DER GLOBALE RECHTSINDEX DES IGB 2019 - Die schlimmsten Länder der Welt für erwerbstätige Menschen - International Trade Union ...

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DER GLOBALE RECHTSINDEX DES IGB 2019 - Die schlimmsten Länder der Welt für erwerbstätige Menschen - International Trade Union ...
DER GLOBALE
RECHTSINDEX    Die schlimmsten
DES IGB 2019   Länder der Welt für
               erwerbstätige Menschen

               INTERNATIONALER GEWERKSCHAFTSBUND
DER GLOBALE RECHTSINDEX DES IGB 2019 - Die schlimmsten Länder der Welt für erwerbstätige Menschen - International Trade Union ...
Demonstranten bekunden ihre Unterstützung für den früheren brasi-
lianischen Präsidenten Lula da Silva bei einem Protest im April 2018 in
Rio de Janeiro.

Foto: Gian Martins/Mídia NINJA/AFP
DER GLOBALE RECHTSINDEX DES IGB 2019 - Die schlimmsten Länder der Welt für erwerbstätige Menschen - International Trade Union ...
Inhalt

Vorwort 4                          Die weltweit häufigsten
                                    Rechtsverletzungen 28

Im Fokus6                          Zunehmende Kriminalisierung des Streikrechts  28
                                    Untergrabung der Tarifverhandlungen 	         31
                                    Ausschluss vom arbeitsrechtlichen Schutz      33
Die Ratings 20198                  Beschränkungen des Zugangs zur Justiz 36
                                    Aufhebung der Zulassung von Gewerkschaften 38
Weltkarte8                         Willkürliche Verhaftungen und Inhaftierungen40
Länder-Ratings	 10

                                    Drei für die Arbeitnehmerrechte
Die schlimmste Region der Welt12   relevante globale Trends 201942

Nahost/Nordafrika	  12             Demokratiekrise42
Asien/Pazifik	      14             Die Menschen im Zeitalter der Wut zum
Afrika16                           Schweigen bringen45
Gesamtamerika	      18             Gesetzgeberische Macht49
Europa	            20

                                    Der Globale Rechtsindex des
Die zehn schlimmsten Länder für     IGB erklärt51
erwerbstätige Menschen22

Algerien22                         Beschreibung der Ratings	                   52
Bangladesch  22
Brasilien23
Kolumbien24                        Liste der Indikatoren	                      53
Guatemala24
Kasachstan25
Philippinen25
Saudi-Arabien26
Türkei27
Simbabwe27
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Vorwort

Die Demokratie befindet sich in der                         Die neue Technologie hat es den Arbeitgebern weltweit
Krise. Die systematische Erosion                            ermöglicht, sich verschiedener Verfahren zu bedienen,
                                                            um die Zahlung von Mindestansprüchen zu umgehen
der Grundlagen der Demokratie am                            und Beschäftigte vom Geltungsbereich der Arbeitsge-
Arbeitsplatz und die gewaltsame                             setze auszuschließen. Die jüngsten Technologiesprünge
Unterdrückung von Streiks und                               im Bereich der Arbeitszuteilung und des Zugangs zu
Protesten gefährden den Frieden                             Arbeitsmöglichkeiten haben dazu geführt, dass mehr
                                                            Arbeitnehmern unter dem Deckmantel der Flexibilität und
und die Stabilität. Aus dem Globalen                        als Plattformbeschäftigte Rechte verweigert werden. Da-
Rechtsindex 2019 gehen der                                  durch werden menschenwürdige Arbeitsmöglichkeiten
Einsatz extremer Gewalt gegen die                           beeinträchtigt und Rechte verweigert, weil Unternehmen
                                                            die Regeln und Vorschriften umgehen.
Verfechter der Rechte bei der Arbeit
sowie zahlreiche Verhaftungen                               Es sollten keine Beschäftigten zurückgelassen wer-
und Inhaftierungen hervor.                                  den, weil sich ihr Arbeitgeber für ein Geschäftsmodell
                                                            entscheidet, das die Verantwortung für das Beschäfti-
Der Zerfall des Gesellschafts- oder Sozialvertrages zwi-    gungsverhältnis verschleiert, oder weil ihre Regierung
schen Arbeitnehmern, Regierung und Unternehmen hat          Gesetze zur Inkraftsetzung der Arbeitnehmerrechte ab-
dazu geführt, dass sich die Zahl der Länder, die Beschäf-   lehnt. Immer mehr Regierungen machen sich mitschuldig,
tigte vom Recht auf die Gründung von oder den Beitritt      indem sie die Ausbeutung von Arbeitskräften begüns-
zu Gewerkschaften ausschließen, von 92 im Jahr 2018         tigen oder die Umgehung rechtsstaatlicher Verfahren
auf 107 im Jahr 2019 erhöht hat. Alle Regionen der Welt     zulassen, da die Beschäftigten gezwungen werden, in
hatten eine Zunahme zu verzeichnen, wobei die größte in     der informellen Wirtschaft zu arbeiten.
Europa festgestellt wurde, wo mittlerweile in 50 Prozent
der Länder bestimmte Gruppen von Beschäftigten nicht        Die sechste Ausgabe des Globalen Rechtsindex des IGB
unter das Gesetz fallen. Im Jahr 2018 war dies lediglich    bewertet 145 Länder anhand ihrer jeweiligen Einhaltung
in 20 Prozent der europäischen Länder der Fall.             der Arbeitnehmerrechte.

                                                            Aus den im Globalen Rechtsindex 2019 analysierten
                                                            Sechsjahresdaten geht hervor, wie systematisch versucht
                                                            wird, die Freiheit und die Demokratie zu untergraben. Die
                                                            anhaltenden Angriffe auf die Grundlagen der Demokratie
                                                            am Arbeitsplatz haben zur Zunahme gering vergüteter
                                                            und unsicherer Arbeitsplätze geführt. Obwohl die Welt
                                                            heute mehr als dreimal so reich wie vor 30 Jahren ist,
                                                            stellt die Ungleichheit inzwischen eine immense globale
                                                            Gefahr dar. Mehr Menschen gehen hungrig zu Bett als
                                                            aus extremer Armut befreit wurden.

                                                            Fünfundachtzig Prozent der Länder haben das Streik-
 Frauen in ganz Brasilien protestieren gegen den
 rechtsextremen Kandidaten und späteren Wahlsieger Jair     recht verletzt. Im Tschad wurden sämtliche Streiks
 Bolsonaro.                                                 und Demonstrationen verboten, während in Kroatien,
 Foto: Cris Faga/NurPhoto/AFP

Seite 4							                                                   Globaler Rechtsindex
                                                                       Globaler       des IGB
                                                                                Rechtsindex   2019
                                                                                            des IGB 2019
DER GLOBALE RECHTSINDEX DES IGB 2019 - Die schlimmsten Länder der Welt für erwerbstätige Menschen - International Trade Union ...
Georgien, Kenia und Nigeria auf Gerichtsbeschlüsse            Millionen Wanderarbeitskräfte weiterhin wie moderne
zurückgegriffen wurde, um Streiks zu unterbinden.             Sklaven behandelt.

