Vision und Strategieentwicklung der Österreichischen Nationalbibliothek - De Gruyter
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BIBLIOTHEK – Forschung und Praxis 2018; 42(1): 122–127 Weitere Beiträge Michaela Mayr* Vision und Strategieentwicklung der Österreichischen Nationalbibliothek https://doi.org/10.1515/bfp-2018-0016 nen auch die Prinzipien des strategischen Managements und der Strategieentwicklung angewandt werden. Stein- Zusammenfassung: Die Strategie 2017–2021 der Österrei- sieck stellt dazu fest, dass „das strategische Management chischen Nationalbibliothek orientiert sich an ihrer Vision die Aufgabe hat, die Unternehmensziele festzulegen, Stra- 2025, mit der 2012 erstmals die längerfristigen Zukunfts- tegien mit Zwischenzielen zu deren Erreichung zu ent- perspektiven der Bibliothek einer breiten Öffentlichkeit wickeln, diese zu implementieren und zu kontrollieren“.1 präsentiert wurden. Die Ausarbeitung der Strategie erfolg- In einer Zeit, in der sich die gesellschaftlichen und te durch thematische Arbeitsgruppen, die konkrete Ziele technologischen Rahmenbedingungen für Bibliotheken und Maßnahmen entwickelten. Sowohl der Prozess der rasch verändern, kommt der strategischen Planung eine Strategieentwicklung, als auch die daraus resultierenden eminente Bedeutung zu. Es gilt, eingeübte Wege und über- Projekte werden ausführlich erläutert. nommene Aufgaben permanent zu hinterfragen und für neue Entwicklungen offen zu sein. Welche Funktion haben Schlüsselwörter: Österreichische Nationalbibliothek; Visi- Bibliotheken in der Wissensgesellschaft von morgen? Wel- on; Strategische Planung; Strategieentwicklung; Unter- che aktuellen Entwicklungen müssen sie heute schon auf- nehmensziele greifen, um den Anforderungen ihrer Benutzer auch in Zukunft gerecht zu werden? In der Österreichischen Natio- Vision and Strategy Development of the Austrian National nalnationalbibliothek hat daher die Strategieentwicklung Library und -umsetzung seit Jahren einen hohen Stellenwert. Abstract: The strategy 2017–2021 of the Austrian National Im vorliegenden Artikel werden sowohl der Prozess Library is based on the Vision 2025, the long-term future der Strategieentwicklung, als auch die daraus resultieren- perspectives of the library that were presented to the pu- den Projekte ausführlich erläutert. blic in 2012. The strategy was developed in thematic wor- king groups that defined specific objectives and measures. Both the process of strategy development and the resulting 2 Vision 2025 projects are explained in detail. Im Herbst 2012 stellte die Österreichische Nationalbiblio- Keywords: Austrian National Library; vision; strategic thek unter dem Titel Vision 2025 – Wissen für die Welt von planning; strategy development; corporate objectives morgen2 ihre langfristigen Zukunftsperspektiven der Öf- fentlichkeit vor. Mit dieser visionären Positionsbestim- mung setzte die Bibliothek einen wichtigen Schritt, um ihr 1 Einleitung Selbstverständnis und ihre Aufgaben in der Wissensgesell- schaft von morgen zu reflektieren und ihre Entwicklungs- Die Österreichische Nationalbibliothek ist seit 2002 als potentiale darzustellen. vollrechtsfähige Institution aus der unmittelbaren Bundes- Die Festlegung ihres zukünftigen Weges orientiert sich verwaltung ausgegliedert und agiert als autonomes Unter- an klar formulierten Werten, denen die Österreichische nehmen. Ihre Grundlage als zentrale Archivbibliothek des Nationalbibliothek als eine der zentralen Gedächtnisinsti- Landes ist dabei der im Bundesmuseen-Gesetz bzw. der tutionen dieses Landes und als nationales Symbol für eine Bibliotheksordnung festgelegte generelle gesetzliche Auf- offene, demokratische Gesellschaft verpflichtet ist. Folgen- trag. Als Unternehmen unterliegt die Bibliothek den Grundsätzen der Betriebswirtschaftslehre und somit kön- 1 Steinsieck (2013) 107. *Kontaktperson: Mag. Michaela Mayr, michaela.mayr@onb.ac.at 2 Rachinger (2012).
