GEWÄHRLEISTUNGSVERZICHT BEIM KAUF BEWEGLICHER SACHEN ZWISCHEN PRIVATPERSONEN
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Eingereicht von: Martin Mondl K01616388 Angefertigt am Institut für Zivilrecht Beurteiler: Prof. Mag. Dr. Laimer, LL.M. Juni, 2021 GEWÄHRLEISTUNGSVERZICHT BEIM KAUF BEWEGLICHER SACHEN ZWISCHEN PRIVATPERSONEN Diplomarbeit zur Erlangung des akademischen Grades Magister der Rechtswissenschaften im Diplomstudium Rechtswissenschaften JOHANNES KEPLER UNIVERSITÄT LINZ Altenberger Straße 69 4040 Linz, Österreich www.jku.at DVR 0093696
EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG Ich erkläre an Eides statt, dass ich die vorliegende Diplomarbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt bzw. die wört- lich oder sinngemäß entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Die vorliegende Diplomarbeit ist mit dem elektronisch übermittelten Textdokument identisch. _______________________________________ Martin Mondl Eingereicht am 23. Juni 2021 GENDER KLAUSEL Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in dieser Diplomarbeit die Sprachform des generi- schen Maskulinums angewendet. Es wird an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die aus- schließliche Verwendung der männlichen Form geschlechtsunabhängig verstanden werden soll. 23. Juni 2021 Martin Mondl Seite 2/58
ABSTRACT Die vorliegende Diplomarbeit gibt einen Überblick zu der Frage, ob und in welchem Umfang die Gewährleistung beim Kauf beweglicher Sachen zwischen Privatpersonen ausgeschlossen wer- den kann. Dabei wird aufgezeigt, dass sowohl in der Lehre teilweise verschiedene Ansichten vertreten und in der Rechtsprechung zuweilen ähnliche Sachverhalte unterschiedlich beurteilt werden. Aufbauend auf einige Grundlagen zum Kaufvertrag für bewegliche Sachen, liegt der Schwerpunkt der Arbeit auf dem Gewährleistungsverzicht. Hierbei wird der Umfang, die Ausle- gung und die Wirksamkeit des Verzichtes erläutert. Im Besonderen wird durch zwei ähnliche Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes, welche jeweils unterschiedlich beurteilt wurden, verdeutlicht, dass der Sachverhalt jeweils im Einzelfall zu prüfen ist und alle Umstände des Ver- tragsabschlusses berücksichtigt werden müssen. Ziel ist den Lesern aufzuzeigen, dass das vor- gefertigte Vertragsformular aus dem Internet, das häufig beim Kauf von Gebrauchtwagen zwi- schen Privatpersonen eingesetzt und mit dem in den meisten Fällen die Gewährleistung ver- meintlich absolut ausgeschlossen wird, nicht immer zu einem umfangreichen Gewährleistungs- ausschluss führt. 23. Juni 2021 Martin Mondl Seite 3/58
INHALTSVERZEICHNIS 1 Einleitung .................................................................................................................. 6 1.1 Untersuchungsgegenstand .......................................................................................... 6 1.2 Themeneingrenzung ..................................................................................................... 6 1.3 Gang der Untersuchung ............................................................................................... 7 2 Kaufvertrag für bewegliche Sachen im Privatbereich .......................................... 8 2.1 Bewegliche Sachen....................................................................................................... 8 2.2 Vertragsabschluss ........................................................................................................ 8 2.3 Haftung für Mängel ....................................................................................................... 9 2.3.1 Mangel ....................................................................................................................................... 9 2.3.2 Maßgebender Zeitpunkt ............................................................................................................ 9 2.3.3 Gewährleistungsbehelfe ............................................................................................................ 9 2.3.4 Geltendmachung der Gewährleistungsrechte ......................................................................... 10 2.4 Ausschluss der Gewährleistung ............................................................................... 10 3 Gewährleistungsverzicht ...................................................................................... 12 3.1 Umfang des Verzichtes ............................................................................................... 12 3.1.1 Geheime Mängel ..................................................................................................................... 12 3.1.2 Zugesicherte Eigenschaften .................................................................................................... 13 3.1.3 Erstreckt sich der Verzicht auch auf den Schadenersatz? ...................................................... 16 3.1.4 Erstreckt sich der Verzicht auch auf die Irrtumsanfechtung? .................................................. 16 3.2 Form des Verzichtes ................................................................................................... 17 3.3 Verhältnis des § 929 ABGB zu § 928 ABGB ............................................................. 18 3.4 Auslegung des Gewährleistungsverzichts ............................................................... 19 3.4.1.1 Auslegung und Reichweite einzelner Klauseln ............................................................... 26 3.4.1.2 Beispiele für schlüssige Gewährleistungsausschlüsse ................................................... 27 3.5 Gewährleistungsverzicht beim Gebrauchtwagenkauf............................................. 27 3.5.1 Gebrauchte Kraftfahrzeuge ..................................................................................................... 28 3.5.1.1 Gebrauchtwagenkauf vom Verbraucher .......................................................................... 30 3.5.2 Rechtsprechung des OGH ...................................................................................................... 30 3.5.2.1 Entscheidung 8 Ob 111/19k ............................................................................................ 30 3.5.2.2 Entscheidung 9 Ob 3/09w ............................................................................................... 33 3.5.2.3 Analyse der beiden OGH Entscheidungen ...................................................................... 36 3.5.2.4 Ansichten der Lehre zur Entscheidung 8 Ob 111/19k ..................................................... 36 3.5.2.5 Ansichten der Lehre zur Entscheidung 9 Ob 3/09w ........................................................ 38 23. Juni 2021 Martin Mondl Seite 4/58
