Verhandeln! Konflikte lösen in Engagement, Arbeitsgruppe und Unterricht - Tagungsdokumentation - BürgerStiftung Hamburg Yousful
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Tagungsdokumentation Verhandeln! Konflikte lösen in Engagement, Arbeitsgruppe und Unterricht 9. ['You:sful] Fachtagung, 5. April 2017 Menschen verbinden – Zukunft stiften
/ 2 / Verhandeln! Konflikte lösen in Engagement, Arbeitsgruppe und Unterricht / Liebe Leserinnen und Leser, Was aber hat Verhandeln mit „Lernen vielen Konflikten zwischen Stadt und durch Engagement“ zu tun? Engage- Initiativen. Bei der Mediatorin Tanja ment verhandelt immer die Frage, wie Witten vom Institut für konstruktive wir miteinander leben wollen. Was ist Konfliktaustragung und dem Demokra- wichtig? Wofür setzen wir uns ein? Wie tiepädagogen Tammo Krüger, die in erreichen wir unser Ziel? Verhandelt ihren Workshops der Frage nachgegan- wird mit unseren Mitstreitern, mit gen sind, wie wir achtsamer miteinan- möglichen Widersachern, mit poten der umgehen und die großen und Birgit Schäfer, Vorsitzende des ziellen Unterstützern. Die Konflikte sind kleinen Reibereien in Arbeitsgruppen Vorstands der BürgerStiftung dabei oft gar nicht so sehr das Problem, gewinnbringend nutzen können. Mein Hamburg denn sie können helfen, Aspekte zu Dank geht auch an Tanja Schwichten- entdecken, die wir vorher nicht gesehen berg, die für die jungen Tagungsteilneh- verhandelt wird über den Brexit in der haben. Misslingen aber Verhandlungen, menden drei Spiele mitgebracht hatte, Politik, über Streitfälle vor Gericht, über führt das oft zu Blockade und Frust. in denen sie ihr Verhandlungsgeschick Preise in der Wirtschaft. Verhandelt Auf der 9. ['You:sful]-Tagung haben wir ganz praktisch erproben konnten. wird, wenn Kinder mit ihren Eltern um diese Herausforderung im „Lernen Im Zentrum unserer Tagungsdokumen- Ausgehzeiten und Taschengeld ringen durch Engagement“ genauer in den tation aber soll das Engagement der – ich habe sogar von Familien gehört, Blick genommen. Ich möchte mich an rund 70 Schülerinnen und Schüler aus die jahrelang in Grabenkämpfen zum dieser Stelle noch einmal sehr herzlich 12 Schulen stehen, die uns Einblick in Thema „Nussnougatcreme zum Abend- bedanken für die wertvolle Unterstüt- ihre Projekte gewährt haben und damit brot: ja oder nein“ gefangen waren. zung: bei Dr. Anjes Tjarks (MdHB), sicher andere inspirieren können, es Verhandeln ist große Politik und Ver- Fraktionsvorsitzender der Grünen und ebenfalls mit dem „Lernen durch Enga- handeln ist Alltag. erfahrener Verhandlungspartner in gement“ zu versuchen. ['You:sful] unterstützt Schulen im „Lernen durch Engagement“ „Lernen durch Engagement“ verbindet den Unterricht mit einem gemeinnützigen Engagement der Schülerinnen und Schüler. Diese Lehr- und Lernmethode macht den Unterricht lebendiger und trägt zum zivilgesellschaftlichen Selbstbewusstsein der Schülerinnen und Schüler bei. Mit dem Programm „['You:sful] – Lernen durch Enga- gement“ hilft die BürgerStiftung Hamburg rund 20 Schulen, diese Lehr-Lernform bei sich zu etablieren. ['You:sful] bietet Lehrerfortbildungen, Austausch im Netzwerk, Arbeitsmaterialien, Evaluationen und individuelle Beratung von Schulen. ['You:sful] wird unterstützt von ['You:sful] arbeitet zusammen mit dem Bundes-Netzwerk „Lernen durch Engagement“ dem Hamburger Landesinstitut für Schulentwicklung und Lehrerbildung der Ehrenamtsagentur Stiftung Gute Tat
/ 3 / Verhandeln! Konflikte lösen in Engagement, Arbeitsgruppe und Unterricht / Der Deal muss tragen Anjes Tjarks über Verständnis, Verhandlungsmasse und die strategische Bedeutung des Protokolls Wie können Verhandlungen gelingen? Dr. Anjes Tjarks, Fraktionsvorsitzender der Grünen in der Hamburgischen Bür- gerschaft, hat eine Menge Erfahrung darin. Gemeinsam mit dem Fraktionsvor- sitzenden der SPD-Fraktion, Andreas Dressel, hat er in den letzten Jahren viele erfolgreiche Verhandlungen mit Volks initiativen geführt, die gegen Projekte des Senats Stellung bezogen hatten. Den großen Kompromiss zu den Vertei- lungsschlüsseln von Geflüchteten in Hamburg hatten Tjarks und die Volksini tiative „Hamburg für gute Integration“ wenige Stunden vor seiner Rede auf der Tagung unter Dach und Fach gebracht. So konnte er gut gelaunt davon erzäh- len, wie es klappen kann, auch vertrack- te Verhandlungen zu einem glücklichen Zeigt echtes Interesse! Ende zu bringen. ven Anschlusstreffen vereinbart und ralen Interessen gewahrt werden Acht Regeln gibt Tjarks den Schülerin- Aufgaben verteilt, die jeweils bis zum sollen. nen und Schülern mit auf den Weg: nächsten Treffen intern geklärt wer- 8. Euer Deal muss tragen: Die Verhand- 1. Zeigt echtes Interesse an der Po den mussten. lungspartner müssen die Verantwor- sition eurer Verhandlungspartner: 4. Lasst Argumente von Experten prü tung dafür übernehmen, dass die Aufrichtiges Bemühen, die Gegensei- fen: Expertise von außen hilft, die Kompromisse von allen Personen, die te zu verstehen, ist eine Grundvor- Argumentation zu versachlichen. sie vertreten, auch wirklich ange- aussetzung erfolgreicher Verhand- 5. Reißt euch um das unbeliebte Pro nommen werden. lungen. tokollieren: Wer schreibt, ist klar im 2. Bezieht die Gegenseite in die Pro Vorteil. Protokolle schaffen Verbind- Und noch einen Effekt haben gute Ver- blemlösung mit ein: Welche Ideen lichkeit und sichern Ergebnisse ab. handlungen selbst bei Verhandlungs- entwickeln die Verhandlungsgegner, 6. Beginnt mit den Themen, bei de partnern, deren Positionen oft weit hier z. B. für die Unterbringung der nen ihr nicht weit auseinander voneinander entfernt sind: Der gegen- Geflüchteten? liegt: Das schafft Vertrauen und seitige Respekt wächst, manchmal so- 3. Bleibt im Gespräch – auch wenn erste ermutigende Erfolge. gar die Sympathie. Lange Verhandlun- die Verhandlungen mühsam sind. 7. Baut Verhandlungsmasse auf: Wer gen schweißen die Verhandlungspart- Der Abbruch von Gesprächen lässt neue Themen mit in die Verhandlung ner auf eine eigentümliche Art und eine gemeinsam Lösung in weite einbringt, kann dort Zugeständnisse Weise zusammen – so unterschiedlich Ferne rücken. Deshalb wurden bei machen, wo es weniger weh tut, und die Meinungen in vielem auch bleiben jedem Treffen mit den Volksinitiati- dort beharrlich bleiben, wo die zent- werden. //