Vision und Strategieentwicklung der Österreichischen Nationalbibliothek 123 de grundlegenden gesellschaftlichen Werte bilden den reich, da der Großteil der Publikationen digital er- Ausgangspunkt der Vision 2025: scheint. Gleichzeitig wird durch Erwerbungen sicher- ‒ Freier Zugang zum Wissen: Wissen muss für alle gestellt, dass die Sammlungen auch 2025 ihre zugänglich sein: Bibliotheken können ihre gesell- herausragende Funktion in der Bewahrung des kul- schaftliche Aufgabe nur erfüllen, wenn sie einen offe- turellen Erbes Österreichs und Europas erfüllen. Die nen und niederschwelligen Zugang zu dem von ihnen langfristige Erhaltung der digitalen und physischen bewahrten Wissen ermöglichen. Bestände wird durch Maßnahmen im Bereich der digi- ‒ Innovation: Neues entsteht immer auf der Basis des talen Langzeitarchivierung sowie durch die kon- vorhandenen Wissens. Die Österreichische National- sequente Umsetzung des Restaurierungsmasterplans bibliothek versucht, Innovationen in allen Richtungen gewährleistet. zu fördern bzw. selbst umzusetzen. 3. Der Zugang zu unserem Wissen ist einfacher. ‒ Bildung: Die Österreichische Nationalbibliothek ver- Die Bestände der Österreichischen Nationalbibliothek steht sich als vielfältige Bildungsinstitution. Nur auf sind 2025 in einem einheitlichen Nachweissystem er- der Grundlage gebildeter, kritischer Staatsbürger ist fasst, das auch einen direkten Zugriff auf die digitalen Demokratie möglich. („born digital“) und digitalisierten Inhalte ermöglicht. ‒ Verantwortung: Die Österreichische Nationalbiblio- Durch Datenanreicherung (wie Verknüpfung mit Geo- thek ist dafür verantwortlich, das ihr anvertraute Erbe Daten) werden die Bestände besser nutzbar und die langfristig und möglichst umfassend zu bewahren. Präzision von Suchmaschinen steigt. Metadaten wer- Dies ist Grundlage für Wissensfortschritt, kulturelle den als „Open Data“ in standardisierter Form zur all- Identität und auch die Möglichkeit, unsere Zukunft gemeinen Nutzung zur Verfügung gestellt. aktiv zu gestalten. 4. Durch uns ist Forschung vielfältiger und effektiver. Die Österreichische Nationalbibliothek macht ihre di- Der im Bundesmuseen-Gesetz ausgesprochene gesetzliche gitalisierten Bestände über standardisierte Daten- Auftrag an die Österreichische Nationalbibliothek bezieht schnittstellen zugänglich und ermöglicht es so For- sich auf den „Ausbau, die wissenschaftliche Bearbeitung schern, etwa aus den Digitalen Geisteswissenschaften, und Erschließung, die Bereitstellung und langfristige Er- direkt mit den Daten weiter zu arbeiten. Auf Basis einer haltung sowie die Verwaltung des ihr [...] überlassenen virtuellen Forschungsplattform können Forschern auf oder von ihr erworbenen Sammlungsgutes“.3 Zusammen ihre jeweiligen Bedürfnisse zugeschnittene Leistungen mit den oben genannten Werten lassen sich daraus die angeboten werden. Editions- und Erschließungspro- fünf Leitlinien der Vision 2025 ableiten, die als grund- jekte sind meist mit einer Digitalisierung der Original- legende Orientierungspunkte für die zukünftige strategi- dokumente verbunden und werden in internationaler sche Weiterentwicklung der Bibliothek fungieren: Zusammenarbeit im Rahmen von Forschungsinfra- 1. Unsere Bestände sind