DER GLOBALE RECHTSINDEX DES IGB 2019 - Die schlimmsten Länder der Welt für erwerbstätige Menschen - International Trade Union ...
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DER GLOBALE RECHTSINDEX Die schlimmsten DES IGB 2019 Länder der Welt für erwerbstätige Menschen INTERNATIONALER GEWERKSCHAFTSBUND
Demonstranten bekunden ihre Unterstützung für den früheren brasi- lianischen Präsidenten Lula da Silva bei einem Protest im April 2018 in Rio de Janeiro. Foto: Gian Martins/Mídia NINJA/AFP
Inhalt Vorwort 4 Die weltweit häufigsten Rechtsverletzungen 28 Im Fokus6 Zunehmende Kriminalisierung des Streikrechts 28 Untergrabung der Tarifverhandlungen 31 Ausschluss vom arbeitsrechtlichen Schutz 33 Die Ratings 20198 Beschränkungen des Zugangs zur Justiz 36 Aufhebung der Zulassung von Gewerkschaften 38 Weltkarte8 Willkürliche Verhaftungen und Inhaftierungen40 Länder-Ratings 10 Drei für die Arbeitnehmerrechte Die schlimmste Region der Welt12 relevante globale Trends 201942 Nahost/Nordafrika 12 Demokratiekrise42 Asien/Pazifik 14 Die Menschen im Zeitalter der Wut zum Afrika16 Schweigen bringen45 Gesamtamerika 18 Gesetzgeberische Macht49 Europa 20 Der Globale Rechtsindex des Die zehn schlimmsten Länder für IGB erklärt51 erwerbstätige Menschen22 Algerien22 Beschreibung der Ratings 52 Bangladesch 22 Brasilien23 Kolumbien24 Liste der Indikatoren 53 Guatemala24 Kasachstan25 Philippinen25 Saudi-Arabien26 Türkei27 Simbabwe27
Vorwort Die Demokratie befindet sich in der Die neue Technologie hat es den Arbeitgebern weltweit Krise. Die systematische Erosion ermöglicht, sich verschiedener Verfahren zu bedienen, um die Zahlung von Mindestansprüchen zu umgehen der Grundlagen der Demokratie am und Beschäftigte vom Geltungsbereich der Arbeitsge- Arbeitsplatz und die gewaltsame setze auszuschließen. Die jüngsten Technologiesprünge Unterdrückung von Streiks und im Bereich der Arbeitszuteilung und des Zugangs zu Protesten gefährden den Frieden Arbeitsmöglichkeiten haben dazu geführt, dass mehr Arbeitnehmern unter dem Deckmantel der Flexibilität und und die Stabilität. Aus dem Globalen als Plattformbeschäftigte Rechte verweigert werden. Da- Rechtsindex 2019 gehen der durch werden menschenwürdige Arbeitsmöglichkeiten Einsatz extremer Gewalt gegen die beeinträchtigt und Rechte verweigert, weil Unternehmen die Regeln und Vorschriften umgehen. Verfechter der Rechte bei der Arbeit sowie zahlreiche Verhaftungen Es sollten keine Beschäftigten zurückgelassen wer- und Inhaftierungen hervor. den, weil sich ihr Arbeitgeber für ein Geschäftsmodell entscheidet, das die Verantwortung für das Beschäfti- Der Zerfall des Gesellschafts- oder Sozialvertrages zwi- gungsverhältnis verschleiert, oder weil ihre Regierung schen Arbeitnehmern, Regierung und Unternehmen hat Gesetze zur Inkraftsetzung der Arbeitnehmerrechte ab- dazu geführt, dass sich die Zahl der Länder, die Beschäf- lehnt. Immer mehr Regierungen machen sich mitschuldig, tigte vom Recht auf die Gründung von oder den Beitritt indem sie die Ausbeutung von Arbeitskräften begüns- zu Gewerkschaften ausschließen, von 92 im Jahr 2018 tigen oder die Umgehung rechtsstaatlicher Verfahren auf 107 im Jahr 2019 erhöht hat. Alle Regionen der Welt zulassen, da die Beschäftigten gezwungen werden, in hatten eine Zunahme zu verzeichnen, wobei die größte in der informellen Wirtschaft zu arbeiten. Europa festgestellt wurde, wo mittlerweile in 50 Prozent der Länder bestimmte Gruppen von Beschäftigten nicht Die sechste Ausgabe des Globalen Rechtsindex des IGB unter das Gesetz fallen. Im Jahr 2018 war dies lediglich bewertet 145 Länder anhand ihrer jeweiligen Einhaltung in 20 Prozent der europäischen Länder der Fall. der Arbeitnehmerrechte. Aus den im Globalen Rechtsindex 2019 analysierten Sechsjahresdaten geht hervor, wie systematisch versucht wird, die Freiheit und die Demokratie zu untergraben. Die anhaltenden Angriffe auf die Grundlagen der Demokratie am Arbeitsplatz haben zur Zunahme gering vergüteter und unsicherer Arbeitsplätze geführt. Obwohl die Welt heute mehr als dreimal so reich wie vor 30 Jahren ist, stellt die Ungleichheit inzwischen eine immense globale Gefahr dar. Mehr Menschen gehen hungrig zu Bett als aus extremer Armut befreit wurden. Fünfundachtzig Prozent der Länder haben das Streik- Frauen in ganz Brasilien protestieren gegen den rechtsextremen Kandidaten und späteren Wahlsieger Jair recht verletzt. Im Tschad wurden sämtliche Streiks Bolsonaro. und Demonstrationen verboten, während in Kroatien, Foto: Cris Faga/NurPhoto/AFP Seite 4 Globaler Rechtsindex Globaler des IGB Rechtsindex 2019 des IGB 2019
Georgien, Kenia und Nigeria auf Gerichtsbeschlüsse Millionen Wanderarbeitskräfte weiterhin wie moderne zurückgegriffen wurde, um Streiks zu unterbinden. Sklaven behandelt. Achtzig Prozent der Länder haben das Recht auf Ta- In zehn Ländern wurden Gewerkschaftsmitglieder er- rifverhandlungen verletzt. In Europa, traditionell die mordet: Bangladesch, Brasilien, Kolumbien, Guatemala, tragende Säule des Rechtes auf Tarifverhandlungen, Honduras, Italien, Pakistan, Philippinen, Türkei und haben Unternehmen in Estland, den Niederlanden, Nor- Simbabwe, und in 52 Ländern waren erwerbstätige wegen und Spanien versucht, die Arbeitnehmerrechte Menschen Gewalt ausgesetzt. Weltweit wurden im Jahr zu untergraben oder auszuhebeln. 2018 53 Gewerkschaftsmitglieder getötet. Allein in Ko- lumbien wurden 34 Gewerkschaftsmitglieder ermordet. In 59 Prozent der Länder haben die Behörden die Zulassung von Gewerkschaften behindert, und in Argentinien, Algerien, Die Versuche von Ländern, die Menschen im Zeitalter der Ägypten, Indien, Panama und Paraguay wurden unabhän- Wut gegenüber Unternehmen, Politikern und Regierun- gige Gewerkschaftsaktivitäten vom Staat unterbunden. gen, die nichts für die Arbeitnehmer getan haben, zum Schweigen zu bringen, nehmen zu. Die zehn schlimmsten Länder für erwerbstätige Men- schen sind im Jahr 2019 Algerien, Bangladesch, In 54 Ländern wurde die Rede- und Versammlungsfrei- Brasilien, Kolumbien, Guatemala, Kasachstan, die heit verweigert oder eingeschränkt. Die demokratischen Philippinen, Saudi-Arabien, die Türkei und Simbabwe. Spielräume schwanden in Hongkong, Mauretanien, den Philippinen und der Türkei. Brasilien und Simbabwe zählen zum ersten Mal zu den zehn schlimmsten Ländern, was auf die Verabschiedung In 72 Prozent der Länder hatten erwerbstätige Men- regressiver Gesetze, die gewaltsame Unterdrückung schen keinen oder nur eingeschränkten Zugang zur von Streiks und Protesten sowie die Bedrohung und Ein- Justiz, wobei über schwerwiegende Fälle in Kambod- schüchterung führender