Verbundsicherheitsglas in Schienenfahr-zeugen im Kontext der DIN EN 45545-2
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FAHRZEUGE | SICHERHEIT www.eurailpress.de/archiv/brandschutz Homepageveröffentlichung unbefristet genehmigt für TÜV SÜD Rail GmbH / Rechte für einzelne Downloads und Ausdrucke für Besucher der Seiten genehmigt von DVV Media Group, 2019 Verbundsicherheitsglas in Schienenfahr- zeugen im Kontext der DIN EN 45545-2 Analyse zum Stand der Technik in Bezug auf den Brandschutz – Schutzzielanforderungen, Risikobewertung und mögliche Nachweisführung DAVID RUMMENY | JOSEF WEISS | zielorientierten Anforderungen, welche auch gieoptimierung oder optische Eigenschaften CHRISTIAN SCHMÖCHE | JÜRGEN HEYN in den heutigen Regelwerken und Gesetzen sind weitere Anforderungen. Diese Anforderun- verankert sind. So wird in der technischen Spe- gen sind zu jeder Zeit zu gewährleistenden. zifikation für Interoperabilität für Lokomotiven Entsprechend der vorgängig aufgeführten tech- Im Bereich von Schienenfahrzeugen werden und Personenwagen spezifiziert, dass jegliche nischen Anforderungen lässt sich klar erkennen, hohe Anforderungen an die Verglasung ge- verwendete Verglasung aus Verbundglas oder dass der Hauptfokus der Entwicklung von Vergla- stellt (Front- und Seitenscheiben, Innenvergla- Einscheibensicherheitsglas (ESG) gemäß einer sungen auf der Gewährleistung der Personen- sungen), welche zum Teil nur mit dem Einsatz öffentlich zugänglichen Norm bestehen muss sicherheit, ausgerichtet auf mechanische Inte von Verbundsicherheitsglas (VSG) erfüllt wer- [1]. Das Ziel hierbei ist, das Verletzungsrisiko für grität der Verglasung, ist. Dies ist allgemein auch den können. Mit der Einführung der DIN EN Fahrgäste und Personal aufgrund von gebroche- der Grund, weshalb das Thema Brandschutz der 45545-2 und der verpflichtenden Anwendung nem Glas zu minimieren. Verglasung in den nationalen, mittlerweile zu- bei Neufahrzeugen seit Anfang 2018 muss Sinngemäße Forderungen finden sich auch in rückgezogenen, Brandschutznormen wie bspw. VSG seither zusätzliche Anforderungen in Be- nationalen Anforderungen, beispielweise des Ei- DIN 5510-2 [5] nicht weiter betrachtet wurde. Mit zug auf den Brandschutz erfüllen, was nicht senbahn-Bundesamtes [2, 3] oder der britischen der Einführung der DIN EN 45545-2 [6] werden immer vollumfänglich erreicht werden kann. GMRT2100 [4]. nun Anforderungen an die Verglasung gestellt, Der vorliegende Artikel soll einleitend einen Neben den vorgenannten regulativen Anfor- welche ebenfalls von bspw. der Seitenwand- Überblick über die gestellten Anforderungen derungen werden zusätzlich viele funktionale, verkleidung oder Deckenelementen zu erfüllen an Verglasungen sowie den aktuellen Stand betriebliche und Komfortanforderungen an die sind. Da ESG-Verglasung vollständig nicht brenn- der Technik geben. Nachfolgend wird auf Ba- Verglasung gestellt. bar ist bedarf es keiner weiteren Nachweisfüh- sis von durchgeführten Realbrandversuchen Maßgebliche Anforderung ist die Gewährleis- rung. Das für die Gewährleistung der primären und unter Nutzung eines risikobasierten An- tung der mechanischen Festigkeit und Stabilität, mechanischen Schutzziele optimalere VSG hat satzes eine mögliche Nachweisführung ge- speziell unter den großen Belastungen durch be- einen Nachweisanspruch hinsichtlich der brenn- mäß DIN EN 45545-2 aufgezeigt. Ein abschlie- triebliche Bedingungen im Bahnverkehr. So sind baren Zwischenfolie. ßender