2012). Fortlau- fend wird dieser Vorgang auch als normalisierte Interpolation bezeichnet. Eine Ergänzung zu Sinogramm-Inpainting-Methoden wie der NMAR ist die frequenzselektive Metallartefaktreduktion (FSMAR) (Meyer et al., 2012, Lell et al., 2013). Die zugrunde liegende Rationale ist das niedrige Frequenz- spektrum von Metallartefakten. Daher kann die FSMAR prinzipiell mit jeder Methode, die den Anteil niedriger Frequenzen im CT-Bild vermindert, kom- biniert werden. Durch das Hinzufügen einer Technik zur Frequenztrennung und einer anschließend durchgeführten räumlichen Gewichtung der extra- hierten Frequenzen wird eine bessere Beurteilbarkeit der nahen Umgebung zu Metallobjekten erzielt. In diesen Bereichen werden mithilfe der FSMAR feine Details und Konturen anatomischer Strukturen und das ursprüngliche Rauschverhalten wiederhergestellt (Meyer et al., 2012, Lell et al., 2013). Ein relativ neues Verfahren ist die iterative Metallartefaktreduktion (IMAR). Hierbei handelt es sich um einen dreidimensionalen Algorithmus, der NMAR und FSMAR miteinander kombiniert (Morsbach, Wurnig et al., 2013, Morsbach, Bickelhaupt et al., 2013, Wuest et al., 2015). Die IMAR wendet in iterativen Korrekturschleifen wiederholt die Technik der normalisierten In- terpolation und der Frequenztrennung an, in der die Ergebnisse vorange- gangener Iterationen den Input der nächsten Iteration darstellen. Die IMAR ist ein vielversprechendes Verfahren und zeigt Potential, Metallartefakte durch metallischen Zahnersatz erfolgreich zu reduzieren. Einleitung – Grundlagen
– 13 – 1.3 Zielsetzung Ziel dieser Arbeit war die Anwendung der IMAR in der klinischen Routine- CT der Kopf-Hals-Region und die Evaluation der resultierenden Bildqualität im Vergleich zum Referenzstandard der WFBP und zum Vorgängeralgorith- mus LIMAR. Stärken und Schwächen der IMAR wurden im Vergleich zu den beiden anderen Algorithmen im Hinblick auf subjektive und objektive Bild- qualität sowie diagnostischen Nutzen untersucht. Einleitung – Zielsetzung
– 14 – 2 Material und Methoden 2.1 Patientenkollektiv In die retrospektive Auswertung gingen Rohdatensätze von 50 konsekuti- ven Routinepatienten aus dem Zeitraum von Dezember 2012 bis Januar 2013 ein, die am Radiologischen Institut des Universitätsklinikums Erlangen akquiriert wurden. Bei allen Patienten bestand eine medizinische Indikation zur Durchführung einer Hals-CT. Die Patienten wurden über Nutzen und mögliche Risiken der CT-Untersuchung aufgeklärt. Eine Freigabe der Ethik- kommission für die Studie lag vor. Einschlusskriterium zur Aufnahme in die Studie war eine durch Metallarte- fakte beeinträchtige Bildqualität. Ausgeschlossen wurden Patienten ohne metallischen Zahnersatz, Patienten mit Kontraindikationen für eine intrave- nöse Kontrastmittelgabe und CT-Aufnahmen mit Bewegungsartefakten. Das Patientenkollektiv bestand aus 23 Frauen und 27 Männern im Alter von 24 bis 86 Jahren. Das Durchschnittsalter lag bei 61 ± 15 Jahren. 2.2 Technische Daten 2.2.1 Hardware und Datenakquisition Alle Aufnahmen wurden an einem Single-Source CT-Scanner (Somatom Definition AS+, Siemens Healthineers, Erlangen, Deutschland) mit 0,5 Se- kunden Gantry-Rotationszeit und 128 × 0,6 mm Schichtkollimation durch- geführt. Die Röhrenspannung betrug 120 kV bei einem Röhrenstrom von 160 ref. mAs mit automatischer Röhrenstrom-Modulation. Zur Kontrastie- rung wurden 90 ml des jodhaltigen Kontrastmittels Imeron® 350 (Bracco, Mailand, Italien; Jodgehalt 350 mg Jod/ml) mit einer Druckpumpe und einer Flussrate von 3 ml/s intravenös injiziert. Danach folgte die Injektion eines 30 ml Bolus physiologischer Kochsalzlösung bei einer Flussrate von 3 ml/s. Das Delay betrug 80 Sekunden. Material und Methoden – Patientenkollektiv