Gewerkschaftsvertreter/innen scha, China, Iran und Simbabwe berichtet wurde. zurückgeht. Die Zahl der Länder, in denen erwerbstätige Menschen Eswatini, Irak, Sierra Leone, Thailand und Vietnam willkürlich verhaftet und inhaftiert wurden, hat sich gegen- haben im Jahr 2019 mit der Kategorie 5 (Rechte nicht über 59 im Jahr 2018 auf 64 im Jahr 2019 erhöht. Zu garantiert) alle ein schlechteres Rating erhalten, da die Massenverhaftungen von Arbeitnehmerinnen und Arbeit- Angriffe auf die Arbeitnehmerrechte sowohl in der Ge- nehmern kam es China, Indien, der Türkei und Vietnam. setzgebung als auch in der Praxis zugenommen haben. Die Gewerkschaften stehen an vorderster Front ei- Der Friedensschluss zwischen Äthiopien und Eritrea nes Kampfes für demokratische Rechte und Freiheiten im Juli 2018 hat dazu geführt, dass sich Eritreas Rating angesichts der unternehmerischen Profitgier, die die Regie- von 5+ (Länder in Konfliktsituationen) auf 5 (Rechte nicht rungen derart beeinflusst, dass sie entgegen den Rechten garantiert) leicht verbessert hat, obwohl es in dem Land der Menschen handeln. Wir brauchen einen neuen Gesell- nach wie vor zu ernsthaften Menschen- und Arbeitneh- schaftsvertrag zwischen Regierungen, Arbeitnehmern und merrechtsverletzungen kommt, einschließlich eines der Wirtschaft, um das Vertrauen wiederherzustellen, wenn unbefristeten Wehrdienstes. die Menschen den Glauben an die Demokratie verlieren. Es ist an der Zeit, die Regeln neu festzulegen. Wenn es um grundlegende Rechte bei der Arbeit geht, ist Nahost/Nordafrika nach wie vor die schlimmste Re- Sharan Burrow gion der Welt. In Ägypten wurden alle unabhängigen Generalsekretärin, Gewerkschaften aufgelöst, und in Saudi-Arabien werden Internationaler Gewerkschaftsbund Vorwort Seite 5
Im Fokus Dies ist die sechste Ausgabe des Globalen Rechtsindex des IGB. Er dokumentiert Verletzungen international anerkannter Arbeitnehmerrechte durch Regierungen und Arbeitgeber. 10 Die schlimmsten Länder für erwerbstätige Menschen Algerien Kasachstan Die schlimmste Region für Bangladesh Philippinen erwerbstätige Menschen Brasilien Saudi-Arabien Kolumbien Türkei Naher Osten und Nordafrika Guatemala Simbabwe Arbeitnehmerrechtsverletzungen In 59% der Länder wurde die 59% Zulassung von Gewerkschaften von den Behörden behindert. Die Zahl der Länder, in denen 64 85% der Länder haben das Beschäftigte verhaftet und inhaftiert 85% Streikrecht verletzt. wurden, hat sich von 59 im Jahr 59 2018 auf 64 im Jahr 2019 erhöht. In 54 Ländern wurde 2019 die 80% der Länder haben das Recht 80% auf Tarifverhandlungen verletzt. Rede- und Versammlungsfreiheit verweigert oder eingeschränkt. Die Zahl der Länder, die Beschäftigte 7 vom Recht auf die Gründung von 10 In 52 Ländern waren Beschäftigte oder den Beitritt zu Gewerkschaften Gewalt ausgesetzt. ausschließen, hat sich von 92 im Jahr 92 2018 auf 107 im Jahr 2019 erhöht. In 72% der Länder hatten In 10 Ländern wurden 72% Beschäftigte keinen oder Gewerkschafter/innen ermordet. eingeschränkten Zugang zur Justiz. Seite 6 Globaler Rechtsindex des IGB 2019
Unternehmen, die Arbeitnehmerrechte verletzen • Anlima Textile, Bangladesch • Dunnes Stores, Irland • Ashiana Garments Industries Ltd, Bangladesch • Kenyatta Hospital, Kenia • Ryanair, Belgien, Portugal, Niederlande • Kenya Airways, Kenia • Jasic Technology, China • Lehrerkommission, Kenia • Croatia Airlines, Kroatien • Fu Yuen Garment Co Ltd, Myanmar • Bimbo, Guatemala • Norse Production, Norwegen • Ternium, Guatemala • Prosegur, Paraguay • Northwest Transportation Company, Ecuador • AB InBev, Peru • Bisco Misr, Ägypten • Staatliche Eisenbahn, Thailand • Ceramica, Ägypten • Sumifru, Philippinen • Majestic, Ägypten • NutriAsia, Philippinen • TS Laevad, Estland • TSTT, Trinidad und Tobago • Tarkwa Mine of Goldfields, Ghana • Goodyear, Türkei • Tamil Nadu Rubber Corporation, Indien • Renault, Türkei • Haft Tapheh, Iran • Flughafen Istanbul, Türkei • HEPCO, Iran • Amazon, USA und Europa • National Steel Industrial Group, Iran • Uber, USA, Europa, Indien, Südkorea, Australien • Schuhfabrik Pouchen, Vietnam Regionale Sechsjahrestrends RECHTE NICHT GARANTIERT 5 4,47 Nahost/ SYSTEMATISCHE RECHTSVERLET- Nordafrika ZUNGEN 4 4,05 Asien/Pazifik 3,79 Afrika 3,52 Gesamtamerika RECHTSVERLET- REGELMÄSSIGE ZUNGEN 3 2,55 Europa RECHTSVERLET- WIEDERHOLTE ZUNGEN 2 2014 2015 2016 2017 2018 2019 139 Länder 141 Länder 141 Länder 139 Länder 144 Länder 145 Länder Der Globale Rechtsindex des IGB beschreibt die schlimmsten Länder der Welt für erwerbstätige Menschen und bewertet die einzelnen Länder auf einer Skala von 1-5+ anhand ihrer jeweiligen Einhaltung der Arbeitnehmer- rechte. Rechtsverletzungen werden jedes Jahr von April bis März dokumentiert. Detaillierte Informationen über Arbeitnehmerrechtsverletzungen in den einzelnen Ländern finden sich unter: survey.ituc-csi.org. Im Fokus Seite 7
Die Ratings 2019 3,52 GESAMTAMERIKA Neu 2019: Verbesserung: Verschlechterung: Afghanistan 5 Benin 4 Mexiko 4 Belgien 2 Nord- Bolivien 3 Moldawien 2 Belize 3 mazedonien 3 Eritrea 5 Nigeria 4 Brasilien 5 Ruanda 3 Mauretanien 4 Pakistan 4 Kanada 3 Sierra Leone 5 Mauritius 3 Chile 4 Sri Lanka 4 Eswatini 5 Thailand 5 Irak 5 Venezuela 4 Namibia 3 Vietnam 5 Seite 8 Globaler Rechtsindex des IGB 2019
2,55 EUROPA 4,05 ASIEN/PAZIFIK 4,47 3,79 NAHOST/ NORDAFRIKA AFRIKA 5+ Rechte nicht garantiert wegen des Zusammenbruchs der Rechtsstaatlichkeit 5 Rechte nicht garantiert 4 Systematische Rechtsverletzungen 3 Regelmäßige Rechtsverletzungen 2 Wiederholte Rechtsverletzungen 1 Sporadische Rechtsverletzungen Keine Angaben Die Ratings 2019 Seite 9
Die Länder-Ratings 2019 Rating 5+ Rechte nicht garantiert wegen des Zusammenbruchs der Rechtsstaatlichkeit Burundi Palästina Sudan Zentralafrikanische Republik Somalia Syrien Libyen Südsudan Jemen Rating 5 Rechte nicht garantiert Afghanistan Eswatini Laos Algerien Griechenland Philippinen Bahrain Guatemala Saudi-Arabien Bangladesch Honduras Sierra Leone Weißrussland Hongkong (China) Thailand Brasilien Indien Türkei Kambodscha Indonesien Ukraine China Iran Vereinigte Arabische Emirate Kolumbien Irak Vietnam Ecuador Kasachstan Simbabwe Ägypten Korea (Republik) Eritrea Kuwait Rating 4 Systematische Rechtsverletzungen Angola Libanon Serbien Argentinien Nordmazedonien Sri Lanka Benin Malaysia Tansania Bosnien und Herzegowina Mali Trinidad und Tobago Botsuana Mauretanien Tunesien Kamerun Mexiko Uganda Tschad Myanmar USA Chile Nigeria Venezuela Kongo (Demokratische Republik) Oman Sambia Elfenbeinküste Pakistan Dschibuti Panama Äthiopien Paraguay Fidschi Peru Haiti Rumänien Kenia Senegal Seite 10 Globaler Rechtsindex des IGB 2019