3.6 Wirksamkeit des Verzichts ......................................................................................... 40 3.6.1 Sittenwidrigkeit iSd § 879 Abs 1 ABGB ................................................................................... 40 3.6.2 Verzicht bei fabrikneuer Ware ................................................................................................. 41 3.6.3 Verzicht nach Mangelkenntnis ................................................................................................ 41 3.6.4 Geheime Mängel ..................................................................................................................... 41 3.6.5 Bei Vertragsabschluss noch nicht vorhandene Sachen .......................................................... 41 3.6.6 AGB-Inhaltskontrolle nach 879 Abs 3 ABGB .......................................................................... 42 3.6.6.1 Gröbliche Benachteiligung gem 879 Abs 3 ABGB .......................................................... 42 3.6.6.2 Beschränkung der Gewährleistungsrechte durch AGB ................................................... 43 3.6.7 Grobe Äquivalenzstörung – „krasse Abweichungen“ .............................................................. 45 3.6.7.1 Lösungsansatz für grobe Äquivalenzstörungen .............................................................. 52 4 Resümee ................................................................................................................. 54 5 Literaturverzeichnis ............................................................................................... 56 6 Internetquellen ....................................................................................................... 58 23. Juni 2021 Martin Mondl Seite 5/58
1 Einleitung Im vergangenen Jahr 2020 wurden rund 350.000 Kraftfahrzeuge auf den österreichischen Stra- ßen neu zugelassen.1 Im Vergleich zu den Neuzulassungen lag die durchschnittliche Ge- brauchtwagenzulassung bei knapp 70.000 Personenkraftwagen pro Monat. Aufgrund der Corona-Pandemie war ein Einbruch auf dem Gebrauchtwagenmarkt vor allem im März und April 2020 deutlich spürbar. Im Vergleich zu den Vorjahresmonaten betrug der Rückgang der Zulas- sungszahlen etwa 49 Prozent im März 2020 und 39 Prozent im April 2020. Im Jahr 2020 wurden rund 840.000 gebrauchte Personenfahrzeugen zugelassen, was mehr als das Doppelte an Neuzulassungen entspricht.2 Anhand dieser Statistiken wird das Ausmaß und die Wichtigkeit des Gebrauchtwagenhandels in Österreich aufgezeigt. 1.1 Untersuchungsgegenstand Untersucht wird, ob und in welchem Umfang die Gewährleistung beim Kauf beweglicher Sachen zwischen Privatpersonen ausgeschlossen werden kann. Der Fokus liegt aufgrund der prakti- schen Relevanz vor allem auf Gebrauchtwagen, die von Privatpersonen an andere Privatperso- nen verkauft werden. Ziel der Diplomarbeit ist die Untersuchung der Frage, ob und wenn ja in welchem Umfang bei einem Gebrauchtwagenkauf zwischen Privatpersonen die Gewährleistung ausgeschlossen wer- den kann. 1.2 Themeneingrenzung Um das sehr umfangreiche Thema des Gewährleistungsausschlusses einzugrenzen, wird in dieser Diplomarbeit nur auf den Gewährleistungsverzicht beim Kauf beweglicher Sachen zwi- schen Privatpersonen eingegangen. Das neue Verbrauchergewährleistungsgesetz (VGG),3 dass mit 1.1.2022 in Kraft treten wird, findet keinen Eingang in diese Arbeit, zumal dessen Anwen- dungsbereich auf Geschäfte zwischen Unternehmern und Verbrauchern beschränkt ist. Weiters wird ein praktischer Bezug mittels verschiedener, vom Obersten Gerichtshof entschiedener Fälle hergestellt. Dabei ist wichtig aufzuzeigen, wie auch das vorvertragliche Verhalten der Vertrags- parteien bei der Beurteilung ob auf die Gewährleistung umfangreich verzichtet wurde, von den Gerichten zur Auslegung herangezogen wird. 1 Siehe https://www.statistik.at/web_de/statistiken/energie_umwelt_innovation_mobilitaet/verkehr/strasse/kraftfahrzeuge_- _neuzulassungen/index.html (abgerufen am 25.05.2021). 2 Siehe P. Hezel, Monatliche Pkw-Gebrauchtzulassungen in Österreich bis April 2021, https://de.statista.com/statistik/daten/studie/764045/umfrage/anzahl-der-monatlichen-pkw-gebrauchtzulassungen-in- oesterreich/, (21.05.2021) 3 RV 949 BlgNR 27. GP. 23. Juni 2021 Martin Mondl Seite 6/58
1.3 Gang der Untersuchung Im zweiten Kapitel wird ein kurzer Überblick über den Kaufvertrag für bewegliche Sachen im Privatbereich gegeben. Es werden die Grundzüge des Vertragsabschlusses und die Haftung für Mängel erörtert. Weiters wird kurz auf die Möglichkeiten des Ausschlusses der Gewährleistung eingegangen. Im Hauptteil wird zunächst der Gewährleistungsverzicht in seinen Grundzügen behandelt sodann wird der Umfang, die Form, die Auslegung und die Wirksamkeit des Verzichts erläutert. Abschließend wird durch die Bezugnahme auf einzelne Entscheidungen des obersten Gerichtshofes auf Fälle in der Praxis in Bezug auf den Gewährleistungsverzicht beim Ge- brauchtwagenkauf eingegangen. 23. Juni 2021 Martin Mondl Seite 7/58
2 Kaufvertrag für bewegliche Sachen im Privatbereich Ein Kaufvertrag ist ein entgeltlicher Veräußerungsvertrag. Einerseits hat der Verkäufer die Pflicht, die Kaufsache zu übereignen und zu übergeben. Andererseits trifft den Käufer die Pflicht, den Kaufpreis zu entrichten. Die beiden Vertragsparteien, Käufer und Verkäufer, müssen sich zumindest über die Ware und den Preis einigen.4 Der Kaufvertrag über bewegliche Sachen kann formfrei abgeschlossen werden.5 Sowohl verkehrsfähige körperliche oder unkörperliche, bewegliche oder unbewegliche als auch verbrauchbare und unverbrauchbare Sachen, können Gegenstand eines Kaufvertrages wer- den.6 In dieser Arbeit wird nur der Kaufvertrag von beweglichen Sachen, mit dem Augenmerk auf den Kauf von gebrauchten Kraftfahrzeugen behandelt. 