PROGRAMMZEITUNG UNABHÄNGIG & VIELSEITIG SEIT 1987 KULTUR IMRAUMBASEL

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PROGRAMMZEITUNG UNABHÄNGIG & VIELSEITIG SEIT 1987 KULTUR IMRAUMBASEL
unabhängig & vielseitig seit 1987

   ProgrammZeitung
                                                                                                                                                     CHF 8.80 | EUR 8.00

                                                                                                                                          März 2019 | Nr. 348
                                                                                                 Kultur   im Raum Basel
    Filmstill aus ‹Satchmo the Great›, Dok 1957 (Louis Armstrong), Stadtkino Basel > S. 10, 41

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PROGRAMMZEITUNG UNABHÄNGIG & VIELSEITIG SEIT 1987 KULTUR IMRAUMBASEL
RAPPAZMUSEUM
       präsentiert:

       Markus Gruber
       Quadrat & Zwischenraum
       Retrospektive über 30 Jahre fotografische Bilder
       Die Ausstellung zeigt in drei Räumen drei Themen aus
       dem Gesamtwerk des Künstlers:
       Wandmalerei Poesie – Irritation
       Zwischenräume – Hebräische Schriftzeichen
       Artefakte – Fehler
       Markus Gruber lebt und arbeitet in Basel;
       nach dem Studium an der Kunsthochschule Hannover
       stellte er seine Arbeiten in der Schweiz, Deutschland
       und Kanada aus.

       Vernissage Donnerstag, 7. März 18 – 20 Uhr
       Einführung 18:15 Michèle M. Salmony di Stefano
       Ausstellung 7.3.2019 – 7.4.2019
       Musik David Klein Trio
       Finissage Samstag, 6.4.2019, 11–17 Uhr
       Öffnungszeiten Fr 11–18, Sa/So 11–17 Uhr

       Tram 6, 8, 14, 15, 17, Bus 31, 34, 38 bis Rheingasse

                   RAPPAZMUSEUM
                   Klingental 11, CH-4058 Basel
                   0041-(0)61 681 71 21
                   www.rappazmuseum.ch

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PROGRAMMZEITUNG UNABHÄNGIG & VIELSEITIG SEIT 1987 KULTUR IMRAUMBASEL
HAUSKULTUR
         Dagmar Brunner

           Seit dem 25. Januar sind wir an unserem neu-
         en Verlagsdomizil – und es fühlt sich gut an!
         Viel Sonne ist uns hier beschieden, im Winter
         eine Wohltat. Der Strassenlärm ist dank gut iso-
         lierter Fenster erträglich. Und zur Verpflegung
         steht im Hauptbau unter der Kuppel die ganze
         Weltküche zur Auswahl. Aus unseren Ex-Büros
         sollen indes gemäss Mitte-Newsletter «5 Gäste-
         zimmer für kulturell Arbeitende» werden, in
         Kooperation (und finanziert?) «von betreffen-
         den kulturellen Institutionen» ...
           Ein wenig neu ist auch die Gestaltung unseres
         Heftes, aber falls Sie es nicht bemerkt haben, ist
         das ganz in unserem Sinn. Das Layout ist leicht
                                                                                                            Karl Stauffer, Lydia Welti-Escher und Gottfried Keller,
         überarbeitet, vielleicht etwas ‹lauter› als zuvor,                                                 1886, Gottfried Keller-Stiftung/Kunsthaus Zürich
         die Schriften und Schriftgrössen sind freilich

                                                              Der Kunst verpflichtet
         dieselben. Die Reaktionen darauf waren bisher
         fast ausschliesslich positiv.
           Zuschriften von Lesenden freuen uns immer,
         vor allem so nett formulierte wie diese, die auf     Dagmar Brunner
         unser neues Gefäss ‹Jura culturel› reagiert hat:
         «Endlich eine Kolumne über den Jura! Darauf          Editorial.
         habe ich schon lange gewartet. Schliesslich ver-       Sein Name ist heute noch präsent, wenngleich sein Werk (leider) wohl
         bindet Basel mit dem Jura nicht nur eine lange       kaum über die Schullektüre hinaus gelesen wird: Gottfried Keller. Im Juli
         Geschichte, sondern die Verbindung mit dem           jährt sich sein 200. Geburtstag, was Anlass für verschiedene Würdigungen
         Jura zeigt sich auch daran, dass immer wieder        ist (> Spalte S. 17). Den Namen des Dichters trägt ferner eine Stiftung, von
         etliche Kunst-/Kulturschaffende im Jura hei-         deren Schätzen derzeit Ausstellungen in Zürich, Lugano und Chur zeugen.
         misch geworden sind.» > S. 24.
                                                              Dabei geht es nicht um Literatur, sondern um Schweizer Kunstwerke aus
           Eine andere Reaktion hat uns etwas irritiert,
                                                              verschie­de­nen Bereichen und Epochen, vom 12. bis zum 20. Jahrhundert.
         weil wir sonst eher das Gegenteil hören. Ein
         Schnupperleser beklagte in unserem Heft die          Neben Gemälden und Skulpturen werden auch Fotografien, Glasmalereien,
         «fehlende Vielfalt» und dass «Kommerzielles          Kirchen- und Klosterinventar etc. gesammelt.
         überwiegt». Nun, man kann es eben nicht allen          Die 1890 gegründete Stiftung verdankt sich einer Frau, die gebildet, be-
         rechtmachen.                                         gabt und wohlhabend war, aber durch fatale Beziehungen ein grausames
           Während die ‹BaZ› einen neuen Chefredak-           Los erlitt: Lydia Welti-Escher (1858–1891). Die Tochter des dynamischen
         tor hat, der seine Zeitung «die beste der Welt»      und allzu mächtigen, letztlich glücklosen Zürcher Politikers und Unterneh-
         findet, die ‹WOZ› mit der neuen Magazin-Bei­         mers Alfred Escher war kunstinteressiert und unterstützte schon früh ihren
         lage ‹wobei› punktet, muss die ‹Annabelle› mit       verwitweten Vater in geschäftlichen Dingen und der Führung eines Herr-
         14 Kündigungen (inkl. Chefredaktorin) fertig
                                                              schaftshauses. 1883 heiratete sie den Bundesratssohn Friedrich Emil Welti
         werden. Und in Basel brodeln Gerüchte und zir-
                                                              und lernte dessen ehrgeizigen Jugendkollegen und Maler Karl Stauffer ken-
         kulieren Konzepte über ein Nachfolgeprojekt
         der ‹TagesWoche› bzw. ein neues Onlinemaga-          nen, der von Lydia sowie von Familienfreund Gottfried Keller und anderen
         zin. Wir sind gespannt!                              Persönlichkeiten, berühmt gewordene Porträts schuf (> Abb.).
                                                                Das Ehepaar Welti-Escher unterstützte Stauffer grosszügig, doch als Lydia
                                                              aus ihren bürgerlichen Pflichten ausbrechen und mit dem Künstler durch-
                                                              brennen wollte, wurden die Liebenden über den langen Arm von Bundesrat
                                                              Welti drakonisch bestraft: sie mit Irrenhaus, er mit Gefängnis. Beide zerbra-
                                                              chen daran und nahmen sich das Leben. Über diese tragischen Ereignisse
                                                              und ihre Hintergründe sind mehrere Bücher erschienen, u. a. ein intensiver,
                                                              einfühlsamer historischer Roman von Lukas Hartmann, der das Schicksal

          Inhalt
                                                              Lydias u. a. aus der Optik ihrer Dienstbotin und in einer Epoche voller Auf-
                                                              und Umbrüche schildert. Spannende Lektüre, die viel über Schweizer Ge-
                                                              schichte und Mentalität erzählt.
         Kultursplitter	                               5       Lydia Welti-Eschers letzte Tat, die Gründung der Gottfried Keller-Stiftung
                                                              zur Förderung von Schweizer Kunst, hat indes prächtige Früchte getragen,
         Redaktion	                                    7     aber ihren Wunsch, damit die «Selbständigmachung des weiblichen Ge-
                                                              schlechtes – wenigstens auf dem Gebiete des Kunstgewerbes» zu fördern,
         Kulturszene	                                26
                                                              konnte sie nicht durchsetzen. Im Stiftungsbesitz befinden sich heute rund
         Agenda	                                     46      6500 Kunstwerke, die landesweit auf rund 100 Museen und Einrichtungen
                                                              verteilt sind, darunter nur sehr wenige Arbeiten von Frauen, immerhin u. a.
         Kurse	                                      73      von Meret Oppenheim, Angelika Kauffmann, Alice Bailly ...
         Impressum	                                  73      Ausstellung ‹Glanzlichter der Gottfried Keller-Stiftung›: bis Mo 22.4., Zürich,
                                                              www.landesmuseum.ch. Publikation: ‹Meisterwerke der Gottfried Keller-Stiftung›,
         Kunsträume	                                 75      Verlag Scheidegger & Spiess, Zürich. 216 S., 106 Abb., br., 19 x 26 cm, CHF 39
                                                              Ausstellung ‹Hodler, Segantini, Giacometti›: So 24.3. bis So 28.7., Lugano,
         Museen	                                     77      www.masilugano.ch
                                                              Ausstellung ‹Martin Disler. Die Umgebung der Liebe›: bis So 26.5., Chur,
         Bars & Restaurants 78 – 79                          www.buendner-kunstmuseum.ch
                                                              Roman: Lukas Hartmann, ‹Ein Bild von Lydia›, Diogenes, 2018. 368 S., Ln., CHF 32
                                                              Sachbücher von Joseph Jung und Willi Wottreng