digitalisiert. strukturen durchgeführt. Bucheditionen sind weit- Bis 2025 wird ein großer Teil des Buchbestands der gehend durch Hybrideditionen und digitale Editionen Österreichischen Nationalbibliothek digital zugäng- abgelöst. lich und damit weltweit frei online abrufbar sein. Die 5. Wir bereichern das kulturelle und gesellschaftli- Textdokumente sind weitgehend durch Volltexte er- che Leben. schlossen. Nach Maßgabe der rechtlichen Möglichkei- Die Österreichische Nationalbibliothek ist mit ihren ten stellt die Bibliothek ihre digitalen Inhalte uneinge- digitalen Services, Lesesälen, den Museen und Aus- schränkt zur Verfügung. Die digitalen Bestände sollen stellungen ein Garant für die Vermittlung des reichhal- über eine einheitliche, benutzerfreundliche Plattform tigen kulturellen Erbes. Die Bibliothek fördert die zugänglich gemacht werden. Auch eine Nutzung auf größtmögliche Partizipation und Interaktion der Be- mobilen Endgeräten und über andere Kanäle ist mög- nutzer mit den digitalen Inhalten und stellt Ressour- lich. Neben den wichtigsten Beständen werden auch cen zur Verfügung, die Nutzerbeteiligung ermögli- weitere Serviceleistungen online angeboten. chen. 2. Wir sammeln und sichern Wissen in jeder Form. Genauso wichtig ist die Bibliothek als sozialer realer 2025 liegt der Schwerpunkt der Sammlungspolitik der Ort. In den musealen Bereichen werden Bestände mit Österreichischen Nationalbibliothek im Online-Be- Ausstellungsaktivitäten vernetzt. Zudem werden Ver- anstaltungen und Vermittlungsmaßnahmen weiter ausgebaut, wobei ein besonderer Schwerpunkt in der 3 Bundesmuseen-Gesetz (2002) § 13 (3). Kulturvermittlung für Schulen liegt.
124 Michaela Mayr Der hier aufgezeigte Weg in die Zukunft entspricht auch zipation und Digitale Geisteswissenschaften sind einige dem Leitbild der Österreichischen Nationalbibliothek der Entwicklungen, die von der Österreichischen National- als dienstleistungsorientiertem Informations- und For- bibliothek in den nächsten Jahren aufgegriffen werden. schungszentrum, als herausragender Gedächtnisinstituti- Diese und eine ganze Reihe weiterer Themen sind Teil der on des Landes und als vielfältigem Bildungs- und Kultur- Strategie 2017–2021. Die Österreichische Nationalbiblio- zentrum. thek kommt damit der Umsetzung ihrer Vision 2025 um einige wichtige Schritte näher. 3 Von der Vision zur Strategie 4 Prozess der Strategieentwicklung Die Vision 2025 dient als Basis für den gesamten Strategie- entwicklungsprozess der Österreichischen Nationalbiblio- Laut Steinsieck soll systematische Strategieentwicklung thek. Mit den Strategieplänen werden diese ambitionierten als Leitlinien schrittweise in konkrete Ziele und Maßnahmen umgesetzt. Was sind die thematischen Schwerpunkte, mit „ein Prozess verstanden werden, der geeignet ist, eine schriftlich fixierte Strategie entstehen zu lassen, die zeitlich befristet ist, denen sich die Österreichische Nationalbibliothek in ihren konkrete Zielsetzungen beinhaltet und nach außen kommuni- strategischen Zielsetzungen im Detail befasst? ziert wird. Damit wird der Begriff einerseits abgegrenzt gegen- 2016 ging die letzte fünfjährige Strategieperiode der über Prozessen zur Formulierung von Leitbildern, die in der Österreichischen Nationalbibliothek zu Ende. Eine ganze Regel keine zeitliche Befristung aufweisen, und andererseits Reihe zukunftsweisender Themen wurden zwischen 2012 auch gegenüber allgemeinem ‚strategischen Handeln‘ der Biblio- und 2016 erfolgreich umgesetzt, darunter etwa die Voll- theksleitung.