Viel Lärm um nichts Trumps Afrikapolitik und ihre Folgen für Europa - Christoph Plate - Konrad-Adenauer ...
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Kevin© Quelle: Quelle: © Itar Tass, Reuters. Lamarque, Auslandsinformationen (Ai) 1|2019, S. 53 – 63 Viel Lärm um nichts Trumps Afrikapolitik und ihre Folgen für Europa Christoph Plate 85
Die Afrikapolitik Donald Trumps ist dominiert vom „Kampf gegen den Terrorismus“. Das war auch unter Barack Obama so. Der wesentliche Unterschied liegt in der Rhetorik des derzeitigen Amtsinhabers gegenüber dem Kontinent – diese ist geprägt von Ignoranz und Abfälligkeiten. Donald Trump ist unpopulär in Afrika. Eigentlich die reduzierten Beiträge der Amerikaner haben genießen US-Präsidenten traditionell ein hohes allerdings einen Effekt auf Afrika, da die Verein- Ansehen auf dem Kontinent. Doch im Falle ten Nationen vielerorts Ordnungsfunktionen auf Trumps überwiegt die Ablehnung, weil dieser als dem Kontinent wahrnehmen. feindselig und rassistisch empfunden wird. Im Senegal nahm das Vertrauen der Bürger in die Natürlich haben die – unbestätigten – Äußerun- US-Präsidentschaft um 51 Prozentpunkte ab, in gen des 45. amerikanischen Präsidenten über Südafrika waren es 34 Prozent Ansehensverlust einige afrikanische Staaten als „Drecksloch“ im seit dem Januar 2017. Dabei gilt es bei der Inter- Januar 2018 zu Protesten und diplomatischen pretation der Ergebnisse einer Pew-Meinungs- Nachfragen geführt. Allerdings machen viele umfrage1, den Unterschied zwischen Trump als Kommentatoren in Nigeria, dem Senegal oder Person und dem Bild der USA zu machen. Simbabwe einen Unterschied zwischen diesem amerikanischen Präsidenten, dem die Geografie Die Vereinigten Staaten stehen in Afrika nach auf dem Kontinent etwas durcheinander geraten wie vor für den Traum, dass jeder eine Chance zu sein scheint, wenn er von „Nambia“ anstatt hat. Die USA sind immer noch das Ziel vieler von Namibia spricht, und einer amerikanischen Auswanderungswilliger. Ein Stipendium in Ame- Administration, die bemüht ist, Verträge wie rika ist mehr wert als eines an einer Universität jenes von Bill Clinton eingeführte Wirtschafts- in Peking. Genauso vermitteln amerikanische abkommen AGOA zu erfüllen. Clinton startete Rap-Musik oder Kleidung aus den U SA immer den Africa Growth and Opportunity Act (AGOA), noch ein Lebensgefühl, an das chinesische unter dem afrikanische Staaten für einige ihrer Karaokemaschinen nicht heranreichen können. Erzeugnisse bevorzugten Zugang zum US-Markt Gemessen an solchen, nicht unwichtigen Äußer- bekommen – das genaue Gegenstück von allem, lichkeiten ist Trump nicht existent: Als Obama wofür „America First“ steht. AGOA wurde noch Präsident wurde, wurde sein Konterfei überall in Obamas Amtszeit bis 2025 verlängert. in Afrika auf T-Shirts gedruckt; es herrschte irrationale „Obamania“ allerorten. Zwar hat er Es ist die Rhetorik, die Trumps Verhältnis zu viele der in ihn gesetzten Hoffnungen enttäuscht. Afrika und das Bild von ihm auf dem Kontinent Aber er hat dem Kontinent eine Stimme gegeben; bestimmt. So wie seine Lust an der Provokation, das Gefühl vermittelt, er verstehe. Das hat ihm die Abneigung gegen diplomatische Etikette und und den USA viele Sympathien eingebracht, auch politische Rücksichtnahme zu Verwirrungen im wenn dies nicht gleichbedeutend war mit mehr Bundeskanzleramt oder im Élysée führen, so