2.1 Bewegliche Sachen Vom normativen Sachbegriff des § 285 ABGB werden sowohl körperliche als auch unkörperliche Sachen erfasst. Der Unterschied liegt in der Wahrnehmbarkeit der körperlichen Sachen durch die menschlichen Sinne.7 Die Unterscheidung zwischen beweglichen und unbeweglichen Sa- chen ist im Zivilrecht von grundsätzlicher Bedeutung. Auch im Hinblick auf etwaige Gewährleis- tungsrechte ist wichtig zu unterscheiden, ob eine Sache beweglich oder unbeweglich ist.8 Nach § 293 ABGB ist eine Sache beweglich, wenn sie „ohne Verletzung ihrer Substanz von ei- ner Stelle zur anderen versetzt werden“ kann. Maßgebliches Kriterium ist somit die Ortsverände- rung ohne Substanzverletzung.9 Als unbeweglich gelten vor allem Liegenschaften und die auf diesen fest errichteten Baulichkeiten (§ 297 ABGB).10 Ein KFZ, ein Pferd oder ein Traktor kann jeweils, ohne an der Substanz verletzt zu werden, an einen anderen Ort verbracht werden. Die- se Aufzählung wird im Sinne des § 293 ABGB als Beispiel für bewegliche Sachen angeführt.11 2.2 Vertragsabschluss Damit ein gültiger Kaufvertrag zustande kommt, werden zwei miteinander korrespondierende Willenserklärungen benötigt, die als Angebot und Annahme bezeichnet werden.12 4 Siehe Riedler, ZR III SchRBT VertrSch6 (2018), Rz 2/1. 5 Siehe Verschraegen in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.08 §1053 Rz 1. 6 Siehe Aicher in Rummel/Lukas, ABGB4 § 1053 Rz 1 ff. 7 Siehe Iro, Sachenrecht IV6 (2016), Rz 1/10. 8 Siehe Helmich in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.04 § 293 Rz 9. 9 Siehe Holzner in Rummel/Lukas, ABGB4 § 293 Rz 2. 10 Siehe Iro, Sachenrecht IV6 (2016), Rz 1/14. 11 Siehe Helmich in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.04 § 293 Rz 1, Holzner in Rummel/Lukas, ABGB4 § 426 Rz 2. 12 Siehe Rummel in Rummel/Lukas, ABGB4 § 861 Rz 1. 23. Juni 2021 Martin Mondl Seite 8/58
Angebot wird die Willenserklärung desjenigen genannt, von dem die Initiative für den Vertrags- abschluss ausgeht. Das Gegenstück dazu ist die Annahme, welche die zustimmende Willenser- klärung des Angebotes ist. Voraussetzungen für eine wirksame Willenserklärung sind eine aus- reichende Bestimmtheit, das Aufweisen des Bindungswillens des Erklärenden, zudem muss die Erklärung dem Erklärungsadressaten zugegangen sein und darf nicht vom Erklärenden durch Widerruf zerstört werden.13 Aufgrund der Zielsetzung und des eingeschränkten Umfangs der Diplomarbeit, wird an dieser Stelle nicht weiter auf den Vertragsabschluss eingegangen. 2.3 Haftung für Mängel ISd § 922 ABGB wird unter Gewährleistung das Einstehenmüssen des Schuldners für Sach- und Rechtsmängel seiner Leistung verstanden.14 Ist die Leistung hinsichtlich der Qualität oder der Quantität dem Schuldinhalt nicht entsprechend, wird von einem Sachmangel gesprochen. Im juristischen Sinn wird ein Mangel als Rechtsmangel eingeordnet, wenn die geschuldete Rechts- position nicht verschafft werden kann.15 2.3.1 Mangel Nach dem Wortlaut des § 922 ABGB erfolgt die Beurteilung, ob ein Mangel vorliegt, nach dem konkreten Vertrag. Dafür ist der Vertragsinhalt nach den allgemeinen Auslegungsregeln zu er- mitteln. Die Leistung ist also mangelhaft, wenn sie nicht dem vertraglich Geschuldeten ent- spricht.16 Liegt im Vertrag hinsichtlich der Qualität oder der Eigenschaft des Leistungsgegen- standes Unvollständigkeit vor, ist bei der Beurteilung, ob ein Mangel vorliegt, auf die im Rechts- verkehr gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften abzustellen.17 2.3.2 Maßgebender Zeitpunkt Der Mangel muss nach § 924 ABGB bereits im Zeitpunkt der Übergabe des Leistungsgegen- standes vorgelegen sein. Sind „Mängel“ bei der Übergabe noch nicht vorhanden, treten aber während des Gebrauchs auf, muss für diese Fehler nicht gehaftet werden.18 Es handelt sich somit nicht um „Mängel“ im Sinne des Gesetzes. 2.3.3 Gewährleistungsbehelfe Nach § 932 Abs 1 ABGB stehen dem Übernehmer vier verschiedene Gewährleistungsbehelfe zur Verfügung. Diese Gewährleistungsbehelfe werden als primäre und sekundäre Gewährleis- tungsbehelfe bezeichnet. Bei den primären Gewährleistungsbehelfen kann der Übernehmer die Verbesserung oder den Austausch der Sache fordern. Bei den sekundären Gewährleistungsbe- helfen kann das Entgelt gemindert werden (Preisminderung) oder der Vertrag kann aufgehoben 13 Siehe Riedler, ZR I AT6 (2015), Rz 11/4. 14 Vgl P. Bydlinski in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB6 § 923 Rz 1 ff. 15 Siehe Dullinger, Schuldrecht AT6 (2017), Rz 3/66. 16 Siehe Reischauer in Rummel/Lukas, ABGB4 § 923 Rz 36. 17 Vgl Hödl in Schwimann/Neumayr, ABGB5 § 923 Rz 10 ff. 18 Siehe Zöchling-Jud in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02 § 924 Rz 1. 23. Juni 2021 Martin Mondl Seite 9/58
werden (bisher „Wandlung“, ab dem VGG „Anspruch auf Vertragsauflösung“).19 Der Übernehmer hat zunächst nur die Möglichkeit, die primären Gewährleistungsbehelfe geltend zu machen. Der Verkäufer soll eine weitere Chance bekommen, um den Vertrag zu erfüllen. Die sekundären Gewährleistungsbehelfe können nur in den Fällen des § 932 (4) ABGB geltend gemacht werden. Stehen dem Übernehmer die sekundären Gewährleistungsbehelfe, wie eine Preisminderung oder Wandlung zu, muss für die Geltendmachung des Wandlungsrechts ein nicht geringfügiger Mangel vorliegen.20 2.3.4 Geltendmachung der Gewährleistungsrechte Der § 933 ABGB verlangt für die Geltendmachung der Gewährleistungsrechte eine gerichtliche Klage oder Einrede.21 Hierbei ist anzumerken, dass durch die Warenkauf-Richtlinie, die von der Europäischen Union verabschiedet wurde, eine Änderung des österreichischen Gewährleis- tungsrechts bis zum 1. Jänner 2022 vorgenommen werden muss. Ein Punkt dieser Richtlinie ist, dass die Geltendmachung der Gewährleistungsbehelfe auch außergerichtlich erfolgen kann. Die Voraussetzung einer gerichtlichen Geltendmachung wird damit im Anwendungsbereich der Richtlinie nicht mehr zulässig sein.22 Konkret wird dies bedeuten, dass der Anspruch auf Ver- tragsauflösung (bisher Wandlung) in Zukunft durch eine bloße Erklärung geltend gemacht wer- den kann. Die gerichtliche Geltendmachung wird nicht mehr gefordert.23 Um ein allfälliges Ge- währleistungsrecht erfolgreich durchsetzen zu können, muss die entsprechende Erklärung in- nerhalb der einschlägigen Gewährleistungsfrist abgegeben werden. Bei unbeweglichen Sachen beträgt diese Frist drei Jahre, bei beweglichen Sachen, die den Schwerpunkt dieser Diplomar- beit darstellen, zwei Jahre.24 Auch hier wird es durch das Gewährleistungsrichtlinien- Umsetzungsgesetz (GRUG) Änderungen in Bezug auf die Verjährung geben. Sowohl im VGG als auch im ABGB wird für Gewährleistungsansprüche eine Verjährungsfrist von drei Monaten ab Ende der Gewährleistungsfrist vorgesehen.25 Aufgrund des Umfangs und der Zielsetzung dieser Diplomarbeit wird hier nicht weiter auf die Gewährleistung im Allgemeinen und deren Geltendmachung eingegangen. 2.4 Ausschluss der Gewährleistung Die, in diesem Kapitel, in den Grundzügen beschriebenen Gewährleistungspflichten stehen dem Übernehmer, in den Sonderfällen der §§ 928-930 ABGB nicht zu, da er in diesen Fällen für nicht 19 Vgl Zöchling-Jud in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02 § 932 Rz 4 ff. 20 Siehe Ofner in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 932 Rz 1. 21 Siehe Hödl in Schwimann/Neumayr, ABGB5 § 933 Rz 1. 22 Siehe Lindenbauer, Das neue Gewährleistungsrecht, ecolex 2020, 97. 23 Siehe RV 949 BlgNR 27. GP. 24 Siehe Reischauer in Rummel/Lukas, ABGB4 § 933 Rz 11; Dullinger, Schuldrecht AT6 (2017), Rz 3/117. 25 Siehe RV 949 BlgNR 27. GP. 23. Juni 2021 Martin Mondl Seite 10/58