/ 4 / Verhandeln! Konflikte lösen in Engagement, Arbeitsgruppe und Unterricht / Schüler zeigen Engagement Stadtplanung, Umweltschutz, Gerechtigkeit, Obdachlosigkeit, Flucht, Bildung und Gesundheit – das waren die Themen, die dieses Jahr von den Schülerinnen und Schü- lern in Bewegung gesetzt wurden. 70 Delegierte aus 13 Schulen, von der 1. bis zur 12. Klasse, präsentierten ihr Engagement auf dem „Markt der Möglichkeiten“, besuchten sich gegenseitig an den Ständen, tauschten Tipps, Telefonnummern und Erfahrungen. Stadtentwicklung und Umweltschutz Kinder und Jugendliche wollen nicht nur, sie müssen auch beteiligt werden – bei allem, was die Stadt plant und was Kinder- und Jugendinteressen direkt berührt. So Die hier gezeigten Projekte nehmen wollen es die UN-Kinderrechte und seit einigen Jahren auch das Bezirksverwaltungs- Bezug auf die Curricula Arbeitslehre, gesetz (§ 33). Zum Bürgerbeteiligungsverfahren „Eimsbüttel 2040“ gehört deshalb Gesellschaft, Kunst, Biologie, Sozial- selbstverständlich auch die Jugendbeteiligung. Aber auch ungefragt mischen sich und Rechtserziehung, Verkehrser Jugendliche in ihre Belange ein, zum Beispiel bei der Frage nach einer neuen Ver- ziehung, Umwelterziehung. kehrsführung vor ihrer Schule oder wenn es um den Plastikmüll im Meer geht. Gymnasium CorveystraSSe, Gymnasium Hoheluft, Ida-Ehre-Schule, S. 2 und Jg. 8 Eimsbüttel 2040: Jugendbeteiligung für das zukünftige Eimsbüttel „Wie wollen wir in Eimsbüttel 2040 le- lerinnen und Schüler eine Menge bei- ihnen im August die Zusammenarbeit ben?“ Das Bezirksamt Eimsbüttel rief zutragen haben. mit dem Bezirksamt Eimsbüttel vorge- 2016 die Bürgerinnen und Bürger zum „Wir wollen, dass in dem Stadtteil, in schlagen, und das Profil war schnell Mitdenken auf. Im Vorwege halfen drei dem wir wohnen, das Grün erhalten überzeugt. Sie gingen auf Entdeckungs- Schulen aus dem ['You:sful]-Netzwerk, bleibt“, erklären Tristan, Rosa, Yannick, tour durch Eimsbüttels Grün, schlugen auch Jugendliche in den Beteiligungs- Angelina und Martin aus dem Oberstu- in enger Abstimmung mit dem Bezirk prozess mit einzubeziehen, und zeigten fenprofil „Medien und Gesellschaft“ des neue Nutzungen für tote Ecken in den damit, dass sie solche Prozesse in die Corvey-Gymnasiums. Ihre Lehrer Rainer Parks vor, forderten Wegebeleuchtun- Praxis umsetzen können und ihre Schü- Güttner und Andreas Fischer hatten gen im Henry-Vahl-Park, entwickelten „An diesem Projekt war toll, dass wir so viel mitentscheiden konnten.“ Ideen für den Spielplatz im Eidelstedt- Center und machten sich dafür stark, die neu entstehenden Flächen auf dem Autobahndeckel in Stellingen für viel Natur zu nutzen. Auch Betül, Sophie und Paul aus dem Wahlpflichtkurs „Lernen durch Engage- ment“ des Gymnasiums Hoheluft haben „Wichtig war, dass die Kommunikation mit dem Bezirksamt gestimmt hat.“ Profil Medien und Gesellschaft, bei „Eimsbüttel 2040“ mitgemacht. Sie Gymnasium Corveystraße haben Kinder und Jugendliche nach
/ 5 / Verhandeln! Konflikte lösen in Engagement, Arbeitsgruppe und Unterricht / Ida-Ehre-Schule: Planungen für Eimsbüttel „Bei unserer Präsentation im Bezirksamt waren wir echt professionell!“ Sophie, Gymnasium Hoheluft Lieblingsecken und problematischen konnten“, findet Paul. Ob sie erfolgreich und zum Chillen und Angeln einladen. Orten im Stadtteil befragt und mithilfe waren? „Das“, so Betül, „wissen wir erst Unterstützt von ihren Profillehrerinnen ihres Geografielehrers Sören Berger die 2040. Aber man hat uns zugehört und Julia Demuth und Pamela Kohse bauten Ergebnisse in einer interaktiven Karte das war Sinn der Sache, dass die Exper- sie ein Modell, das bei seiner Präsenta- aufbereitet. Heraus kam ein Stadtplan ten im Bezirksamt zuhören und mit tion im Bezirksamt sofort auf das Inte- der besonderen Art: mit Hinweisen auf unseren Ideen was Gutes machen.“ resse der Stadtplanungsprofis stieß. vollkommen nutzlose Bänke an stark „Tatsächlich sollte dort etwas verändert befahrenen Kreuzungen, besonders Auch Elric aus der Ida-Ehre-Schule war werden, und die Leute vom Amt haben spatzenfreundlich begrünte Fassaden, mit seinen Mitschülerinnen und Mit- uns gefragt, ob wir Lust hätten, bei der auf Dönerbuden, die von besonderer schülern aus dem 8.-Klasse-Profil Planung zu helfen.“ Insofern ist es für Bedeutung für das Zusammenleben ['You:sful] mit dabei. Ihre Idee: Ein Elric keine Frage, ob sie etwas mit ih- sind u.v.a. Eine echte Fundgrube für die kleiner Holzsteg, eine Wiese und Bäu- rem Engagement erreicht hätten. „In Stadtplaner. „An diesem Projekt war me am Isebekufer sollen die bisherige dem Moment wussten wir: Wow, das toll, dass wir so viel mitentscheiden Betonlösung an diesem Platz ersetzen Ding läuft.