PROGRAMMZEITUNG UNABHÄNGIG & VIELSEITIG SEIT 1987 KULTUR IMRAUMBASEL
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
unabhängig & vielseitig seit 1987 ProgrammZeitung CHF 8.80 | EUR 8.00 März 2019 | Nr. 348 Kultur im Raum Basel Filmstill aus ‹Satchmo the Great›, Dok 1957 (Louis Armstrong), Stadtkino Basel > S. 10, 41 00 März_2019_T//UG.indd 1 20.02.19 08:08
RAPPAZMUSEUM präsentiert: Markus Gruber Quadrat & Zwischenraum Retrospektive über 30 Jahre fotografische Bilder Die Ausstellung zeigt in drei Räumen drei Themen aus dem Gesamtwerk des Künstlers: Wandmalerei Poesie – Irritation Zwischenräume – Hebräische Schriftzeichen Artefakte – Fehler Markus Gruber lebt und arbeitet in Basel; nach dem Studium an der Kunsthochschule Hannover stellte er seine Arbeiten in der Schweiz, Deutschland und Kanada aus. Vernissage Donnerstag, 7. März 18 – 20 Uhr Einführung 18:15 Michèle M. Salmony di Stefano Ausstellung 7.3.2019 – 7.4.2019 Musik David Klein Trio Finissage Samstag, 6.4.2019, 11–17 Uhr Öffnungszeiten Fr 11–18, Sa/So 11–17 Uhr Tram 6, 8, 14, 15, 17, Bus 31, 34, 38 bis Rheingasse RAPPAZMUSEUM Klingental 11, CH-4058 Basel 0041-(0)61 681 71 21 www.rappazmuseum.ch Redaktion-März_S.2-25.indd 2 20.02.19 08:49
HAUSKULTUR Dagmar Brunner Seit dem 25. Januar sind wir an unserem neu- en Verlagsdomizil – und es fühlt sich gut an! Viel Sonne ist uns hier beschieden, im Winter eine Wohltat. Der Strassenlärm ist dank gut iso- lierter Fenster erträglich. Und zur Verpflegung steht im Hauptbau unter der Kuppel die ganze Weltküche zur Auswahl. Aus unseren Ex-Büros sollen indes gemäss Mitte-Newsletter «5 Gäste- zimmer für kulturell Arbeitende» werden, in Kooperation (und finanziert?) «von betreffen- den kulturellen Institutionen» ... Ein wenig neu ist auch die Gestaltung unseres Heftes, aber falls Sie es nicht bemerkt haben, ist das ganz in unserem Sinn. Das Layout ist leicht Karl Stauffer, Lydia Welti-Escher und Gottfried Keller, überarbeitet, vielleicht etwas ‹lauter› als zuvor, 1886, Gottfried Keller-Stiftung/Kunsthaus Zürich die Schriften und Schriftgrössen sind freilich Der Kunst verpflichtet dieselben. Die Reaktionen darauf waren bisher fast ausschliesslich positiv. Zuschriften von Lesenden freuen uns immer, vor allem so nett formulierte wie diese, die auf Dagmar Brunner unser neues Gefäss ‹Jura culturel› reagiert hat: «Endlich eine Kolumne über den Jura! Darauf Editorial. habe ich schon lange gewartet. Schliesslich ver- Sein Name ist heute noch präsent, wenngleich sein Werk (leider) wohl bindet Basel mit dem Jura nicht nur eine lange kaum über die Schullektüre hinaus gelesen wird: Gottfried Keller. Im Juli Geschichte, sondern die Verbindung mit dem jährt sich sein 200. Geburtstag, was Anlass für verschiedene Würdigungen Jura zeigt sich auch daran, dass immer wieder ist (> Spalte S. 17). Den Namen des Dichters trägt ferner eine Stiftung, von etliche Kunst-/Kulturschaffende im Jura hei- deren Schätzen derzeit Ausstellungen in Zürich, Lugano und Chur zeugen. misch geworden sind.» > S. 24. Dabei geht es nicht um Literatur, sondern um Schweizer Kunstwerke aus Eine andere Reaktion hat uns etwas irritiert, verschiedenen Bereichen und Epochen, vom 12. bis zum 20. Jahrhundert. weil wir sonst eher das Gegenteil hören. Ein Schnupperleser beklagte in unserem Heft die Neben Gemälden und Skulpturen werden auch Fotografien, Glasmalereien, «fehlende Vielfalt» und dass «Kommerzielles Kirchen- und Klosterinventar etc. gesammelt. überwiegt». Nun, man kann es eben nicht allen Die 1890 gegründete Stiftung verdankt sich einer Frau, die gebildet, be- rechtmachen. gabt und wohlhabend war, aber durch fatale Beziehungen ein grausames Während die ‹BaZ› einen neuen Chefredak- Los erlitt: Lydia Welti-Escher (1858–1891). Die Tochter des dynamischen tor hat, der seine Zeitung «die beste der Welt» und allzu mächtigen, letztlich glücklosen Zürcher Politikers und Unterneh- findet, die ‹WOZ› mit der neuen Magazin-Bei mers Alfred Escher war kunstinteressiert und unterstützte schon früh ihren lage ‹wobei› punktet, muss die ‹Annabelle› mit verwitweten Vater in geschäftlichen Dingen und der Führung eines Herr- 14 Kündigungen (inkl. Chefredaktorin) fertig schaftshauses. 1883 heiratete sie den Bundesratssohn Friedrich Emil Welti werden. Und in Basel brodeln Gerüchte und zir- und lernte dessen ehrgeizigen Jugendkollegen und Maler Karl Stauffer ken- kulieren Konzepte über ein Nachfolgeprojekt der ‹TagesWoche› bzw. ein neues Onlinemaga- nen, der von Lydia sowie von Familienfreund Gottfried Keller und anderen zin. Wir sind gespannt! Persönlichkeiten, berühmt gewordene Porträts schuf (> Abb.). Das Ehepaar Welti-Escher unterstützte Stauffer grosszügig, doch als Lydia aus ihren bürgerlichen Pflichten ausbrechen und mit dem Künstler durch- brennen wollte, wurden die Liebenden über den langen Arm von Bundesrat Welti drakonisch bestraft: sie mit Irrenhaus, er mit Gefängnis. Beide zerbra- chen daran und nahmen sich das Leben. Über diese tragischen Ereignisse und ihre Hintergründe sind mehrere Bücher erschienen, u. a. ein intensiver, einfühlsamer historischer Roman von Lukas Hartmann, der das Schicksal Inhalt Lydias u. a. aus der Optik ihrer Dienstbotin und in einer Epoche voller Auf- und Umbrüche schildert. Spannende Lektüre, die viel über Schweizer Ge- schichte und Mentalität erzählt. Kultursplitter 5 Lydia Welti-Eschers letzte Tat, die Gründung der Gottfried Keller-Stiftung zur Förderung von Schweizer Kunst, hat indes prächtige Früchte getragen, Redaktion 7 aber ihren Wunsch, damit die «Selbständigmachung des weiblichen Ge- schlechtes – wenigstens auf dem Gebiete des Kunstgewerbes» zu fördern, Kulturszene 26 konnte sie nicht durchsetzen. Im Stiftungsbesitz befinden sich heute rund Agenda 46 6500 Kunstwerke, die landesweit auf rund 100 Museen und Einrichtungen verteilt sind, darunter nur sehr wenige Arbeiten von Frauen, immerhin u. a. Kurse 73 von Meret Oppenheim, Angelika Kauffmann, Alice Bailly ... Impressum 73 Ausstellung ‹Glanzlichter der Gottfried Keller-Stiftung›: bis Mo 22.4., Zürich, www.landesmuseum.ch. Publikation: ‹Meisterwerke der Gottfried Keller-Stiftung›, Kunsträume 75 Verlag Scheidegger & Spiess, Zürich. 216 S., 106 Abb., br., 19 x 26 cm, CHF 39 Ausstellung ‹Hodler, Segantini, Giacometti›: So 24.3. bis So 28.7., Lugano, Museen 77 www.masilugano.ch Ausstellung ‹Martin Disler. Die Umgebung der Liebe›: bis So 26.5., Chur, Bars & Restaurants 78 – 79 www.buendner-kunstmuseum.ch Roman: Lukas Hartmann, ‹Ein Bild von Lydia›, Diogenes, 2018. 368 S., Ln., CHF 32 Sachbücher von Joseph Jung und Willi Wottreng 3 März 2019 ProgrammZeitung Redaktion-März_S.2-25.indd 3 20.02.19 08:49
K M S W Am ris te un in au G K 11 in bl üb zw R de Fü Fr L R D W 11 Ta w W ne ko K Po un ak zu un ei Do di Bi 14 St Redaktion-März_S.2-25.indd 4 20.02.19 08:49