Rating 3 Regelmäßige Rechtsverletzungen Albanien Georgia Mosambik Australien Ghana Namibia Bahamas Ungarn Nepal Belize Jordanien Polen Bolivien Lesotho Russische Föderation Bulgarien Liberia Ruanda Burkina Faso Madagaskar Spanien Kanada Mauritius Vereinigtes Königreich El Salvador Marokko Rating 2 Wiederholte Rechtsverletzungen Barbados Frankreich Montenegro Belgien Israel Neuseeland Kongo (Republik) Jamaika Portugal Costa Rica Japan Singapur Kroatien Lettland Südafrika Tschechische Republik Litauen Schweiz Dominikanische Republik Malawi Taiwan Estland Moldawien Togo Rating 1 Sporadische Rechtsverletzungen Österreich Island Norwegen Dänemark Irland Slowakei Finnland Italien Schweden Deutschland Niederlande Uruguay Ergebnis im Vergleich zu 2018: Unverändert oder neu im Jahr 2019 Verschlechterung Verbesserung Die Ratings 2019 Seite 11
Die schlimmste Region der Welt REGION 2019 AUSMASS Nahost/ (4) Systematische Rechtsverletzungen bis 19 LÄNDER 4,47 Nordafrika (5) Rechte nicht garantiert Asien/ (4) Systematische Rechtsverletzungen bis 22 LÄNDER 4,05 Pazifik (5) Rechte nicht garantiert (3) Regelmäßige Rechtsverletzungen bis Afrika 39 LÄNDER 3,79 (4) Systematische Rechtsverletzungen Gesamt- (3) Regelmäßige Rechtsverletzungen bis 25 LÄNDER 3,52 amerika (4) Systematische Rechtsverletzungen (2) Wiederholte Rechtsverletzungen bis Europa 40 LÄNDER 2,55 (3) Regelmäßige Rechtsverletzungen Naher Osten und Nordafrika Wenn es um Arbeitnehmerrechte geht, Vom arbeitsrechtlichen Schutz ausgeschlossen ist die Region Nahost/Nordafrika auch 2019 wieder die schlimmste der Welt, Angesichts generell repressiver Rahmenbedingungen mit Blick auf bürgerliche Freiheiten sind Wanderarbeitskräfte, mit einem durchschnittlichen Rating von die überwältigende Mehrheit ihrer Arbeitnehmerschaft, 4,47. in den meisten Golfländern nach wie vor von jeglichem arbeitsrechtlichen Schutz ausgeschlossen. Im Laufe des Libyen, Palästina, Syrien und Jemen Jahres wurden horrende Missbräuche in Saudi-Arabien sind nach wie vor von Konflikten aufgedeckt, wo ausländische Arbeitskräfte Ausbeutung und Zwangsarbeit ausgesetzt sind. Der Ausschluss geplagt, und grundlegende Freiheiten von Wanderarbeitskräften vom Geltungsbereich der und Rechte werden mit Füßen getreten. Arbeitsgesetze bedeutet, dass nahezu 90 Prozent der Arbeitnehmerschaft nicht in der Lage sind, ihr Recht auf die Gründung von oder den Beitritt zu Gewerkschaften In 53% der Länder in der Region wahrzunehmen. Nahost/Nordafrika wurden 53% erwerbstätige Menschen Schätzungen der IAO zufolge gibt es 164 Millionen Wan- verhaftet oder inhaftiert. derarbeitskräfte, von denen 13,9 Prozent in arabischen Ländern tätig sind. Im Oktober 2018 wurde eine indone- sische Arbeiterin von den saudischen Behörden heimlich hingerichtet, weil sie ihren Arbeitgeber bei einem Ver- gewaltigungsversuch aus Notwehr angeblich mit einem Stock zu Tode geprügelt hatte. Seite 12 Globaler Rechtsindex des IGB 2019
Unabhängige Gewerkschaften “Störung der öffentlichen Ordnung” und “Anstiftung aufgelöst und Arbeitnehmer/innen der Beschäftigten zu Demonstrationen und Aufruhr” gewaltsam angegriffen zu ein- bis zweieinhalbjährigen Haftstrafen sowie zu 74 Peitschenhieben verurteilt. Algerien und Ägypten bleiben die gefährlichsten Län- der für Gewerkschafter, da die Behörden nach wie vor versuchen, jegliche Organisierungsaktivitäten der un- Arbeitnehmerrechtsverletzungen in abhängigen Gewerkschaftsbewegung zu unterbinden. Nahost/Nordafrika In Ägypten wurden im März 2018 alle unabhängigen Ge- werkschaften aufgelöst und angewiesen, sich binnen In allen 19 Ländern sind 60 Tagen um eine Neuzulassung ihrer Organisationen Beschäftigte vom Recht auf die im Einklang mit den neuen willkürlichen Auflagen des 100% Gründung von oder den Beitritt zu Gewerkschaftsgesetzes Nr. 213/2017 zu bemühen. Von Gewerkschaften ausgeschlossen. 1.000 unabhängigen Gewerkschaften gelang es lediglich 122, ihre Zulassung innerhalb der festgelegten Frist und im Einklang mit dem neuen Gesetz zu erwirken. In Alge- rien wurden unabhängige Gewerkschaften von einem 18 — 18 von 19 Ländern haben ähnlichen Schicksal ereilt. Im März 2018 hat das dortige Arbeitsministerium alle 65 zugelassenen Gewerkschaf- 19 das Streikrecht verletzt. ten ohne jegliche gesetzliche Grundlage aufgefordert, Beweise für ihre Repräsentativität vorzulegen, um für eine Wiederzulassung in Frage zu kommen. Laut der vom Ministerium veröffentlichten Liste haben nur 17 Ge- 18 — 18 von 19 Ländern haben das werkschaften die Zulassungskriterien erfüllt. Die Anträge zweier unabhängiger Gewerkschaften, der Confédé- 19 Tarifverhandlungsrecht verletzt. ration générale autonome des travailleurs en Algérie (CGATA) und der für den Elektrizitäts- und Gassektor zuständigen Gewerkschaft SNATEG, wurden abgelehnt. In beiden Ländern wurden Bemühungen der Arbeitneh- mer um die Organisation von Protesten systematisch unterbunden. Bei BiscoMisr, einem ägyptischen Le- bensmittelhersteller, wurden Streikende 60 Tage lang in Gewahrsam genommen, und bei Ceramica und Majestic wurden sieben Beschäftigte, die gegen unterbliebene Lohnzahlungen protestierten, verhaftet und später we- gen Anstiftung zum Streik angeklagt. Alle wurden zu 15 Tagen Haft verurteilt. Im Iran sind die Behörden noch strikter gegen Arbeit- nehmerproteste vorgegangen, haben Beschäftigte gewaltsam angegriffen und Massenverhaftungen vor- Journalisten und Anwälte in Algerien fordern die genommen. Im Oktober 2018 wurden während eines Freilassung des seit drei Wochen hungerstreikenden landesweiten Streiks gegen niedrige Löhne mehr als inhaftierten Journalisten Adlène Mellah. 250 Lkw-Fahrer festgenommen, und im Mai 2018 wur- Foto: Billal Bensalem/NurPhoto/AFP den 15 Beschäftigte der Heavy Equipment Production Company (HEPCO) wegen eines Streiks aus Protest gegen ausstehende Löhne verhaftet. Das Strafgericht Arak hat HEPCO-Beschäftigte im Oktober 2018 wegen Die schlimmste Region der Welt Seite 13
