Kontext - Privatklinik Hohenegg
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Privatklinik am Zürichsee Kontext Ausgabe Nr. 6, Juni 2020 Seite 2 – 3 Berührung ohne Berührung. Wie Beziehung ohne Körperkontakt gelingt Seite 4 – 5 ZPG: «Wir sind da für die psychische Gesundheit von Patienten und Spitalmitarbeitenden.» Seite 6 – 7 Die Macht der Angst im Virusjahr, Interview mit Dietmar Hansch Seite 8 Schreibwerkstatt: Das Leben zur Sprache bringen passungen mit Bedacht und Schritt Anspruchsvolle Zeiten für Schritt vollzogen. Besonders schwer ist es uns gefallen, die Ange- hörigen vom Areal auszuschliessen; mit Video-Konferenzen oder Spazier- Das COVID-Virus fordert uns nun die Patientinnen und Patienten nun gängen in der Umgebung versuch- seit vielen Wochen stark, und wir für viele Wochen ununterbrochen hier ten wir den Kontakt mit ihnen auf- bemühen uns nicht, gegen die klei- in der Klinik, und zu meiner Über- rechtzuerhalten. ne, aber mächtige Mikrobe anzu- raschung ergaben sich dadurch ver- kämpfen, sondern ihre Kraft durch tiefte soziale und menschliche An- Wir ahnen, dass diese Krise das Ge- Kreativität und Flexibilität für un- näherungen. sundheitswesen, ja die ganze Gesell- sere Patientinnen und Patienten zu schaft gründlich umpflügen wird, nutzen. Wir haben in sehr kurzer Der Status der Patienten hat sich durch und es ist davon auszugehen, dass Zeit unsere Therapiepläne angepasst, die Krise in der Welt verändert – psychische Gesundheit in den kom- neue Therapieelemente aufgebaut nun sind sie weniger Aussenseiter, menden sozialen und ökonomischen und im ambulanten Bereich die Ge- weil auch so viele andere Zeitge- Herausforderungen der nächsten spräche zeitweise fast vollständig nossen voller Ängs- Jah re noch wichti- auf Telefonkonsultationen angepasst. te und grosser Zu- ger wird. Welche kunftssorgen sind. neuen psychiatri- Die neuen Angebote wie Naturnahe Weil Leiden im schen Probleme Achtsamkeit oder Makko-Ho, eine Kern immer soziale werden uns in naher Form von Selbsttherapie mit Meri- Isolation meint, Zukunft begegnen? diandehnungen, begeistern unsere hat sich durch die Welchen relevanten Patienten, und auch die durch das umfassende ge- gesellschaftlichen Social Distancing bedingt deutlich sellschaftliche Krise Beitrag zur Förde- verkleinerten Gruppen haben zu einer paradoxerweise der Leidensdruck un- rung der psychischen Gesundheit wahrnehmbaren Verbesserung der serer Patienten spürbar verringert. kann die Privatklinik Hohenegg resp. Qualität unserer Gruppenangebote die Stiftung Hohenegg in Zukunft geführt. Im Bewusstsein, wie wichtig die Ruhe übernehmen? Während uns die Be- und Zuversicht unseres therapeuti- wältigung der Gegenwart noch Mit Freude konnten wir beobach- schen Milieus für die Wirkung unse- ganz herausfordert, sind wir bereits ten, dass die Patientengruppe noch rer Therapien sind, haben wir uns daran, uns offen und neugierig stärker als sonst zu einer eigentli- als Leitungsteam sehr um Zuversicht, diesen neuen Fragen zu stellen. chen Schicksalsgemeinschaft zusam- Transparenz und Gelassenheit in mengerückt ist. Da keine Besuche diesen turbulenten Zeiten bemüht. Prof. Dr. med. Stefan Büchi zu Hause mehr erlaubt waren, waren Wir haben die notwendigen An- Ärztlicher Direktor
