Unsere Brüderschaft - eine Standortbestimmung auf dem Weg in die Zukunft - Bericht über zukunftsbezogene Themen, Aspekte und Fragestellungen aus ...
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Unsere Brüderschaft - eine Standortbestimmung auf dem Weg in die Zukunft Bericht über zukunftsbezogene Themen, Aspekte und Fragestellungen aus relevanten Studien, Untersuchungen und Daten Autoren: Fritz Blanz Ernst Klier Jörg-Simon Löblein
Gliederung Anlass und Vorgehensweise der Standortbestimmung .......................................... 4 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse (Abstract).................................... 5 1 Das Umfeld der Rummelsberger Brüderschaft .................................................. 8 1.1 Gesellschaftlicher Wandel in Bayern und Deutschland ...................................... 8 1.2 Umfeld Diakonie ..................................................................................................... 12 1.3 Umfeld Kirche ......................................................................................................... 14 1.3.1 Die Kirchenmitgliedszahlen ............................................................................ 14 1.3.2 Der Bedeutungsverlust................................................................................... 17 1.3.3 Die Öffentliche Theologie ............................................................................... 18 1.3.4 Profil und Konzentration (PuK) ...................................................................... 19 1.3.5 Das Miteinander der Berufsgruppen .............................................................. 19 1.4 Kirchliche Strukturen in der aktuellen Zeit der Verkleinerung ......................... 20 1.5 Das Diakon*innen-Amt in der ELKB .................................................................... 21 2 Ausprägungen der Gemeinschaft ...................................................................... 22 2.1 Einige Eckpunkte der bisherigen Entwicklung von Strukturen in der Brüderschaft........................................................................................................... 23 2.2 Altersstruktur der Gemeinschaft.......................................................................... 25 2.3 Finanzierung der Gemeinschaft ........................................................................... 26 2.4 Rollen innerhalb der Gemeinschaft ..................................................................... 28 2.4.1 Verschiedene Rollen in der Gemeinschaft .................................................... 28 2.4.2 Frauen und Partner in der Gemeinschaft „Rummelsberger Brüderschaft“ ... 29 2.5 Gesellschaftliches Wirken der Gemeinschaft .................................................... 31 2.5.1 Einsatzfelder der aktiven Diakoninnen und Diakone ..................................... 31 2.5.2 Bürgerschaftliches und ehrenamtliches Engagement der Gemeinschaftsmitglieder (auch der Ruheständler) ....................................... 32 2.6 Digitalisierung / technische Möglichkeiten ......................................................... 33 3 Dimensionen der Gemeinschaft......................................................................... 34 3.1 Dienstgemeinschaft ............................................................................................... 34 3.2 Sendungsgemeinschaft......................................................................................... 36 Unsere Brüderschaft – eine Standortbestimmung auf dem Weg in die Zukunft - 27.06.2021 - Seite 2 von 58
3.3 Lebensgemeinschaft ............................................................................................. 37 3.3.1 Strukturell ....................................................................................................... 39 3.3.2 Freizeit ............................................................................................................ 39 3.3.3 Generationenübergreifende Fürsorge ........................................................... 39 3.3.4 Lebensbezogen .............................................................................................. 40 3.4 Glaubensgemeinschaft.......................................................................................... 40 3.4.1 Glaube und Begegnung – das Miteinander ................................................... 41 3.4.2 Glaube und Zeugnis – Profil zeigen............................................................... 41 4 Partnerschaft mit der Diakoninnengemeinschaft ............................................ 43 4.1 Gemeinsame Strukturen ....................................................................................... 43 4.2 Themen und Fragestellungen ............................................................................... 47 5 Bisherige Zukunftsprozesse in der Brüderschaft ........................................... 48 5.1 Ergebnisse des Kommunikations-Prozesses der Jahre 1995-1998................. 48 6 Weitergehende Fragestellungen aufgrund der aktuellen Erkenntnisse ....... 50 6.1 Aufgabe und Rolle als diakonische und spirituelle Gemeinschaft .................. 50 6.2 Der „eigentliche Auftrag“ ...................................................................................... 50 6.3 Gesellschaftliche Bedeutung einer diakonischen Gemeinschaft .................... 50 6.4 Entwicklung zu einer akteursorientierten Gemeinschaft .................................. 51 6.5 Verhältnis der Gemeinschaft zum Unternehmen Rummelsberger Diakonie und zur ELKB ......................................................................................................... 51 6.6 Bürgerschaftliches und ehrenamtliches Engagement der Gemeinschaftsmitglieder...................................................................................... 52 6.7 Verbindung zwischen beruflichem Amt und Gemeinschaftszugehörigkeit ... 52 6.8 Aktualität als Sendungsgemeinschaft ................................................................. 52 6.9 Die Rolle des Rektors ............................................................................................ 53 6.10 Partnerschaft mit der Diakoninnengemeinschaft .............................................. 53 6.11 Weitere Ausführungen zu Frauen in der Brüderschaft ..................................... 54 6.12 Bedeutung der Begleitungen ................................................................................ 54 7 Literatur- und Quellenverzeichnis ..................................................................... 55 8 Kontaktdaten der Autoren .................................................................................. 58 Unsere Brüderschaft – eine Standortbestimmung auf dem Weg in die Zukunft - 27.06.2021 - Seite 3 von 58
