Trends in Operations und Plant Asset Management - ein Diskussionsbeitrag
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Plant Asset Management Trends in Operations und Plant Asset Management – ein Diskussionsbeitrag Michael Gote, Jens Neumann, BASF SE; Margret Bauer, Alexander Horch, ABB AG Das vorliegende Thesenpapier untersucht mögliche Auswir- Trends in Operations and Plant Asset Management – up for kungen globaler Trends auf das Betreiben und das Plant future discussion Asset Management von Produktionsanlagen in der Prozess- industrie. Basierend auf einer Trendanalyse, deren Ergebnis This article investigates the influence of global trends on both in Form von fünf Thesen zusammengefasst wird, erfolgt ein process operation as well as plant asset management in the erstes „Forecasting“, um veränderte Bedarfe, technologische process industries. Based on a trend analyses, which results in Entwicklungen und deren mögliche Auswirkungen abzu- five different theses, a first “forecasting” is performed, which schätzen. Ziel der zugrunde liegenden Studie war es, für evaluates a change in requirements, technical developments as einzelne ausgewählte Aspekte frühzeitig relevante Verände- well as potential impacts of the latter. Goal of an underlying rungspotenziale aufzuzeigen. study was to identify the potential for change of certain aspects Um auf die bereits sichtbar gewordenen Herausforderungen at an early stage. In order to improve the reaction to all those besser reagieren und die Chancen für das Plant Asset challenges identified as well as to use corresponding opportu- Management und das Betreiben von Prozessanlagen nutzen nities in plant asset management and operation of plants zu können, möchten die Autoren dazu anregen, den bereits appropriately, the authors of this article would like to suggest in anderem Zusammenhang erfolgreichen Weg des Road- continuing the process of establishing a roadmap to address mapping in dieser Richtung fortzuschreiben. these issues. Anlagenbetrieb / Plant Asset Management / Megatrends / Plant operation / plant asset management / megatrends / Trendanalyse / Forecasting / Prozessindustrie trendanalysis / forecasting process industry 1. Einleitung tionskonzepten der Zukunft noch stärker miteinander ver- bunden sein werden. Beide Aspekte bilden gemeinsam eine Das vorliegende Thesenpapier beleuchtet, ausgehend von wichtige Basis für das Ziel der so genannten ‚Operational aktuellen Entwicklungen und sich abzeichnenden globalen Excellence’ (siehe 2.4). Viele Unternehmen verfolgen aufwän- Trends, mögliche Auswirkungen für das Betreiben und das dige Programme, um dieses Ziel zu erreichen. Plant Asset Management von Produktionsanlagen in der Pro- Die zweite grundlegende Annahme ist, dass die erfolgrei- zessindustrie. Die Verfasser möchten damit einen Beitrag che Umsetzung von Bedienungs- und Plant Asset Manage- leisten, um die Diskussionen, die beispielsweise im Rahmen mentkonzepten in der Zukunft nur dann gelingen kann, der Untersuchungen zur „Integrierten Technologie-Roadmap wenn sie als strategische Entscheidungen der Unterneh- Automation 2015+“ [5] geführt wurden, um wichtige Aspekte mens- oder Produktionsleitung getroffen und mitgetragen der Prozessindustrie zu erweitern. Das Thesenpapier beruht werden. Diese Annahme wird zum einen durch die Umfrage- auf einer gemeinsamen Studie der Firmen ABB und BASF zu ergebnisse [2] unterstrichen und zum anderen auch durch Zukunftsszenarien für den Anlagenbetrieb und das Plant Erfahrungen aus eher erfolglosen PAM-Einführungen Asset Management in den Produktionsanlagen von morgen. gestärkt. Letztere lassen den Schluss zu, dass sie wesentlich Der hier beschriebenen Arbeit liegen zwei Annahmen auch deshalb scheiterten, weil singuläre, nicht ins Anlagen- wesentlich zugrunde, die es aus Sicht der Verfasser notwen- bedienkonzept – und dessen Strategie – passende, Lösun- dig machen, die Aspekte des Anlagenbetriebs und des Plant gen implementiert wurden. Asset Managements im Zusammenhang zu betrachten. Auf der Basis der aktuell in unterschiedlichen Bereichen Die erste grundlegende Annahme ist, dass sich sowohl stattfindenden Diskussionen zur Einschätzung zukünftiger Anlagenbetrieb (‚Operations’) als auch das Plant Asset Trends und Entwicklungen wurde eine Auswahl solcher Management gegenseitig bedingen und in den Produk- Aspekte zusammengestellt, die aus Sicht der Verfasser die 48 atp 10.2008 www.atp-online.de