Ausblick in die aktuelle Entwicklung unter anderem die Durchschlagfestigkeit, das Die DIN EN 45545-Reihe hat die gleichen der Norm zeigt die Nachweismöglichkeiten in Lösen von Glasbruchstücken sowie die Flächen- Schutzziele – den Schutz von Fahrgästen und der nahen Zukunft auf. stabilität bei mechanischem Stress Anforderun- Personal – wie die anderen Regularien im Schie- gen, auf welche die Verglasung hin entwickelt nenfahrzeugbereich, blickt jedoch nur auf die und optimiert wird. Spezielle Umwelteinflüsse Gewährleistung dieses Schutzziel im Brandfall. Anforderungsprofil an Verglasungen wie Druckstoßfestigkeit bei Fahrzeugbegeg- Da Brandfälle in Schienenfahrzeugen seit Jahren in Schienenfahrzeugen nungen, extreme Temperaturschwankungen bei im unteren Prozentbereich der signifikanten Un- Der Einsatz von VSG in Schienenfahrzeugen folgt Tunnelfahrten, aber auch Kratzfestigkeit als Teil fälle liegen [7] (Abb. 1), sollte für die Verglasung ausgehend von historisch gewachsenen schutz- des Vandalismusschutzes, Geräusch- und Ener- in Schienenfahrzeugen die Schutzzielgewähr- leistung in Bezug auf mechanische Gefahren im Vordergrund stehen. Diese Priorität der Anforde- rungen wurde beispielsweise in der DIN 5510-2 berücksichtigt. Mit der verpflichtenden Umset- zung der DIN EN 45545-2 wurde diese Priorisie- rung vermutlich unbewusst wieder aufgehoben. Stand der Technik Als aktueller Stand der Technik werden für die Herstellung von Verbundsicherheitsgläsern PVB- Folien (Polyvinylbutyral) verwendet. Hintergrund hierbei ist, dass in langer Entwicklungszeit meh- rere optimierte Mischungen in Bezug auf Reiß- festigkeit, Haftung zum Glas, Transparenz und Elastizität hergestellt werden konnten. Diese kön- nen die Anforderungen an die mechanische Fes- tigkeit, den Schallschutz, die Durchstoßfestigkeit und die Beständigkeit gegen andere Umweltein- flüsse optimal erfüllen. Handelsübliche Alternativen für die Zwischen- schicht in VSG sind unter anderem EVA (EVAC, Abb. 1: Verteilung von signifikanten Zwischenfällen nach Typ (EU-28, Zeitraum 2011–2015) Quelle: [7] Bild 11b Ethylen-Vinyl-Acetat-Copolymer) und Ionomer- 38 EI | MÄRZ 2019
Homepageveröffentlichung unbefristet genehmigt für TÜV SÜD Rail GmbH / Rechte für einzelne Downloads und Ausdrucke für Besucher der Seiten genehmigt von DVV Media Group, 2019 Folien. EVA eignet sich aufgrund seiner dreidimensionalen Vernetzung ideal für die optimale Verklebung mit Glas, besitzt jedoch weniger gute mechanische Eigenschaften als PVB. Es eignet sich daher ideal für die Herstellung von Photovoltaikmodulen, jedoch aufgrund der schlech- teren mechanischen Eigenschaften nicht für die Anwendung im Schie- nenfahrzeugbereich. Ionomer-Folien (auch Ionoplast) besitzen eine extrem hohe Steifigkeit, weshalb sie sich besonders für den konstruktiven Glasbau, beispielswei- se den Grand Canyon Skywalk, eignen. Die hohe Steifigkeit bringt wiede- rum Nachteile bezüglich der Elastizität, womit die im Schienenfahrzeug- bau geforderte Druckstoßfestigkeit nicht optimal gegeben ist. Zusammenfassend bleibt mit Hinblick auf handelsübliche Alternativen die PVB-Folie die technisch sinnvollste und ausgewogenste Alternative in Bezug auf die vielschichtigen Anforderungen im Schienenfahrzeugbau. Normative Brandschutzanforderungen an Verglasung Die normativen Anforderungen an den Brandschutz in Schienenfahr- zeugen werden durch die europaweit harmonisierte und für Neufahr- zeuge auf dem transeuropäischen Schienennetz