Anlass und Vorgehensweise der Standortbestimmung Die Rummelsberger Brüderschaft steht in den nächsten Jahren vor einschneidenden und fundamentalen Veränderungsprozessen, die in externen Rahmenbedingungen, inneren Veränderungen und kulturellen Entwicklungen begründet liegen. Diese Einsicht bewegte einige Brüder, einen Prozess zur Bearbeitung von notwendigen Entwicklungen anzustoßen. Der Brüderschaftsrat beschloss am 18.02.2021 die Einsetzung des Arbeitskreises Offene Brüderschaft als offiziellen Arbeitskreis des Brüderschaftsrates. Der Arbeitskreis Offene Brüderschaft beauftragte die Autoren, diesen Bericht zu erstellen. Der Bericht hat das Ziel, bereits vorhandene Erkenntnisse zu sammeln und in zusammenfassender Form der Gemeinschaft zur Verfügung zu stellen. Die Autoren achteten darauf, dass vorrangig faktenbasierte und qualifizierte Erkenntnisse in den Bericht einfließen, die bereits publiziert oder von Personen zur Verfügung gestellt wurden, die sich eingehend mit relevanten Themen beschäftigt haben. Der Bericht möchte dem anstehenden Zukunftsprozess der Rummelsberger Brüderschaft eine Grundlage im Sinne eines Nachschlage- und Vertiefungswerkes zur Verfügung stellen. Es kann keine umfassende Bearbeitung der Thematik vorgenommen werden. Vielmehr handelt es sich um eine Zusammenstellung oft zentraler Aspekte und gelegentlich fragmentarischer Darstellungen, die am Anfang eines Zukunftsprozesses wichtig sein können. Sie dienen einem schnellen Einstieg in das jeweilige Thema und sollen Interesse an weiteren Vertiefungen wecken. Es werden für die Zukunft unserer geistlichen Gemeinschaft relevant erscheinende Aspekte auszugsweise dargestellt, gesellschaftliche Entwicklungen skizziert, vorhandene Diskussionen zusammengefasst und punktuell thematische Impulse gesetzt, damit ein Zukunftsprozess qualifiziert und handlungsorientiert geführt werden kann. Weitergehende Informationen sind den angegebenen Quellen zu entnehmen. Sie werden soweit wie möglich online auf der gemeinschaftsinternen Homepage zur Verfügung gestellt und sind auch direkt bei den Autoren erhältlich. Themen des diakonischen Berufes, seines Berufsbildes oder dienstrechtliche Fragestellungen werden insoweit (kurz) beleuchtet, als sie gemeinschaftliche Relevanz besitzen. Zur Recherche wurden bundesweite Studien ebenso einbezogen, wie kirchen- und diakoniepolitisch relevante Dokumente sowie interne Arbeiten und Untersuchungen der Rummelsberger Gemeinschaft. Die Recherche beruht vorwiegend auf Zitaten aus den Dokumenten, die wo nötig, von den Autoren mit Kommentaren versehen wurden. Unsere Brüderschaft – eine Standortbestimmung auf dem Weg in die Zukunft - 27.06.2021 - Seite 4 von 58
Das vorliegende Dokument verfolgt die Linie „vom Allgemeinen zum Besonderen“. Zuerst beschäftigen wir uns mit den allgemeinen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und gehen zum brüderschaftlichen Umfeld mit den drei Säulen der Brüderschaft bis hin zu Fragen der Konkretisierung. Besonderen Dank möchten die Autoren folgenden Personen aussprechen, die uns qualifizierte Rückmeldungen zur Standortbestimmung gegeben, die auch Eingang in die nun vorliegende Version erhielten: Dr. Günter Breitenbach, Peter Dienst, Prof. Dr. Johannes Haeffner und Prof. Dr. Thomas Popp. Vergelt´s Gott für Eure Mithilfe! Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse (Abstract) Der demographische Wandel in Deutschland (und in spezieller Ausprägung in Bayern) führt zu sehr großen Veränderungen bei den Alters- und Erwerbsgruppen sowie der Zugehörigkeit zu Glaubensgemeinschaften oder in den Erfahrungen mit Migration. Diese Entwicklung findet ihre Entsprechung in der Rummelsberger Brüderschaft: Die Gemeinschaft wird weniger Personen im aktiven Dienst und mehr Personen im Ruhestand bekommen. Gleichzeitig treten weniger junge Menschen ein oder werden Mitglieder. Zudem ist ein Bedeutungsverlust der christlich-kirchlichen Orientierungen festzustellen. Für etwa ein Drittel der deutschen Bevölkerung ist es wichtig, einer Religion nachzugehen, jedoch gehen viele davon aus, dass dies abnehmen wird. Gleichzeitig sind in der breiten Gesellschaft starke Vorstellungen vom sozialen Auftrag der Kirche vorhanden. Sie werden immer mehr am diakonischen Auftrag gemessen. Aufgrund dieser vorrangig zahlenorientierten Betrachtung werden Fragen nach dem Warum, der Aufgabe oder dem Ziel unserer Gemeinschaft offensichtlich: Wenn sich unsere Gesellschaft und noch mehr unsere Kirche verändert, welche Rolle haben wir als diakonische Gemeinschaft? Welche Rolle können und sollen wir haben? Die Öffentliche Theologie entwirft hierzu starke Postulate der Hinwendung in die Zivilgesellschaft. Der vor einigen Jahren begonnene Entwicklungsprozess in der ELKB „Profil und Konzentration“ versuchte, diese Themen in operativen Formen zu bearbeiten. Gleichzeitig ist feststellbar, dass diakonische Unternehmungen – im Gegensatz zur verfassten Kirche – in den letzten Jahren immer weiterwachsen. Unsere Brüderschaft – eine Standortbestimmung auf dem Weg in die Zukunft - 27.06.2021 - Seite 5 von 58
Eine prominente Analyse nimmt die auf Entwicklung und Zukunft ausgerichteten Veränderungen kirchlicher Strukturen in den Blick: Von den anstaltlichen Verfassungen hin zu Akteurs- oder Agenturformen, die in die Gemeinwesen hineinstrahlen. In diesen globalen Entwicklungen kann unsere diakonische Gemeinschaft eine weltbezogene Rolle haben, wenn sie „für andere da ist“. Gleichzeitig wurde bereits vor 25 Jahren festgestellt, dass die Identifikation mit der Brüderschaft nachlässt. Die Beschäftigung einer qualitativen und einer quantitativen Untersuchung der Rummelsberger Brüderschaft ergaben erwartungsgemäß diverse Bilder, Erwartungen und Wünsche der Mitglieder über ihre Gemeinschaft. Dies betrifft alle Ebenen der Lebens-, Sendungs-, Dienst- und Glaubensgemeinschaft. In der Untersuchung wurden mehrere Themenkomplexe entdeckt, die für eine weitere Bearbeitung von Bedeutung sind. Hierzu gehören: • Die Bedeutung der Spiritualität – Glaubensgemeinschaft Das Thema Spiritualität und gelebter Glaube zieht sich wie ein roter Faden durch die Untersuchung. Es taucht in allen Generationen, bei Frauen und Männern, bei den Berufsfelder gleichermaßen auf und wird als Grundbedürfnis artikuliert. Die