Plant Asset Management heutige Praxis in der Prozessindustrie nachhaltig verändern Umsetzung im Anlagenbetrieb ist jedoch bisher kaum werden. Auf dieser Basis wurden fünf Themenbereiche iden- realisiert worden; tifiziert und in Form von Thesen entwickelt. Für diese Umsetzung fehlt es derzeit noch an durchgängi- Zunächst werden in Abschnitt 2 wesentliche Ausgangs- gen Konzepten, Standards und kostengünstigen Syste- punkte und Annahmen sowie einige aktuelle Studien und men. Veröffentlichungen dargestellt, die für die hier vorgestellten Ergebnisse als Quellen genutzt werden konnten. Davon aus- 2.3 Integrierte Technologie-Roadmap gehend werden im Hauptteil des Beitrages die fünf Thesen Automation 2015+ vorgestellt und erläutert. Zur Abschätzung möglicher Aus- wirkungen auf die betriebliche Praxis werden anschließend Als weitere wesentliche Quelle ist die vom ZVEI und IZT ver- einige Ansatzpunkte exemplarisch aufgezeigt. öffentlichte Studie „Integrierte Technologie-Roadmap Auto- mation 2015+“ [5] mit einbezogen worden. Hierin beschrie- bene Trends und daraus abgeleitete Forderungen können in 2. Ausgangssituation vielen Punkten für die vorliegende Arbeit genutzt werden. Jedoch standen detaillierte Untersuchungen zu Anlagenbe- Aus den zahlreichen Studien, Umfragen und Thesenpapie- trieb und Plant Asset Management in der Prozessindustrie ren über den Einfluss verschiedener Faktoren auf Gesell- dabei nicht im Vordergrund, so dass zu den genannten schaft und Technik wurden im ersten Schritt die für die The- Schwerpunkten in einer Roadmap für die Prozessindustrie men Anlagenbetrieb und Plant Asset Management in der weitere Bedarfe dazukommen dürften. Zukunft relevanten Aspekte herausgegriffen und um eigene In der Studie [5] werden verschiedene für die Automati- Erfahrungen ergänzt. Auf dieser Basis wurden dann Cluster sierungsbranche wichtige Bedarfe und Herausforderungen gebildet, die die Grundlage für die in Abschnitt 3 vorgestell- formuliert. ten Thesen darstellen. Auf die einzelnen Quellen soll im Fol- (1.) Potenziale von Schlüsseltechnologien erschließen, genden kurz eingegangen werden. (2.) Auslandsmärkte erfordern neue Strategien und Unter- stützungsmaßnahmen, 2.1 Automatisierungstechnik 2020 (3.) Orientierung am Nutzer durch Nutzerintegration in Innovationsprozesse, Ein wichtiger Ansatzpunkt für diese Arbeit ist die kürzlich (4.) Die Qualifizierung der Ingenieure muss den veränderten erschienene Studie „Automatisierungstechnik 2020“ [1], die Anforderungen angepasst werden. Fragen zu neuen Feldern und Schlüsseltechnologien in der Automatisierung stellt. Im Mittelpunkt der Studie stehen In (1.) werden unter anderem große Innovationspoten- technische und gesellschaftliche Herausforderungen der ziale in den Bereichen Sensorik, Vernetzung und Kommuni- Automatisierung. Die Studie ist aufgeteilt in vier Hauptberei- kation, Management- und Leitebene sowie Mensch-Maschine- che (Lehre, Theorie, Bedeutung, Anwendungen). Jeder die- Schnittstellen genannt. In (2.) wird darauf eingegangen, dass ser Bereiche wird beleuchtet vor dem Hintergrund allgemei- ausländische Märkte zum Teil deutlich andere Automatisie- ner Entwicklungen in der Demographie, der Globalisierung, rungslösungen erfordern, zum Beispiel einfachere, billigere im Arbeitsmarkt, im Energiesektor, der Produktion und ande- oder auf lokale Anforderungen zugeschnittene Konzepte. ren. Insbesondere einige dort im Bereich ‚Anwendungen’ Der Nutzeraspekt wird in (3.) aufgegriffen. Hier wird gefor- dargestellten Megatrends (Globalisierung, neue Technolo- dert, dass sichere und intuitive Bedienung, Beachtung kultu- gien) und deren Ausarbeitungen waren für die vorliegende reller Anforderungen und Datensicherheit zukünftig