Asien/Pazifik Die asiatisch-pazifische Region ist Gewaltsame Angriffe auf Beschäftigte nach der Region Nahost/Nordafrika Die körperlichen Angriffe auf Arbeitnehmer/innen und auch in diesem Jahr wieder die Gewerkschafter/innen haben drastisch zugenommen. In Pakistan wurde der führende Gewerkschaftsvertreter zweitschlechteste Region der Welt, Abdul Khaliq Sher nach einem Treffen mit dem Web- wenn es um die Arbeitnehmerrechte maschinenfabrikeigner Muhammad Jamil am 8. März 2018 getötet. Berichten der Polizei zufolge sei es zwi- geht. Mit einem durchschnittlichen schen Jamil und Khaliq zu einem hitzigen Wortwechsel Rating von 4,05 gegenüber 3,95 im gekommen, woraufhin Jamil zusammen mit seinen Kom- plizen Malik Amjad und Muhammad Tariq Abdul Khaliq letzten Jahr hat die Region im Jahr 2019 Sher erschossen habe. Zum Zeitpunkt der Erstellung zudem die größte Verschlechterung dieses Berichtes waren die Ermittlungen noch nicht ab- geschlossen. Auf den Philippinen kam es angesichts aller Regionen zu verzeichnen. von zehn Morden im Jahr 2018 zu einer Eskalation der Gewalt gegenüber erwerbstätigen Menschen. Am 20. Oktober 2018 wurden neun streikende Zuckerarbeiter 10 Gewerkschafter wurden 2018 und Mitglieder der Nationalen Zuckerarbeitervereinigung auf den Philippinen ermordet. NAMASUFA von Unbekannten erschossen, als sie pri- vates Land in Hacienda Nene besetzt hatten, um gegen Verzögerungen bei der Landreform zu protestieren und bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen zu fordern. Am 31. Oktober wurde Danny Boy Bautista, ein 31 Jahre alter Erntehelfer und aktives NAMASUFA-Mitglied, von einem Unbekannten während eines Streiks beim japanischen Obstexporteur Sumifru von vier Kugeln getroffen. Seite 14 Globaler Rechtsindex des IGB 2019
Streiks unterbunden Arbeitnehmerrechtsverletzungen in der asiatisch-pazifischen Region Die Regierungen von Bangladesch, Kambodscha, Indien, Myanmar und Thailand haben Streiks brutal In 91% der Länder sind unterbunden und schwer bestraft. In Vietnam sind Beschäftigte vom Recht auf die am 9. und 10. Juni 2018 50.000 Beschäftigte der 91% Gründung von oder den Beitritt zu Schuhfabrik Pouchen im Industriegebiet Tan Tao in Gewerkschaften ausgeschlossen. Ho-Chi-Minh-Stadt, dem größten Wirtschaftszentrum des südasiatischen Landes, auf die Straße gegangen, um gegen einen Gesetzentwurf zu protestieren, der die Einrichtung neuer Sonderwirtschaftszonen vorsah. Die 21 — 21 von 22 Ländern haben vietnamesischen Sicherheitskräfte setzten daraufhin Tränengas und Wasserwerfer ein, um die Demonstra- 22 das Streikrecht verletzt. tion aufzulösen. Fünfhundert Protestierende wurden in Gewahrsam genommen, und viele von ihnen wurden in der Haft von der Polizei verprügelt. Alle 22 Länder haben das Im November 2018 hat die staatliche thailändische Ei- 100% Tarifverhandlungsrecht verletzt. senbahn (SRT) damit begonnen, ihre Forderung nach Schadenersatz in Höhe von 24 Millionen Baht (730.000 US$) gegen die Gewerkschaft SRUT und sieben ihrer Funktionäre geltend zu machen. Die auf das Jahr 2011 zurückgehende Forderung bezieht sich auf einen Arbeits- konflikt mit der SRUT im Jahr 2009, bei dem gegen einen Bahnunfall protestiert wurde, bei dem sieben Beschäftig- te ums Leben gekommen waren. In zahlreichen Ländern, darunter Bangladesch, Kambodscha und Indonesien, waren gewerkschaftsfeindliche Maßnahmen an der Ta- gesordnung und Beschäftigte, die eine Gewerkschaft gründen wollten, wurden systematisch entlassen. In Chi- na hat das Unternehmen Jasic Technology während des gesamten Jahres Arbeitnehmer entlassen, wenn sie versuchten, ihre eigene Gewerkschaft zu organisieren. Zudem wurden mehr als 40 Beschäftigte festgenommen und beschuldigt, „eine Menschenansammlung organisiert Protestierende skandieren Parolen bei einer zu haben, um die soziale Ordnung zu stören“. Demonstration in Vietnam gegen den Vorschlag, in geplanten Sonderwirtschaftszonen 99-jährige Konzessionen zu erteilen, wovon ihrer Ansicht nach ausländische Firmen profitieren würden. Foto: Kao Nguyen/AFP/Getty AFP Die schlimmste Region der Welt Seite 15
Afrika Burundi, die Zentralafrikanische Streik- und Versammlungsverbot Republik, Somalia, Südsudan und In Ländern wie Nigeria, Benin und Gabun griffen Be- Sudan waren nach wie vor von hörden und Arbeitgeber zunehmend auf gerichtliche Verbote zurück, um die Organisation von Streiks zu internen Konflikten geplagt, durch unterbinden. In Kenia ist die Lehrerkommission (TSC) die sich die humanitäre Lage weiter nicht zu einer vom Ministerium anberaumten Schlich- tungssitzung erschienen, sondern hat stattdessen eine verschlechterte und Millionen Menschen gerichtliche Verfügung erwirkt, um einen geplanten ohne ein Mindestmaß an Schutz Streik der Lehrergewerkschaft KNUT zu unterbinden. Darüber hinaus haben Regierungen wie die in Burkina dastanden. In anderen afrikanischen Faso generelle Demonstrationsverbote verhängt, um das Ländern war das Jahr von einer Recht der Arbeitnehmer auf friedliche Versammlungen zu untergraben. Im Tschad hat der Sicherheitsminister Eskalation der Gewalt als Reaktion Sicherheitsgründe geltend gemacht, um sämtliche De- auf Arbeitnehmerproteste geprägt. monstrationen zu verbieten und damit zu drohen, die Aktivitäten aller politischen Parteien und aller zivilgesell- schaftlichen Organisationen auszusetzen, die “versuchen, sich der Autorität des Staates zu widersetzen”. In 49% der afrikanischen Länder 49% wurden Arbeitnehmer/innen verhaftet oder inhaftiert. Zunahme der Gewalt In Kamerun, Tschad, Ghana, Eswatini und Simbabwe, wo die Sicherheitskräfte mit scharfer Munition auf pro- testierende Beschäftigte schossen, hat die Polizeigewalt beispiellose Ausmaße angenommen. In Kamerun wurde ein Hafenarbeiterstreik brutal von der Polizei unterbun- den. Mehrere Arbeiter wurden dabei verletzt, und ein Protestierender verlor seinen Unterarm, als er versuchte, eine von der Polizei abgefeuerte Granate abzuwehren. In Simbabwe erlitten bei der brutalen Unterdrückung von Arbeiterprotesten im Januar 2019 70 Protestierende Schusswunden und 12 Menschen wurden getötet. Seite 16 Globaler Rechtsindex des IGB 2019
Verhaftungen und Inhaftierungen Arbeitnehmerrechtsverletzungen in Afrika Zahlreiche führende Gewerkschaftsvertreter wurden 2019 in Afrika willkürlich verhaftet und inhaftiert. In In 90% der Länder sind Simbabwe wurden der Präsident und der Generalsekretär Beschäftigte vom Recht auf die des Gewerkschaftsbundes ZCTU am 21. bzw. 25. Januar 90% Gründung von oder den Beitritt zu 2019 in Gewahrsam genommen und der Subversion Gewerkschaften ausgeschlossen. beschuldigt, weil sie die Nation zur Beteiligung an Protesten gegen die Treibstoffpreiserhöhungen mobilisiert hätten. Der Generalsekretär der IGB- Afrika, der zu Treffen mit der ZCTU-Führung und dem 92% der Länder haben das Arbeitsministerium nach Simbabwe gereist war, wurde 92% Tarifverhandlungsrecht verletzt. später in seinem Hotelzimmer festgenommen und am Internationalen Flughafen Harare willkürlich festgehalten. In Kenia wurden der KNUT-Generalsekretär und andere Funktionäre festgenommen, weil sie angeblich Krankenpflegekräfte des Kenyatta-Krankenhauses 38 — 38 von 39 Ländern haben zum Streiken angestiftet hatten. In Guinea haben die Behörden ihre gewerkschaftsfeindlichen Maßnahmen 39 das Streikrecht verletzt. intensiviert und mehrere Gewerkschaftsvertreter willkürlich verhaftet, darunter den Generalsekretär der Gewerkschaft SLECG während ihres Kongresses, den stellvertretenden UGTG-Generalsekretär und den Generalsekretär der Hafenarbeitergewerkschaft während einer Polizeirazzia in den Gewerkschaftsbüros. Ein Transporter blockiert ein Regierungsgebäude in Lagos während eines landesweiten Streiks in Nigeria. Foto: Pius Utomi Ekpei/AFP Die schlimmste Region der Welt Seite 17