stößt Hilfe oder besseren Handelsbedingungen. Dabei er Politikern in Afrika vor den Kopf. Die damalige hat Obama lediglich die Initiativen seiner Vor- südafrikanische Vorsitzende der Afrikanischen gänger fortgesetzt und kaum neue Programme Union, Nkosazana Dlamini-Zuma, erklärte nach eingeleitet. Diesen Status quo hat er aber mit der Verhängung einer Einreisesperre in die U SA wohlklingenden Reden abgefedert. Trump für Bürger verschiedener afrikanischer Länder, nimmt solche Rücksichten nicht, setzt aber bis- dass nun genau jenes Land, in das afrikanische her in vielem das fort, was Obama auch getan hat. Sklaven verschleppt worden seien, Menschen aus Trumps Rückzug aus VN-Organisationen und diesen Ländern die Tür vor der Nase zuschlage. 86 Auslandsinformationen | 2|2019
Trump wird als Mann wahrgenommen, der sich Strategie gegenüber Afrika haben, sondern eher gegen den Vorwurf, er sei ein Rassist, gar nicht ein Durcheinander einzelner Pläne. Einige funk- erst zur Wehr setzt und der für viele Beobachter tionieren gut, andere gar nicht und die meisten vor allem für die Herrschaft des weißen Mannes passen nicht zusammen”, heißt es in einer Ana- steht. Letztendlich fehle der amerikanischen lyse in der amerikanischen Politikzeitschrift The Afrikapolitik „eine übergreifende strategische American Interest, die sich allerdings auch auf die Vision für die Region“, beklagen die Autoren des Obama-Zeit bezieht.5 German Institute of Global and Area Studies.2 Die Einschränkung der Einwanderung im Rahmen Genau betrachtet, hat Obama ebenfalls mit Poli- des „America First“ werde dazu führen, dass tikern gekungelt, die seinen hehren Ansprüchen Afrika sich stärker China und den Europäern nicht genügen sollten. Der Afrika-Direktor des zuwende. Freedom House, Jon Temin, fordert eine deutli- che Überarbeitung der Afrikapolitik: weniger Trumps Sicherheitsberater John Bolton hat Nähe des State Department zu den handelnden Mitte Dezember 2018 die Afrikastrategie der Personen und ein Überdenken der bisherigen Trump-Administration vorgestellt. Diese lässt Kooperation, wenn sich, wie im Fall des Süd- sich auf drei Punkte reduzieren: Erstens wirt- sudan, die Indizien häufen, dass es zu groben schaftliche Erfolge für alle Beteiligten, auch Menschenrechtsverletzungen gekommen ist. um den Chinesen die Stirn zu bieten. Sie und Obama dagegen habe Südsudans Präsident Russland werden als „Raubtiere“ bezeichnet, Salva Kiir zu einem Treffen afrikanischer Staats die Afrika in Abhängigkeit zu bringen versu- chefs im Jahr 2014 eingeladen, obwohl andere chen. Weiter soll der islamistische Terrorismus Potentaten auf dem Kontinent dieser Ehre nicht bekämpft werden und drittens jeder ausgege- teilhaftig wurden.6 bene US-Dollar amerikanischen Interessen dienen.3 Bolton macht sehr deutlich, dass es Ob die neue Administration es besser machen wesentlich um den Wettlauf mit Peking gehe, wird? Im November 2018 wurde bekannt, wenn er erklärt: „China nutzt Bestechungs Trump erwäge, den Sudan von der Liste jener gelder, undurchsichtige Abkommen und setzt Länder zu nehmen, die den Terrorismus unter- Schulden strategisch ein, um afrikanische Staa- stützen. Khartum hatte sowohl Osama bin- ten für Pekings Wünsche und Forderungen zu Laden vor dessen Umzug nach Afghanistan als nutzen.