Autoren haben deshalb zur Dienst- Sendungs- und Lebensgemeinschaft einen Punkt „Glaubensgemeinschaft“ eingefügt. Hier spielen die Vielfalt der Ausprägungen ebenso eine Rolle, wie die Betonung der Einheit von Wort und Tat als diakonisches Profil. Diakone verstehen sich aus dem Glauben im Dienst an der Gesellschaft. • Die Bedeutung des Ehrenamtes Die Autoren stellen fest, dass das Ehrenamt sowohl innerhalb der Brüderschaft mit über 200 ehrenamtlichen Frauen und Brüdern als auch in der gesellschaftlichen Wirkung (in Form bürgerschaftlichen Engagements) zum Profil der Gemeinschaft gehört: Brüder, die begleitend zu ihrem Dienst engagiert sind; Frauen, die nicht selten im gesellschaftlichen Kontext Engagement zeigen. Nicht zuletzt Frauen und Brüder im Ruhestand entfalten eine beachtliche Wirkung in Gemeinschaft und Gesellschaft. Leider gibt es dazu wenig konkrete Untersuchungen. Die Autoren gehen grundsätzlich von einem deutlich höheren Engagement aus. Unsere Brüderschaft – eine Standortbestimmung auf dem Weg in die Zukunft - 27.06.2021 - Seite 6 von 58
• Die Genderfrage Die Rolle der Frauen in der Gemeinschaft zeigt wohl die am meisten tiefgreifende Wandlung. Der Prozess ist noch in vollem Gange und muss im Sinne einer fortschreibenden Gendergerechtigkeit weiter bedacht werden. So beobachten wir, dass sowohl die Gestaltung der Dienstgemeinschaft als auch die Akzeptanz der Lebensgemeinschaft ein Generationen- Thema für die Frauen ist. Zudem muss durch die gemeinsame Studienzeit, durch gemeinsame Prozesse im Dienstrecht, gemeinsame Strukturen oder Berufsgruppeninteressen von Diakoninnen und Diakonen das Profil der Rummelsberger Gemeinschaften laufend weiterentwickelt werden. • Die Digitalisierung Im Thema Digitalisierung wird ein Spannungsfeld von Akzeptanz und Überforderung erkannt. Wenn auch tendenziell die Generationenfrage nicht abzuweisen ist (Überforderung), so kann man andererseits durch alle Generationen eine mehr oder weniger große Akzeptanz erkennen. Dennoch darf Digitalisierung nicht zur Ausgrenzung von älteren Familien führen. Herausforderungen sind die Niederschwelligkeit der Angebote und gezielte Begleitmaßnahmen für Menschen ohne Zugang zu digitalen Medien. Diese identifizierten Schlaglichter und verschiedene Strömungen können wertvolle Ausgangspunkte darstellen für den anstehenden Zukunftsprozess. Zum Abschluss des Berichtes wurden im Abschnitt 6 einige Fragestellungen und Themen formuliert, deren Bearbeitung in einem Zukunftsprozess hilfreich sein können. Sie sind als Impulse für die Weiterarbeit zu verstehen. Unsere Brüderschaft – eine Standortbestimmung auf dem Weg in die Zukunft - 27.06.2021 - Seite 7 von 58
1 Das Umfeld der Rummelsberger Brüderschaft Im Kontext der gesellschaftlichen Entwicklungen sind vor allem die drei großen Aspekte der demographischen Entwicklung, der Gendergerechtigkeit und der Veränderung der kirchlichen Bedeutung für unsere Brüderschaft relevant. „Grundsätzlich ist festzustellen, dass Rummelsberger Brüderschaft auch immer eine Gemeinschaft im Kontext der jeweiligen gesellschaftlichen Entwicklungen ist.“ (Dienst 2015, S. 30) 1.1 Gesellschaftlicher Wandel in Bayern und Deutschland Das Statistische Bundesamt (2020) stellt uns viele Erkenntnisse und Prognosen zur Verfügung. Die internationale Migration nach Deutschland, innerdeutschen Wanderungsbewegungen auch nach Bayern, die steigenden Lebenserwartung und Geburtenrate führen zu differenzierten Prognosen. Die Gesamtbevölkerungszahl in Bayern wird von 2019 bis 2030 um 260.000 Einwohnern steigen (Zuwachs um 2%). Wobei das Wachstum bereits 2027 endet. Bis 2040 wird die Bevölkerung in Bayern um 226.000 Einwohner sinken (Verringerung um 1,7%). In den weiteren zehn Jahren wird dann die Bevölkerungszahl bis 2050 um 432.000 Einwohner in Bayern fallen (3,3%). Diese progressiven Werte steigern sich im Jahrzehnt 2050 bis 2060 auf 481.000 Personen (Rückgang um weitere 3,8%). Im Jahr 2050 werden in Bayern 17,4% Personen jünger als 20 Jahre sein. Der Anteil der bayerischen Bevölkerung an erwerbsfähigen Personen zwischen 20 und 66 Jahren wird auf 56,4% sinken. Bei den Personen im Rentenalter werden im Jahr 2050 14,4% im Alter zwischen 67 und 79 Jahren sein und 11,9% werden das Alter von 80 Jahren und älter erreichen. Die durchschnittliche Lebenserwartung wird bis zum Jahr 2060 in Bayern steigend auf 84,4 Jahren für Jungen und auf 88,1 Jahren für Mädchen prognostiziert. „Die Alterung der Bevölkerung in Deutschland wird sich trotz hoher Nettozuwanderung und gestiegener Geburtenzahlen weiter verstärken. In den nächsten 20 Jahren sind durch den aktuellen Altersaufbau ein Rückgang der Bevölkerung im Erwerbsalter und ein Anstieg der Seniorenzahl vorgezeichnet.“ (Statistisches Bundesamt 2019) Der Anteil von Personen an der deutschen Bevölkerung mit Migrationshintergrund und deutscher Staatsangehörigkeit lag Ende 2019 bei 26%. In Bayern ist dieser Anteil identisch. Also hat jede vierte Person in Bayern und Deutschland einen Migrationshintergrund. Es wurden hierbei jedoch nur Personen gezählt, die selbst oder mindestens ein Elternteil nicht mit deutscher Staatsangehörigkeit geboren wurden. Personen, deren Großeltern im Ausland geboren sind, wurden hierbei nicht als Menschen mit Migrationshintergrund gewertet. Unsere Brüderschaft – eine Standortbestimmung auf dem Weg in die Zukunft - 27.06.2021 - Seite 8 von 58
Der Anteil von ausländischen Personen in Bayern betrug Ende 2019 14,6%. Irmer (2020, S. 19-21) betont, dass von der Rummelsberger Brüderschaft der demographische Wandel aufmerksam beobachtet werden sollte. Das könnte auch eine Zukunftsfrage der Brüderschaft sein: Wie beeinflussen Menschen aus anderen Herkunftsländern die Gemeinschaft? Sie leben in unseren Einrichtungen, ergreifen soziale Berufe (Pflege, später evtl. Migrationsberatung) und könnten u.U. auch in die Diakonenausbildung eintreten Die seit 2015 laufende repräsentative Panelstudie „Das Vermächtnis“ des Instituts für angewandte Sozialwissenschaft (infas), des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialwissenschaft und der Wochenzeitung DIE ZEIT befasst sich mit gesellschaftlichen Entwicklungen. Es wurden Menschen befragt: Wenn Sie an ihr gesamtes Leben denken – was davon würden Sie künftigen Generationen gern weitergeben? Was empfehlen Sie einer künftigen Gesellschaft? Wovon raten Sie eher ab? (Allmendinger 2020) Es wurden die jeweiligen Themenbereiche mit einer dreistufigen Systematik erhoben: 1 Was machen Sie / Wie denken Sie? (Einstellungen der Menschen: IST) 2 Was sollte man machen? (Normenstruktur der Menschen: SOLL) 3 Was wird man machen? (Unsere Gesellschaft in der Zukunft: SEIN) Dabei wurden vier verschiedene Muster identifiziert: Stabile Muster zeichnen sich durch gleichbleibende Einschätzungen aus. Antizipierte Erosionen zeichnen sich durch den abfallenden Wert des SEINs aus. Modernisierungen zeigen sich durch ansteigende Werte aus. Kapitulationen erkennt man an niedrigen IST-, hohen SOLL- und noch niedrigeren SEIN-Werten. (DIE ZEIT, infas, WZB; 02/2016; S. 3) Unsere Brüderschaft – eine Standortbestimmung auf dem Weg in die Zukunft - 27.06.2021 - Seite 9 von 58