“ // CArL-VON-OSSIETZKY-GYMNASIUM, AMNESTY-KUrS, JG. 8–10 Verkehrssicherheit ohne die geplante Tempo30Zone Das Thema betrifft sie unmittelbar auf den ersten Blick vernünftig klingt, Tempo-30-Zone war ihnen wichtig. Sie selbst: die Einrichtung einer neuen birgt für die Schülerinnen und Schüler machten eine Verkehrszählung und Tempo-30-Zone vor ihrer Schule. Und also eher Unübersichtlichkeit und Ge- eine Umfrage unter Mitschülern, infor- die Schülerinnen und Schüler im Am- fahren. Ihr Amnesty-Kurs unter der mierten die Bürgerinnen und Bürger nesty-Kurs des Carl-von-Ossietzky- Leitung von PGW-Lehrerin Anna Brock- und schärften ihre Argumente in simu- Gymnasiums sind klar dagegen. Dage- meier ermöglicht den Jugendlichen lierten Verkehrsausschusssitzungen. Im gen? „Ja, diese Tempo-30-Zone würde politisches Engagement und reflektiert Juni wurde daraus dann Ernst: Die Ju- bedeuten, dass unsere Fahrradwege diese Erfahrungen im Unterricht. Ur- gendlichen durften ihre Bedenken im wegfallen und auch die Ampel, die uns sprünglich war er eingerichtet worden, echten Verkehrsausschuss in Wandsbek und die Grundschüler sicher über die um Kooperationsprojekte mit “Amnesty vorstellen und erreichten, dass es im Straße bringt. Fahrradfahrer, Eltern, die International“ auf die Bahn zu bringen. Oktober 2017 einen weiteren Ortster- ihre Kinder bringen, Autos, Busse, Schü- Das passiert auch immer noch, aber min gab, auf dem sie tatsächlich die lerinnen und Schüler, wir alle müssten gelegentlich gehen die Jugendlichen bezirklichen Stadtplaner überzeugen uns die Straße teilen“, erklärt Julia. Was hier auch andere Wege. Das Thema konnten. //
/ 6 / Verhandeln! Konflikte lösen in Engagement, Arbeitsgruppe und Unterricht / ALBrECHT-THAEr-GYMNASIUM, S. 2 St. Pauli und die Gentrifizierung „Wir stehen noch ganz am Anfang un- teil wie St. Pauli tun?“, erklärt Norwin. Obdachlosigkeit kümmern. Die Proble- serer Überlegung“, berichtet rosa aus Er wird sich mit seiner Arbeitsgruppe me sind erkannt, jetzt wird an den Lö- dem Oberstufen-Profil „Demokratie das Thema Gentrifizierung und Miet- sungen gearbeitet: Welche Organisati- und Verantwortung“ vom Albrecht- preise vornehmen. rosa und Marleen onen sind im Viertel aktiv, gibt es dort Thaer-Gymnasium. Zunächst einmal Unterstützung für die Schülerideen haben die Jugendlichen zusammen mit oder die Möglichkeit, sich an bestehen- „Einfach anfangen und ihrem Lehrer Christopher Mannigel den Projekten zu beteiligen? „Einfach Kontakt aufnehmen!“ Hamburger Stadtteile im Unterricht anfangen und Kontakt aufnehmen, da- unter die Lupe genommen, die mit viel rum geht es jetzt“, sagt Marleen und ist Arbeitslosigkeit und Armut zu kämpfen recherchieren zum Thema Frauenrechte zuversichtlich, dass die Einrichtungen haben. „Das war unser Ausgangspunkt: und Sexismus, Louis möchte sich mit Engagement und gute Ideen zu schät- Was können wir für einen solchen Stadt- seiner Arbeitsgruppe um das Thema zen wissen. // CArL-VON-OSSIETZKY-GYMNASIUM, JG. 6 Das große Aufräumen am meer Eigentlich sollte es eine ganz normale cken oder Fische Kunststoff fressen und findet Matilda, müsse man sich einfach Klassenreise werden. Die Schutzstation mit vollem Plastikbauch verhungern. durchsetzen. Drei Stunden haben die Wattenmeer wollte mit ihrem Film die Anstatt in der Freizeit rumzuhängen, so Kinder am Strand gesammelt und acht Sechstklässler des Carl-von-Ossietzky- ihr Vorschlag, sollten wir besser Müll Müllsäcke voll mit Netzen, Bändern, Gymnasiums vor der Fahrt nur für die sammeln gehen im Watt. Flaschen und Teer entsorgt. Ob’s ge- Gefahren sensibilisieren, die den Mee- Die meisten Mitschüler fanden, das sei nützt hat? „Wir waren froh, dass wir ren durch den Plastikmüll drohen. Ma- eine gute Idee, aber bei einigen muss- überhaupt etwas getan haben“, meint tilda und Luisa aber machten gleich ein ten die Mädchen in der Schulpause Luisa, „außerdem hat es richtig Spaß Engagementprojekt daraus. Sie wollten noch Überzeugungsarbeit leisten. „Das gemacht. Und wir haben gelernt, was etwas dagegen tun, dass sich Vögel in ist auch eure Umwelt, und ohne Umwelt den Vögeln schadet und worauf man Plastikbändern verheddern und ersti- können wir nicht leben!“ Manchmal, so achten muss.“ // „Wir können das nicht so lassen!“ Matilda und Luisa
/ 7 / Verhandeln! Konflikte lösen in Engagement, Arbeitsgruppe und Unterricht / Gerechtigkeit Wie wollen wir miteinander leben? Das Thema Gerechtigkeit ist für Kinder und Ju- gendliche nicht nur eine Frage theoretischer Reflexion, sondern ganz klar eine Frage, Die hier gezeigten Projekte nehmen die zum Handeln auffordert und die unterschiedlichsten Projekt-Ideen hervorsprudeln Bezug auf die Curricula Englisch, lässt. Wie leben wir mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen zusammen, was Geografie, Gesellschaft, PGW, Reli tun gegen Gewalt, welche Verantwortung haben wir den Holocaust-Überlebenden gion, Berufsorientierung, Globales gegenüber? Die diesjährigen Schülerprojekte haben sich all diesen Fragen handelnd Lernen, Sozial- und Rechtserziehung. angenähert. Stadtteilschule Bergedorf, Profil „English in Motion“, Jg. 8 Werben für Diversity Wer das Profil „English in Motion“ wählt, denkt ohnehin schon über Grenzen hin- aus – und der Einstieg in die Profilarbeit nahm dieses Interesse gleich auf, berich- tet Jodie: „Wir haben über andere Kultu- ren oder Länder recherchiert und dann geguckt, was es für Unterschiede auf der Welt gibt.“ „Und wo wir die Unterschie- de in unserer Gesellschaft, in unserer Schule, zwischen den Generationen finden,“ ergänzt Nele. „Dann“, so Jodie, „haben wir uns überlegt, dass wir gerne an Grundschulen und ins Altersheim gehen wollen und dort unsere Ergebnis- se über die verschiedenen Kulturen „Wir wollten den Leuten vor Augen führen, wie toll es ist, dass es in Deutsch- land so viele unterschied liche Kulturen gibt.“ „Darum muss man sich mal kümmern!“ vorstellen möchten.