Werner Ziems Vergessene Engel Barocke Schnitzwerke - hinausgeworfen und wiederentdeckt

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Werner Ziems Vergessene Engel Barocke Schnitzwerke - hinausgeworfen und wiederentdeckt
Werner Ziems
        Vergessene Engel
        Barocke Schnitzwerke – hinausgeworfen und wiederentdeckt

                                                                                                Werner Ziems ist Amtsrestaurator
                                                                                                          im Brandenburgischen
                                                                                                   Landesamt für Denkmalpflege

                                   Berge (Prignitz); Fotos: Brandenburgisches Landesamt für
                                         Denkmalpflege und Archäologisches Landesmuseum

     »Auf dem Kirchenboden liegt ein                sein muss, wurde vergessen, überdau-
     schadhafter Taufengel.« Mit dieser             erte aber die Zeiten bis heute im
     nüchternen Feststellung wurde in dem           Nachbarort Berge, wenn auch mit zu-
     1909 erschienenen Band der Kunst-              nehmenden Schäden.
     denkmäler der Provinz Brandenburg des              »Ein stark beschädigter Taufengel
     Kreises Westprignitz über den schlech-         im Turm« der Kirche in Plänitz heißt
     ten Erhaltungszustand des Taufengels           es 1914 in dem Band der Kunstdenk-
     aus der Dorfkirche in Hülsenbeck be-           mäler der Provinz Brandenburg Kreis
     richtet. Die 1717 errichtete barocke           Ruppin. Hierbei dürfte es sich um den
     Fachwerkkirche steht längst nicht              heute noch auf dem Dachboden der
     mehr. Sie wurde 1968/69 wegen                  1872 errichteten Kirche im benach-
     schwerer Bauschäden abgerissen. Der            barten Leddin vorhandenen und ver-                 Zernitz (Ostprignitz-Ruppin)
     kleine Taufengel, der schon 1909 seit          gessenen Taufengel handeln. Weitere
     längerer Zeit außer Gebrauch gewesen           Einzelteile des Engels, ein Flügelfrag-
                                                    ment und der rechte Unterschenkel,        vinz Brandenburg Kreis Ostprignitz als
                                                    fanden sich dort im Schutt.               auf dem Dachboden der Kirche liegend
                                                        In dem nahe gelegenen Zernitz         erwähnt und wieder vergessen wurde.
                                                    hat sich ein Bruder des letztgenann-          Unweit davon, in Holzhausen,
                                                    ten Taufengels erhalten, der bereits      liegt »auf dem Kirchboden ein gut er-
                                                    1907 in den Kunstdenkmälern der Pro-      haltener Taufengel mit einer Schale in

           Plänitz (Ostprignitz-Ruppin)                                                            Holzhausen (Ostprignitz-Ruppin)

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        Vergessene Engel
Werner Ziems Vergessene Engel Barocke Schnitzwerke - hinausgeworfen und wiederentdeckt
sind inzwischen den widrigen Um-
                                                                                                             ständen, die sich aus dem schlechten
                                                                                                             Erhaltungszustand und veränderten
                                                                                                             Auffassungen von Geschmack und
                                                                                                             Nutzung ergaben, zum Opfer gefallen.
                                                                                                             Auch ein Beleg dafür wird in dem
                                                                                                             Band der Kunstdenkmäler der Provinz
                                                                                                             Brandenburg Kreis Cottbus 1938 für
                                                                                                             den ehemaligen Taufengel aus Groß
                                                                                                             Kölzig angeführt: Er »[...] wurde 1934
                                                                                                             als zu wurmstichig verbrannt.«
                                                                                                                 Bei den intensiven Nachforschun-
                                                                                                             gen, die in den vergangenen Jahren
                                                                                                             durch das Brandenburgische Landes-
                                                                                                             amt für Denkmalpflege und Archäolo-
                                                                                                             gisches Landesmuseum im Rahmen ei-
                                                                                                             ner systematischen Erfassung des
                                                                                                             Bestandes an Taufengeln im Land
                                                                                                             Brandenburg durchgeführt wurden,
                                                             Kreblitz (Dahme-Spreewald)                      kamen weitere bisher unbeachtete
                                                                                                             und zum Teil unbekannte, in keinen
                                                                                                             Kunstführern erwähnte Taufengel
den Händen, bemalt (war noch bis          der während der damaligen Erfassung                                zum Vorschein, die dringend unsere
1895 im Gebrauch)«, wie die selbe         durch Denkmalpfleger im ausgehen-                                  Aufmerksamkeit verdienen. Die Un-
Quelle berichtet. In Gestalt und Mach-    den 19. und zu Beginn des 20. Jahr-                                tersuchungsergebnisse dieser Be-
art den Engeln in Plänitz und Zernitz     hunderts erwähnten Taufengel sind                                  standserfassung werden als Ar-
sehr ähnlich, ist auch dieser seit 110    leider nicht mehr aufzufinden. Sie                                 beitsheft 14 des Brandenburgischen
Jahren nicht mehr im Gebrauch, be-
schädigt und zu Unrecht vergessen.
    Von einem weiteren Taufengel wird     Anzeige