Achtzig Prozent der Länder haben das Recht auf Ta-            In zehn Ländern wurden Gewerkschaftsmitglieder er-
rifverhandlungen verletzt. In Europa, traditionell die        mordet: Bangladesch, Brasilien, Kolumbien, Guatemala,
tragende Säule des Rechtes auf Tarifverhandlungen,            Honduras, Italien, Pakistan, Philippinen, Türkei und
haben Unternehmen in Estland, den Niederlanden, Nor-          Simbabwe, und in 52 Ländern waren erwerbstätige
wegen und Spanien versucht, die Arbeitnehmerrechte            Menschen Gewalt ausgesetzt. Weltweit wurden im Jahr
zu untergraben oder auszuhebeln.                              2018 53 Gewerkschaftsmitglieder getötet. Allein in Ko-
                                                              lumbien wurden 34 Gewerkschaftsmitglieder ermordet.
In 59 Prozent der Länder haben die Behörden die Zulassung
von Gewerkschaften behindert, und in Argentinien, Algerien,   Die Versuche von Ländern, die Menschen im Zeitalter der
Ägypten, Indien, Panama und Paraguay wurden unabhän-          Wut gegenüber Unternehmen, Politikern und Regierun-
gige Gewerkschaftsaktivitäten vom Staat unterbunden.          gen, die nichts für die Arbeitnehmer getan haben, zum
                                                              Schweigen zu bringen, nehmen zu.
Die zehn schlimmsten Länder für erwerbstätige Men-
schen sind im Jahr 2019 Algerien, Bangladesch,                In 54 Ländern wurde die Rede- und Versammlungsfrei-
Brasilien, Kolumbien, Guatemala, Kasachstan, die              heit verweigert oder eingeschränkt. Die demokratischen
Philippinen, Saudi-Arabien, die Türkei und Simbabwe.          Spielräume schwanden in Hongkong, Mauretanien, den
                                                              Philippinen und der Türkei.
Brasilien und Simbabwe zählen zum ersten Mal zu den
zehn schlimmsten Ländern, was auf die Verabschiedung          In 72 Prozent der Länder hatten erwerbstätige Men-
regressiver Gesetze, die gewaltsame Unterdrückung             schen keinen oder nur eingeschränkten Zugang zur
von Streiks und Protesten sowie die Bedrohung und Ein-        Justiz, wobei über schwerwiegende Fälle in Kambod-
schüchterung führender Gewerkschaftsvertreter/innen           scha, China, Iran und Simbabwe berichtet wurde.
zurückgeht.
                                                              Die Zahl der Länder, in denen erwerbstätige Menschen
Eswatini, Irak, Sierra Leone, Thailand und Vietnam            willkürlich verhaftet und inhaftiert wurden, hat sich gegen-
haben im Jahr 2019 mit der Kategorie 5 (Rechte nicht          über 59 im Jahr 2018 auf 64 im Jahr 2019 erhöht. Zu
garantiert) alle ein schlechteres Rating erhalten, da die     Massenverhaftungen von Arbeitnehmerinnen und Arbeit-
Angriffe auf die Arbeitnehmerrechte sowohl in der Ge-         nehmern kam es China, Indien, der Türkei und Vietnam.
setzgebung als auch in der Praxis zugenommen haben.
                                                              Die Gewerkschaften stehen an vorderster Front ei-
Der Friedensschluss zwischen Äthiopien und Eritrea            nes Kampfes für demokratische Rechte und Freiheiten
im Juli 2018 hat dazu geführt, dass sich Eritreas Rating      angesichts der unternehmerischen Profitgier, die die Regie-
von 5+ (Länder in Konfliktsituationen) auf 5 (Rechte nicht    rungen derart beeinflusst, dass sie entgegen den Rechten
garantiert) leicht verbessert hat, obwohl es in dem Land      der Menschen handeln. Wir brauchen einen neuen Gesell-
nach wie vor zu ernsthaften Menschen- und Arbeitneh-          schaftsvertrag zwischen Regierungen, Arbeitnehmern und
merrechtsverletzungen kommt, einschließlich eines             der Wirtschaft, um das Vertrauen wiederherzustellen, wenn
unbefristeten Wehrdienstes.                                   die Menschen den Glauben an die Demokratie verlieren.
                                                              Es ist an der Zeit, die Regeln neu festzulegen.
Wenn es um grundlegende Rechte bei der Arbeit geht,
ist Nahost/Nordafrika nach wie vor die schlimmste Re-                                              Sharan Burrow
gion der Welt. In Ägypten wurden alle unabhängigen                                                    Generalsekretärin,
Gewerkschaften aufgelöst, und in Saudi-Arabien werden                                Internationaler Gewerkschaftsbund

Vorwort                                                                                                         Seite 5
DER GLOBALE RECHTSINDEX DES IGB 2019 - Die schlimmsten Länder der Welt für erwerbstätige Menschen - International Trade Union ...
Im Fokus

Dies ist die sechste Ausgabe des
Globalen Rechtsindex des IGB.
Er dokumentiert Verletzungen
international anerkannter
Arbeitnehmerrechte durch
Regierungen und Arbeitgeber.
                                                     10    Die schlimmsten Länder für
                                                           erwerbstätige Menschen

                                                     Algerien                 Kasachstan
 Die schlimmste Region für                           Bangladesh               Philippinen
 erwerbstätige Menschen                              Brasilien                Saudi-Arabien
                                                     Kolumbien                Türkei
     Naher Osten und Nordafrika                      Guatemala                Simbabwe

Arbeitnehmerrechtsverletzungen

              In 59% der Länder wurde die
   59%        Zulassung von Gewerkschaften
              von den Behörden behindert.

                                                                 Die Zahl der Länder, in denen
                                                          64

               85% der Länder haben das                          Beschäftigte verhaftet und inhaftiert
   85%         Streikrecht verletzt.                             wurden, hat sich von 59 im Jahr
                                                      
                                                     59

                                                                 2018 auf 64 im Jahr 2019 erhöht.

                                                                 In 54 Ländern wurde 2019 die
             80% der Länder haben das Recht
   80%       auf Tarifverhandlungen verletzt.
                                                                 Rede- und Versammlungsfreiheit
                                                                 verweigert oder eingeschränkt.

             Die Zahl der Länder, die Beschäftigte
       7

             vom Recht auf die Gründung von
     10

                                                                 In 52 Ländern waren Beschäftigte
             oder den Beitritt zu Gewerkschaften
                                                                 Gewalt ausgesetzt.
  

             ausschließen, hat sich von 92 im Jahr
92

             2018 auf 107 im Jahr 2019 erhöht.

             In 72% der Länder hatten
                                                                 In 10 Ländern wurden
   72%       Beschäftigte keinen oder
                                                                 Gewerkschafter/innen ermordet.
             eingeschränkten Zugang zur Justiz.

Seite 6							                                                 Globaler Rechtsindex des IGB 2019
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Unternehmen, die Arbeitnehmerrechte verletzen

•   Anlima Textile, Bangladesch                             •    Dunnes Stores, Irland
•   Ashiana Garments Industries Ltd, Bangladesch            •    Kenyatta Hospital, Kenia
•   Ryanair, Belgien, Portugal, Niederlande                 •    Kenya Airways, Kenia
•   Jasic Technology, China                                 •    Lehrerkommission, Kenia
•   Croatia Airlines, Kroatien                              •    Fu Yuen Garment Co Ltd, Myanmar
•   Bimbo, Guatemala                                        •    Norse Production, Norwegen
•   Ternium, Guatemala                                      •    Prosegur, Paraguay
•   Northwest Transportation Company, Ecuador               •    AB InBev, Peru
•   Bisco Misr, Ägypten                                     •    Staatliche Eisenbahn, Thailand
•   Ceramica, Ägypten                                       •    Sumifru, Philippinen
•   Majestic, Ägypten                                       •    NutriAsia, Philippinen
•   TS Laevad, Estland                                      •    TSTT, Trinidad und Tobago
•   Tarkwa Mine of Goldfields, Ghana                        •    Goodyear, Türkei
•   Tamil Nadu Rubber Corporation, Indien                   •    Renault, Türkei
•   Haft Tapheh, Iran                                       •    Flughafen Istanbul, Türkei
•   HEPCO, Iran                                             •    Amazon, USA und Europa
•   National Steel Industrial Group, Iran                   •    Uber, USA, Europa, Indien, Südkorea, Australien
                                                            •    Schuhfabrik Pouchen, Vietnam

                                             Regionale Sechsjahrestrends
          RECHTE NICHT
           GARANTIERT

    5

                                                                                                 4,47 Nahost/
        SYSTEMATISCHE
        RECHTSVERLET-

                                                                                                       Nordafrika
           ZUNGEN

    4                                                                                            4,05 Asien/Pazifik
                                                                                                 3,79 Afrika
                                                                                                 3,52 Gesamtamerika
        RECHTSVERLET-
        REGELMÄSSIGE

           ZUNGEN

    3

                                                                                                 2,55 Europa
          RECHTSVERLET-
           WIEDERHOLTE

             ZUNGEN

    2

                         2014    2015         2016         2017            2018          2019
                  139 Länder    141 Länder   141 Länder   139 Länder      144 Länder    145 Länder

Der Globale Rechtsindex des IGB beschreibt die schlimmsten Länder der Welt für erwerbstätige Menschen und
bewertet die einzelnen Länder auf einer Skala von 1-5+ anhand ihrer jeweiligen Einhaltung der Arbeitnehmer-
rechte. Rechtsverletzungen werden jedes Jahr von April bis März dokumentiert. Detaillierte Informationen über
Arbeitnehmerrechtsverletzungen in den einzelnen Ländern finden sich unter: survey.ituc-csi.org.

Im Fokus                                                                                                    Seite 7
DER GLOBALE RECHTSINDEX DES IGB 2019 - Die schlimmsten Länder der Welt für erwerbstätige Menschen - International Trade Union ...
Die Ratings 2019

                           3,52

                      GESAMTAMERIKA

Neu 2019:        Verbesserung:                   Verschlechterung:
Afghanistan 5   Benin 4         Mexiko 4      Belgien 2          Nord-
                 Bolivien 3      Moldawien 2   Belize 3           mazedonien 3
                 Eritrea 5       Nigeria 4     Brasilien 5        Ruanda 3 
                 Mauretanien 4   Pakistan 4    Kanada 3           Sierra Leone 5
                 Mauritius 3                    Chile 4            Sri Lanka 4 
                                                 Eswatini 5         Thailand 5
                                                 Irak 5             Venezuela 4 
                                                 Namibia 3          Vietnam 5

Seite 8							                                   Globaler Rechtsindex des IGB 2019
DER GLOBALE RECHTSINDEX DES IGB 2019 - Die schlimmsten Länder der Welt für erwerbstätige Menschen - International Trade Union ...
2,55