KULTURSPLITTER MONATSTIPPS DER MAGAZINE aus Aarau (AAKU), Bern (BKA), Luzern (041), Olten (AUSGEHEN), St. Gallen (Saiten), Vaduz (KuL), Winterthur (Coucou) und Zug (ZugKultur) Filmstill aus ‹Coyote› Foto: Nathi Jufer Walliser Rapperin in Aarau Frauen an den Bass Bewegte Bilder Lily Horn Is Born – Amerika trifft aufs Wallis. Litera- Ester Poly, Weird Beard, Aul: Die Oscars waren gestern: Die Saxophonquartett rische Wucht auf eine Weltmeis- Dies sind nur einige der Bands, Albert Koechlin Stiftung vergibt in Zwischen 2000 und 2007 spielten terin. Mit Reverie aus Los Angeles bei denen die Bündner Musikerin diesem Jahr die Innerschweizer die vier Saxophonistinnen Kon- und KT Gorique aus Sion treffen Martina Berther mitwirkt. Die Filmpreise an mehrere Zentral- zerte in der Schweiz, in Europa in Aarau zwei Rapperinnen experimentierfreudige Bassistin schweizer Filmemacherinnen und und in Japan. Diese mit viel aufeinander, die Hip-Hop- bewegt sich mühelos zwischen Filmemacher. In diesem Rahmen Herzblut unterlegte Kontinuität Geschichte schreiben. Pop, Jazz und Noise. Von finden während zweier Tage beflügelte das Quartett zu KT Gorique (Bild) kam mit Bee-Flat im Progr erhält sie für öffentliche Diskussionsrunden charmanten und witzigen 11 Jahren von der Elfenbeinküste drei Konzerte eine Carte Blan- und Vorträge statt und es werden Improvisationen innerhalb ihrer in die Welschschweiz. Ihre che. Am ersten Anlass der Reihe alle prämierten Filme gezeigt. Eigenkompositionen und blitzgescheiten Texte schweben formiert sie sich zusammen mit Am Samstag findet zudem ein Arrangements. Und dann ist über Musik, die sich irgendwo den Musikerinnen Vera Kappeler Podium zur Frage ‹Wozu Film- plötzlich Schluss. Zehn Jahre zwischen Old-School-Hip-Hop, und Camille Emaille und dem kritik?› statt, präsentiert vom später treffen sie sich spontan Reggae und Dubstep bewegt und Musiker Hans Koch zum ‹041 – Das Kulturmagazin›. zum Proben und Lily is Re-Born den Hip-Hop-Machos das Mini-Orchester. Sa/So 9./10.3., Innerschweizer again. Fürchten lehren. Mi 27.3., 20.30, Reihe bis So 12.5., Filmpreis, Eintritt Tagesticket: CHF 10, So 17.3., Vario Bar, Olten, Turnhalle im Progr, Bern, Sa 9.3., 12.30, Podiumsgespräch www.variobar.ch, www.lilyhorn.ch Fr 1.3., 21 h, Kiff, Aarau, www.kiff.ch www.bee-flat.ch ‹Wozu Filmkritik?›, Bourbaki Luzern, Löwenplatz 11, Luzern, www.innerschweizerfilmpreis.ch Laut, Luise, Lechts und 1. Liechtensteiner ‹Wohin, Flüchtling?› Primavera Festival Rinks Jazzfestival In den letzten Jahren war auf der Ziellos durch die Nacht stolpern, Das St. Galler Literaturfestival Die Tangente und das TAK Beiruter Flarniermeile Corniche und überall spielt die Musik: Das Wortlaut findet Ende März zum Theater Liechtenstein richten ein Satz omnipräsent: ‹Gibst du Zuger Primavera-Festival dauert 11. Mal statt. Während vier 2019 gemeinsam das 1. Liech- mir Geld? Ich bin aus Aleppo.› zwar nur einen Abend, aber Tagen werden Geschichten tensteiner Jazzfestival aus! Aleppo – Mantra des Schre- packt Konzerte für einen ganzen wieder zu lauten, klingenden Ziel des Festivals ist, Liechten- ckens. Die Stadt ist seit Kurzem Frühling aus. In 15 Bars und Worten: Da lassen Comic-Autorin- steiner Jazzkünstler/innen wieder erreichbar, doch nun Restaurants in der Zuger Altstadt nen ihre Zeichnungen zu Wort zusammenzubringen und ihrem besteht die Gefahr des Verges- spielen Bands aus Zug, der kommen, es reden und singen weit gefächerten Schaffen im sens. Das Kino Nische erinnert Schweiz und Übersee jeweils Kaberettisten, Spoken-Word- Bereich des Jazz eine Plattform mit der Filmreihe ‹Wohin, den ganzen Abend lang. Also Poeten performen die Sprache zu bieten. Das Publikum kann so Flüchtling?› einen Monat lang an eintauchen und mitfeiern, es ist und Autorinnen lesen aus ihren an einem Wochenende in die die grösste Flüchtlingskrise seit Frühling! aktuellen Werken. Ein Fest, das vielfältige Jazzszene Liechten- dem Zweiten Weltkrieg. Fr 29.3., ab 17 h, Altstadt Zug, zu literarischen Entdeckungen steins eintauchen und geballte Jeweils So 10., 17., 24. und 31.3., www.primavera.waldstock.ch und Grenzüberschreitungen Festival-Atmosphäre erleben. ‹Wohin Flüchtling?›, Kino Nische, Winterthur, www.kinonische.ch Bild: Der Zuger Künstler Etienne Merula einlädt. Sa 23. und So 24.3., Liechtenstein, Do 28., bis So 31.3., Wortlaut 2019, Tickets: www.tak.li und www.tangente.li div. Orte in St. Gallen, www.wortlaut.ch Bild: Anna Stern, Lesung am Sa 30.3., 14 –14.45, Hauptpost, Raum für Literatur, St. Gallen 5 März 2019 ProgrammZeitung Redaktion-März_S.2-25.indd 5 20.02.19 08:49
Männer begegnen Männern 2018/19 MO 15. Okt. Summer of Love DI 13. Nov. Der kranke Mann MI 05. Dez. Familienbande – starkes Team oder Tatort? DO 17. Jan. Entscheidende Orte im Leben MO 11. Feb. Zwischenbilanz – Festigung oder Weichenstellung MI 20. März Grenzen in unserem Leben Im Unternehmen Mitte Basel jeweils 20.00 – 22.00 Uhr www.baslermaennerpalaver.ch Redaktion-März_S.2-25.indd 6 20.02.19 08:49
Jeder ist berufen, etwas in der Welt zur Vollendung zu bringen. *** Folge nicht den Fussspuren der Meister: Versuch einer Annäherung Suche, was sie gesucht haben. Bruno Rudolf von Rohr Richard Dindo würdigt den japanischen Dindo ist ein Tüftler in Sachen Literatur und Film; er schuf Dichter Bashô. u. a. Werke zu Max Frisch, Arthur Rimbaud, Jean Genet und Anlässlich der Weltpremiere seines Films an den Solothur- Franz Kafka. Doch diesmal will er mehr, nämlich zeigen, ner Filmtagen stellte der 75-jährige Richard Dindo gleich zu wie der dichterische Prozess vor sich geht und ihn in Bilder Beginn fest: «Wir sind unter uns.» Damit meinte er die relativ übersetzen, die der Poesie des Dichters würdig sind. Dabei zahlreich anwesenden Damen und Herren älteren Semes- muss er gestehen, dass er sich immer mehr von seinem ters, an die sich ‹Die Reise des Bashô› vor allem zu richten ‹rein› dokumentarischen Anspruch entfernt, denn sowohl scheint. Dindo sieht seine fiktionalisierte Dokumentation die Zitate als auch die Wahl des Hauptdarstellers und die als eine poetisch-philosophische Betrachtung über die Zeit, visuelle Gestaltung der Reise des Dichters tragen seine das Leben, das Älterwerden und den Tod. Er zeichnet da- Handschrift. Doch anstatt seine Aneignung von Bashôs Hai- rin Bashôs letzte Reise nach, indem er aus den Reisetage kus und Reisetagebüchern resolut zum Thema des Films zu büchern und Haikus des bedeutenden Dichters (1644–1694, machen, vertraut er auf seine Bilder, die allerdings nicht die eigentlich Matsuo Munefusa), leinwandtaugliche, zum Nach- erwartete Dynamik entwickeln, es fehlt das Bindemittel. So denken anregende Zitate zusammengetragen hat. wird der Film zu einem Kaleidoskop von hieratischem Bild- Drei Vehikel sollen dies ermöglichen: eine poetische Bild- und Textmaterial und vermag sein Versprechen nicht ganz sprache, die im Off gesprochenen Texte Bashôs und das einzulösen. Spiel des reisenden und Haikus