– 15 – Die Akquisitionsparameter sind in Tabelle 1 zusammengefasst. Parameter Einstellungen Gerät Siemens Definition AS+ Zeilenanzahl 128 Gantry-Rotationszeit 0,5 s Schichtkollimation 128 × 0,6 mm Röhrenspannung 120 kV Röhrenstrom 160 ref. mAs Kontrastmittelvolumen 90 ml Jodgehalt des Kontrastmittels 350 mg Jod/ml Flussrate des Kontrastmittels 3 ml/s Volumen physiologischer Kochsalzlösung 30 ml Flussrate der physiologischen Kochsalzlösung 3 ml/s Delay 80 s Tabelle 1: Akquisitionsparameter. Material und Methoden – Technische Daten
– 16 – 2.2.2 Rekonstruktion des diagnostischen Bildmaterials Die Rohdaten wurden auf eine externe Workstation mit der Software ReconCT® (Siemens Healthineers, Erlangen, Deutschland) übertragen und dort unter Verwendung der WFBP, LIMAR und IMAR rekonstruiert. Bei allen Patienten wurden – abgesehen vom unterschiedlichen Rekonstruktionsal- gorithmus – dieselben Rekonstruktionsparameter verwendet: Schichtdicke 0,6 mm, Rekonstruktionsinkrement 0,6 mm und Faltungskern B35f als Standard-Faltungskern zur Weichteilrekonstruktion. Der rekonstruierte Bild- ausschnitt (Field of View) wurde bei allen Patienten so gewählt, dass der Bildbereich mit dem metallischen Material umfasst wurde. Die zur Rohda- tenrekonstruktion verwendeten Parameter sind in Tabelle 2 zusammenge- fasst. Parameter Einstellungen Schichtdicke 0,6 mm Rekonstruktionsinkrement 0,6 mm Faltungskern B35f Rekonstruktionsalgorithmus WFBP LIMAR IMAR Tabelle 2: Parametereinstellungen für die Rohdatenrekonstruktion. 2.3 Untersuchte Rekonstruktionsalgorithmen In dieser Arbeit wurde die IMAR als dreidimensionaler iterativer Algorithmus zur Metallartefaktreduktion untersucht und mit der WFBP als Referenzstan- dard und der LIMAR als zusätzlicher Methode zur Metallartefaktreduktion verglichen. Die genaue Funktionsweise der verwendeten Algorithmen wird in den fol- genden Abschnitten beschrieben. Material und Methoden – Untersuchte Rekonstruktionsalgorithmen
– 17 – 2.3.1 Gewichtete gefilterte Rückprojektion (WFBP) Die WFBP ist der Standard-Rekonstruktionsalgorithmus der Firma Siemens (Stierstorfer et al., 2004) und diente in dieser Arbeit als Referenzstandard. 2.3.2 Linear-interpolierte Metallartefaktreduktion (LIMAR) Als weitere Methode der Metallartefaktreduktion wurde in dieser Arbeit die LIMAR zum Vergleich herangezogen. Als reine Sinogramm-Inpainting-Me- thode basiert die LIMAR auf der Verwendung der Rohdaten in nächster Um- gebung zum Metallschatten. Durch lineare Interpolation werden Rohdaten in metallaffektierten Bereichen durch Rohdaten in nächster Umgebung zum Metallschatten ersetzt (Meyer et al., 2012). Der Ablauf der Bildrekonstruktion unter Verwendung der LIMAR wird in Ab- bildung 2 anhand eines Flussdiagrammes schematisch dargestellt (Lell et al., 2012) und besteht aus nachfolgenden Schritten (Kalender et al., 1987, Meyer et al., 2010, Lell et al., 2012, Meyer et al., 2012, Lell et al., 2013): 1. Rekonstruktion des unkorrigierten Bildes: Aus dem originalen Rohdatensatz (Sinogramm) wird durch gefilterte Rückprojektion ein unkorrigiertes Bild rekonstruiert (Abbildung 2, linke Spalte). 2. Metalldetektion: Aus dem unkorrigierten Bild wird durch ein Schwellenwertverfahren (Synonym: Thresholding) das reine Metallbild, die sogenannte Me- tallmaske, ermittelt. Sie enthält ausschließlich metallhaltige Bildbe- reiche. Bildbereiche außerhalb der Metallmaske, deren Dichtewerte kleiner als ein bestimmter, für Metall definierter Schwellenwert sind, erhalten 0 HU. Der Schwellenwert für Metall ist ein definierter Wert, der sich aus dem maximalen Abschwächungswert des unkorrigier- ten, durch WFBP erzeugten Bildes ergibt. Material und Methoden – Untersuchte Rekonstruktionsalgorithmen