stärker Arbeit von großer Hilfe. beachtet werden müssen. Als Qualifizierungsbedarf wird in (4.) darauf hingewiesen, dass komplexe und autonome Sys- 2.2 NAMUR Umfrage Plant Asset Management teme beherrschbar bleiben müssen, indem der interdiszipli- näre Aspekt der Automatisierung stärker in den Vordergrund Ein weiterer wichtiger Ansatzpunkt ist eine von NAMUR und gestellt wird. ARC Advisory Group veröffentliche Anwenderumfrage zum Thema Plant Asset Management. Es wurde in einer groß 2.4 Strategic Asset Management Inc. angelegten Umfrage nach Wahrnehmung, Erfahrungen und Erwartungen an das Plant Asset Management gefragt [2]. Als mögliches Modell für eine integrierte Sichtweise von Aus der Analyse der Umfrageergebnisse lassen sich einige Anlagenbetrieb und Plant Asset Management wurde in die- Schlussfolgerungen ziehen, die für die hier untersuchten ser Studie das Operations Excellence Modell der Fa. SAMI Fragen wichtig sind: Corp verwendet [3]. Plant Asset Management bietet großes, zum großen Teil Es umfasst vier Funktionsbereiche, die in jedem produzie- aber noch ungehobenes Potenzial; renden Unternehmen zu finden sind (Kapazitätsentwick- Wesentliche technische Voraussetzungen für die Umset- lung, Produktionsmanagement, Logistikmanagement, Asset- zung von Plant Asset Management in Anlagen sind heute gesundheitswesen). Diese vier Bereiche liegen typischer- bereits vorhanden; weise im Fokus der Produktionsleitung. Um Operational Einzelne positive Erfahrungen mit Plant Asset Manage- Excellence zu erreichen, ist es notwendig, alle vier zu adres- ment gibt es bereits, eine konsequente und umfassende sieren [3]. www.atp-online.de atp 10.2008 49
Plant Asset Management Zwei der vier Funktionsbereiche, die als Seiten einer vier- 3. Thesen seitigen Pyramide dargestellt werden, sind in Bild 1 und 2 zu sehen. Auf der Basis vorhandener Quellen (wie im vorigen Abschnitt Sie beschreiben wichtige Funktionen für das Betreiben beschrieben), in denen globale Megatrends aufgezeigt wer- der Anlagen und den wertschöpfenden Umgang mit den den, wurden fünf Thesen identifiziert, die beschreiben, in Assets. welcher Weise diese Trends sich auf das Betreiben und Instand- Ohne die einzelnen Bereiche der Dreiecke hier im Detail halten verfahrenstechnischer Anlagen auswirken. Die Thesen beschreiben zu können, soll darauf hingewiesen werden, werden im Folgenden vorgestellt. Zu jeder These werden die dass die separate Realisierung einzelner Aspekte z. B. ‚Condi- zugrunde liegenden Megatrends kurz beschrieben und erläu- tion Based Maintenance‘ durchaus nützlich sein kann, das tert, in welcher Weise sie die These stärken und motivieren. Gesamtpotenzial jedoch ohne eine integrierte Sichtweise und eine Einbettung in die anderen tragenden Bereiche der These 1 Pyramide in Hinblick auf Operational Excellence (OpX) in der Ressourcenschonende Produktionsweise – Regel nicht voll ausgeschöpft wird. unverzichtbarer Wettbewerbsfaktor Stabiler Betrieb der Anlage am Bestpunkt erfordert die Umsetzung von Plant Asset Manage- ment in der Produktion. ACS - Advanced Control System QC - Quality Control Trend Klimawandel und Umweltbeeinflus- sung als Folge hohen Emissionsaussto- ßes und Energieverbrauches zählen zu den größten Herausforderungen unse- rer Zeit. Das starke Wachstum der Welt- bevölkerung und der Anspruch auf einen steigenden Lebensstandard sind verstärkende Faktoren. In den meisten Industrieländern werden zurzeit natio- nale und internationale Gesetze erar- beitet, die den Energieverbrauch und die Emissionen von Treibhausgasen regulieren. Vorschriften und Verord- nungen werden in den kommenden Jahren zunehmen, um eine ressourcen- schonende und damit umweltfreund- lichere Produktionsweise in energie- Bild 1: Produktionsdreieck (Quelle: Strategic Asset Management Inc. [3]). intensiven Industrien zu erreichen. Im Mittelpunkt stehen die industrielle Her- RAM - Reliability, Availybility, stellung bzw. Gewinnung von Alumi- Maintainability nium, Chemikalien, Zement, Glas, RCM - Risc Centered Metall, Erdöl, Kohle und Zellstoff. Maintenance SRCM - Stramlined Raliability