Editorial Berührung ohne Berührung. Gemeinsam Wie Beziehung ohne Wir leben in einer herausfordern- Körperkontakt gelingt. den Zeit: Geopolitische Span- nungen, globale Migrationsströme, Klimawandel. Und jetzt noch Seit Wochen leben, arbeiten und be- heilsam? Können Therapeutinnen Covid-19. Das Virus beherrscht seit handeln wir in der Privatklinik Ho- in berührungsfreiem Kontext dennoch einigen Wochen unser Leben, henegg ohne physische Berührung. heilen? Ein Blick in die Erhebungen Wirtschaft und Gesellschaft. Wa- Wie häufig wir be- des Qualitätsma- rum ist Resilienz in Zeiten wie rühren und berührt nagements verrät, diesen besonders wichtig? Corona werden, wurde erst dass die Kontakt- hat uns deutlich vor Augen ge- vollumfänglich be- einschränkungen führt, dass wir die Herausforde- wusst, als wir es bisher zumindest rung nur gemeinsam meistern nicht mehr durften: nicht massiv gescha- können. Keiner kennt den genauen Kein Händeschüt- det haben: So sank Weg aus der Krise. Die Behör- teln zur Begrüssung die Weiterempfeh- den versuchen, uns mit Massnah- beim Eintritt oder lungsrate des Jahres men vor dem Virus und seinen mit guten Wünschen 2019 von 94.6 % in gesundheitlichen, wirtschaftlichen beim Austritt. Keine unterstützende den Krisenmonaten März und April und sozialen Folgen zu schützen Berührung in der Bewegungsthe- 2020 nur unwesentlich auf 93.6 %. und fordern Solidarität. Das ist gut rapie. Keine Shiatsu-Massage am be- und wichtig, doch es braucht kleideten Körper. Keine Aroma- In den Patientenfeedbacks zeigt sich mehr. Wir alle sind gefordert, un- wickel von der Pflege. Die Stühle in Verständnis: «Vielen Dank, dass Sie seren persönlichen Beitrag zur den Gruppentherapieräumen de- uns trotz Corona-Zeiten doch weitest- Eindämmung des Virus und zur zimiert und mit Abstand platziert. gehend alle Therapien ermöglichen Schadensminderung zu leisten. Selbst die sinnlichen Früchtekörbe und / oder Alternativen bieten.» Gera- Das bedeutet Unsicherheit ertra- wurden entfernt, um Berührungs- de die alternativen oder erweiter ten gen, unser Verhalten an die spuren zu vermeiden. Gruppenangebote kommen an. Bei- veränderten Rahmenbedingun- spiel Boxsacktraining: Die Beliebt- gen anpassen, die Folgen für Den um ihre seelische Gesundheit heit 2019 lag bei 90.5%, in den Mona- Erwerbsarbeit und Familie bewäl- ringenden Patienten wurde im Kon- ten März und April 2020 sogar bei tigen, Entscheidungen treffen takt untereinander und zu ihren 93.5%. und Verantwortung übernehmen. Angehörigen ein striktes Regime auf- Das alles gelingt uns nur mit erlegt. Dabei sehnt man sich gerade Die berührungslose Behandlung einer starken psychischen Wider- in der grössten Not nach dem Trost scheint in ihrer Gesamtheit wirksam standskraft. Die Stiftung Ho- von Berührungen. Der sonst so le- zu sein. Es ist möglich, das Feh- henegg setzt sich seit Jahren und bensnotwendige Körperkontakt hat lende ein Stück weit zu kompensie- auch in Zukunft für die Stär- sich zur potenziellen Lebensbe- ren. Wie konnte dies gelingen? Wie kung der psychischen Gesund- drohung gewandelt. Nun fehlt die entsteht Vertrauen in sich selbst und heit ein. Damit Menschen an leibhafte Seite der Zuwendung, andere, ohne dass die Sinneszellen Herausforderungen wachsen und der Ermutigung, der Aktivierung der Haut durch Berührung stimuliert vielleicht sogar Positives aus und des Mitgefühls. und hierdurch etwa das Bindungs- der Krise mitnehmen können. hormon Oxytocin ausgeschüttet wird? Kontakteinschränkungen Das haben wir verschiedene Betei- Beatrix geben Raum für Neues ligte gefragt. Frey-Eigenmann Präsidentin Was bedeutet es, wenn Psychiatrie Die Stationsleitung: «Die Begrüs- des Stiftungsrats und Psychotherapie ohne physische sung per Händedruck als Ritual und Hohenegg Berührung auskommen müssen? Ist Tradition hat für die Patienten Sym- sie ohne leiblichen Kontakt weniger bolcharakter und bedeutet, sich will- 2