in dem Band der Kunstdenkmäler der
Provinz Brandenburg Kreis Luckau
1917 in der Dorfkirche in Kreblitz be-
richtet: »Der heutige Taufstein hat an-
scheinend einen jetzt auf dem Kir-
chenboden aufbewahrten, in seiner
ursprünglichen Bemalung noch erhal-
tenen, etwas handwerksmäßigen Tauf-
engel im Jahre 1873 verdrängt.« Noch
bis zum Jahre 2005 war die Situation
in Kreblitz unverändert – 132 Jahre
auf dem Dachboden der Kirche »ver-              »Tausend Jahre Taufen in Mitteldeutschland«
gessen«.
                                                Ausstellung 20. August – 5. November 2006                                  Dom zu Magdeburg
Die Zeit scheint für diese ehemaligen
                                                Eine Ausstellung der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen
Taufengel stehen geblieben zu sein.
Einst hoch geschätzt, unter erhebli-            und des Kirchenkreises Magdeburg
chem Kostenaufwand zur Ehre Gottes              Gezeigt werden u. a. steinerne, bronzene, hölzerne Taufen, kostbare silberne Taufschalen und -kannen,
und der Verkündigung des Evangeli-              Urkunden, Taufkleidung und Taufengel aus allen Regionen unserer Landeskirche.
ums in den Dienst der Kirchengemein-            Die Taufe und ihre Ausschmückung in Kunst und Geistesleben war nie zuvor Gegenstand einer so
de gestellt, waren sie nach Jahrzehn-           umfassenden Präsentation. Begleitet wird die Ausstellung von einer intensiven wissenschaftlichen
                                                Auseinandersetzung mit dem Taufsakrament.
ten treuen Dienstes physisch und                Dem Ausstellungsbeirat gehören ausgewiesene Fachleute aus dem gesamten Bundesgebiet an.
moralisch verschlissen, wurden in ent-
legenen Winkeln der Kirchen abgelegt            Kontakt und Information:
und gerieten alsbald in Vergessenheit.          Ausstellungsbüro • Leibnizstr. 50 • 39104 Magdeburg
                                                Tel.: 0391- 5346-569/-570 • Fax: 0391- 5346-555
Dass sie dort immer noch zu finden
                                                e-mail: taufausstellung@ekmd.de • www.taufausstellung.de
sind, grenzt oft an ein Wunder. Aber
der Zahn der Zeit nagt unaufhörlich             Mit freundlicher Unterstützung:

an der desolaten Substanz, und ihr
                                                                                        Ostdeutsche Sparkassenstiftung
                                                                                        im Land Sachsen-Anhalt gemeinsam
                                                                                        mit der Stadtsparkasse Magdeburg

Schicksal hängt an dem buchstäb-                                                                                           Medienpartner:

lichen seidenen Faden, der in jedem                                                     Stiftung Kunst und Kultur der
                                                                                        Stadtsparkasse Magdeburg

Moment zu reißen droht. Ein Schick-
sal, das diese Taufengel mit einer gan-
zen Reihe von meist stark beschädig-                                                                Propstsprengel
ten oder nur in Fragmenten erhalten                                                                 Erfurt-Nordhausen