Gesamtamerika Die Situation erwerbstätiger Menschen Wegen Gewerkschaftsmitgliedschaft entlassen hat sich in Gesamtamerika mit einem durchschnittlichen Rating Beschäftigte, die versuchten, Gewerkschaften zu grün- den, wurden fristlos entlassen. In Ecuador hat die von 3,52 gegenüber dem Vorjahr Northwest Transportation Company 22 Beschäftigte verschlechtert. In vielen Ländern entlassen, nachdem sie eine Gewerkschaft gegründet hatten, während das staatliche Kommunikationsunter- wurden Gewerkschafterinnen und nehmen TSTT in Trinidad und Tobago 503 Mitarbeitern, Gewerkschafter gewaltsam angegriffen. mehrheitlich CWU-Mitgliedern, ohne Begründung ge- kündigt hat. Zahlreiche Fälle von Massenentlassungen als Vergeltungsmaßnahme für eine gewerkschaftliche Organisierung blieben ungeklärt, so dass die Entlas- In Kolumbien wurden senen nach wie vor auf ihre Wiedereinstellung warten, während des Jahres 2018 34 wie etwa in Paraguay, wo im Jahr 2012 327 Beschäftigte Gewerkschafter/innen ermordet. von Prosegur entlassen wurden und nach einer gericht- lichen Anordnung auf ihre Wiedereinstellung warten. Sie waren nach der Auflösung ihrer Gewerkschaft 2012 Zunahme der Gewalt und Straffreiheit entlassen und nach einem Streik ausgesperrt worden. Die Arbeitgeber haben weiterhin auf gewerkschafts- In Honduras und Haiti wurden erneut Morddrohungen feindliche Taktiken zurückgegriffen, wie etwa auf prekäre und Einschüchterungen gegenüber Gewerkschafts- Beschäftigungsverhältnisse, um Tarifverhandlungen zu mitgliedern dokumentiert, während in Brasilien und umgehen. In Peru hat AB InBev 1.500 Beschäftigte ent- Guatemala mehrere Gewerkschaftsführer ermordet lassen und durch Gelegenheitsarbeitskräfte ersetzt, um wurden. Allein in Kolumbien wurden im Jahr 2018 34 die Inkraftsetzung des Tarifvertrages zu vermeiden. Gewerkschafter/innen ermordet und weitere zehn Mord- versuche sowie 172 Morddrohungen verzeichnet. Am 4. November 2018 wurde Edilberto Niño Cristancho, leitender Organisator der Palmölarbeitergewerkschaft SINTRAIMAGRA, schwer verletzt aufgefunden und in ein Krankenhaus gebracht. Er erlag später seinen Ver- letzungen. Bevor er starb, konnte Cristancho der Polizei noch sagen, was passiert war. Zwei Unbekannte hatten ihn überfallen und in Villavicencio in der Provinz Meta in einem Taxi 18 Mal mit einem Messer auf ihn eingesto- chen. Die Situation in Kolumbien und Guatemala wurde dadurch noch verschlimmert, dass die Behörden nichts unternommen haben, um diese Verbrechen zu untersu- chen und die Schuldigen vor Gericht zu bringen. Seite 18 Globaler Rechtsindex des IGB 2019
Gewerkschaften wird Zulassung Arbeitnehmerrechtsverletzungen in verweigert Gesamtamerika In vielen lateinamerikanischen Ländern haben die Behör- In 68% der Länder sind den Gewerkschaften aus fadenscheinigen Gründen die Beschäftigte vom Recht auf die Zulassung verweigert. In Panama hat sich die Regierung 68% Gründung von oder den Beitritt zu nach wie vor geweigert, acht rechtmäßig gegründete Ge- Gewerkschaften ausgeschlossen. werkschaften im öffentlichen Dienst offiziell zuzulassen, obwohl sie gegenüber der IAO im Oktober 2018 erneut versichert hatte, dass sie dies tun werde. Mindestens 14 Gewerkschaften ist in Argentinien die Zulassung ver- 19 — 19 von 25 Ländern haben weigert worden, obwohl sie bereits im Jahr 2007 einen Antrag gestellt hatten. In Paraguay hat das Arbeitsmi- 25 das Streikrecht verletzt. nisterium der 2017 gegründeten Lehrergewerkschaft OTEP weiter die Zulassung vorenthalten, während die Elektrizitätsarbeitergewerkschaft Sitrande daran ge- hindert wurde, Aktivitäten durchzuführen und ihr Konto 20 — 20 von 25 Ländern haben das gesperrt bekam, weil es die Regierung abgelehnt hat, ihre Zulassung zu erneuern. Es wird vermutet, dass dies 25 Tarifverhandlungsrecht verletzt. eine Vergeltungsmaßnahme der Regierung für einen groß angelegten Streik ist, den die Sitrande im Jahr 2014 organisiert hatte. Gewerkschaftsdemonstration gegen die Wirtschaftspolitik von Präsident Lenin Moreno in Ecuador. Foto: Rodrigo Buendia/AFP Die schlimmste Region der Welt Seite 19
Europa In Europa haben sich die Streiks und Proteste unterbunden Rahmenbedingungen aufgrund Zahlreiche Streiks wurden von der Polizei brutal been- vermehrter gewaltsamer Angriffe auf det, und protestierende Beschäftigte wurden wegen ihrer Teilnahme an Streiks angeklagt und verurteilt. In führende Gewerkschaftsvertreter/ Belgien wurden 18 FGTB/ABVV-Mitglieder verklagt, weil innen und der wachsenden Tendenz, sie während eines Protestes eine Straße blockiert hatten. Der FGTB/ABVV-Vorsitzende in Antwerpen wurde zwar Beschäftigte wegen ihrer Teilnahme an für schuldig befunden, aber es wurde keine Strafe ver- Streiks anzuklagen und zu verurteilen, hängt. In Frankreich wurden fünf CGT- und FO-Mitglieder von der Polizei vorgeladen, weil sie an einer Mautstelle verschlechtert. Das durchschnittliche Flugblätter verteilt hatten. Der CGT-Generalsekretär im Länder-Rating hat sich auf 2,55 erhöht. Department Lot sollte sich im Mai 2019 wegen “wider- rechtlicher Besetzung einer öffentlichen Straße” vor Gericht verantworten. In der Türkei mussten 43 am Bau des neuen Istanbuler Flughafens beteiligte Arbeiter mit In 25% der europäischen Länder einem Gerichtsverfahren rechnen, nachdem ihr Protest 25% wurden Arbeitnehmer/innen gegen die schlechten Arbeits- und Sicherheitsbedin- verhaftet und inhaftiert. gungen im Oktober 2018 auf massive Gegenreaktionen gestoßen war. Die Polizei hatte den Protest gewaltsam beendet und mehr als 400 Arbeiter in Gewahrsam ge- Gewerkschafter/innen gewaltsam nommen. In Weißrussland und Kasachstan gingen die angegriffen und ermordet Behörden weiter gegen unabhängige Gewerkschaften vor, verklagten und verurteilten führende Gewerkschafts- Während des Jahres 2018 wurden führende vertreter aus vorgeschobenen Gründen. Gewerkschaftsvertreter/innen in der Türkei und in Italien ermordet. In der Türkei wurde Abdullah Karacan, der Vorsitzende der Chemiearbeitergewerkschaft Lastik- İş, am 13. November 2018 erschossen. Er besuchte gerade eine Goodyear-Reifenfabrik in Adapazari. Zwei weitere Gewerkschaftsvertreter wurden bei dem Überfall verwundet. In Italien wurde Soumayla Sacko, ein 29 Jahre alter Landarbeiter und Gewerkschafter aus Mali, am 2. Juni 2018 in San Calogero getötet, als er Material für die Zelt- und Hüttenstadt sammelte, in der er und seine Kollegen wohnten. Er war seit zwei Jahren in der Gewerkschaft Unione Sindacale di Base (USB) aktiv gewesen und hatte für die Verbesserung der katastrophalen Zustände für die Arbeiter gekämpft. In Kasachstan wurde Dmitry Senjawskii, der Ortsverbandsvorsitzende der Energiearbeitergewerkschaft in der Region Karaganda, von zwei unbekannten Angreifern bei sich zu Hause in Schachtinsk überfallen. Seite 20 Globaler Rechtsindex des IGB 2019
