VO AT II Besonderheiten bei der Bestrafung Jugendlicher und junger Erwachsener; Verbandsverantwortlichkeit

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VO AT II
   Besonderheiten bei der Bestrafung
 Jugendlicher und junger Erwachsener;
      Verbandsverantwortlichkeit

Susanne Reindl-Krauskopf              Einheit X, 18. Juni 2020
SoSe 2020
Literatur zur Vertiefung
• Maleczky, AT II, 20. Aufl
   • Zu Jugendlichen / jungen Erwachsenen: Seiten 18, 41 f, 59, 83
   • Kap III Die Verbandsgeldbuße
• Medigovic/Reindl-Krauskopf/Luef-Kölbl, AT II, 2. Aufl
   • Kap 10 Besonderheiten bei der Bestrafung Jugendlicher
   • Kap 11 Sonderregelungen für junge Erwachsene
• Seiler, AT II, 8. Aufl
   • 2. Kap Die Strafe Unterkap § 3/VI. Verbandsgeldbuße

Gesetzliche Grundlagen:
• §§ 1-19 JGG; §§ 1-12 VbVG
I. Besonderheiten bei der
Bestrafung Jugendlicher
A. Grundsätzliches
  • Unmündige
       – 4. Lj nicht vollendet (§ 1 Z 1 JGG) – strafunmündig (§ 4 JGG)
  • Jugendliche
          – 14. Lj, nicht aber 18. Lj vollendet (§ 1 Z 2 JGG) – gesamtes JGG
            beachtlich
          – aber Straflosigkeit nach § 4 Abs 2 JGG möglich, im Fall
             » verzögerter Reife oder
             » begangenen Vergehens, falls
                  • Tatbegehung vor Vollendung des 16. Lj und
                  • Kein schweres Verschulden und
                  • Keine spezialpräventiven Bedürfnisse dagegen sprechen
A. Grundsätzliches

  • Junge Erwachsene (§ 1 Z 5 JGG)
        – 18. Lj, nicht aber 21. Lj vollendet – JGG tlw beachtlich (§§ 19, 46a
          JGG)
  • Jugendstraftat
          – = eine mit gerichtlicher Strafe bedrohte Handlung, die von einem
            Jugendlichen begangen wird
              » Alter im Tatzeitpunkt entscheidend!

Hinweis
Im JGG finden sich auch besondere Verfahrensregeln - §§ 27 ff JGG
B. Besonderheiten nach § 5 JGG
• Besondere Strafrahmen (§ 5 Z 2 bis 4 JGG)
      • aber keine Berücksichtigung (§ 5 Z 7 JGG) der durch Z 4 geänderten Straf-
        drohungen für
             – Unterscheidung Verbrechen / Vergehen
              – § 191 StPO
      • sonst zu berücksichtigen, zB für Verjährung

• Herabsetzung des Höchstmaßes bei der Geldstrafe auf die Hälfte

• Besondere Härteklausel (§§ 5 Z 6, 6a JGG)
  •    Geld-, Verfallsersatz-, Wertersatzstrafen nur, wenn Fortkommen nicht gefährdet wird
  •    (ganz oder tlw) Absehen vom Verfall nach § 20 Abs 3 StGB, wenn unbillige Härte
B. Besonderheiten nach § 5 JGG
• Keine Anwendbarkeit von
    • § 37 Abs 2 StGB und § 41 Abs 2 StGB (§ 5 Z 8 JGG)
    • in gesetzlichen Bestimmungen vorgesehene Rechtsfolgen (§ 5 Z 10 JGG)
• Erweiterte Anwendung der bedingten Nachsicht nach §§ 43, 43a StGB
    • bleiben anwendbar, auch wenn auf eine Freiheitsstrafe von mehr als zwei bzw drei
      Jahren erkannt wird oder zu erkennen wäre (§ 5 Z 9 JGG)
• Sonderregel zur Berechnung nach § 29 StGB (§ 5 Z 11 JGG)
    • bei Taten, die tlw als Jugendlicher, tlw danach begangen wurden
    • verminderte Strafdrohungen des § 5 Z 2 bis 5 JGG anwendbar, außer
    • allein die Summe der Werte aus Taten nach Vollendung des 18. Lj begründet
      höhere Strafdrohung
B. Beispiele zu § 5 JGG
Welche Strafdrohung gilt, wenn der 15-jährige A folgende Taten begeht und
welches Gericht ist zuständig?
    •   Diebstahl nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5 StGB
    •   Vergewaltigung mit Todesfolg nach § 201 Abs 1 und Abs 2 StGB
    •   Erpresserische Entführung nach § 102 Abs 1 StGB
    •   Nationalsozialistische Wiederbetätigung nach § 3g VerbotsG