EUROPA

                                                         4,05

                                                       ASIEN/PAZIFIK

                                               4,47

   3,79                                    NAHOST/
                                          NORDAFRIKA

   AFRIKA

 5+ 	Rechte nicht garantiert wegen des
      Zusammenbruchs der Rechtsstaatlichkeit
 5 Rechte nicht garantiert
 4 Systematische Rechtsverletzungen
 3 Regelmäßige Rechtsverletzungen
 2 Wiederholte Rechtsverletzungen
 1 Sporadische Rechtsverletzungen
      Keine Angaben

Die Ratings 2019                                             Seite 9
DER GLOBALE RECHTSINDEX DES IGB 2019 - Die schlimmsten Länder der Welt für erwerbstätige Menschen - International Trade Union ...
Die Länder-Ratings 2019

Rating 5+
Rechte nicht garantiert wegen des Zusammenbruchs der Rechtsstaatlichkeit

Burundi                          Palästina               Sudan
Zentralafrikanische Republik     Somalia                 Syrien
Libyen                           Südsudan                Jemen

Rating 5
Rechte nicht garantiert

Afghanistan                      Eswatini                Laos
Algerien                         Griechenland            Philippinen
Bahrain                          Guatemala               Saudi-Arabien
Bangladesch                      Honduras                Sierra Leone
Weißrussland                     Hongkong (China)        Thailand
Brasilien                        Indien                  Türkei
Kambodscha                       Indonesien              Ukraine
China                            Iran                    Vereinigte Arabische Emirate
Kolumbien                        Irak                    Vietnam
Ecuador                          Kasachstan              Simbabwe
Ägypten                          Korea (Republik)
Eritrea                          Kuwait

Rating 4
Systematische Rechtsverletzungen

Angola                           Libanon                 Serbien
Argentinien                      Nordmazedonien          Sri Lanka
Benin                            Malaysia                Tansania
Bosnien und Herzegowina          Mali                    Trinidad und Tobago
Botsuana                         Mauretanien             Tunesien
Kamerun                          Mexiko                  Uganda
Tschad                           Myanmar                 USA
Chile                            Nigeria                 Venezuela
Kongo (Demokratische Republik)   Oman                    Sambia
Elfenbeinküste                   Pakistan
Dschibuti                        Panama
Äthiopien                        Paraguay
Fidschi                          Peru
Haiti                            Rumänien
Kenia                            Senegal

Seite 10							                                       Globaler Rechtsindex des IGB 2019
Rating 3
Regelmäßige Rechtsverletzungen

Albanien                  Georgia       Mosambik
Australien                Ghana         Namibia
Bahamas                   Ungarn        Nepal
Belize                    Jordanien     Polen
Bolivien                  Lesotho       Russische Föderation
Bulgarien                 Liberia       Ruanda
Burkina Faso              Madagaskar    Spanien
Kanada                    Mauritius     Vereinigtes Königreich
El Salvador               Marokko

Rating 2
Wiederholte Rechtsverletzungen

Barbados                  Frankreich    Montenegro
Belgien                   Israel        Neuseeland
Kongo (Republik)          Jamaika       Portugal
Costa Rica                Japan         Singapur
Kroatien                  Lettland      Südafrika
Tschechische Republik     Litauen       Schweiz
Dominikanische Republik   Malawi        Taiwan 
Estland                   Moldawien     Togo

Rating 1
Sporadische Rechtsverletzungen

Österreich                Island        Norwegen
Dänemark                  Irland        Slowakei
Finnland                  Italien       Schweden
Deutschland               Niederlande   Uruguay

 Ergebnis im Vergleich zu 2018:
 Unverändert oder neu im Jahr 2019
 Verschlechterung
 Verbesserung

Die Ratings 2019                                                   Seite 11
Die schlimmste Region der Welt

 REGION                          2019      AUSMASS

 Nahost/                                   (4) Systematische Rechtsverletzungen bis
              19 LÄNDER          4,47
 Nordafrika                                (5) Rechte nicht garantiert
 Asien/                                    (4) Systematische Rechtsverletzungen bis
              22 LÄNDER          4,05
 Pazifik                                   (5) Rechte nicht garantiert
                                           (3) Regelmäßige Rechtsverletzungen bis
 Afrika       39 LÄNDER          3,79
                                           (4) Systematische Rechtsverletzungen
 Gesamt-                                   (3) Regelmäßige Rechtsverletzungen bis
              25 LÄNDER          3,52
 amerika                                   (4) Systematische Rechtsverletzungen
                                           (2) Wiederholte Rechtsverletzungen bis
 Europa       40 LÄNDER          2,55
                                           (3) Regelmäßige Rechtsverletzungen

Naher Osten und Nordafrika

Wenn es um Arbeitnehmerrechte geht,                    Vom arbeitsrechtlichen Schutz
                                                       ausgeschlossen
ist die Region Nahost/Nordafrika auch
2019 wieder die schlimmste der Welt,                   Angesichts generell repressiver Rahmenbedingungen mit
                                                       Blick auf bürgerliche Freiheiten sind Wanderarbeitskräfte,
mit einem durchschnittlichen Rating von
                                                       die überwältigende Mehrheit ihrer Arbeitnehmerschaft,
4,47.                                                  in den meisten Golfländern nach wie vor von jeglichem
                                                       arbeitsrechtlichen Schutz ausgeschlossen. Im Laufe des
Libyen, Palästina, Syrien und Jemen
                                                       Jahres wurden horrende Missbräuche in Saudi-Arabien
sind nach wie vor von Konflikten                       aufgedeckt, wo ausländische Arbeitskräfte Ausbeutung
                                                       und Zwangsarbeit ausgesetzt sind. Der Ausschluss
geplagt, und grundlegende Freiheiten
                                                       von Wanderarbeitskräften vom Geltungsbereich der
und Rechte werden mit Füßen getreten.                  Arbeitsgesetze bedeutet, dass nahezu 90 Prozent der
                                                       Arbeitnehmerschaft nicht in der Lage sind, ihr Recht auf
                                                       die Gründung von oder den Beitritt zu Gewerkschaften
              In 53% der Länder in der Region          wahrzunehmen.
              Nahost/Nordafrika wurden
    53%       erwerbstätige Menschen                   Schätzungen der IAO zufolge gibt es 164 Millionen Wan-
              verhaftet oder inhaftiert.               derarbeitskräfte, von denen 13,9 Prozent in arabischen
                                                       Ländern tätig sind. Im Oktober 2018 wurde eine indone-
                                                       sische Arbeiterin von den saudischen Behörden heimlich
                                                       hingerichtet, weil sie ihren Arbeitgeber bei einem Ver-
                                                       gewaltigungsversuch aus Notwehr angeblich mit einem
                                                       Stock zu Tode geprügelt hatte.

Seite 12							                                                     Globaler Rechtsindex des IGB 2019
Unabhängige Gewerkschaften                                  “Störung der öffentlichen Ordnung” und “Anstiftung
aufgelöst und Arbeitnehmer/innen                            der Beschäftigten zu Demonstrationen und Aufruhr”
gewaltsam angegriffen                                       zu ein- bis zweieinhalbjährigen Haftstrafen sowie zu 74
                                                            Peitschenhieben verurteilt.
Algerien und Ägypten bleiben die gefährlichsten Län-
der für Gewerkschafter, da die Behörden nach wie vor
versuchen, jegliche Organisierungsaktivitäten der un-       Arbeitnehmerrechtsverletzungen in
abhängigen Gewerkschaftsbewegung zu unterbinden.            Nahost/Nordafrika
In Ägypten wurden im März 2018 alle unabhängigen Ge-
werkschaften aufgelöst und angewiesen, sich binnen                              In allen 19 Ländern sind
60 Tagen um eine Neuzulassung ihrer Organisationen                              Beschäftigte vom Recht auf die
im Einklang mit den neuen willkürlichen Auflagen des            100%            Gründung von oder den Beitritt zu
Gewerkschaftsgesetzes Nr. 213/2017 zu bemühen. Von                              Gewerkschaften ausgeschlossen.
1.000 unabhängigen Gewerkschaften gelang es lediglich
122, ihre Zulassung innerhalb der festgelegten Frist und
im Einklang mit dem neuen Gesetz zu erwirken. In Alge-
rien wurden unabhängige Gewerkschaften von einem                   18
                                                                   —
                                                                                18 von 19 Ländern haben
ähnlichen Schicksal ereilt. Im März 2018 hat das dortige
Arbeitsministerium alle 65 zugelassenen Gewerkschaf-
                                                                   19           das Streikrecht verletzt.

ten ohne jegliche gesetzliche Grundlage aufgefordert,
Beweise für ihre Repräsentativität vorzulegen, um für
eine Wiederzulassung in Frage zu kommen. Laut der
vom Ministerium veröffentlichten Liste haben nur 17 Ge-            18
                                                                   —
                                                                                18 von 19 Ländern haben das
werkschaften die Zulassungskriterien erfüllt. Die Anträge
zweier unabhängiger Gewerkschaften, der Confédé-
                                                                   19           Tarifverhandlungsrecht verletzt.

ration générale autonome des travailleurs en Algérie
(CGATA) und der für den Elektrizitäts- und Gassektor
zuständigen Gewerkschaft SNATEG, wurden abgelehnt.