schutzwürdig angesehen wird.26 Für die Zwecke dieser Arbeit liegt der Fokus insbesondere auf § 929 ABGB. Fallen etwaige Mängel ins Auge, so wird die Gewährleistung durch § 928 ABGB ausgeschlos- sen.27 Der Mangel muss bei durchschnittlicher Sorgfalt besonders leicht bzw ohne weiteres er- kennbar sein, damit eine Augenfälligkeit gegeben ist.28 Beispiele hierfür können Lack- und ande- re Blechschäden am KFZ sein. Das ABGB geht davon ausgeht, dass augenfällige Mängel bei der Findung des Kaufpreises berücksichtigt werden, daher müssen diese offenkundigen Mängel bereits im Vertragsabschlusszeitpunkt vorliegen.29 Im juristischen Sinne liegt in diesen Fällen kein Mangel vor, denn geleistet wird tatsächlich das, was Vertragsinhalt wurde. Somit wurde von Beginn an keine andere Leistung geschuldet.30 Für offenkundige Mängel muss der Übergeber nur einstehen, wenn von ihm die fehlende Eigenschaft zugesichert oder der Mangel arglistig verschwiegen wurde.31 Der § 929 ABGB umfasst nach seinem Wortlaut zwei Fälle von Gewährleistungsausschluss. Erstens, das wissentliche an sich bringen einer fremden Sache und zweitens der ausdrückliche Verzicht auf die Gewährleistung. Der Verzicht auf die Gewährleistung stellt den Schwerpunkt dieser Diplomarbeit dar. Das wissentliche an sich bringen einer fremden Sache setzt sich mit Fällen auseinander, bei denen der Käufer weiß, dass dieser eine Sache kauft, die einem Dritten gehört und der Käufer somit kein Eigentum daran erlangen kann.32 Auf den Verzicht und somit den vertraglichen Gewährleistungsausschluss wird im folgenden Kapitel eingegangen. 26 Siehe Dullinger, Schuldrecht AT6 (2017), Rz 3/131. 27 Siehe Ofner in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 928 Rz 1. 28 Siehe Reischauer in Rummel/Lukas, ABGB4 § 928 Rz 1; OGH 26.09.1972, 5 Ob 185/72; OGH 06.11.1986, 6 Ob 653/86. 29 Siehe Schörghofer in Bauer, Handbuch Verkehrsrecht (2009), 66; Zöchling-Jud in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02 § 928 Rz 3. 30 Vgl P. Bydlinski in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB6 § 928 Rz 1. 31 Siehe Zöchling-Jud in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02 § 928 Rz 18; Reischauer in Rummel/Lukas, ABGB4 § 928 Rz 33. 32 Siehe Dullinger, Schuldrecht AT6 (2017), Rz 3/133. 23. Juni 2021 Martin Mondl Seite 11/58
3 Gewährleistungsverzicht Als Grundsatz gilt, dass der Verkäufer dem Käufer eine mangelfreie Sache übergeben muss. Der Verkäufer hat somit Gewähr dafür zu leisten, dass die gelieferte Sache dem Vertrag ent- spricht.33 Das Gewährleistungsrecht ist nicht von zwingender Natur. Das bedeutet, dass diese Bestimmungen grundsätzlich dispositiv sind und von den Vertragsparteien abbedungen werden können. Der Käufer einer Sache kann sowohl ausdrücklich als auch konkludent auf sein Ge- währleistungsrecht verzichten.34 3.1 Umfang des Verzichtes In diesem Kapitel wird untersucht welche Mängel von einem Gewährleistungsverzicht umfasst sind. 3.1.1 Geheime Mängel In der Entscheidung 4 Ob 589/69 urteilt der OGH, dass kein allgemeiner Grundsatz besteht, bei dem der Verzicht auf Gewährleistung die Geltendmachung geheimer Mängel ausschließe.35 Reischauer kritisiert, dass in der dafür herangezogenen Entscheidung (8 Ob 170/65) jedoch das Gegenteil steht.36 In einer späteren Entscheidung (5 Ob 226/71) aus dem Jahr 1971 urteilt der OGH, dass in Fällen in denen ein umfassender Verzicht in diesem Sinne abgegeben wird, dieser auch geheime bzw verborgene Mängel umfasst.37 Aus dem vorangehenden Absatz geht hervor, dass zwischen einem „gewöhnlichen“ und einem „absolutem“ bzw „umfassenden“ Gewährleistungsausschluss unterschieden werden muss. Ein Beispiel für einen „gewöhnlichen“ Gewährleistungsverzicht wäre die Klausel „wie besichtigt und Probe gefahren“. Bei dieser Klausel erstreckt sich der Verzicht nicht auf geheime Mängel.38 In einer Entscheidung des OGH (3 Ob 542/87) wird auf die Voraussetzung, dass die Mängel bei einer ordnungsgemäßen Untersuchung erkennbar sein müssen, verwiesen.39 Wird zu der zitier- ten Klausel der Passus „ohne Garantie und ohne Gewährleistung“ hinzugefügt, wirkt diese Klau- sel umfassend und deckt somit auch geheime Mängel.40 Ebenso hebt P. Bydlinski hervor, dass zwischen Besichtigungsklauseln41 und umfassenden Gewährleistungsausschlüssen zu unter- scheiden ist, da nur der umfassende Gewährleistungsverzicht auch geheime Mängel umfasst.42 33 Siehe Zöchling-Jud in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02 Vor §§ 922–933b Rz 1. 34 Siehe Reischauer in Rummel/Lukas, ABGB4 § 929 Rz 2; Dullinger, Schuldrecht AT6 (2017), Rz 3/137. 35 Siehe OGH 02.12.1969, 4 Ob 589/69. 36 Vgl Reischauer in Rummel/Lukas, ABGB4 § 929 Rz 41. 37 Siehe OGH 22.09.1971, 5 Ob 226/71. 38 Vgl Ofner in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 929 Rz 10; Laimer, Beschränkung rechtsgeschäftlicher Erfüllungsver- pflichtungen (2020), 94. 39 Siehe OGH 11.11.1987, 3 Ob 542/87. 40 Vgl Ofner in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 929 Rz 10. 41 Siehe Kapitel 3.4.1.1 42 Siehe P. Bydlinski in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB6 § 929 Rz 5; Laimer, Beschränkung rechtsgeschäftlicher Erfüllungsverpflichtungen (2020), 94. 23. Juni 2021 Martin Mondl Seite 12/58
