Verträge über digitale Inhalte nach Umsetzung der Digitale-Inhalte-Richtlinie - Prof. Dr. Susanne Lilian Gössl, LL.M. (Tulane)

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Verträge über digitale Inhalte nach
          Umsetzung der
     Digitale-Inhalte-Richtlinie
     Prof. Dr. Susanne Lilian Gössl, LL.M. (Tulane)
Beispielsfall

J lädt sich zum privaten Gebrauch eine App aus dem App-Store auf ihr
Smartphone und installiert sie.

Einige Monate später ist J mit der App unzufrieden, da sie kein Update
installieren kann.
Gliederung
I. Hintergrund

II. Überblick über die Neuregelungen, §§ 327 ff.

III. Anwendungsbereich

IV. Mängelgewährleistungsrecht
Hintergrund
Hintergrund
RL 2019/770 vom 20. Mai 2019 über bestimmte vertragsrechtliche
Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler
Dienstleistungen (Digitale-Inhalte-Richtlinie)

→ umzusetzen bis zum 1.7.2021

→ in Kraft ab dem 1.1.2022
(gilt für alle Verträge mit Bereitstellung der digitalen Produkte ab dem
1.1.2022)
Hintergrund

• Vollharmonisierung             Ausnahme 1: Schadensersatz

• Halbzwingende Normen, § 372s
                                 Ausnahme 2: Vereinbarung nach
                                 Mitteilung des Verbrauchers über
                                 Mangel oder unterbliebene
                                 Bereitstellung
„Digitale Produkte“
§ 327 Anwendungsbereich
[…]
(2) Digitale Inhalte sind Daten, die in digitaler Form erstellt und
bereitgestellt werden. Digitale Dienstleistungen sind Dienstleistungen, die
dem Verbraucher
1. die Erstellung, die Verarbeitung oder die Speicherung von Daten in
digitaler Form oder den Zugang zu solchen Daten ermöglichen, oder             Vertragsgegenstand = digital
2. die gemeinsame Nutzung der vom Verbraucher oder von anderen
Nutzern der entsprechenden Dienstleistung in digitaler Form
hochgeladenen oder erstellten Daten oder sonstige Interaktionen mit
diesen Daten ermöglichen.
Digitale Produkte
                                   • häufig „kostenlos“ gegen
                                     Überlassung von Daten
• Cloud Services                   • häufig „atypische“ oder
• E-Mail-Services                    „gemischte“ Verträge

• Handy-App-Spiele
• Messenger-Dienste
• Streaming-Dienste          bisher in einer Klausur:
• Social-Media-Plattformen   Einordnung in bestehende Vertragstypen
                             des BGB
•…                            Absorptionstheorie/Schwerpunkttheorie
                              Kombinationstheorie
System im BGB
System im BGB

„Klammerprinzip“

                                                                     Familien-
 BGB          Schuldrecht                Schuldrecht   Sachenrecht     und
  AT              AT                         BT                      Erbrecht

       Verträge über digitale Inhalte,
       §§ 327-327u
                                                                         10
Überblick über die Neuregelungen, §§ 327 ff.
Überblick
1. Anwendungsbereich
2. Besonderheiten bzgl. datenschutzrechtlichen Erklärungen, § 327q
   • Kündigungsrecht des Unternehmers
3. Besondere Vertragsinhaltsregelungen, §§ 327b ff.:
   • Bereitstellung                               Fortentwicklung des
   • Mangelfreiheit, insb. Aktualisierung         Mangelgewährleistungsrechts im
                                                  Kaufrecht (VerbrGK-RL)
   • Änderungen des digitalen Produkts
     nach Vertragsschluss
4. Folgen von Vertragspflichtverletzungen
5. Unternehmerregress, §§ 327t f.
Anwendungsbereich
Beispielsfall
J lädt sich zum privaten Gebrauch eine App aus dem App-Store auf ihr
Smartphone und installiert sie. Die App ist kostenfrei, jedoch stellt J
dem Anbieter P verschiedenste persönliche Daten zur Verfügung.
Davon benötigt dieser Standortinformationen, Informationen über die
Art des Geräts und der Betriebssoftware für die Bereitstellung der App.
Jedoch werden auch der Nutzername, gekaufte Artikel und die
Gerätekennung sowie Kontaktdaten von J zur Erstellung eines
umfangreichen Werbeprofiles verwendet, um so gezielte Werbung an J
zu übermitteln.
Sind §§ 327 ff. auf den Vertrag zwischen J und P anwendbar?
Anwendungsbereich, § 327
1. Verbrauchervertrag, §§ 310 III, 13, 14