Hierbei wurde 2016 erkannt, dass in der Bevölkerung kapitulative Einstellungen bzgl. der Nahrungsmittelproduktion vorherrschen, Technik zu verstehen wird immer besser eingeschätzt und entspricht einer Modernisierung. Ebenso modernisiert werden (jedoch mit absteigenden Werten) die Einstellungen zur Heirat als Ausdruck von Liebe. Erosions-Werte sind bezüglich der Fragen zu „Das Leben genießen“ erkannt worden. Bei der Thematik nach der Wichtigkeit von Religion wurden zwar stabile Werteinstellungen mit jedoch absteigenden Zustimmungen identifiziert. Für ca. 35% der Befragten ist es wichtig, einer Religion nachzugehen. Ca. 27% denken, es sollte in Zukunft für alle Menschen wichtig sein, einer Religion nachzugehen. Ca. 16% sind der Meinung, dass es den Menschen in Zukunft tatsächlich wichtig sein wird, einer Religion nachzugehen. (ebd. S. 13): (DIE ZEIT, infas, WZB; 02/2016; S. 13) Unsere Brüderschaft – eine Standortbestimmung auf dem Weg in die Zukunft - 27.06.2021 - Seite 10 von 58
In weiteren Untersuchungen werden auch die Einstellungen zum Wir-Gefühl untersucht, die einer Erosion unterlliegen. (ebd. S. 7) Es zeigt sich, „dass die Menschen in Deutschland um den sozialen Zusammenhalt besorgt sind“ (Wintermantel 2017, S. 3), 85% erachten ihn in Zukunft als außerordentlich wichtig (ebd. S. 4). Die Mehrheit der Bevölkerung fühlt sich jedoch nie allein, weil man über Internet Kontakt hat und würde die Kinder möglichst früh ans Internet heranführen. (DIE ZEIT, infas, WZB; 2019; S. 8) Auch in der Untersuchung von Irmer (2020, S. 33ff) werden die technischen Möglichkeiten der Rummelsberger Brüderschaft als eine der vier Forschungsfragen erörtert. Die Fragestellung beziehen sich fast ausschließlich auf das Thema Digitalisierung. Siehe dazu auch 2.6 Digitalisierung / technische Möglichkeiten. Die aktuelle Corona-Krise bietet für die Mehrheit ein Klima der Veränderung und des Wandels. „Offenbar löst die Pandemie Blockaden und pflanzt die Ideen von einer besseren Zukunft in die Köpfe“ (Allmendinger 2020, S. 36). So betonen 80% explizit das bewährte Gesundheitssystem, die Verwaltung und die Politik als erstaunlich gut, 60% preisen die geringere Wirtschaftsaktivitäten und die Entlastung der Umwelt und in der Digitalisierung wird eine Chance gesehen; die Mehrheit fühlt sich dazu befähigt (ebd.). Allerdings wurde auch eine Kluft zwischen Selbst- und Fremdbeurteilung erkannt. Die größte Abweichung wurde bei der Frage nach guter, sinnstiftender Arbeit festgestellt. „Die Menschen nehmen sehr genau wahr, dass Arbeit in diesem Land längst nicht immer gute Arbeit ist. Sie sind aber geschickt darin, sich von dieser Erkenntnis abzuschotten und die eigene miese Arbeit positiv aufzuladen, das Beste daraus zu machen. (…) Auch bei der Wichtigkeit eigener Kinder und beim Wir-Gefühl klafften Selbst- und Fremdwahrnehmung auseinander. Diese Distanz spricht für politischen Handlungsbedarf“ (Allmendinger 2019, S.1). Für die Soziologin ist das ein Alarmsignal und sie warnt vor einem Auseinanderfallen der Gesellschaft. Unsere Brüderschaft – eine Standortbestimmung auf dem Weg in die Zukunft - 27.06.2021 - Seite 11 von 58
1.2 Umfeld Diakonie Die Organisationen der Kirche werden kleiner, die Organisationen der Diakonie expandieren in den letzten Jahren. (Ahrens 2019, S.1) Es gibt große Unterschiede in der Rangfolge der sozialen Themen, die als wichtig angesehen werden und der Inhalte, die in Gesprächen vorkommen (Ahrens 2019, S.9). Hier eine Zusammenfassung: Die in der Bevölkerung als wichtig Häufige Gespräche über die jeweils angesehen soziale Themen: wichtigen sozialen Themen: • Armut 23% • Politik/Krieg und Frieden 63% • Flüchtlinge 13% • Gerechtigkeit/Soziale Gerechtigkeit 59% • Unterstützung für Bedürftige 11% • Flüchtlinge 59% • Soziale Hilfen/soziales Verhalten 10% • Bildung 57% • Gesundheit/Gesundheitswesen 10% • Altenhilfe/-betreuung 56% • Arbeit 9% • Soziale Hilfen/soziales Verhalten 55% • Bildung 9% • Unterstützung für (andere) Bedürftige 54% • Kinder 9% • Umwelt/-schutz/Tierschutz 52% • Renten/Rentenversicherung 7% • Finanzen 52% • Pflege 7% • Renten/Rentenversicherung 48% • Politik/Krieg und Frieden 7% • Armut 48% • Gerechtigkeit/Soziale Gerechtigkeit 7% • Kinder 47% • … • … „Fast zwei Drittel (63 %) denken [bei Diakonie] von sich aus an Pflegedienst/Sozialstationen und ordnen die Diakonie damit als soziale Dienstleisterin in diesem Feld ein.“ 47% denken an Altenheime, 46% an Hilfen für Menschen in Notlagen und 44% an Evangelische Kirche. (Ahrens 2019, S. 9+10). „Evangelische und Katholische sind mehrheitlich – und das praktisch deckungsgleich – der Ansicht, dass sich die Diakonie ziemlich oder sehr für die ihnen wichtigen Themen einsetzt (ca. 54%). Wenn es um das Engagement der Kirche geht, fallen die Anteile der entsprechenden Voten bei den Evangelischen jedoch erheblich niedriger aus (29%) als bei den Katholischen (39%). Darin könnte sich ein Effekt der jeweiligen Identifikation mit der eigenen Kirche niederschlagen. Die Konfessionslosen urteilen mit Werten von 33% (Diakonie) und 14 % (Kirche) sehr viel zurückhaltender.“ (Ahrens 2019, S.11) Der Diakonie wird „an erster Stelle im Bereich der Pflege ein starkes Engagement attestiert, während sie unter anderem im Hinblick auf die Armut, das Thema, dem die Befragten den höchsten Stellenwert beimessen, eher als unzureichend engagiert wahrgenommen wird – gleiches gilt noch erheblich stärker für die Kirche. Zugleich rechnet aber eine Mehrheit denjenigen, denen die Unterstützung Bedürftiger beziehungsweise soziale Hilfen besonders Unsere Brüderschaft – eine Standortbestimmung auf dem Weg in die Zukunft - 27.06.2021 - Seite 12 von 58