“5 textsuche für digitalisierte Bestände, Online-Tools für die Informationsservices wie Ask a Librarian oder der Live Die Herangehensweise der Österreichischen Nationalbi- Chat sowie die erstmalige Präsenz der Bibliothek in sozia- bliothek entspricht dieser Definition und wird anhand der len Netzwerken.4 aktuellen Strategieperiode näher beschrieben. Welche Fragestellungen sollten nun die folgenden Grundsätzlich beginnt der Strategieentwicklungspro- fünf Jahre bestimmen? Zuerst wurden selbstverständlich zess im Herbst des vorletzten Jahres der laufenden Periode die Erfahrungen aus der Vorperiode reflektiert. Es war das und somit über ein Jahr vor Beginn der neuen Periode, Ziel, bestmöglich auf den Strategieplan 2012–2016 auf- d. h., die Planung für die Umsetzung ab 2017 startete be- zubauen und Erkenntnisse und Themen aus dieser Periode reits im Herbst 2015. Aufgrund der raschen Veränderungen aufzugreifen. Natürlich musste diesbezüglich auch geprüft der technologischen Rahmenbedingungen wurde ange- werden, ob nach fünf Jahren die Ausrichtung noch stimm- dacht, die Periodendauer von fünf auf drei Jahre zu ver- te. Besonders in technischen Belangen stellen sich fünf kürzen. Allerdings zeigte sich bald, dass die Fülle an Ideen Jahre als langer Zeithorizont dar, in dem man auf geänder- und Vorhaben den kürzeren Zeitrahmen sprengen würde. te Rahmenbedingungen reagieren muss. Somit war es ei- Somit wurde als Zeithorizont erneut die bewährte Dauer nerseits das Ziel der nächsten Strategieperiode ab 2017, von fünf Jahren und der Zeitraum 2017–2021 definiert. laufende Initiativen voranzutreiben und andererseits aktu- Am Beginn der Strategieentwicklung steht die The- elle und zukunftsweisende Themen einzubringen. menfindung, die in einem Brainstorming mit Geschäfts- Was sind die Aufgaben bei der Bestandsdigitalisie- führung, Arbeitsgruppen-Leitern aus der laufenden Strate- rung im Anschluss an das große Google-Kooperationspro- gieperiode und ausgewählten Führungskräften gestartet jekt Austrian Books Online? Welche Weichenstellungen – wird. Ein von der Geschäftsführung mit der Koordination etwa im österreichischen Mediengesetz – sind notwendig, betrauter Mitarbeiter nimmt die aktuellen Fragestellungen damit die Österreichische Nationalbibliothek Information auf, strukturiert diese und erarbeitet einen Vorschlag für in allen heute aktuellen Formen wie z. B. E-Books und E- die Zusammensetzung der einzelnen Strategie-Arbeits- Papers langfristig sichern kann? Welche neuen Formen der gruppen. Bereits in dieser ersten Phase der Strategieent- Vermittlung stehen Bibliotheken heute offen? Die zu- wicklung ist die breite Beteiligung von Experten des Hau- kunftsweisende Präsentation von Beständen, Nutzerparti- ses ein wichtiger Aspekt. Grundsätzlich werden alle Mitarbeiter ermutigt, ihr Fachwissen und ihre Ideen für die 4 Vgl. Österreichische Nationalbibliothek – Strategie 2012–2016 (2016). 5 Steinsieck (2013) 105 f.