Welche Strafdrohung gilt, wenn
• der 15-jährige A Sachen im Wert von 3.000 EUR stiehlt und als 20-Jähriger
  nochmals einen Diebstahl begeht, diesmal mit Beute im Wert von 4.000 EUR?
                   Auflösung siehe gesondertes Dokument
C. Besonderheiten bei der Diversion
• Schlichte Diversion (§ 6 JGG), möglich falls
    •   Jugendstraftat mit Strafdrohung GS od FS max 5J
    •   Keine Todesfolge
    •   Keine Einstellung nach §§ 190-192 StPO möglich
    •   Keine intervenierende Diversion nach § 7 JGG aus spezialpräv. Sicht geboten
    •   GenPräv berücksichtigen (§ 14 JGG)
    •   Fragen
             – Geklärter Sachverhalt nötig, obwohl nicht explizit im Gesetz verlangt?
                 » Ja, weil anders nicht beurteilt werden kann, ob Begehung einer Straftat vorliegt und
                   ob Vorgehen nach anderen Bestimmungen (s.o.) geboten ist.
             – Schwere des Verschuldens relevant, obwohl im Gesetz nicht angesprochen?
                 » Nach hM ja, weil anders präventive Bedürfnisse kaum zu beurteilen sind.
C. Besonderheiten bei der Diversion

 • Intervenierende Diversion (§§ 7, 8 JGG)
     • Jugendstraftat
     • Hinreichend geklärter Sachverhalt, weshalb feststeht, dass keine Einstellung
       nach §§ 190-192 StPO möglich ist
     • Weitere Voraussetzungen nur,
            – Keine schwere Schuld
            – Grs keine Todesfolge, es sei denn fahrlässige Tötung eines Angehörigen +
              schwere psychische Belastung dadurch
     • KEINE Berücksichtigung der Generalprävention!!!
C. Besonderheiten bei der Diversion

 • Besonderheiten bei einzelnen Maßnahmen (§ 8 JGG)
     • Zahlung eines Geldbetrags
            – Jugendlicher muss selbständig über Mittel verfügen.
            – Fortkommen darf nicht beeinträchtigt werden.
     • Gemeinnützige Leistungen
            – zeitliche Beschränkung (max insg 120 statt 240 Std)
     • Tatausgleich
            – unabhängig von Zustimmung des Tatopfers
C. Besonderheiten bei der Diversion

 • Allgemein
     • Schadensgutmachung / Folgenausgleich (§ 8 Abs 4 JGG)
           – Leistungsfähigkeit und Fortkommen berücksichtigen
     • Absehen vom Pauschalkostenbeitrag, falls Fortkommen erschwert würde
       (§ 45 Abs 2 JGG)
     • Verständigungen (§§ 33, 38 JGG)
           – Betreffen ua Kinder- und Jugendhilfeträger, Pflegschaftsgericht,
             gesetzliche Vertreter
D. Besondere Sanktionen
 Schuldspruch ohne Strafe (§ 12 JGG)
 • Voraussetzungen
     • Jugendstraftat
     • nur geringe Strafe wäre zu verhängen,
     • Schuldspruch allein erfüllt spezialpräventive Bedürfnisse,
     • generalpräventive Bedürfnisse stehen nicht entgegen (§ 14 JGG).
 • Im Urteil zu begründen
 • Ausspruch tritt an Stelle des Strafausspruches.
 • Verständigungen (§§ 33, 38 JGG)
 • Eintrag ins Strafregister
D. Besondere Sanktionen
Schuldspruch unter Vorbehalt der Strafe (§ 13 JGG)
• Voraussetzungen
     • Jugendstraftat, bei der nur geringe Strafe zu verhängen wäre,
     • Schuldspruch allein od iVm weiteren Maßnahmen (Weisung / Bewährungshilfe)
       erfüllt spezialpräventive Bedürfnisse,
     • generalpräventive Bedürfnisse stehen nicht entgegen (§ 14 JGG).
• Konsequenz: Androhung des Strafausspruchs und Probezeit von 1-3 J
•   Im Urteil zu begründen
•   Ausspruch tritt an Stelle des Strafausspruches.
•   Verständigungen (§§ 33, 38 JGG)
•   Eintrag ins Strafregister
D. Besondere Sanktionen
Schuldspruch unter Vorbehalt der Strafe (§ 13 JGG)
• Vorzeitige Beendigung der Probezeit (§ 18 JGG)
    • nach Ablauf von mind. 1 J
    • bei besonders günstiger spezialpräventiver Prognose