Untergrabung der Tarifverhandlungen Arbeitnehmerrechtsverletzungen in Europa In vielen europäischen Ländern, wie etwa den Nieder- landen, Estland und Spanien, haben Unternehmen In 40% der Länder sind Tarifverhandlungen mit Gewerkschaften vielfach ver- Beschäftigte vom Recht auf die mieden und direkt individuelle Vereinbarungen mit den 40% Gründung von oder den Beitritt zu Beschäftigten abgeschlossen. In Norwegen haben die Gewerkschaften ausgeschlossen. Eigner des Lachsproduzenten Norse Production nach einem 35-tägigen Streik und dem Abschluss eines Tarif- vertrages zur Beilegung des Konfliktes das Unternehmen für Bankrott erklärt und am selben Standort und mit der- 68% der Länder haben das selben Geschäftsführung ein neues Subunternehmen 68% Streikrecht verletzt. gegründet. Kein einziges Gewerkschaftsmitglied von Norse Production wurde von dem neuen Betrieb über- nommen, und der Tarifvertrag wurde nicht verlängert. 50% der Länder haben das 50% Tarifverhandlungsrecht verletzt. Streik von Amazon-Beschäftigten in Spanien gegen die Absicht des Unternehmens, dort im Rahmen eines neuen Vertrages Lohnerhöhungen zu stoppen, Löhne zu senken und die Vergütung für Wochenendarbeit sowie das Ur- laubsgeld zu kürzen. Foto: Burak Akbulut/Anadolu Agency/AFP Die schlimmste Region der Welt Seite 21
Die zehn schlimmsten Länder der Welt für erwerbstätige Menschen Algerien Bangladesch »» Staatliche Repression »» Gewalt »» Verhaftung und Strafverfolgung »» Massenentlassungen führender Gewerkschaftsvertreter/innen »» Verhaftung führender »» Zulassung von Gewerkschaften Gewerkschaftsvertreter/innen stark behindert Die algerische Regierung hat ihre Repressionen ge- In Bangladesch wurden friedliche Arbeitnehmerproteste genüber unabhängigen Gewerkschaften durch ein mit Massenentlassungen, Festnahmen, Gewalt und staat- rechtswidriges erneutes Zulassungsverfahren verstärkt. lichen Repressionen erwidert. Im Bekleidungssektor hat Von den 65 zugelassenen Gewerkschaften des Landes die Polizei häufig extrem brutal auf Streiks reagiert. Am 8. haben lediglich 17 Organisationen die willkürlichen und Januar 2019 wurde Sumon Mia, ein 22-jähriger Arbeiter überzogenen Kriterien der Regierung erfüllt. Den unab- bei Anlima Textile in Kornopara in Savar, getötet und hängigen Gewerkschaften CGATA und SNATEG wurde weitere 50 Menschen wurden verletzt, nachdem die Poli- die Zulassung nach wie vor verweigert. zei Gummigeschosse und Tränengas gegen rund 5.000 protestierende Arbeiter am Stadtrand von Dhaka ein- Fälle staatlicher Strafverfolgung gesetzt hatte. Die Proteste hatten begonnen, nachdem Berichten zufolge 50.000 Bekleidungsarbeiter/innen, Bei einer Demonstration am 27. Dezember 2018, bei von denen viele für internationale Einzelhandelsunter- der ein Ende der Kriminalisierung gewerkschaftlicher nehmen produzieren, die Arbeit niedergelegt hatten, um Aktivitäten durch den Staat und die Befolgung die Zahlung der jüngsten staatlich verfügten Erhöhung der IAO-Empfehlungen gefordert wurden, wurden des monatlichen Mindestlohns um 51 Prozent auf 8.000 15 Gewerkschafter verhaftet, darunter SNATEG- Taka (94 US$) zu fordern. Generalsekretär Abdelkader Kawafi und Zakaria Ben Haddad, der Generalsekretär der SNT ENERGIE. Kawafi hatte sich bereits im Februar 2018 zusammen mit SESS- Vertreter Kaddour Chouicha wegen “Verleumdung und Aufruf zu einer nicht genehmigten Kundgebung” vor Gericht verantworten müssen. Beide waren im Juli 2016 festgenommen worden, als sie in einem Café auf das Ende einer gerichtlichen Anhörung im Prozess gegen Salah Dabbouz, den Vorsitzenden der algerischen Menschenrechtsliga (LADDH), warteten. Seite 22 Globaler Rechtsindex des IGB 2019
Führende Gewerkschaftsvertreter Brasilien NEU verhaftet Im Februar 2018 wurden 12 führende Vertreter und Mit- glieder der Textilarbeitergewerkschaft GWTUC (Garments »» Gewalt Workers’ Trade Union Centre) des versuchten Mordes »» Morde »» Tarifverhandlungen untergraben und Vandalismus angeklagt, nachdem Vertreter des Arbeitgeberverbandes BGMEA (Bangladesh Garment Manufacturers and Exporters Association) wegen ihrer Beteiligung an einem friedlichen Protest außerhalb von Die Situation der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Ashiana Garments Industries Ltd in Dhaka Strafanzeige in Brasilien hat sich durch die Verabschiedung regres- gegen sie erstattet hatten. Die Anschuldigungen waren siver Gesetze, die das Tarifverhandlungsrecht ernsthaft offenkundig falsch, da lediglich drei der 12 Angeklagten untergraben, und die Machtübernahme des ultra-rech- bei dem Ashiana-Protest tatsächlich anwesend waren, ten Präsidenten Jair Bolsonaro drastisch verschlechtert. während sich zwei von ihnen, der Generalsekretär und Zahlreiche Streiks und Proteste wurden von den staat- der Präsident der GWTUC, zum Zeitpunkt der angeblichen lichen Sicherheitskräften gewaltsam unterdrückt, und Vorfälle überhaupt nicht in Dhaka aufgehalt hatten. Die Ge- führende Gewerkschaftsvertreter/innen wurden bedroht werkschaft geht davon aus, dass der wahre Grund für die und eingeschüchtert. Am 8. November 2018 wurde der Verhaftungen ihre führende Rolle bei der Kampagne für Vorsitzende der Staatsbedienstetengewerkschaft in Ba- die Erhöhung des Mindestlohns im Bekleidungssektor war. hia, Aroldo Pereira de Souza, auf offener Straße von Unbekannten überfallen, die dreimal auf ihn schossen. Er starb auf dem Weg ins Krankenhaus. Pereira de Souza war an einem Lehrerstreik beteiligt gewesen. Untergrabung der Tarifverhandlungen Seit der Verabschiedung des Gesetzes Nr. 13.467 ist das gesamte Tarifverhandlungssystem in Brasilien zusam- mengebrochen. Mit dem neugefassten konsolidierten Arbeitsgesetz wurde das generelle Prinzip eingeführt, dass Tarifverträge Vorrang vor Gesetzen haben und es somit möglich ist, gesetzliche Schutzbestimmungen mittels Tarifverhandlungen zu umgehen, abgesehen von einigen in der Verfassung garantierten Arbeitneh- merrechten. Knapp zwei Jahre später hat das Gesetz angesichts eines drastischen Rückgangs der im Jahr 2018 Bekleidungsarbeiter/innen in Bangladesch fordern abgeschlossenen Tarifverträge um 45 Prozent dramati- höhere Löhne. sche Auswirkungen auf die Arbeitsbeziehungen gehabt. Foto: Mamunur Rashid/NurPhoto/AFP Zudem besteht unter den Arbeitgebern die beunruhigen- de Tendenz, Arbeitnehmerrechte abzusprechen und auf betrieblicher Ebene auf geringere Löhne zu drängen. Die zehn schlimmsten Länder der Welt für erwerbstätige Menschen Seite 23