In beiden Ländern wurden Bemühungen der Arbeitneh-
mer um die Organisation von Protesten systematisch
unterbunden. Bei BiscoMisr, einem ägyptischen Le-
bensmittelhersteller, wurden Streikende 60 Tage lang in
Gewahrsam genommen, und bei Ceramica und Majestic
wurden sieben Beschäftigte, die gegen unterbliebene
Lohnzahlungen protestierten, verhaftet und später we-
gen Anstiftung zum Streik angeklagt. Alle wurden zu 15
Tagen Haft verurteilt.

Im Iran sind die Behörden noch strikter gegen Arbeit-
nehmerproteste vorgegangen, haben Beschäftigte
gewaltsam angegriffen und Massenverhaftungen vor-            Journalisten und Anwälte in Algerien fordern die
genommen. Im Oktober 2018 wurden während eines               Freilassung des seit drei Wochen hungerstreikenden
landesweiten Streiks gegen niedrige Löhne mehr als           inhaftierten Journalisten Adlène Mellah.
250 Lkw-Fahrer festgenommen, und im Mai 2018 wur-            Foto: Billal Bensalem/NurPhoto/AFP
den 15 Beschäftigte der Heavy Equipment Production
Company (HEPCO) wegen eines Streiks aus Protest
gegen ausstehende Löhne verhaftet. Das Strafgericht
Arak hat HEPCO-Beschäftigte im Oktober 2018 wegen

Die schlimmste Region der Welt                                                                               Seite 13
Asien/Pazifik

Die asiatisch-pazifische Region ist         Gewaltsame Angriffe auf Beschäftigte
nach der Region Nahost/Nordafrika
                                            Die körperlichen Angriffe auf Arbeitnehmer/innen und
auch in diesem Jahr wieder die              Gewerkschafter/innen haben drastisch zugenommen.
                                            In Pakistan wurde der führende Gewerkschaftsvertreter
zweitschlechteste Region der Welt,
                                            Abdul Khaliq Sher nach einem Treffen mit dem Web-
wenn es um die Arbeitnehmerrechte           maschinenfabrikeigner Muhammad Jamil am 8. März
                                            2018 getötet. Berichten der Polizei zufolge sei es zwi-
geht. Mit einem durchschnittlichen
                                            schen Jamil und Khaliq zu einem hitzigen Wortwechsel
Rating von 4,05 gegenüber 3,95 im           gekommen, woraufhin Jamil zusammen mit seinen Kom-
                                            plizen Malik Amjad und Muhammad Tariq Abdul Khaliq
letzten Jahr hat die Region im Jahr 2019
                                            Sher erschossen habe. Zum Zeitpunkt der Erstellung
zudem die größte Verschlechterung           dieses Berichtes waren die Ermittlungen noch nicht ab-
                                            geschlossen. Auf den Philippinen kam es angesichts
aller Regionen zu verzeichnen.
                                            von zehn Morden im Jahr 2018 zu einer Eskalation der
                                            Gewalt gegenüber erwerbstätigen Menschen. Am 20.
                                            Oktober 2018 wurden neun streikende Zuckerarbeiter
            10 Gewerkschafter wurden 2018   und Mitglieder der Nationalen Zuckerarbeitervereinigung
            auf den Philippinen ermordet.   NAMASUFA von Unbekannten erschossen, als sie pri-
                                            vates Land in Hacienda Nene besetzt hatten, um gegen
                                            Verzögerungen bei der Landreform zu protestieren und
                                            bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen zu fordern. Am
                                            31. Oktober wurde Danny Boy Bautista, ein 31 Jahre alter
                                            Erntehelfer und aktives NAMASUFA-Mitglied, von einem
                                            Unbekannten während eines Streiks beim japanischen
                                            Obstexporteur Sumifru von vier Kugeln getroffen.

Seite 14							                                          Globaler Rechtsindex des IGB 2019
Streiks unterbunden                                        Arbeitnehmerrechtsverletzungen in der
                                                           asiatisch-pazifischen Region
Die Regierungen von Bangladesch, Kambodscha,
Indien, Myanmar und Thailand haben Streiks brutal                             In 91% der Länder sind
unterbunden und schwer bestraft. In Vietnam sind                              Beschäftigte vom Recht auf die
am 9. und 10. Juni 2018 50.000 Beschäftigte der                91%            Gründung von oder den Beitritt zu
Schuhfabrik Pouchen im Industriegebiet Tan Tao in                             Gewerkschaften ausgeschlossen.
Ho-Chi-Minh-Stadt, dem größten Wirtschaftszentrum
des südasiatischen Landes, auf die Straße gegangen,
um gegen einen Gesetzentwurf zu protestieren, der die
Einrichtung neuer Sonderwirtschaftszonen vorsah. Die            21
                                                                —
                                                                             21 von 22 Ländern haben
vietnamesischen Sicherheitskräfte setzten daraufhin
Tränengas und Wasserwerfer ein, um die Demonstra-
                                                                22           das Streikrecht verletzt.

tion aufzulösen. Fünfhundert Protestierende wurden in
Gewahrsam genommen, und viele von ihnen wurden in
der Haft von der Polizei verprügelt.
                                                                             Alle 22 Länder haben das
Im November 2018 hat die staatliche thailändische Ei-        100%            Tarifverhandlungsrecht verletzt.
senbahn (SRT) damit begonnen, ihre Forderung nach
Schadenersatz in Höhe von 24 Millionen Baht (730.000
US$) gegen die Gewerkschaft SRUT und sieben ihrer
Funktionäre geltend zu machen. Die auf das Jahr 2011
zurückgehende Forderung bezieht sich auf einen Arbeits-
konflikt mit der SRUT im Jahr 2009, bei dem gegen einen
Bahnunfall protestiert wurde, bei dem sieben Beschäftig-
te ums Leben gekommen waren. In zahlreichen Ländern,
darunter Bangladesch, Kambodscha und Indonesien,
waren gewerkschaftsfeindliche Maßnahmen an der Ta-
gesordnung und Beschäftigte, die eine Gewerkschaft
gründen wollten, wurden systematisch entlassen. In Chi-
na hat das Unternehmen Jasic Technology während
des gesamten Jahres Arbeitnehmer entlassen, wenn sie
versuchten, ihre eigene Gewerkschaft zu organisieren.
Zudem wurden mehr als 40 Beschäftigte festgenommen
und beschuldigt, „eine Menschenansammlung organisiert
                                                           Protestierende skandieren Parolen bei einer
zu haben, um die soziale Ordnung zu stören“.               Demonstration in Vietnam gegen den Vorschlag,
                                                           in geplanten Sonderwirtschaftszonen 99-jährige
                                                           Konzessionen zu erteilen, wovon ihrer Ansicht nach
                                                           ausländische Firmen profitieren würden.
                                                           Foto: Kao Nguyen/AFP/Getty AFP

Die schlimmste Region der Welt                                                                            Seite 15
Afrika

Burundi, die Zentralafrikanische                            Streik- und Versammlungsverbot
Republik, Somalia, Südsudan und
                                                            In Ländern wie Nigeria, Benin und Gabun griffen Be-
Sudan waren nach wie vor von                                hörden und Arbeitgeber zunehmend auf gerichtliche
                                                            Verbote zurück, um die Organisation von Streiks zu
internen Konflikten geplagt, durch
                                                            unterbinden. In Kenia ist die Lehrerkommission (TSC)
die sich die humanitäre Lage weiter                         nicht zu einer vom Ministerium anberaumten Schlich-
                                                            tungssitzung erschienen, sondern hat stattdessen eine
verschlechterte und Millionen Menschen
                                                            gerichtliche Verfügung erwirkt, um einen geplanten
ohne ein Mindestmaß an Schutz                               Streik der Lehrergewerkschaft KNUT zu unterbinden.
                                                            Darüber hinaus haben Regierungen wie die in Burkina
dastanden. In anderen afrikanischen
                                                            Faso generelle Demonstrationsverbote verhängt, um das
Ländern war das Jahr von einer                              Recht der Arbeitnehmer auf friedliche Versammlungen
                                                            zu untergraben. Im Tschad hat der Sicherheitsminister
Eskalation der Gewalt als Reaktion
                                                            Sicherheitsgründe geltend gemacht, um sämtliche De-
auf Arbeitnehmerproteste geprägt.                           monstrationen zu verbieten und damit zu drohen, die
                                                            Aktivitäten aller politischen Parteien und aller zivilgesell-
                                                            schaftlichen Organisationen auszusetzen, die “versuchen,
                                                            sich der Autorität des Staates zu widersetzen”.
                 In 49% der afrikanischen Länder
    49%          wurden Arbeitnehmer/innen
                 verhaftet oder inhaftiert.

Zunahme der Gewalt

In Kamerun, Tschad, Ghana, Eswatini und Simbabwe,
wo die Sicherheitskräfte mit scharfer Munition auf pro-
testierende Beschäftigte schossen, hat die Polizeigewalt
beispiellose Ausmaße angenommen. In Kamerun wurde
ein Hafenarbeiterstreik brutal von der Polizei unterbun-
den. Mehrere Arbeiter wurden dabei verletzt, und ein
Protestierender verlor seinen Unterarm, als er versuchte,
eine von der Polizei abgefeuerte Granate abzuwehren.
In Simbabwe erlitten bei der brutalen Unterdrückung
von Arbeiterprotesten im Januar 2019 70 Protestierende
Schusswunden und 12 Menschen wurden getötet.