 3        März 2019      ProgrammZeitung

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PROGRAMMZEITUNG UNABHÄNGIG & VIELSEITIG SEIT 1987 KULTUR IMRAUMBASEL
KULTURSPLITTER
  MONATSTIPPS DER MAGAZINE aus Aarau (AAKU), Bern (BKA), Luzern (041), Olten (AUSGEHEN),
  St. Gallen (Saiten), Vaduz (KuL), Winterthur (Coucou) und Zug (ZugKultur)

                                                                                                                                                Filmstill aus ‹Coyote›
                                                                                     Foto: Nathi Jufer
  Walliser Rapperin in Aarau                  Frauen an den Bass                                         Bewegte Bilder                                                  Lily Horn Is Born –
  Amerika trifft aufs Wallis. Litera-         Ester Poly, Weird Beard, Aul:                              Die Oscars waren gestern: Die                                   Saxophonquartett
  rische Wucht auf eine Weltmeis-             Dies sind nur einige der Bands,                            Albert Koechlin Stiftung vergibt in                             Zwischen 2000 und 2007 spielten
  terin. Mit Reverie aus Los Angeles          bei denen die Bündner Musikerin                            diesem Jahr die Innerschweizer                                  die vier Saxophonistinnen Kon-
  und KT Gorique aus Sion treffen             Martina Berther mitwirkt. Die                              Filmpreise an mehrere Zentral-                                  zerte in der Schweiz, in Europa
  in Aarau zwei Rapperinnen                   experimentierfreudige Bassistin                            schweizer Filmemacherinnen und                                  und in Japan. Diese mit viel
  aufeinander, die Hip-Hop-                   bewegt sich mühelos zwischen                               Filmemacher. In diesem Rahmen                                   Herzblut unterlegte Kontinuität
  Geschichte schreiben.                       Pop, Jazz und Noise. Von                                   finden während zweier Tage                                      beflügelte das Quartett zu
  KT Gorique (Bild) kam mit                   Bee-Flat im Progr erhält sie für                           öffentliche Diskussionsrunden                                   charmanten und witzigen
  11 Jahren von der Elfenbeinküste            drei Konzerte eine Carte Blan-                             und Vorträge statt und es werden                                Improvisationen innerhalb ihrer
  in die Welschschweiz. Ihre                  che. Am ersten Anlass der Reihe                            alle prämierten Filme gezeigt.                                  Eigenkompositionen und
  blitzgescheiten Texte schweben              formiert sie sich zusammen mit                             Am Samstag findet zudem ein                                     Arrangements. Und dann ist
  über Musik, die sich irgendwo               den Musikerinnen Vera Kappeler                             Podium zur Frage ‹Wozu Film-                                    plötzlich Schluss. Zehn Jahre
  zwischen Old-School-Hip-Hop,                und Camille Emaille und dem                                kritik?› statt, präsentiert vom                                 später treffen sie sich spontan
  Reggae und Dubstep bewegt und               Musiker Hans Koch zum                                      ‹041 – Das Kulturmagazin›.                                      zum Proben und Lily is Re-Born
  den Hip-Hop-Machos das                      Mini-Orchester.                                            Sa/So 9./10.3., Innerschweizer                                  again.
  Fürchten lehren.                            Mi 27.3., 20.30, Reihe bis So 12.5.,                       Filmpreis, Eintritt Tagesticket: CHF 10,                        So 17.3., Vario Bar, Olten,
                                              Turnhalle im Progr, Bern,                                  Sa 9.3., 12.30, Podiumsgespräch                                 www.variobar.ch, www.lilyhorn.ch
  Fr 1.3., 21 h, Kiff, Aarau, www.kiff.ch
                                              www.bee-flat.ch                                            ‹Wozu Filmkritik?›, Bourbaki Luzern,
                                                                                                         Löwenplatz 11, Luzern,
                                                                                                         www.innerschweizerfilmpreis.ch

  Laut, Luise, Lechts und                     1. Liechtensteiner                                         ‹Wohin, Flüchtling?›                                            Primavera Festival
  Rinks                                       Jazzfestival                                               In den letzten Jahren war auf der                               Ziellos durch die Nacht stolpern,
  Das St. Galler Literaturfestival            Die Tangente und das TAK                                   Beiruter Flarniermeile Corniche                                 und überall spielt die Musik: Das
  Wortlaut findet Ende März zum               Theater Liechtenstein richten                              ein Satz omnipräsent: ‹Gibst du                                 Zuger Primavera-Festival dauert
  11. Mal statt. Während vier                 2019 gemeinsam das 1. Liech-                               mir Geld? Ich bin aus Aleppo.›                                  zwar nur einen Abend, aber
  Tagen werden Geschichten                    tensteiner Jazzfestival aus!                               Aleppo – Mantra des Schre-                                      packt Konzerte für einen ganzen
  wieder zu lauten, klingenden                Ziel des Festivals ist, Liechten-                          ckens. Die Stadt ist seit Kurzem                                Frühling aus. In 15 Bars und
  Worten: Da lassen Comic-Autorin-            steiner Jazzkünstler/innen                                 wieder erreichbar, doch nun                                     Restaurants in der Zuger Altstadt
  nen ihre Zeichnungen zu Wort                zusammenzubringen und ihrem                                besteht die Gefahr des Verges-                                  spielen Bands aus Zug, der
  kommen, es reden und singen                 weit gefächerten Schaffen im                               sens. Das Kino Nische erinnert                                  Schweiz und Übersee jeweils
  Kaberettisten, Spoken-Word-                 Bereich des Jazz eine Plattform                            mit der Filmreihe ‹Wohin,                                       den ganzen Abend lang. Also
  Poeten performen die Sprache                zu bieten. Das Publikum kann so                            Flüchtling?› einen Monat lang an                                eintauchen und mitfeiern, es ist
  und Autorinnen lesen aus ihren              an einem Wochenende in die                                 die grösste Flüchtlingskrise seit                               Frühling!
  aktuellen Werken. Ein Fest, das             vielfältige Jazzszene Liechten-                            dem Zweiten Weltkrieg.                                          Fr 29.3., ab 17 h, Altstadt Zug,
  zu literarischen Entdeckungen               steins eintauchen und geballte                             Jeweils So 10., 17., 24. und 31.3.,                             www.primavera.waldstock.ch
  und Grenzüberschreitungen                   Festival-Atmosphäre erleben.                               ‹Wohin Flüchtling?›, Kino Nische,
                                                                                                         Winterthur, www.kinonische.ch                                   Bild: Der Zuger Künstler Etienne Merula
  einlädt.                                    Sa 23. und So 24.3., Liechtenstein,
  Do 28., bis So 31.3., Wortlaut 2019,        Tickets: www.tak.li und www.tangente.li
  div. Orte in St. Gallen, www.wortlaut.ch

  Bild: Anna Stern, Lesung am Sa 30.3.,
  14 –14.45, Hauptpost, Raum für Literatur,
  St. Gallen

 5        März 2019      ProgrammZeitung

Redaktion-März_S.2-25.indd 5                                                                                                                                                                                20.02.19 08:49
PROGRAMMZEITUNG UNABHÄNGIG & VIELSEITIG SEIT 1987 KULTUR IMRAUMBASEL
Männer begegnen Männern       2018/19
                               MO 15. Okt.   Summer of Love
                               DI 13. Nov.   Der kranke Mann
                               MI 05. Dez.   Familienbande – starkes
                               		            Team oder Tatort?
                               DO 17. Jan.   Entscheidende Orte
                               		            im Leben
                               MO 11. Feb.   Zwischenbilanz – Festigung
                               		            oder Weichenstellung
                               MI 20. März   Grenzen in unserem Leben
                               Im Unternehmen Mitte Basel
                               jeweils 20.00 – 22.00 Uhr
                               www.baslermaennerpalaver.ch

Redaktion-März_S.2-25.indd 6                                         20.02.19 08:49
PROGRAMMZEITUNG UNABHÄNGIG & VIELSEITIG SEIT 1987 KULTUR IMRAUMBASEL
Jeder ist berufen,
                                                                                                                                            etwas in der Welt
                                                                                                                                            zur Vollendung zu bringen.
                                                                                                                                            ***
                                                                                                                                            Folge nicht
                                                                                                                                            den Fussspuren der Meister:

          Versuch einer Annäherung                                                                                                          Suche, was sie gesucht haben.