wichtig sind, der Diakonie ein starkes Engagement in diesem Feld zu. (…) Sowohl die Relevanz sozialer Themen als auch die Bewertung des Engagements von Diakonie und Kirche ist eng an die traditional geprägte Religiosität gebunden.“ (…) Die traditional geprägte Religiosität ist ein wichtiger Faktor bei der Wahrnehmung von Kirche und Diakonie sozialer Themen. „Für die künftige Entwicklung werden demnach auch die rückläufigen religiöskirchlichen Bindungen in der Gesellschaft zu veranschlagen sein. Unbeschadet dessen bleibt ein Ansetzen bei sozialen Themen gerade für die Diakonie aussichtsreich, wenn es gelingt, die Aufmerksamkeit in der Bevölkerung für die unterschiedlichen Bereiche diakonischen Handelns zu stärken.“ (Ahrens 2019, S.14) Die Diakonie ist ein freier Wohlfahrtsträger, der Teil des Sozialsystems in Deutschland ist. In ihrem Selbstverständnis gestaltet die Diakonie den Sozialstaat in kritischer Partnerschaft mit. (Leitbild Diakonie 1997). Um diesen Auftrag erfüllen zu können, ist für die Diakonie - wie auch für die anderen Wohlfahrtsverbände - das Prinzip der Subsidiarität eine unverzichtbare Grundlage und Maxime für gesellschaftliches und politisches Handeln. Deshalb fordern die Träger der freien Wohlfahrt einerseits die Zurückhaltung staatlicher und kommunaler Träger in der Umsetzung sozialpolitischer Aufgaben und andererseits die Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen, damit die Freien Träger ihrer Aufgabe gerecht werden können (Becker, 2011). Ähnliches gilt für die Anerkennung der Gemeinnützigkeit, die insbesondere im europäischen Kontext wiederholt in Frage gestellt wurde. In einem Prozess der Ökonomisierung und Privatisierung sozialer Dienstleistungen wurde immer wieder die Gemeinnützigkeit infrage gestellt. Insbesondere die Europäische Union bemühte sich aufgrund unterschiedlicher Rechtslagen in ihren Mitgliedsstaaten um eine Vereinheitlichung, die im Endergebnis die Gemeinnützigkeit gefährden könnte. Das Berufsgruppenprofil von Diakoninnen und Diakonen ist ausführlich beschrieben (Breitenbach 2016). Auch im Rahmen des landeskirchlichen Prozesses „Miteinander der Berufsgruppen“ (2018) wurde das Berufsbild der Rummelsberger Diakoninnen und Diakone ausführlich dargestellt (Dienst / Peterhoff, 2018). Im Verhältnis zu anderen Berufsgruppen, wie Sozialarbeiter*in, Religionspädagog*in, Theolog*in ist die Doppelqualifikation pädagogisch- theologisches Studium mit B.A. Diakonik herauszuheben. Im Verhältnis zur Gemeinschaft und der starken Verbindung zur Landeskirche findet man eine Vielzahl von Diakon*innenstellen mit Leitungsverantwortung – sowohl in Kirche als auch in der Diakonie. Zudem ist die große Bandbreite der Einsatzfelder zu erwähnen, die ein gutes Abstimmen mit anderen Berufsgruppen erforderlich macht (vgl. auch VEDD 2019). Unsere Brüderschaft – eine Standortbestimmung auf dem Weg in die Zukunft - 27.06.2021 - Seite 13 von 58
1.3 Umfeld Kirche 1.3.1 Die Kirchenmitgliedszahlen Bei der Frage nach der zukünftigen Entwicklung der Kirchenmitgliedszahlen (z.B. bis 2040) müssen mehrere Faktoren betrachtet werden. Es müssen Kirchenaustritte und Kircheneintritte und Erwachsenentaufen gegenübergestellt werden. Hieraus ergibt sich ein Wanderungsdefizit, welches seit 2014 eine signifikante Zunahme erfährt: In den Jahren 2000-2013 ergab sich ein Wanderungsdefizit von 50.000- 100.000 Menschen weniger im Jahr; 2014 verdoppelte sich das Defizit auf 226.000 Menschen; seit 2015 pendelt sich das Defizit auf ca. 150.000 Menschen im Jahr ein. (Mayert 2019, S. 4) Aufgrund der Migration wandern viele Menschen nach Deutschland ein. Davon sind jedoch sehr wenig evangelisch. Da evangelische Kirchenmitglieder im Durchschnitt älter sind als die nicht-evangelische Bevölkerung bewirkt die allgemeine Sterberate besondere Effekte bei den Kirchenmitgliedschaften. Die vermehrten Austritte im jungen Lebensalter (aufgrund des Eintritts ins Berufsleben und der Pflicht von Kirchensteuern) bewirken wiederum weniger Kindstaufen. Wenn man die Zunahme der Lebendgeburten in Deutschland dagegenstellt, ist es wenig überraschend, dass 2017 nur noch 20,2% der Geborenen evangelisch getauft wurden, während dieser Anteil 2001 noch 30,5% betrug. (ebd., S. 7) Das Verhältnis von evangelisch Verstorbenen und evangelischen Taufen ergibt eine demographische Lücke der evangelischen Kirche. Sie nimmt immer mehr zu (um 43,8%) und betrug 56.300 Personen im Jahr 2017. Unsere Brüderschaft – eine Standortbestimmung auf dem Weg in die Zukunft - 27.06.2021 - Seite 14 von 58
Aus diesen Werten erstellte Mayert zwei Prognosen für die Entwicklung bis 2040. Eine pessimistische Prognose geht davon aus, dass das extrem hohe Verhältnis der Kirchenaustrittszahlen zu Mitgliedschaften der Jahre 2013 bis 2017 der neue Normalzustand sein wird. Es traten in diesen Jahren 0,92 % der Kirchenmitglieder aus. Die Wiederaufnahme inkl. Erwachsenentaufen (2001 -> 2017: 0,23% -> 0,2% im Vergleich zu Kirchenmitglieder) wurde mit 0,2% als stabil angenommen. „Auch die Taufbereitschaftsquote wurde trendmäßig fortgeschrieben und sinkt daher sukzessive im Prognosezeitraum von 69,3 Prozent im Jahr 2012 (…) auf 55,6 Prozent im Jahr 2040.“ (ebd., S. 10) (Aus Mayert, 2019, S.11: pessimistische Prognose der Kirchenmitgliedschaftsentwicklung und des prozentualen jährlichen Mitgliederverlusts 2018 bis 2040) „Der prozentuale jährliche Mitgliederverlust bleibt dabei zunächst noch in der aktuell beobachtbaren Bandbreite um 1,8 Prozent, nimmt dann aber bis auf 2,4 Prozent zu. (…) Im Jahr 2040 beträgt die Zahl evangelischer Kirchenmitglieder noch 13,58 Millionen.“ (…) Der Anteil evangelischer Kirchenmitglieder an der Gesamtbevölkerung Deutschlands beträgt im Jahr 2040 somit noch 16,8 Prozent – ein Rückgang von 8,7 Prozentpunkten im Vergleich zum aktuellen Wert von 25,5 Prozent.“ (ebd., S.11) Unsere Brüderschaft – eine Standortbestimmung auf dem Weg in die Zukunft - 27.06.2021 - Seite 15 von 58
Bei der optimistischen Prognose wurde ein besseres Verhältnis der Kirchenaustrittszahlen zu Mitgliedschaften angenommen (Durchschnittswert der Jahre 2001 – 2017 von 0,69%). Es wurde angenommen, dass die Erhöhung der Austrittszahlen der letzten Jahre (2013-2017) keinen Trend beschreiben, sondern statistische Ausreißer sind. Auch bei den evangelischen Geburten wurde in besseres Verhältnis angenommen. Auch bei der Taufbereitschaftsquote wurde ein konstanter Wert angelegt. (Aus Mayert, 2019, S.12: optimistische Prognose der Kirchenmitgliedschaftsentwicklung und des prozentualen jährlichen Mitgliederverlusts 2018 bis 2040) Der prozentuale jährliche Mitgliederverlust verläuft nun wesentlich glatter und landet 2040 bei 1,7%. Im Jahr 2040 beträgt die Zahl evangelischer Kirchenmitglieder noch knapp 15,04 Millionen und damit etwa 1 Millionen mehr als in der pessimistischeren Prognose. Der Anteil evangelischer Kirchenmitglieder an der Gesamtbevölkerung Deutschlands beträgt im Jahr 2040 somit noch 18,6 Prozent (also 1,8% mehr als in der pessimistischeren Prognose) – ein Rückgang von 6,9 Prozentpunkten im Vergleich zum aktuellen Wert von 25,5 Prozent. (ebd., S.12) „Deutlich wird dadurch auch, wie sinnvoll Maßnahmen sind, die auf eine konstante bzw. erhöhte Taufquote ausgerichtet sind. Begleitet werden sollten diese Anstrengungen jedoch auch von Maßnahmen, die auf eine signifikante Verringerung der Kirchenaustritte in jungen Lebensaltern zielen, denn bei deutlich zurückgehenden evangelischen Geburten hilft auch eine hohe Taufquote nur bedingt.“ (Mayert, 2019, S.13) Unsere Brüderschaft – eine Standortbestimmung auf dem Weg in die Zukunft - 27.06.2021 - Seite 16 von 58