– 18 – 3. Vorwärtsprojektion des Metallbildes: Durch Vorwärtsprojektion des Metallbildes werden die Metallrohda- ten generiert. In der mittleren Spalte der Abbildung 2 werden die Schritte 2–3 schematisch dargestellt. 4. Lineare Interpolation: Hierbei werden die Werte des Original-Rohdatensatzes, die sich in- nerhalb des Metallschattens befinden, durch die Rohdaten-Werte in der unmittelbaren Nachbarschaft zum Metallschatten ersetzt. Als Er- gebnis dieses Vorganges entsteht ein korrigierter Rohdatensatz. 5. Rekonstruktion des korrigierten Bildes: Aus den korrigierten Rohdaten wird durch gefilterte Rückprojektion das korrigierte Bild rekonstruiert. 6. Reinsertion: Die Information aus dem Metallbild wird wieder in das korrigierte Bild eingefügt. Das Ergebnis ist das endgültige korrigierte LIMAR-Bild. In der rechten Spalte der Abbildung 2 werden die Schritte 5–6 des Al- gorithmus (Rekonstruktion, Reinsertion) und das endgültige korri- gierte LIMAR-Bild dargestellt. Material und Methoden – Untersuchte Rekonstruktionsalgorithmen
– 19 – Input Lineare Interpolation Original-Rohdaten Metallrohdaten LIMAR-korrigierte Rohdaten Rekonstruktion Vorwärtsprojektion Rekonstruktion Unkorrigiertes Bild Metallbild LIMAR-korrigiertes Bild Thresholding Reinsertion Output Abbildung 2: LIMAR-Algorithmus – Verfahrensschema. Linke Spalte: Aus den Original-Rohdaten wird ein unkorrigiertes Bild rekonstruiert. Aus die- sem wird durch Thresholding ein reines Metallbild (mittlere Spalte, unten) erstellt. Mittlere Spalte: Durch Vorwärtsprojektion des Metallbildes werden die Metallrohdaten er- mittelt, die für die lineare Interpolation benötigt werden. Durch lineare Interpolation entsteht aus dem unkorrigierten Rohdatensatz der LIMAR-korrigierte Rohdatensatz (obere Zeile). Rechte Spalte: Die korrigierten Rohdaten werden rekonstruiert und das reine Metallbild wiedereingefügt (Reinsertion), wodurch das LIMAR-korrigierte Bild entsteht. Das Bildmaterial wurde freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Prof. Dr. Marc Ka- chelrieß und Dipl.-Phys. Andreas Hahn, DKFZ Heidelberg. Modifizierte und adaptierte Darstellung in Anlehnung an Lell et al., 2012, Lell et al., 2013. 2.3.3 Iterative Metallartefaktreduktion (IMAR) Die in dieser Arbeit evaluierte IMAR ist ein dreidimensionales Verfahren, in dem der NMAR- und der FSMAR-Algorithmus miteinander kombiniert wer- den. Das Grundprinzip der IMAR basiert auf der wiederholten Anwendung von NMAR und FSMAR. In der IMAR dient das Ergebnis der einen Iteration als Startpunkt für die nächste Iteration. Hierbei wird das Vorgängerbild jeder Iteration aus dem korrigierten Bild der vorherigen Iteration berechnet. Dadurch werden die im Vorgängerbild verbliebenen Artefakte schrittweise effektiv reduziert und die Bildqualität nach jeder durchlaufenen Iteration ver- bessert. Für metallhaltigen Zahnersatz wurde in dieser Studie eine Vorein- stellung von 8 Iterationen pro Rekonstruktion festgelegt. Material und Methoden – Untersuchte Rekonstruktionsalgorithmen