Kolumbien Guatemala »» Morde und extreme Gewalt »» Morde und extreme Gewalt »» Gewerkschaftsfeindlichkeit »» Gewerkschaftsfeindlichkeit und Entlassungen und Entlassungen Kolumbien blieb mit 34 Moden im Jahr 2018, zehn Guatemala war weiterhin von endemischer Gewalt Mordversuchen und 172 dokumentierten Fällen von geplagt, die durch ein Klima der Straffreiheit noch Morddrohungen das tödlichste Land der Welt für Arbeit- verschärft wurde. Vier Gewerkschaftsmitglieder und nehmer/innen und Gewerkschaftsmitglieder. Von den -funktionäre wurden während des vergangenen Jahres 34 Ermordeten waren zehn Mitglieder der Agrargewerk- ermordet. Seit 2004 wurden insgesamt mehr als 90 schaft FENSUAGRO und 13 Lehrkräfte. Die meisten dieser Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter ermordet, Verbrechen wurden nie aufgeklärt, da die Regierung und der Staat hat bisher keine konkreten Maßnahmen nach wie vor keine ausreichenden Mittel bereitgestellt ergriffen, um diese Verbrechen zu verhindern bzw. zu hat, um zeitnahe Ermittlungen anzustellen und eine untersuchen und zu ahnden. Strafverfolgung einzuleiten. Ohne einen angemessenen Schutz war das Leben von Gewerkschafterinnen und Darüber hinaus haben sich viele private Firmen Gewerkschaftern und ihrer Familien weiterhin ständig gewerkschaftsfeindlicher Praktiken bedient und in Gefahr. Entlassungen vorgenommen, um die Gründung von Gewerkschaften zu verhindern. Seit der Gründung Mordfälle der Betriebsgewerkschaft Sintrabimbo im Jahr 2016 hat die Geschäftsführung von Bimbo systematisch Am 14. April 2018 wurde Efren Zúñiga Dorado mit einer alle Beschäftigten entlassen, die der Gewerkschaft Kugel im Kopf und Folterspuren tot aufgefunden. Es wird beigetreten sind. Bisher wurden 250 Mitarbeiter/innen zudem vermutet, dass er gezwungen wurde, vor seiner entlassen. Die Gerichte haben zwar ihre Wiedereinstellung Hinrichtung sein eigenes Grab zu schaufeln. Zúñiga angeordnet, aber Bimbo weigert sich standhaft, diesen Dorado war als Lehrer in Piendamó tätig und gehörte der Anordnungen Folge zu leisten. Über ähnliche Praktiken ASOINCA an, bei der er sich aktiv für die Beschäftigten wurde bei Ternium Guatemala berichtet. des öffentlichen Bildungssystems eingesetzt hat. Mordfälle Am 4. November 2018 wurde Edilberto Niño Cristancho, leitender Organisator der Palmölarbeitergewerkschaft Domingo Nach Hernández, Mitglied der Staatsbediens- SINTRAIMAGRA, schwer verletzt aufgefunden und tetengewerkschaft in Villa Canales, wurde am 20. Juni in ein Krankenhaus gebracht. Er erlag später seinen 2018 tot aufgefunden. Er war einige Tage zuvor von Un- Verletzungen. Bevor er starb, konnte Cristancho der bekannten entführt worden. Sein Tod fiel in den Rahmen Polizei noch sagen, was passiert war. Zwei Unbekannte eines Konfliktes, bei dem es um die Wiedereinstellung hatten ihn überfallen und in Villavicencio in der Provinz von Beschäftigten in der Gemeinde ging. Am 6. Juli Meta in einem Taxi 18 Mal mit einem Messer auf ihn 2018 wurde David Figueroa García, ein Vertreter der eingestochen. Gewerkschaft Sindicato del Centro Universitario de Petén (CUDEP), von einem Unbekannten auf einem Motorrad erschossen. Einige Tage zuvor hatte Figueroa García gegenüber seinen Gewerkschaftskollegen angegeben, dass er von einer Gruppe von Männern angesprochen und bedroht worden sei. Seite 24 Globaler Rechtsindex des IGB 2019
Kasachstan Philippinen »» Staatliche Repression »» Gewalt und Morde »» Verhaftung und »» Öffentliche Proteste Strafverfolgung führender brutal unterdrückt Gewerkschaftsvertreter/innen »» Repressive Gesetze Die Repressionen gegenüber der unabhängigen kasachi- Arbeitnehmer/innen und Gewerkschafter/innen waren schen Gewerkschaftsbewegung wurden verschärft, und auf den Philippinen gewaltsamen Angriffen und Ein- Mitgliedsgewerkschaften des im Jahr 2017 in willkürlicher schüchterungen ausgesetzt. Proteste wurden von der Weise aufgelösten Bundes Unabhängiger Gewerkschaf- Polizei brutal unterdrückt, um die politische Opposition ten Kasachstans (CNTUK) sind zur Zielscheibe staatlicher zum Schweigen zu bringen. Angesichts der dritten Ver- Repressalien und brutaler körperlicher Angriffe gewor- längerung des Kriegsrechtes auf Mindanao bis Ende den. Larisa Kharkowa, die frühere CNTUK-Vorsitzende, 2019 wächst die Gefahr einer Eskalation der Gewalt und war in ihrer Freizügigkeit weiterhin stark eingeschränkt, Missbräuche. nachdem sie sich geweigert hatte, einer Schadenersatz- forderung in Höhe von 6 Millionen Tenge (15.805 US$) Mordfälle nachzukommen. Am 20. Oktober 2018 wurden neun streikende Zuckerarbei- Fälle staatlicher Repression ter und Mitglieder der Nationalen Zuckerarbeitervereinigung NAMASUFA von Unbekannten erschossen, als sie privates Der letzte in einer langen Liste gemobbter Gewerk- Land in Hacienda Nene besetzt hatten, um gegen Verzö- schaftsfunktionäre war in diesem Jahr Erlan Baltabai, gerungen bei der Landreform zu protestieren und bessere der Vorsitzende der Gewerkschaft der Treibstoff- und Lebens- und Arbeitsbedingungen zu fordern. Unter den Energiebranche (FEWU), der verdächtigt wurde, Ge- Toten befanden sich zwei Minderjährige und drei Frauen. Die werkschaftsgelder veruntreut zu haben. Im Rahmen der philippinischen Behörden haben die NAMASUFA im Laufe Untersuchung haben die Behörden Baltabai mehrfach des letzten Jahres wiederholt öffentlich beschuldigt, eine zur Befragung einbestellt, sein Haus und FEWU-Büros “Fassade” für illegale bewaffnete Gruppen zu sein. Dieser durchsucht sowie Gewerkschaftsunterlagen beschlag- Angriff erfolgte unmittelbar vor einer Erklärung von Präsident nahmt. Auch seine Angehörigen wurden vernommen. Duterte am 28. Oktober, wonach weitere Landbesetzungen Die laufende Untersuchung hat die FEWU gelähmt und durch Bauern mit aller Härte erwidert werden sollten: “Ich dazu geführt, dass sie keine formellen Aktivitäten mehr habe die Polizei angewiesen, auf sie zu schießen. Wenn sie verrichten kann. Widerstand leisten, wird geschossen, und wenn sie sterben, interessiert mich das nicht.” Am 10. November 2018 wurde Dmitry Senjawskii, der FEWU-Ortsverbandsvorsitzende in der Region Kara- ganda, von zwei unbekannten Angreifern bei sich zu Hause in Schachtinsk überfallen. Er wurde anschließend mit schweren Verletzungen, u.a. einem gebrochenen Arm und einer Gehirnerschütterung, in ein Kranken- haus eingeliefert und konnte nicht zu einem Treffen mit IGB-Vertretern nach Astana reisen. Tausende gingen auf den Philippinen auf die Straße, um gegen Präsident Rodrigo Duterte zu protestieren und an den 46. Jahrestag der Verhängung des Kriegsrechts durch den verstorbenen Diktator Ferdinand Marcos zu erinnern. Foto: Jes Aznar/AFP Die zehn schlimmsten Länder der Welt für erwerbstätige Menschen Seite 25