“ „Weil wir gedacht alien ausgelegt und haben uns mit Seni- solle Menschen aus anderen Ländern mit haben“, erklärt Nele, „dass diese beiden oren über ihre Erfahrungen mit unter- Respekt behandeln. Den Senioren gefiel Generationen am wenigsten über all die schiedlichen Kulturen unterhalten. In der es, Neues über die verschiedenen Länder Vielfalt aufgeklärt sind und dass man Grundschule haben wir es ähnlich ge- zu erfahren und mit den jungen Men- sich darum einmal kümmern sollte.“ macht, da aber noch mehr Anschauungs- schen zu diskutieren. Als die Schülerin- Und damit war das Profil mittendrin im material mitgebracht, Gebäck, Fußball- nen und Schüler das Altersheim verlie- „Lernen durch Engagement“. Trikots u.s.w.“ Die Kleinen und die Alten ßen, erzählt Jodie, war allerdings auch Die Jugendlichen suchten Kooperations- fanden’s toll. Ein Kind schrieb, es würde bei ihnen ein Vorurteil korrigiert worden: partner und überlegten, wie sie den gern noch mehr über andere Länder „Was uns im Altersheim überrascht hat, beiden Zielgruppen das Thema am bes- lernen, ein anderes freute sich, seinen war, wie offen und interessiert die Men- ten näher bringen könnten. „Im Alters- Namen jetzt auf indisch schreiben zu schen waren. So hatten wir uns das gar heim haben wir einen Tisch mit Materi- können, und ein drittes resümierte, man nicht vorgestellt.“ //
/ 8 / Verhandeln! Konflikte lösen in Engagement, Arbeitsgruppe und Unterricht / Carl-von-Ossietzky-Gymnasium, Amnesty-Kurs, S. 2 Flagge zeigen gegen die Gewalt gegen Frauen „Für sich und seine Meinung einstehen, liche Scheitern.“ Das Scheitern allerdings an diesem Novembertag geflaggt wurde. auch wenn Autoritäten vor einem ste- ist bisher noch nicht vorgekommen. „Nun wird jährlich die Flagge gehisst, das hen, die einem etwas anderes erzählen Anton erklärte im Oktober mit Erfolg die ist schon ein schöner Erfolg.“ // wollen“ – deswegen ist Laura im Am- Menschenrechte im gelben Amnesty- nesty-Kurs. Die Gründung dieses Kurses Bus vor der Schule. Laura hisste am 25. ist von Amnesty inspiriert, hier können November, dem „Internationalen Tag sich Schülerinnen und Schüler zum The- gegen Gewalt gegen Frauen“, die Flagge ma Menschenrechte fortbilden und ei- von terre des femmes, mit der auf dieses gene Projekte ins Leben rufen. „Die Thema aufmerksam gemacht werden Projekte wirklich selbst zu entwickeln, soll. Und damit alle Schülerinnen und darum geht es bei uns, das ist ein Lern- Schüler auch verstehen, worum es geht, „Man muss auch mal Durchsetzungskraft an den prozess, und dazu gehört auch das mög- erklärte sie in einer Durchsage, warum Tag legen.“ Stadtteilschule Bergedorf, Jg. 8, Profil „Genussoptimierer“ Chanukka-Pakete für Überlebende der Shoa Es ist in der Stadtteilschule Bergedorf bende der Shoa in Lettland und Litauen. Wiedergutmachung sein kann, aber sie schon lange Tradition: Schülerinnen und Der Verein Yad Ruth e. V. organisiert den wissen auch, dass sich die Empfänger der Schüler verschicken zu Chanukka, dem Transport und die Verteilung. Dieses Pakete sehr darüber freuen – auch über jüdischen Lichterfest, Pakete an Überle- Jahr haben sich auf Anregung ihrer Leh- die Briefe, die die Jugendlichen ihnen mit rerin Verena Viehbeck Schülerinnen und dazu legen. 139 Pakete haben die „Ge- Schüler des Profils „Genussoptimierer“ nussoptimierer“, die sich als C aterer und bereit erklärt, die Aufgabe zu überneh- Kantinenhelfer bestens mit Essen aus- men. „Die Holocaust-Überlebenden sind kennen, auf den Weg gebracht: mit inzwischen sehr alt, leben oft alleine und Keksen, Suppen, Decken und vielem in großer Armut, und wir wollten ihnen mehr, das den langen Weg ins Baltikum einfach etwas Gutes tun“, erzählt Milena. unverdorben übersteht und im kalten Kekse und Decken als Chanukka-Überraschung Die Jugendlichen wissen, dass dies keine Winter wärmt. // Carl-von-Ossietzky-Gymnasium, Amnesty-Kurs, Jg. 8–10 Solidarität mit Menschen mit Albinismus Rund 10.000 Menschen mit Albinismus mordet. Die Situation ist für Menschen Schule überzeugen können, dann kom- leben in Malawi. Menschen, die mit mit Albinismus in den letzten Jahren men so schon 1.000 Brief mehr, dann einer Pigmentstörung auf die Welt ge- immer gefährlicher geworden. Alina, wird auch etwas gemacht.“ // kommen sind, mit sehr heller Haut und Rojin, Julia und Lene engagieren sich für lichtempfindlichen Augen. In dem ost- den Briefmarathon, den Amnesty ini afrikanischen Land gibt es den Aber- tiiert hat. Sie wollen Kinder wie Annie glauben, dass Körperteile dieser Men- Alfred schützen – eine Elfjährige, die als schen Glück bringen. Also, berichten die Albino in ständiger Angst lebt. Die Brief Jugendlichen am Stand des Amnesty- aktion soll den Druck auf die Regierung Kurses, werden die Albinos gejagt, erhöhen, Albinos effektiv zu schützen. entführt, verstümmelt und sogar er- Julia hofft: „Wenn wir unsere ganze Briefe, die Leben retten