• Nachträglicher Strafausspruch (§ 15 JGG)
    • Neuerliche Verurteilung wg Tat in Probezeit od
    • „böswillige“ Nichtbefolgung von Weisungen od
    • dem Einfluss des Bewährungshelfers beharrlich entzogen
    • zusätzlich muss nachträglicher Strafausspruch spezialpräventiv geboten sein.
    • Zu Verfahrensregeln siehe § 16 JGG
E. Besonderheiten bei der bedingten Entlassung
aus einer Freiheitsstrafe
 Besonderheiten gegenüber dem StGB
 • Mindestverbüßungsdauer max ein Monat (§ 17 JGG)
 • Generalprävention ohne Bedeutung (§ 17 JGG)
 • Vorzeitige Beendigung der PZ möglich (§ 18 JGG)

  Entlassungskonferenz (§ 17a JGG)
 • dient der Beurteilung der Voraussetzungen für bedingte Entlassung und der
   Festlegung der spezialpräventiven Maßnahmen.
 • Mitwirkung d. Kinder-/Jugendhilfeträgers
 • Durchführung nur mit Zustimmung des Verurteilten
II. Besonderheiten bei der
Bestrafung junger Erwachsener
A. Grundsätzliches

        • Junge Erwachsene
               – = 18. Lj, nicht aber 21. Lj vollendet – JGG teilweise
                beachtlich
        • Materiell-rechtliche Sonderbestimmungen
               – siehe § 19 JGG
        • Verfahrensrechtliche Sonderbestimmungen
               – siehe § 46a JGG
B. Besonderheiten

    • Besondere Strafrahmen (§ 19 Abs 1 JGG; § 36 StGB)
            – Max 15 J Freiheitsstrafe
            – Mindeststrafen richten sich nach § 5 Z 2 lit a, 3, 4 JGG
            – Sonderregel zu § 29 StGB (§ 19 Abs 3 JGG)
    • Besondere Härteklausel bei Verfall (§ 5 Z 6a JGG)
    • Erweiterte bedingte Strafnachsicht (§ 5 Z 9 JGG)
    • Besonderheiten der Diversion (§§ 7, 8 JGG)
            – aber keine Reduktion der Stundenzahl bei gemeinnützigen
              Leistungen
B. Besonderheiten

    • Schuldspruch ohne Strafe (§ 12 JGG)
    • Schuldspruch unter Vorbehalt der Strafe (§ 13 JGG)
    • Bedingte Entlassung (§§ 17, 17a JGG)
    • Vorzeitige Beendigung der Probezeit (§ 18 JGG)

  Von diesen Sonderregeln abgesehen gelten die Bestimmungen des StGB.
III. Verbandsverantwortlichkeit
A. Grundsätzliches

  Verband - § 1 Abs 2 VbVG =
    • Juristische Person
            – Öffentl. Rechts: Gebietskörperschaften, Soz.vers., …
            – Privaten Rechts, zB AG, GmbH, Vereine, …
    • Eingetragene Personengesellschaft
    • Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung
A. Grundsätzliches