Vision und Strategieentwicklung der Österreichischen Nationalbibliothek 125 Zukunft der Österreichischen Nationalbibliothek ein- schäftsführung abgesegnet. An der Veranstaltung nah- zubringen. men neben der Geschäftsführung und Mitgliedern aus Für die Strategieperiode 2017–2021 wurden elf Arbeits- den Strategie-Arbeitsgruppen auch Führungskräfte gruppen mit ca. 50 Experten aus unterschiedlichen Berei- des Hauses aus anderen Bereichen teil. Die Klausur chen des Hauses eingesetzt. Für jede Arbeitsgruppe wird wurde durch ein externes Moderationsteam unter- ein Leiter ernannt, die Teammitglieder werden von dem stützt. Strategie-Koordinator oder dem Arbeitsgruppen-Leiter no- ‒ Natürlich ist die Bekanntmachung der Strategie ein miniert bzw. es gibt in einigen Bereichen auch Aufrufe zur wichtiges Element des gesamten Prozesses. Alle Mit- freiwilligen Beteiligung. Da zahlreiche Arbeitsgruppen arbeiter der Österreichischen Nationalbibliothek wur- technische Aspekte beinhalten, sind Mitarbeiter von IT- den zu einer Informations-Veranstaltung einge- Abteilung und/oder Digitaler Bibliothek in den meisten laden, bei der die Vorhaben kurz vorgestellt wurden. Teams vertreten. Die rege Teilnahme und Diskussion im Anschluss zeig- Die intensive Zusammenarbeit in neu zusammen- te das große Interesse der Mitarbeiter und die hohe gestellten Arbeitsgruppen, die binnen kurzer Zeit und zu- Identifikation mit den Zielsetzungen. sätzlich zu ihren Linienaufgaben produktiv arbeiten müs- ‒ Mit Jahresbeginn 2017 wurde schließlich die Umset- sen, stellt eine große Herausforderung an alle Beteiligten zung der geplanten Maßnahmen begonnen und die dar. Neben der Möglichkeit zur Mitgestaltung (intrinsische strategischen Ziele 2017–2021 in Form einer Broschüre Motivation!) bieten die Arbeitsgruppen den Nutzen der der Öffentlichkeit präsentiert.6 Vernetzung mit Kollegen und die Chance zur Profilierung. ‒ Die Projektfortschritte und die Umsetzung der Maß- Um die Koordination zwischen den einzelnen Arbeits- nahmen werden jährlich im Zuge der Budget- und Ziel- gruppen sicherzustellen, finden regelmäßige Arbeitsgrup- gespräche mit der Geschäftsführung erörtert und ge- pen-Leiter-Meetings statt, bei denen Fortschritte, wechsel- gebenenfalls die Projektpläne angepasst. Zur Halbzeit seitige Abhängigkeiten und offene Fragen behandelt der Strategieperiode, d. h. etwa Mitte 2019, ist eine werden. Zwischenevaluierung der Strategie 2017–2021 ge- Der Ablauf der Strategieentwicklung nahm wie ein- plant, um Fortschritte, Ausrichtung und Rahmenbe- gangs beschrieben über ein Jahr in Anspruch: dingungen zu überprüfen und die Planung bei Bedarf ‒ Der Strategieentwicklungsprozess für die Periode anzupassen. 2017–2021 begann im Herbst 2015 mit Themenfin- dung und Zusammensetzung der Arbeitsgruppen. ‒ In einer intensiven Konzeptionsphase im ersten Halb- 5 Strategie 2017–2021 jahr 2016 arbeiteten die Experten in den Arbeitsgrup- pen an zahlreichen Vorschlägen für konkrete Umset- Die thematischen Schwerpunkte der Arbeitsgruppen und zungsmaßnahmen. Bis Ende April 2016 legten alle daraus resultierende Projekte in den kommenden fünf Jah- Arbeitsgruppen ihre Zwischenberichte vor, die mit ren sind: der Geschäftsführung diskutiert und abgestimmt wur- den. ‒ Im weiteren Verlauf der