kommen und angenommen füh len. Die Eintrittsmanagerin: «Wir achten Körperdehnungsübungen an, um Umso mehr Gewicht haben Worte, noch bewusster auf einen aufmerk- den Energiefluss in den Meridianen Mimik und Gestik bekommen. samen Blickkontakt und Freundlich- auszugleichen. Ausserdem verbrin- Empathie in der Stimme oder in für- keit in der Stimme. Die Patienten gen wir viel Behandlungszeit draus- sorglichem Handeln, in maximaler schätzen das sorgfältige Aufnahme- sen mit dem neuen Angebot Na- Präsenz mit wärmendem, herzlichem prozedere.» turnahe Achtsamkeit. Hier geschieht Augenkontakt. Humor und Boden- Berührung durch die Natur, ganz haftigkeit sind auch ohne Körperkon- ohne Massage.» takt möglich.» Die Hygieneverantwortliche: «Wir Die Pflegefachperson im Nacht- informieren regelmässig transparent dienst: «Wir stehen den Patienten mit und begründen unsere Massnah- Fürsorge und Dasein zur Seite. Ein men plausibel und nachvollziehbar. warmer Tee, ein aufmerksames Die Patienten fühlen sich hierdurch Gespräch, eine Zuwendung ohne sicher, geschützt und kooperieren Berührung sind Wohltaten für die gerne.» Seele.» Der ärztliche Direktor: «Es ist uns als Der Musiktherapeut: «Ein zentrales Der Rezeptionist: «Ungeteilte Auf- Behandlungsteam gelungen, dass Element der Musiktherapie ist es, merksamkeit ist wichtig. Allerdings sich das ‹social distancing› zu einem ohne körperliche Berührung in Kon- hat uns auch die Plexiglasscheibe ‹physical distancing› bei gleichzeiti- takt zu treten. Diese subtile Art geholfen. Wir fühlen uns geschützt gem ‹social bonding› entwickelt hat. des Berührt-Seins wird als beson- und können deshalb viel entspann- Wir haben in der Krise des Um- ders wertvoll wahrgenommen.» ter mit den Patienten interagieren.» bruchs sehr eng zusammengearbei- tet und haben miteinander um krea- tive Lösungen gerungen, bei denen wir die Sicherheitsmassnahmen stets mit unserer therapeutischen Ver pflichtung für unsere Patienten verbunden haben.» Die Expertin Aromapflege: «Zur Abwehr von Viren nutzen wir Spezial- düfte wie Ravintsara, Cajeput, Me- lisse oder Weisstanne. Düfte wirken Der Seelsorger: «Wenn man Gemein- Die Leitung Angebotsentwicklung: auf feinstofflicher Ebene.» schaft braucht, gerade in der Krise, «Wir wollten Teilhabe trotz Res- darf man sich nicht zurückziehen. triktion ermöglichen. Deshalb haben Den Ostergottesdienst haben wir wir unsere Angebotspalette ange- kurzerhand ins Freie verlagert und passt, Neues aufgenommen. Die in Kleingruppen spazierend be- Patienten nehmen wahr, dass wir gangen. Wir alle erfuhren hierbei engagiert sind, uns intensiv bemü- Berührung.» hen. Das erhöht das Vertrauen.» Fazit: Das gemeinsame Sein in der Der Psychiater: «Den Impuls des Privatklinik Hohenegg in diesen Handgebens zu kontrollieren war Wochen ohne Berührung bringt uns ungewohnt, aber machbar. Ich einander näher. Sowohl die Pa- bin dankbar, ohne Maske arbeiten Die Shiatsu-Therapeutin: «Es war tienten wie auch uns Mitarbeitende. zu dürfen, Mimik schafft Tiefe. nicht einfach, loszulassen. Berührt Gemeinsam zu lachen ist wichtig. und bewegt werden war für viele Sabine Claus Bei telefonischen Kriseninter ven- Patienten enorm wichtig. Durch das Leiterin Ärztliche Administration tionen wirken Stimme und Wort- Loslassen entstand Neues. So bieten wahl, Video nutze ich nicht.» wir mit Makko-Ho eine Anleitung zu 3