2. Bereitstellung eines digitalen Produkts

3. Durch den Unternehmer

4. Gegen Zahlung eines Preises
Bereitstellung, § 327b
= direkt oder indirekt Zugang zum Produkt verschaffen

• Zugänglichmachung des digitalen Produkts
      oder
• Bereitstellung eines geeigneten Mittels zum Zugänglichmachen
      oder
• Zugänglichmachung des Produkts zum Herunterladen
Lösungshinweise
1. Verbrauchervertrag, §§ 310 III, 13, 14 (+)

2. Bereitstellung eines digitalen Produkts (+)
Exkurs: Paket- und Mischverträge
= Bereitstellen digitaler Inhalte oder digitaler Dienstleistungen
(§l327 I i.V.m. §l327 II)
                                                                             Beendigungsgründe
    Paketverträge (digitale Inhalte + andere                                 werden auf den
                                                  §§ 327 ff. auf digitalen
    Vertragsinhalte)/Mischverträge (digitale      Aspekt anwendbar           gesamten Vertrag
    Inhalte mit Kaufsache verbunden)                                         erstreckt, § 327c VI,
                                                                             § 327m IV

     in Waren integrierte digitale Inhalte, die
     funktional notwendig sind, um die Sache      Kaufrecht anwendbar
     nutzen zu können (Handy, Smart Watch…)
Anwendungsbereich
1. Verbrauchervertrag, §§ 310 III, 13, 14

2. Bereitstellung eines digitalen Produkts

3. Durch den Unternehmer

4. Gegen Zahlung eines Preises
Zahlung eines Preises
Preis =
 Geld
 digitale Darstellung eines Wertes (z.B. Bitcoin)

 gleichgestellt: Bereitstellung von personenbezogenen Daten

  solange nicht ausschließlich notwendig für die Vertragserfüllung/
   rechtliche Pflichten, § 327 III i.V.m. §§ 312 Ia 2, 516a
Lösungshinweise
1. Verbrauchervertrag, §§ 310 III, 13, 14 (+)
2. Bereitstellung eines digitalen Produkts (+)
3. Durch den Unternehmer (+)

4. Gegen Zahlung eines Preises
(-)
aber Gleichstellung gem. § 327 III bei Zurverfügungstellung nicht
erforderlicher personenbezogener Daten
→ Anwendbarkeit (+)
Anwendungsbereich (Zusammenfassung)
1. Verbrauchervertrag, §§ 310 III, 13, 14

2. Bereitstellung eines digitalen Produkts
  • Paketverträge/Mischverträge (Abgrenzung zum Kaufrecht)
3. Durch den Unternehmer

4. Gegen Zahlung eines Preises
  • personenbezogene Daten als Gegenleistung (gleichgestellt)
Mängelgewährleistungsrechte
Mängelgewährleistungsrechte § 327i ff.
1. Nacherfüllung (327l)
    • Ausnahmen: § 275 I oder unverhältnismäßige Kosten für
      Unternehmer
2. Vertragsbeendigung (327m)
    • durch Erklärung, § 327o I
    • Nacherfüllung ausgeschlossen, verweigert etc. oder unzumutbar
3. Minderung (§ 327n)
    • Rückzahlungsanspruch gem. § 327n IV für Mehrzahlung
4. Schadens-/Aufwendungsersatz (§§ 280 I, 327m III, 284)
Fallfortsetzung
Einige Monate später ist J mit der App unzufrieden, da sie kein Update
installieren kann. Deswegen kann sie viele neue Funktionen nicht
nutzen und das Spiel stürzt vermehrt ab. Auch erfährt sie von einer
Sicherheitslücke, durch die Dritte Zugriff auf die bereitgestellten
Kontaktdaten erhalten, welche mit der neuesten Version der App
behoben werden sollte.