verpflichtend einzu- haltende Normenreihe DIN EN 45545 definiert. Das primäre Ziel dieser Normenreihe ist der Schutz von Personen (Fahrgäste, Personal und Drit- te) vor von den Fahrzeugen ausgehenden Brandgefahren. Speziell für Fahrzeuge mit längeren Fahrzeiten im Brandfall (4 bis 15 Mi- nuten) sieht die Norm neben den werkstofftechnischen Anforderungen weitere Schutzbarrieren vor, um Personen bis zum Erreichen eines eva- kuierungsfähigen Bereichs einen relativ sicheren Aufenthalt im Fahr- zeug zu gewährleisten. Als technische Maßnahmen sind beispielsweise Feuerschutz-abschlüsse oder Brandbekämpfungssysteme vorgesehen, die einen Brand in seinen Auswirkungen begrenzen. Als ergänzende or- ganisatorische Maßnahme sieht die Normenreihe eine Evakuierung des betroffenen Fahrzeugteils vor, sodass sich Personen in die angrenzen- den Wagen begeben und sich dort bis zum Erreichen einer geeigneten Stelle in einem Bereich „relativer Sicherheit“ befinden. In Fahrzeugen mit kürzeren Fahrzeiten bis zu einem evakuierungsfähi- gen Bereich (bis 4 Minuten) können sich Personen primär aufgrund der hohen werkstofftechnischen Eigenschaften mit geringer Gefahr auch im betroffenen Fahrzeugteil aufhalten. Die werkstofftechnischen Eigenschaften der Verglasung – ESG wie VSG – sind in der Tabelle 2 der DIN EN 45545-2 definiert. Demnach müssen diese auf der Innenseite den Anforderungssatz R1 (IN1A) bzw. auf der Außenseite den Anforderungssatz R7 (EX1A) erfüllen, was die gleichen Anforderungen wie beispielsweise für Seitenwandverkleidungen sind. Maßstabsgetreue Realbrandversuche an Seitenfenstern Im Rahmen eines Forschungsvorhabens der Unternehmen Tüv Süd Rail GmbH, Flachglas Wernberg GmbH und Brandschutz Consult Ingenie- urgesellschaft mbH Leipzig wurden maßstabsgetreue Brandversuche an einem Teilmodell eines Schienenfahrzeuges durchgeführt. Das Ziel dieses Vorhabens war die qualitative Bestimmung des Brand- bzw. Bruchverhaltens von verschiedenen Varianten von Schienenfahrzeug- verglasungen. Unter Beachtung des normativ für Fahrgastbereiche vor- gegebenen Zündinitials eines Reisetaschenäquivalents (Zündmodell 5 gem. DIN EN 45545-1 [8]) sollten die Entzündungs- und Versagenstem- peraturen der Verglasungen experimentell erfasst werden. Der Versuchsaufbau bestand aus einem nachgebauten und isolierten Wagenkasten-ausschnitt mit nachgebildeter Sitzbank. Die getesteten Fenster waren in einem Aluminiumrahmen eingeklebt, welcher wiede- rum mit der Tragkonstruktion verschraubt wurde, um ggf. auftretende mechanische Belastungen aufzunehmen. Als repräsentative Zündquel- le wurde ein Heptan-Flüssigkeitsbrand verwendet, der eine Branddau- er von etwa 10 bis 12 Minuten sowie eine reproduzierbare maximale Wärmefreisetzung von 250 bis 300 kW erreichte. Die Wärmefreisetzung stieg über die Branddauer annähernd linear, womit eine realitätsnahe Brandentwicklung nachgebildet wurde. Dieses Brandereignis ist im Vergleich zum normativ vorgesehenen Zündinitial aufgrund der höhe- ren Wärmefreisetzungsrate sowie dem Verzicht auf schützende Seiten-