«Wir sind da für die psychische Gesundheit von Patienten und Spitalmitarbeitenden.» Das Zentrum für psychische Gesund heit, eine Ko- nommen und das Personal muss sich auf eine völlig operation der Privatklinik Hohenegg und dem Spital neue, bislang nie dagewesene Ausnahmesituation einstel- Zollikerberg, ist erfolgreich gestartet. Mehrere psy- len. Ganze Abteilungen werden geschlossen, Eingänge chologische Psychotherapeuten und Psychotherapeu- gesperrt, Zutrittsverbote erlassen, Securitas und Zivilschutz tinnen ergänzen das ärztliche Team. engagiert. Besucher sind keine mehr anzutreffen, bis- weilen bleiben die langen Gänge gespenstisch leer. Eine Mit unserem Kooperationsprojekt mit dem Spital Zolli- eigenartige Gegensätzlichkeit von organisatorischer Be- kerberg sind wir Anfang 2019 in Einzelbesetzung gestar- triebsamkeit und unheimlicher Ruhe stellt sich ein. Die tet. Die damals noch «im Rohbau» befindlichen Räume Ruhe vor dem Sturm? Alle haben darauf gewartet und – sind ansprechender und gemütlicher geworden, die Türen die Bilder aus Bergamo vor dem geistigen Auge – befürch- wurden beschriftet und die Website ist aufgeschaltet. tet, die «grosse Welle» würde auch den Zollikerberg Die Qualität unserer Arbeit aber wird bestimmt von un- erfassen. Bisher ist sie ausgeblieben – die eigenartige seren Mitarbeitenden. Mit Dr. med. Jens Wagner kam Stimmung im Spital bleibt bestehen. Anfang Mai 2019 ein langjährig erfahrener Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie mit auf die Reise. Ne- Seit Beginn unserer Kooperation sehen wir uns auch mit- ben seiner breiten Kompetenz in Allgemeinpsychiatrie ist verantwortlich für die psychische Gesundheit der Spital- er profunder Kenner der Suchtmedizin und bietet im mitarbeitenden. Diese sind in der aktuellen «Coronakrise» Zentrum für psychische Gesundheit auch Beratungen für besonders gefordert. Die beschriebene gespannte und Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen inklusive unruhige Zeit des Wartens kann belasten. Eine «Corona- deren Angehörigen an. sprechstunde» für Mitarbeitende soll niederschwellig Ge- spräche mit einer psychotherapeutischer Fachperson rund Seit Anfang Jahr ergänzen mehrere psychologische Psycho- um die mannigfachen Sorgen und Fragen ermöglichen, therapeutinnen unser Team, das somit bereits auf sechs die während der aktuellen Krise auftauchen können. Fachkräfte gewachsen ist. Mittlerweile sind wir auch fast schon ein bisschen Teil des Spital Zollikerberg gewor- In dieser aussergewöhnlichen Situation zeigt sich einmal den. Wir nehmen an den Rapporten der medizinischen mehr die Wichtigkeit der interprofessionellen Vernet- Klinik teil, lernen fleissig die Namen der monatlich neu zung: Wir stehen in gutem Kontakt zur Personalkontakt- eintreffenden Assistenzärztinnen und -ärzte und bera- stelle der Stiftung Diakoniewerke Neumünster – Schwei- ten Teams im Umgang mit «schwierigen Patienten» oder zerische Pflegerinnenschule, den Ethikverantwortlichen belasteten Mitarbeitenden. Als weiteren Standort haben der Stiftung und des Spitals sowie der Spitalseelsorge. wir am Spital Männedorf Anfang Jahr die psychologisch- Gemeinsam haben wir ein Debriefingangebot etabliert, psychotherapeutische Betreuung von Patientinnen welches Mitarbeitenden und deren Teams zur Verfü- und Patienten der Palliativ- und geriatrischen Akutsta- gung steht, welche mit schwierigen Situationen konfron- tion übernommen. tiert sind, namentlich im Rahmen von Triagierungsfra- gen rund um die begrenzten Beatmungsplätze. Ein Spital ist ein Mikrokosmos, eine «Welt für sich». Eige- ne Regeln und Gesetze – geschriebene und ungeschrie- Auch im Spital Männedorf bieten wir Gespräche für bene – strukturieren dieses hochkomplexe, kybernetische Mitarbeitende und Teambesprechungen beispielsweise Gebilde. Die Prozesse sind exakt aufeinander abge- auf der Intensivpflegestation an. stimmt, die Schnittstellen optimiert und – im Zeitalter der wettbewerbsorientierten Medizin – auf Effizienz getrimmt. Um den Stellenwert der psychischen Gesundheit während der aktuellen Krise zu unterstreichen, verfassten wir ein Und dann kommt Corona und verändert alles. In kür- Merkblatt mit einigen Verhaltensempfehlungen. Dieses soll zester Zeit werden gewohnte Abläufe auf den Kopf helfen, den Fokus auf die eigenen seelischen Bedürf- gestellt, technische und räumliche Anpassungen vorge- nisse zu lenken und etwas Orientierung zurückgeben. 4