         Bruno Rudolf von Rohr

                               Richard Dindo würdigt den japanischen                              Dindo ist ein Tüftler in Sachen Literatur und Film; er schuf
                               Dichter Bashô.                                                   u. a. Werke zu Max Frisch, Arthur Rimbaud, Jean Genet und
                                 Anlässlich der Weltpremiere seines Films an den Solothur-      Franz Kafka. Doch diesmal will er mehr, nämlich zeigen,
                               ner Filmtagen stellte der 75-jährige Richard Dindo gleich zu     wie der dichterische Prozess vor sich geht und ihn in Bilder
                               Beginn fest: «Wir sind unter uns.» Damit meinte er die relativ   übersetzen, die der Poesie des Dichters würdig sind. Dabei
                               zahlreich anwesenden Damen und Herren älteren Semes-             muss er gestehen, dass er sich immer mehr von seinem
                               ters, an die sich ‹Die Reise des Bashô› vor allem zu richten     ‹rein› dokumentarischen Anspruch entfernt, denn sowohl
                               scheint. Dindo sieht seine fiktionalisierte Dokumentation        die Zitate als auch die Wahl des Hauptdarstellers und die
                               als eine poetisch-philosophische Betrachtung über die Zeit,      visuelle Gestaltung der Reise des Dichters tragen seine
                               das Leben, das Älterwerden und den Tod. Er zeichnet da-          Handschrift. Doch anstatt seine Aneignung von Bashôs Hai-
                               rin Bashôs letzte Reise nach, indem er aus den Reisetage­        kus und Reisetagebüchern resolut zum Thema des Films zu
                               büchern und Haikus des bedeutenden Dichters (1644–1694,          machen, vertraut er auf seine Bilder, die allerdings nicht die
                               eigentlich Matsuo Munefusa), leinwandtaugliche, zum Nach-        erwartete Dynamik entwickeln, es fehlt das Bindemittel. So
                               denken anregende Zitate zusammengetragen hat.                    wird der Film zu einem Kaleidoskop von hieratischem Bild-
                                 Drei Vehikel sollen dies ermöglichen: eine poetische Bild-     und Textmaterial und vermag sein Versprechen nicht ganz
                               sprache, die im Off gesprochenen Texte Bashôs und das            einzulösen.
                               Spiel des reisenden und Haikus kalligrafierenden, buddhi­s­      ‹Die Reise des Bashô› läuft ab Do 7.3. in den Kultkinos.
                               tischen Mönchs Hiroaki Kawamoto alias Bashô. Die Texte,          Zu zeitgenössischer Kalligrafie >S. 21
                               gelesen, manchmal mehr geraunt von Christian Kohlund,            Ausserdem: Der Dokumentarfilm ‹Immer und ewig› der Basler
                                                                                                Regisseurin Fanny Bräuning gewann den diesjährigen Prix de Soleure.
                               werden gleichsam zur sonoren Partitur. Ihr antworten oder        Die sehenswerte, anrührende Produktion folgt den Eltern der Filmerin
                               entsprechen als Gegenpart die von Dindo und seinem Ka-           auf einer ungewöhnlichen Reise.
                               meramann Roger Walch geschaffenen visuellen Räume,               Basler Filmtreff zum Thema ‹Serielles Erzählen – Einblicke in den
                               durch die sich Hiroaki Kawamoto auf seiner Reise, dem Tod        Writers Room von ‘Wilder’›: Mi 27.3., 18.30, Stadtkino Basel.
                                                                                                Mit Béla Batthyany, Moritz Gerber und Roberto Martinez, Moderation:
                               entgegen, bewegt.                                                Cyrill Gerber, www.balimage.ch
                               Vom Wort zum Bild.
                                                                                                Filmseminar mit Wolf Otto Pfeiffer: Sa 16./So 17.3., 10–17 h, Neues
                                 Meist sind es japanische Landschaften, in denen die Ele-       Kino Basel, Klybeckstr. 247, Anmeldung: www.zeitversiegelung.ch
                               mente den vordersten Platz einnehmen, aber auch Gross-
                               aufnahmen von Pflanzen und Insekten oder Bilder von In-          Matsuo Bashō, Zeichnung von Yosa Buson (rechts), und
                               nenräumen in perfekter Lichtführung. Es sind sehr schöne,        Filmstill aus ‹Die Reise des Bashô›
                               sorgfältigst kadrierte Bilder, die jenen meditativen Sog ent-
                               wickeln sollen, den man Bashôs Texten zuerkennt.

 7        März 2019      ProgrammZeitung

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PROGRAMMZEITUNG UNABHÄNGIG & VIELSEITIG SEIT 1987 KULTUR IMRAUMBASEL
INSIDE SRF KULTUR
   Niggi Ullrich

   Neues Storytelling kriegt das Land.
     Im Nachgang zur Februar-Kolumne über das
   Prinzip ‹Web first› entstand der Eindruck, dass
   bei SRF Kultur künftig oberflächlich anmutende
   Leichtigkeit von Bild und Ton geboten wird, an-
   statt Tiefgang, Reflexion oder wortbasierte Prä-
   zision. Die Skepsis über das scheinbare Primat
   der Inhalte auf dem Netz ist berechtigt. Wie
   auch die Sorge, dass die Beziehung zwischen
   den MacherInnen und dem Publikum sich im
   digitalen Irgendwo verlieren könnte.
     Die Stringenz aber, mit der die Planung und
   Realisation in der neuen Betriebsarchitektur am
   entstehenden SRF-Standort beim Meret Oppen-
   heim-Platz vorangeht, lässt darauf schliessen,
   dass alles getan wird, damit das künftige ‹Story-
   telling› den Inhalten jenen Raum gibt, um die
   Qualität und die Nähe zum Publikum zu ge-
   währleisten. Die Konvergenz – Verquickung von
   Radio, Fernsehen und Online – hat nicht nur
   eine technologische oder prozessuale, sondern
   auch eine inhaltliche respektive dramatur­gische
   Dimension.
     Vorbilder/-läufer gibt es. In Erinnerung sind
   die Programme zum Thema Gotthard anlässlich
   der Eröffnung des Eisenbahntunnels (2016)
   oder ‹Blackout› über die Annahme eines schweiz-
   weiten Stromausfalls mit allen nur vorstell­baren   Entwaffnend bis an die Zähne
   Implikationen (2017) oder das mehrwöchige
                                                       Nicolas von Passavant
   Angebot zum Reformationsjubiläum (2018). Die
   unterschiedlichen Programmkomplexe hatten
   etwas gemein: den Anspruch, dem breiten Pub-        ‹The Old Man & the Gun› ist eine                  Und wenn in Robert Redford das eigent­
   likum ein gesellschaftlich relevantes Thema         Hommage an Robert Redford.                        liche Ereignis des Films besteht, so ist die
   umfassend und generationenübergreifend auf            Die Motorhaube einer älteren Dame na-           nicht minder charmante Sissy Spacek seine
   informative, aufklärende, unterhaltsame Art         mens Jewel (Sissy Spacek) ist überhitzt. So       heimliche Überraschung.
   nahezubringen. Dies in unterschiedlichen For-       nimmt sie dankend an, als ein älterer Herr          So freundlich-souverän und im besten
   maten, auf allen Vektoren und immer in einer        ihr anbietet, sie mit dem Auto mitzunehmen.       Sinn altersgerecht-gemächlich wie die Dar-
   dicht-simultanen Agenda.                            Was sie nicht ahnt: Der hilfsbereite Mann,        stellenden kommt auch der Film daher: Das
     Quoten und Reichweite waren über den Alltag       Forrest Tucker, ist ein gewiefter Bankräuber      Erzähltempo ist unaufgeregt, aber nicht
   hinaus meist erfolgreicher und nachhaltiger als
                                                       und gerade auf der Flucht. Bei ihr angehal-       schleppend, die Musik sanft, aber nicht
   das gewohnte, tagesaktuelle Programm. Aber
                                                       ten hatte er eigentlich nur, um eine Reihe        süsslich, der Humor nie derb, Gewalt nie
   immer waren sie ein Kraftakt, weil die aktuellen
   Produktions- und Rezeptionsbedingungen für          von Polizeiautos an sich vorbeirauschen zu        wirklich brutal. Und weil der ganze Film
   integrales Storytelling (noch) nicht konditio-      lassen. Seine Überfälle wickelt er noch im-       im Dienst der Feier seines Hauptdarstellers
   niert sind. Aber sie haben die Legitimation des     mer höchst professionell ab, in Polizeibe­fra­    steht, lässt es sich Regisseur David Lowery
   Service-public-Auftrags von SRF immer neu ge-       gungen nach der Tat schildern die Bankan-         auch nicht nehmen, immer wieder alte
   stärkt. So macht es Sinn, dass die neue Betriebs-   gestellten ihn als ausgesprochen höflich – und    ‹Fahndungsfotos› von Tucker zu zeigen –
   architektur und -struktur von SRF Kultur so         glücklich.                                        tatsächlich natürlich Autogrammkartenbil-
   ausgelegt wird, dass die erwähnten Programm-          Den attraktiven Gentleman-Ganoven spielt        der des jungen Robert Redford.
   typen nicht mehr nur die Ausnahme sind, son-        Robert Redford, nach eigenen Aussagen soll          Wer Redford in seinen Paraderollen sehen
   dern zur Gewohnheit werden könnten.                 es sein letzter Film sein. 83 Jahre alt, war er   will, ist mit Klassikern wie ‹The Sting›, ‹All
   Niggi Ullrich ist Präsident der SRG Region Basel    fast 60 davon auf der Leinwand zu sehen,          the President’s Men› oder ‹The Horse Whis-
                                                       und von der ersten Szene an wirkt er in           perer› nach wie vor gut bedient. ‹The Old
                                                       blauem Anzug und mit Streifenkrawatte             Man & The Gun› ist kein bahnbrechendes
                                                       charmant wie eh und je.                           Meisterwerk, aber dennoch sehr vergnüg-
                                                       Vergnüglicher Krimi.                              lich, und dies eben zuallererst, weil Red-
                                                         ‹The Old Man & the Gun› basiert auf wah-        fords Talent und Ausstrahlung auch noch
                                                       ren Ereignissen. Das ist aber unbedeutend,        in seinem hohen Alter einen Film tragen
                                                       denn der Film besticht weniger durch seine        können.
                                                       durchaus unterhaltsame und kurzweilige            ‹The Old Man & the Gun› läuft ab Do 7.3. in den
                                                       Handlung als durch die Schauspieler: Das          Kultkinos.
                                                       sind in Nebenrollen Casey Affleck als Poli-
                                                       zist, der Forrest Tucker nicht ohne eine ge-
                                                       wisse Sympathie jagt, sowie Tom Waits und         Filmstill aus ‹The Old Man & the Gun›
                                                       Danny Glover als Gangster-Kollegen. Wirk-
                                                       lich stimmungsvoll wird es jedoch, wenn
                                                       Sissy Spacek und Robert Redford aufeinan-
                                                       dertreffen, denn zwischen den Überfällen
   Meret Oppenheim Haus, Foto: ProZ                    meldet sich Forrest immer wieder bei Jewel.
                                                                                                                                      ProgrammZeitung   März 2019   8
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PROGRAMMZEITUNG UNABHÄNGIG & VIELSEITIG SEIT 1987 KULTUR IMRAUMBASEL
Liebe mit viel Zynismus
         Clea Wanner