“4 auch den venezolanischen Terroristen „Carlos der Schakal“ beherbergt. Gegen den Langzeit- Gleichzeitig kündigte Bolton eine Wirtschafts herrscher Omar Hassan al-Bashir liegt gar ein initiative „Prosper Africa” an, die in erster Linie Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs das Engagement amerikanischer Firmen auf dem vor. Trumps Motive für diese Überlegung bleiben Kontinent befördern soll. In den sehr verhaltenen im Dunkeln. Kommentaren zur neuen Strategie in der New York Times oder von der Brookings Institution wird Bald nach der Amtseinführung Donald Trumps hervorgehoben, es wäre gut, dass es überhaupt in Washington im Januar 2017 veröffentlichte die eine Strategie gäbe, diese aber eher unkonkret New York Times ein Papier, in dem die Trump- sei und im Gegensatz zu deutschen oder europä- Administration Fragen an das Pentagon und das ischen Initiativen eher schmal ausfalle. State Department stellt, um die bisherige Afrika politik zu verstehen. Es wird darin deutlich, dass Die bisherige Untätigkeit der amerikanischen einerseits alles auf den Prüfstand gestellt werden Administration gegenüber den 54 Staaten Afri- soll, andererseits grobe Unkenntnis zu herrschen kas verschafft den chinesischen Bemühungen scheint. Ob man gegen die Chinesen in Afrika einen Vorteil, für den Peking nicht einmal etwas verliere? Warum die USA jährlich neun Milliar- tun muss. „Es ist wohl berechtigt zu sagen, dass den US-Dollar in die Entwicklungszusammen- die Vereinigten Staaten derzeit keine wirkliche arbeit mit Afrika stecken sollten und ob diese Zur Zukunft Afrikas südlich der Sahara 87
nicht mehrheitlich veruntreut würden?7 Kritiker (C SIS), dass die USA sich in Afrika den Schneid hatten allerdings schon vor der Amtsübernahme abkaufen lassen würden, und listet vor allem Trumps die „geringe Kohärenz von Sicherheits-, auf, dass seit 2010 in Subsahara-Afrika mehr Wirtschafts- und Entwicklungspolitik” beklagt.8 als 150 neue Botschaften von Staaten aus dem Reuben Brigety, ehemaliger US-Botschafter unter Obama bei der Afrikanischen Union und der Economic Commission for Africa in Addis Abeba, geht hart mit der Afrikapolitik Trumps ins Gericht. Er spricht von Ignoranz, weil es einein- halb Jahre gedauert hat, bis ein Staatssekretär für Afrika ernannt wurde, und bemängelt „diploma- tische Peinlichkeiten“ – wie den Besuch des ruan- dischen Präsidenten Paul Kagame im März 2017 in Washington, bei dem dieser keinen Termin mit der Administration bekam; offenbar weil sich im allgemeinen Durcheinander einfach niemand für Afrika zuständig fühlte.9 Anthony Cordesman vom Center for Strategic and International Studies (CSIS) in Washington ver- mochte dagegen Anfang 2017 in der Nationalen Sicherheitsstrategie Trumps durchaus Vorteile für Afrika zu erkennen: Man werde Reformen anregen und mit „vielversprechenden Nationen” zusammenarbeiten.10 In der deutschen For- schung herrschte eine gewisse Ratlosigkeit, als die Autoren einer Studie der Hessischen Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung erklärten, dass Afrika in Washington noch kein Politikum sei, könne als Glück bezeichnet werden, weil Richtungsänderungen einen Einfluss auf das Leben von über einer Milliarde Afrikaner haben würden.11 Allerdings sind die Herausforderungen in den Fragen der Migration, des Bevölkerungs- wachstums und bei der Terrorismusbekämpfung in Afrika derart groß, dass diese nicht allein von den Europäern und den Chinesen angegangen werden können, sondern es auch die Amerikaner braucht. Die Untätigkeit der amerikanischen Regierung wurde auch von solchen Denkschulen kritisiert, die der republikanischen Regierung eigentlich als wohlgesonnen gelten können. So bemän- gelt der Direktor des Afrika-Programms am Center for Strategic and International Studies 88 Auslandsinformationen | 2|2019