Leidensgenossen teilen. Viele andere

                                                                                                                                                        73
                                                                                                                                   Vergessene Engel
Werner Ziems Vergessene Engel Barocke Schnitzwerke - hinausgeworfen und wiederentdeckt
Landesamtes für Denkmalpflege und
     Archäologischen Landesmuseums in
     diesem Jahr publiziert. Zum ersten
     Mal wird der gesamte Bestand der
     heute noch erhaltenen Taufengel in
     Brandenburg in einem alphabetisch
     geordneten Katalogteil beschrieben
     und abgebildet. Dem Katalogteil vor-
     angestellt ist ein Berichtsteil, der ver-                                                                Laaslich (Prignitz)
     schiedene Aufsätze zum Thema Tauf-
     engel, insbesondere zum erhaltenen
     Bestand, zu Forschungsergebnissen           errichteten Kirche in Woltersdorf ge-      und Teile der Hände, Füße und des Ge-
     über Werkstattbezüge und Beiträge           funden, wo er vermutlich schon seit        wandes. Die Farbfassung ist gelockert.
     zur Problematik der Erhaltung von           längerer Zeit lagerte. Über seine ur-
     Taufengeln enthält. Ergänzt wird die-       sprüngliche Herkunft gibt es keine ge-     Laubst
     se Publikation durch Beiträge über          naue Kenntnis. In der rechten Hand         Kreis Spree-Neisse
     Taufengel in den nördlich und östlich       trug der Engel vermutlich die Tauf-            Ursprünglich hing der Taufengel in
     angrenzenden Regionen, zu branden-          schale, die nach oben gestreckte linke     der Mitte der Kirche an einem dort
     burgischen Bildhauerwerkstätten und         dürfte ein Spruchband oder einen Pal-      jetzt noch vorhandenen Gestänge. Die
     durch den Bericht über die Restaurie-       menzweig gehalten haben. Von der           daran befestigte filigrane Wappenkar-
     rung eines Taufengels als Beispiel für      originalen Leimfarbenbemalung haben        tusche trägt die Jahreszahl der Stif-
     konservatorische und restauratorische       sich nur Reste erhalten.                   tung »1752«. Auf dem Dachboden hat
     Problemstellungen.                                                                     sich die Hängevorrichtung mit Rollen
                                                 Laaslich                                   und dem mit Steinen beschwerten
                                                 Kreis Prignitz                             Holzkasten erhalten. Die Haltung der
     Einige der besonders hilfsbedürftigen           Von der Figur ist nur noch der         Hände lässt vermuten, dass dieser En-
     Exemplare sollen hier exemplarisch          Rumpf erhalten. Durch den Verlust          gel möglicherweise einen Metallring
     vorgestellt werden.                         beider Arme ist nicht mehr festzustel-     zur Aufnahme der Taufschale hielt. Ein
                                                 len, wie er einst die Taufschale hielt.    Spruchband mit der Aufschrift: »Wer
     Woltersdorf                                 Die originale Bemalung ist fast gänz-      da glaubet und getauft wird der wird
     Kreis Potsdam-Mittelmark                    lich verloren, die wenigen erhaltenen      selig werden Marc.16.16« war unter-
        In beschädigtem und stark ver-           Reste sind gelockert, lassen aber noch     halb der Brust mit Holznägeln am Kor-
     schmutztem Zustand wurde der Tauf-          die ursprüngliche Farbigkeit erkennen.     pus befestigt. Auffällige Schäden sind,
     engel auf dem Dachboden der 1827                                                       neben dem Verlust von Zehen und Fin-
                                                 Schilde
                                                 Kreis Prignitz
                                                 Die Herkunft des Taufengels ist nicht
                                                 gesichert. Seine Entstehung könnte im
                                                 Zusammenhang mit der Errichtung des
                                                 1709 entstandenen Altars erfolgt sein.
                                                 Die Stellung der Arme lässt das Hal-
                                                 ten eines Kranzes zur Aufnahme der
                                                 Taufschale vermuten. Trotz der star-
                                                 ken Verschmutzung und zahlreicher
                                                 Fehlstellen lässt sich die originale Be-
                                                 malung erkennen. Durch die ungün-
                                                 stige Lagerung und Schädlingsbefall
                                                 sind zahlreiche Verluste und Schäden
                                                 am Holz und der Bemalung festzustel-
                                                 len: Es fehlen beide Flügel, der Kranz

                                                                                                            Laubst (Spree-Neiße)

                                                                                            gern, die geöffneten Leimfugen und
                                                                                            die abgebrochenen Flügel. Die Fassung
                                                                                            ist gelockert und die gesamte Oberflä-
          Woltersdorf (Potsdam-Mittelmark)                           Schilde (Prignitz)     che verschmutzt.