         Die Tragikomödie von Jeshua Dreyfus bietet
         Unterhaltung mit Biss.
           Sechs Jahre nach seinem erfolgreichen Debüt ‹Halb so wild›, einer Low-
         Budget-Produktion, meldet sich Jeshua Dreyfus zurück und gewinnt mit
         seinem aufwendigen Spielfilm ‹Sohn meines Vaters› prompt den Basler
         Filmpreis.
           Offenkundig aus seiner eigenen Biografie schöpfend, setzt der Jungregis-
         seur seine Hauptfigur in die Kreativszene und in eine chaotische jüdische
         Familie: Simon ist Illustrator und steckt mitten in einer Beziehungs- und
         Schaffenskrise. Sein Vater, ein erfolgreicher Psychiater, will mit Sonja – sei-
         ner ehemaligen Patientin, Sekretärin und Geliebten in einem – in die FKK-
         Ferien verreisen, was die Mutter wiederum tunlichst verhindern möchte.
         Anstatt sich von seiner Familie zu emanzipieren, verstrickt sich der Ju­nior
         immer mehr im Intrigennetz der Eltern und landet mit Sonja im Bett. Der
         stets einen Tick zu lässige Vater hat aber selbst dafür eine Erklärung,
                                                                                            HERKUNFTSFRAGEN
         schliesslich ist er Fachmann von offenen Beziehungen, und sein neuestes           Dagmar Brunner
         Buchprojekt ‹Liebe. Reale Utopie› wird absurderweise vom Sohnemann
         transkribiert. Dass der Apfel nicht weit vom Stamm fällt, wird klar, als          Interkulturelles Filmfestival.
         Simon nach dem Stelldichein von Sonja die gehäkelte Kippa aufgesetzt                Es ist stets gut besucht und zu einer schönen
         kriegt und als Ranghöchster das Brot bricht.                                      Tradition geworden, das Cinema Querfeld, das
         Zwischen Heuchelei und Auflehnung.                                                Einblicke in vielfältige menschliche Lebenswel-
           Vier Jahre lang, grösstenteils gemeinsam mit dem bekannten Regisseur            ten vermittelt. Von Mitgliedern verschiedener
                                                                                           Vereine und Privatpersonen ehrenamtlich orga-
         Marcel Gisler, hat Dreyfus an dem Drehbuch gearbeitet, um die bitterböse
                                                                                           nisiert, findet es in diesem Jahr zum 14. Mal statt
         Familiengeschichte auszufeilen. Auch im Casting wurde auf die Strategie
                                                                                           und bietet wieder einen ansprechenden Mix aus
         ‹Jung trifft auf Erfahren› gesetzt. Dani Levy, Meister der gut-jüdischen          filmischen und gastronomischen Leckerbissen.
         Komödie (Regie: ‹Alles auf Zucker!›), spielt überzeugend den selbstverlieb-         Acht neuere Filme zum Thema Herkunft ste-
         ten Vater, während Sibylle Canonica als hysterische, manipulierende Mutter        hen diesmal auf dem Programm, darunter zwei
         brilliert. Einen Gegenpart zu diesen fast schon satirischen Figuren bilden        Dokumentarfilme. ‹La buena vida› von Jens
         die jungen Schauspieler. Dimitri Stapfer (‹Lasst die Alten sterben›) etwa         Schanze (2015) fokussiert auf eine Dorfgemein-
         schafft mit seiner physischen Präsenz und trotzdem weichen Art einen              schaft in Kolumbien, die wegen der Vergrösse-
         zugänglichen Antihelden. Der Spagat zwischen Überzeichnung und Realis-            rung einer Kohlenmine umgesiedelt werden soll.
         mus gelingt dabei nur teilweise.                                                  Die Bevölkerung ist skeptisch, doch die Besitzer
                                                                                           (u. a. Glencore) versprechen Fortschritt – mit
           Versöhnliche Bilder lenken allerdings auch nur ab, so der Regisseur, er
                                                                                           katastrophalen Folgen. Der Film wird vom Bas-
         will seine eigene Geschichte erzählen. Die dafür nötige Chuzpe bringt er
                                                                                           ler Mitproduzenten Frank Matter eingeführt.
         aber nicht immer auf: Streckenweise wirkt die Story gar voraussehbar und            Leichtere, aber ebenfalls berührende Kost ist
         die Szenengestaltung schablonenhaft. Biss hat der Film trotzdem. Selten           ‹Non ho l’età› von Olmo Cerri (2017). Gezeigt
         werden auf so unterhaltsame Weise die Heuchelei und Überheblichkeit, mit          wird, weshalb das Siegerlied einer jungen Ita-
         der die ältere Generation an ihren ideologischen Werten festhält, entlarvt.       lienerin am Eurovision Song Contest 1964 vor
         Dass dabei die Auflehnung der Jungen nur halbherzig ausfällt, macht den           allem die Herzen der ‹Gastarbeiter› in der
         Film erst zur ungeschönten Tragikomödie.                                          Schweiz bewegte und wie diese hier Fuss zu
         ‹Sohn meines Vaters› läuft ab Do 14.3. in den Kultkinos.                          fassen versuchten. Der Filmer wird zu Vorfüh-
                                                                                           rung und Gespräch anwesend sein.
                                                                                             Die sechs Spielfilme, einer davon auch für
                                                                                           Kinder, schildern z. T. schwierige Lebensum-
                                                                                           stände, aber auch hoffnungs- und freudvolle
                                                                                           Aspekte in unterschiedlichen Weltgegenden. Am
                                                                                           Freitagabend spielen zudem das Junge Thea­ter
                                                                                           Basel und minderjährige Asylsuchende gemein-
                                                                                           sam eine kurze Theaterszene. Das kulinarische
                                                                                           Begleitprogramm bietet u. a. kurdische, aser-
                                                                                           baidschanische, tibetische, arabische, bulgari-
                                                                                           sche und türkische Spezialitäten, die von den
                                                                                           Mitwirkenden gekocht werden. Auch das ‹Resto
                                                                                           du Cœur› des Treffpunkts Soup & Chill beteiligt
                                                                                           sich an der Gastronomie. Ferner gibt es Kaffee
                                                                                           und Kuchen, eine Bar und einen Sonntagsbrunch.
                                                                                           14. Interkulturelles Filmfestival Cinema Querfeld:
                                                                                           Fr 29. bis So 31.3., Querfeld-Halle, Gundeldinger
                                                                                           Feld, Dornacherstr. 192 >S. 39
                                                                                           Ausserdem: 5. Festival ‹Yesh! Neues aus der
                                                                                           jüdischen Filmwelt›: Do 14. bis Mi 20.3., Zürich,
                                                                                           www.yesh.ch
                                                                                           33. Festival International de Films de Fribourg FIFF:
                                                                                           Fr 15. bis Sa 23.3., Freiburg, www.fiff.ch

         Filmstill aus ‹Sohn meines Vaters›                                                Filmstill aus ‹Zimt und Koriander› (oben)

 9        März 2019        ProgrammZeitung

Redaktion-März_S.2-25.indd 9                                                                                                            20.02.19 08:49
PROGRAMMZEITUNG UNABHÄNGIG & VIELSEITIG SEIT 1987 KULTUR IMRAUMBASEL
Jazz im Film
   Ruedi Ankli