arabischen Raum oder Asien eröffnet wor- Gipfel-Diplomatie mit Afrika hin, wie sie vor den seien, die mit Afrika ins Geschäft kom- allem von der EU, und hier von der Bundes men wollen.12 Afrika-Experten, etwa von der regierung unter Angela Merkel, sowie von den Brookings Institution, weisen alarmiert auf die Chinesen betrieben werde.13 Sehnsuchtsort: Die Vereinigten Staaten stehen in Afrika nach wie vor für den Traum, dass jeder eine Chance hat. Quelle: © Carlo Allegri, Reuters. Zur Zukunft Afrikas südlich der Sahara 89
Der Wandel der Rhetorik der es weniger um demokratische Werte als um Interessen geht, manchen Potentaten gefallen Wohl kaum ein Land in der westlichen Hemi- mag, so können sie doch die Trump-Rhetorik sphäre hat historisch derart belastete Beziehun- nicht außer Acht lassen, die Afrika ins Abseits zu gen zu Afrika wie die Vereinigten Staaten von stellen sucht. Amerika. Selbst die ehemaligen Kolonialmächte Großbritannien, Frankreich und Belgien schei- nen durch das Erbe des Sklavenhandels nicht so Trumps ambivalente Einstel- belastet wie die U SA. Ein Grund dafür mag in lung zur Demokratie könnte der Tatsache liegen, dass trotz aller anerkann- in Afrika auch als Duldung ten Freiheiten und Chancen in den USA – anders als bei den europäischen Kolonialmächten – die dortiger undemokratischer Geschichte des Rassismus in den U SA weiter Regierungen verstanden nachwirkt. werden. Seit den 1990er Jahren sind praktisch alle ameri- kanischen Präsidenten sehr sensibel mit diesem Thema umgegangen. Wer heute Ghana oder Ruandas Präsident Paul Kagame hat es auf Senegal besucht, stößt nicht selten auf Reise- einen Konflikt mit der Trump-Administration gruppen afroamerikanischer Touristen, die auf ankommen lassen, als er den Import ameri- den Spuren ihrer Vorfahren in Westafrika unter- kanischer Secondhand-Kleidung in sein Land wegs sind. Jeder US-Präsident der vergangenen verbot – mit dem nachvollziehbaren Argument, Jahrzehnte hat sich auf der der senegalesischen dies würde die im Aufbau befindliche ruandische Hauptstadt Dakar vorgelagerten Sklavenhänd- Textilindustrie behindern. Im Gegenzug wurde lerinsel Gorée an jenem steinernen Tor foto- der zollfreie Zugang ruandischer Produkte zum grafieren lassen, durch das Hunderttausende US-Markt gestrichen. afrikanische Sklaven auf die Schiffe gen Amerika getrieben worden waren. In den 1990er Jahren Und was bedeutet Trumps Geringschätzung machten amerikanische Botschafter in Afrika, der Presse und der Gewaltenteilung für jene, wie etwa der legendäre konservative Diplomat die sich für Demokratisierung und starke Zivil- und Publizist Smith Hempstone in Nairobi, den gesellschaften in Afrika einsetzen? Trumps Anspruch der USA deutlich, dass sie nach dem Präsidentschaft „könnte Afrikas Demokraten Ende des Ost-West-Konflikts sehr wohl die Seg- entmutigen und den Autokraten des Kontinents nungen der Demokratie und der Gewaltenteilung Auftrieb verschaffen“, schreibt John Stremlau in Afrika durchgesetzt sehen wollten. von der Wits University in Johannesburg. Er weist auf die