/ 9 / Verhandeln! Konflikte lösen in Engagement, Arbeitsgruppe und Unterricht / Obdachlosigkeit und Armut Obdachlosigkeit ist ein sehr sichtbares Phänomen sozialer Not. Die Zahl der Betrof- fenen in Hamburg, so schätzen Diakonie und Caritas, hat sich zwischen 2006 und 2016 auf rund 2.000 verdoppelt. Kein Wunder also, dass dieses Thema Jugendliche Die hier gezeigten Projekte nehmen bewegt. Eine Erfahrung mussten in ihrem Engagement dabei alle Aktiven machen: Bezug auf die Curricula Deutsch, Engagement ohne zwischengeschaltete Hilfsinstitutionen wie „Hinz- und Kunzt“ trifft Berufsorientierung, Gesellschaft, nicht immer auf Begeisterung bei den Menschen auf der Straße. Erst die Gespräche PGW, Religion, Sozial- und Rechts mit den Profis der sozialen Arbeit haben geholfen, besser zu verstehen, was wirklich erziehung. gebraucht wird und wie eine Annäherung gelingen kann. Stadtteilschule am Hafen, Carl-von-Ossietzky-Gymnasium, Stadtteilschule Kirchwerder It can hit everyone Die Stadtteilschule am Hafen ist dieses Jahr mit ihrem Jahrgang 8 als „Berufene Helden“ in das Service-Learning gestar- tet, einem Programm, das von der Stiftung Lernen durch Engagement und der Stiftung Gute Tat unterstützt wird. Service-Learning ist hier auch Teil der Berufsorientierung. Der Grundgedan- ke: Engagement, Handlungsorientie- rung und Projektmanagement machen auch fit für den späteren Beruf. Die Achtklässler entschieden sich für die Arbeit an einem Problem, das in ihrem Stadtteil St. Pauli an jeder Ecke sichtbar wird: die Obdachlosigkeit. „Wir wollten helfen“, erzählte Alex, „und versuchen, die Geschichten herauszu- Zusammenarbeit mit „Hinz und Kunzt“ finden, die hinter der Obdachlosigkeit stecken.“ Dafür haben die Schülerinnen gesammelt und den Erlös „Hinz und Auch andere Jugendliche haben an und Schüler mit den Hilfeeinrichtungen Kunzt“ gespendet, sie haben Spenden- diesem Thema gearbeitet. Schülerinnen ihres Stadtteils, mit dem Haus Bethle- boxen gebastelt und in St. Paulis Knei- und Schüler des Albrecht-Thaer-Gymna- hem und mit „Hinz und Kunzt“ in der pen verteilt. „Wir haben gelernt, res- siums überlegen, einen kleinen Folder Altstadt gesprochen. Jede Woche haben pektvoll mit Obdachlosen umzugehen“, über Hilfseinrichtungen für Obdachlose sie dort beim Frühstück mit angepackt, findet Alex. Diese Erfahrung haben sie in verschiedenen Sprachen aufzulegen. zu Obdachlosen vorsichtig Kontakt auf- auch an die Jüngeren weitergeben wol- An der Stadtteilschule Kirchwerder im genommen und schließlich Menschen len und deshalb den Grundschülern Profil „JUMP“ helfen Jugendliche regel- gefunden, die bereit waren, ihnen ihre ihrer Schule aus Kirsten Boies Kinder- mäßig bei der Bergedorfer Tafel. All Geschichten zu erzählen. Die Ergebnis- buch über Obdachlosigkeit „Ein mittel- diesen Projekten gemeinsam ist nicht se flossen in einer kleinen Biografie- schönes Leben“ vorgelesen. Die Lehr- nur der Wunsch zu helfen, sondern sich sammlung zusammen, die zum Ab- kräfte Anna Kettelhodt, Anna Ruzanka auch mit den Ursachen sozialer Härten schluss des Projekts in der Schule prä- und Denny Balla haben inspiriert, den auseinanderzusetzen und auszuloten, sentiert werden soll. Die Jugendlichen Rahmen gesetzt, Reflexion ermöglicht. wie die Gesellschaft mit Menschen haben Weihnachtskekse für Obdachlo- Ideen und Planung, so Alex, „die kamen umgehen sollte, die den Boden unter se gebacken und verteilt, Pfandflaschen von uns allen“. den Füßen verloren haben. //
/ 10 / Verhandeln! Konflikte lösen in Engagement, Arbeitsgruppe und Unterricht / Geflüchtete Auch nach den großen Spitzen in 2015/16 bleibt das Engagement für Geflüchtete wichtig, finden Schülerinnen und Schüler. Wie schon in den Jahren zuvor haben sie viele verschiedene Wege gefunden, um zu helfen: Das Jump-Profil der Stadtteilschu- Die hier gezeigten Projekte nehmen le Kirchwerder organisierte einen gemeinsamen Filmnachmittag mit Pizza-Essen für Bezug auf die Curricula Deutsch, junge Geflüchtete. Die Achtklässler im „Lernen-durch-Engagement“-Wahlpflichtkurs Sachunterricht, PGW, Gesellschaft, des Gymnasiums Hoheluft übernahmen den Staffelstab ihres Vorgänger-Kurses und Religion, Geografie, Globales Lernen, boten regelmäßig Spielstunden und Hausaufgabenhilfe für die Kinder in einer Interkulturelle Erziehung. Lokstedter Folgeunterkunft an. Das „Genussoptimierer“-Profil der Stadtteilschule Bergedorf unterstützte den Seawatch e. V., der Flüchtlinge aus dem Mittelmeer rettet, indem es seine Catering-Kompetenzen nutzte, um Kuchen und Waffeln zu backen, zu verkaufen und den Erlös an den Verein zu spenden. Drei Service-Learning-Gruppen haben ihr Engagement ausführlicher auf der Tagung vorstellen können. Grundschule ArnkielstraSSe Miteinander statt Nebeneinander Ava, Burcu, Can, Levi, Moritz, Mouna, kommen. Der Besuch in der kleinen die Fotos vom Fest: „Mit denen sind wir Olga, Sarah und Thea sind mit Abstand improvisierten Schule am Kaltenkircher jetzt alle befreundet.“ Dreimal haben die jüngsten Gäste der Tagung. Sie bil- Platz hinterließ bei den Erstklässlern sich die Grundschüler und die Kinder den die Delegation aus der 1. Klasse der Eindruck. „Der Klassenraum war ziem- aus der Unterkunft bereits getroffen, Grundschule Arnkielstraße und präsen- lich eng“, erinnert sich Olga. Zurück in denn die Kinder aus der Unterkunft tieren ihr Engagement für die Kinder in ihrer eigenen Schule überlegten sie, haben gleich eine Gegeneinladung aus- der Lerngruppe der Erstaufnahme am was sie mit den Kindern aus der Unter- gesprochen und zum Kuchenessen und kunft gerne zusammen machen wür- Spielen eingeladen. Für Klassenlehrerin den, was den Kindern dort gefallen und Gabriele Nitz hat dieses Projekt nicht „Die haben sich gefreut!“ sie mit der neuen deutschen Umgebung nur einen Effekt auf Empathie und Welt- etwas vertrauter machen könnte. „Wir offenheit ihrer ohnehin schon interna- Kaltenkircher Platz. Die Idee, dass sich haben entschieden, dass wir Fasching tional aufgestellten Klasse, es schult die Kinder aus der Grundschule und aus feiern!“ erzählt Can. Die Erstklässler auch den schriftlichen Ausdruck, das der Erstaufnahme kennenlernen, hat- schrieben die Einladung und organisier- logische Denken bei den Planungen ten ihre Klassenlehrerin Gabriele Nitz ten in ihrer Schule die Party. „Die haben sowie die Kooperationsfähigkeit und und die Lehrerin Ina Maurischat, die die sich gefreut“, meint Levi und zeigt auf die kommunikativen Kompetenzen. // Kinder in der Erstaufnahme unterrich- tet. Die Lerngruppe in der Erstaufnah- me ist der Schule Arnkielstraße zuge- ordnet – und so gab es wenig Schwie- rigkeiten, miteinander ins Gespräch zu „Wichtig ist, dass man nett ist zu den Kindern.“ 1c der Schule Arnkielstraße, Gewinner der Sticker-Herzen