   Das Stadtkino zeigt eine Reihe zu prägenden
   Film-Soundtracks.
     Die beiden Genres Jazz und Film sind essenzielle Treibkräfte der westli-
   chen Kultur des 20. Jahrhunderts. Aber haben sie sich auch gegenseitig be-
   einflusst? Erste Berührungspunkte fanden schon zur Stummfilmzeit statt,
   als Vorführungen nicht selten von Jazzmusikern begleitet wurden. Der le-
   gendäre Film ‹The Jazz Singer› von 1927 trug wesentlich zum Durchbruch
   des Tonfilms weltweit bei. Trotz des Titels hatte er mit Jazz nur am Rand zu
   tun, im Gegensatz zu zahlreichen anderen Filmen. Bis in die Fünfzigerjahre
   war der Jazz präsent, oft auch mit amerikanischen Musikern, die bei ihren
   Europa-Tourneen für Filmproduktionen engagiert wurden. Sidney Bechet
                                                                                                                                GEISTERHAFT
   und Louis Armstrong etwa waren sehr gefragt. Nur ging es dabei meist um                                                     Thomas Meyer
   den Jazz vor der Bebop-Wende.
     Zu einer wirklichen Annäherung bzw. Befruchtung kam es 1958 bei Louis                                                     Fritz Hausers Solo ‹Spettro›.
   Malles Regiedebut ‹Ascenseur pour l’échafaud› (‹Fahrstuhl zum Schafott›).                                                     Ein schwarzgekleideter Mann, gross, nur mit
   Malle konnte für den Soundtrack den Trompeter Miles Davis gewinnen.                                                         seinem Instrument in der Weite des Konzert-
   Dieser improvisierte mit seinem Quintett zum bereits abgedrehten Film.                                                      saals: Wer den Perkussionisten Fritz Hauser
   Miles gelang es, die bis dahin übliche Vertiefung von Emotionen, welche                                                     und seine Auftritte schon länger verfolgt, kennt
                                                                                                                               das Setting. ‹Trommel mit Mann› hiess etwa
   die Bilder und der Dialog vermittelten, zu überwinden. Laut Malle wirkte
                                                                                                                               eine Arbeit von 2001, in der er mit einer einzi-
   die Musik «kontrapunktisch, elegisch und irgendwie losgelöst» und verän-
                                                                                                                               gen Trommel auf die Bühne trat – und erst noch
   derte die Wahrnehmung des ganzen Films. Bestimmt prägte diese Erfah-                                                        in Shorts, alleingelassen mit den Erinnerungen
   rung auch die Entwicklung des Startrompeters. 1959 erschien sein Bestsel-                                                   an die Kindheit. Damals bereits arbeitete er mit
   ler-Album ‹Kind of Blue›, eine Art Manifest des modalen Jazz. Zudem                                                         der Regisseurin Barbara Frey und der Licht­      -
   verzichtete kaum ein Film noir fortan auf die knisternde Atmosphäre von                                                     de­signerin Brigitte Dubach zusammen. Hauser
   Jazz-Arrangements.                                                                                                          pflegt lange Kooperationen. Und so waren die
   Mehr als Gefühls-Sound.                                                                                                     beiden auch wieder mit dabei, als es darum
     Eine eigene Kategorie innerhalb der Reihe bilden Filme, die sich mit dem                                                  ging, 2018 für das Lucerne Festival ein neues
   kreativen Prozess der Jazzmusik auseinandersetzen. Bert Stern geht in sei-                                                  theatrales Programm zu erarbeiten.
                                                                                                                                 Vielleicht sind Schlagzeugspielende ja ohne-
   nem Werk zum New­port Jazzfestival, ‹Jazz on a Summer’s Day› (1959),
                                                                                                                               hin die Theatraliker des Musikbetriebs: Wenn
   über den Standpunkt des Dokumentalisten hinaus und vermittelt den sub-
                                                                                                                               der Mann in der obersten Orchesterreihe sich
   jektiven Blick des Autors.                                                                                                  mit seinen beiden Tschinellen in den Händen
     In den Sechzigerjahren wurden immer öfter Jazzer für den Soundtrack                                                       erhebt, ist ihm die Aufmerksamkeit sicher,
   eines Films engagiert, etwa Benny Carter für Leo Penns ‹A Man Called                                                        schon bevor er in Aktion tritt. Hausers Theatra-
   Adam› (1966) oder Herbie Hancock für Michelangelo Antonionis ‹Blow-up›                                                      lik ist freilich keine spektakuläre, sondern eine,
   (1966). Hancock wirkte auch als Komponist in Bertrand Taverniers Kultfilm                                                   die die kleinste Nuance zutage treten lässt.
   ‹Round Midnight› (1986), mit dem beeindruckenden Tenorsaxofonisten                                                            Auch in ‹Spettro› nun begegnen wir ihm allein
   Dexter Gordon in der Hauptrolle. Er zeigt ein stimmiges Bild der Pariser                                                    im Scheinwerferlicht, mit einem reduzierten
   Jazzszene der Fünfzigerjahre und vertieft die existenzielle Situation des                                                   Drumset, einem Tamtam und wenigen weiteren
   Protagonisten. Ein Akt der Liebe für den Jazz, aber auch für den Film, denn                                                 Instrumenten – angeordnet im Kreis um sich
                                                                                                                               herum, weil er sich während des Stücks drehen
   ‹Round Midnight› fesselt Fans beider Genres.
                                                                                                                               wird. Auf den Trommeln beginnt er, in einem
   ‹All That Jazz on Film-Soundtracks›: Stadtkino Basel >S. 41
                                                                                                                               regelmässigen Puls, den er vorantreibt und der
                                                  Standbild zu ‹Ascenseur pour l’échafaud› mit Jeanne Moreau und Miles Davis   sich nur allmählich subtil verändert – über eine
                                                                                                                               Stunde hinweg. Es ist nicht das Rhythmische
                                                                                                                               allein, das hier fasziniert, sondern auch, wie
                                                                                                                               sich aus dem Pulsieren ein Klang weitet, sich
                                                                                                                               rasend-ruhig entfaltet, wie er den Raum erfüllt.
                                                                                                                                 Hauser ist ein Klangmagier. Hier nämlich ent-
                                                                                                                               wickelt sich ein ganzes Spektrum von Ober­
                                                                                                                               tönen und Klangfarben, das einem vielleicht
                                                                                                                               manchmal, in diesem dunklen und innerlich
                                                                                                                               stillen Raum, fast schon ein wenig gespenstisch
                                                                                                                               vorkommen mag. «Eine Geisterverschwörung»
                                                                                                                               (nicht «Beschwörung») nennt er es. Sind die
                                                                                                                               Geister, die hier aufspielen, jene, die nächtens
                                                                                                                               in seinem Haus in Italien hervorkommen, wenn
                                                                                                                               er nicht da ist? Zumindest ist es bei den Nach-
                                                                                                                               barn als ‹Casa delle masche› bekannt, weil es
                                                                                                                               dort geistern soll. So oder so bekommt man bei
                                                                                                                               diesen Schwingungen den Eindruck, dass hier
                                                                                                                               nicht einer, sondern eine ganze Meute von
                                                                                                                               Schlagzeugern am Werk ist.
                                                                                                                               ‹Spettro› – Fritz Hauser Solo : Fr 29.3., 20 h,
                                                                                                                               Gare du Nord >S. 31
                                                                                                                               Ausserdem: Taktlos Festival für grenzüberschreitende
                                                                                                                               Musik: Do 14. bis Sa 16.3., Zürich, www.taktlos.com

                                                                                                                               Fritz Hauser, Foto: Erich Busslinger

                                                                                                                                                             ProgrammZeitung    März 2019   10
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Musikliebe geht
          durch den Magen
         Benedikt Lachenmeier

         Atlantis und Parterre One starten mit neuen
         Konzepten in die Zukunft.
           Ein Kulturrestaurant wie es früher war – das ist der Plan
         von Peter Sterli. Er ist der CEO der Parterre Group, die das
         Atlantis nun betreiben darf. Es sei eine Ehre, dem berühm-
         ten Musiklokal neues Leben einzuhauchen. Seine 72-jährige
         Geschichte ist beeindruckend. Nach dem Start mit Jazzgrös-
         sen wie Joe Turner entwickelte sich das ‹-tis› in den 1970er-
         und 80er-Jahren zum bedeutendsten Liveclub der Schweiz.
         Damalige Helden wie Black Sabbath oder Les Sauterelles
         traten dort auf. Legendär sind auch die exotischen Tiere,
         die im Dunstrauch des Atlantis lebten. In den 90ern ging
         das Lokal in Konkurs, im neuen Jahrtausend nahm es einen
         weiteren Anlauf. Das Atlantis als Konzertort wurde aller-
         dings zur Nebensache. Das ändert sich nun wieder.
           Die neuen Verantwortlichen versuchen Kultur und Gastro-
         nomie in Einklang zu bringen. Um den Sound kümmern
         sich die Bookerinnen Tanja Schmid und Leila Naas. Echte
         Livemusik ist nun zu hören – von hartem Rock bis hin zu
         zarten Akustik-Klängen. In der aktuellen Saison spielen u. a.
         die Delilahs, Sina oder die Aeronauten. Wie damals gibt es
         im ‹-tis› wieder fast jeden Abend pro Woche ein Konzert.
         Fürs Essen ist Louise Zitzer zuständig. Die junge Wirtin ser-
         viert frische Speisen aus regionalen Zutaten. Die Drinks
         mixt der preisgekrönte Bartender Christian Hausmann.
         Gleich zweimal neu.
           Die Parterre Group, die sich aus einem Jugendtreff zu
         einem Unternehmen mit etlichen Gastro-, Sozial- und Kul-
         turbetrieben entwickelt hat, nimmt auch in ihrem Stamm­
         lokal Parterre bei der Kaserne einen neuen Anlauf, es wurde
         zum Parterre One. Das umgebaute Hinterhaus erstrahlt mit
         trendiger Beleuchtung und einer Galerie für die unein­
         geschränkte Sicht auf die Bühne. Als Kontrast zum Atlantis                    geniessen. Unten im neuen Bistro warten Drinks und eine
         ertönen mehr urbane Sound. Das Bookingteam um Nic Plésel                      einfache Mittags- und Abendkarte. Das Team der Parterre
         setzt vor allem auf Black Music und Old School Hip Hop.                       Group steht mit dem Atlantis und dem Parterre One vor
         Aber auch Popsängerin Anna Rossinelli feiert hier ihre                        grossen Herausforderungen. Dank den neuen Konzepten
         Plattentaufe. Und Singer-Songwriterin Sophie Zelmani ist                      geht die Musikliebe aber bestimmt durch den Magen.
         ebenfalls willkommen. Zudem findet im Parterre One ein-                       Atlantis, Klosterberg 13, www.atlantis-basel.ch
         mal pro Monat ein offener Poetry Slam statt.                                  Parterre One, Klybeckstr. 1b, www.parterre.net
           Die Gastronomie geht ebenfalls neue Wege. Das Restau-
         rant im Vorderhaus ist in den ersten Stock gezogen. Im ehe­                    Atlantis, Foto: Parterre Basel (oben)
         ma­ligen Bankettsaal gibt es jetzt mehrgängige Menüs zu                        Parterre One Music, Foto: FDR Studios