– 20 – Die Stärke der NMAR ist die Metallartefaktreduktion bei gleichzeitiger Ver- minderung Algorithmus-induzierter Artefakte, die oft bei Anwendung Sino- gramm-Inpainting-basierter Algorithmen in den korrigierten Bildern auftre- ten (Meyer et al., 2010, Lell et al., 2012, Meyer et al., 2012, Lell et al., 2013). Die Stärke der FSMAR ist die Wiederherstellung von Kanteninformationen und feinen anatomischen Details unter Erhalt eines natürlichen Bildeindru- ckes. Diese qualitativen Bildeigenschaften gehen häufig bei Anwendung Si- nogramm-Inpainting-basierter Algorithmen im korrigierten Bild verloren (Meyer et al., 2012, Lell et al., 2013). Die detaillierten Funktionsweisen der NMAR und der FSMAR als die beiden grundlegenden Bestandteile der IMAR werden nachfolgend betrachtet. 2.3.3.1 Normalisierte Metallartefaktreduktion (NMAR) Der NMAR-Algorithmus ist eine Sinogramm-Inpainting-basierte Methode und beruht im Wesentlichen auf dem Grundprinzip der LIMAR. In beiden Algorithmen wird die Technik der linearen Interpolation angewendet, um die inkonsistenten Rohdaten im Metallschatten zu ersetzen. Darüber hinaus verfügt die NMAR über zusätzliche Schritte (Meyer et al., 2010, Lell et al., 2012, Meyer et al., 2012, Lell et al., 2013): Vor der linearen Interpolation werden die Rohdaten normalisiert und nach der linearen Interpolation wie- der denormalisiert. Die nacheinander ablaufenden Schritte von Normalisie- rung, linearer Interpolation und Denormalisierung werden unter dem Begriff der normalisierten Interpolation zusammengefasst. Abbildung 3 stellt die Schritte des NMAR-Algorithmus in einem Flussdiagramm schematisch dar (Lell et al., 2012). Der genaue Mechanismus wird im Folgenden beschrie- ben (Meyer et al., 2010, Lell et al., 2012, Meyer et al., 2012, Lell et al., 2013): Material und Methoden – Untersuchte Rekonstruktionsalgorithmen
– 21 – 1. Rekonstruktion des unkorrigierten Bildes: Durch gefilterte Rückprojektion wird aus den Original-Rohdaten ein unkorrigiertes Bild rekonstruiert. 2. Metalldetektion: Durch Thresholding wird das Metallbild ermittelt. 3. Vorwärtsprojektion des Metallbildes: Aus dem vorwärtsprojizierten Metallbild entstehen synthetische Me- tallrohdaten. 4. Erstellung des Vorgängerbildes: Für die Berechnung des Vorgängerbildes wird das unkorrigierte Bild in Bildbereiche mit Luft, Weichteilgewebe, Knochen und Metall seg- mentiert. Anschließend werden die segmentierten Bildbereiche vor- definierten HU zugeordnet. Der Segmentierungsprozess erfolgt au- tomatisch durch ein Hounsfield-skaliertes Schwellenwertverfahren, das für alle Patienten die gleichen Parametereinstellungen verwen- det. Für die Funktionsweise des NMAR-Algorithmus ist es wichtig, ein qualitativ hochwertiges Vorgängerbild zu generieren. Dieses ist Voraussetzung für die späteren Schritte der Normalisierung und Denormalisierung. Das Vorgängerbild soll das wahre Bild wiederge- ben und die Bildbereiche mit Luft, Weichteilgewebe und Knochen so genau wie möglich abbilden, ohne Artefakte zu enthalten. 5. Vorwärtsprojektion des Vorgängerbildes: Aus dem Vorgängerbild werden durch Vorwärtsprojektion die Roh- daten des Vorgängerbildes errechnet. Diese werden im nächsten Schritt verwendet, um die Original-Rohdaten zu normalisieren. Material und Methoden – Untersuchte Rekonstruktionsalgorithmen