Seite 16							                                                           Globaler Rechtsindex des IGB 2019
Verhaftungen und Inhaftierungen                              Arbeitnehmerrechtsverletzungen in
                                                             Afrika
Zahlreiche führende Gewerkschaftsvertreter wurden
2019 in Afrika willkürlich verhaftet und inhaftiert. In                           In 90% der Länder sind
Simbabwe wurden der Präsident und der Generalsekretär                             Beschäftigte vom Recht auf die
des Gewerkschaftsbundes ZCTU am 21. bzw. 25. Januar             90%               Gründung von oder den Beitritt zu
2019 in Gewahrsam genommen und der Subversion                                     Gewerkschaften ausgeschlossen.
beschuldigt, weil sie die Nation zur Beteiligung an
Protesten gegen die Treibstoffpreiserhöhungen
mobilisiert hätten. Der Generalsekretär der IGB-
Afrika, der zu Treffen mit der ZCTU-Führung und dem                               92% der Länder haben das
Arbeitsministerium nach Simbabwe gereist war, wurde              92%              Tarifverhandlungsrecht verletzt.
später in seinem Hotelzimmer festgenommen und am
Internationalen Flughafen Harare willkürlich festgehalten.
In Kenia wurden der KNUT-Generalsekretär und
andere Funktionäre festgenommen, weil sie angeblich
Krankenpflegekräfte des Kenyatta-Krankenhauses                    38
                                                                  —
                                                                                  38 von 39 Ländern haben
zum Streiken angestiftet hatten. In Guinea haben die
Behörden ihre gewerkschaftsfeindlichen Maßnahmen
                                                                  39              das Streikrecht verletzt.

intensiviert und mehrere Gewerkschaftsvertreter
willkürlich verhaftet, darunter den Generalsekretär
der Gewerkschaft SLECG während ihres Kongresses,
den stellvertretenden UGTG-Generalsekretär und den
Generalsekretär der Hafenarbeitergewerkschaft während
einer Polizeirazzia in den Gewerkschaftsbüros.

                                                             Ein Transporter blockiert ein Regierungsgebäude
                                                             in Lagos während eines landesweiten Streiks in
                                                             Nigeria.

                                                             Foto: Pius Utomi Ekpei/AFP

Die schlimmste Region der Welt                                                                               Seite 17
Gesamtamerika

Die Situation erwerbstätiger Menschen                      Wegen Gewerkschaftsmitgliedschaft
                                                           entlassen
hat sich in Gesamtamerika mit
einem durchschnittlichen Rating                            Beschäftigte, die versuchten, Gewerkschaften zu grün-
                                                           den, wurden fristlos entlassen. In Ecuador hat die
von 3,52 gegenüber dem Vorjahr
                                                           Northwest Transportation Company 22 Beschäftigte
verschlechtert. In vielen Ländern                          entlassen, nachdem sie eine Gewerkschaft gegründet
                                                           hatten, während das staatliche Kommunikationsunter-
wurden Gewerkschafterinnen und
                                                           nehmen TSTT in Trinidad und Tobago 503 Mitarbeitern,
Gewerkschafter gewaltsam angegriffen.                      mehrheitlich CWU-Mitgliedern, ohne Begründung ge-
                                                           kündigt hat. Zahlreiche Fälle von Massenentlassungen
                                                           als Vergeltungsmaßnahme für eine gewerkschaftliche
                                                           Organisierung blieben ungeklärt, so dass die Entlas-
                 In Kolumbien wurden                       senen nach wie vor auf ihre Wiedereinstellung warten,
                 während des Jahres 2018 34                wie etwa in Paraguay, wo im Jahr 2012 327 Beschäftigte
                 Gewerkschafter/innen ermordet.            von Prosegur entlassen wurden und nach einer gericht-
                                                           lichen Anordnung auf ihre Wiedereinstellung warten.
                                                           Sie waren nach der Auflösung ihrer Gewerkschaft 2012
Zunahme der Gewalt und Straffreiheit                       entlassen und nach einem Streik ausgesperrt worden.
                                                           Die Arbeitgeber haben weiterhin auf gewerkschafts-
In Honduras und Haiti wurden erneut Morddrohungen          feindliche Taktiken zurückgegriffen, wie etwa auf prekäre
und Einschüchterungen gegenüber Gewerkschafts-             Beschäftigungsverhältnisse, um Tarifverhandlungen zu
mitgliedern dokumentiert, während in Brasilien und         umgehen. In Peru hat AB InBev 1.500 Beschäftigte ent-
Guatemala mehrere Gewerkschaftsführer ermordet             lassen und durch Gelegenheitsarbeitskräfte ersetzt, um
wurden. Allein in Kolumbien wurden im Jahr 2018 34         die Inkraftsetzung des Tarifvertrages zu vermeiden.
Gewerkschafter/innen ermordet und weitere zehn Mord-
versuche sowie 172 Morddrohungen verzeichnet. Am
4. November 2018 wurde Edilberto Niño Cristancho,
leitender Organisator der Palmölarbeitergewerkschaft
SINTRAIMAGRA, schwer verletzt aufgefunden und in
ein Krankenhaus gebracht. Er erlag später seinen Ver-
letzungen. Bevor er starb, konnte Cristancho der Polizei
noch sagen, was passiert war. Zwei Unbekannte hatten
ihn überfallen und in Villavicencio in der Provinz Meta
in einem Taxi 18 Mal mit einem Messer auf ihn eingesto-
chen. Die Situation in Kolumbien und Guatemala wurde
dadurch noch verschlimmert, dass die Behörden nichts
unternommen haben, um diese Verbrechen zu untersu-
chen und die Schuldigen vor Gericht zu bringen.

Seite 18							                                                         Globaler Rechtsindex des IGB 2019
Gewerkschaften wird Zulassung                               Arbeitnehmerrechtsverletzungen in
verweigert                                                  Gesamtamerika

In vielen lateinamerikanischen Ländern haben die Behör-                       In 68% der Länder sind
den Gewerkschaften aus fadenscheinigen Gründen die                            Beschäftigte vom Recht auf die
Zulassung verweigert. In Panama hat sich die Regierung         68%            Gründung von oder den Beitritt zu
nach wie vor geweigert, acht rechtmäßig gegründete Ge-                        Gewerkschaften ausgeschlossen.
werkschaften im öffentlichen Dienst offiziell zuzulassen,
obwohl sie gegenüber der IAO im Oktober 2018 erneut
versichert hatte, dass sie dies tun werde. Mindestens 14
Gewerkschaften ist in Argentinien die Zulassung ver-             19
                                                                 —
                                                                              19 von 25 Ländern haben
weigert worden, obwohl sie bereits im Jahr 2007 einen
Antrag gestellt hatten. In Paraguay hat das Arbeitsmi-
                                                                 25           das Streikrecht verletzt.

nisterium der 2017 gegründeten Lehrergewerkschaft
OTEP weiter die Zulassung vorenthalten, während die
Elektrizitätsarbeitergewerkschaft Sitrande daran ge-
hindert wurde, Aktivitäten durchzuführen und ihr Konto           20
                                                                 —
                                                                              20 von 25 Ländern haben das
gesperrt bekam, weil es die Regierung abgelehnt hat,
ihre Zulassung zu erneuern. Es wird vermutet, dass dies
                                                                 25           Tarifverhandlungsrecht verletzt.

eine Vergeltungsmaßnahme der Regierung für einen
groß angelegten Streik ist, den die Sitrande im Jahr 2014
organisiert hatte.

                                                            Gewerkschaftsdemonstration gegen die
                                                            Wirtschaftspolitik von Präsident Lenin Moreno in
                                                            Ecuador.
                                                            Foto: Rodrigo Buendia/AFP

Die schlimmste Region der Welt                                                                             Seite 19
Europa