            Europa-Sound
              db. Wer die drei Musiker kennt, wird sich weder ihre neue CD noch ihr Basler Konzert entge-
            hen lassen. Die Rede ist von ‹Mare Nostrum III›, dem Album des sardischen Trompeters Paolo
            Fresu, des französischen Akkordeonisten Richard Galliano und des schwedischen Pianisten Jan
            Lundgren. Seit über zehn Jahren arbeiten die drei eigenständigen Klangpoeten an diesem ge-
            meinsamen Projekt, in das jeder seine Kultur und Musiksprache einbringt, Eigenkompositionen
            und Lieblingsstücke zur Interpretation beisteuert. Stets virtuos und leichtfüssig-elegant spielen
            sie 15 Stücke mit Elementen aus verschiedenen Musikrichtungen, vereinen Melodien und Stim-
            mungen aus ganz Europa zu einem warmen Sound mit Suchtpotenzial. Das herausragende Trio
            tritt damit auch im Vorfeld des Jazzfestivals Basel auf, vorab ist ein Solo-Rezital des jungen
            Genfer Pianisten Marc Perrenoud zu hören.
            Konzert ‹Mare Nostrum III›, mit Fresu, Galliano, Lundgren: Mi 3.4., 20.15, Martinskirche Basel. CD ACT 9877-2
            (auch als Doppel-Vinyl). Ausserdem: ‹Mare Nostrum› (2007), ‹Mare Nostrum II› (2016), www.actmusic.com
            29. Jazzfestival Basel: Fr 26.4. bis Mo 20.5., www.offbeat-concert.ch >S. 34
            Ausserdem: Neue Konzertreihe ‹Jazz & Soul Afterwork›: jeden letzten Donnerstag des Monats, mit
            Barbetrieb: Do 28.3., 18–19.30, Refektorium Kloster Dornach. Mit Schönhaus Express feat. Lisette
            Spinnler, www.klosterdornach.ch
            Reihe ‹Jazz im Park›: Jeden letzten Mittwoch des Monats: Mi 27.3., 18 h, Pavillon im Schützenmattpark,
            Basel. Mit Jazz Serenaders, anschliessend Jam-Session und Tanz, www.parkpavillon.ch
                                                                                                                                         Fresu, Galliano, Lundgren, Foto: zVg

 11       März 2019      ProgrammZeitung

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Ein geniales Jugendwerk
   Christian Fluri

                            Arthur Honeggers ‹Le Roi David› mit der Basel                    Schauspielmusik.
                            Sinfonietta und dem Basler Bach Chor.                              Im Jahr 1921 suchte der Dramatiker René Morax für sein
                              Viel zu selten werde es gespielt, das Oratorium ‹Le Roi        Stück über den alttestamentarischen König – geschrieben
                            David› von Arthur Honegger (1892–1955), dieses Werk der          für sein Théâtre du Jorat Waadtland – einen Komponisten.
                            frühen Moderne, sagt der Basler Dirigent, Chorleiter und         Er fragte Igor Strawinsky an, doch der hatte keine Zeit. Der
                            Organist Joachim Krause in unserem Gespräch. Er lobt die         Dirgent Ernest Ansermet schlug Morax den damals 29-jähri-
                            farbenreiche, geniale Orchestrierung mit der glockenhaften       gen, in Paris lebenden Arthur Honegger vor, ein Mitglied
                            Celesta als Tasteninstrument, die Vielfalt der Musik mit ihren   der Groupe des Six um Jean Cocteau. Auch Strawinsky
                            unterschiedlichen Stilen von choralhaften Passagen bis zu        empfahl den jungen Schweizer. Gerade mal zwei Monate
                            tänzerischen Jazzsequenzen.                                      habe Honegger Zeit gehabt, erzählt Krause «Doch bot sich
                              Krause bringt nun das Oratorium von 1923 mit seinem            ihm die einmalige Chance, zu zeigen, was er konnte.» Und
                            Basler Bach Chor und der Basel Sinfonietta zur Aufführung.       das war viel.
                            Das Konzert ist Teil der regelmässigen Zusammenarbeit              Honegger wurde mit ‹Le Roi David› über Nacht welt­
                            zwischen dem Chor und dem selbstverwalteten Orchester.           berühmt. Zwei Jahre nach der Uraufführung entschlossen
                            Als Abonnementkonzert der Basel Sinfonietta trägt es den         sich Honegger und Morax, das Werk zu einem Oratorium
                            Titel ‹Der Basler König› – weil Autograf und Originalpartitur    für Sopran, Alt, Tenor, einen Sprecher, einen gemischten
                            ihre Heimat in der Paul Sacher Stiftung gefunden haben;          Chor und Orchester umzuschreiben. Der Sprecher über-
                            der Basler Dirigent und Mäzen war einer der grossen För­         nimmt gleichsam den Part der Schauspieler, führt durch die
                            derer Honeggers.                                                 Geschichte des jüdischen Königs. Krause spricht von den
                                                                                             rhythmisch komplexen Passagen, von den ein- und mehr-
                                                                                             stimmigen Gesängen, die von tiefer Trauer bis zu jubelnder
                                                                                             Ekstase alles an emotionalem Ausdruck enthielten. Dem
                                                                                             Komponisten gelang es, die Geschichte Davids auf dichte
                                                                                             65 Minuten zu komprimieren: ein Meisterstück im Umgang
                                                                                             mit der Zeit und der dramatischen Spannung.
                                                                                             Befreier und Despot.
                                                                                               «Das in moderner Sprache verfasste Werk zeigt den König
                                                                                             als ambivalenten Menschen», erläutert Krause. David, der
                                                                                             als Knabe mit seiner Steinschleuder den Philister Goliath
                                                                                             besiegt, ist auf der einen Seite der heldenhafte Befreier Is­
                                                                                             raels, aber er ist ebenso ein Despot, der sich alle Rechte
                                                                                             nimmt. Dies lebendig zu vermitteln, ist auch Aufgabe des
                                                                                             Sprechers, dessen Part grossartig in die Musik integriert ist.
                                                                                             In Örs Kisfaludy steht Krause ein Sprecher zur Verfügung,
                                                                                             der mit seiner Stimme den Kirchenraum füllt. Er spricht den
                                                                                             Text von der Kanzel, selbstverständlich ohne Mikrofon. Nur
                                                                                             so stimme die akustische Balance zwischen SolistInnen,
                                                                                             Chor und Orchester.
                                                                                             Arthur Honegger, ‹Le Roi David›: Sa 23.3., 19.30, und So 24.3., 17 h,
   König David, Foto: zVg                                                                    Martinskirche Basel, www.baselsinfonietta.ch
                                                                                             Ausserdem: ‹Cleopatra – Baroque Arias› mit La Folia Barockorchester,
                                                                                             Regula Mühlemann (Sopran) und Robin Müller (Violine, Leitung):
                                                                                             Fr 22.3., 20 h, Burghof, Lörrach >S. 35

    Hellas-Hymnen
   Dagmar Brunner

   Gesang und Sprache.
     Eine Gruppe von Griechenlandgebürtigen                 -leid, von Sehnsucht, Drogen und Existenz-          Esti› (Gepriesen sei!), das von Mikis Theo-
   und -fans aus Basel, Lörrach und St. Louis               kampf. ‹El GreChor› präsentiert nun unter           dorakis als Volksoratorium vertont und
   hat sich seit 2016 zum gemischten ‹El                    dem Titel ‹Athanasia – Unsterblichkeit› vom         berühmt wurde. Das Ensemble ‹consigne-
   GreChor› formiert, der sich der vielfältigen             Dirigenten vierstimmig arrangierte Lieder,          8basel› bringt die vielschichtige Hymne mit
   Musik dieser südosteuropäischen Gegend                   die von einer vierköpfigen Instrumental-            Sprache, Musik, Lichtbild und Bewegung
   widmet. Mit 15 bis 20 Sängerinnen und Sän-               gruppe begleitet und mit Soli bereichert            als ‹Mysterienspiel› auf die Bühne.
   gern probt der in Basel lebende Musiker                  werden. Nach dem Konzert gibt es kleine             ‹El GreChor› mit Liedprogramm ‹Athanasia –
   Tassos Tataroglu traditionelle, moderne                  Speisen, Getränke und Gelegenheit zum               Unsterblichkeit›: Sa 2.3., 19.30, H95 Raum für
                                                                                                                Kultur, Horburgstrasse 95, www.h95.ch
   und Kunstvolkslieder, u. a. Rembetiko, den               Austausch.
                                                                                                                ‹To Axion Esti – Gepriesen sei!›: Fr 22./Sa 23.3., 20 h,
   ‹griechischen Blues›, der einst von Flücht-                Ebenfalls innig mit der griechischen Kul-         H95 Raum für Kultur, Horburgstrasse 95
   lingen und Armen gespielt wurde und lange                tur und Geschichte verbunden war der Ly­
   verpönt war. Die von Klangfarben aus Okzi-               riker Odysseas Elytis (1911–1996), der vor
   dent und Orient gespeisten Lieder erzählen               40 Jahren den Literatur-Nobelpreis erhielt.
   vom harten Alltag, von Liebesglück und                   1959 erschien sein Hauptwerk ‹To Axion

                                                                                                                                        ProgrammZeitung        März 2019   12
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WÜRFELSPIEL
                                                                                                  Christian Fluri

                                                                                                  Die Camerata Variabile widmet sich
                                                                                                  dem ‹homo ludens›.
                                                                                                    Der Mensch ist ein Spieler, Musikschaffende
                                                                                                  sind es auch. Wer die Regeln seines Metiers be-
                                                                                                  herrscht, vermag lustvoll gegen sie zu verstos-
                                                                                                  sen und so in andere oder neue Gefilde vorzu-
                                                                                                  dringen. Das gilt auch für die Kunst.
                                                                                                    Die Basler Camerata Variabile widmet sich ak-
                                                                                                  tuell dem ‹homo ludens› in sinnlicher Weise mit
                                                                                                  Musik aus verschiedenen Epochen. Gäste sind
                                                                                                  Improvisatoren: Im kommenden Konzert ist es
                                                                                                  der exzellente Posaunist und Komponist Mike
                                                                                                  Svoboda, im letzten der Pianist, Cembalist und
                                                                                                  Organist Rudolf Lutz, ein Meister in allen
                                                                                                  Stilen. Es geht dem Ensemble darum, das
                                                                                                  Spannungsfeld zwischen Strenge und Freiheit
                                                                                                  aufzuzeigen. ‹Uns interessieren generell die
                                                                                                  Kontraste›, erklärt Helena Winkelman, künst­
                                                                                                  lerische Leiterin des Ensembles. «Nur im Kon­