Centered Maint. Erläuterung OPM - Outage Performance Das Thema Ressourcenschonung in der Monitoring Produktion wird in den nächsten Jah- SAMI - Strategic Asset ren zunehmend wichtiger werden. Management Inc. Sparsamer Umgang mit Einsatzstoffen CMMS - Computerised und Energie sowie Vermeidung von Maintenance Mgt. System Abfallstoffen und Emissionen sind ebenso wichtig wie der gleichzeitige optimale Erhalt der Produktionsanlage. Um in Zukunft wettbewerbsfähig sein zu können, muss über die gesamte Pro- duktion der Einsatz von Rohstoffen und Energie minimiert werden. Um am optimalen Einsatzpunkt zu produzieren, muss die Anlage in dem dafür notwendigen Zustand vorgehal- Bild 2: Asset – Gesundheitsdreieck (Quelle: Strategic Asset Management Inc. [3]). ten werden. Abweichungen vom opti- 50 atp 10.2008 www.atp-online.de
Plant Asset Management Arbeitprozesse sind in hohem Grade untereinander ver- netzt, arbeitsteilig organisiert und immer wieder an spezielle Produktions- oder Instandhaltungsstrategien flexibel anzu- passen. Daten, die das Plant Asset Management betreffen, sind oft in verschiedenen Systemen gespeichert. Diese Systeme kön- nen z. B. CMMS (computerized maintenance management system), ERP (enterprise resource planning) oder das Prozess- leitsystem sein. Der Austausch von Daten zwischen verschie- denen Systemen wird durch Integrationsentwicklungen Bild 3: Trends in Operation und Plant Asset Management. zunehmend einfacher. Die Systemkollaboration erfolgt verti- kal und horizontal. Damit kann eine höhere Verfügbarkeit, Präzision und Konsistenz der Daten erreicht werden. malen Betriebspunkt z. B. durch schadhafte Assets resultiert Die Informationen sollen in gleicher Weise so angepasst oft in einem erhöhten Einsatz von Rohstoffen und/oder Ener- und strukturiert werden, dass diese für alle Bedarfsträger gie. Das Bauen von Neuanlagen ist in der Regel mit einem jederzeit ohne großen Aufwand verfügbar sind und Ent- signifikanten Verbrauch von Ressourcen und Energie verbun- scheidungen schnell getroffen werden können. den. Somit kann auch ein längerer, stabiler Anlagenbetrieb bei gleicher oder gesteigerter Produktionsfähigkeit zur Res- These 3 sourcenschonung beitragen. Langfristig sind die Ziele Wett- Wachstum und demographischer Wandel – bewerbsfähigkeit und Ressourcenschonung nur mit einem fokussierte Unterstützung menschlicher Arbeit durch optimierten Asset Management Konzept in Einklang zu brin- Automatisierung gen. Weitergehende Automatisierung von Arbeitsprozessen/ intellektuellen Tätigkeiten wird für Operational Excellence, These 2 sicheren Anlagenbetrieb und Plant Asset Management erfor- Vernetzte Arbeitsabläufe, flexible Zusammenarbeit – derlich. Voraussetzung für den Produktionserfolg in einer globalisierten Welt Trend Systemkollaboration und Datendurchgängigkeit müssen auf In den nächsten Jahren ist ein erheblicher Fachkräftemangel die für Plant Asset Management notwendigen Arbeitspro- zu erwarten. Ursachen sind: zesse flexibel abgebildet werden. Der demografische Wandel in den westlichen Industrie- ländern mit der Folge, dass immer weniger Fachpersonal Trend immer größer werdende Aufgabenbereiche zu bewälti- Die durch zunehmende Globalisierung geprägten Märkte gen hat, und und Arbeitswelten stellen ein verteiltes, stark vernetztes Sys- ein starkes Wachstum der Industrialisierung in Schwellen- tem hoher Komplexität dar. Für ein effizientes Funktionieren ländern, demgegenüber die Fachkräfteausbildung und eines derartigen Systems bedarf es ebenso verteilter, stark der Erfahrungsaufbau nicht Schritt halten können. vernetzter und flexibler Arbeitsprozesse in den Bereichen Produktion, Vertrieb, Logistik, technische Services sowie Erläuterung Mobilität auf globaler Ebene. Für Routineaufgaben werden Experten nur mehr in begrenz- Die Datendurchgängigkeit zwischen Systemen mit glei- tem Maße zur Verfügung stehen. Deren Arbeit ist daher chen Aufgaben bzw. gleicher Funktionsstufe (horizontale bestmöglich zu unterstützen, um die als Ausgleich notwen- Datenintegration) als auch zwischen Systemen auf unter- digen