In Europa haben sich die                                      Streiks und Proteste unterbunden
Rahmenbedingungen aufgrund
                                                              Zahlreiche Streiks wurden von der Polizei brutal been-
vermehrter gewaltsamer Angriffe auf                           det, und protestierende Beschäftigte wurden wegen
                                                              ihrer Teilnahme an Streiks angeklagt und verurteilt. In
führende Gewerkschaftsvertreter/
                                                              Belgien wurden 18 FGTB/ABVV-Mitglieder verklagt, weil
innen und der wachsenden Tendenz,                             sie während eines Protestes eine Straße blockiert hatten.
                                                              Der FGTB/ABVV-Vorsitzende in Antwerpen wurde zwar
Beschäftigte wegen ihrer Teilnahme an
                                                              für schuldig befunden, aber es wurde keine Strafe ver-
Streiks anzuklagen und zu verurteilen,                        hängt. In Frankreich wurden fünf CGT- und FO-Mitglieder
                                                              von der Polizei vorgeladen, weil sie an einer Mautstelle
verschlechtert. Das durchschnittliche
                                                              Flugblätter verteilt hatten. Der CGT-Generalsekretär im
Länder-Rating hat sich auf 2,55 erhöht.                       Department Lot sollte sich im Mai 2019 wegen “wider-
                                                              rechtlicher Besetzung einer öffentlichen Straße” vor
                                                              Gericht verantworten. In der Türkei mussten 43 am Bau
                                                              des neuen Istanbuler Flughafens beteiligte Arbeiter mit
                  In 25% der europäischen Länder              einem Gerichtsverfahren rechnen, nachdem ihr Protest
    25%           wurden Arbeitnehmer/innen                   gegen die schlechten Arbeits- und Sicherheitsbedin-
                  verhaftet und inhaftiert.                   gungen im Oktober 2018 auf massive Gegenreaktionen
                                                              gestoßen war. Die Polizei hatte den Protest gewaltsam
                                                              beendet und mehr als 400 Arbeiter in Gewahrsam ge-
Gewerkschafter/innen gewaltsam                                nommen. In Weißrussland und Kasachstan gingen die
angegriffen und ermordet                                      Behörden weiter gegen unabhängige Gewerkschaften
                                                              vor, verklagten und verurteilten führende Gewerkschafts-
Während des Jahres 2018 wurden führende                       vertreter aus vorgeschobenen Gründen.
Gewerkschaftsvertreter/innen in der Türkei und in Italien
ermordet. In der Türkei wurde Abdullah Karacan, der
Vorsitzende der Chemiearbeitergewerkschaft Lastik-
İş, am 13. November 2018 erschossen. Er besuchte
gerade eine Goodyear-Reifenfabrik in Adapazari. Zwei
weitere Gewerkschaftsvertreter wurden bei dem Überfall
verwundet. In Italien wurde Soumayla Sacko, ein 29 Jahre
alter Landarbeiter und Gewerkschafter aus Mali, am 2. Juni
2018 in San Calogero getötet, als er Material für die Zelt-
und Hüttenstadt sammelte, in der er und seine Kollegen
wohnten. Er war seit zwei Jahren in der Gewerkschaft
Unione Sindacale di Base (USB) aktiv gewesen und
hatte für die Verbesserung der katastrophalen Zustände
für die Arbeiter gekämpft. In Kasachstan wurde
Dmitry Senjawskii, der Ortsverbandsvorsitzende der
Energiearbeitergewerkschaft in der Region Karaganda,
von zwei unbekannten Angreifern bei sich zu Hause in
Schachtinsk überfallen.

Seite 20							                                                            Globaler Rechtsindex des IGB 2019
Untergrabung der Tarifverhandlungen                        Arbeitnehmerrechtsverletzungen in
                                                           Europa
In vielen europäischen Ländern, wie etwa den Nieder-
landen, Estland und Spanien, haben Unternehmen                               In 40% der Länder sind
Tarifverhandlungen mit Gewerkschaften vielfach ver-                          Beschäftigte vom Recht auf die
mieden und direkt individuelle Vereinbarungen mit den         40%            Gründung von oder den Beitritt zu
Beschäftigten abgeschlossen. In Norwegen haben die                           Gewerkschaften ausgeschlossen.
Eigner des Lachsproduzenten Norse Production nach
einem 35-tägigen Streik und dem Abschluss eines Tarif-
vertrages zur Beilegung des Konfliktes das Unternehmen
für Bankrott erklärt und am selben Standort und mit der-                     68% der Länder haben das
selben Geschäftsführung ein neues Subunternehmen              68%            Streikrecht verletzt.
gegründet. Kein einziges Gewerkschaftsmitglied von
Norse Production wurde von dem neuen Betrieb über-
nommen, und der Tarifvertrag wurde nicht verlängert.

                                                                             50% der Länder haben das
                                                              50%            Tarifverhandlungsrecht verletzt.

                                                           Streik von Amazon-Beschäftigten in Spanien gegen die
                                                           Absicht des Unternehmens, dort im Rahmen eines neuen
                                                           Vertrages Lohnerhöhungen zu stoppen, Löhne zu senken
                                                           und die Vergütung für Wochenendarbeit sowie das Ur-
                                                           laubsgeld zu kürzen.
                                                           Foto: Burak Akbulut/Anadolu Agency/AFP

Die schlimmste Region der Welt                                                                            Seite 21
Die zehn schlimmsten Länder der Welt für
erwerbstätige Menschen

Algerien                                                    Bangladesch

                »» Staatliche Repression
                                                                              »» Gewalt
                »» Verhaftung und Strafverfolgung
                                                                              »» Massenentlassungen
                   führender Gewerkschaftsvertreter/innen
                                                                              »» Verhaftung führender
                »» Zulassung von Gewerkschaften
                                                                                 Gewerkschaftsvertreter/innen
                   stark behindert

Die algerische Regierung hat ihre Repressionen ge-          In Bangladesch wurden friedliche Arbeitnehmerproteste
genüber unabhängigen Gewerkschaften durch ein               mit Massenentlassungen, Festnahmen, Gewalt und staat-
rechtswidriges erneutes Zulassungsverfahren verstärkt.      lichen Repressionen erwidert. Im Bekleidungssektor hat
Von den 65 zugelassenen Gewerkschaften des Landes           die Polizei häufig extrem brutal auf Streiks reagiert. Am 8.
haben lediglich 17 Organisationen die willkürlichen und     Januar 2019 wurde Sumon Mia, ein 22-jähriger Arbeiter
überzogenen Kriterien der Regierung erfüllt. Den unab-      bei Anlima Textile in Kornopara in Savar, getötet und
hängigen Gewerkschaften CGATA und SNATEG wurde              weitere 50 Menschen wurden verletzt, nachdem die Poli-
die Zulassung nach wie vor verweigert.                      zei Gummigeschosse und Tränengas gegen rund 5.000
                                                            protestierende Arbeiter am Stadtrand von Dhaka ein-
Fälle staatlicher Strafverfolgung                           gesetzt hatte. Die Proteste hatten begonnen, nachdem
                                                            Berichten zufolge 50.000 Bekleidungsarbeiter/innen,
Bei einer Demonstration am 27. Dezember 2018, bei           von denen viele für internationale Einzelhandelsunter-
der ein Ende der Kriminalisierung gewerkschaftlicher        nehmen produzieren, die Arbeit niedergelegt hatten, um
Aktivitäten durch den Staat und die Befolgung               die Zahlung der jüngsten staatlich verfügten Erhöhung
der IAO-Empfehlungen gefordert wurden, wurden               des monatlichen Mindestlohns um 51 Prozent auf 8.000
15 Gewerkschafter verhaftet, darunter SNATEG-               Taka (94 US$) zu fordern.
Generalsekretär Abdelkader Kawafi und Zakaria Ben
Haddad, der Generalsekretär der SNT ENERGIE. Kawafi
hatte sich bereits im Februar 2018 zusammen mit SESS-
Vertreter Kaddour Chouicha wegen “Verleumdung und
Aufruf zu einer nicht genehmigten Kundgebung” vor
Gericht verantworten müssen. Beide waren im Juli 2016
festgenommen worden, als sie in einem Café auf das
Ende einer gerichtlichen Anhörung im Prozess gegen
Salah Dabbouz, den Vorsitzenden der algerischen
Menschenrechtsliga (LADDH), warteten.

Seite 22							                                                           Globaler Rechtsindex des IGB 2019
Führende Gewerkschaftsvertreter                               Brasilien                                        NEU
verhaftet

Im Februar 2018 wurden 12 führende Vertreter und Mit-
glieder der Textilarbeitergewerkschaft GWTUC (Garments                         »» Gewalt
Workers’ Trade Union Centre) des versuchten Mordes                             »» Morde
                                                                               »» Tarifverhandlungen untergraben
und Vandalismus angeklagt, nachdem Vertreter des
Arbeitgeberverbandes BGMEA (Bangladesh Garment
Manufacturers and Exporters Association) wegen ihrer
Beteiligung an einem friedlichen Protest außerhalb von        Die Situation der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
Ashiana Garments Industries Ltd in Dhaka Strafanzeige         in Brasilien hat sich durch die Verabschiedung regres-
gegen sie erstattet hatten. Die Anschuldigungen waren         siver Gesetze, die das Tarifverhandlungsrecht ernsthaft
offenkundig falsch, da lediglich drei der 12 Angeklagten      untergraben, und die Machtübernahme des ultra-rech-
bei dem Ashiana-Protest tatsächlich anwesend waren,           ten Präsidenten Jair Bolsonaro drastisch verschlechtert.
während sich zwei von ihnen, der Generalsekretär und          Zahlreiche Streiks und Proteste wurden von den staat-
der Präsident der GWTUC, zum Zeitpunkt der angeblichen        lichen Sicherheitskräften gewaltsam unterdrückt, und
Vorfälle überhaupt nicht in Dhaka aufgehalt hatten. Die Ge-   führende Gewerkschaftsvertreter/innen wurden bedroht
werkschaft geht davon aus, dass der wahre Grund für die       und eingeschüchtert. Am 8. November 2018 wurde der
Verhaftungen ihre führende Rolle bei der Kampagne für         Vorsitzende der Staatsbedienstetengewerkschaft in Ba-
die Erhöhung des Mindestlohns im Bekleidungssektor war.       hia, Aroldo Pereira de Souza, auf offener Straße von
                                                              Unbekannten überfallen, die dreimal auf ihn schossen.
                                                              Er starb auf dem Weg ins Krankenhaus. Pereira de Souza
                                                              war an einem Lehrerstreik beteiligt gewesen.