Strategieentwicklung wurden 5.1 IT-Infrastruktur die Konzepte verfeinert und konkrete Zeit- und Res- sourcenpläne definiert. Die Endberichte konnten im Ziel ist der Ersatz der vorhandenen FlexPod-Infrastruktur Juni 2016 der Geschäftsführung übergeben werden durch eine Hyper-Converged-Architektur und der Ersatz und dienten als wichtige Basis für die heranrückende der Bearbeiter-Terminals durch eine Virtual Desktop Infra- Budgetplanung im Herbst. structure (VDI). Dadurch werden Serverarchitektur und ‒ Bevor eine endgültige Entscheidung über die Umset- Thinclients auf den letzten Stand der Technik gebracht zung der Maßnahmen und die dafür notwendigen Ge- und eine bedarfsgemäße und verlässliche Infrastruktur für samtressourcen getroffen werden konnte, erfolgten virtuelle Maschinen und VDI implementiert. über den Sommer mehrere Anpassungsrunden, bei denen Budgets, Personalbedarf und Leistungsumfang laufend adaptiert wurden. ‒ Das akkordierte Gesamtpaket wurde schließlich im September 2016 im Rahmen einer zweitägigen, exter- nen Strategie-Klausur präsentiert und von der Ge- 6 Österreichische Nationalbibliothek (2017).
126 Michaela Mayr 5.2 Aleph-Nachfolgesystem ALMA Alle Werke sind im Volltext kostenfrei über die Digita- le Bibliothek sowie über Google Books zugänglich und Im Rahmen der Weiterentwicklung internationaler Stan- werden in Zukunft auch über eine Datenschnittstelle für dards (Cloud Computing, vermehrte Produktion von „born Projekte aus den Digitalen Geisteswissenschaften verfüg- digital“ Publikationen) stellt der Österreichische Bibliothe- bar sein. kenverbund auf neue Technologien um und implementiert das Bibliotheksverwaltungssystem ALMA. Die Österrei- chische Nationalbibliothek nimmt an dieser Entwicklung 5.6 Portale/Visualisierung teil und wird – nach umfangreichen technischen und bibliothekarischen Vorbereitungen sowie intensiven Der erste Schritt ist die Einrichtung eines zentralen digita- Schulungsmaßnahmen – Anfang 2018 auf dieses neue Bi- len Repositorys zur Verwaltung und Bereitstellung aller bliotheksverwaltungssystem umsteigen. digitalen Objekte der Österreichischen Nationalbibliothek. Benutzer werden in Zukunft über einen zentralen Ein- stiegspunkt auf alle digitalen Inhalte der Österreichischen 5.3 Applikationen Nationalbibliothek zugreifen können, unabhängig davon, um welchen Medientyp (z. B. Bilder, Ton-Dokumente, Bü- Nach einer Evaluierung der unterschiedlichen IT-Applika- cher) es sich handelt und aus welcher Sammlung die Ob- tionen der Österreichischen Nationalbibliothek wurde als jekte stammen. Der bestehende Digitale Lesesaal wird in Ziel die Vereinheitlichung der Software-Architektur sowie der Folge durch ein neues Portal abgelöst, das einen die Bearbeitung aller Sammlungsbestände in einem ein- zeitgemäßen Zugang zu allen Digitalisaten ermöglicht, in- heitlichen System definiert. Dadurch sollen erhöhte Daten- klusive Suchmöglichkeiten und Präsentation von themati- sicherheit und verbesserte Nutzungsmöglichkeiten der Be- schen Sammlungen. Auch die Portale AKON (Ansichtskar- stände für Leser erreicht werden. ten Online), ANNO und ALEX werden auf Basis dieses zentralen Repositorys neu implementiert. 