kalligrafierenden, buddhis ‹Die Reise des Bashô› läuft ab Do 7.3. in den Kultkinos. tischen Mönchs Hiroaki Kawamoto alias Bashô. Die Texte, Zu zeitgenössischer Kalligrafie >S. 21 gelesen, manchmal mehr geraunt von Christian Kohlund, Ausserdem: Der Dokumentarfilm ‹Immer und ewig› der Basler Regisseurin Fanny Bräuning gewann den diesjährigen Prix de Soleure. werden gleichsam zur sonoren Partitur. Ihr antworten oder Die sehenswerte, anrührende Produktion folgt den Eltern der Filmerin entsprechen als Gegenpart die von Dindo und seinem Ka- auf einer ungewöhnlichen Reise. meramann Roger Walch geschaffenen visuellen Räume, Basler Filmtreff zum Thema ‹Serielles Erzählen – Einblicke in den durch die sich Hiroaki Kawamoto auf seiner Reise, dem Tod Writers Room von ‘Wilder’›: Mi 27.3., 18.30, Stadtkino Basel. Mit Béla Batthyany, Moritz Gerber und Roberto Martinez, Moderation: entgegen, bewegt. Cyrill Gerber, www.balimage.ch Vom Wort zum Bild. Filmseminar mit Wolf Otto Pfeiffer: Sa 16./So 17.3., 10–17 h, Neues Meist sind es japanische Landschaften, in denen die Ele- Kino Basel, Klybeckstr. 247, Anmeldung: www.zeitversiegelung.ch mente den vordersten Platz einnehmen, aber auch Gross- aufnahmen von Pflanzen und Insekten oder Bilder von In- Matsuo Bashō, Zeichnung von Yosa Buson (rechts), und nenräumen in perfekter Lichtführung. Es sind sehr schöne, Filmstill aus ‹Die Reise des Bashô› sorgfältigst kadrierte Bilder, die jenen meditativen Sog ent- wickeln sollen, den man Bashôs Texten zuerkennt. 7 März 2019 ProgrammZeitung Redaktion-März_S.2-25.indd 7 20.02.19 08:49
INSIDE SRF KULTUR Niggi Ullrich Neues Storytelling kriegt das Land. Im Nachgang zur Februar-Kolumne über das Prinzip ‹Web first› entstand der Eindruck, dass bei SRF Kultur künftig oberflächlich anmutende Leichtigkeit von Bild und Ton geboten wird, an- statt Tiefgang, Reflexion oder wortbasierte Prä- zision. Die Skepsis über das scheinbare Primat der Inhalte auf dem Netz ist berechtigt. Wie auch die Sorge, dass die Beziehung zwischen den MacherInnen und dem Publikum sich im digitalen Irgendwo verlieren könnte. Die Stringenz aber, mit der die Planung und Realisation in der neuen Betriebsarchitektur am entstehenden SRF-Standort beim Meret Oppen- heim-Platz vorangeht, lässt darauf schliessen, dass alles getan wird, damit das künftige ‹Story- telling› den Inhalten jenen Raum gibt, um die Qualität und die Nähe zum Publikum zu ge- währleisten. Die Konvergenz – Verquickung von Radio, Fernsehen und Online – hat nicht nur eine technologische oder prozessuale, sondern auch eine inhaltliche respektive dramaturgische Dimension. Vorbilder/-läufer gibt es. In Erinnerung sind die Programme zum Thema Gotthard anlässlich der Eröffnung des Eisenbahntunnels (2016) oder ‹Blackout› über die Annahme eines schweiz- weiten Stromausfalls mit allen nur vorstellbaren Entwaffnend bis an die Zähne Implikationen (2017) oder das mehrwöchige Nicolas von Passavant Angebot zum Reformationsjubiläum (2018). Die unterschiedlichen Programmkomplexe hatten etwas gemein: den Anspruch, dem breiten Pub- ‹The Old Man & the Gun› ist eine Und wenn in Robert Redford das eigent likum ein gesellschaftlich relevantes Thema Hommage an Robert Redford. liche Ereignis des Films besteht, so ist die umfassend und generationenübergreifend auf Die Motorhaube einer älteren Dame na- nicht minder charmante Sissy Spacek seine informative, aufklärende, unterhaltsame Art mens Jewel (Sissy Spacek) ist überhitzt. So heimliche Überraschung. nahezubringen. Dies in unterschiedlichen For- nimmt sie dankend an, als ein älterer Herr So freundlich-souverän und im besten maten, auf allen Vektoren und immer in einer ihr anbietet, sie mit dem Auto mitzunehmen. Sinn altersgerecht-gemächlich wie die Dar- dicht-simultanen Agenda. Was sie nicht ahnt: Der hilfsbereite Mann, stellenden kommt auch der Film daher: Das Quoten und Reichweite waren über den Alltag Forrest Tucker, ist ein gewiefter Bankräuber Erzähltempo ist unaufgeregt, aber nicht hinaus meist erfolgreicher und nachhaltiger als und gerade auf der Flucht. Bei ihr angehal- schleppend, die Musik sanft, aber nicht das gewohnte, tagesaktuelle Programm. Aber ten hatte er eigentlich nur, um eine Reihe süsslich, der Humor nie derb, Gewalt nie immer waren sie ein Kraftakt, weil die aktuellen Produktions- und Rezeptionsbedingungen für von Polizeiautos an sich vorbeirauschen zu wirklich brutal. Und weil der ganze Film integrales Storytelling (noch) nicht konditio- lassen. Seine Überfälle wickelt er noch im- im Dienst der Feier seines Hauptdarstellers niert sind. Aber sie haben die Legitimation des mer höchst professionell ab, in Polizeibefra steht, lässt es sich Regisseur David Lowery Service-public-Auftrags von SRF immer neu ge- gungen nach der Tat schildern die Bankan- auch nicht nehmen, immer wieder alte stärkt. So macht es Sinn, dass die neue Betriebs- gestellten ihn als ausgesprochen höflich – und ‹Fahndungsfotos› von Tucker zu zeigen – architektur und -struktur von SRF Kultur so glücklich. tatsächlich natürlich Autogrammkartenbil- ausgelegt wird, dass die erwähnten Programm- Den attraktiven Gentleman-Ganoven spielt der des jungen Robert Redford. typen nicht mehr nur die Ausnahme sind, son- Robert Redford, nach eigenen Aussagen soll Wer Redford in seinen Paraderollen sehen dern zur Gewohnheit werden könnten. es sein letzter Film sein. 83 Jahre alt, war er will, ist mit Klassikern wie ‹The Sting›, ‹All Niggi Ullrich ist Präsident der SRG Region Basel fast 60 davon auf der Leinwand zu sehen, the President’s Men› oder ‹The Horse Whis- und von der ersten Szene an wirkt er in perer› nach wie vor gut bedient. ‹The Old blauem Anzug und mit Streifenkrawatte Man & The Gun› ist kein bahnbrechendes charmant wie eh und je. Meisterwerk, aber dennoch sehr vergnüg- Vergnüglicher Krimi. lich, und dies eben zuallererst, weil Red- ‹The Old Man & the Gun› basiert auf wah- fords Talent und Ausstrahlung auch noch ren Ereignissen. Das ist aber unbedeutend, in seinem hohen Alter einen Film tragen denn der Film besticht weniger durch seine können. durchaus unterhaltsame und kurzweilige ‹The Old Man & the Gun› läuft ab Do 7.3. in den Handlung als durch die Schauspieler: Das Kultkinos. sind in Nebenrollen Casey Affleck als Poli- zist, der Forrest Tucker nicht ohne eine ge- wisse Sympathie jagt, sowie Tom Waits und Filmstill aus ‹The Old Man & the Gun› Danny Glover als Gangster-Kollegen. Wirk- lich stimmungsvoll wird es jedoch, wenn Sissy Spacek und Robert Redford aufeinan- dertreffen, denn zwischen den Überfällen Meret Oppenheim Haus, Foto: ProZ meldet sich Forrest immer wieder bei Jewel. ProgrammZeitung März 2019 8 Redaktion-März_S.2-25.indd 8 20.02.19 08:49