Diese bundesweit dargestellte Entwicklung wird u.a. bestätigt durch die bayrischen Zahlen. Hier ein kleiner Auszug der aktuellen Situation der letzten Jahre: 2011 waren es 21%, 2015 18,8%, 2020 waren in Bayern 17,6% der Bevölkerung evangelisch (EKD Statistiken). Der Rückgang der Gemeindegliederzahlen in Bayern betrug von 2009 bis 2020 insgesamt 12,25% (Reimers 2021, F.3). 1.3.2 Der Bedeutungsverlust In bisherigen kirchen- und religionssoziologischen Untersuchungen „wird durchgehend ein Bedeutungsverlust der christlich-kirchlichen Orientierungen in unserer Gesellschaft diagnostiziert“ (Ahrens 2019, S.2). Zum Teil muss „sogar schon von einer Tabuisierung religiöser Kommunikation ausgegangen werden“ (ebd., S.3). „Auf den Punkt gebracht handelt es sich um eine „Reproduktionskrise“ der Kirche als Institution oder Organisation in der Gesellschaft: Sie ist nicht mehr in der Lage sicherzustellen, dass es sie in mittlerer Zukunft noch immer in einer die Gesellschaft irgendwie prägenden Größe geben wird.“ (Wegner 2018, S.1) „Die Kommunikation über soziale Themen ist [jedoch] im Lebensalltag der meisten verankert.“ (Ahrens 2019, S.3) Bei konfessionslosen Personen liegt sie zwar 9 Prozentpunkte niedriger, als bei konfessionell Gebundene, jedoch immer noch bei über 70% (häufige Gespräche über wichtige soziale Themen). Dies ist stark abhängig vom Bildungsniveau. Befragte mit Hochschulabschluss tun dies mit 64%, mit Hauptschulabschluss zu 47%. Es „ist seit langem bekannt, dass der Einsatz für (sozial) Benachteiligte den höchsten Rang unter den Erwartungen (nicht nur) der Kirchenmitglieder an die Kirche einnimmt“ (Ahrens 2019, S.1). Das soziale Engagement der Kirchen hat den höchsten Stellenwert in der Bevölkerung. „Insgesamt gesehen erscheint die Kommunikation über soziale Themen als handlungspraktischer – sozialreligiöser – Anknüpfungspunkt für Diakonie und Kirche aussichtsreich. Sie ist im Unterschied zu religiösen Thematiken gesellschaftlich breit verankert. Doch darf sie nicht einfach als Alternative zur Kommunikation über religiöse Themen oder über den (religiös gedeuteten) Sinn des Lebens missverstanden werden. Dies deutet sich bereits im Vergleich nach Kirchenzugehörigkeit an; denn auch beim Gespräch über soziale Themen liegen die Kirchenmitglieder vorn.“ (Ahrens 2019, S.7) „Es sind nämlich zugleich die Kirchenzugehörigen, und unter ihnen die religiös-kirchlich Hochidentifizierten, die sozialen Themen die größte Relevanz einräumen.“ (ebd. S. 14) Unsere Brüderschaft – eine Standortbestimmung auf dem Weg in die Zukunft - 27.06.2021 - Seite 17 von 58
1.3.3 Die Öffentliche Theologie In fünf Punkten sieht Bedford-Strohm (2011) klare Überschneidungen, die er daher zur Beschreibung des Profils öffentlicher Theologie der Gegenwart erläutert und in Thesen zuspitzt. „1. Nicht nur die Kirche wird als der Raum gesehen, in dem Gott handelt, sondern die Welt als Ganze mit all ihren Lebensbereichen. Kirche muss daher immer Kirche für die Welt sein und darf sich nicht hinter ihre eigenen Mauern zurückziehen und primär mit sich selbst beschäftigen. Das ist der tiefe Sinn jener bemerkenswerten Passagen in Dietrich Bonhoeffers Ethik, die sein Verständnis von Wirklichkeit beschreiben: „Die Wirklichkeit Gottes erschließt sich nicht anders als indem sie mich ganz in die Weltwirklichkeit hineinstellt. Die Weltwirklichkeit aber finde ich immer schon getragen, angenommen, versöhnt in der Wirklichkeit Gottes vor. Das ist das Geheimnis der Offenbarung Gottes in dem Menschen Jesus Christus.“ Öffentliche Theologie und Weltflucht sind unvereinbar. 2. Das solchermaßen theologisch gegründete Sich-Einlassen auf die Weltwirklichkeit impliziert eine bewusste Bejahung von Öffentlichkeit und den darin sich vollziehenden demokratischen Willensbildungsprozessen. Öffentliche Theologie hat damit eine klare Affinität zur Demokratie als Staatsform und den damit verbundenen partizipatorischen Möglichkeiten. Der Raum der Öffentlichkeit ist also allein schon deswegen theologisch relevant, weil er für die Weltgestaltung von zentraler Bedeutung ist, weil sich in ihm entscheidet, ob Armut beseitigt, Gewalt überwunden und die Zerstörung der Natur gestoppt wird. 3. Die Gefährdung solcher demokratischer Willensbildungsprozesse durch wirtschaftliche und andere Machtungleichgewichte stellt den Wert dieser Prozesse nicht in Frage, sondern macht ihre engagierte Verteidigung und Pflege umso notwendiger. Widerstandsrhetorik angesichts tatsächlich himmelschreiender Ungerechtigkeiten darf jedenfalls nicht davon ablenken, dass kein Weg daran vorbeiführt, in demokratischen Öffentlichkeiten für ihre Überwindung einzutreten und das entsprechende Bewusstsein dafür zu schaffen. 4. Wenn die Kirche Zeugin des Reiches Gottes und Botschafterin von Gottes Versöhnung in der Weltwirklichkeit sein will, dann muss sie sich auf die öffentlichen Debatten und die darin gepflegte säkulare Sprache einlassen. Sie muss daher eine „Zweisprachigkeit“ entwickeln, die es ihr ermöglicht, sowohl theologische Gesichtspunkte in den öffentlichen Diskurs einzubringen als auch in der Sprache der säkularen Welt zu verdeutlichen, warum diese theologischen Gesichtspunkte in ihren grundlegenden Orientierungen für alle Menschen guten Willens plausibel gemacht werden können. Unsere Brüderschaft – eine Standortbestimmung auf dem Weg in die Zukunft - 27.06.2021 - Seite 18 von 58