/ 11 / Verhandeln! Konflikte lösen in Engagement, Arbeitsgruppe und Unterricht / Stadtteilschule Blankenese, You:sful-Profil Gesprächsgruppe für Mütter, Spielrunde für Kinder Sofia, Lola und Toan aus dem You:sful- pe für geflüchtete Frauen plante und Kurs.“ Die Gruppe aus erwachsenen und Profil von Roland Keil sind über die On Helfer suchte, die auf die Kinder der jugendlichen Engagierten entschied line-Freiwilligenbörsen an ihr Projekt für Frauen aufpassen würden. „Das Projekt schließlich, den Kurs dann doch in die geflüchtete Kinder gekommen (z. B. stand noch ganz am Anfang, wir konn- kooperierende Unterkunft Sieversstü- www.gute-tat.de, www.aktivoli.de oder ten noch vieles mitbestimmen“, erinnert cken zu verlegen. Die Idee, mit dem https://tatkraeftig.org). Hier waren sie sich Sofia. „Zunächst allerdings kam Angebot auch einen Anreiz zu schaffen, auf ein Projekt von Bärbel Dauber vom niemand, das war schon deprimierend. das Heim zu verlassen, erwies sich als „Kitawerk Hamburg/Schleswig Hol- Wir haben dann alle zusammen über- zu hochschwellig. „Jetzt laufen die Tref- stein“ gestoßen, die eine Gesprächsgrup legt, wie kriegen wir die Leute in den fen gut“, findet Lola. Manchmal auch zu gut, dann werden die engagierten Ju- gendlichen von den Kindern, die mit ihnen spielen oder Hausaufgaben ma- chen wollen, fast überrannt. Aber auch das hat die Gruppe in den Griff bekom- men. Heute gibt es die klare Regel, dass ihr Angebot nur für die Kinder der Mütter in der Gesprächsgruppe gilt. Lola ist zufrieden mit dem Erreichten. „Wir unterstützen die Kinder beim Deutsch- lernen, und die Mütter haben genug Ruhe für ihren Kurs.“ Und Toan ergänzt: „Das ist auch für uns eine gute Sache. Wir haben gelernt, eine Gruppe zu leiten Engagementpartner über Online-Börsen gefunden und Verantwortung zu tragen.“ // Stadtteilschule Blankenese, Profil „Bewegung und Lernen durch soziales Engagement“ Dicke Socken nicht vergessen! Die Neuntklässler aus dem Profil „Bewe- fand es wichtig, die geflüchteten Ju- samer Ausflug ins „Jump House“ an. gung und Lernen durch soziales Enga- gendlichen in die Schule zu integrieren Klassen, die etwas Ähnliches vorhaben, gement“ von Natalja Lotz sammelten und ihnen die Möglichkeit zu geben, raten die beiden: „Beim Schlittschuhlau- mit „Hanseatic Help“ Kleider und star- auch außerhalb des Flüchtlingsheims fen muss man gut erklären, dass alle teten die Aktion „Weihnachten im etwas zu machen“, erzählt Marie. Das dicke Socken und Handschuhe mitneh- Profil sammelte Spenden für gemeinsa- men müssen, und es sollten genügend me Ausflüge zum Schlittschuhlaufen geübte Läufer dabei sein.“ „Einfach gut „Es ist gar nicht so und für einen Dombesuch. Mittlerweile planen“, ermutigt John. // schwer, man muss nur ist die Flüchtlingsklasse dank der ge- selbstständig sein und meinsamen Unternehmungen nicht es selber wollen.“ mehr so isoliert, man grüßt sich, kennt sich, lächelt sich an. „Ich glaube, die Schuhkarton“ für eine benachbarte Jugendlichen fanden es ganz toll, weil Flüchtlingsunterkunft. Ein besonderes sie sich immer wieder bedankt und ge- Anliegen war ihnen jedoch das Engage- sagt haben, sie würden so etwas gerne ment für die Internationale Vorberei- noch einmal machen“, meint John. Und „Es war wichtig, dass die Menschen das Gefühl tungsklasse an ihrer eignen Schule. „Ich tatsächlich steht demnächst ein gemein- bekommen, dass sich jemand kümmert.“
/ 12 / Verhandeln! Konflikte lösen in Engagement, Arbeitsgruppe und Unterricht / Bildung Weitergeben, was man selbst schon gelernt hat, das ist eine schöne Idee im Service- Learning. Gerade für jüngere Schülerinnen und Schüler ist deshalb die Kita oder die alte Grundschule ein beliebter Engagement-Ort. Manche Projekte finden aber Die hier gezeigten Projekte neh- auch an der eigenen Schule für jüngere Jahrgänge statt. In jedem Fall ist Rückkopp- men Bezug auf die Curricula Religi- lung mit den jeweiligen Fachpädagoginnen und -pädagogen hilfreich für Tipps, on, Deutsch, Sport, Gesellschaft, Materialien, didaktische Kniffe und vielleicht sogar für die bessere Verzahnung der Arbeitslehre, Mathe und Berufsori- jungen Bildungsimpulse mit dem frühkindlichen oder schulischen Lernen. entierung. Stadtteilschule Hamburg-Mitte, Jg. 6, Wichern-Schule, Jg. 7, Stadtteilschule Bergedorf, Jg. 9, Stadtteilschule Blankenese, Jg. 9 Engagement in Kita, Grundschule und Ganztag Alle Schülerinnen und Schüler der Wi- wortung in der Kita Hasselbrook über- Neuntklässler aus der Stadtteilschule chern-Schule starten in der 7. Klasse in nommen. Ihre Mitschülerin Salam hat in Bergedorf. Sie gehen regelmäßig in die ein selbstgewähltes Engagement: Sie der Kita Wümmeweg vorgelesen und mit Grundschule und schmökern mit Zweit- helfen in der Nachbarschaft, in der Kir- den Kleinen gezeichnet. Sie ist stolz, und Drittklässlern, die sich mit dem chengemeinde, bei Sportvereinen und dass es ihr gelungen ist, viel Vertrauen Lesen noch etwas schwer tun. Sie wol- in Altersheimen. Besonders beliebt aber bei den Kindern aufzubauen. „Am bes- len zeigen, dass Bücher Spaß bringen ist das Engagement in der Kita – auf ten hat mir gefallen, dass wir selbststän- und Welten öffnen. Das braucht Regel- dieses Engagement können sie sich mit diger geworden sind“, sagt sie. So ganz einem Workshop gezielt vorbereiten. einfach ist es allerdings nicht, als 11- bis „Geht persönlich hin, Leelou engagiert sich in der Kita Elbkin- 13-Jährige eine Kita zu finden, die ver- anrufen alleine der, hat dort mit den Kindern gebastelt, steht, dass große Kinder durchaus eine nützt nichts.