Effizienzsteigerungen zu erzielen. Auch anspruchsvol- schiedlichen Abstraktionsstufen (vertikale Datenintegration) lere Aufgaben müssen von technischen Systemen autonom wird immer weiter vorangetrieben. Datendurchgängigkeit oder teilautonom ausgeführt werden können. Ein höherer ist eine Voraussetzung für ein effizientes Zusammenwirken Grad der Datenverarbeitung wird erforderlich werden. dieser Systeme (Interoperabilität). Die Verfügbarkeit von gut ausgebildeten Fachkräften für Hierfür ist nicht nur ein einfacher, standardisierter Daten- die Analyse von auftretenden Anlagensymptomen und austausch wichtig. In zunehmendem Maß ist zu beobachten, deren Auswirkung auf Produktionsziele wird durch demo- dass auch die Fähigkeit zur Interpretation der Daten bzw. graphische Effekte abnehmen. In der Prozessindustrie einer geeigneten Abbildung unscharfer Datenbeziehungen waren 2006 weltweit ca. 500 Millionen Prozess-Sensoren, automatisiert wird. 30 Millionen Ventile und weitere 550 Millionen Assets in Form von Maschinen und Apparaten installiert. Globaler Erläuterung Wettbewerb und anhaltender Kostendruck erzeugen Plant Asset Management Systeme sollen global vernetzte, zudem einen hohen Druck zur Rationalisierung. Der prog- flexible und an Instandhaltungsstrategien angepasste nostizierte Verantwortungsbereich einer Instandhaltungs- Arbeitsprozesse abbilden und unterstützen. Informationen fachkraft in naher Zukunft liegt bei durchschnittlich 500 bis müssen auf den Empfänger zugeschnitten werden sowie 2000 Regelkreisen und damit etwa Faktor 5–10 über dem strukturiert und schnell zur Verfügung stehen. des Jahres 2000. www.atp-online.de atp 10.2008 51
Plant Asset Management In momentan stark wachsenden Wirtschaftsnationen, z. B. ter eingesetzt und bedarfsgerecht und zielgruppenkonform in China, scheint dieses Problem zurzeit noch nicht akut. Bei unterstützt werden. anhaltend starkem Wachstum ist jedoch auch hier ein hoher Mensch-Maschine-Schnittstellen werden in Zukunft kom- Personalbedarf abzusehen, der zumindest zeitweilig nicht in plexer werden, da mehr Funktionalität zur Verfügung stehen der benötigten Geschwindigkeit zu decken sein wird. wird. Gleichzeitig werden immer mehr solcher Assistenzsys- Zukünftige Entscheidungsunterstützungssysteme wer- teme zum Einsatz kommen und die verfügbaren Einarbei- den konkrete Aussagen zur Zustandsbewertung und Prog- tungszeiten sinken. Dies ist umso mehr von Bedeutung, da nose liefern. Nicht nur das automatische Erfassen und Mel- das Personal häufiger die Funktion und den Arbeitsplatz den von Symptomen steht im Vorgrund, sondern auch das wechseln wird und damit weniger Zeit für Training aufge- weitgehend automatische Erstellen von Diagnosen sowie wendet werden kann. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass die darauf aufbauende wissensbasierte Ableitung von Ent- zukünftige Entwicklungen in hohem Maße standardisiert scheidungsalternativen als effektive Unterstützung mensch- und intuitiv bedienbar sind. licher Arbeit. In der Automatisierungstechnik wird ein zunehmend glo- Fokussierte Unterstützung, nicht Ersatz menschlicher baler Markt bedient. Schnittstellen und Oberflächen müssen Arbeit ist dabei das Ziel. Die von technischen Systemen an kulturelle Unterschiede angepasst werden, damit sie eine erstellten Diagnosen müssen nachprüfbar sein. Sie sollen die hohe Akzeptanz erhalten. Dazu gehören dem Umfeld ent- Entscheidungsfindung mit Prognosen und Handlungsoptio- sprechende Sprachen und kulturelle Präferenzen. nen unterstützen, können den Menschen hierin aber nicht ersetzen. These 5 Kenntnis der Asset-Gesundheit – These 4 Schlüsselfaktor im modernen Anlagenbetrieb Technik mit dem Menschen, für den Menschen – Wertschöpfung entsteht dort, wo PAM sowohl in Anlagen- Innovation durch Assistenzsysteme im Arbeitsprozess konzepte als auch in Prozessabläufe integriert wird. Paradigmenwechsel erforderlich: nur durch die Verknüpfung von menschlichen und maschinellen Fähigkeiten werden Trend anstehende Plant Asset Management Aufgaben zu lösen sein. Moderner Anlagenbetrieb unterliegt vielfältigen