Gefahr hin, dass Trumps Gebrauch von Das hat sich geändert. Trumps Äußerungen über Fake News und seine Art, die Wahrheit zu verdre- schwarze Sportler, die beim Abspielen der Natio- hen, bedrohlich sei, und zitiert den ugandischen nalhymne gegen Rassendiskriminierung protes- Publizisten Charles Onyango-Obbo, der kritisch tieren und die er als „Hurensöhne“ diffamierte, und ironisch schreibt: „Das Geniale an Trump ist, stoßen in Sportsbars in Nairobi auf Kopfschütteln. dass er versteht, was große Guerillaführer schon vor Jahrzehnten verinnerlicht haben: tue genaue Der südafrikanische Komiker Trevor Noah hat das, was dein Gegner für unmöglich hält oder für Donald Trump bereits als den „perfekten afri- so unvorstellbar, dass dieser keinen Plan zu sei- kanischen Präsidenten“ bezeichnet, der eben ner Verteidigung hat.“14 nur auf dem falschen Kontinent regiere. Trump weise Ähnlichkeiten mit afrikanischen Diktato- Die enttäuschten Vorkämpfer für Demokratie und ren auf: er sei unvorbereitet und versuche, das Gewaltenteilung in Afrika machen höchstens Recht zu beugen. Auch wenn eine Politik, bei Witze über einen Mann, dessen Gleichgültigkeit 90 Auslandsinformationen | 2|2019
Tropen-Outfit: Nicht nur Donald Trump selbst hat in den letzten zwei Jahren viele in Afrika vor den Kopf gestoßen. Quelle: © Carlo Allegri, Reuters. gegenüber dem Kontinent sich auch darin zu Südafrikas Regierungschef Cyril Ramaphosa manifestieren scheint, dass es anderthalb Jahre über den senegalesischen Staatschef Macky Sall und zwei US-Außenminister brauchte, bis man bis zum Außenministerium von Botswana. sich dazu entschied, überhaupt einen Leiter der Afrika-Abteilung im State Department zu berufen. Nach Afrika schickt Trump seine Leute, etwa Erst im Juli 2018 wurde der Diplomat Tibor Nagy den damaligen Außenminister Rex Tillerson, zum Assistant Secretary of State for African Affairs den er während dessen Afrikareise im März ernannt. Nagy war bereits Botschafter in Guinea 2018 feuerte. Oder später im Jahr dann seine und Äthiopien und soll nun die amerikanische Ehefrau Melania, die erklärte, sie bezweifle, Politik auf dem Kontinent gestalten. dass ihr Mann afrikanische Staaten als Dreckslö- cher bezeichnet habe. Melania Trump reiste als Die angeblichen shithole-Äußerungen im Januar Gesandte ihres Mannes im Oktober 2018 nach 2018 wurden von Trump selbst zwar demen- Ghana, Malawi, Kenia und Ägypten. Besondere tiert. Wichtiger aber ist, dass alle Beobachter Aufmerksamkeit in den Medien erhielt dabei ihm diese zutrauen. Die Reihe der rhetorischen ihre Garderobe, die an die Tropenkleidung Tweets und Bitten um Klarstellung reichten von aus britischer Kolonialzeit erinnerte. Melania Zur Zukunft Afrikas südlich der Sahara 91
Trump betonte, dass die Menschen in Afrika Nach Black Hawk Down, dem Abschuss eines sie auf dieser Reise sehr warmherzig willkom- amerikanischen Helikopters in Mogadischu, in men geheißen hätten. „Wir lieben beide Afrika. dessen Folge 13 Tote zu beklagen waren, folgte Afrika ist so wunderschön“.15 das nächste afrikanische Trauma der Amerikaner am 7. August 1998, als Terroristen des Netzwer- Die Süddeutsche Zeitung zitiert John Stremlau kes al-Qaida in Nairobi und Dar-es-Salaam die von der Wits University in Johannesburg mit den US-Botschaften angriffen und dabei zahlreiche Worten, dass man Interessenskonflikte, wie sie Amerikaner und Einheimische