Berufliche Sprachförderung für Migranten - Erkenntnisse aus der Arbeit der OECD Frankfurt, 10. September 2018
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Berufliche Sprachförderung für Migranten Erkenntnisse aus der Arbeit der OECD Frankfurt, 10. September 2018 Thomas Liebig Abteilung für Internationale Migration
Einführung • Das Beherrschen der Landessprache ist zusammen mit der Arbeitsmarktintegration der wichtigste Baustein im Integrationsprozess • Sprachkenntnisse und Arbeitsmarktintegration sind zugleich eng verbunden • Eurobarometer: 68% der Befragten EU-weit sehen Sprachkenntnisse als sehr wichtig für den Integrationsprozess – vor „positiver Beitrag zum Wohlfahrtsstaat“ (62%) und „Annahme der Normen und Werte des Gastlandes“ (56%) • In Deutschland ist der Anteil besonders hoch (85%) • Bedeutung berufsspezifischer Sprachkenntnisse: Erfahrungen aus Kanada 2
Kenntnisse der Sprache sind ein entscheidender Faktor für die Integration in den Arbeitsmarkt • Migranten mit unzureichenden Sprachkenntnissen haben überproportional folgende Charakteristiken: geringeres Bildungsniveau höhere Wahrscheinlichkeit, Qualifikationen im Ausland erworben zu haben Häufiger Flüchtlinge Häufiger Frauen • Doch selbst wenn man diese Faktoren herausrechnet, haben Migranten mit unzureichenden Sprachkenntnissen eine 14% geringere Beschäftigungsquote und eine 17% höhere Überqualifizierungsrate als andere Migranten • Arbeitsmigranten ohne Sprachschwierigkeiten arbeiten hingegen nicht mehr öfter in Jobs für die sie überqualifiziert sind 3
Bei Flüchtlingen erhöhen bereits Sprachkenntnisse auf B1-Niveau die Chancen auf einen Arbeitsplatz erheblich … aber gerade in Deutschland brauchte es in der Vergangenheit lange, dieses Niveau zu erreichen: Beschäftigungsquoten von Flüchtlingen in Prozentsatz der Flüchtlinge und anderer Migranten, Deutschland nach Sprachkenntnissen, die bis zu 10 Jahren nach ihrer Ankunft die 15-64 Jahre alt, 2014 Landessprache auf B1 Niveau (Fortgeschrittene Sprachkenntnisse) sprechen Flüchtlinge Andere Migranten 90% 100 80% 70% 80 60% 50% 60 40% 40 30% 20% 20 10% 0% 0 4 Quelle: Eurostat; Statistisches Bundesamt
Arbeitgeber bestätigen die zentrale Rolle von Sprachkenntnissen … Knapp die Hälfte der von der OECD befragten Arbeitgeber erwarten sogar für niedrig qualifizierte Tätigkeiten mind. gute Deutschkenntnisse: Arbeitgeber, die mind. gute Deutschkenntnisse erwarten, nach Qualifikationsniveau 100% 80% 60% 40% 20% 0% niedrig qualifiziert mittleres hochqualifiziert Qualifikationsniveau Quelle: OECD-DIHK-BMAS Umfrage 5
… und berichten, dass unzureichende Sprachkenntnisse erhebliche Schwierigkeiten bei der Flüchtlingsintegration im Arbeitsalltag bereiten Erhebliche Schwierigkeiten im Arbeitsalltag unter Arbeitgebern, die Schwierigkeiten angegeben haben 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% unzureichende andere unzureichende Unsicherheiten Deutschkenntnisse Arbeitsgewohnheiten (berufliche) bezüglich der Länge Fachkenntnisse des Aufenthalts Quelle: OECD-DIHK-BMAS Umfrage Allerdings gaben 85% der Arbeitgeber an, dass sie wenige oder keine Schwierigkeiten im Arbeitsalltag erlebt haben. Über 80% sind vollkommen oder eher mit der Arbeitsleistung zufrieden. 6
Insbesondere berufsbezogene Sprachkurse sind sehr wichtig für Arbeitgeber Maßnahmen, die Arbeitgeber als sehr wichtig betrachten 80% 60% 40% 20% 0% berufsbezogene Rechtssicherheit Weiterbildung Ansprechpartner Unterstützung Sprachkurse während zur Beurteilung Anstellung von Kenntnissen Quelle: OECD-DIHK-BMAS Umfrage 7
Auch bei Arbeitsmigranten sind Sprachkenntnisse zentral Arbeitgeberbewertung verschiedener Kriterien für die Auswahl von Arbeitsmigranten Deutschkenntnisse Qualifikationsniveau 5 Sehr wichtig Mangelberuf 4 Berufserfahrung Einstellungsversprechen 3 eines Arbeitgebers Englischkenntnisse 2 Studium oder Berufsausbildung in Deutschland abgeschlossen 1 Überhaupt nicht wichtig Alter Qualifikation des Ehepartners/ der Ehepartnerin 0% 50% 100% Quelle: Unternehmensbefragung der OECD und des DIHK (2011).