Liebe mit viel Zynismus Clea Wanner Die Tragikomödie von Jeshua Dreyfus bietet Unterhaltung mit Biss. Sechs Jahre nach seinem erfolgreichen Debüt ‹Halb so wild›, einer Low- Budget-Produktion, meldet sich Jeshua Dreyfus zurück und gewinnt mit seinem aufwendigen Spielfilm ‹Sohn meines Vaters› prompt den Basler Filmpreis. Offenkundig aus seiner eigenen Biografie schöpfend, setzt der Jungregis- seur seine Hauptfigur in die Kreativszene und in eine chaotische jüdische Familie: Simon ist Illustrator und steckt mitten in einer Beziehungs- und Schaffenskrise. Sein Vater, ein erfolgreicher Psychiater, will mit Sonja – sei- ner ehemaligen Patientin, Sekretärin und Geliebten in einem – in die FKK- Ferien verreisen, was die Mutter wiederum tunlichst verhindern möchte. Anstatt sich von seiner Familie zu emanzipieren, verstrickt sich der Junior immer mehr im Intrigennetz der Eltern und landet mit Sonja im Bett. Der stets einen Tick zu lässige Vater hat aber selbst dafür eine Erklärung, HERKUNFTSFRAGEN schliesslich ist er Fachmann von offenen Beziehungen, und sein neuestes Dagmar Brunner Buchprojekt ‹Liebe. Reale Utopie› wird absurderweise vom Sohnemann transkribiert. Dass der Apfel nicht weit vom Stamm fällt, wird klar, als Interkulturelles Filmfestival. Simon nach dem Stelldichein von Sonja die gehäkelte Kippa aufgesetzt Es ist stets gut besucht und zu einer schönen kriegt und als Ranghöchster das Brot bricht. Tradition geworden, das Cinema Querfeld, das Zwischen Heuchelei und Auflehnung. Einblicke in vielfältige menschliche Lebenswel- Vier Jahre lang, grösstenteils gemeinsam mit dem bekannten Regisseur ten vermittelt. Von Mitgliedern verschiedener Vereine und Privatpersonen ehrenamtlich orga- Marcel Gisler, hat Dreyfus an dem Drehbuch gearbeitet, um die bitterböse nisiert, findet es in diesem Jahr zum 14. Mal statt Familiengeschichte auszufeilen. Auch im Casting wurde auf die Strategie und bietet wieder einen ansprechenden Mix aus ‹Jung trifft auf Erfahren› gesetzt. Dani Levy, Meister der gut-jüdischen filmischen und gastronomischen Leckerbissen. Komödie (Regie: ‹Alles auf Zucker!›), spielt überzeugend den selbstverlieb- Acht neuere Filme zum Thema Herkunft ste- ten Vater, während Sibylle Canonica als hysterische, manipulierende Mutter hen diesmal auf dem Programm, darunter zwei brilliert. Einen Gegenpart zu diesen fast schon satirischen Figuren bilden Dokumentarfilme. ‹La buena vida› von Jens die jungen Schauspieler. Dimitri Stapfer (‹Lasst die Alten sterben›) etwa Schanze (2015) fokussiert auf eine Dorfgemein- schafft mit seiner physischen Präsenz und trotzdem weichen Art einen schaft in Kolumbien, die wegen der Vergrösse- zugänglichen Antihelden. Der Spagat zwischen Überzeichnung und Realis- rung einer Kohlenmine umgesiedelt werden soll. mus gelingt dabei nur teilweise. Die Bevölkerung ist skeptisch, doch die Besitzer (u. a. Glencore) versprechen Fortschritt – mit Versöhnliche Bilder lenken allerdings auch nur ab, so der Regisseur, er katastrophalen Folgen. Der Film wird vom Bas- will seine eigene Geschichte erzählen. Die dafür nötige Chuzpe bringt er ler Mitproduzenten Frank Matter eingeführt. aber nicht immer auf: Streckenweise wirkt die Story gar voraussehbar und Leichtere, aber ebenfalls berührende Kost ist die Szenengestaltung schablonenhaft. Biss hat der Film trotzdem. Selten ‹Non ho l’età› von Olmo Cerri (2017). Gezeigt werden auf so unterhaltsame Weise die Heuchelei und Überheblichkeit, mit wird, weshalb das Siegerlied einer jungen Ita- der die ältere Generation an ihren ideologischen Werten festhält, entlarvt. lienerin am Eurovision Song Contest 1964 vor Dass dabei die Auflehnung der Jungen nur halbherzig ausfällt, macht den allem die Herzen der ‹Gastarbeiter› in der Film erst zur ungeschönten Tragikomödie. Schweiz bewegte und wie diese hier Fuss zu ‹Sohn meines Vaters› läuft ab Do 14.3. in den Kultkinos. fassen versuchten. Der Filmer wird zu Vorfüh- rung und Gespräch anwesend sein. Die sechs Spielfilme, einer davon auch für Kinder, schildern z. T. schwierige Lebensum- stände, aber auch hoffnungs- und freudvolle Aspekte in unterschiedlichen Weltgegenden. Am Freitagabend spielen zudem das Junge Theater Basel und minderjährige Asylsuchende gemein- sam eine kurze Theaterszene. Das kulinarische Begleitprogramm bietet u. a. kurdische, aser- baidschanische, tibetische, arabische, bulgari- sche und türkische Spezialitäten, die von den Mitwirkenden gekocht werden. Auch das ‹Resto du Cœur› des Treffpunkts Soup & Chill beteiligt sich an der Gastronomie. Ferner gibt es Kaffee und Kuchen, eine Bar und einen Sonntagsbrunch. 14. Interkulturelles Filmfestival Cinema Querfeld: Fr 29. bis So 31.3., Querfeld-Halle, Gundeldinger Feld, Dornacherstr. 192 >S. 39 Ausserdem: 5. Festival ‹Yesh! Neues aus der jüdischen Filmwelt›: Do 14. bis Mi 20.3., Zürich, www.yesh.ch 33. Festival International de Films de Fribourg FIFF: Fr 15. bis Sa 23.3., Freiburg, www.fiff.ch Filmstill aus ‹Sohn meines Vaters› Filmstill aus ‹Zimt und Koriander› (oben) 9 März 2019 ProgrammZeitung Redaktion-März_S.2-25.indd 9 20.02.19 08:49
Jazz im Film Ruedi Ankli Das Stadtkino zeigt eine Reihe zu prägenden Film-Soundtracks. Die beiden Genres Jazz und Film sind essenzielle Treibkräfte der westli- chen Kultur des 20. Jahrhunderts. Aber haben sie sich auch gegenseitig be- einflusst? Erste Berührungspunkte fanden schon zur Stummfilmzeit statt, als Vorführungen nicht selten von Jazzmusikern begleitet wurden. Der le- gendäre Film ‹The Jazz Singer› von 1927 trug wesentlich zum Durchbruch des Tonfilms weltweit bei. Trotz des Titels hatte er mit Jazz nur am Rand zu tun, im Gegensatz zu zahlreichen anderen Filmen. Bis in die Fünfzigerjahre war der Jazz präsent, oft auch mit amerikanischen Musikern, die bei ihren Europa-Tourneen für Filmproduktionen engagiert wurden. Sidney Bechet GEISTERHAFT und Louis Armstrong etwa waren sehr gefragt. Nur ging es dabei meist um Thomas Meyer den Jazz vor der Bebop-Wende. Zu einer wirklichen Annäherung bzw. Befruchtung kam es 1958 bei Louis Fritz Hausers Solo ‹Spettro›. Malles Regiedebut ‹Ascenseur pour l’échafaud› (‹Fahrstuhl zum Schafott›). Ein schwarzgekleideter Mann, gross, nur mit Malle konnte für den Soundtrack den Trompeter Miles Davis gewinnen. seinem Instrument in der Weite des Konzert- Dieser improvisierte mit seinem Quintett zum bereits abgedrehten Film. saals: Wer den Perkussionisten Fritz Hauser Miles gelang es, die bis dahin übliche Vertiefung von Emotionen, welche und seine Auftritte schon länger verfolgt, kennt das Setting. ‹Trommel mit Mann› hiess etwa die Bilder und der Dialog vermittelten, zu überwinden. Laut Malle wirkte eine Arbeit von 2001, in der er mit einer einzi- die Musik «kontrapunktisch, elegisch und irgendwie losgelöst» und verän- gen Trommel auf die Bühne trat – und erst noch derte die Wahrnehmung des ganzen Films. Bestimmt prägte diese Erfah- in Shorts, alleingelassen mit den Erinnerungen rung auch die Entwicklung des Startrompeters. 