– 22 – 6. Normalisierung: Bei der Normalisierung der Original-Rohdaten dividiert der NMAR- Algorithmus die Original-Rohdaten pixelweise durch die Rohdaten des Vorgängerbildes. 7. Lineare Interpolation: In den normalisierten Rohdaten wird die Metallspur durch eindimen- sionale lineare Interpolation ersetzt. Welche Bereiche in den norma- lisierten Rohdaten durch lineare Interpolation ersetzt werden müs- sen, wird durch die segmentierte Metallspur in den Metallrohdaten vorgegeben. Die normalisierten Rohdaten außerhalb der Metallspur sind sehr homogen, weshalb die lineare Interpolation in diesen Be- reichen verlässlichere Ergebnisse erzielt als andernorts. Genau ge- nommen müssen nur Bildpunkte in der Nähe der Metallspur norma- lisiert und denormalisiert werden, da nur sie zur Interpolation beitra- gen. Beispiele für das Vorgängerbild und die Rohdaten des Vorgän- gerbildes sind in Abbildung 3 in der zweiten Spalte von rechts darge- stellt. 8. Denormalisierung: Der NMAR-Algorithmus denormalisiert die normalisierten und inter- polierten Rohdaten durch Multiplikation mit den Rohdaten des Vor- gängerbildes. Durch Denormalisierung werden die korrigierten Roh- daten errechnet. Die Denormalisierung nach der Interpolation ge- währleistet, dass knöcherne Strukturen in der Metallspur korrekt mit- einander verbunden werden. Die Schritte der Normalisierung, Inter- polation und Denormalisierung sind in der oberen Zeile der Abbil- dung 3 dargestellt. 9. Rekonstruktion des korrigierten Bildes: Das korrigierte Bild wird durch gefilterte Rückprojektion rekonstruiert. Material und Methoden – Untersuchte Rekonstruktionsalgorithmen
– 23 – 10. Reinsertion: Das Metallbild wird wieder in das korrigierte Bild eingesetzt, wodurch das endgültige NMAR-korrigierte Bild ermittelt wird. Diese beiden letzten Schritte sind in der rechten Spalte der Abbildung 3 dargestellt. Lineare Interpolation Normalisierte Rohdaten Interpolierte normalisierte Rohdaten Normalisierung Denormalisierung Input Original-Rohdaten Metallrohdaten Vorgängerbild-Rohdaten NMAR-korrigierte Rohdaten Rekonstruktion Vorwärtsprojektion Vorwärtsprojektion Rekonstruktion Unkorrigiertes Bild Metallbild Vorgängerbild NMAR-korrigiertes Bild Thresholding Output Reinsertion Abbildung 3: NMAR-Algorithmus – Verfahrensschema. Erste und zweite Spalte von links: Zuerst werden das unkorrigierte Bild durch Rekonstruk- tion der Original-Rohdaten, das Metallbild durch Thresholding des unkorrigierten Bildes und die Metallrohdaten durch Vorwärtsprojektion des Metallbildes ermittelt. Zweite Spalte von rechts: In einem weiteren Schritt wird das Vorgängerbild durch Threshol- ding errechnet. Durch Vorwärtsprojektion werden die Rohdaten des Vorgängerbildes er- zeugt. Obere Zeile: Bei der Normalisierung werden die Original-Rohdaten pixelweise durch die Rohdaten des Vorgängerbildes dividiert. Durch lineare Interpolation der normalisierten Rohdaten werden durch Metall beeinträchtigte Bildbereiche entfernt. Danach werden die interpolierten normalisierten Rohdaten wieder denormalisiert, indem sie mit den Rohdaten des Vorgängerbildes multipliziert werden. Rechte Spalte: Aus den korrigierten Rohdaten wird das korrigierte Bild rekonstruiert. Zu- letzt wird die Metallinformation aus dem Metallbild wieder in das korrigierte Bild eingefügt und dadurch das endgültige NMAR-korrigierte Bild errechnet. Das Bildmaterial wurde freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Prof. Dr. Marc Ka- chelrieß und Dipl.-Phys. Andreas Hahn, DKFZ Heidelberg. Modifizierte und adaptierte Darstellung in Anlehnung an Meyer et al., 2010, Lell et al., 2012, Meyer et al., 2012, Lell et al., 2013. Material und Methoden – Untersuchte Rekonstruktionsalgorithmen