Saudi-Arabien Arbeitsmigrantin ermordet »» Missbrauch von Wanderarbeitskräften Im Oktober 2018 wurde Tuti Tursilawati, eine indone- und Zwangsarbeit sische Hausangestellte, von den saudischen Behörden »» Staatliche Repression heimlich angeklagt und zum Tode verurteilt, weil sie ih- ren Arbeitgeber bei einem Vergewaltigungsversuch aus Notwehr angeblich mit einem Stock zu Tode geprügelt Das Vereinigungs- und das Versammlungsrecht sowie hatte. Sie hatte weglaufen können, wurde dann aber das Recht auf Tarifverhandlungen wurden in Saudi-Ara- stattdessen von neun saudischen Männern vergewal- bien weiterhin allen Beschäftigten verweigert. Die 8,3 tigt, bevor sie in Polizeigewahrsam genommen wurde. Millionen Wanderarbeitskräfte in dem Land, die 90 Pro- Ihre Enthauptung, über die weder ihre Familie noch die zent aller Erwerbstätigen im privaten Sektor ausmachen, indonesische Regierung unterrichtet worden war, hat zu waren von der eklatanten Verweigerung bürgerlicher der Forderung geführt, dass Jakarta seine Vereinbarung Freiheiten am meisten betroffen. Obwohl eine Reihe ihrer mit Saudi-Arabien überprüfen und die Unterrichtung der Herkunftsländer Besorgnis über die sklavenähnlichen Ar- konsularischen Vertretung sowie die Achtung der Bürger- beits- und Lebensbedingungen ihrer Staatsangehörigen rechte der Beschäftigten verlangen solle. Sie saudische in Saudi-Arabien geäußert haben, waren Wanderarbeits- Regierung hat auf keine dieser Forderungen reagiert. kräfte nach wie vor Opfer schwerer physischer und psychischer Missbräuche. Vietnamesische Hausange- stellte haben berichtet, dass sie gezwungen worden seien, 18 Stunden pro Tag zu arbeiten. Außerdem wurde ihnen Essen verweigert, und sie wurden wiederholt von ihren Arbeitgebern tätlich bedroht und daran gehindert, in ihr Heimatland zurückzukehren. Indonesische Aktivisten protestieren vor der Botschaft Saudi-Arabiens in ihrem Land gegen die Hinrichtung der indonesischen Arbeitsmigrantin Tuti Tursilawati. Foto: Andrew Lotulung/NurPhoto/AFP Seite 26 Globaler Rechtsindex des IGB 2019
Türkei Simbabwe NEU »» Staatliche Gewalt »» Morde »» Verhaftung führender »» Hartes Durchgreifen bei Streiks Gewerkschaftsvertreter/innen »» Massenentlassungen »» Massenentlassungen und Diskriminierung Seit dem Putschversuch und der von der Regierung verfüg- In Simbabwe kam es im Laufe des Jahres zu zahlrei- ten starken Beschränkung der bürgerlichen Freiheiten sind chen gewaltsamen Angriffen auf Arbeitnehmerinnen den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ihre Freiheiten und Arbeitnehmer und Gewerkschaftsmitglieder. Vom und Rechte unerbittlich verweigert worden. Die Polizei Gewerkschaftsbund ZCTU am 14. - 16. Januar 2019 gegen greift bei Protesten hart durch, und Beschäftigte, die sich 150-prozentige Treibstoffpreiserhöhungen organisierte gewerkschaftlich organisieren wollen, werden systema- Proteste wurden von den staatlichen Sicherheitskräften tisch entlassen. Am 13. November 2018 wurde Abdullah mit scharfer Munition unterdrückt. Zwölf Beschäftigte Karacan, der Vorsitzende der Chemiearbeitergewerkschaft wurden dabei getötet und 70 erlitten Schussverletzun- Lastik-İş, von Unbekannten erschossen, als er gerade eine gen. Insgesamt wurden mehr als 320 Menschen verletzt, Goodyear-Reifenfabrik in Adapazari besuchte. und die Menschenrechtskommission des Landes hat über Prügelattacken und Folter seitens der staatlichen Fälle gezielter Strafverfolgung von Sicherheitskräfte berichtet. Arbeitnehmer/innen Fälle von Verhaftungen führender Am 14. September 2018 legten mehr als 10.000 am Bau Gewerkschaftsvertreter/innen des neuen Istanbuler Flughafens beteiligte Arbeiter aus Protest gegen die schlechten Arbeitsschutzbedingungen Nach dem scharfen Vorgehen der Polizei im Januar die Arbeit nieder. Der Protest wurde von der Polizei und wurden ZCTU-Präsident Peter Mutasa und ZCTU-Ge- vom Militär unter Einsatz von Tränengas beendet. Zwei neralsekretär Japhet Moyo festgenommen und wegen Tage später nahm die Polizei Massenverhaftungen vor Subversion angeklagt. Obwohl sie einige Tage später und inhaftierte mehr als 400 Arbeiter. Die meisten wur- gegen Kaution auf freien Fuß gesetzt wurden, mussten den kurz darauf wieder auf freien Fuß gesetzt, aber 43 sie strenge Auflagen erfüllen, durften nicht reisen und von ihnen, darunter drei Gewerkschaftsvertreter, wurden mussten sich regelmäßig auf dem Polizeirevier melden. wegen Beeinträchtigung des Rechtes auf Arbeit, Ver- Moyo musste sogar die Besitzurkunde für sein Privathaus stoßes gegen das Gesetz über Demonstrationen und als Sicherheit hinterlegen. öffentliche Versammlungen, Beschädigung öffentlichen Eigentums und Widerstand gegen die Polizeigewalt an- Im Oktober 2018 wurde ein vom ZCTU organisierter lan- geklagt. Insgesamt 31 Arbeiter saßen im Gefängnis Silivri desweiter Protest gegen Steuer- und Preiserhöhungen in Untersuchungshaft, unter ihnen Özgür Karabulut, der gewaltsam von der Polizei beendet. Arbeiter wurden Präsident der Gewerkschaft Dev Yapi-Is, dem eine Rede, verprügelt, und die Büros des ZCTU in Harare wurden die er während des Streiks an die Arbeiter gehalten hatte, von 150 Polizisten abgeriegelt. Dreiunddreißig ZCTU-Mit- zur Last gelegt wird. glieder wurden festgenommen und wegen “Störung der öffentlichen Ordnung” angeklagt. Wenn sie für schuldig Am 2. November 2018 wurden 26 Gewerkschafts- befunden werden, droht ihnen eine zehnjährige Haft- mitglieder wegen “Missachtung des Gesetzes über strafe. Zusammenkünfte und Demonstrationen“ im Zusam- menhang mit ihrer Teilnahme an einem Protest vor dem Renault-Oyak-Werk im März 2016 zu einer fünfmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt. Die Beschäftigten hatten das Recht auf eine gewerkschaftliche Organisierung in dem Werk gefordert. Der Protest war von der Polizei gewaltsam aufgelöst worden. Die zehn schlimmsten Länder der Welt für erwerbstätige Menschen Seite 27
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