töteten. Diese Trump zwischen eigenen Geschäften und Staats- Anschläge gelten im Nachhinein als Vorläufer interessen habe, ja auch in Afrika kenne. Die und Übungsanleitungen für die Angriffe auf die Verachtung der Institutionen, die untergeord- Türme des World Trade Center in New York am nete Rolle der Frau und die Geringschätzung der 11. September 2001. Meinungsfreiheit fänden ebenfalls ihre Entspre- chung bei afrikanischen Potentaten.16 Die wachsende terroristische Bedrohung durch islamistische Gruppen wie al-Shabaab in Soma- Militärische Interessen lia, durch Boko Haram in Nigeria oder al-Qaida im Maghreb, in Mali und Niger führte zur Aus Afrika hätten sich die U SA nach dem Kalten Gründung von A FRICOM unter US-Präsident Krieg militärisch am liebsten herausgehalten. Barack Obama im Februar 2007. Die Zentrale Doch nach dem Ende des Ost-West-Konflikts, für militärische Interventionen in Afrika sitzt in der auf dem Kontinent energisch ausgetragen den Kelley Barracks in Stuttgart. Von dort wer- worden war, entstand ein Vakuum. Der erste den offenbar auch zahlreiche Drohnenangriffe scheiternde Staat war Somalia, und alles, was an gesteuert. Im September 2008 gründete man Anschlägen und terroristischer Bedrohung folgte, die Air Forces Africa und die Seventeenth Air war Anfang der 1990er Jahre unmöglich vorher- Force in Ramstein, die als Luftstreitmacht für zusehen gewesen. AFRICOM dient.17 In Somalia wollte der damalige Präsident George H. W. Bush 1992 den Hunger besiegen und Frie- Das amerikanische Militär den bringen, auch wenn die strategische Bedeu- ist in Afrika vor allem im tung des Landes am Horn von Afrika durch Alleingang unterwegs und den Zusammenbruch der Sowjetunion und das Ende des Ost-West-Konfliktes deutlich abge- dabei in der Terrorbekämp- nommen hatte. Bill Clinton erbte das Somalia- fung aktiv. Engagement; und als dann 1993 13 US-Soldaten in Mogadischu getötet wurden, entstand die Doktrin, dass nie mehr ein amerikanischer Sol- dat auf afrikanischem Boden sterben solle. Mit Kern amerikanischer Afrikapolitik sei die Drohne, diesem Trauma ins Amt gekommen, weigerte erklärte der Politikwissenschaftler Richard sich Clinton, dem am 6. April 1994 beginnen- Joseph von der Northwestern University in Evan- den Völkermord in Ruanda mit militärischen ston sarkastisch.18 Das seit 2014 aktive Drohnen- Mitteln zu begegnen. Er entschuldigte sich spä- programm soll über Basen in Äthiopien, Niger, ter beim ruandischen Volk dafür. Doch wirkt die Kenia und Dschibuti verfügen.19 Tatsächlich Entscheidung, dem Morden an bis zu einer Mil- scheint der Angriff auf Ziele der Terrorgruppe lion Menschen innerhalb von 100 Tagen taten- al-Shabaab in Somalia eines der Hauptmotive der los zuzuschauen, im historischen Rückblick klein amerikanischen Militärpolitik in Afrika zu sein. und innenpolitisch motiviert. Al-Shabaab hat sich zum verheerenden Anschlag auf das Westgate-Einkaufszentrum in Nairobi im September 2013 bekannt sowie auf den Anschlag 92 Auslandsinformationen | 2|2019