5. Kirchen, die sich auf diese Perspektive einlassen, müssen „öffentliche Kirchen“ in der Zivilgesellschaft sein und brauchen als Basis und kritisches Gegenüber eine “öffentliche Theologie“, die sie immer wieder herausfordert und ihnen dadurch theologische Orientierung gibt.“ 1.3.4 Profil und Konzentration (PuK) Im Jahr 2030 hat unsere Kirche insgesamt einen Wechsel vollzogen: Weg vom kräftezehrenden Anspruch der geistlichen Rundum-Versorgung hin zu einer Kultur, die sich an den biblischen Bildern des Säens und Wachsenlassens orientiert. Es ist Gott, der das Gedeihen gibt (1.Kor 3,7). (Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern 2019) Ziele entlang der Grundaufgaben für die Kirche des Jahres 2030 1 Christus verkündigen und geistliche Gemeinschaft leben 2 Lebensfragen klären und Lebensphasen seelsorgerlich begleiten 3 Menschen in Not wahrnehmen und Teilhabe ermöglichen 4 Christliche und soziale Bildung ermöglichen 5 Nachhaltig und gerecht wirtschaften 6 Querschnittsthema Leitung, Planung und Steuerung 7 Querschnittsthema Digitalität (PuK Ziele S. 16-29) 1.3.5 Das Miteinander der Berufsgruppen Notwendig erscheint in diesem Zusammenhang auch ein Hinweis auf den bayerischen Prozess zum Miteinander der Berufsgruppen und zur Rolle der theologischen-pädagogischen Berufsgruppen in der Landesstellenplanung. (Landessynode 2019). In Bezug auf DiakonInnen in der EKLB heißt es: „Im Bereich der ELKB ist die Berufsgruppe mit ihrem Profil prädestiniert, das Thema Gemeinwesendiakonie voranzubringen. Hierfür braucht es eine strukturelle, stärkende Weiterentwicklung der sozialräumlichen Rolle von Kirche und Diakonie, um den Herausforderungen begegnen zu können.“ Da auch in der Brüderschaft das Thema immer wieder unter dem Aspekt der Konkurrenz diskutiert wird, muss noch einmal betont werden, dass die Landeskirche großen Wert auf das „Miteinander“ legt. Das sollte auch der Tenor künftiger Diskurse sein. Unsere Brüderschaft – eine Standortbestimmung auf dem Weg in die Zukunft - 27.06.2021 - Seite 19 von 58
1.4 Kirchliche Strukturen in der aktuellen Zeit der Verkleinerung Den nun kommenden Sachverhalten zur Brüderschaft vorangestellt sei die analytische Auseinandersetzung von Gerhard Wegner (2018) mit kirchlichen Strukturen in der aktuellen Zeit der Verkleinerung. Er beschreibt, dass die kirchlichen Organisationen als Ämter und Anstalten operieren, die „im Kern nach wie vor als Verwaltungen und im deutschen kirchlichen Entwicklungspfad seit spätestens 1919 bleiben“. Damals wurden die Kirchenministerien abgeschafft. Er beschreibt das verwaltungsorientierte Handeln der Organisationen als nicht darauf ausgelegt, innovative Aktivitäten zumindest nicht aktiv und systematisch zu fördern. „Der vorherrschende Eindruck ist: Die gegenwärtige, nach wie vor trotz aller Abschwächungen, anstaltliche Verfassung der evangelischen Kirchen in Deutschland fördert ein bestimmtes, Religion und Glauben eher verwaltendes, und sehr viel weniger ein in dieser Hinsicht etwas unternehmendes Verhalten der in ihr zusammenarbeitenden Funktionsträger.“ (Wegner 2018, S.2) Wegner postuliert nach dieser Analyse das Ziel, dass kirchliche Organisationen zu „Akteuren“ mit „Agentur“-charakter werden müssen. Nebenbemerkt sei an dieser Stelle, dass Wegner den bayerischen Prozess „Profil und Konzentration“ ausdrücklich als in die richtige Richtung weisend betont, jedoch auch strukturelle Schwächen an ihm erkennt. Weiter wird folgendes postuliert: „Mitgliederbindung rein als solche kann nicht funktionieren – schon gar nicht, wenn es eine Bindung an Vielfalt als solche sein soll. Es braucht ein großes christlich – religiöses Narrativ. Dieses kann nur als Antwort auf eine klassische Frage entstehen: Wer ist Jesus Christus heute für uns?“ (ebd. S. 4). Kirchenmitgliedschaftsuntersuchungen werden als wenig geeignet erkannt, da sie die gesamte Situation in der Gesellschaft nicht berücksichtigen. „Denn die Krise des Kirchlichen wird erst dann deutlich, wenn man Kirche als einen Bereich in der Gesellschaft insgesamt verortet und entsprechende Vergleiche vornimmt.“ (ebd.). Der EKD-Autor Wegner verweist auf die allgemeine Theorie der religiös säkularen Konkurrenz des Schweizer Jörg Stolz u.a. (2014). Hier werden Macht, Einfluss und Deutungshoheit (und deren individuelle Nachfrage) innerhalb von Gruppen / Organisationen und Milieus in den Blick genommen. Die klassischen konfessionellen Gegensätze schleifen sich ab, neue Gegensätzlichkeit zwischen denjenigen entstehen, die stark und mit Engagement Religiosität und Kirche praktizieren und anderen, die dies nicht tun (Wegner 2018, S.5). Religiöse Praxis kann sozial nicht mehr erwartet werden und kommen nun in Konkurrenz zu anderen Formen und Freizeitbeschäftigungen, die im Bereich der Selbstentfaltung angesiedelt sind. Die Volkskirche wandelt sich zur Mitgliederkirche (ebd. S.4). Unsere Brüderschaft – eine Standortbestimmung auf dem Weg in die Zukunft - 27.06.2021 - Seite 20 von 58
Wegner propagiert daher Modelle, die der gesellschaftlichen Ausdifferenzierung gerecht werden können (ebd. S.8-10): • Neue nichtparochiale Formen von Kirchengemeinden (es gibt bereits Beispiele älterer Modelle von Personal- oder Anstaltsgemeinden) • gemeinwesendiakonische Initiativen • experimentelle Neuaufbrüche • Integrationskonzepte im Rahmen von Regionalentwicklungen Wegner betont als zentralen Ausgangspunkt aller kirchlichen Aktivitäten den sozialen Raum mit der ständigen Verknüpfung von geistlichem Profil und diakonischer Identität. Bisher fließe zu viel Energie in die Zuwendung zu den Hochverbundenen. 50% der Arbeitskraft solle in die Präsenz des Evangeliums in der Gesellschaft investiert werden (ebd. S. 12). Diese Analysen Wegners geben möglicherweise einen Hinweis für die Rummelsberger Brüderschaft als Organisation der Kirche, welche Herausforderungen, Möglichkeiten und Aufträge in den nächsten Jahren auf sie als geistliche Gemeinschaft zukommen können und werden. 1.5 Das Diakon*innen-Amt in der ELKB • seit 130 Jahren gibt es Diakone in Bayern • seit 97 Jahren arbeiten sie in Kirchengemeinden • seit 43 Jahren (1977) gibt es Diakone im öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis • 1972 Verfassung der ELKB Art 12: „Das der Kirche von Jesus Christus anvertraute Amt gliedert sich in verschiedene Dienste. Die in diese Dienste Berufenen arbeiten in der Erfüllung des kirchlichen Auftrags zusammen.“ • seit 38 Jahren gibt es Diakoninnen in Bayern • seit 18 Jahren werden auch Diakoninnen verbeamtet • seit 05.12.2012 gibt es das „Kirchengesetz über die Rechtsverhältnisse der Rummelsberger Diakone und Diakoninnen (Diakonen- und Diakoninnengesetz – DiakG) Vom 18.-19.12.2013 fand in Rummelsberg eine Konsultation zum DiakonInnenamt statt. Einige Aussagen dazu im Folgenden: „Das DiakonInnenamt als intermediäres Amt gestaltet in der Vielzahl der Berufe und Orte „Kirche im Sozialraum“. (...) Diakone und Diakoninnen sind in besonderer Weise befähigt, Unsere Brüderschaft – eine Standortbestimmung auf dem Weg in die Zukunft - 27.06.2021 - Seite 21 von 58