1959 erschien sein Bestsel- an die Kindheit. Damals bereits arbeitete er mit ler-Album ‹Kind of Blue›, eine Art Manifest des modalen Jazz. Zudem der Regisseurin Barbara Frey und der Licht - verzichtete kaum ein Film noir fortan auf die knisternde Atmosphäre von designerin Brigitte Dubach zusammen. Hauser Jazz-Arrangements. pflegt lange Kooperationen. Und so waren die Mehr als Gefühls-Sound. beiden auch wieder mit dabei, als es darum Eine eigene Kategorie innerhalb der Reihe bilden Filme, die sich mit dem ging, 2018 für das Lucerne Festival ein neues kreativen Prozess der Jazzmusik auseinandersetzen. Bert Stern geht in sei- theatrales Programm zu erarbeiten. Vielleicht sind Schlagzeugspielende ja ohne- nem Werk zum Newport Jazzfestival, ‹Jazz on a Summer’s Day› (1959), hin die Theatraliker des Musikbetriebs: Wenn über den Standpunkt des Dokumentalisten hinaus und vermittelt den sub- der Mann in der obersten Orchesterreihe sich jektiven Blick des Autors. mit seinen beiden Tschinellen in den Händen In den Sechzigerjahren wurden immer öfter Jazzer für den Soundtrack erhebt, ist ihm die Aufmerksamkeit sicher, eines Films engagiert, etwa Benny Carter für Leo Penns ‹A Man Called schon bevor er in Aktion tritt. Hausers Theatra- Adam› (1966) oder Herbie Hancock für Michelangelo Antonionis ‹Blow-up› lik ist freilich keine spektakuläre, sondern eine, (1966). Hancock wirkte auch als Komponist in Bertrand Taverniers Kultfilm die die kleinste Nuance zutage treten lässt. ‹Round Midnight› (1986), mit dem beeindruckenden Tenorsaxofonisten Auch in ‹Spettro› nun begegnen wir ihm allein Dexter Gordon in der Hauptrolle. Er zeigt ein stimmiges Bild der Pariser im Scheinwerferlicht, mit einem reduzierten Jazzszene der Fünfzigerjahre und vertieft die existenzielle Situation des Drumset, einem Tamtam und wenigen weiteren Protagonisten. Ein Akt der Liebe für den Jazz, aber auch für den Film, denn Instrumenten – angeordnet im Kreis um sich herum, weil er sich während des Stücks drehen ‹Round Midnight› fesselt Fans beider Genres. wird. Auf den Trommeln beginnt er, in einem ‹All That Jazz on Film-Soundtracks›: Stadtkino Basel >S. 41 regelmässigen Puls, den er vorantreibt und der Standbild zu ‹Ascenseur pour l’échafaud› mit Jeanne Moreau und Miles Davis sich nur allmählich subtil verändert – über eine Stunde hinweg. Es ist nicht das Rhythmische allein, das hier fasziniert, sondern auch, wie sich aus dem Pulsieren ein Klang weitet, sich rasend-ruhig entfaltet, wie er den Raum erfüllt. Hauser ist ein Klangmagier. Hier nämlich ent- wickelt sich ein ganzes Spektrum von Ober tönen und Klangfarben, das einem vielleicht manchmal, in diesem dunklen und innerlich stillen Raum, fast schon ein wenig gespenstisch vorkommen mag. «Eine Geisterverschwörung» (nicht «Beschwörung») nennt er es. Sind die Geister, die hier aufspielen, jene, die nächtens in seinem Haus in Italien hervorkommen, wenn er nicht da ist? Zumindest ist es bei den Nach- barn als ‹Casa delle masche› bekannt, weil es dort geistern soll. So oder so bekommt man bei diesen Schwingungen den Eindruck, dass hier nicht einer, sondern eine ganze Meute von Schlagzeugern am Werk ist. ‹Spettro› – Fritz Hauser Solo : Fr 29.3., 20 h, Gare du Nord >S. 31 Ausserdem: Taktlos Festival für grenzüberschreitende Musik: Do 14. bis Sa 16.3., Zürich, www.taktlos.com Fritz Hauser, Foto: Erich Busslinger ProgrammZeitung März 2019 10 Redaktion-März_S.2-25.indd 10 20.02.19 08:49
Musikliebe geht durch den Magen Benedikt Lachenmeier Atlantis und Parterre One starten mit neuen Konzepten in die Zukunft. Ein Kulturrestaurant wie es früher war – das ist der Plan von Peter Sterli. Er ist der CEO der Parterre Group, die das Atlantis nun betreiben darf. Es sei eine Ehre, dem berühm- ten Musiklokal neues Leben einzuhauchen. Seine 72-jährige Geschichte ist beeindruckend. Nach dem Start mit Jazzgrös- sen wie Joe Turner entwickelte sich das ‹-tis› in den 1970er- und 80er-Jahren zum bedeutendsten Liveclub der Schweiz. Damalige Helden wie Black Sabbath oder Les Sauterelles traten dort auf. Legendär sind auch die exotischen Tiere, die im Dunstrauch des Atlantis lebten. In den 90ern ging das Lokal in Konkurs, im neuen Jahrtausend nahm es einen weiteren Anlauf. Das Atlantis als Konzertort wurde aller- dings zur Nebensache. Das ändert sich nun wieder. Die neuen Verantwortlichen versuchen Kultur und Gastro- nomie in Einklang zu bringen. Um den Sound kümmern sich die Bookerinnen Tanja Schmid und Leila Naas. Echte Livemusik ist nun zu hören – von hartem Rock bis hin zu zarten Akustik-Klängen. In der aktuellen Saison spielen u. a. die Delilahs, Sina oder die Aeronauten. Wie damals gibt es im ‹-tis› wieder fast jeden Abend pro Woche ein Konzert. Fürs Essen ist Louise Zitzer zuständig. Die junge Wirtin ser- viert frische Speisen aus regionalen Zutaten. Die Drinks mixt der preisgekrönte Bartender Christian Hausmann. Gleich zweimal neu. Die Parterre Group, die sich aus einem Jugendtreff zu einem Unternehmen mit etlichen Gastro-, Sozial- und Kul- turbetrieben entwickelt hat, nimmt auch in ihrem Stamm lokal Parterre bei der Kaserne einen neuen Anlauf, es wurde zum Parterre One. Das umgebaute Hinterhaus erstrahlt mit trendiger Beleuchtung und einer Galerie für die unein geschränkte Sicht auf die Bühne. Als Kontrast zum Atlantis geniessen. Unten im neuen Bistro warten Drinks und eine ertönen mehr urbane Sound. Das Bookingteam um Nic Plésel einfache Mittags- und Abendkarte. Das Team der Parterre setzt vor allem auf Black Music und Old School Hip Hop. Group steht mit dem Atlantis und dem Parterre One vor Aber auch Popsängerin Anna Rossinelli feiert hier ihre grossen Herausforderungen. Dank den neuen Konzepten Plattentaufe. Und Singer-Songwriterin Sophie Zelmani ist geht die Musikliebe aber bestimmt durch den Magen. ebenfalls willkommen. Zudem findet im Parterre One ein- Atlantis, Klosterberg 13, www.atlantis-basel.ch mal pro Monat ein offener Poetry Slam statt. Parterre One, Klybeckstr. 1b, www.parterre.net Die Gastronomie geht ebenfalls neue Wege. Das Restau- rant im Vorderhaus ist in den ersten Stock gezogen. Im ehe Atlantis, Foto: Parterre Basel (oben) maligen Bankettsaal gibt es jetzt mehrgängige Menüs zu Parterre One Music, Foto: FDR Studios Europa-Sound db. Wer die drei Musiker kennt, wird sich weder ihre neue CD noch ihr Basler Konzert entge- hen lassen. Die Rede ist von ‹Mare Nostrum III›, dem Album des sardischen Trompeters Paolo Fresu, des französischen Akkordeonisten Richard Galliano und des schwedischen Pianisten Jan Lundgren. Seit über zehn Jahren arbeiten die drei eigenständigen Klangpoeten an diesem ge- meinsamen Projekt, in das jeder seine Kultur und Musiksprache einbringt, Eigenkompositionen und Lieblingsstücke zur Interpretation beisteuert. Stets virtuos und leichtfüssig-elegant spielen sie 15 Stücke mit Elementen aus verschiedenen Musikrichtungen, vereinen Melodien und Stim- mungen aus ganz Europa zu einem warmen Sound mit Suchtpotenzial. Das herausragende Trio tritt damit auch im Vorfeld des Jazzfestivals Basel auf, vorab ist ein Solo-Rezital des jungen Genfer Pianisten Marc Perrenoud zu hören. Konzert ‹Mare Nostrum III›, mit Fresu, Galliano, Lundgren: Mi 3.4., 20.15, Martinskirche Basel. CD ACT 9877-2 (auch als Doppel-Vinyl). Ausserdem: ‹Mare Nostrum› (2007), ‹Mare Nostrum II› (2016), www.actmusic.com 29. Jazzfestival Basel: Fr 26.4. bis Mo 20.5., www.offbeat-concert.ch >S. 34 Ausserdem: Neue Konzertreihe ‹Jazz & Soul Afterwork›: jeden letzten Donnerstag des Monats, mit Barbetrieb: Do 28.3., 18–19.30, Refektorium Kloster Dornach. Mit Schönhaus Express feat. Lisette Spinnler, www.klosterdornach.ch Reihe ‹Jazz im Park›: Jeden letzten Mittwoch des Monats: Mi 27.3., 18 h, Pavillon im Schützenmattpark, Basel. Mit Jazz Serenaders, anschliessend Jam-Session und Tanz, www.parkpavillon.ch Fresu, Galliano, Lundgren, Foto: zVg 11 März 2019 ProgrammZeitung Redaktion-März_S.2-25.indd 11 20.02.19 08:49