          Welttheater auf einer Matratze
                                                                                                  trast – z. B. von heiss und kalt, hell und dunkel
                                                                                                  – erfahren wir wirklich, was das eine und was
                                                                                                  das andere ist.»
         Thomas Meyer                                                                               ‹Aleae iactae sunt› (die Würfel sind gefallen)
                                                                                                  heisst das dritte Konzert. Die Violinistin und
         Leo Dicks Musiktheater gründet auf einem Text                                            Komponistin Helena Winkelman, der Cellist
         von Tim Krohn.                                                                           Christoph Dangel, die Klarinettistin Karin Dorn-
           Was eine deutsche Qualitätsmatratze wohl in ihrem langen liegenden                     busch und weitere Ensemblemitglieder überneh-
         Leben so über sich ergehen lassen muss? In der ersten Nacht wird sie viel-               men aus ‹Astérix le Gaulois› das hintergründige
         leicht in einem Hotel von einem jungen verliebten Hochzeitspaar einge-                   Sprachspiel mit dem originalen Caesar-Zitat
                                                                                                  ‹alea iacta est›. Im Spiel sind es eben Würfel, die
         weiht. Danach beginnt eine Odyssee durch die Jahre des Nationalsozialismus
                                                                                                  fallen. Die fallen im übertragenen Sinn auch in
         und des Kriegs, des Wirtschaftswunders und der Hippies ... Sie begegnet
                                                                                                  dem neuen, der Camerata Variabile gewidme­-
         dabei skurrilen Gestalten und Aussenseitern. Mal dient die Matratze als                  ten Stück Svobodas. ‹Plus/minus› für zwei Grup-
         Liebeslager, mal als Schutz vor den Bomben, mal zum Träumen oder Sterben.                pen von 3 bis 5 Musikern sei als Spielanweisung
         Sie wird dabei selber immer unansehnlicher. Am Ende landet sie, übers                    konzipiert. Der Komponist spricht von einer
         Mittelmeer schwimmend, irgendwo an der Côte d’Azur. Dort verbrennt ein                   «lebendigen Musik» mit «fünf verschiedenen Mo-
         Künstler die Überreste, um daraus eine Skulptur zu gestalten.                            dellen; drei sind ausgeschrieben, zwei werden
           Von diesem Schicksal in den Jahren von 1935 bis 1992 erzählt Tim Krohn                 live kreiert».
         in seinem Band ‹Aus dem Leben einer Matratze bester Machart› (Diogenes                     Svoboda wirkt in seinem Stück mit. Ebenso in
         Verlag, 2014) – und daraus wiederum hat der Komponist und Theaterregis-                  anderen: In einer Improvisation mit Dornbusch,
                                                                                                  Winkelman und dem Schlagzeuger Lucas Niggli;
         seur Leo Dick sein gleichnamiges, dementsprechend ‹horizontales Musik-
                                                                                                  in ‹Trombone and string quartet› (1987) von
         theater› entwickelt.
                                                                                                  Benedict Mason, der mit eigenem Raumkon-
         Komponierte Geschichte.                                                                  zept arbeitet, wie in den Konstellationen für
           Mit je zwei Sängerinnen und Sängern sowie drei InstrumentalistInnen                    Ensemble, einer Improvisation über ein Bild
         folgt Dick den Lebensstationen der so strapazierten Matratze durch die                   von Roman Haubenstock-Ramati. Dessen prä­
         Länder Europas und die Dekaden der Zeitgeschichte. Mit elektroakusti-                    zise ausgeschriebene ‹Ricercari für Streichtrio›
         schen Klängen werden dazu musikalische Objets trouvés aus den unter-                     (1948/78) bilden den Gegensatz zu dieser offe-
         schiedlichen, abwechselnd hoffnungsfrohen und düsteren Episoden einge-                   nen Form. Dazu setzt die Camerata Variabile
         spielt. Die musikalischen, sängerischen, darstellerischen, gestischen Mittel             die strenge Form mit Beethovens ‹Grosse Fuge
         werden dabei nicht auf realistische, aber originelle und spielerische Weise              in B-Dur, op. 133›, in der der Komponist bewusst
         eingesetzt. So ist schliesslich, wie Leo Dick sagt, ein «Welttheater im Mini-            formale Grenzen überschritten und die er mit
                                                                                                  «tantôt libre, tantôt recherché» bezeichnet
         format» entstanden, ursprünglich für das Davos Festival im vergangenen
                                                                                                  habe, betont Winkelman.
         Sommer.                                                                                    Wiederum paradigmatisch für die offene
           Dick, der aus Basel stammt und in Bern als Meisterschüler von Georges                  Form steht John Cage. Sein ‹Concert for piano
         Aperghis studierte, ist bereits mit mehreren Musiktheaterproduktionen her-               and orchestra› (1957/58) führt das Ensemble
         vorgetreten, so 2008 mit ‹Kann Heidi brauchen, was es gelernt hat› oder vor              ohne Pianisten auf. Es interpretiert die Instru-
         zwei Jahren mit dem Orchesterstück ‹Zwingli im Orbit›. Zeitbezüge, auch                  mentalsoli, «die schon in der Partitur als frei
         helvetische, sind ihm also wichtig. Seine Produktionen entstehen nicht im                kombinierbar gesetzt sind», ohne Solisten, sagt
         luftleeren Raum. Am 9. März wird sein neustes Werk an der Staatsoper                     Winkelman: ein keckes Spiel, an dem Cage be-
         Stuttgart uraufgeführt: ‹Antigone-Tribunal› nach einem Text des provoka­                 stimmt seine Freude hätte.
         tiven Philosophen Slavoj Žižek. Auch da geht es um welthaltige Fragen                    Camerata Variabile, ‹Aleae iactae sunt›: So 24.3.,
                                                                                                  17 h, Gare du nord >S. 31
         in einer politischen Ordnung, die sich angesichts der unsicheren Zukunft
                                                                                                  Ausserdem: 7. Festival ‹Piano à Porrentruy›:
         Europas immer drängender stellen.                                                        Do 21. bis So 24.3., Salle de l’inter und Cinemajoie,
         Leo Dick, ‹Aus dem Leben einer Matratze bester Machart›: Di 19.3., 20 h, Gare du Nord.   Pruntrut. Mit Livekonzerten und Filmen,
         Im Anschluss Suppe und Gespräch mit Roman Brotbeck >S. 31                                www.crescendo-jura.ch
         ‹Aus dem Leben einer Matratze bester Machart›, Foto: Yannick Andrea

 13       März 2019       ProgrammZeitung

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Ein Weg zum Ruhm?
                                                                           Carmen Stocker