– 24 – 2.3.3.2 Frequenzselektive Metallartefaktreduktion (FSMAR) Die FSMAR ist eine Ergänzung zur NMAR. Der Ablauf des Algorithmus wird durch Abbildung 4 in einem Verfahrensschema veranschaulicht und beruht auf folgenden Schritten (Meyer et al., 2012, Lell et al., 2013): 1. Vorverarbeitung (Preprocessing): Die unkorrigierten Rohdaten werden durch Anwendung eines adap- tiven Filters, der das Bildrauschen vermindert, bearbeitet. 2. Rekonstruktion des vorverarbeiteten Bildes: Durch gefilterte Rückprojektion wird aus den vorverarbeiteten unkor- rigierten Rohdaten ein vorverarbeitetes unkorrigiertes Bild rekonstru- iert. 3. Metalldetektion: Durch Thresholding wird aus dem vorverarbeiteten unkorrigierten Bild das zugehörige Metallbild segmentiert. Die Metallsegmentierung erfolgt analog zur LIMAR (Abschnitt 2.3.2, Seite 17). Das Metallbild wird für die Metallartefaktreduktion durch den NMAR-Algorithmus be- nötigt und ist Grundlage zur Berechnung des gewichteten Bildes für den letzten Schritt der FSMAR, der räumlichen Gewichtung. 4. Berechnung des NMAR-korrigierten Bildes: Wie unter 2.3.3.1 (Seite 20) beschrieben wird das NMAR-korrigierte Bild erstellt und dem FSMAR-Algorithmus als Input zugeführt. Beispiele für das unkorrigierte Bild, das Metallbild und das NMAR- korrigierte Bild sind in der oberen Zeile der Abbildung 4 dargestellt. Material und Methoden – Untersuchte Rekonstruktionsalgorithmen
– 25 – 5. Frequenztrennung im unkorrigierten, im NMAR-korrigierten und im Metall-Bild: Der Begriff Hochpass-Filterung bezeichnet die Extraktion hoher Fre- quenzen eines Bildes, der Begriff Tiefpass-Filterung die Extraktion tiefer Frequenzen. Für die Erstellung des Hochpass-gefilterten Bildes wird zunächst die Tiefpass-gefilterte Version des jeweiligen Bildes benötigt. Das Tiefpass-gefilterte Bild wird durch eine zweidimensio- nale Faltung des Bilddatensatzes mittels eines Gauß‘schen Filter- kernels berechnet. Um das Hochpass-gefilterte Bild zu erhalten, wird das Tiefpass-gefilterte Bild vom zugehörigen ungefilterten Bild sub- trahiert. Für den FSMAR-Algorithmus werden durch Frequenztren- nung vier gefilterte Bilder wie folgt erzeugt: ein Hochpass-gefiltertes unkorrigiertes Bild zur Extraktion von Detail- und Kanteninformation, ein Hochpass- und ein Tiefpass-gefiltertes NMAR-korrigiertes Bild mit reduzierten Metallartefakten bei weniger Detailinformation und ein aus dem Metallbild durch Tiefpass-Filterung generiertes gewich- tetes Metallbild für die räumliche Gewichtung. 6. Räumliche Gewichtung: Weil die alleinige Verwendung der hohen Frequenzen des unkorri- gierten Bildes das Bildrauschen unnötig erhöhen würde, werden durch die räumliche Gewichtung die Vorteile der Hochpass-Filterun- gen des unkorrigierten und NMAR-korrigierten Bildes und des Tief- pass-gefilterten NMAR-korrigierten Bildes miteinander kombiniert. Das endgültige FSMAR-korrigierte Bild errechnet sich basierend auf dem gewichteten Bild aus der gewichteten Summe des Tiefpass-ge- filterten NMAR-korrigierten Bildes und den Hochpass-Filterungen des unkorrigierten und NMAR-korrigierten Bildes. Mittels des aus dem Metallbild erzeugten gewichteten Metallbildes (Punkt 5 – Fre- quenztrennung) wird durch die räumliche Gewichtung ein glatter Übergang zwischen den hohen Frequenzen des unkorrigierten und Material und Methoden – Untersuchte Rekonstruktionsalgorithmen