5.4 Digitalisierung 5.7 Kataloge/Bearbeitung Die Portale ANNO (AustriaN Newspapers Online) und ALEX (historische Rechtstexte online) werden jährlich um Die Zielsetzungen in diesem Bereich umfassen zwei Pro- rund eine Million Seiten erweitert. ALEX soll textlich jekte: Im Kartenprojekt werden rund 9 200 Datensätze zu durchsuchbar gemacht werden. Ebenfalls geplant ist es, unselbstständigen („versteckten“) Karten in Codices und die in den letzten Jahren im Rahmen der Schutzdigitalisie- historischen Druckschriften bearbeitet und in den Online- rung gescannten Bücher für die Volltextsuche aufzuberei- Bibliothekskatalog überführt. Beim Projekt Item-Erstellung ten. Die Österreichische Nationalbibliothek wird ein werden Fortsetzungswerke in der Kartensammlung und der Konzept zur Digitalisierung von Bildmaterial auf unter- Musiksammlung der Österreichischen Nationalbibliothek, schiedlichem Trägermaterial (wie beispielsweise Glasplat- deren Ausgaben noch nicht einzeln im Online-Katalog auf- tennegativen) erstellen und mit der Umsetzung beginnen. geführt sind (insgesamt 23 180 Bände), bearbeitet. Die Digitalisierung von Papyrusbeständen im Rahmen des Forschungsprojektes der Mellon-Foundation wird fort- gesetzt. 5.8 Schnittstelle Bestandsaufbau und Bearbeitung/Digitale Bibliothek 5.5 Austrian Books Online Um den Änderungen der Publikationskultur Rechnung zu tragen, hat die Österreichische Nationalbibliothek bereits Im Rahmen von Austrian Books Online, der seit 2011 lau- im Jahr 2009 eine wichtige Novelle des Mediengesetzes zur fenden Public-Private-Partnership mit Google, wird der Sammlung von Online-Medien erwirkt. Die Ablieferungs- gesamte urheberrechtsfreie historische Buchbestand der pflicht gilt allerdings vorrangig für gedruckte Ausgaben. Österreichischen Nationalbibliothek – etwa 600 000 Die Österreichische Nationalbibliothek setzt sich für eine Bände – digitalisiert. Die Digitalisierung von rund 500 000 Ausdehnung der Pflichtablieferung auf E-Publikationen Werken, darunter jene aus dem Prunksaal, ist bereits um- ein und befindet sich diesbezüglich bereits in Verhand- gesetzt, 2018 wird das gesamte Projekt abgeschlossen sein. lungen mit wichtigen Stakeholdern.
Vision und Strategieentwicklung der Österreichischen Nationalbibliothek 127 Um die zu erwartenden großen Mengen digitaler Publi- 6 Fazit kationen bewältigen zu können, werden entsprechende Prozesse und Werkzeuge konzipiert. Ziel ist einerseits eine Strategieplanung wird in einer Zeit rascher dynamischer möglichst effiziente Abwicklung der Ablieferung durch Veränderungen immer wichtiger. Auch Bibliotheken müs- Verlage bzw. Aggregatoren, andererseits die Sicherstellung sen sich laufend an technische Entwicklungen anpassen, der weiterhin hohen Qualität der Erschließung zur Auffind- neue Aufgaben übernehmen und Chancen ergreifen, wol- barkeit und Nutzung der Publikationen durch Leser. len sie ihren Platz als Informations- und Bildungszentren in der modernen Wissensgesellschaft behaupten und ihre Zukunft aktiv gestalten. Der aufwendige und ambitionierte 5.9 Linked Open Data Strategieentwicklungsprozess der Österreichischen Natio- nalbibliothek zeigt, welch hohen Stellenwert die strategi- Hauptziel ist es, eine für alle Sammlungsbereiche der sche Planung in der Bibliothek einnimmt. Österreichischen Nationalbibliothek einheitliche Linked- Mit dem Abschluss der Strategieperiode 