Reischauer, Ofner und Zöchling-Jud sind ebenfalls Vertreter dieser Ansicht.43 Zöchling-Jud be- gründet dies damit, dass durch den Ausschluss gerade die Unsicherheiten über das Vorliegen von geheimen Mängeln beseitigt werden soll. Weiters merkt sie an, dass der Ausschluss aber sittenwidrig sein kann.44 Dies begründet Zöchling-Jud damit, dass nach der Rsp ein Gewährleis- tungsausschluss die geheimen Mängel nur dann umfasst, wenn der Käufer die Möglichkeit einer unrichtigen Angabe oder das Bestehen geheimer Mängel kannte und trotzdem auf die Gewähr- leistung verzichten wollte.45 Hat der Veräußerer Ansprüche wegen Mangelhaftigkeit der Sache gegen einen Dritten, ist die Rechtsprechung außerdem großzügig und lässt diese auf den Er- werber übergehen.46 Ofner ergänzt hierbei, dass es trotz eines Gewährleistungsverzichts in ei- nigen Fällen zur Geltendmachung der nicht leicht erkennbaren Mängel gekommen ist.47 Kennt der Erwerber die Möglichkeit einer unrichtigen Angabe oder das Bestehen geheimer Mängel und will trotzdem auf den Anspruch auf Gewährleistung verzichten, wirkt der Ausschluss vollkom- men.48 Stehen sich als Vertragspartner zwei branchenkundige oder versierte Kaufleute gegen- über, ist ein umfassender Gewährleistungsausschluss anzunehmen. Hier ist der Ausschluss der geheimen Mängel aufgrund der Geschäftserfahrung nicht sittenwidrig.49 3.1.2 Zugesicherte Eigenschaften Nicht nur von der stRspr sondern auch von der Lehre wird vertreten, dass sich ein allgemeiner Gewährleistungsverzicht nicht auf Mängel bezieht, deren besondere Eigenschaften im Vertrag eigens zugesichert worden sind.50 Sowohl Dullinger als auch Zöchling-Jud, Reischauer, Hödl, Ofner und Bydlinski sprechen sich dafür aus, dass ein Verkäufer trotz eines ausdrücklich verein- barten Gewährleistungsverzichts für ausdrücklich, aber auch schlüssig zugesicherte Eigenschaf- ten der Sache einzustehen hat und der Ausschluss somit im Umfang der Zusicherung überlagert wird.51 Zöchling-Jud stellt weiters klar, dass der Verzicht bei den jeweils zugesagten Eigenschaf- ten als nicht abgegeben anzusehen ist. Auch Mängel, die die gewöhnlich vorausgesetzte Brauchbarkeit (die „Im Verkehr gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften“) verhindern, sind von einem Gewährleistungsverzicht nicht umfasst, wenn die Gewährleistung für bestimmte Ei- genschaften ausgeschlossen wird. Sie folgt hier, wie auch Kerschner dem Leitsatz des OGH, der betont, dass der Gewährleistungsausschluss „für bestimmte Eigenschaften oder eine be- stimmte Beschaffenheit des Kaufobjektes“ nicht die Mängel umfasst, die die gewöhnlich voraus- 43 Siehe Reischauer in Rummel/Lukas, ABGB4 § 929 Rz. 2; Ofner in Schwimann/Kodek ABGB4 § 929 Rz 10; Zöchling-Jud in Kletečka/Schauer ABGB-ON1.02 § 929 Rz 9. 44 Siehe Zöchling-Jud in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02 § 929 Rz 9. 45 Siehe Zöchling-Jud in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02 § 929 Rz 15. 46 Siehe OGH 14.12.2004, 1 Ob 257/04g. 47 Siehe Ofner in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 929 Rz 11; OGH 25.03.1952, 2 Ob 218/52; OGH 02.12.1969, 4 Ob 589/69. 48 Siehe Ofner in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 929 Rz 11; OGH 25.03.1952, 2 Ob 218/52. 49 Siehe Ofner in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 929 Rz 11; JBl 1972, 531. 50 Vgl Schörghofer in Bauer, Handbuch Verkehrsrecht (2009), 66; OGH 29.06.2011, 8 Ob 98/10k; OGH 28.07.2010, 9 Ob 50/10h; Laimer, Beschränkung rechtsgeschäftlicher Erfüllungsverpflichtungen (2020), 111. 51 Vgl Dullinger, Schuldrecht AT6 (2017), Rz 3/137; Reischauer in Rummel/Lukas, ABGB4 § 929 Rz. 51; Ofner in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 929 Rz 14; Zöchling-Jud in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02 § 929 Rz 10; P. Bydlinski in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB6 § 929 Rz 6; Hödl in Schwimann/Neumayr, ABGB5 § 933 Rz 4. 23. Juni 2021 Martin Mondl Seite 13/58
gesetzte Brauchbarkeit verhindern.52 Kerschner stimmt der einschränkenden Auslegung des Gewährleistungsausschlusses durch den OGH zu und stellt fest, dass dies der hL entspricht.53 Weiters ist nach Ansicht von Zöchling-Jud nicht als Gewährleistungsverzicht zu qualifizieren, wenn erklärt wird, dass keine spezielle Garantie verlangt wird.54 Ofner ergänzt, dass der Veräußerer trotz eines Gewährleistungsverzichts für die zugesagten Eigenschaften einstehen muss. Er vertritt die Ansicht, dass der Käufer in diesen Punkten nicht zur Prüfung und Besichtigung der Sache verpflichtet ist. Dies gilt in abgeschwächter Form beim Kauf eines PKW, wonach durch die Vereinbarung „gebraucht und besichtigt“ für das nicht vor- handen sein der zugesagten Eigenschaften nur bei Nichtaugenscheinlichkeit einzustehen ist. Ofner ist aber der Meinung, dass diese einschränkende Tendenz nur zu befürworten ist, wenn eine Zusage für eine generelle Mängelfreiheit vorliegt, nicht aber für ganz bestimmte Eigen- schaften. Eine Zusage, dass ein KFZ fahrtüchtig ist, schränkt laut Ofner den Gewährleistungs- verzicht ein.55 In einem Fall aus dem Jahr 1966 erklärte der Verkäufer ausdrücklich, ein KFZ ist in erstklassi- gem Zustand und werksgeprüft. Diese Erklärung wurde vom OGH dahingehend ausgelegt, dass das KFZ bei der Übergabe nicht mit wesentlichen Mängeln behaftet ist, deren Behebung erheb- liche Kosten erfordert. Der OGH sah darin eine Zusicherung dieser bestimmten Eigenschaften des Fahrzeuges.56 Dasselbe geht auch aus der Entscheidung 7 Ob 732/89 hervor. Grund dieser Entscheidung war der Kauf eines gebrauchten PKW, Baujahr 1980, mit einem Kilometerstand von rund 100.000 zu einem Preis von 40.000,- Schilling. Der PWK wurde am 4. November 1987 gekauft, am 11. No- vember 1987 geriet er in Brand. Vom Kläger wurde behauptet, ein geheimer Mangel war die Ursache des Brandes und begehrt die Vertragsauflösung und Rückzahlung des Kaufpreises. Vom Erstgericht wurden dem Kläger die 40.000,- Schilling zugesprochen. Das Erstgericht stellte fest, dass laut Kaufvertrag das Fahrzeug in die Bewertungsklasse 3 (genügend fahrbereit) fiel. Festgestellt wurde auch, dass die Brandursache eine Rissbildung und die Brüchigkeit des Schlauchmaterials war. Dieser Mangel war nach den Feststellungen des Erstgerichts bereits bei Übergabe des KFZ zumindest im Ansatz vorhanden. Weiters war der Mangel wesentlich und nicht behebbar, somit war der Kläger zur Aufhebung des Vertrages und Rückforderung des Kaufpreises berechtigt. Vom Berufungsgericht wurde das Ersturteil geändert und das Klagebegehren gänzlich abgewie- sen, das Gericht erklärte aber eine Revision für zulässig. Vom Berufungsgericht wurden Be- weisergänzungen durchgeführt und weiter auf die Bewertungsklasse 3, die mit „genügend fahr- bereit, mittlerem Kilometerstand entsprechende Reparaturen und Wartungsarbeiten erforder- 52 Siehe OGH 25.1.2000, 5 Ob 104/99a, Kerschner, RdU 2001/61, 74. 53 Siehe Kerschner, RdU 2001/61, 74. 54 Siehe Zöchling-Jud in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02 § 929 Rz 10. 55 Siehe Ofner in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 929 Rz 14. 56 Siehe OGH 25.05.1966, 6 Ob 122/66; Laimer, Beschränkung rechtsgeschäftlicher Erfüllungsverpflichtungen (2020), 112. 23. Juni 2021 Martin Mondl Seite 14/58