Zentrale Erkenntnisse aus OECD Ländern zum Thema Sprachförderung für erwachsene Migranten Sicherstellen, dass alle Migranten mit Bleibeperspektive Zugang zu 1 Sprachkurse mit Sprachförderung haben 6 Berufsausbildung verbinden und Arbeitgeber einbeziehen Anstelle von Sanktionen Anreize schaffen, um Migranten zu motivieren, die 2 Bildungsniveau, Kompetenzstand und berufliche Sprache zu lernen 7 Perspektiven von Teilnehmern evaluieren und Kurse entsprechend anpassen Sicherstellen, dass Neuan- kömmlinge frühzeitig Zugang 3 zu Sprachförderung haben Koordinierung zwischen Stakeholdern um Überschneidung Gewährleisten, dass Kosten 8 und Unterversorgung zu meiden und einheitliche Normen kein Hindernis für die Nutzung sicherstellen hochwertiger Sprach- 4 förderangebote darstellen Auswirkungen von Sprachförderangebote flexibel Sprachförderangeboten auf die gestalten und sie mit Arbeitssuche, Arbeitsmarktintegration Beschäftigung, Ausbildung und 5 9 evaluieren und alltäglichen Verpflichtungen Sprachförderprogramme kompatibel machen entsprechend anpassen 9
Zugang • Formaler Zugang zu öffentlichen Sprachförderangeboten ist essentiell, um die Sprache des Gastlandes zu lernen. • Wenn Zugang nicht gewährleistet wird, kann der Eindruck entstehen, die Integration der betroffenen Migranten sei nicht wichtig/erwünscht. Dies ist besonders häufig bei Frauen der Fall. • In OECD Ländern haben Zuwanderer in der Regel formalen Zugang zu Basisangeboten – doch gerade bei der berufsspezifischen Sprachförderung ist der Zugang häufig eingeschränkt 10
Einbezug der Arbeitgeber • Berufsbezogene Sprachförderung – idealerweise direkt am Arbeitsplatz – ist Untersuchungen zufolge die effektivste Sprachlernmethode: Kursteilnehmer sind motivierter und machen schnellere Fortschritte wenn der Lehrplan an ihre beruflichen Ziele anknüpft Zuwanderer erwerben gleichzeitig berufsspezifische Sprachkenntnisse und Arbeitserfahrung im Gastland Arbeitgeber fassen Vertrauen in die Sprachkenntnisse von Migranten • Doch Sprachförderung am Arbeitsplatz ist kostenintensiv und organisationsaufwendig, weshalb sie eher selten angeboten wird Settlement Language Pathways to Employment and Training (SLPET) Beispiele Verschiedene Formate berufsbezogener Sprachförderung einschl. Praktika und Betriebsbesichtigungen aus OECD Die Sprachkurse im Rahmen des Integrationsprogrammes haben einen deutlichen Arbeitsmarktfokus und Ländern: können am Arbeitsplatz oder ausserhalb der Arbeitszeiten organisiert werden Ein Pilotprogramm bietet ein viermonatiges arbeitsmarktbezogenes Sprachlernprogramm mit Fokus auf Sprache, Kultur und beruflichen Kompetenzen an, was danach am Arbeitsplatz fortgesetzt werden kann 11
Koordination • Sprachförderprogramme für Migranten involvieren viele verschiedene Akteure, die unter einander häufig unzureichend koordiniert sind: • Unterschiedliche Regierungsressorts können unterschiedliche Ziele verfolgen (z.B. Aufenthalt vs. Beschäftigung). • Häufig sind unterschiedliche Regierungsebenen für die Finanzierung (oftmals zentral geregelt) und die Entwicklung und Umsetzung von Sprachförderprogrammen verantwortlich (hauptsächlich auf regionaler oder kommunaler Ebene) • Regelmäßiger Austausch und gute Koordinierung beugen sowohl Mehrfachangeboten und Versorgungsengpässen vor und können die Basis für landesweit einheitliche Normen bilden. 12
Evaluation • In allen OECD Ländern fällt der Großteil der öffentlichen Ausgaben für Integrationspolitik auf die Kosten für Sprachförderprogramme zurück • Idealerweise wird bereits in der Entwicklung von Sprachförderprogrammen eine Evaluation vorgesehen – doch dies ist selten der Fall: Kosten Datenbeschränkungen Unzureichende Teilnehmerzahlen bei kleineren Programmen • Australien, Kanada, Frankreich und Großbritannien zählen zu den OECD- Ländern, die ihre Sprachförderprogramme umfangreichen Wirkungsevaluationen unterzogen haben • Die skandinavischen Länder unterziehen ihre Integrationsprogramme – die zu einem großen Teil aus Sprachförderung bestehen - regelmäßigen Evaluationen • Sprachförderprogramme werden zwar häufig „evaluiert“, doch diese Evaluationen setzen selten einen Schwerpunkt auf die Arbeitsmarktintegration. 13
Schlussfolgerungen • Berufsspezifische Sprachkenntnisse sind der Schlüssel zur Arbeitsmarktintegration – und damit verbunden auch wesentlich für die gesellschaftliche Integration • Neben den berufsspezifischen Fähigkeiten und Sprachkenntnissen gilt es, auch weitere Hürden nicht aus den Augen zu verlieren – Wissen um die Funktionsweise des Arbeitsmarktes – Netzwerke – Diskriminierung (≠ Rassismus!) • Besonders erfolgversprechende Ansätze sind häufig teuer und schwer zu organisieren • Raum für Innovation, z.B. durch Mitarbeiterbeteiligung, Mentorenprogramme, etc. 14
Für weitere Informationen zur Arbeit der OECD im Bereich Migration und Integration: www.oecd.org/migration Thomas.Liebig@oecd.org
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