auf das dusitD2-Hotel in Kenias Hauptstadt im nächsten Jahren“ abgezogen werden würden.23 Januar 2019. Allein im Jahr 2018 wurden mehr Dies soll nach unbestätigten Berichten innerhalb als 30 US-Luftangriffe auf al-Shabaab-Ziele in der nächsten drei Jahre geschehen. Beobachter Somalia durchgeführt. 20 gehen davon aus, dass dieser Rückzug auch eine Reaktion auf den Tod der vier US-Soldaten 2017 Die militärische Zusammenarbeit mit deutschen in Niger ist. und anderen europäischen Armeen scheint dabei kaum existent zu sein. So erklärte der Wettlauf mit den Chinesen AFRICOM-Kommandeur, Thomas Waldhauser, bei einer Anhörung im US-Repräsentantenhaus Militärische Kontakte zwischen amerikanischen im März 2018, er gehe davon aus, dass es, wenn Soldaten und Chinesen gibt es allenfalls in Dji- überhaupt, nur eine sehr marginale Zusammen- bouti, wo die Volksrepublik China ihre bisher arbeit in Afrika gäbe.21 erste Marinebasis außerhalb Chinas eröffnet hat. Angeblich wurden dort im Mai 2018 US- In den zehn Jahren nach der Einrichtung von Piloten von Chinesen mit Lasern geblendet. Der AFRICOM waren US-Kommandos immer wieder Chef von A FRICOM, General Waldhauser, hat in Afrika tätig, unter anderem in Kenia, Somalia, das chinesische Engagement in Afrika dagegen der Demokratischen Republik Kongo, Kamerun, durchaus positiv gewertet. Etwa 2.600 chine- Mauretanien und Niger. So recht bewusst wurde sische Blauhelme dienen bei VN-Einsätzen, so dies einer breiten Öffentlichkeit in den USA in Mali, dem Südsudan und der Elfenbeinküste. allerdings erst im Oktober 2017, nachdem vier Die U SA dagegen haben offiziell lediglich 68 ent- amerikanische Soldaten in einem Hinterhalt im sandte Blauhelme auf dem Kontinent.24 Dorf Tongo-Tongo in Niger getötet wurden. In den USA dominierte bald darauf die missglückte In der wirtschaftlichen Konkurrenz geht es weni- Beileidsbekundung des US-Präsidenten für eine ger um Absatzmärkte, die man an die Chinesen der jungen Witwen die Diskussion. Trump soll verlieren könnte, als vielmehr um den Zugang zu dieser gesagt haben, ihr gefallener Mann habe ja afrikanischen Rohstoffen. Die Abhängigkeit der wohl gewusst, worauf er sich einlasse, als er zu USA von Importen, etwa bei Platin, Mangan und den Spezialkräften gegangen sei. Offiziell waren Chrom (die größten Vorräte lagern in Südafrika) die Soldaten lediglich zu Ausbildungszwecken oder bei Coltan (80 Prozent aller Vorkommen in dem Sahelstaat, zu dem auch die Bundesrepu- sind in der Demokratischen Republik Kongo), ist blik enge Beziehungen pflegt. Sie fielen jedoch dramatisch. Die USA importieren mehr Erdöl aus ganz offensichtlich in einem Gefecht, für das sie Afrika als aus dem Nahen Osten.25 Diesen wirt- obendrein nicht adäquat ausgestattet gewesen schaftlichen Wettlauf mit China werden die Ame- sein sollen. rikaner nur schwer gewinnen können, wenn die immensen amerikanischen Direktinvestitionen Insgeheim haben sich offenbar mehrere hundert und die militärische Kooperation nicht von ent- Green Berets, Navy S EALs und Marine Raiders in sprechenden politischen Maßnahmen – Verträgen, Niger aufgehalten, der sowohl als Transitland für Konferenzen, Deklarationen und Besuchen – flan- Flüchtlinge nach Europa genutzt wird als auch kiert werden. Im Jahr 2017 betrug das amerikani- ein wachsendes Problem mit islamistischem sche Handelsvolumen mit Afrika 39 Milliarden Terrorismus hat, welcher die schwer zu kontrol- US-Dollar, das der Chinesen mit 170 Milliarden lierenden Grenzen zu Mali und Libyen für sich zu mehr als viermal so viel.26 Die USA sind nach der nutzen weiß. Die Übergänge des Engagements in Volksrepublik China und Europa nur drittwich- diesen Ländern seien fließend zwischen Ausbil- tigster Handelspartner Afrikas. dung und Terrorbekämpfung, weiß das Magazin Politico.22 Mitte November 2018 erklärte dann Der vollkommen unterentwickelte innerafrika- das Pentagon, dass etwa zehn Prozent der 7.200 nische Markt hängt zu stark von Exporten, unter Soldaten unter dem Africa Command „in den anderem in die U SA, ab. Weniger als 20 Prozent Zur Zukunft Afrikas südlich der Sahara 93