Dr. phil. lic. phil. Simona Högstadius, Dr. med. Andreas Kiss, Leitende Ruedi Schweizer, Leitender Psychologin Ärztlicher Leiter Psychologe «Wenn ein Baby geboren wird, wird «Gerade in der Coronakrise ist die «Diagnostische Klarheit kann Be- auch eine Mutter geboren: Es ist psychische Gesundheit der Spital- troffenen und Angehörigen helfen, mir ein grosses Anliegen, Frauen mitarbeitenden von fundamentaler mit einer Demenzerkrankung (und Männern) in ihrem An- Bedeutung. Eine unserer zentra- besser umzugehen. Auch deshalb passungsprozess eine menschliche len Aufgaben ist es, dafür zu sensi- biete ich im Zentrum für psy- und fachkompetente Begleiterin bilisieren und unsere Fachkom- chische Gesundheit neuropsycho- zu sein.» petenz zur Verfügung zu stellen.» logische Untersuchungen an.» lic. phil. Dr. med. Irene Aeppli, Jens Wagner, Leitende Rahel Bucher, Leitender Arzt Psychologin MSc «Psychisch vorbelastete Menschen «Die Konfrontation mit einer Krebs- «Mich fasziniert der interdisziplinä- reagieren auf die aktuelle Verun- Erkrankung bedeutet häufig auch re Austausch innerhalb der Be- sicherung wenig vorhersehbar: eine existentielle Krise. Psychothe- handlungsteams. So findet zusam- Die einen leiden verstärkt, andere rapeutische Unterstützung kann men, was zusammen gehört – stabilisieren sich paradoxerweise. helfen, dem Entstehen einer psychi- nämlich die körperliche, seelische In allen Fällen biete ich vertrauens- schen Erkrankung vorzubeugen.» und soziale Perspektive auf den volle Konstanz in der therapeu- einzelnen Menschen.» tischen Beziehung.» Die nächsten Monate werden anders sein als bisher. Wie, nalität begegnen: Dr. phil. Simona Högstadius wird wissen wir alle nicht genau. Die Verunsicherung wird sich dem Thema der perinatalen Psychologie und Psycho- anhalten. Die wirtschaftlichen Folgen werden auf psycho- therapie widmen. Lic. phil. Andreas Kiss bietet neu- sozialer Ebene erst verzögert spürbar. Wir stellen uns ropsychologische Demenzabklärungen an und ist dieser am Zentrum für psychische Gesundheit darauf ein, flexi- Rolle eng affiliiert mit den geriatrischen Akutstationen bel auf die Bedürfnisse einzugehen, denen wir in den der Spitäler Zollikerberg und Männedorf. Im Spital Männe- nächsten Monaten begegnen werden. Weiterhin werden dorf ist auch lic. phil. Irene Aeppli anzutreffen. Sie wir telefonische Behandlungen anbieten für Menschen betreut die Patientinnen und Patienten der Palliativstation der Risikogruppe oder solchen, die dieses Therapiesetting in enger interprofessioneller Zusammenarbeit mit dem in den vergangen Wochen als nützlich erlebt haben. Palliativteam. Rahel Bucher, MSc, bereichert seit Anfang April unser Team. Sie bringt unter anderem psycho- In der ganzen Debatte droht aber bisweilen unterzuge- onkologische Erfahrung mit und kennt den Mikrokosmos hen, dass viele psychische Probleme, Krankheiten und Spital aus langjähriger Tätigkeit bestens. Alle Mitarbei- Lebenssituationen auch mit Corona fortbestehen. Krebs tenden übernehmen neben ihren Spezialgebieten ambu- betrifft weiterhin rund einen Drittel aller Schweizer, lante allgemeinpsychiatrische / -psychotherapeutische Demenzen schreiten bei Betroffenen unbeeindruckt vom Abklärungen und Behandlungen am Standort Zollikerberg. Virus weiter voran und auf der Geburtsabteilung wer- den weiterhin täglich Kinder (und mit ihnen auch Mütter Ruedi Schweizer und Väter) geboren. Mit unseren neuen Mitarbeitenden Ärztlicher Leiter, Zentrum für Psychische Gesundheit wollen wir diesen Menschen mit Empathie und Professio- 5