Anforde- rungen. Neben der Erfüllung des primären Produktionsziels, Trend der Herstellung der Güter in gewünschter Menge und Quali- In zunehmend stärkerem Maß durchdringt die Automatisie- tät sind ein sicherer Anlagenbetrieb, eine energieoptimierte rungstechnik alle Lebensbereiche. Die ständige Verfügbar- und ressourcenschonende Produktionsweise zu global wett- keit von IT „Any time - any place“, Ambient Intelligence und bewerbsfähigen Kosten zu gewährleisten. Pervasive Computing sind Charakteristika der modernen Moderne Produktionskonzepte verzeihen kaum mehr industrialisierten Gesellschaft. unvorhergesehene Unterbrechungen, Störungen im Pro- Verbunden damit tritt ein Paradigmenwechsel ein: „Tech- duktionsablauf oder Einbußen in Durchsatz oder Qualität. nik mit dem Menschen, für den Menschen“. Automatisie- Ein hoher OEE ist Voraussetzung für eine wettbewerbsfähige rungstechnik wird nicht mehr mit dem primären Ziel des Kostenposition. Ersetzens manueller Arbeit verwendet, sondern als Problem- Aber auch Instandhaltungsaufwendungen sowie die Zahl löser zur Unterstützung der Menschen im Arbeitsprozess. der Mitarbeiter in diesen Bereichen sind unter dem Druck Sichere, kooperierende Systeme mit angepassten Mensch- des globalen Wettbewerbs stark reduziert worden. Daher ist Maschine-Funktionen, z.B. autonome Verkehrsmittel, Koope- es notwendig, deren Aufgaben in bestmöglicher Weise zu ration Mensch-Roboter, Assistenzsysteme, körpernahe medi- unterstützen. zinisch-biologische Systeme, neuartige (Assistenz-) Unter- Der anhaltende Produktivitätsdruck in der Prozessindust- stützungsfunktionen bei Entscheidungs-, Engineering- und rie erfordert neue Antworten und effizientere Lösungen für Dienstleistungsprozessen, eröffnen innovative Wege und den Umgang mit technischen Assets und für das Betreiben Chancen zu einer nachhaltig höheren Wertschöpfung. prozesstechnischer Anlagen. Für eine zielgerichtete Verbes- serung der Verfügbarkeit spielt die Kenntnis des genauen Erläuterung Zustandes, der Ursachen von Abweichungen, deren Auswir- Plant Asset Management Lösungen erzeugen Mehrwert kungen und zeitlicher Verlauf eine entscheidende Rolle. durch eine effiziente Unterstützung bei Verwaltung und Schlüsselaufgabe ist die zeitaktuelle, automatische Über- Erhalt sowie einer höheren Effektivität bei der Überwachung wachung des Asset-„Gesundheits“-Zustands und die zent- technischer Assets. Schnelle Datenverfügbarkeit, aufgaben- rale Bereitstellung dieser Informationen für alle Benutzer- angemessene Workflows, homogene Arbeitsumgebungen, gruppen. intuitiv bedienbare Assistenzsysteme und Web 2.0 sind inno- vative Elemente moderner Arbeitsprozesse. Motivation, Erläuterung Gesundheit und globale Unterschiede des Menschen stehen Die Asset-Gesundheit stellt eine der wesentlichen Grundla- dabei im Vordergrund. gen dar, auf denen weitere, Betrieb und Asset Management Ziele der Automatisierungstechnik entwickeln sich vom betreffende Entscheidungen gefällt werden können. Die Ersatz des Menschen hin zur Unterstützung des Menschen. Asset-Gesundheit bezeichnet eine zusammenfassende Aus- Der Mensch soll dabei in den wichtigen Funktionen effizien- sage zur Leistungsfähigkeit und zum Zustand der techni- 52 atp 10.2008 www.atp-online.de
Plant Asset Management Tabelle 1: Einige beispielhafte Ansatzpunkte, die die in den Thesen aufgeworfenen Aspekte berücksichtigen könnten. Thesen Bedarfe Technologien, z.B. 1. Ressourcenschonende Produkti- Einbindung von Energiekosten, Multi-kriterielle und anlagenweite Optimierung onsweise – unverzichtbarer Wett- Anlagenschonung und -gesundheit in ein Online Erfassung und Darstellung des Energie- bewerbsfaktor optimiertes Produktionskonzept und Ressourceneinsatzes Aufdecken von Ressourcenverschwendung bzw. What-if Szenarien Simulation Energieverschwendung 2. Vernetzte Arbeitsabläufe, flexible Konsistente, ständig und weltweit verfügbare Verwendung von Standards im Bereich Zusammenarbeit – Voraussetzung Daten horizontaler und vertikaler Systemintegration für den Produktionserfolg in einer Flexibel an Produktionsprozesse