Homepageveröffentlichung unbefristet genehmigt für TÜV SÜD Rail GmbH / Rechte für einzelne Downloads und Ausdrucke für Besucher der Seiten genehmigt von DVV Media Group, 2019 zu diesem Zeitpunkt keine Personen mehr im potenziell gefährdeten Bereich. Die Schutzziele wären somit aufgrund der nicht mehr anwesen- den Personen im direkten Wirkungsbereich des Brandes bei Einsatz von VSG gegeben. Werkstofftechnische Bewertung Die Nachweisführung für ESG ist mit einem Verweis auf Kap. 4.2 a) der DIN EN 45545-2 und 96/603/EC als Werkstoff der Brennbarkeitsklasse A1 gemäß EN 13501 abgeschlossen. Der Nachweis für VSG gestaltet sich aufwendiger, da hierzu die Brandprüfungen gemäß Anfor- derungssatz R1 bzw. R7 durchgeführt werden müssen. Alle hierzu bereits durchgeführten Brandprüfungen mit unterschiedlichen Zwi- Abb. 2: Versuchsaufbau Realbrandversuch schenfolien führen zu dem Ergebnis, dass diese nicht den Anforderungen entsprechen. Speziell die Wärmefreisetzungsrate (MARHE-Wert) wird wandverkleidungen und Abdeckprofile als kon- Im Ergebnis zeigt sich, dass alle getesteten aufgrund des raschen und starken Flammen- servativ zu bewerten. Die Temperaturmessung VSG-Verglasungen relativ schnell nach Ver- brandes nach Splittern der oberen Glasschicht erfolgte über insgesamt zehn Oberflächenther- suchsbeginn Risse bilden. Ein Bruch bzw. teil- kurzzeitig überschritten (Abb. 3). Die weiteren moelemente sowie über sechs Gasphasenther- weiser Ausbruch von Glasteilen – und damit Kenngrößen der Anforderungssätze R1 und R7, moelemente in ca. 15 cm Abstand zur inneren Entzündung der Zwischenfolie – konnte je- die seitliche Flammenausbreitung sowie die Scheibe (Abb. 2). doch generell erst nach 4 Minuten und später Rauchgasentwicklung und Toxikologie sind all- Die Ergebnisse der Versuche sind in Tab. 1 zu- beobachtet werden. Hieraus lässt sich schluss- gemein unkritisch. sammengefasst. Aufgezeigt sind die ermittelten folgern, dass die zusätzliche Wärmefreisetzung Ein Vergleich der marktüblichen Zwischenfolien Versagenszeitpunkte der verschiedenen Vergla- aufgrund der Entzündung der Zwischenfolie für VSG – PVB, EVA und Inonomere – zeigt eine sungsvarianten sowie die dazugehörigen Gas- im VSG und der Zeitverzögerung keine Kriti- vergleichbare chemische Struktur auf. Die che- phasentemperaturen. Die Zeitangabe für den kalität für die Schutzzielgewährleistung der mische Struktur aller verwendeten Produkte ist „Sprung“ bezieht sich auf die erste Rissbildung DIN EN 45545 aufweist. von langkettigen Kohlenwasserstoffen geprägt. innerhalb einer Scheibe. Der Zeitpunkt „Bruch“ Unter Einbezug des normativ vorgesehenen Als Brandprodukte werden sich zum großen der Scheibe gilt für den vollständigen (global) Schutzkonzeptes und der initiierten Evakuierung Teile CO2 und H2O sowie bei geringeren Tem- bzw. teilweisen (lokal) Ausbruch einer Scheibe. des betroffenen Fahrzeugteils befinden sich peraturen kleinere Mengen von Aldehyden, Sprung der Scheibe Bruch der Scheibe Nr. Verglasungsart Gastemperatur °C Zeitpunkt Min:s Gastemperatur °C Zeitpunkt Min:s 1 monolithische Scheibe 307 10:45 Während der Abklingphase 19:06 ESG 6 mm mit Kratzschutzfolie [1] 2 monolithische Scheibe Während der Abklingphase 24:20 Während der Abklingphase 24:20 ESG 4 mm1 3 monolithische Scheibe Während der Abklingphase > 30:00 Während der Abklingphase > 30:00 ESG 8 mm 4 monolithische Scheibe 214 01:58 422 05:57 VSG (2 mm + 0,38 mm + 2 mm) 5 monolithische Scheibe 1:47 lokal 400 406 07:03 VSG (4 mm + 0,76 mm + 4 mm) 6:21 global 6 Isolierglas Außen - VSG (4 mm + 1,52 mm + 4 mm) 490 09:36 Während der Abklingphase 25:42 Innen - ESG 5 mm 7 Isolierglas 1:44 lokal 4:26 lokal Außen - VSG (5 mm + 0,76 mm + 5 mm) 340 418 3:10 global 6:00 global Innen - VSG (4 mm + 0,76 mm + 4 mm) 8 Isolierglas (Notausstiegfenster) 16:56 innen Außen - ESG 5 mm nicht geschehen nicht geschehen 172 13:44 außen Innen - VSG aus ESG (4 mm + 1,52 mm + 4 mm) 9 Isolierglas (Notausstiegfenster) 5:33 lokal 6:00 innen Außen - VSG aus ESG (3 mm + 0,38 mm + 3 mm) 360 160 11:13 global 13:30 außen Innen - ESG 5 mm 10 Isolierglas [2] 3:41 innen 8:38 innen Außen - VSG (4 mm + 1,52 mm + 4 mm) 380 560 5:26 außen 9:02 außen Innen - ESG 5 mm [1] Brandquelle wurde ohne Sitzkontur verwendet. Daraus folgte ein seitliches Abdriften der Flamme. [2] Platzierung der Brandquelle mittig unter der Verglasung (= Reihenbestuhlung) Tab. 1: Übersicht Versuchsergebnisse 40 EI | MÄRZ 2019