«Wir lernen gerade sehr viel» Wie hat sich die Corona-Krise wegstecken. Andere beschäftigt die dige Distanz einhalten kann. Das auf den therapeutischen Alltag aus- Krise sehr und sind bedrückt. Es funk tioniert, ist aber tatsächlich et- gewirkt? gibt Patienten, deren Wohlbefinden was befremdlich. Es ist nicht die Dietmar Hansch: Die Patientinnen stärker von Aussenfaktoren ab- gewohnte Kommunikationsnähe, die und Patienten sind grundsätzlich hängt und entspre- ein natürliches und besorgter. Die Krise beschäftigt sie. chend mehr leiden. wechselseitiges Mit- Daher sind sie im therapeutischen Extreme Angst auf- schwingen erlaubt. Prozess teilweise abgelenkt und ein- grund der Corona- Ich kann zum Bei- geschränkt. Paargespräche zum Krise nehme ich spiel bei schlech- Beispiel können wir nur unter spe- aber nicht wahr. Ich tem Licht die Mimik ziellen Bedingungen durchführen. würde es eher als des Patienten we- Zudem mussten wir zwischenzeitlich Sorge bezeichnen. Es niger gut erkennen. verschiedene Therapien wie Physio- beschäftigt einen Das Besondere der therapie oder Shiatsu absetzen. Auch gedanklich. Die Ge- Situation, in der wir die Benutzung des Fitnessraums fahr ist ja auch schwer fassbar, uns befinden, ist präsent. Ja, es hat oder der Sauna war eingeschränkt. abstrakt, solange man nicht direkt einen beeinträchtigenden Effekt. Wahr- Schliesslich durften Angehörige davon betroffen ist. scheinlich gewöhnt man sich ein die Klinik nicht betreten, das heisst, Stückweit daran. sie konnten die Patienten nur auf Halten sich die Patienten an die einem Spaziergang ausserhalb der Massnahmen wie Social Distancing? In solchen Krisen ist Angst ein Hohenegg treffen. Dies waren Ein- Mehrheitlich ja. Natürlich gibt es grosses Thema. Es beschäftigt nicht schränkungen, die den therapeuti- einzelne – wie in der ganzen Gesell- nur psychisch kranke Menschen. schen Prozess behinderten. Es gab schaft –, die etwas sorglos sind. Was ist wichtig im Umgang mit vor allem zu Beginn der Krise viele Diese Patienten machen wir dann Angst? Umstellungen im Betrieb, wir muss- ein fach darauf aufmerksam, dass Ich sollte mich nicht den inneren ten die Organisation laufend neu jus- sie sich an die Regeln halten müssen. katastrophisierenden Automatismen tieren, Vorgaben des BAG und der Wir erleichtern das Einhalten der überlassen, sondern versuchen, ei- Gesundheitsdirektion umsetzen. Das Massnahmen auch, indem die Pati- nen Schritt zurückzutreten und mir brachte einige Unruhe. enten zum Beispiel sozusagen in beruhigende Gedanken bewusst Schichten essen – dann sind weniger machen, wie zum Beispiel: «Ich ge- Gibt es weitere besondere Mass- Leute auf einmal am Buffet. höre nicht zu einer Risikogruppe. nahmen? Die Gefahr ist also klein, dass mir Wir versuchen, unnötige Kontakte Wie schwierig ist es, dass Angehö- etwas passiert. Ich kann mich zu- zu vermeiden. Die Teilnehmerzahl rige und Freunde die Patienten nur dem gut schützen.» Risikopatienten bei Gruppenveranstaltungen wird eingeschränkt besuchen können? mit Vorerkrankungen wiederum reduziert, um mehr Abstand zu er- Das ist ganz unterschiedlich, kann können sich sagen: «Ich gehöre zwar möglichen. Die Einführung von aber natürlich sehr schwierig sein. Ein einer Risikogruppe