Hat J gegen P einen Anspruch auf Updates?
Voraussetzung: Mangel, § 327e
Dreifacher Produktmangelbegriff
1. Subjektiver Produktmangel                 stehen selbstständig nebeneinander
                                             (kein Stufenverhältnis subjektiver >
2. Objektiver Produktmangel                  objektiver Mangelbegriff wie bei § 434 a.F.)

3. Integrationsmangel

• daneben: Rechtsmangel
• Beweislastumkehr, wenn Mangel innerhalb eines Jahres ab
  Bereitstellung aufgetreten (§ 327k I) bzw. während
  Bereitstellungszeitraum
Produktmangel
Prüfungsreihenfolge (Vorschlag)

1. Subjektiver Produktmangel, § 327e II

2. Objektiver Produktmangel, § 327e III                  ausdrückliche vorvertragliche
   a) keine Abbedingung, § 327h                          Information + gesonderte
   b) Tatbestandsmerkmale § 327e III Nr. 1-4, 6          Vereinbarung
   c) Aktualisierungen, § 327e III Nr. 5 i.V.m. § 327f

3. Integrationsmangel, § 327e IV (Einbindung in Umgebung des
   Verbrauchers)
Aktualisierung (Updates)
Objektiver Mangel, § 327e III Nr. 5 i.V.m. § 327f

1. Information des Verbrauchers
2. erforderlich für den Erhalt der Vertragsmäßigkeit

    insb. Sicherheitsaktualisierungen!

3. im maßgeblichen Zeitraum               • Bereitstellungszeitraum
                                                   oder
                                          • Zeitraum, der nach einer Gesamtabwägung vom
                                            Verbraucher erwarten kann
Lösungsskizze
Anspruch auf Nacherfüllung, §§ 327, 327i, 327l, 327e III Nr. 5, 327f
1. Anwendbarkeit, § 327
2. Mangel
   • subjektiver Mangel, Integrationsmangel (-)
   • objektiver Mangel: § 327e III Nr. 5 i.V.m. § 327f

       - Bereitstellung der Aktualisierung → Zugänglichmachung i.S.d. § 327b III
       - im maßgeblichen Zeitraum → wenige Monate wohl (+)

3. Nacherfüllungsverlangen, § 327l
4. Kein Ausschluss gem. § 275 I oder Unverhältnismäßigkeit
Prüfung - Zusammenfassung
Anspruch Mangelgewährleistungsrechte, § 327i ff.
1. Vertrag über digitale Inhalte, § 327 BGB
2. Mangel                                    Subjektiv
   • Produktmangel                             Objektiv → insb. Update
   • Rechtsmangel                              Integration

3. bei Bereitstellung (Beweislastumkehr 1 Jahr ab Bereitstellung)
4. Besondere Voraussetzungen des jw. Rechts
   •   Nacherfüllungsverlangen
   •   Entbehrlichkeit der Nacherfüllung
   •   Unverhältnismäßigkeit
   •   …
5. ggf. besondere Regelungen zu Folgen
Exkurs: Folgen der Vertragsbeendigung
• § 327o II: Erstattung der Zahlung

→ Zahlungsanspruch erlischt anteilig ab dem Zeitpunkt der
Mangelhaftigkeit, § 327o

§ 327p:

• keine weitere Nutzung durch Verbraucher
• keine Nutzung der personenbezogenen Daten durch Unternehmer
Zusammenfassung
1. Anwendungsbereich:
   Abgrenzung zum Kaufrecht und Überlassen von Daten
2. Mängelgewährleistungsrecht
   Drei Mangelkategorien, unabhängig nebeneinander stehend
   Aktualisierungen (Updates) = Teil der Mangelfreiheit
   Vertragsbeendigung als neues Mangelgewährleistungsrecht mit besonderen
   Regelungen zur Nutzung der Daten auf beiden Seiten
4. Änderungen nach Vertragsschluss
5. Besonderheiten bzgl. datenschutzrechtlichen Erklärungen, § 327q
6. Unternehmerregress, §§ 327t f.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!
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