lich“, eingegangen. Zu dieser Bewertungsklasse stellte das Berufungsgericht folgendes fest: Umfasst sind laut Kaufvertrag in dieser Bewertungsklasse diverse Blechschäden, Roststellen, Unfallschäden und weitere Abnützungsspuren. Nach dem Vertrag wurden aber weitere, über die Gebrauchsfahrzeugzustandsbewertung hinausgehende Eigenschaften des Fahrzeuges nicht zugesichert. Rechtlich wurde ausgeführt, dass die Rissbildung und die Brüchigkeit des Schlauchmaterials der Benzinleitung als Brandursache in Betracht kommen. Es kann davon ausgegangen werden, dass der Mangel bereits bei Übergabe vorhanden gewesen ist, da es nur kurze Zeit nach Übergabe zum Schaden kam. Grundsätzlich hat der Verkäufer nach § 922 ABGB dafür einzustehen, dass die Sache, die im Verkehr gewöhnlich vorausgesetzten Eigen- schaften aufweist, jedoch kann ein gebrauchtes Fahrzeug auch nicht bei schonender Nutzung und bester Pflege den Zustand eines Neuwagens haben. Verschleiß- und Abnützungserschei- nungen seien somit aufgrund des Alters und des Gebrauchs unumgänglich. In diesem Fall wa- ren es Abnützungserscheinungen an Gummi- und Plastikteilen in der Nähe der Benzinleitung. Nach Ansicht des Berufungsgerichts muss bei einem 7 Jahre alten PKW mit solchen Verschleiß- und Abnützungserscheinungen gerechnet werden. Aus diesem Grund verneint es einen Mangel im Rechtssinn. Der Kläger durfte nicht davon ausgehen, dass keine Abnützungserscheinungen vorliegen. Bei Übergabe war die Fahrtüchtigkeit laut Berufungsgericht noch gegeben. Der OGH befand daraufhin die Revision, gegen die Entscheidung der zweiten Instanz, aus fol- genden Gründen berechtigt: Unstrittig war, dass der Brand durch die altersbedingte Rissbildung des Benzinschlauches ausgelöst wurde. Dieser Fehler bestand bereits im Zeitpunkt der Überga- be. Wie vom Berufungspflicht festgestellt, hat grundsätzlich der Übergeber nach § 922 ABGB dafür einzustehen, dass eine Sache die ausdrückliche Bedingung oder die im Verkehr gewöhnli- che Eigenschaft aufweist. Jedoch müssen bei einem Gebrauchtwagenkauf Mängel innerhalb eines gewissen Rahmens hingenommen werden. Diese werden am Alter und den gefahrenen Kilometern gemessen und sind normale Verschleiß- und Abnützungserscheinungen. Die ge- wöhnliche Beschaffenheit schließt somit normale Verschleißerscheinungen und ein Risiko, dass auch größere Reparaturen getätigt werden müssen nicht aus. Es handelt sich schon von vor- hinein nicht um Mängel im Rechtssinn. Werden aber gewisse Eigenschaften zugesichert hat der Verkäufer, trotz eines vereinbarten Gewährleistungsausschlusses, für das Fehlen dieser Eigen- schaften einzustehen, da diese Zusagen als Einschränkung des vertraglichen Verzichts auf Ge- währleistung zu deuten sind. Wird bei einem Gebrauchtwagenkauf die Fahrbereitschaft zugesi- chert, kann sich ein Käufer darauf verlassen, dass neben etwaigen sichtbaren Mängeln keine weiteren vorliegen, insbesondere solche, die die Fahrbereitschaft beeinträchtigen. In naher Zu- kunft muss der Käufer somit nicht mit Reparaturen und Wartungsarbeiten rechnen. Ist wie im vorliegenden Fall, die im Motorraum gelegene Benzinleitung so brüchig und rissig, dass sie in- nerhalb von wenigen Tagen tatsächlich bricht, ist die Fahrbereitschaft nicht genügend vorhan- den. Will der Verkäufer die Kosten für eine Feststellung und Behebung der die Fahrbereitschaft ausschließenden Mängel nicht übernehmen, darf er eine genügende Fahrbereitschaft nicht zusi- 23. Juni 2021 Martin Mondl Seite 15/58
chern. Der Käufer, der den Gebrauchtwagen kauft, kann sich auf solche Zusage verlassen. Im Gewährleistungsrecht ist anerkannt, dass im Zweifel immer ein Hauptmangel gegeben ist, wenn eine zugesagte Eigenschaft fehlt. Nach dem Inhalt des Vertrages kann nicht zweifelhaft sein, dass die zugesagte Fahrbereitschaft für den Entschluss zum Kauf von ausschlaggebender Be- deutung war, da eine genügende Fahrbereitschaft zugesichert wurde, konnte der Kläger auch von dieser ausgehen und musste nicht mit unmittelbaren Wartungs- und Reparaturarbeiten rechnen. Der Mangel, der bei Übergabe noch behebbar war, wurde durch natürliche Fortent- wicklung unbehebbar und rechtfertigte somit nach Ansicht des OGH den Anspruch auf Aufhe- bung des Kaufvertrages.57 3.1.3 Erstreckt sich der Verzicht auch auf den Schadenersatz? Ob ein Gewährleistungsausschluss auch den Verzicht auf den Schadenersatzanspruch, der an Stelle der Gewährleistung geltend gemacht werden soll, umfasst, ist umstritten.58 P. Bydlinski spricht sich dafür aus, dass ein Gewährleistungsverzicht keine Bedeutung für die Geltendma- chung etwaiger Schadenersatzansprüche wegen schuldhafter Schlechterfüllung des Vertrages hat.59 Anderer Ansicht ist Zöchling-Jud, sie ist der Meinung, dass es im Hinblick auf die „Gleich- schaltung“ der Rechtsbehelfe bei einem Gewährleistungsausschluss auch zu einem Ausschluss des Schadenersatzes bei leichtem Verschulden kommt.60 Ofner schließt sich der Meinung von Bydlinski an und stellt klar, dass sich ein Gewährleistungsausschluss nicht auf die Berechtigung zur Geltendmachung eines Schadenersatzanspruchs bezieht.61 Auch Reischauer ist derselben Meinung wie Bydlinski und merkt an, dass der Ausschluss der Gewährleistungsbehelfe nicht zur Beschränkung der Schadenersatzansprüche führt, da es zu geradezu „unerträglichen Resulta- ten“ führen würde, welche der geltenden Rechtlage nicht unterstellt werden dürfen.62 Nicht um- stritten ist, dass der Ausschluss der Gewährleistung jedenfalls die Geltendmachung des Mangel- folgeschadens nicht umfasst. Dies vertritt neben Ofner und Hödl auch Zöchling-Jud, die hervor- hebt, dass ein Mangel, der weitere Schäden auslöst geltend gemacht werden kann.63 Der OGH vertritt insbesondere in der Entscheidung 7 Ob 562/94, dass der Ausschluss der Gewährleistung nur den Verzicht auf Geltendmachung des Mangels, nicht aber den Schaden, der durch den Mangel verursacht wurde, umfasst.64 3.1.4 Erstreckt sich der Verzicht auch auf die Irrtumsanfechtung? Dieser Punkt wird von P. Bydlinski ausführlich behandelt. Anerkannt ist, dass Gewährleistungs- und Irrtumsanfechtungsrechte miteinander uneingeschränkt konkurrieren. Somit wird die Frage 57 Siehe OGH 25.01.1990, 7 Ob 732/89. 58 Vgl Zöchling-Jud in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02 § 929 Rz 11. 59 Siehe P. Bydlinski in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB6 § 929 Rz 5. 60 Siehe Zöchling-Jud in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02 § 929 Rz 11. 61 Siehe Ofner in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 929 Rz 15. 62 Siehe Reischauer in Rummel/Lukas, ABGB4 § 929 Rz 33. 63 Vgl Hödl in Schwimann/Neumayr, ABGB5 § 933 Rz 4; Ofner in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 929 Rz 15; Zöchling- Jud in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02 § 929 Rz 11. 64 Siehe OGH 13.09.1995, 7 Ob 562/94. 23. Juni 2021 Martin Mondl Seite 16/58