– 26 – des NMAR-korrigierten Bildes ermöglicht. Abhängig vom gewichte- ten Bild wird für jeden Bildpunkt eine räumliche Gewichtung errech- net. Bildpunkte nahe des Metallobjektes erhalten eine höhere Ge- wichtung als Bildpunkte, die weiter vom Metallobjekt entfernt sind. Die niedrigen Frequenzen des NMAR-korrigierten Bildes und die ho- hen Frequenzen des unkorrigierten Bildes werden den Bildpunkten nahe des Metallobjektes zu einem höheren Anteil zugeteilt als weiter entfernten Bildpunkten. Je weiter die Bildpunkte vom Metallobjekt entfernt sind, umso geringer ist der Anteil der hohen Frequenzen des unkorrigierten Bildes. Beispiele für das Hochpass-gefilterte unkorrigierte Bild, die räumli- che Gewichtung des Metallbildes sowie die Hoch- und Tiefpass-Fil- terungen des NMAR-korrigierten Bildes sind in Abbildung 4 in der unteren Zeile illustriert. Ein Beispiel für das FSMAR-korrigierte Bild ist in der rechten Spalte der Abbildung 4 dargestellt. Material und Methoden – Untersuchte Rekonstruktionsalgorithmen
– 27 – Input Input Unkorrigiertes Bild Metallbild NMAR-korrigiertes Bild Output FSMAR-korrigiertes Bild Gewichtetes Hochpass-gefiltert Hochpass-gefiltert Tiefpass-gefiltert Metallbild Gewichtete Summe Abbildung 4: FSMAR-Algorithmus – Verfahrensschema. Die frequenzselektive Metallartefaktreduktion (FSMAR) errechnet das korrigierte Bild aus der gewichteten Summe des Hochpass-gefilterten unkorrigierten Bildes, des gewichteten Metallbildes sowie der Hoch- und Tiefpass-gefilterten NMAR-korrigierten Bilder. Das räum- lich gewichtete Metallbild wird durch starke Tiefpass-Filterung des Metallbildes erzeugt. Das Bildmaterial wurde freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Prof. Dr. Marc Ka- chelrieß und Dipl.-Phys. Andreas Hahn, DKFZ Heidelberg. Modifizierte und adaptierte Darstellung in Anlehnung an Meyer et al., 2012, Lell et al., 2013. 2.4 Bildanalyse Die Datensätze der WFBP-, LIMAR- und IMAR-Rekonstruktionen wurden in dem dreidimensionalen Befundungssystem syngo.via (Siemens Healthi- neers, Erlangen, Deutschland) auf Doppelmonitoren in zufälliger Anord- nung dargestellt und für jeden Patienten separat bewertet. Die Auswertung erfolgte anonymisiert durch einen im Hinblick auf die verschiedenen Algo- rithmen verblindeten Auswerter. Als Schichtdicke der rekonstruierten Daten wurde für die Auswertung 2,5 mm bei axialer Schichtung gewählt. Die re- konstruierten Datensätze wurden sowohl im Weichteilfenster (Weite 400 HU, Zentrum 50 HU) als auch im Knochenfenster (Weite 2500 HU, Zentrum 300 HU) unter subjektiven und objektiven Kriterien beurteilt. Material und Methoden – Bildanalyse
– 28 – 2.4.1 Subjektive Beurteilung Für die subjektive Beurteilung wurde die Bildqualität in den WFBP-, LIMAR- und IMAR-Rekonstruktionen anhand einer fünfstufigen Likert-Skala bewer- tet. Stufe 1 wurde als sehr schlechte bis unzureichende Bildqualität mit er- heblichen Artefakten definiert, Stufe 2 als schlechte Bildqualität mit sehr ein- geschränkter diagnostischer Beurteilbarkeit und Stufe 3 als mittelmäßige Bildqualität mit begrenzter diagnostischer Beurteilbarkeit. Stufe 4 entsprach guter Bildqualität mit Artefakten minimalen, die Diagnostik nicht störenden Ausmaßes. Stufe 5 wurde als hervorragende Bildqualität ohne Artefakte de- finiert. In Tabelle 3 sind die Bewertungsstufen 1 bis 5 zusammengefasst. Bewertungsstufe Qualitätskriterien sehr schlechte Bildqualität 1 • kein diagnostischer Nutzen • erhebliche Artefakte schlechte Bildqualität • sehr eingeschränkter bzw. teilweise nicht 2 mehr vorhandener diagnostischer Nutzen • deutliche Artefakte mittelmäßige Bildqualität 3 • begrenzter diagnostischer Nutzen • mäßige Artefakte gute Bildqualität 4 • ausreichender diagnostischer Nutzen • minimale oder nicht störende Artefakte hervorragende Bildqualität 5 • exzellenter diagnostischer Nutzen • keine Artefakte Tabelle 3: Fünfstufige Likert-Skala zur Bewertung der subjektiven Bildqualität. Material und Methoden – Bildanalyse