anpassbarer Interaktive Schnittstellen globalisierten Welt Informationsaustausch Konsistente Datenbedeutung 3. Wachstum und demographischer Entscheidungs- und Handlungsunterstützungs- Wissensbasierte Diagnosesysteme Wandel – fokussierte Unterstüt- systeme Web 2.0 Technologien; zung menschlicher Arbeit durch Zentralisierung komplexer Aufgaben, Dezentra- Embedded Intelligence; Pervasive Computing; Automatisierung lisierte Anwendung Ambient Intelligence Explizierung von Operator- und Expertenwissen 4. Technik mit dem Menschen, für Beherrschung der Komplexität für den Menschen Informationen auf den Empfänger zugeschnitten: den Menschen – Innovation durch am Arbeitsplatz. Auswerten und Berücksichtigen der Assistenzsysteme im Arbeitspro- Intuitive Bedienbarkeit Arbeitsprozesse zess Selbsterklärende, -erläuternde Systeme Web 2.0 Technologien Lernende Systeme Usibility Engineering 5. Kenntnis der Asset-Gesundheit – Permanente Verfügbarkeit der Asset Information Online Ermittlung bzw. On-demand Ermittlung Schlüsselfaktor im modernen Durchgängiges Monitoring des Anlagenzustandes von Asset-Zuständen Anlagenbetrieb Health Assessment und Bereitstellung von Datenspeicherung und Analyse historischer Diagnoseinformation Daten Prognose der Auswirkungen auf die Produktions- Data Mining – Information Gathering fähigkeit der Anlage / Teilanlage Entscheidungsunterstützungssysteme Bedarfsgerechter Diagnosedeckungsgrad (IEC 61508) schen Assets mit allen notwendigen Detailinformationen, mindestens mit einem Unsicherheitsmaß versehen sein. Sie um eine spezifische Entscheidung für Anlagenbetrieb und muss aussagekräftig sein, das heißt es müssen sich – eventu- Plant Asset Management treffen zu können. ell zusammen mit anderer Information – Ableitungen daraus Die These sagt zunächst nichts über die Quelle der Infor- ergeben können. Diese Information muss für alle die Produk- mation zur Asset-Gesundheit aus. Aus den Trends oben lässt tionsfähigkeit der Anlage vital betreffenden Assets verfüg- sich jedoch ableiten, dass diese Information verschiedene bar sein. Schließlich muss die Information auf die jeweils für Eigenschaften besitzen muss, z. B. muss sie zeitaktuell (bei den Benutzer notwendige Art und Weise präsentiert werden Bedarf ) zur Verfügung stehen. Sie muss zuverlässig oder können. Ausblick mittelfristig ebenfalls zu berücksichtigen sind. Wie sich absehbare Trends und Entwicklungen auf Anlagenbetrieb Das Plant Asset Management und das Betreiben der Pro- und Plant Asset Management auswirken könnten wurde duktionsanlagen werden in modernen Produktionskon- anhand von fünf Thesen aufgezeigt. zepten zunehmend als zwei zusammengehörende Aspekte Für eine weitergehende Abschätzung technologischer einer ganzheitlichen Produktionsaufgabe angesehen. Sie Entwicklungen wurden in den letzten Jahren mit großem bilden zwei wesentliche Säulen in den Modellen mit Blick Erfolg wiederholt Technologie Roadmaps erstellt. Diese auf Operational Excellence. Viele Unternehmen verfolgen ermöglichen die Formulierung strategischer Leitbilder bei derzeit umfangreiche Programme, um sich diesem Zielbild gleichzeitiger Berücksichtigung branchenspezifischer im Rahmen ihrer Unternehmensstrategie zu nähern. Anforderungen und Besonderheiten. Bereits in der 2006 weltweit erhobenen NAMUR-Umfrage Die für die Prozessindustrie wichtigen Aspekte des Anla- zur Einschätzung von Plant Asset Management wurden gen-Betreibens und des wertorientierten Umgangs mit erhebliche Erwartungen in diesem Bereich geäußert. Als den Assets wurden bisher jedoch nur teilweise berücksich- wesentliches Hindernis bei der Realisierung wurden am tigt. häufigsten eine noch unzureichende Abstimmung der ver- Die Autoren möchten mit dem vorliegenden Thesenpa- schiedenen Teilfunktionen und eine bisher nur teilweise pier den aus Ihrer Sicht derzeit vorhandenen Bedarf aufzei- vollzogene Integration in die Produktionskonzepte gen, das Roadmapping für die Prozessindustrie in dieser genannt. Gleichzeitig sehen sich die Unternehmen heute Richtung unter Einbeziehen neuer Trends und sich abzeich- neuen Herausforderungen gegenübergestellt, die kurz und nender technologischer Möglichkeiten fortzuschreiben. www.atp-online.de atp 10.2008 53