  Verband ≠
    • Ausnahmen e contrario:
           – Einzelunternehmer
           – Gesellschaft bürgerlichen Rechts
    • Gesetzliche Ausnahmen - § 1 Abs 3 VbVG
           – Verlassenschaft
           – Gebietskörperschaft / jurist. Person in Vollziehung der Gesetze
           – Kirchen, Religionsgesellschaften, religiöse Bekenntnisgemein-
            schaften in seelsorgerischer Tätigkeit
A. Grundsätzliches

  Straftaten, die die Verantwortlichkeit auslösen
    • Straftat (§ 1 Abs 1 VbVG)
            – nach einem Bundes- od Landesgesetz mit gerichtlicher Strafe bedrohte
              Handlung
            – Verweis auf FinStrG! (→ § 28a FinStrG)
     • Verantwortlichkeit neben Strafbarkeit der natürl. Pers.!
    • Allgemeine Haftungsvoraussetzungen
            – Begehung zu Gunsten des Verbandes oder
            – Verletzung einer Verbandspflicht
B. Haftung des Verbandes

 Unterscheide für Zurechnung zum Verband Taten
   • eines Entscheidungsträgers
   • eines sonstigen Mitarbeiters des Verbandes

 Taten eines Entscheidungsträgers (§ 3 Abs 2 VbVG)
   • Verband haftet, wenn
           – allgemeine Haftungsvoraussetzungen vorliegen und
           – ein Entscheidungsträger (siehe § 2 Abs 1 VbVG) als solcher
           – rechtswidrig und schuldhaft eine Straftat begeht .
B. Haftung des Verbandes

  Taten eines Mitarbeiters (§ 3 Abs 3 VbVG)
    • Verband haftet, wenn
            – allgemeine Haftungsvoraussetzungen vorliegen und
            – ein Mitarbeiter (siehe § 2 Abs 2 VbVG)
            – rechtswidrig einen objektiven Straftatbestand verwirklicht und
            – der Mitarbeiter vorsätzlich bzw fahrlässig gehandelt hat UND
            – ein Sorgfaltsverstoß des Entscheidungsträgers vorliegt, der das
              Fehlverhalten des Mitarbeiters ermöglicht / wesentlich erleichtert
              hat.
B. Haftung des Verbandes

  Konsequenz
    • Verbandsgeldbuße (§ 4 VbVG)
           – Höhe ist abhängig von der Strafdrohung für natürliche Personen.
           – Tagessatzsystem anknüpfend an den Jahresertrag
           – Tagessatzhöhe
               » 50 – 10.000 EUR
               » 2 – 500 EUR, falls Verband gemeinnützigen, humanitären oder
                 kirchlichen Zwecken dient bzw sonst nicht auf Gewinn
                 ausgerichtet ist
C. Beispiele
 1.   Der Geschäftsführer G der Baufirma X-GmbH trifft mit anderen Firmen
      unzulässige Absprachen bezüglich eines Verfahrens zur Vergabe eines
      Bauauftrags. Aufgrund der Absprache legen die Firmen ebenso wie G ihre
      Angebote. Die X-GmbH erhält den Zuschlag und profitiert enorm von
      diesem Auftrag.
 2.   Die Mitarbeiter M und N der Abfallentsorgungsfirma Y-GmbH (zu 100% im
      Eigentum der Stadt Wien) vergraben gefährlichste Abfallstoffe im Wiener-
      wald-Wasserschutzgebiet, weil das firmeneigene Depot für solche Stoffe
      bereits überfüllt ist. Dieses Vorgehen der Mitarbeiter war nur möglich, weil
      es in der Y-GmbH keine ausreichenden Kontrollen gibt. Jeder Mitarbeiter
      hat jederzeit zu allen Arten von Abfällen Zugang und mangels
      ausreichender Dokumentation fällt es auch nicht auf, wenn Abfallstoffe
      „verschwinden“.
C. Beispiele

 3.   Der Aufsichtsratsvorsitzende A der Z-AG verprügelt seinen potentiellen
      Vertragspartner V, weil er sich so sehr über dessen Verhandlungstaktiken
      ärgert. V erleidet etliche Prellungen.

           Auflösung zu den Beispielen – siehe gesondertes Dokument
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