“ getobt und die Erzieherinnen bei zwei Hilfe sind. Diese Erfahrung haben die Ausflügen unterstützt. Und auch in der Schülerinnen und Schüler aus beiden damaligen 6. Klasse der Stadtteilschule Schulen machen müssen. Deshalb rät mäßigkeit und langen Atem, deshalb Hamburg-Mitte ist das Kita-Engagement Leelou: „Geht persönlich hin, stellt euch sind sie jede Woche für eine Schulstun- beliebt. Ilknu hat in ihrem „Lernen- gut vor. Anrufen alleine nützt nichts.“ de vor Ort. Die Leselernhelfer bringen durch–Engagement“-Projekt Verant- Beim Lesenlernen helfen, das wollen die nicht nur Geduld mit, sondern auch den großen Vorzug, als jugendliche Bücher- begeisterte auf einer ganz anderen Ebene Vorbild sein zu können. Die Neuntklässler der Stadtteilschule Blankenese nutzen ihr Mathe-Wissen, um jüngeren Schülerinnen und Schülern in der selbstorganisierten Mathe-AG Spaß an Zahlen und logischem Denken zu vermitteln. Ein Selbstläufer war die AG zunächst nicht. Aber als die Jugend- lichen ordentlich die Werbetrommel rührten, kamen die Kinder – und das Feedback ist sehr positiv. Kinder lernen gerne von Jugendlichen, und ein solches Engagement bringt auch die Schulge- Wichern-Schule: Vorbereitende Workshops für’s Kita-Engagement meinschaft enger zusammen. //
/ 13 / Verhandeln! Konflikte lösen in Engagement, Arbeitsgruppe und Unterricht / Gesundheit, Sport und Pflege Sie sammeln Plastikdeckel gegen Polio, helfen beim therapeutischen Reiten, organi- sieren die aktive Pause in der Schule, trainieren Fußball mit Kindern und besuchen regelmäßig die Kinder auf der Krebsstation im UKE oder Senioren in der Tagepflege: Die hier gezeigten Projekte neh- Für die engagierten Schülerinnen und Schüler erschließt „Lernen durch Engagement“ men Bezug auf die Curricula Sport, die Bedeutung von Gesundheit, Bewegung und dem Umgang mit kranken und alten Deutsch, Gesellschaft, Religion und Menschen nicht nur theoretisch, sondern macht sie handlungsorientiert erfahrbar. Gesundheitsförderung. Stadtteilschule Kirchwerder, JUMP-Profil, Jg. 9, Carl-von-Ossietzky-Gymnasium, Jg. 12, Stadtteilschule Blankenese, Jg. 9 Engagement für an Krebs erkrankte Kinder und für Polio-Impfungen „Der Gedanke, dass viele dieser Kinder als ihr neues Zuhause zu betrachten? tung Ulrike Borcic begleiten das Projekt sterbenskrank sind, ist extrem traurig. Wie muss es sich anfühlen, wenn das aufmerksam und sorgen nicht nur für Man braucht schon starke Nerven.“ So Krankenhaus allmählich das Zuhause einen angemessenen und reflektierten beschreiben die vier Mädchen aus der ersetzt? Umgang mit den kranken Kindern, Gruppe „Jugend unterstützt kranke sondern auch für den nötigen psychi- Kinder am UKE“ ihre Erfahrung mit „Der Gedanke, dass viele schen Rückhalt. ihrem Engagement für an Krebs er- dieser Kinder sterbens- Nicht im direkten Kontakt mit den Kran- krankte Kinder. Regelmäßig gehen sie krank sind, ist extrem ken, sondern im Einsatz für die Präven- ins Universitätskrankenhaus Eppen- traurig. Man braucht tion engagierten sich die Jugendlichen dorf und spielen, basteln und backen schon starke Nerven.“ der Stadtteilschule Blankenese und des mit den Kindern auf der Station. Sie Carl-von-Ossietzky-Gymnasiums. Sie wollen die kleinen Patienten auf ande- sammeln für den Verein „Deckel drauf re Gedanken bringen und mit ihnen Die Schülerinnen haben sich kein leich- e. V.“ Plastikdeckel, um über den Erlös, einfach Spaß haben. Der Kontakt zu tes Engagement ausgesucht, aber es der durch das Recycling entsteht, Imp- den Kindern ist herzlich und macht gibt immer wieder diese Momente, in fungen gegen Polio in Afghanistan, nachdenklich. Was bedeutet es, wenn denen die Kinder lachen und guter Pakistan und Nigeria zu ermöglichen. eine Sechsjährige die Schülerinnen Dinge sind. „Und das,“ so die Gruppe, 500 Deckel finanzieren eine Schluck- schon nach dem zweiten Treffen ein- „macht uns einfach glücklich“. Ihr Leh- impfung und retten damit womöglich lädt, einfach zu bleiben und die Station rer Christian Kruse und die Stationslei- ein Leben. // Stadtteilschule Hamburg-Mitte, Jg. 6, Stadtteilschule Blankenese, Jg. 9 Kinder in Bewegung bringen „Ich spiele selbst gerne Fußball“, erzählt durften. Das erforderte zunächst einmal schule Blankenese bleibt mit seinen Antonio aus der 7. Klasse der Stadtteil- gute Überzeugungsarbeit beim SV Uh- Angeboten an der Schule. Es organisiert schule Hamburg-Mitte. So lag es nahe, lenhorst und später viel Zuverlässigkeit, die aktive Pause, in der sich Kinder mit dass er für sein Service-Learning-Pro- Aufmerksamkeit und Geduld mit den viel Bewegung vom Unterricht erholen, jekt im vergangenen Schuljahr mit sei- anvertrauten Kindern. Antonio hat es und es hilft Betreuer Fabian in der Fuß- nen ebenfalls fußballbegeisterten Mit- Spaß gemacht, ihnen seine Tricks bei- ball- und Ballsport-AG. Damit eröffnen schülern einen Fußballclub suchte, in zubringen – und das Feedback des die Profil-Schülerinnen und -Schüler dem sie das Kindertraining erst beglei- Trainers war sehr ermutigend. jüngeren Mitschülerinnen und -schü- ten und später auch in Teilen anleiten Das Bewegungs-Profil der Stadtteil- lern viele Möglichkeiten, in Bewegung