Plant Asset Management Dr. Jens Neumann (34) ist seit 2007 als Consultant in 4. Konkrete Ansatzpunkte aus den Thesen der Beratungseinheit Consulting Production Effici- ency der BASF Gruppe tätig. Arbeitsschwerpunkte Die Thesen in Abschnitt 3 sollen dazu dienen, konkrete Dis- bilden u.a. Operational Excellence, Automatisie- kussionen und Entwicklungen zu starten, die diese Zukunft rungstechnik und Asset Management. Eingestiegen zu realisieren helfen. Dazu werden im Folgenden einige kon- in das Unternehmen ist Herr Dr. Neumann im Jahr krete Ansatzpunkte aufgezeigt, siehe Tabelle 1. Die Auflis- 2003 im Fachzentrum für Automatisierungstechnik. tung hat Beispielcharakter, sie ist keinesfalls vollständig. Adresse: BASF SE, ZZC/E-C104, D-67056 Ludwigsha- fen, Tel. +49 621 60-52943, E-Mail: jens.neumann@ basf.com Literatur [1] Bretthauer, G. et al.: Automatisierungstechnik 2020. at – Automatisie- rungstechnik 55 (2007), H. 5, S. 255–275. Dr. Margret Bauer (32) ist seit 2007 wissenschaftliche Mitarbeiterin am ABB Forschungszentrum im Bereich [2] Müller, J., Gote, M., de Leeuw, V.: Anlagennahes Asset Management in Prozess- und Produktionsoptimierung. In ihrer Tätig- der Prozessindustrie – Wie sieht die betriebliche Wirklichkeit aus? atp keit befasst sie sich mit datenbasierten Methoden – Automatisierungstechnische Praxis 54 (2007) H. 11, S. 66–73. zur Analyse von kontinuierlichen Prozessen sowie [3] Strategic Asset Management Inc. Quelle: www.samicorp.com. mit mathematischer Optimierung. Sie studierte an [4] Hees, F., Isenhardt, I.: Die Zukunft der Arbeit. RWTH Aachen, 2007. der Universität Erlangen-Nürnberg, promovierte am Quelle: www.sfs-dortmund.de/v2/dokumente/aktuelles/veranstal- University College London und war als Postdoctoral tungen/veranstaltungsarchiv/zdaid_zukunft_der_arbeit.pdf Research Fellow an der Universität von Pretoria, Süd- [5] ZVEI, IZT. Integrierte Technologie-Roadmap Automation 2015+. Zen- afrika, tätig. tralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie e.V., www.zvei. Adresse: ABB Forschungszentrum Deutschland, org. Juli 2006. Wallstadter Str. 59, D-68526 Ladenburg, Tel. +49 6203 716284, Fax +49 [6] Schuh, G., Kampker, A., Franzkoch, B. und Wemhöner, N.: Intelligent 6203 716253, E-Mail: margret.bauer@de.abb.com Maintenance – Potenziale zustandsorientierter Instandhaltung. (Kos- tenlose) Studie der ifm electronic GmbH, http://www.ifm-electronic. Dr. Alexander Horch, Jahrgang 1968, Studium der com/studie. 2005. Technischen Kybernetik an der Universität Stuttgart und Promotion im Bereich Regelungstechnik an der Königlich-Technischen Hochschule (KTH) in Stock- holm. Seit 2001 im ABB Forschungszentrum als Wis- Dr. Michael Gote (44) ist seit 2006 als Consultant tätig senschaftler und Projektleiter mit der Optimierung, in der Beratungseinheit Consulting Production Regelung und Diagnose von Anlagen beschäftigt. Efficiency der BASF Gruppe. Arbeitsschwerpunkte Die Anwendungen reichen von der Papier- und Zell- bilden u. a. Operational Excellence und Asset stoffindustrie über Walzwerke und Ölförderanlagen Management. In der Namur leitet er den Arbeitskreis bis zu Kraftwerken und Chemieanlagen. Seit 2006 4.13 „Asset Management“. Gruppenleiter der Gruppe ‚Prozess- und Produkti- Adresse: BASF SE, ZZC/E-C104, D-67056 Ludwigsha- onsoptimierung‘. Außerdem Leiter des VDI/VDE GMA Fachausschusses fen, Deutschland, Tel. +49 621 60-91068, E-Mail: ‚Plant Asset Management’. michael.gote@basf.com Kontakt: Alexander.Horch@de.abb.com atp-Newsletter atp-Newsletter atp-Newsletter atp-Newsletter atp-Newsletter atp-Newsletter Sie wollen frühzeitig Informationen der atp per E-Mail? Dann abonnieren Sie den monatlichen Newsletter kostenlos unter http://www.oldenbourg-industrieverlag.de/newsletter-atp, Stichwort:Newsmailservice atp-Newsletter atp-Newsletter atp-Newsletter atp-Newsletter atp-Newsletter atp-Newsletter 54 atp 10.2008 www.atp-online.de
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