Diakonie in ihrem kirchlich-diakonischen Profil erkennbar und lebbar zu machen.“ (Noller 2014, S 32) „Unstrittig erscheint m.E. im Blick auf das Diakonenamt, dass dieses Amt der Kirche sowohl biblisch begründet als auch geschichtlich erkennbar vom Verkündigungsauftrag her als Amt der Kommunikation des Evangeliums in Wort und Tat auszugestalten ist (ebd. S. 53). „Der Dienst von Diakonen und Diakoninnen am Evangelium hat seinen Schwerpunkt in der diakonia, er schließt aber martyria, koinonia und leiturgia ein. Dieser Auftrag ist ein Dienst am Evangelium. Oder, wie man heute gerne wieder sagt: Kommunikation des Evangeliums. Der Dienst am Evangelium wird durch alle eingesegneten Diakone und Diakoninnen wahrgenommen, öffentlich und erkennbar, stellvertretend und eigenständig.“ (Breitenbach, 2014, S. 126) „Im Blick auf die Amtsfrage ist die Teilhabe an dem der Kirche von Jesus Christus anvertrauten Amt das Gemeinsame (Art 12 Kverf). Nur durch das Miteinander der Verschiedenen kann das Evangelium mehrdimensional und milieusensibel kommuniziert werden“ (Popp 2014, S. 170f) 2 Ausprägungen der Gemeinschaft Gemeinschaft recht verstanden ist immer diakonische Gemeinschaft, wenn sie Gemeinschaft für andere ist. Sie richtet ihr Augenmerk besonders auf die schwachen Glieder der Gemeinde, auf Nöte und soziale Verwerfungen, auf gestörte Identität und misslingende Teilhabe, auf entwürdigende und entrechtende Strukturen – in Kirche und Gesellschaft, Politik und Wirtschaft, in der Nähe und Ferne. Die diakonische Gestaltung der Gemeinschaft wird zur Verkündigung von Gottes Heil für die Menschen. Diesem Auftrag ist „Diakonische Gemeinschaft“ besonders verpflichtet – verbindlich, professionell, strukturell und auf Dauer. (VEDD, 2008) Eine Diakonische Gemeinschaft hat keinen Selbstzweck. Recht verstanden ist sie auch keine Interessensgemeinschaft von Menschen mit ähnlichen Lebenswegen oder Lebensentwürfen. Sie ist kein Zusammenschluss von Ausbildungs- oder Berufsgruppen und keine innerkirchliche Pressuregroup. Aber sie nutzt das Potenzial ihrer Mitglieder – als Voraussetzung, als Instrumentarium für ihren Auftrag. Um Gottes und der Menschen willen. (ebd.) Diakonische Gemeinschaften gestalten in kritischer Loyalität Kirche mit und geben deren diakonischem Auftrag konkrete Gestalt. Sie fordern die verfasste Kirche heraus, diakonische Kirche zu sein und fordern die Diakonie heraus, Teil von Kirche zu sein. Sie fördern die Enthierarchisierung von Kirche und Diakonie und entwickeln ein christozentrisches Konzept des Dienstes im Sinne von „Kirche als Kirche für andere“ (Bonhoeffer) (ebd.). Unsere Brüderschaft – eine Standortbestimmung auf dem Weg in die Zukunft - 27.06.2021 - Seite 22 von 58
Die Diakonischen Gemeinschaften bleiben unverzichtbar. Individuelle Begabungen fachliche Professionalität, verlässliche Kompetenzen in sozialen Prozessen, entzaubernde Offenheit in Strukturfragen, Freiheit in der Kommunikation, Kreativität in der Problemlösung, geerdeter Glaube, Überwindung von Ungleichheit etc. sind unaufgebbare Kennzeichen und Stärke Diakonischer Gemeinschaften (ebd.). Diakonische Gemeinschaften oder „besondere Dienstgemeinschaften“ sind nicht selbst Kirche, sondern eine legitime (Sozial-)Gestalt von Kirche (Dombis 1974, S. 35-51), die für andere Gestalten der Kirche (Gesamt- und Einzelgemeinden, Partikularkirche) eine besondere Prägekraft haben. (EKD 2007, S. 8) „Deshalb sind Diakonische Gemeinschaften für Kirche und Diakonie auch in Zukunft unverzichtbar (VEDD 2008, S. 4), weil sie • unter den Stichworten „Bildung“ und „Profession“ daran arbeiten, zum diakonischen Handeln zu bilden und zu befähigen; • unter dem Stichwort „Spiritualität“ verdeutlichen, wie die Mitglieder diakonischer Gemeinschaften aus Glauben handeln; • unter dem Stichwort „Gemeinschaft“ Formen verbindlichen Lebens anregen, gestalten und begleiten. „Wenige Antworten [von Rummelsberger Brüdern, die in der Konventsrunde 2019 im Rahmen von Bruder Irmers Untersuchung genannt wurden,] haben den Blick nach außen geöffnet. (...) Nach innen zentrierte Antworten und Aussagen deuten darauf hin, dass sich die Mitglieder der Brüderschaft derzeit mit sich und für sich beschäftigen möchten. Ein Blick nach außen und auf Personen die nicht der Gemeinschaft angehören sollte aber auch im Blick der Brüder und Diakone sein. Nur einige wenige Aussagen wurden nach außen formuliert.“ (Irmer 2020, S. 51) 2.1 Einige Eckpunkte der bisherigen Entwicklung von Strukturen in der Brüderschaft Mit dem Diakonengesetz 1995 erfolgte eine erweiterte Amtsdiskussion. Mit der Brüderordnung (BO) 2000 wurde der verpflichtende Charakter des Seminars für Diakonenfrauen aufgehoben. Auch im Blick auf die Rolle der Frau in der Brüderschaft wurde eine wesentliche Änderung erreicht. Zitat BO 2000 „Die Frau kann auch ein Nein zur Unsere Brüderschaft – eine Standortbestimmung auf dem Weg in die Zukunft - 27.06.2021 - Seite 23 von 58
Brüderschaft sagen. 2013 dann: „erklärt sie (die Frau) schriftlich ihre Zustimmung, so erhält sie das aktive und Wahlecht bzw…. Stimmrecht“. 1993 wurde der Frauenbeirat gegründet. Mit der Brüderordnung 2000 wurde auch der Umgang mit homosexuellen Brüdern in den Blick genommen. Zitat: „Auch wenn die von Liebe und Wertschätzung getragene Ehe die gegebene partnerschaftliche Form des Zusammenlebens ist, will die Brüderschaft andere Lebensformen achten…“ Die Einbindung und rechtlichen Gleichbehandlung der Diakoninnengemeinschaft erforderte eine grundsätzliche Reform. Der Machtmissbrauchsskandal und die Entbindung des damaligen Rektors vom Dienst Ende 2007 führte zur Erkenntnis, dass die Brüderschaft Strukturen der Selbstverantwortung benötigt. Die Stelle des Rektors bekam eine neue Rolle als theologischer und geistlicher Begleiter der Brüderschaft. Leiter der Brüderschaft ist seitdem der Brüdersenior. (die Vertretung hat der Geschäftsführer). In der Dokumentation des Arbeitskreises „Umgang mit Macht“ im Auftrag der Rummelsberger Brüderschaft (Rummelsberg 2012) wurden Linien aufgezeigt für die Aufarbeitung des Missbrauchs und präventive Strategien erarbeitet. Weitergehende Ergebnisse sind auf der Homepage für die Diakoninnen und Diakone einsehbar. Unsere Brüderschaft – eine Standortbestimmung auf dem Weg in die Zukunft - 27.06.2021 - Seite 24 von 58
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