aufgeworfen, inwiefern sich der Erwerber der mangelhaften Sache auf das Vorliegen von Irr- tumsanfechtungsrechten berufen kann, wenn vertraglich nur ein Gewährleistungsausschluss verreinbart wurde. Dazu sind die Meinungen geteilt. P. Bydlinski kritisiert die Ansicht, die die Irrtumsanfechtungsrechte aufrecht lassen will, dabei hebt er hervor, dass diejenigen, die diese Ansicht vertreten, dies entweder gar nicht begründen oder sich bloß auf fehlende Spezialität des Gewährleistungsrechts berufen. Nach P. Bydlinski beruhen beide Rechtsbehelfe auf andere Grundlagen und stehen daher frei zur Wahl, wenn die jeweiligen Voraussetzungen erfüllt sind.65 Reischauer folgt in seinem Kommentar der Ansicht von P. Bydlinksi. Beide vertreten, dass durch einen Gewährleistungsverzicht grundsätzlich die Irrtumsanfechtung nicht ausgeschlossen wird. Dies soll auch für eine etwaige Vertragskorrektur infolge eines Irrtums gelten. Wurde jedoch der Gewährleistungsverzicht in Bezug auf eine bestimmte, möglicherweise nicht vorhandene Eigen- schaft oder geheimen Mangel abgegeben, scheidet insofern auch die Geltendmachung des Irr- tums aus.66 Laut OGH gilt der Gewährleistungsausschluss im Regelfall auch für schlicht veran- lasste Eigenschaftsirrtümer, da die Vertragsparteien, die den Ausschluss für einen bestimmten Umstand vereinbaren, erkennbar auch jedes andere Einstehenmüssen für diesen Umstand aus- schließen wollen.67 Zu berücksichtigen ist auch, dass Nichtjuristen das Irrtumsrecht häufig nicht kennen und es ohne Ausschluss des Irrtumsanfechtungsrechts zu einer Entwertung des Ge- währleistungsausschlusses in Fällen des veranlassten Eigenschaftsirrtums kommen würde.68 Auch Zöchling-Jud, Ofner und Hödl sind der Meinung, dass ein genereller Gewährleistungsver- zicht keinen Ausschluss der Irrtumsanfechtung umfasst. Kommt es jedoch zu einem Ausschluss der Haftung für einen bestimmten Umstand, kommt es auch zu einem Verzicht auf die Irr- tumsanfechtung unter Berufung auf diese Eigenschaft.69 3.2 Form des Verzichtes Der § 929 ABGB verlangt, dass „ausdrücklich“ auf die Gewährleistung verzichtet werden muss. „Ausdrücklich“ heißt in diesem Sinne jedoch nur, dass der Verzicht mit hinreichender Deutlich- keit erklärt werden muss. Der Verzicht kann sowohl ausdrücklich als auch konkludent erfolgen.70 Wilhelm und Ertl stellen dies ebenfalls klar. Dafür beziehen sie sich auf die Entscheidung 1 Ob 106/13i des OGH aus dem Jahr 2013. Einer der Leitsätze dieser Entscheidung lautet, dass ein Gewährleistungsverzicht auch schlüssig erklärt werden kann, wenn das Verhalten des Über- nehmers nach den Umständen vernünftigerweise nur als Gewährleistungsverzicht gedeutet 65 Vgl P. Bydlinski, Beschränkung und Ausschluß der Gewährleistung, JBl 1993, 559 (560). 66 Siehe P. Bydlinski, Beschränkung und Ausschluß der Gewährleistung, JBl 1993, 559 (560); Reischauer in Rum- mel/Lukas, ABGB4 § 929 Rz 89. 67 Siehe OGH 22.10.2009, 3 Ob 111/09h. 68 Siehe Bydlinski, Beschränkung und Ausschluß der Gewährleistung, JBl 1993, 560 f; Reischauer in Rummel/Lukas, ABGB4 § 929 Rz 89. 69 Siehe Zöchling-Jud in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02 § 929 Rz 12; Ofner in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 929 Rz 15; Hödl in Schwimann/Neumayr, ABGB5 § 933 Rz 5. 70 Siehe Zöchling-Jud in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02 § 929 Rz 4. 23. Juni 2021 Martin Mondl Seite 17/58
werden kann.71 Dieser Auffassung war der oberste Gerichtshof (OGH) auch schon im Jahr 1951 bei der Entscheidung 2 Ob 57/51.72 Auch mündliche Verzichts-Vereinbarungen, bei denen es sich um ausdrückliche Erklärungen handelt, werden vom OGH anerkennt.73 Wilhelm und Ertl ergänzen, dass ein schlüssiger Verzicht nach § 863 ABGB nur angenommen werden kann, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände keine Zweifel daran bestehen, dass auf die Gewährleistung verzichtet wird. Die beiden Autoren weisen darauf hin, dass ein strenger Maßstab anzulegen und besondere Vorsicht geboten ist.74 Sowohl Ofner als auch Hödl, Reischauer und Zöchling-Jud schließen sich dieser Ansicht an.75 Mittels Auslegung ist im Einzelfall zu beurteilen, ob ein konkludenter Gewährleistungsverzicht vorliegt. Hier ist der strenge Maßstab des § 863 ABGB zu beachten. Somit kommt es nicht da- rauf an ob die Worte „Gewährleistung“, „Verzicht“ oder „Ausschluss“ vorkommen.76 Damit kommt auch ein konkludenter Verzicht in Betracht. So leitet der OGH etwa aus der vorbehaltslosen Ab- nahme eines Werks trotz Offenkundigkeit eines Mangels einen Verzicht auf die Gewährleistung für diesen Mangel ab.77 Benützt der Übernehmer die Sache trotz ihrer Fehlerhaftigkeit, gilt der Verzicht als konkludent erklärt, wenn durch die Umstände ein ernsthafter Verzichtswille hervor- geht. Der Verzicht gilt nach Zöchling-Jud jedoch nicht bei bloßer Weiterbenützung der Sache nach Entdeckung des Mangels. Dies argumentiert Sie mit Bezug auf die Rsp78, die in diesem Fall einen konkludenten Gewährleistungsverzicht nur dann bejaht, wenn der Übergeber unter Beachtung der strengen Voraussetzungen des § 863 ABGB das Verhalten des Übernehmers als Verzicht verstehen durfte und dies auch als Verzicht verstanden hat.79 3.3 Verhältnis des § 929 ABGB zu § 928 ABGB Die Normen §§ 928 und 929 ABGB beschreiben jeweils einen Ausschluss der Gewährleistung. Hier muss jedoch eine Abgrenzung erfolgen. § 928 ABGB kommt zur Anwendung in Fällen, in denen ein Mangel augenfällig ist. Dies bedeutet, dass der Mangel besonders leicht und ohne weiteres erkennbar sein muss. Dies wird vom OGH in der Entscheidung 6 Ob 653/86 klarge- stellt.80 Von den augenfälligen Mängeln, die von § 928 ABGB erfasst werden, sind die geheimen und die verborgenen Mängel abzugrenzen. Für offene Mängel, die aber nicht offenkundig iSd § 928 ABGB sind, ist die Anwendung des § 928 ABGB nicht zulässig. Die augenfälligen Mängel be- 71 Siehe OGH 29.08.2013, 1 Ob 106/13i, Ertl, Voraussetzung eines Gewährleistungsverzichts nach geltendem Ge- währleistungsrecht, ecolex 2014/80, 221 (222). 72 Siehe OGH 04.05.1951, 2 Ob 57/51. 73 Siehe OGH 23.11.2010, 8 Ob 7/10b, JBl 2011, 306. 74 Vgl Ertl, Voraussetzung eines Gewährleistungsverzichts nach geltendem Gewährleistungsrecht, ecolex 2014/80, 221 (223). 75 Vgl Ofner in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 929 Rz 4; Hödl in Schwimann/Neumayr, ABGB5 § 933 Rz 2; Reischauer in Siehe Rummel/Lukas, ABGB4 § 929 Rz 9; Zöchling-Jud in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02 § 929 Rz 4. 76 Siehe Zöchling-Jud in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02 § 929 Rz 4. 77 Siehe OGH 02.07.1987, 6 Ob 623/87. 78 Vgl OGH 09.10.1975, 6 Ob 100/75. 79 Siehe Zöchling-Jud in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02 § 929 Rz 4. 80 Siehe OGH 06.11.1986, 6 Ob 653/86. 23. Juni 2021 Martin Mondl Seite 18/58