2012–2016 Data-Plattform aufzubauen, die es ermöglicht, Daten und und der Festlegung der strategischen Zielsetzungen für Bestände einfach in Beziehung zueinander zu setzen und 2017–2021 wurden weitere bedeutende Schritte zur Kon- schon bestehende Beziehungen sicht- und abfragbar zu kretisierung und Umsetzung jener generellen Leitlinien machen. Die Plattform soll die aufbereiteten Daten über gemacht, die die Österreichische Nationalbibliothek in ih- Downloads zur Verfügung stellen und interaktive und ex- rer Vision 2025 vorgelegt hat. plorative Abfragemöglichkeiten entwickeln. Aktuelle Themen und Initiativen wurden aufgegriffen, um die Stellung der Österreichischen Nationalbibliothek als zentrales Informations-, Bildungs- und Forschungszen- 5.10 Digital Humanities trum und nationale Gedächtnisinstitution weiter aus- zubauen. Die Österreichische Nationalbibliothek möchte die Zusam- menarbeit mit Forschern aus dem Feld der Digitalen Geis- teswissenschaften (Digital Humanities) intensivieren. Ge- Literaturverzeichnis plant ist eine Plattform für Digitale Editionen, die für zukünftige Editionsprojekte verwendet werden und die Bundesmuseen-Gesetz (2002): Bundesmuseen-Gesetz. Verfügbar Nachhaltigkeit und verbesserte Nutzbarkeit der Digitalen unter https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrag Editionen sicherstellen soll. Als Plattform für die innovati- e=Bundesnormen&Gesetzesnummer=20001728. Österreichische Nationalbibliothek (Hrsg.). (2017): Strategische Ziele ve Weiternutzung digitaler Datenbestände für wissen- 2017–2021. Österreichische Nationalbibliothek, Wien. https://w schaftliche, aber auch für kreative und künstlerische Pro- ww.onb.ac.at/fileadmin/user_upload/1_Sitemap/Ueber_Uns/O jekte werden Library Labs entwickelt. Zu verschiedenen ENB_Strategie2017_2021_web.pdf. Themen werden Hackathons veranstaltet und die innova- Österreichische Nationalbibliothek – Strategie 2012–2016 (2016). htt tivsten und kreativsten Projekte prämiert. ps://web.archive.org/web/20160128094609/http:/www.onb.a c.at/about/22407.htm. Rachinger, Johanna (Hrsg.). (2012): Vision 2025. Wissen für die Welt von morgen. Österreichische Nationalbibliothek, Wien. https:// 5.11 Crowdsourcing www.onb.ac.at/fileadmin/user_upload/1_Sitemap/Ueber_Uns/ OENB_Vision2025_20121016.pdf. Die Österreichische Nationalbibliothek wird Crowdsour- Steinsieck, Andreas (2013): Strategieentwicklung als Methode cing-Projekte mit ausgewählten Bildbeständen durchfüh- modernen Bibliotheksmanagements – ein internationaler Über- blick. In: Perspektive Bibliothek, 2 (2), 104–28. https://doi.org/ ren. Hierfür wird eine Crowdsourcing-Plattform ent- 10.11588/pb.2013.2.11245. wickelt. Geplante Crowdsourcing-Projekte sind z. B. die Georeferenzierung von Bildmaterial, die Identifikation von Mag. Michaela Mayr Personen und Orten auf Bildern sowie die Korrektur von Österreichische Nationalbibliothek automatisiert vergebenen Metadaten. Josefsplatz 1 A-1015 Wien Österreich Darüber hinaus gibt es weitere hausübergreifende Themen- michaela.mayr@onb.ac.at felder (z. B. Aus- und Fortbildung), die in dauerhaft einge- richteten Arbeitsgruppen organisiert sind und parallel zur Strategie 2017–2021 ihre Aktivitäten planen und ausführen.
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