Ein geniales Jugendwerk Christian Fluri Arthur Honeggers ‹Le Roi David› mit der Basel Schauspielmusik. Sinfonietta und dem Basler Bach Chor. Im Jahr 1921 suchte der Dramatiker René Morax für sein Viel zu selten werde es gespielt, das Oratorium ‹Le Roi Stück über den alttestamentarischen König – geschrieben David› von Arthur Honegger (1892–1955), dieses Werk der für sein Théâtre du Jorat Waadtland – einen Komponisten. frühen Moderne, sagt der Basler Dirigent, Chorleiter und Er fragte Igor Strawinsky an, doch der hatte keine Zeit. Der Organist Joachim Krause in unserem Gespräch. Er lobt die Dirgent Ernest Ansermet schlug Morax den damals 29-jähri- farbenreiche, geniale Orchestrierung mit der glockenhaften gen, in Paris lebenden Arthur Honegger vor, ein Mitglied Celesta als Tasteninstrument, die Vielfalt der Musik mit ihren der Groupe des Six um Jean Cocteau. Auch Strawinsky unterschiedlichen Stilen von choralhaften Passagen bis zu empfahl den jungen Schweizer. Gerade mal zwei Monate tänzerischen Jazzsequenzen. habe Honegger Zeit gehabt, erzählt Krause «Doch bot sich Krause bringt nun das Oratorium von 1923 mit seinem ihm die einmalige Chance, zu zeigen, was er konnte.» Und Basler Bach Chor und der Basel Sinfonietta zur Aufführung. das war viel. Das Konzert ist Teil der regelmässigen Zusammenarbeit Honegger wurde mit ‹Le Roi David› über Nacht welt zwischen dem Chor und dem selbstverwalteten Orchester. berühmt. Zwei Jahre nach der Uraufführung entschlossen Als Abonnementkonzert der Basel Sinfonietta trägt es den sich Honegger und Morax, das Werk zu einem Oratorium Titel ‹Der Basler König› – weil Autograf und Originalpartitur für Sopran, Alt, Tenor, einen Sprecher, einen gemischten ihre Heimat in der Paul Sacher Stiftung gefunden haben; Chor und Orchester umzuschreiben. Der Sprecher über- der Basler Dirigent und Mäzen war einer der grossen För nimmt gleichsam den Part der Schauspieler, führt durch die derer Honeggers. Geschichte des jüdischen Königs. Krause spricht von den rhythmisch komplexen Passagen, von den ein- und mehr- stimmigen Gesängen, die von tiefer Trauer bis zu jubelnder Ekstase alles an emotionalem Ausdruck enthielten. Dem Komponisten gelang es, die Geschichte Davids auf dichte 65 Minuten zu komprimieren: ein Meisterstück im Umgang mit der Zeit und der dramatischen Spannung. Befreier und Despot. «Das in moderner Sprache verfasste Werk zeigt den König als ambivalenten Menschen», erläutert Krause. David, der als Knabe mit seiner Steinschleuder den Philister Goliath besiegt, ist auf der einen Seite der heldenhafte Befreier Is raels, aber er ist ebenso ein Despot, der sich alle Rechte nimmt. Dies lebendig zu vermitteln, ist auch Aufgabe des Sprechers, dessen Part grossartig in die Musik integriert ist. In Örs Kisfaludy steht Krause ein Sprecher zur Verfügung, der mit seiner Stimme den Kirchenraum füllt. Er spricht den Text von der Kanzel, selbstverständlich ohne Mikrofon. Nur so stimme die akustische Balance zwischen SolistInnen, Chor und Orchester. Arthur Honegger, ‹Le Roi David›: Sa 23.3., 19.30, und So 24.3., 17 h, König David, Foto: zVg Martinskirche Basel, www.baselsinfonietta.ch Ausserdem: ‹Cleopatra – Baroque Arias› mit La Folia Barockorchester, Regula Mühlemann (Sopran) und Robin Müller (Violine, Leitung): Fr 22.3., 20 h, Burghof, Lörrach >S. 35 Hellas-Hymnen Dagmar Brunner Gesang und Sprache. Eine Gruppe von Griechenlandgebürtigen -leid, von Sehnsucht, Drogen und Existenz- Esti› (Gepriesen sei!), das von Mikis Theo- und -fans aus Basel, Lörrach und St. Louis kampf. ‹El GreChor› präsentiert nun unter dorakis als Volksoratorium vertont und hat sich seit 2016 zum gemischten ‹El dem Titel ‹Athanasia – Unsterblichkeit› vom berühmt wurde. Das Ensemble ‹consigne- GreChor› formiert, der sich der vielfältigen Dirigenten vierstimmig arrangierte Lieder, 8basel› bringt die vielschichtige Hymne mit Musik dieser südosteuropäischen Gegend die von einer vierköpfigen Instrumental- Sprache, Musik, Lichtbild und Bewegung widmet. Mit 15 bis 20 Sängerinnen und Sän- gruppe begleitet und mit Soli bereichert als ‹Mysterienspiel› auf die Bühne. gern probt der in Basel lebende Musiker werden. Nach dem Konzert gibt es kleine ‹El GreChor› mit Liedprogramm ‹Athanasia – Tassos Tataroglu traditionelle, moderne Speisen, Getränke und Gelegenheit zum Unsterblichkeit›: Sa 2.3., 19.30, H95 Raum für Kultur, Horburgstrasse 95, www.h95.ch und Kunstvolkslieder, u. a. Rembetiko, den Austausch. ‹To Axion Esti – Gepriesen sei!›: Fr 22./Sa 23.3., 20 h, ‹griechischen Blues›, der einst von Flücht- Ebenfalls innig mit der griechischen Kul- H95 Raum für Kultur, Horburgstrasse 95 lingen und Armen gespielt wurde und lange tur und Geschichte verbunden war der Ly verpönt war. Die von Klangfarben aus Okzi- riker Odysseas Elytis (1911–1996), der vor dent und Orient gespeisten Lieder erzählen 40 Jahren den Literatur-Nobelpreis erhielt. vom harten Alltag, von Liebesglück und 1959 erschien sein Hauptwerk ‹To Axion ProgrammZeitung März 2019 12 Redaktion-März_S.2-25.indd 12 20.02.19 08:49