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        Vergessene Engel
Werner Ziems Vergessene Engel Barocke Schnitzwerke - hinausgeworfen und wiederentdeckt
Obwohl die genannten Beispiele durch                                               dig verloren, nur an wenigen Partikeln
teilweise extreme Schäden gezeichnet                                               lässt sich die ehemals rote Farbigkeit
sind, ist ihr Zustand doch nicht hoff-                                             des Untergewandes nachweisen.
nungslos. Sie zu erhalten und in einen
angemessenen und gesicherten Zustand                                               Wenzlow
zu versetzen, sollte uns Verpflichtung                                             Kreis Potsdam-Mittelmark
sein. Denn trotz der Schäden haben                                                     Der Taufengel hat seinen Platz
sich die vernachlässigten und lange                                                noch in der Mitte des Kirchenschiffs
Zeit vergessenen Taufengel etwas be-                                               vor der Orgelempore, dort ist er an
wahrt, was den Betrachter auch heute                                               dem mit bronzierten Kugeln besetzten
noch emotional bewegt. Mitunter                                                    originalen Gestänge befestigt. In der
scheinen diese gerade durch die Spu-                                               linken Hand hält er ein blaues Spruch-
ren der Zeit einen neuen Ausdrucks-                                                band mit der Aufschrift: »Sei getreu
wert hinzu bekommen zu haben, der                                                  bis in den Tod, so will ich Dir die Freu-
mit dem teilweise harten Einzelschick-                                             de des Lebens sein«. Mit der rechten
sal des jeweiligen Engels verbunden ist.                                           Hand reicht er die Muschelschale. Eine
Ganz besonders bei diesen fragmenta-                                               Besonderheit ist die auf dem Muschel-
rischen Figuren kommt es darauf an,                                                rand sitzende Taube, die ihren Schna-
ihre originale Substanz zu bewahren                                                bel in das Taufwasser zu tauchen
und ihnen durch behutsame erhalten-                                                scheint. Von den großen bronzierten
de Maßnahmen ein würdiges Äußeres                                                  Flügeln ist am linken ein Teil abge-
zu verschaffen, um sie wieder im Kir-                                              brochen und lagert auf der Empore.
chenraum präsentieren zu können.                                                   Unter der sichtbaren Bemalung befin-
Auch fragmentarisch erhaltene Taufen-                                              den sich noch Reste von zwei frühe-
gel, die ihre Flügel verloren haben und            Buckau (Potsdam-Mittelmark)     ren Bemalungen. Die Malschicht ist
die vielleicht auch keine Hände mehr                                               stellenweise gelockert und auffällig
haben, um eine Taufschale zu halten,                                               stark mit Vogelkot verschmutzt.
können einen würdigen Platz in der         führten zum Verlust von Flügeln, Ar-
Kirche finden. Gerade diese Engel sind     men, Füßen, Fingern und Teilen des         Es bleibt zu hoffen, dass diesen
bis jetzt von entstellenden Erneuerun-     Gewandes. Ein breit klaffender Trock-   »Vergessenen« auch danach in ihren
gen durch dilettantische Anstriche ver-    nungsriss durchzieht die gesamte        angestammten Kirchen wieder die
schont geblieben und haben so ihre         Skulptur an der Vorderseite. Die Be-    Aufmerksamkeit zuteil wird, die ihren
Authentizität mit den Resten der ori-      malung der Figur ist nahezu vollstän-   möglichst langen Fortbestand sichert.
ginalen Farbfassung bewahrt. Fachge-
rechte Restaurierungen müssen nicht
zwangsläufig zu einer neuen Farbfas-                                                      Wenzlow (Potsdam-Mittelmark)
sung und neuen Blattvergoldungen
führen. Oft ist weniger mehr und die
erhaltende Konservierung einer erneu-
ernden Restaurierung vorzuziehen.

Für zwei der brandenburgischen »Sor-
genkinder«, die Taufengel aus Buckau
und Wenzlow, haben sich »Retter in
der Not« gefunden. Sie können an-
lässlich der im Sommer diesen Jahres
in Magdeburg stattfindenden Ausstel-
lung »Tausend Jahre Taufen in Mittel-
deutschland« durch private Spenden
fachgerecht restauriert und während
der Ausstellung im Dom zu Magdeburg
besichtigt werden.

Buckau
Kreis Potsdam-Mittelmark
    Der qualitätvolle Taufengel wurde,
lange Zeit unbeachtet und vergessen,
unter Schuttbergen wiederentdeckt.
Ursprünglich trug er in seiner rechten
Hand die Taufschale, die nach oben
gestreckte linke könnte ein Spruch-
band oder einen Palmenzweig gehal-
ten haben. Die Verleimungen der aus
vielen Einzelteilen zusammengefügten
Figur haben sich teilweise gelöst und

                                                                                                                               75
                                                                                                    Vergessene Engel
Werner Ziems Vergessene Engel Barocke Schnitzwerke - hinausgeworfen und wiederentdeckt Werner Ziems Vergessene Engel Barocke Schnitzwerke - hinausgeworfen und wiederentdeckt Werner Ziems Vergessene Engel Barocke Schnitzwerke - hinausgeworfen und wiederentdeckt Werner Ziems Vergessene Engel Barocke Schnitzwerke - hinausgeworfen und wiederentdeckt Werner Ziems Vergessene Engel Barocke Schnitzwerke - hinausgeworfen und wiederentdeckt Werner Ziems Vergessene Engel Barocke Schnitzwerke - hinausgeworfen und wiederentdeckt
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