– 29 – Für jedes Schnittbild, in dem Artefakte in einer der drei Bildrekonstruktionen (WFBP, LIMAR, IMAR) vorhanden waren, erfolgte eine Bewertung aller drei Rekonstruktionen unter Verwendung der in Tabelle 3 definierten Bewer- tungsstufen. Der zur Diagnostik relevante Bereich mit der schlechtesten Be- urteilbarkeit bestimmte jeweils die Bewertungsstufe des entsprechenden Schnittbildes. Artefakte in Strukturen, welche die diagnostische Validität in der Mundhöhle und im Oropharynx nicht verminderten, hatten keinen Ein- fluss auf die Bewertungsstufe. Hierzu zählten die partielle kortikale Reduk- tion des Knochens und Artefakte im Spinalkanal, die separat dokumentiert wurden. 2.4.2 Objektive Beurteilung Durch Dichtemessungen in HU wurde eine objektive quantitative Beurtei- lung der Bildqualität in spezifischen Regionen durchgeführt, indem in zuvor definierte anatomische Strukturen manuell je eine Region of Interest (ROI) gelegt wurde. Dieser Vorgang erfolgte bei jedem Patienten für die durch WFBP, LIMAR und IMAR rekonstruierten Datensätze und umfasste den Zungengrund, das Wangenfett und die Nackenmuskulatur beidseits (Abbil- dung 5). Die ROIs wurden auf Höhe der meisten Metallartefakte in drei di- rekt aufeinander folgenden axialen Schichten platziert. Hierbei wurde da- rauf geachtet, dass sich die ROIs nur in für die jeweilige anatomische Re- gion repräsentativem Gewebe befanden und keine anderen Strukturen wie Gefäße enthalten waren, welche die Messung verfälschen hätten können. Die mittleren Standardabweichungen der objektiven Dichtemessungen in- nerhalb der ROIs dienten als Parameter für den Schweregrad der Artefakte. Ihre Quantifizierung durch die mittlere Standardabweichung der Dichte in HU gilt als etablierte Methode (Anastakis et al., 1996, D’Agostino et al., 2006, Gong et al., 2013, Morsbach, Wurnig et al., 2013, Morsbach, Bickelhaupt et al., 2013, Axente et al., 2015, Wuest et al., 2015, Maerz et al., 2016, Diehn et al., 2017). Nach Durchführung der Dichtemessung konnte beruhend auf der mittleren Standardabweichung einer jeden ROI Material und Methoden – Bildanalyse
– 30 – eine Aussage über die Bildqualität innerhalb der spezifisch untersuchten Bildregionen und somit über die Qualität der Rekonstruktionen getroffen werden. Je größer der Wert der mittleren Standardabweichung war, desto mehr Artefakte befanden sich in der Messregion und entsprechend geringer war die dortige Bildqualität unter objektiven Gesichtspunkten. Material und Methoden – Bildanalyse
– 31 – WFBP LIMAR IMAR Abbildung 5: Objektive Beurteilung der Artefaktstärken. Zur objektiven Beurteilung der Artefaktstärken wurde jeweils eine Region of Interest (ROI) in die Zunge, in das Wangenfett beidseits und in die Nackenmuskeln beidseits platziert. Der Vorgang erfolgte in den drei aufeinander folgenden axialen Schichten mit den ausge- prägtesten Metallartefakten. Exemplarisch wurde in dieser Abbildung die jeweils identische Schicht für die gewichtete gefilterte Rückprojektion (WFBP), linear-interpolierte Metallarte- faktreduktion (LIMAR) und iterative Metallartefaktreduktion (IMAR) mit entsprechender ob- jektiver Messung dargestellt. Material und Methoden – Bildanalyse
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