WÜRFELSPIEL Christian Fluri Die Camerata Variabile widmet sich dem ‹homo ludens›. Der Mensch ist ein Spieler, Musikschaffende sind es auch. Wer die Regeln seines Metiers be- herrscht, vermag lustvoll gegen sie zu verstos- sen und so in andere oder neue Gefilde vorzu- dringen. Das gilt auch für die Kunst. Die Basler Camerata Variabile widmet sich ak- tuell dem ‹homo ludens› in sinnlicher Weise mit Musik aus verschiedenen Epochen. Gäste sind Improvisatoren: Im kommenden Konzert ist es der exzellente Posaunist und Komponist Mike Svoboda, im letzten der Pianist, Cembalist und Organist Rudolf Lutz, ein Meister in allen Stilen. Es geht dem Ensemble darum, das Spannungsfeld zwischen Strenge und Freiheit aufzuzeigen. ‹Uns interessieren generell die Kontraste›, erklärt Helena Winkelman, künst lerische Leiterin des Ensembles. «Nur im Kon Welttheater auf einer Matratze trast – z. B. von heiss und kalt, hell und dunkel – erfahren wir wirklich, was das eine und was das andere ist.» Thomas Meyer ‹Aleae iactae sunt› (die Würfel sind gefallen) heisst das dritte Konzert. Die Violinistin und Leo Dicks Musiktheater gründet auf einem Text Komponistin Helena Winkelman, der Cellist von Tim Krohn. Christoph Dangel, die Klarinettistin Karin Dorn- Was eine deutsche Qualitätsmatratze wohl in ihrem langen liegenden busch und weitere Ensemblemitglieder überneh- Leben so über sich ergehen lassen muss? In der ersten Nacht wird sie viel- men aus ‹Astérix le Gaulois› das hintergründige leicht in einem Hotel von einem jungen verliebten Hochzeitspaar einge- Sprachspiel mit dem originalen Caesar-Zitat ‹alea iacta est›. Im Spiel sind es eben Würfel, die weiht. Danach beginnt eine Odyssee durch die Jahre des Nationalsozialismus fallen. Die fallen im übertragenen Sinn auch in und des Kriegs, des Wirtschaftswunders und der Hippies ... Sie begegnet dem neuen, der Camerata Variabile gewidme- dabei skurrilen Gestalten und Aussenseitern. Mal dient die Matratze als ten Stück Svobodas. ‹Plus/minus› für zwei Grup- Liebeslager, mal als Schutz vor den Bomben, mal zum Träumen oder Sterben. pen von 3 bis 5 Musikern sei als Spielanweisung Sie wird dabei selber immer unansehnlicher. Am Ende landet sie, übers konzipiert. Der Komponist spricht von einer Mittelmeer schwimmend, irgendwo an der Côte d’Azur. Dort verbrennt ein «lebendigen Musik» mit «fünf verschiedenen Mo- Künstler die Überreste, um daraus eine Skulptur zu gestalten. dellen; drei sind ausgeschrieben, zwei werden Von diesem Schicksal in den Jahren von 1935 bis 1992 erzählt Tim Krohn live kreiert». in seinem Band ‹Aus dem Leben einer Matratze bester Machart› (Diogenes Svoboda wirkt in seinem Stück mit. Ebenso in Verlag, 2014) – und daraus wiederum hat der Komponist und Theaterregis- anderen: In einer Improvisation mit Dornbusch, Winkelman und dem Schlagzeuger Lucas Niggli; seur Leo Dick sein gleichnamiges, dementsprechend ‹horizontales Musik- in ‹Trombone and string quartet› (1987) von theater› entwickelt. Benedict Mason, der mit eigenem Raumkon- Komponierte Geschichte. zept arbeitet, wie in den Konstellationen für Mit je zwei Sängerinnen und Sängern sowie drei InstrumentalistInnen Ensemble, einer Improvisation über ein Bild folgt Dick den Lebensstationen der so strapazierten Matratze durch die von Roman Haubenstock-Ramati. Dessen prä Länder Europas und die Dekaden der Zeitgeschichte. Mit elektroakusti- zise ausgeschriebene ‹Ricercari für Streichtrio› schen Klängen werden dazu musikalische Objets trouvés aus den unter- (1948/78) bilden den Gegensatz zu dieser offe- schiedlichen, abwechselnd hoffnungsfrohen und düsteren Episoden einge- nen Form. Dazu setzt die Camerata Variabile spielt. Die musikalischen, sängerischen, darstellerischen, gestischen Mittel die strenge Form mit Beethovens ‹Grosse Fuge werden dabei nicht auf realistische, aber originelle und spielerische Weise in B-Dur, op. 133›, in der der Komponist bewusst eingesetzt. So ist schliesslich, wie Leo Dick sagt, ein «Welttheater im Mini- formale Grenzen überschritten und die er mit «tantôt libre, tantôt recherché» bezeichnet format» entstanden, ursprünglich für das Davos Festival im vergangenen habe, betont Winkelman. Sommer. Wiederum paradigmatisch für die offene Dick, der aus Basel stammt und in Bern als Meisterschüler von Georges Form steht John Cage. Sein ‹Concert for piano Aperghis studierte, ist bereits mit mehreren Musiktheaterproduktionen her- and orchestra› (1957/58) führt das Ensemble vorgetreten, so 2008 mit ‹Kann Heidi brauchen, was es gelernt hat› oder vor ohne Pianisten auf. Es interpretiert die Instru- zwei Jahren mit dem Orchesterstück ‹Zwingli im Orbit›. Zeitbezüge, auch mentalsoli, «die schon in der Partitur als frei helvetische, sind ihm also wichtig. Seine Produktionen entstehen nicht im kombinierbar gesetzt sind», ohne Solisten, sagt luftleeren Raum. Am 9. März wird sein neustes Werk an der Staatsoper Winkelman: ein keckes Spiel, an dem Cage be- Stuttgart uraufgeführt: ‹Antigone-Tribunal› nach einem Text des provoka stimmt seine Freude hätte. tiven Philosophen Slavoj Žižek. Auch da geht es um welthaltige Fragen Camerata Variabile, ‹Aleae iactae sunt›: So 24.3., 17 h, Gare du nord >S. 31 in einer politischen Ordnung, die sich angesichts der unsicheren Zukunft Ausserdem: 7. Festival ‹Piano à Porrentruy›: Europas immer drängender stellen. Do 21. bis So 24.3., Salle de l’inter und Cinemajoie, Leo Dick, ‹Aus dem Leben einer Matratze bester Machart›: Di 19.3., 20 h, Gare du Nord. Pruntrut. Mit Livekonzerten und Filmen, Im Anschluss Suppe und Gespräch mit Roman Brotbeck >S. 31 www.crescendo-jura.ch ‹Aus dem Leben einer Matratze bester Machart›, Foto: Yannick Andrea 13 März 2019 ProgrammZeitung Redaktion-März_S.2-25.indd 13 20.02.19 08:49
Ein Weg zum Ruhm? Carmen Stocker Das Gymnasium Muttenz gastiert mit ‹Fame› in Birsfelden. Die jungen Talente, die gerade ihre Aufnahmeprüfung für die New Yorker Schule für darstellende Künste bestanden haben, wollen nur eins: ihren Traum von Erfolg und Berühmtheit verwirklichen. Aber der Weg dorthin ist hart. Den Studierenden wird schnell klar, dass Begabung allein nicht aus- reicht. Es bedarf knochenhartem Training, Disziplin und Durchsetzungsver- mögen. Doch selbst dies garantiert nicht, seine Ziele zu erreichen. Das Musical ‹Fame›, das 1988 in Miami uraufgeführt wurde und auf dem gleichnamigen Film von Alan Parker aus dem Jahr 1980 basiert, zeigt die Höhen und Tiefen auf, welche die jungen Erwachsenen während ihrer vier- jährigen Ausbildung in Musik, Gesang, Tanz und Schauspiel, aber auch in zwischenmenschlichen Beziehungen durchleben. Ambitioniertes Schulprojekt. Einen ebenfalls steinigen Weg durchlaufen die 27 Teilnehmenden des Wahlkurses Musical am Gymnasium Muttenz, die in ihrem letzten Schul- jahr ‹Fame› im Original auf Englisch einstudieren. «Dieses Musical hat gera- WELTHALTIG de in der heutigen Gesellschaft, in der man sich in den sozialen Medien selbst inszeniert und es darum geht, wie viele ‹Likes› und ‹Followers› man Dagmar Brunner hat, eine hohe Relevanz, weil es auch die negativen Seiten und Gefahren des Ruhmes aufzeigt», meint die Regisseurin Karolina Kowalska, die an der Musik, Theater, Tanz. Schule auch Englisch und Mathematik unterrichtet. Der Wahlkurs wird Seit 30 Jahren ist das Duo fatale unterwegs in immersiv auf Englisch und Deutsch zusammen mit der Gesangslehrerin verschiedenen Sparten und Ländern. Jopo und Franziska Baumgartner (musikalische Leitung), mit Lex Vögtli, Lehrerin für Ingeborg Poffet komponieren und improvisie- Bildnerisches Gestalten, und dem Produktions- und Studienleiter Christoph ren, sind künstlerisch, pädagogisch und gesund Huldi durchgeführt. heitsbezogen aktiv, realisieren Projekte zu zweit «Die Arbeit mit den Schülerinnen und Schülern macht mir viel Spass. Sie und im Ausland mit