FAHRZEUGE | SICHERHEIT Homepageveröffentlichung unbefristet genehmigt für TÜV SÜD Rail GmbH / Rechte für einzelne Downloads und Ausdrucke für Besucher der Seiten genehmigt von DVV Media Group, 2019 Carbonsäuren oder Alkoholen bilden. Zusam- menfassend produzieren alle marktüblichen Zwischenfolien für VSG außer CO und CO2 keine akut toxischen Gase im Sinne der Bewertung gemäß DIN EN 45545-2. Nachweisführung aufgrund funktionaler Notwendigkeit Die DIN EN 45545-2 bietet die Möglichkeit der Nachweisführung, aufgrund der funktionalen Notwendigkeit auch Werkstoffe zu verwenden, die die normativen Anforderungen als geliste- te Komponenten nicht erfüllen. Das Vorgehen hierzu ist im Kapitel 4.7 beschrieben. So müs- sen für die Akzeptanz des Einsatzes eines nicht konformen Werkstoffes eine Marktanalyse bzgl. verfügbarer Alternativen, eine Darstellung der funktionalen Notwendigkeit sowie ein Nach- weis zur grundsätzlichen Einhaltung der defi- Abb. 3: Beispielhafter Verlauf der Wärmefreisetzungsrate (HRR) bei einer Prüfung von VSG nach ISO 5660-2 nierten Schutzziele erbracht werden. In Bezug auf die am Markt verfügbaren al- ternativen Zwischenschichten wurde deren für VSG mit einem Massenanteil organischer [6] DIN Deutsches Institut für Normung, DIN EN 45545-2, Bahnanwendungen – Brandschutz in Schienenfahrzeugen – Teil 2: Anforderungen an das vergleichbar schlechte brandschutztechni- Werkstoffe von ≤ 6 % gelten, was die meisten Brandverhalten von Materialien und Komponenten; Deutsche Fassung sche Eignung bereits beschrieben, sodass im Schienenfahrzeugbereich eingesetzten EN 45545-2:2013+A1:2015, Februar 2016 ein Bestehen der Anforderungen mit diesen Anwendungsfälle für VSG abdeckt. Subjektiv [7] European Union Agency for Railways, Railway Safety in the European Union – Safety overview 2017, Valenciennes, Frankreich, 2017 Alternativen nicht absehbar ist. Die funktio- bewertet stellt dies einen Kompromiss aus den [8] DIN Deutsches Institut für Normung, DIN EN 45545-1, Bahnanwendungen nale Notwendigkeit wurde eingangs mit den bisherigen Anforderungen der aktuell gültigen – Brandschutz in Schienenfahrzeugen – Teil 1: Allgemeine Regeln; speziellen Anforderungen im Eisenbahnbe- Version der Norm sowie den vormaligen natio- Deutsche Fassung EN 45545-1:2013, August 2013 reich dargelegt, was nicht vollständig von nalen Brandschutznormen. Diese gestanden ESG abgedeckt werden kann. Die Einhaltung der Verglasung die Priorität der mechanischen des Schutzziels Personensicherheit ist auf Ba- Stabilität für den Personenschutz zu, ohne sis der durchgeführten Realbrandversuche die Brandschutzanforderungen unverhältnis- und dem erst verspäteten Einbezug der Ver- mäßig hoch zu bewerten. glasung im Brandverlauf begründet. Bis es zu Betrachtet man die Häufigkeit von für Perso- David Rummeny, M. Sc. einem Brechen der Scheibe mit Freilegen der nen an Bord von Schienenfahrzeugen gefähr- Sachverständiger Brandschutz Zwischenfolie und einem