                                                              Untergrabung der Tarifverhandlungen

                                                              Seit der Verabschiedung des Gesetzes Nr. 13.467 ist das
                                                              gesamte Tarifverhandlungssystem in Brasilien zusam-
                                                              mengebrochen. Mit dem neugefassten konsolidierten
                                                              Arbeitsgesetz wurde das generelle Prinzip eingeführt,
                                                              dass Tarifverträge Vorrang vor Gesetzen haben und
                                                              es somit möglich ist, gesetzliche Schutzbestimmungen
                                                              mittels Tarifverhandlungen zu umgehen, abgesehen
                                                              von einigen in der Verfassung garantierten Arbeitneh-
                                                              merrechten. Knapp zwei Jahre später hat das Gesetz
                                                              angesichts eines drastischen Rückgangs der im Jahr 2018
 Bekleidungsarbeiter/innen in Bangladesch fordern             abgeschlossenen Tarifverträge um 45 Prozent dramati-
 höhere Löhne.
                                                              sche Auswirkungen auf die Arbeitsbeziehungen gehabt.
 Foto: Mamunur Rashid/NurPhoto/AFP                            Zudem besteht unter den Arbeitgebern die beunruhigen-
                                                              de Tendenz, Arbeitnehmerrechte abzusprechen und auf
                                                              betrieblicher Ebene auf geringere Löhne zu drängen.

Die zehn schlimmsten Länder der Welt für erwerbstätige Menschen                                            Seite 23
Kolumbien                                                   Guatemala

                 »» Morde und extreme Gewalt                                 »» Morde und extreme Gewalt
                 »» Gewerkschaftsfeindlichkeit                               »» Gewerkschaftsfeindlichkeit
                    und Entlassungen                                            und Entlassungen

Kolumbien blieb mit 34 Moden im Jahr 2018, zehn             Guatemala war weiterhin von endemischer Gewalt
Mordversuchen und 172 dokumentierten Fällen von             geplagt, die durch ein Klima der Straffreiheit noch
Morddrohungen das tödlichste Land der Welt für Arbeit-      verschärft wurde. Vier Gewerkschaftsmitglieder und
nehmer/innen und Gewerkschaftsmitglieder. Von den           -funktionäre wurden während des vergangenen Jahres
34 Ermordeten waren zehn Mitglieder der Agrargewerk-        ermordet. Seit 2004 wurden insgesamt mehr als 90
schaft FENSUAGRO und 13 Lehrkräfte. Die meisten dieser      Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter ermordet,
Verbrechen wurden nie aufgeklärt, da die Regierung          und der Staat hat bisher keine konkreten Maßnahmen
nach wie vor keine ausreichenden Mittel bereitgestellt      ergriffen, um diese Verbrechen zu verhindern bzw. zu
hat, um zeitnahe Ermittlungen anzustellen und eine          untersuchen und zu ahnden.
Strafverfolgung einzuleiten. Ohne einen angemessenen
Schutz war das Leben von Gewerkschafterinnen und            Darüber hinaus haben sich viele private Firmen
Gewerkschaftern und ihrer Familien weiterhin ständig        gewerkschaftsfeindlicher Praktiken bedient und
in Gefahr.                                                  Entlassungen vorgenommen, um die Gründung von
                                                            Gewerkschaften zu verhindern. Seit der Gründung
Mordfälle                                                   der Betriebsgewerkschaft Sintrabimbo im Jahr 2016
                                                            hat die Geschäftsführung von Bimbo systematisch
Am 14. April 2018 wurde Efren Zúñiga Dorado mit einer       alle Beschäftigten entlassen, die der Gewerkschaft
Kugel im Kopf und Folterspuren tot aufgefunden. Es wird     beigetreten sind. Bisher wurden 250 Mitarbeiter/innen
zudem vermutet, dass er gezwungen wurde, vor seiner         entlassen. Die Gerichte haben zwar ihre Wiedereinstellung
Hinrichtung sein eigenes Grab zu schaufeln. Zúñiga          angeordnet, aber Bimbo weigert sich standhaft, diesen
Dorado war als Lehrer in Piendamó tätig und gehörte der     Anordnungen Folge zu leisten. Über ähnliche Praktiken
ASOINCA an, bei der er sich aktiv für die Beschäftigten     wurde bei Ternium Guatemala berichtet.
des öffentlichen Bildungssystems eingesetzt hat.
                                                            Mordfälle
Am 4. November 2018 wurde Edilberto Niño Cristancho,
leitender Organisator der Palmölarbeitergewerkschaft        Domingo Nach Hernández, Mitglied der Staatsbediens-
SINTRAIMAGRA, schwer verletzt aufgefunden und               tetengewerkschaft in Villa Canales, wurde am 20. Juni
in ein Krankenhaus gebracht. Er erlag später seinen         2018 tot aufgefunden. Er war einige Tage zuvor von Un-
Verletzungen. Bevor er starb, konnte Cristancho der         bekannten entführt worden. Sein Tod fiel in den Rahmen
Polizei noch sagen, was passiert war. Zwei Unbekannte       eines Konfliktes, bei dem es um die Wiedereinstellung
hatten ihn überfallen und in Villavicencio in der Provinz   von Beschäftigten in der Gemeinde ging. Am 6. Juli
Meta in einem Taxi 18 Mal mit einem Messer auf ihn          2018 wurde David Figueroa García, ein Vertreter der
eingestochen.                                               Gewerkschaft Sindicato del Centro Universitario de Petén
                                                            (CUDEP), von einem Unbekannten auf einem Motorrad
                                                            erschossen. Einige Tage zuvor hatte Figueroa García
                                                            gegenüber seinen Gewerkschaftskollegen angegeben,
                                                            dass er von einer Gruppe von Männern angesprochen
                                                            und bedroht worden sei.

Seite 24							                                                          Globaler Rechtsindex des IGB 2019
Kasachstan                                                  Philippinen

                 »» Staatliche Repression                                       »» Gewalt und Morde
                 »» Verhaftung und                                              »» Öffentliche Proteste
                    Strafverfolgung führender                                      brutal unterdrückt
                    Gewerkschaftsvertreter/innen                                »» Repressive Gesetze

Die Repressionen gegenüber der unabhängigen kasachi-        Arbeitnehmer/innen und Gewerkschafter/innen waren
schen Gewerkschaftsbewegung wurden verschärft, und          auf den Philippinen gewaltsamen Angriffen und Ein-
Mitgliedsgewerkschaften des im Jahr 2017 in willkürlicher   schüchterungen ausgesetzt. Proteste wurden von der
Weise aufgelösten Bundes Unabhängiger Gewerkschaf-          Polizei brutal unterdrückt, um die politische Opposition
ten Kasachstans (CNTUK) sind zur Zielscheibe staatlicher    zum Schweigen zu bringen. Angesichts der dritten Ver-
Repressalien und brutaler körperlicher Angriffe gewor-      längerung des Kriegsrechtes auf Mindanao bis Ende
den. Larisa Kharkowa, die frühere CNTUK-Vorsitzende,        2019 wächst die Gefahr einer Eskalation der Gewalt und
war in ihrer Freizügigkeit weiterhin stark eingeschränkt,   Missbräuche.
nachdem sie sich geweigert hatte, einer Schadenersatz-
forderung in Höhe von 6 Millionen Tenge (15.805 US$)        Mordfälle
nachzukommen.
                                                            Am 20. Oktober 2018 wurden neun streikende Zuckerarbei-
Fälle staatlicher Repression                                ter und Mitglieder der Nationalen Zuckerarbeitervereinigung
                                                            NAMASUFA von Unbekannten erschossen, als sie privates
Der letzte in einer langen Liste gemobbter Gewerk-          Land in Hacienda Nene besetzt hatten, um gegen Verzö-
schaftsfunktionäre war in diesem Jahr Erlan Baltabai,       gerungen bei der Landreform zu protestieren und bessere
der Vorsitzende der Gewerkschaft der Treibstoff- und        Lebens- und Arbeitsbedingungen zu fordern. Unter den
Energiebranche (FEWU), der verdächtigt wurde, Ge-           Toten befanden sich zwei Minderjährige und drei Frauen. Die
werkschaftsgelder veruntreut zu haben. Im Rahmen der        philippinischen Behörden haben die NAMASUFA im Laufe
Untersuchung haben die Behörden Baltabai mehrfach           des letzten Jahres wiederholt öffentlich beschuldigt, eine
zur Befragung einbestellt, sein Haus und FEWU-Büros         “Fassade” für illegale bewaffnete Gruppen zu sein. Dieser
durchsucht sowie Gewerkschaftsunterlagen beschlag-          Angriff erfolgte unmittelbar vor einer Erklärung von Präsident
nahmt. Auch seine Angehörigen wurden vernommen.             Duterte am 28. Oktober, wonach weitere Landbesetzungen
Die laufende Untersuchung hat die FEWU gelähmt und          durch Bauern mit aller Härte erwidert werden sollten: “Ich
dazu geführt, dass sie keine formellen Aktivitäten mehr     habe die Polizei angewiesen, auf sie zu schießen. Wenn sie
verrichten kann.                                            Widerstand leisten, wird geschossen, und wenn sie sterben,
                                                            interessiert mich das nicht.”
Am 10. November 2018 wurde Dmitry Senjawskii, der
FEWU-Ortsverbandsvorsitzende in der Region Kara-
ganda, von zwei unbekannten Angreifern bei sich zu
Hause in Schachtinsk überfallen. Er wurde anschließend
mit schweren Verletzungen, u.a. einem gebrochenen
Arm und einer Gehirnerschütterung, in ein Kranken-
haus eingeliefert und konnte nicht zu einem Treffen mit
IGB-Vertretern nach Astana reisen.