einheimischen Kulturschaf- fenden. Kürzlich ist ihre neue CD ‹Roulette- sind sehr engagiert und haben einen hohen Anspruch an sich selbst», sagt Circles – the World-Jazz-Project› erschienen, die Kowalska. Geprobt wird seit letztem August drei Lektionen pro Woche. sie im Mai mit einem Gast, dem indischen Tab- Dazu kommen Proben an Wochenenden, in den Fasnachtsferien sowie la-Virtuosen Udhai Mazumdar, auch in Basel Intensivproben vor der Premiere. Die Tanznummern werden von den Mit- vorstellen. Zudem begleiten sie im April Serena wirkenden selbst choreografiert. In Absprache mit Lex Vögtli kreieren die Wey in ihrem Theatersolo ‹Bericht eines Schiff- Maturandinnen und Maturanden auch das Bühnenbild, die Kostüme und brüchigen› unter anderem mit Bassklarinette sämtliche Druckerzeugnisse wie Flyer und Programmhefte selbst. Begleitet und Akkordeon. – wird das Ensemble von einer eigens zusammengestellten Band aus ansäs Der Basler Verein Landholz, der 2018 um die sigen Lehrenden und Lernenden. Brüder Sebastian und Vinzent Gisi gegründet Gymnasium Muttenz, ‹Fame›: Do 21.3., 19 h (Premiere), bis Sa 23.3., Roxy, Birsfelden wurde, entwickelt und realisiert Projekte in Ausserdem: Gymnasium Leonhard mit Musical ‹Once Upon a Time in the Deep Dark Kooperation mit Kunstschaffenden verschiede- Woods›: Mi 27. bis 30.3., Voltahalle Basel ner Sparten. Nach dem Debüt mit ‹Lange Nacht Kurze Stücke› ist nun die erste abendfüllende Produktion zu sehen, ein Tanztheaterstück un- ter dem Titel ‹Show me the meaning of being lonely›. Mit Interviews, Lektüre und eigenen Er- fahrungen wurde Einsamkeit als «Volkskrank- heit, Luxus und Albtraum» untersucht. Ein fünf- köpfiges Ensemble präsentiert die Szenen u. a. unter Verwendung des titelgebenden Songs der Backstreet Boys sowie Texten von Borchert und Camus. CD Duo fatale, ‹Roulette-Circles›, Xopf Records Nr. 053, www.poffetmusic.ch ‹Show me the meaning of being lonely›: Do 7. bis Sa 9.3., 20 h, Druckereihalle im Ackermannshof, St. Johanns-Vorstadt 19/21. Podium zum Thema Einsamkeit: Fr 8.3., 18 h, www.landholzproduction.com Ausserdem: Zum Austausch lädt der Stammtisch Freie Theater- und Tanzszene Basel ein: Do 28.3., 20 h, Kaserne Basel, und Di 4.6., 20 h, Roxy, Birsfelden Gleich zwei leidenschaftliche Schauspieler sind kürzlich gestorben: Jörg Schröder am 6.2. (geb. 1944), der über 20 Jahre Ensemblemitglied am Theater Basel war, aber auch in Off-Produktionen mitwirkte (Theater Garage) sowie Bruno Ganz am 15.2. (geb. 1941), der als Bühnen- und Film- darsteller gleichermassen begeisterte. Duo fatale, Foto: zVg ‹Fame›, Foto: zVg ProgrammZeitung März 2019 14 Redaktion-März_S.2-25.indd 14 20.02.19 08:49
Ausweg ins Ungewisse Dorothea Koelbing ‹Hotel der Immigranten› – ein Musiktheater von Capri Connection. Nach Buenos Aires, weit über das Meer, zogen Hundert- tausende von Flüchtlingen aus Europa und der Schweiz in den 30er-und 40er-Jahren des 20. Jahrhunderts. Sie flohen vor den Diktaturen in Italien, Spanien, Deutschland und Russland und vor der Armut in der Schweiz. «Das will man oft gar nicht hören», stellt Anne Jelena Schulte fest, Initian- tin und Autorin eines Theaterprojekts, «Flüchtlinge – das sind immer die anderen!» Die Schweiz und Europa werden heute als Ziel von Geflüchteten erlebt. Schulte und die Gruppe Capri Connection nehmen die umgekehrte Perspek- tive ein, mit dem Blick in die Zeit, in der man dringend aus Europa fliehen musste. In Argentinien suchten die Theaterleute Spuren dieser Le- benswege. Fündig wurden sie im Flüchtlingsasyl ‹Hotel de Inmigrantes›, der ersten Station vieler Ankommender. Sie begegneten Menschen, die heute 80, 90 Jahre alt sind. «Als Kinder und Jugendliche verliessen sie die übervollen Schif- fe zwar mit ihren Familien, doch alle mussten alleine ihren Weg finden», erzählt Schulte. Kunst als Freiheit. Auf der Bühne entfaltet sich ein vielfältiger Erinnerungs- kosmos: Ruth, Viviana und Robert aus Deutschland. Pedro aus Ungarn. Irene aus der Ukraine. Juana und Señora Alva- rez aus Spanien. Anna aus der Schweiz. Sie alle kommen durch die Schauspielerin Susanne Abelein zu Wort; einen «Multilog», nennt Schulte das, «die Geschichten fliessen durch sie hindurch.» Experimentelle Musik eröffnet atmo- sphärisch Assoziationsräume, die Zuschauenden sind mit gentinischen Gruppe Estrella del Oriente ein Kunstprojekt, auf der Bühne und so unmittelbar ins Geschehen einbezo- es durchzieht die Meere und nimmt alle mit an Bord, in die gen. Bildkräftige Projektionen wecken Beklemmung oder Freiheit, in die Erste Welt. Das Stück erzählt Fluchtge- Wohligsein, in einem Blitzlichtgewitter aus Fotografien der schichte als Menschheitsgeschichte und will an das instabile Identitätskarten aus dem ‹Hotel der Immigranten› tauchen Europa des letzten Jahrhunderts erinnern, «da es gerade unzählige Ungenannte auf. Das Publikum kann gleichzeitig wieder an so vielen Ecken zu wackeln beginnt ...» Gegenwart und Erinnerung erleben. Capri Connection, ‹Hotel der Immigranten›: Fr 29./Sa 30.3., 20 h, Im zweiten Teil verwandeln sich Musik und Bilderwelten Kaserne Basel >S. 36 und Pedro Roth, Überlebender des Ghettos Budapest, Maler Ausserdem: 4 Basler Stücke wurden zum Berliner Theatertreffen eingeladen: ‹Hotel Strindberg› (Simon Stone) und ‹Tartuffe oder das und Essayist, übernimmt es, die Anwesenden zum gemein- Schwein der Weisen› (Claudia Bauer) des Theater Basel sowie samen Aufbruch zu führen. Er schlägt vor, «dass wir damit 2 Koproduktionen der Kaserne Basel: ‹Girl from the Fog Machine beginnen, die Zukunft neu zu träumen, ohne Angst, uns zu Factory› (Thom Luz) und ‹Oratorium› (She She Pop). irren. (...) Wenn wir nicht denken, wird unser Kopf von den Ideen anderer besetzt, verschenken wir den Raum unseres Capri Connection, ‹Hotel der Immigranten›, Foto: T. Schöningh freien Willens.» So ist das utopische Walfischschiff der ar- Humbug – Raum für Livekunst db. Eine ausgediente Industriehalle, vormals die Kunststoff- werkstatt von BASF, kann ab Ende März für fünf Jahre kultu- rell zwischengenutzt werden. Die Initiativgruppe – Projektlei- ter sind der Schauspieler Markus Wolff, der zuvor im Alten Zoll wirkte, Charlotte Wirthlin, die den benachbarten Plata- nenhof betreibt, Gian Luca Hofmann und Simone Meyer – hat sich viel vorgenommen. Mit Mittagstischen, gelegentlichen Abenddiners und Bar, Konzerten, Tanz, Theater und Spoken Word soll das neue ‹Humbug› belebt und für ein breites Publi- kum attraktiv werden. Die Halle ist gut 200 Quadratmeter gross und fasst rund 300 Gäste. Zur Eröffnung gibt es sechs Konzerte, u. a. mit Big Zis und Les Reines Prochaines, und ein langes, rauschendes Fest. Unterstützung willkommen! Eröffnung Humbug: Fr 29./Sa 30.3., jeweils 19 h Apéro, Humbug, Foto: Gian Luca Hofmann Konzerte 21 h, Klybeckstr. 241, www.humbug.club 15 März 2019 ProgrammZeitung Redaktion-März_S.2-25.indd 15 20.02.19 08:49
Sie können auch lesen