/ 14 / Verhandeln! Konflikte lösen in Engagement, Arbeitsgruppe und Unterricht / zu kommen, sich auszuprobieren und terricht zu gehen. Und die Großen aus im Sport freundlich, aber bestimmt neue Energie zu tanken, um damit wie- dem Bewegungs-Profil lernen, wie Respekt zu verschaffen und den Über- der frisch und konzentriert in den Un- wichtig es ist, sich als Verantwortliche blick zu behalten. // Wichern-Schule, Jg. 7, Stadtteilschule Kirchwerder, Jg. 9, Stadtteilschule Hamburg-Mitte, Jg. 6 Assistenz, Hilfe und Unterhaltung für Senioren und Kinder mit Beeinträchtigungen Therapeutisches Reiten fördert die Ent- Heimen. Deshalb haben die beiden schon erhöhten Pflegebedarf haben. wicklung von Kindern mit körperlichen Kinder für einen Auftritt in der Senio- Hier bekommen sie Therapien, Früh- und seelischen Beeinträchtigungen. renwohnanlage Süderelbe geübt und stück und Mittagessen und vor allen Eileen aus der Wichern-Schule hat bei schließlich ein kleines Programm zur Dingen Gesellschaft und Anregung. Die den therapeutischen Reitstunden ge- Aufführung gebracht. Offenbar hat der vier Mädchen sind hier also goldrichtig: holfen. Sie hat die Kinder beim Satteln Auftritt gefallen: „Die Senioren wollen, Sie wollen schnacken und zuhören und und Auftrensen der Ponys unterstützt dass wir Weihnachten noch einmal mit den Seniorinnen und Senioren ge- und ihnen Sicherheit bei den Übungen kommen und wieder singen – da planen meinsam etwas unternehmen. Mit ih- gegeben. Die Kinder können beim Rei- wir noch“, erzählt Gene. ren wöchentlichen Besuchen bringen ten gut entspannen, „und mich hat In der Tagespflege beim Deutschen sie frischen Wind in die Einrichtung und gefreut, wie sehr sich die Kinder gefreut Roten Kreuz in Curslack engagieren helfen dabei, pflegende Angehörige zu haben“, erzählt Eileen. sich vier Neuntklässlerinnen aus der entlasten. Und so ganz nebenbei lernen Gene und Alexa wollten etwas dagegen Stadtteilschule Kirchwerder. In die Ta- sie etwas über das Altern, die Pflege unternehmen, dass sich Senioren oft- gespflege kommen alte Menschen, die und wie wichtig ein respektvolles Mit- mals so allein fühlen – auch in den gerne zu Hause leben möchten, aber einander ist. // Ist selbstständiger geworden: die 7c der StS Hamburg-Mitte
/ 15 / Verhandeln! Konflikte lösen in Engagement, Arbeitsgruppe und Unterricht / Von der Vielfalt der Projekte und der Einigkeit über die Qualität „Lernen durch Engagement“ ist viel auch viel Lust und Geschick am und im fältig. So vielfältig wie die unterschied- Verhandeln – wir haben gesehen, dass Netzwerkschulen lichen Lebenswelten der Kinder und die Schülerinnen und Schüler sich auf Jugendlichen, wie die Fächer und Auf- ihre Ziele einigen konnten, Kitas über- Albrecht-Thaer-Gymnasium gabengebiete vom Jahrgang 1 bis 13 und zeugten, sich helfen zu lassen, Stadtpla- Carl-von-Ossietzky-Gymnasium wie die unterschiedlichen Charaktere ner dazu brachten, die Verkehrsführung Erich-Kästner-Schule der Schulen, an denen das „Lernen durch zu überdenken, Mitschülerinnen und Gretel-Bergmann-Schule Engagement“ stattfindet. Gemeinsam Mitschüler motivierten anzupacken, die Gymnasium Allee ist allen guten Projekten jedoch immer, ältere und die jüngere Generation dazu Gymnasium Corveystraße dass sie die vier wichtigsten Qualitätskri- brachten, mit ihnen über das nicht ganz Gymnasium Hoheluft terien des „Lernen durch Engagement“ einfache Thema Diversität zu sprechen. Ida-Ehre-Schule verbinden: An dieser Stelle sei ausdrücklich all den Katholische Bonifatiusschule 1. die hohe Schülerpartizipation bei Menschen gedankt, die diese Projekte Max-Brauer-Schule der Zielbestimmung und Durchfüh- und diese erfahrungsreiche Art des Nelson-Mandela-Schule rung der Projekte Lernens möglich machen: den Schüle- Schule Arnkielstraße 2. die Unterrichtsanbindung des Enga rinnen und Schülern, die sich einmi- Stadtteilschule am Hafen gements schen, den Projektpartnern, die sich Stadtteilschule Bergedorf 3. der reale Bedarf, den die Projekte dem jungen Engagement öffnen, Lehre- Stadtteilschule Blankenese bedienen rinnen und Lehrern, die ihren Lernen- Stadtteilschule Hamburg-Mitte 4. das hohe Maß an Reflexion der Schü- den so viel zutrauen, und den Schullei- Stadtteilschule Horn lerinnen und Schüler über das Enga- tungen und Kollegien, die die Service- Stadtteilschule Kirchwerder gement in allen Projektphasen – von Learner aktiv unterstützen. Wichern-Schule der Planung bis zum Abschluss (Stand April 2017) Neben diesen wissenschaftlich fundier- Heike Schmidt, Programmleitung ten Qualititätskriterien braucht es aber ['You:sful] – Lernen durch Engagement Wofür engagiert ihr euch? Viel Austausch und Anregung auf dem Markt der Möglichkeiten.
WER WIR SIND Die BürgerStiftung Hamburg Die BürgerStiftung Hamburg wurde 1999 als wirtschaftlich und politisch unabhängi- ge Gemeinschaftsstiftung von Hamburgerinnen und Hamburgern für ihre Stadt gegründet. Sie lebt von der Idee des bürgerschaftlichen Engagements und will zur Mitwirkung an gesellschaftlichen Aufgaben anstiften – durch finanzielle Zuwendun- gen und durch ehrenamtliches Engagement. Die BürgerStiftung Hamburg fördert und entwickelt Projekte für Kinder und Jugendliche sowie junge Familien aus sozial be- nachteiligtem Umfeld, fördert Engagement und generationenübergreifenden Dialog. Die BürgerStiftung Hamburg bietet ein Dach für Treuhandstiftungen, Zustiftungen und Themenfonds und wirbt für ihre Arbeit Spenden ein. Mit ihrem Programm „['You:sful] – Lernen durch Engagement“ fördert die Stiftung seit 2008 zivilgesellschaftliches Engagement von Kindern und Jugendlichen sowie die demokratische Schulentwicklung. Impressum Herausgeber Redaktion Tagungsdokumentation BürgerStiftung Hamburg Dr. Heike Schmidt Verhandeln! April 2017 Schopenstehl 31 BürgerStiftung Hamburg 20095 Hamburg Fotos Telefon (040) 87 88 969 - 66 Kirsten Haarmann (www.kh-fotografie.de) heike.schmidt@ Layout buergerstiftung-hamburg.de Birte Holländer Verantwortlich i. S. d. P. Birgit Schäfer
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