des afrikanischen Handels werden zwischen Markanter wird sich auswirken, dass die Demo- Staaten Afrikas abgewickelt.27 Anders als Europa kratieförderung, wie sie bisher von den U SA und wird Afrika darum in Verhandlungen in absehba- den Europäern in Afrika betrieben wurde, vor rer Zeit nicht mit einer Stimme sprechen können. allem zu einem europäischen Anliegen werden könnte. Europa, und hier speziell Deutschland, Die weitere Entwicklung ist mit den verschiedenen Maßnahmen zur Förderung des Mittelstands, dem Marshallplan Afrika ist dreieinhalb Mal so groß wie die Verei- für Afrika, den Compacts with Africa und den nigten Staaten von Amerika. Der demokratische Reformpartnerschaften mit ausgewählten Staa- Senator Chris Coons wies Trump in einem Bei- ten proaktiver als die Amerikaner. Gleichzeitig trag vom Januar 2017 auf die Chancen und Her- ist eine ideologische Entschlackung der Rhetorik ausforderungen in Afrika hin: der Kontinent habe eingetreten, die immer deutlicher auch von deut- großes wirtschaftliches Potenzial, seine Bevölke- schen und Wirtschaftsinteressen spricht. rung werde sich innerhalb der nächsten 30 Jahre verdoppeln, die Rolle Afrikas in der Weltwirt- Dass Europa geschlossener auftreten muss schaft werde zunehmen, außerdem müsse auf angesichts amerikanischer Gleichgültigkeit und dem Kontinent gegen Terrorismus und dschiha- chinesischen Expansionswillens, muss herausge- distische Gefahren vorgegangen werden.28 strichen werden. Gefährlich scheint das Halbwissen Trumps zum Beispiel, wenn er die „massenhafte Tötung“ wei- Vermutlich werden sich Afrika und Europa mit ßer Farmer in Südafrika beklagt (so geschehen diesem amerikanischen Präsidenten und seiner im August 2018) – ein Halbwissen, das sich nicht Afrikapolitik arrangieren. Europa wird idealer- auf Geheimdienstberichte verlässt, sondern auf weise mit begrenzteren Mitteln als denen der die Berichterstattung von Fox News. Amerikaner und der Chinesen europäische Poli- tik auf dem Kontinent forcieren. Man weiß, dass Trumps Afrikapolitik nicht länger als acht Jahre Die derzeitige Afrikapolitik dauern kann. Das ist eine überschaubare Zeit, der USA bedeutet für Europa gerade in Afrika. und Deutschland eine größere Verantwortung in der dortigen Christoph Plate ist Leiter des Medienprogramms Demokratieförderung. Subsahara-Afrika der Konrad-Adenauer-Stiftung mit Sitz in Johannesburg, Südafrika. Dass Trump die Presse attackiert und mit Tweets versucht, die Justiz zu beeinflussen, hat, wenn nicht einen Nachahmungseffekt, so doch eine Bestätigung zur Folge, dass man es mit bestimm- ten ehernen Prinzipien nicht so genau nehmen muss. Dies sind aber oft genau die Werte, die politische Stiftungen wie die Konrad-Adenauer- Stiftung in afrikanischen Zivilgesellschaften för- dern wollen. Was bedeutet diese amerikanische Afrikapoli- tik nun für Europa und für Deutschland? Dass Europa ein Problem mit Migration aus Afrika hat, war auch schon Obama relativ gleichgültig. 94 Auslandsinformationen | 2|2019
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