an, aber auch Reflexionsgruppen ist in Planung, Patient zum Beispiel hat eine Freun- ich kann mich durch entsprechendes um die massiven Veränderungen, din zu Hause, die jetzt alleine ist und Verhalten besonders gut schützen.» mit denen wir alle konfrontiert sind, der es deshalb sehr schlecht geht. Natürlich ist eine Selbstisolation psy- gemeinsam zu verarbeiten. Die Das belastet ihn sehr. Aber wie ge- chisch nicht einfach. Kontakte nach aussen finden wo sagt, das ist sehr individuell und immer möglich über das Telefon kann nicht verallgemeinert werden. Wie wichtig sind Ressourcen? statt. Wichtig. Man sollte sich die eigenen In einer Therapie müssen Sie Ressourcen bewusst machen und Wir reagieren die Patientinnen einen grösseren Abstand einhalten. sie pflegen. Bewegung, guter Schlaf, und Patienten darauf? Wie erleben Sie das? soziale Kontakte – auch über Tele- Sehr unterschiedlich. Es gibt Patient- Ich habe meinen Stuhl etwas nach fon und digitale Medien – stärken die innen und Patienten, die das gut hinten gerückt, damit ich die notwen- Ressourcen. Und alles, was von 6
der Krise ablenkt, was man gerne tut, folgen. Das ist der Gesundheit konnte nicht mehr ins Fitnesstrai- was einen fasziniert, ist ebenfalls abträglich. Sinnvoll ist ein bewusster ning gehen. Ich habe das eigene Kör- sinnvoll: ein spannendes Buch lesen, Medienkonsum: ein- bis zweimal pergewicht als Trainingsgerät wie- Musik hören, Spielen oder Spazie- täglich sich in Qualitätsmedien über derentdeckt, mache Klimmzüge am ren. Schliesslich dürfen wir nicht ver- den Stand der Dinge informieren. Geländer im Treppenhaus und gessen: Im Kern sind wir immer Liegestütze. Das geht auch und hat noch Wildtiere und für den Umgang Menschen, die Angst haben, seinen eigenen Charme. mit solchen Naturgefahren gut auf- kommen häufig ins Grübeln, gestellt. Wir haben ein leistungsfähi- steigern sich gedanklich in etwas Und wir sind langsamer unterwegs. ges Immunsystem. Zudem zeigt hinein. Was können sie tun? Wir entschleunigen unseren Alltag die Geschichte, dass die Menschen im Aktiv sein, ins Handeln kommen. und üben uns in Langsamkeit. Das Umgang mit Katastrophen grosse Etwas tun, was man als sinnvoll er- hat viel Gutes. Wir sind zurück- Bewältigungskapazitäten aufweisen. achtet. Wer von einem Mundschutz geworfen auf das Wesentliche. Wir Die Krise wird am Schluss viel- überzeugt ist, soll sich einen Mund- müssen lernen, mit uns zurecht- leicht auch etwas Gutes haben. Als schutz besorgen, das gibt ein gutes zukommen, können uns weniger ab- Gesellschaft werden wir für kom- Gefühl und einen gewissen Schutz lenken durch Aktivismus. Und wir mende Ereignisse besser aufgestellt bei richtigem Gebrauch. Wer zu- haben Zeit für Lektüre und die Pfle- sein – in Bezug auf den Katastro- hause ist, kann irgendwelche Arbei- ge von Beziehungen. phenschutz und den Umgang mit ten anpacken, etwas tun, was er solchen Gefahren. schon lange machen wollte: malen, Was heisst: zurückgeworfen sein aufräumen, schreiben, kochen, auf das Wesentliche? Der übermässige Medienkonsum Dinge reparieren, was auch immer. Zu lernen, dass wir Glück und Zufrie- trägt nicht zu einer Beruhigung bei. Wer in Kurzarbeit ist, könnte ir- denheit auch aus inneren Quellen Die Medienhygiene ist eine weitere gendwo helfen, zum Beispiel für älte- beziehen. Wir sollten diese Quellen wichtige Massnahme, um mit einer re Menschen einkaufen, sich bei pflegen und ausbauen. Das kann Krise zurechtzukommen. Gerade der Gemeinde für Freiwilligenarbeit heissen: Ich meditiere, schreibe Tage- psychisch kranke Menschen, aber melden. Handeln ist ein wirksames buch, lese mal