                                                              Tausende gingen auf den Philippinen auf die Straße,
                                                              um gegen Präsident Rodrigo Duterte zu protestieren
                                                              und an den 46. Jahrestag der Verhängung des
                                                              Kriegsrechts durch den verstorbenen Diktator
                                                              Ferdinand Marcos zu erinnern.
                                                              Foto: Jes Aznar/AFP

Die zehn schlimmsten Länder der Welt für erwerbstätige Menschen                                               Seite 25
Saudi-Arabien
                                                           Arbeitsmigrantin ermordet
                 »» Missbrauch von
                    Wanderarbeitskräften                   Im Oktober 2018 wurde Tuti Tursilawati, eine indone-
                    und Zwangsarbeit                       sische Hausangestellte, von den saudischen Behörden
                 »» Staatliche Repression                  heimlich angeklagt und zum Tode verurteilt, weil sie ih-
                                                           ren Arbeitgeber bei einem Vergewaltigungsversuch aus
                                                           Notwehr angeblich mit einem Stock zu Tode geprügelt
Das Vereinigungs- und das Versammlungsrecht sowie          hatte. Sie hatte weglaufen können, wurde dann aber
das Recht auf Tarifverhandlungen wurden in Saudi-Ara-      stattdessen von neun saudischen Männern vergewal-
bien weiterhin allen Beschäftigten verweigert. Die 8,3     tigt, bevor sie in Polizeigewahrsam genommen wurde.
Millionen Wanderarbeitskräfte in dem Land, die 90 Pro-     Ihre Enthauptung, über die weder ihre Familie noch die
zent aller Erwerbstätigen im privaten Sektor ausmachen,    indonesische Regierung unterrichtet worden war, hat zu
waren von der eklatanten Verweigerung bürgerlicher         der Forderung geführt, dass Jakarta seine Vereinbarung
Freiheiten am meisten betroffen. Obwohl eine Reihe ihrer   mit Saudi-Arabien überprüfen und die Unterrichtung der
Herkunftsländer Besorgnis über die sklavenähnlichen Ar-    konsularischen Vertretung sowie die Achtung der Bürger-
beits- und Lebensbedingungen ihrer Staatsangehörigen       rechte der Beschäftigten verlangen solle. Sie saudische
in Saudi-Arabien geäußert haben, waren Wanderarbeits-      Regierung hat auf keine dieser Forderungen reagiert.
kräfte nach wie vor Opfer schwerer physischer und
psychischer Missbräuche. Vietnamesische Hausange-
stellte haben berichtet, dass sie gezwungen worden
seien, 18 Stunden pro Tag zu arbeiten. Außerdem wurde
ihnen Essen verweigert, und sie wurden wiederholt von
ihren Arbeitgebern tätlich bedroht und daran gehindert,
in ihr Heimatland zurückzukehren.

                                                             Indonesische Aktivisten protestieren vor der
                                                             Botschaft Saudi-Arabiens in ihrem Land gegen die
                                                             Hinrichtung der indonesischen Arbeitsmigrantin Tuti
                                                             Tursilawati.
                                                             Foto: Andrew Lotulung/NurPhoto/AFP

Seite 26							                                                          Globaler Rechtsindex des IGB 2019
Türkei                                                        Simbabwe                                          NEU

                                                                               »» Staatliche Gewalt
                  »» Morde                                                     »» Verhaftung führender
                  »» Hartes Durchgreifen bei Streiks                              Gewerkschaftsvertreter/innen
                  »» Massenentlassungen                                        »» Massenentlassungen
                     und Diskriminierung

Seit dem Putschversuch und der von der Regierung verfüg-      In Simbabwe kam es im Laufe des Jahres zu zahlrei-
ten starken Beschränkung der bürgerlichen Freiheiten sind     chen gewaltsamen Angriffen auf Arbeitnehmerinnen
den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ihre Freiheiten       und Arbeitnehmer und Gewerkschaftsmitglieder. Vom
und Rechte unerbittlich verweigert worden. Die Polizei        Gewerkschaftsbund ZCTU am 14. - 16. Januar 2019 gegen
greift bei Protesten hart durch, und Beschäftigte, die sich   150-prozentige Treibstoffpreiserhöhungen organisierte
gewerkschaftlich organisieren wollen, werden systema-         Proteste wurden von den staatlichen Sicherheitskräften
tisch entlassen. Am 13. November 2018 wurde Abdullah          mit scharfer Munition unterdrückt. Zwölf Beschäftigte
Karacan, der Vorsitzende der Chemiearbeitergewerkschaft       wurden dabei getötet und 70 erlitten Schussverletzun-
Lastik-İş, von Unbekannten erschossen, als er gerade eine     gen. Insgesamt wurden mehr als 320 Menschen verletzt,
Goodyear-Reifenfabrik in Adapazari besuchte.                  und die Menschenrechtskommission des Landes hat
                                                              über Prügelattacken und Folter seitens der staatlichen
Fälle gezielter Strafverfolgung von                           Sicherheitskräfte berichtet.
Arbeitnehmer/innen
                                                              Fälle von Verhaftungen führender
Am 14. September 2018 legten mehr als 10.000 am Bau           Gewerkschaftsvertreter/innen
des neuen Istanbuler Flughafens beteiligte Arbeiter aus
Protest gegen die schlechten Arbeitsschutzbedingungen         Nach dem scharfen Vorgehen der Polizei im Januar
die Arbeit nieder. Der Protest wurde von der Polizei und      wurden ZCTU-Präsident Peter Mutasa und ZCTU-Ge-
vom Militär unter Einsatz von Tränengas beendet. Zwei         neralsekretär Japhet Moyo festgenommen und wegen
Tage später nahm die Polizei Massenverhaftungen vor           Subversion angeklagt. Obwohl sie einige Tage später
und inhaftierte mehr als 400 Arbeiter. Die meisten wur-       gegen Kaution auf freien Fuß gesetzt wurden, mussten
den kurz darauf wieder auf freien Fuß gesetzt, aber 43        sie strenge Auflagen erfüllen, durften nicht reisen und
von ihnen, darunter drei Gewerkschaftsvertreter, wurden       mussten sich regelmäßig auf dem Polizeirevier melden.
wegen Beeinträchtigung des Rechtes auf Arbeit, Ver-           Moyo musste sogar die Besitzurkunde für sein Privathaus
stoßes gegen das Gesetz über Demonstrationen und              als Sicherheit hinterlegen.
öffentliche Versammlungen, Beschädigung öffentlichen
Eigentums und Widerstand gegen die Polizeigewalt an-          Im Oktober 2018 wurde ein vom ZCTU organisierter lan-
geklagt. Insgesamt 31 Arbeiter saßen im Gefängnis Silivri     desweiter Protest gegen Steuer- und Preiserhöhungen
in Untersuchungshaft, unter ihnen Özgür Karabulut, der        gewaltsam von der Polizei beendet. Arbeiter wurden
Präsident der Gewerkschaft Dev Yapi-Is, dem eine Rede,        verprügelt, und die Büros des ZCTU in Harare wurden
die er während des Streiks an die Arbeiter gehalten hatte,    von 150 Polizisten abgeriegelt. Dreiunddreißig ZCTU-Mit-
zur Last gelegt wird.                                         glieder wurden festgenommen und wegen “Störung der
                                                              öffentlichen Ordnung” angeklagt. Wenn sie für schuldig
Am 2. November 2018 wurden 26 Gewerkschafts-                  befunden werden, droht ihnen eine zehnjährige Haft-
mitglieder wegen “Missachtung des Gesetzes über               strafe.
Zusammenkünfte und Demonstrationen“ im Zusam-
menhang mit ihrer Teilnahme an einem Protest vor dem
Renault-Oyak-Werk im März 2016 zu einer fünfmonatigen
Bewährungsstrafe verurteilt. Die Beschäftigten hatten
das Recht auf eine gewerkschaftliche Organisierung
in dem Werk gefordert. Der Protest war von der Polizei
gewaltsam aufgelöst worden.

Die zehn schlimmsten Länder der Welt für erwerbstätige Menschen                                            Seite 27
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