schreiben nur einen Teil der offenen Mängel. Der restliche Teil der offenen Mängel wird somit durch den § 929 ABGB, den Verzicht auf die Gewährleistung, gedeckt.81 3.4 Auslegung des Gewährleistungsverzichts Unstrittig ist, dass der Umfang des Gewährleistungsverzichts durch Auslegung zu ermitteln ist. Strittig ist jedoch, ob Gewährleistungsverzichte im Zweifel auch restriktiv auszulegen sind. In diesem Kapitel wird erörtert, wie die Auslegung von den Gerichten vorgenommen wird. Weiters werden die verschiedenen Meinungen dargelegt, die von der Lehre vertreten werden. Nach der Rechtsprechung sind Gewährleistungsverzichte im Zweifel restriktiv auszulegen. Dies hebt der OGH in aktuelleren Entscheidungen wie 1 Ob 28/14s, 7 Ob 28/13p oder 8 Ob 7/10b jeweils in seiner rechtlichen Beurteilung hervor.82 Kritik von Seiten der Lehre an der im Zweifel restriktiven Auslegung der Gewährleistungsverzich- te gibt es nach Zöchling-Jud zu Recht. Sie vertritt die Meinung, dass § 915 Halbsatz 1 keine Anwendung findet, da die Verzichtserklärung Teil eines entgeltlichen Rechtsgeschäftes ist. Wur- de die Verzichtserklärung vom Übergeber formuliert, kann sie bei Unklarheiten nach § 915 Halb- satz 2 zum Nachteil des Übergebers ausgelegt werden.83 Derselben Meinung ist auch Kogler, der die Rechtsprechung zur restriktiven Auslegung des Gewährleistungsverzichts kritisiert. In seiner Anmerkung bezieht sich Kogler auf die Entscheidung 9 Ob 50/10h. Er begründet seine Kritik ebenfalls damit, dass der Gewährleistungsverzicht neben dem Kaufvertrag keine unent- geltliche Zuwendung ist, sondern ein Teil des Vertrages. Aus diesem Grund ist nach Kogler da- von auszugehen, dass bereits bei der Kaufpreisbemessung der Gewährleistungsverzicht mitbe- rücksichtigt wird. Dem Verzicht stehe somit regelmäßig ein reduzierter Kaufpreis gegenüber.84 P. Bydlinski bemängelt, dass durch die zahlreichen Wiederholungen in den Entscheidungen des OGH, der Satz „der Gewährleistungsverzicht ist im Zweifel restriktiv auszulegen“, nicht richtiger wird. Von ihm wird kritisiert, dass hierbei an die unentgeltlichen Geschäfte gedacht wird, die gem § 915 Fall 1 ABGB bei Unklarheiten zugunsten des Verzichtenden zu interpretieren sind. Dabei sieht Bydlinski zwei Fehler. Erstens geht es nach seiner Auffassung nicht um den Verzicht auf bereits bestehende Rechte, sondern um deren Nichtbegründung. Zweitens handelt es sich um ein entgeltliches Geschäft, bei dem meist über Gewährleistung und Preis verhandelt wird. In Fällen, in denen die Verzichtserklärung oder AGB vom Verkäufer stammen, kommt es bei Un- klarheiten zur Anwendung des § 915 Fall 2 ABGB. Dies würde zu einer käufergünstigeren Aus- legungsvariante führen.85 Nach Laimer sind Vereinbarungen über den Ausschluss oder die Ein- 81 Siehe Reischauer in Rummel/Lukas, ABGB4 § 929 Rz 3 ff. 82 Siehe OGH 27.03.2014, 1 Ob 28/14s; OGH 17.04.2013 7 Ob 28/13p; OGH 23.11.2010, 8 Ob 7/10b. 83 Siehe Zöchling-Jud in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02 § 929 Rz 8/1. 84 Siehe Kogler, Die mangelhafte Kaufliegenschaft, EvBl 2011/19, 131 (133); OGH 28.7.2010, 9 Ob 50/10h. 85 Siehe P. Bydlinski, Ein Gewährleistungsausschluss und seine Grenzen, Zak 2007/7, 6. 23. Juni 2021 Martin Mondl Seite 19/58
schränkung der Käuferrechte auch im Zweifel restriktiv bzw. gemäß § 915 Fall 2 ABGB auszule- gen, dies auch zum Nachteil des Verkäufers.86 In der Entscheidung 2 Ob 176/10m des OGH wird jedoch von der Zweifelsregel zugunsten einer restriktiven Auslegung nicht Gebrauch gemacht. Der OGH hebt hervor, dass der Umfang des vorliegenden Gewährleistungsausschlusses durch Auslegung im Einzelfall nach der Absicht der Parteien und der Übung des redlichen Verkehrs zu ermitteln ist.87 Quintessenz der Entschei- dungsbesprechung ist, dass ein Verzicht auf die Gewährleistung die Anfechtung wegen Irrtums nicht ausschließt. Es ist jedoch davon zu unterscheiden, dass die Auslegung des Vertrages im konkreten Einzelfall ergeben kann, dass für bestimmte Umstände der Gewährleistungsaus- schluss auch einen Verzicht auf die Irrtumsanfechtung umfassen kann.88 Zusammenfassend werden vom OGH folgende Grundsätze (auf die in dieser Arbeit schon ein- gegangen wurde und noch näher eingegangen wird z. B. die einzelnen zulässigen Klauseln wie Besichtigungsklauseln) vertreten: • Auch wenn ausdrücklich ein allgemeiner Gewährleistungsausschluss vereinbart wurde, muss der Übergeber für ausdrücklich oder auch schlüssig zugesicherte Eigenschaften der Sache einstehen. Die Ausschlussvereinbarung wird insoweit überlagert.89 Der OGH stellt in seiner Rsp klar, dass ein Händler mit Werkstätte, der einen Gebrauchtwagen verkauft, die Fahrbereitschaft als schlüssig zusichert und sich daher nicht auf einen Ge- währleistungsausschluss berufen kann.90 • Wird ein auffallend niedriges Entgelt vereinbart, kann dies ein Indiz dafür sein, dass be- stimmte negative Eigenschaften einer Leistung keinen Mangel darstellen und daher kein Anspruch auf Gewährleistung besteht.91 • Arglistig verschwiegene Mängel werden von einem vereinbarten Gewährleistungsver- zicht nicht umfasst.92 • Auch Massive Sachmängel, die die Sache von vornherein völlig unbrauchbar machen, sind vom Gewährleistungsverzicht nicht umfasst.93 • Werden z. B. Besichtigungsklauseln wie „wie besichtigt“ oder „wie besichtigt und Probe- gefahren“ vereinbart, wird die Gewährleistung nur für solche Mängel ausgeschlossen, die bei der Besichtigung und Probefahrt erkennbar sind, nicht aber geheime Mängel.94 86 Siehe Laimer, Beschränkung rechtsgeschäftlicher Erfüllungsverpflichtungen (2020), 94. 87 Siehe Zöchling-Jud in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02 § 929 Rz 8/1. 88 Siehe OGH 22.6.2011, 2 Ob 176/10m, JusGuide 2011/35/9133. 89 Vgl OGH 27.9.2017, 9 Ob 45/17h; OGH 17.9.2014, 6 Ob 125/14x. 90 Vgl OGH 16.02.2006, 6 Ob 272/05a; Mendel, Gewährleistung beim Gebrauchtwagenkauf, Zak 2006/458, 269; P. Bydlinski, Ein Gewährleistungsausschluss und seine Grenzen, Zak 2007/7, 6. 91 Vgl OGH 30.07.2013, 2 Ob 123/12w; OGH 28.07.2010, 9 Ob 50/10h; OGH 07.04.2011, 2 Ob 135/10g. 92 Vgl Mendel, Gewährleistung beim Gebrauchtwagenkauf, Zak 2006/458, 269; OGH 16.02.2006, 6 Ob 272/05a; OGH 30.06.1988 7 Ob 573/88; OGH 04.03.1982, 7 Ob 575/81. 93 Vgl OGH 16.02.2006, 6 Ob 272/05a; OGH 30.06.1988 7 Ob 573/88. 23. Juni 2021 Martin Mondl Seite 20/58
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