wieder ein dickeres auch andere, sollten sich den Mittel gegen Angst. Buch, nehme mir Zeit fürs Nachden- ken und philosophische Fragen. Wir erfahren dadurch, dass das Abrü- cken von einem aussenreizgetrie- benen Leben, der Verzicht auf Medien und Konsum den inneren Raum für wirkliche Erfüllung öffnet. Normalerweise haben wir Schwierig- keiten, uns von all den Reizen ab- zugrenzen, weil die Angebote verlo- ckend sind und uns kurzfristig belohnen. Die Krise zwingt uns nun zu einer langsameren Gangart, so haben wir Gelegenheit, Ressourcen aufzubauen. Viele erleben den Konsumverzicht und den etwas ru- higeren Alltag als bereichernd und nachhaltig. zum Teil fragwürdigen Informatio- Was lernen wir in einer solchen nen nicht aussetzen. Es gibt so Krise, und was nehmen wir mit für Dr. med. Dietmar Hansch viele schwachsinnige und irreführen- die Zeit danach? Leitender Arzt und Leiter Schwer- de Beiträge, Verschwörungstheo- Die Krise kann ein Training im punkt Angsterkrankungen rien und Fake News. Zudem bringt Einüben von Flexibilität sein: aus her- es nichts, stündlich im Newsticker kömmlichen Mustern ausbrechen, Interview: Rolf Murbach die Katastrophenmeldungen zu ver- Neues ausprobieren. Ich zum Beispiel 7
Schreibwerkstatt: Das Leben zur Sprache bringen Über Ostern hat die Privatklinik gezeigt, dass Schreiben eine bewährte Methode ist, Hohenegg für Patientinnen und um Emotionen und Erlebtes zu verarbeiten. In vielen The- rapien ist das Verfassen von Texten üblich. Patienten mehrere Schreibwerkstätten angeboten. Wegen Corona in Die Privatklinik Hohenegg hat über Ostern unter der Kleingruppen. Das Angebot hat Leitung von Rolf Murbach mit Patientinnen und Patienten grossen Anklang gefunden. mehrere Schreibwerkstätten durchgeführt. Sie haben kurze Texte geschrieben, Erlebtes festgehalten, mit Sprache Schreiben schärft die Wahrnehmung und bereichert das und Geschichten experimentiert und ihre Schreiberfah- Leben. Und Schreiben kann im therapeutischen Pro- rungen ausgetauscht. Die Patienten haben, wie Rück mel- zess äusserst hilfreich sein. Wenn Menschen aufschreiben, dungen zeigten, diesen Workshop als äusserst anregend was sie beschäftigt, fühlen sie sich oft besser, erken nen und bereichernd erlebt. Die Privatklinik Hohenegg klärt Zusammenhänge, erinnern sich und können Erlebtes neu nun ab, ob sie für ihre Patientinnen und Patienten einordnen. Wissenschaftliche Untersuchungen haben künftig regelmässig Schreibwerkstätten anbieten will. Blick in die Zukunft: Symposium 2021 Aufgrund der Ereignisse im Zusammenhang mit die fernere Zukunft ist noch nicht möglich. Den- Covid-19 musste das für den 25. August 2020 geplan- noch sind wir zuversichtlich, dass im nächsten Jahr te öffentliche Symposium zu unserem grossen am Donnerstag 9. September 2021 ein neues Bedauern abgesagt werden. Doch wir nutzen exakt öffentliches Symposium zu dieser grundlegenden diesen Tag: Im internen interprofessionellen Rah- Thematik stattfinden kann. So bald es möglich men widmen wir uns in kleinen Arbeitsgruppen der sein wird, werden wir dazu nähere Informationen Frage «Was macht gute Behandlung in Psychiatrie, veröffentlichen. Psychotherapie und Psychologie aus?» Der Blick in Privatklinik Hohenegg AG Hohenegg 1 Behandlungsschwerpunkte Angsterkrankungen 8706 Meilen Dr. med. Dietmar Hansch Tel +41 44 925 12 12 privatklinik@hohenegg.ch Depressive Erkrankungen Alterspsychotherapie Dr. med. Caesar Spisla Dr. med. Katrin Merz www.hohenegg.ch Burnout und Belastungskrisen Psychosomatische Erkrankungen Dr. med. Sebastian Haas Prof. Dr. med. Stefan Büchi 8
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