darauffolgenden lichen Brandereignissen und vergleicht diese Tüv Süd Rail GmbH, Berlin Abbrand dieser kommt, sind gemäß dem Eva- mit anderen Ereignissen [7], so ist die Priorität david.rummeny@tuev-sued.de kuierungskonzept der DIN EN 45545-Reihe der Anforderungen eindeutig auf die mecha- keine Fahrgäste mehr im unmittelbar betroffe- nische Stabilität der Verglasung zu legen. nen Bereich anwesend. Diese befinden sich zu Dieser Logik folgend ist der im Entwurf der diesem Zeitpunkt entweder bereits außerhalb Norm enthaltene Ansatz zwar korrekt, kann des Fahrzeugs und können sich vom Fahrzeug jedoch noch erweitert werden, als dass VSG entfernen bzw. haben sich während der Wei- zukünftig keinen weiteren brandschutztech- Dr. Josef Weiß terfahrt in die angrenzenden Wagen begeben. nischen Nachweis benötigt. Somit wäre der Leiter Labor und Qualitätsmanagement Eine direkte Personengefährdung im Brandfall „Status quo“ der zurückgezogenen nationalen Flachglas Wernberg GmbH, innerhalb des Fahrzeugs durch eine VSG-Ver- Brandschutznormen wiederhergestellt und Wernberg-Köblitz glasung ist somit unter Beachtung des vorge- die Priorität der Anforderungen läge wieder josef.weiss@flachglas.de sehenen Evakuierungskonzeptes auf ein Mini- bei mechanischen Anforderungen. Eine Beein- mum begrenzt bzw. sogar ausgeschlossen. trächtigung der Personensicherheit im Brand- Mithilfe dieser Argumentation und unter Be- fall wird sich durch diese Besinnung auf die achtung der vorgegebenen Randbedingungen maßgeblich prioritär zu gewährleistenden An- kann der Einsatz von VSG unter Verwendung des forderungen nicht ergeben. Christian Schmöche, M. Sc. Kapitel 4.7 der DIN EN 45545-2 konform zu den Brandschutzingenieur verpflichtend einzuhaltenden Gesetzen und Re- QUELLEN Brandschutz Consult gelwerken akzeptiert werden. [1] Verordnung (EU) Nr. 1302/2014 der Kommission vom 18. November 2014 Ingenieurgesellschaft mbH Leipzig über eine technische Spezifikation für die Interoperabilität des Teilsystems „Fahrzeuge – Lokomotiven und Personenwagen“ des Eisenbahnsystems c.schmoeche@bcl-leipzig.de Ausblick und Resümee in der Europäischen Union, in: Amtsblatt der Europäischen Union L 356/228 ff. vom 12.12.2014 Die im vorliegenden Beitrag aufgezeigten und [2] Eisenbahn-Bundesamt, GA 3210 / 3515, Vermerk vom 01.06.2006, Hinze / zum Teil konträren Ansichten in Bezug auf Härms: Einsatz von VSG o. ESG in Seitenscheiben von Eisenbahnfahrzeugen die primäre Anforderung für die Schutzziel- [3] Eisenbahn-Bundesamt, Verwaltungsvorschrift zur Prüfung von gewährleistung von Verglasung in Schienen- Notein- und Notausstiegfenstern (NEA) in Schienenfahrzeugen, Rev. 0.2 vom 26.02.2007 Dr.-Ing. Jürgen Heyn fahrzeugen ist bereits in den Normengremien [4] Rail Safety and Standards Board Limited, Railway Group Standard GM/ Bahn-Systemingenieur, aufgenommen worden und befindet sich in RT2100 Requirements for Rail Vehicle Structures, Issue 5, Juni 2012 behördlich anerk. Gutachter, Diskussion. So sieht die aktuell im Entwurf be- [5] DIN Deutsches Institut für Normung, DIN 5510-2, Vorbeugender Abteilungsleiter Brandschutz in Schienenfahrzeugen – Teil 2: Brennverhalten und findliche E DIN EN 45545-2:2018-11 wieder die Brandnebenerscheinungen von Werkstoffen und Bauteilen – Klassifizierung, Tüv Süd Rail GmbH, Berlin Akzeptanz von VSG vor. Dies soll jedoch nur Anforderungen und Prüfverfahren, Mai 2009 juergen.heyn@tuev-sued.de EI | MÄRZ 2019 41
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