                                                                           Das Gymnasium Muttenz gastiert mit ‹Fame› in Birsfelden.
                                                                             Die jungen Talente, die gerade ihre Aufnahmeprüfung für die New Yorker
                                                                           Schule für darstellende Künste bestanden haben, wollen nur eins: ihren
                                                                           Traum von Erfolg und Berühmtheit verwirklichen. Aber der Weg dorthin ist
                                                                           hart. Den Studierenden wird schnell klar, dass Begabung allein nicht aus-
                                                                           reicht. Es bedarf knochenhartem Training, Disziplin und Durchsetzungsver-
                                                                           mögen. Doch selbst dies garantiert nicht, seine Ziele zu erreichen.
                                                                             Das Musical ‹Fame›, das 1988 in Miami uraufgeführt wurde und auf dem
                                                                           gleichnamigen Film von Alan Parker aus dem Jahr 1980 basiert, zeigt die
                                                                           Höhen und Tiefen auf, welche die jungen Erwachsenen während ihrer vier-
                                                                           jährigen Ausbildung in Musik, Gesang, Tanz und Schauspiel, aber auch in
                                                                           zwischenmenschlichen Beziehungen durchleben.
                                                                           Ambitioniertes Schulprojekt.
                                                                             Einen ebenfalls steinigen Weg durchlaufen die 27 Teilnehmenden des
                                                                           Wahlkurses Musical am Gymnasium Muttenz, die in ihrem letzten Schul-
                                                                           jahr ‹Fame› im Original auf Englisch einstudieren. «Dieses Musical hat gera-
    WELTHALTIG                                                             de in der heutigen Gesellschaft, in der man sich in den sozialen Medien
                                                                           selbst inszeniert und es darum geht, wie viele ‹Likes› und ‹Followers› man
   Dagmar Brunner                                                          hat, eine hohe Relevanz, weil es auch die negativen Seiten und Gefahren
                                                                           des Ruhmes aufzeigt», meint die Regisseurin Karolina Kowalska, die an der
   Musik, Theater, Tanz.                                                   Schule auch Englisch und Mathematik unterrichtet. Der Wahlkurs wird
     Seit 30 Jahren ist das Duo fatale unterwegs in                        immersiv auf Englisch und Deutsch zusammen mit der Gesangslehrerin
   verschiedenen Sparten und Ländern. Jopo und                             Franziska Baumgartner (musikalische Leitung), mit Lex Vögtli, Lehrerin für
   Ingeborg Poffet komponieren und improvisie-                             Bildnerisches Gestalten, und dem Produktions- und Studienleiter Christoph
   ren, sind künstlerisch, pädagogisch und gesund­                         Huldi durchgeführt.
   heitsbezogen aktiv, realisieren Projekte zu zweit
                                                                             «Die Arbeit mit den Schülerinnen und Schülern macht mir viel Spass. Sie
   und im Ausland mit einheimischen Kulturschaf-
   fenden. Kürzlich ist ihre neue CD ‹Roulette-
                                                                           sind sehr engagiert und haben einen hohen Anspruch an sich selbst», sagt
   Circles – the World-Jazz-Project› erschienen, die                       Kowalska. Geprobt wird seit letztem August drei Lektionen pro Woche.
   sie im Mai mit einem Gast, dem indischen Tab-                           Dazu kommen Proben an Wochenenden, in den Fasnachtsferien sowie
   la-Virtuosen Udhai Mazumdar, auch in Basel                              Intensivproben vor der Premiere. Die Tanznummern werden von den Mit-
   vorstellen. Zudem begleiten sie im April Serena                         wirkenden selbst choreografiert. In Absprache mit Lex Vögtli kreieren die
   Wey in ihrem Theatersolo ‹Bericht eines Schiff-                         Maturandinnen und Maturanden auch das Bühnenbild, die Kostüme und
   brüchigen› unter anderem mit Bassklarinette                             sämtliche Druckerzeugnisse wie Flyer und Programmhefte selbst. Begleitet
   und Akkordeon. –                                                        wird das Ensemble von einer eigens zusammengestellten Band aus ansäs­
     Der Basler Verein Landholz, der 2018 um die                           sigen Lehrenden und Lernenden.
   Brüder Sebastian und Vinzent Gisi gegründet
                                                                           Gymnasium Muttenz, ‹Fame›: Do 21.3., 19 h (Premiere), bis Sa 23.3., Roxy, Birsfelden
   wurde, entwickelt und realisiert Projekte in
                                                                           Ausserdem: Gymnasium Leonhard mit Musical ‹Once Upon a Time in the Deep Dark
   Kooperation mit Kunstschaffenden verschiede-
                                                                           Woods›: Mi 27. bis 30.3., Voltahalle Basel
   ner Sparten. Nach dem Debüt mit ‹Lange Nacht
   Kurze Stücke› ist nun die erste abendfüllende
   Produktion zu sehen, ein Tanztheaterstück un-
   ter dem Titel ‹Show me the meaning of being
   lonely›. Mit Interviews, Lektüre und eigenen Er-
   fahrungen wurde Einsamkeit als «Volkskrank-
   heit, Luxus und Albtraum» untersucht. Ein fünf-
   köpfiges Ensemble präsentiert die Szenen u. a.
   unter Verwendung des titelgebenden Songs der
   Backstreet Boys sowie Texten von Borchert und
   Camus.
   CD Duo fatale, ‹Roulette-Circles›, Xopf Records
   Nr. 053, www.poffetmusic.ch
   ‹Show me the meaning of being lonely›:
   Do 7. bis Sa 9.3., 20 h, Druckereihalle im
   Ackermannshof, St. Johanns-Vorstadt 19/21.
   Podium zum Thema Einsamkeit: Fr 8.3., 18 h,
   www.landholzproduction.com
   Ausserdem: Zum Austausch lädt der Stammtisch
   Freie Theater- und Tanzszene Basel ein: Do 28.3.,
   20 h, Kaserne Basel, und Di 4.6., 20 h, Roxy,
   Birsfelden
   Gleich zwei leidenschaftliche Schauspieler sind
   kürzlich gestorben: Jörg Schröder am 6.2. (geb.
   1944), der über 20 Jahre Ensemblemitglied am
   Theater Basel war, aber auch in Off-Produktionen
   mitwirkte (Theater Garage) sowie Bruno Ganz
   am 15.2. (geb. 1941), der als Bühnen- und Film-
   dar­steller gleichermassen begeisterte.

   Duo fatale, Foto: zVg                               ‹Fame›, Foto: zVg

                                                                                                                                       ProgrammZeitung      März 2019   14
Redaktion-März_S.2-25.indd 14                                                                                                                                     20.02.19 08:49
Ausweg ins Ungewisse
         Dorothea Koelbing

         ‹Hotel der Immigranten› – ein Musiktheater von
         Capri Connection.
           Nach Buenos Aires, weit über das Meer, zogen Hundert-
         tausende von Flüchtlingen aus Europa und der Schweiz in
         den 30er-und 40er-Jahren des 20. Jahrhunderts. Sie flohen
         vor den Diktaturen in Italien, Spanien, Deutschland und
         Russland und vor der Armut in der Schweiz. «Das will man
         oft gar nicht hören», stellt Anne Jelena Schulte fest, Initian-
         tin und Autorin eines Theaterprojekts, «Flüchtlinge – das
         sind immer die anderen!» Die Schweiz und Europa werden
         heute als Ziel von Geflüchteten erlebt. Schulte und die
         Gruppe Capri Connection nehmen die umgekehrte Perspek-
         tive ein, mit dem Blick in die Zeit, in der man dringend aus
         Europa fliehen musste.
           In Argentinien suchten die Theaterleute Spuren dieser Le-
         benswege. Fündig wurden sie im Flüchtlingsasyl ‹Hotel de
         Inmigrantes›, der ersten Station vieler Ankommender. Sie
         begegneten Menschen, die heute 80, 90 Jahre alt sind. «Als
         Kinder und Jugendliche verliessen sie die übervollen Schif-
         fe zwar mit ihren Familien, doch alle mussten alleine ihren
         Weg finden», erzählt Schulte.
         Kunst als Freiheit.
           Auf der Bühne entfaltet sich ein vielfältiger Erinnerungs-
         kosmos: Ruth, Viviana und Robert aus Deutschland. Pedro
         aus Ungarn. Irene aus der Ukraine. Juana und Señora Alva-
         rez aus Spanien. Anna aus der Schweiz. Sie alle kommen
         durch die Schauspielerin Susanne Abelein zu Wort; einen
         «Multilog», nennt Schulte das, «die Geschichten fliessen
         durch sie hindurch.» Experimentelle Musik eröffnet atmo-
         sphärisch Assoziationsräume, die Zuschauenden sind mit            gentinischen Gruppe Estrella del Oriente ein Kunstprojekt,
         auf der Bühne und so unmittelbar ins Geschehen einbezo-           es durchzieht die Meere und nimmt alle mit an Bord, in die
         gen. Bildkräftige Projektionen wecken Beklemmung oder             Freiheit, in die Erste Welt. Das Stück erzählt Fluchtge-
         Wohligsein, in einem Blitzlichtgewitter aus Fotografien der       schichte als Menschheitsgeschichte und will an das instabile
         Identitätskarten aus dem ‹Hotel der Immigranten› tauchen          Europa des letzten Jahrhunderts erinnern, «da es gerade
         unzählige Ungenannte auf. Das Publikum kann gleichzeitig          wieder an so vielen Ecken zu wackeln beginnt ...»
         Gegenwart und Erinnerung erleben.                                 Capri Connection, ‹Hotel der Immigranten›: Fr 29./Sa 30.3., 20 h,
           Im zweiten Teil verwandeln sich Musik und Bilderwelten          Kaserne Basel >S. 36
         und Pedro Roth, Überlebender des Ghettos Budapest, Maler          Ausserdem: 4 Basler Stücke wurden zum Berliner Theatertreffen
                                                                           eingeladen: ‹Hotel Strindberg› (Simon Stone) und ‹Tartuffe oder das
         und Essayist, übernimmt es, die Anwesenden zum gemein-            Schwein der Weisen› (Claudia Bauer) des Theater Basel sowie
         samen Aufbruch zu führen. Er schlägt vor, «dass wir damit         2 Koproduktionen der Kaserne Basel: ‹Girl from the Fog Machine
         beginnen, die Zukunft neu zu träumen, ohne Angst, uns zu          Factory› (Thom Luz) und ‹Oratorium› (She She Pop).
         irren. (...) Wenn wir nicht denken, wird unser Kopf von den
         Ideen anderer besetzt, verschenken wir den Raum unseres           Capri Connection, ‹Hotel der Immigranten›, Foto: T. Schöningh
         freien Willens.» So ist das utopische Walfischschiff der ar-

                                                                                                  Humbug – Raum für Livekunst
                                                                                                    db. Eine ausgediente Industriehalle, vormals die Kunststoff-
                                                                                                  werkstatt von BASF, kann ab Ende März für fünf Jahre kultu-
                                                                                                  rell zwischengenutzt werden. Die Initiativgruppe – Projektlei-
                                                                                                  ter sind der Schauspieler Markus Wolff, der zuvor im Alten
                                                                                                  Zoll wirkte, Charlotte Wirthlin, die den benachbarten Plata-
                                                                                                  nenhof betreibt, Gian Luca Hofmann und Simone Meyer – hat
                                                                                                  sich viel vorgenommen. Mit Mittagstischen, gelegentlichen
                                                                                                  Abenddiners und Bar, Konzerten, Tanz, Theater und Spoken
                                                                                                  Word soll das neue ‹Humbug› belebt und für ein breites Publi-
                                                                                                  kum attraktiv werden. Die Halle ist gut 200 Quadratmeter
                                                                                                  gross und fasst rund 300 Gäste. Zur Eröffnung gibt es sechs
                                                                                                  Konzerte, u. a. mit Big Zis und Les Reines Prochaines, und ein
                                                                                                  langes, rauschendes Fest. Unterstützung willkommen!
                                                                                                  Eröffnung Humbug: Fr 29./Sa 30.3., jeweils 19 h Apéro,
              Humbug, Foto: Gian Luca Hofmann                                                     Konzerte 21 h, Klybeckstr. 241, www.humbug.club

 15       März 2019       ProgrammZeitung

Redaktion-März_S.2-25.indd 15                                                                                                                              20.02.19 08:49
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