Osteoporose bei pneumologischen Erkrankungen

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Osteoporose bei pneumologischen Erkrankungen
consensus report

Wien Klin Wochenschr
https://doi.org/10.1007/s00508-021-01896-x

Osteoporose bei pneumologischen Erkrankungen
Gemeinsame Leitlinie der Österreichischen Gesellschaft für Knochen und
Mineralstoffwechsel (ÖGKM) und der Österreichischen Gesellschaft für
Pneumologie (ÖGP)

Christian Muschitz · Ralf Harun Zwick · Judith Haschka · Hans Peter Dimai · Martina Rauner · Karin Amrein ·
Robert Wakolbinger · Peter Jaksch · Ernst Eber · Peter Pietschmann

Angenommen: 19. Mai 2021
© Der/die Autor(en) 2021

Zusammenfassung Asthma und COPD sind die                       oder systemischen Glukokortikoiden (GC). Die inha-
häufigsten obstruktiven Atemwegserkrankungen. Die              lative GC Applikation bei Asthma ist oft schon im Kin-
chronische Inflammation bedingt eine Induktion von             des- und Jugendalter indiziert, aber auch interstitielle
proinflammatorischen Zytokinkaskaden. Neben der                Lungenerkrankungen wie die chronisch organisie-
systemischen Inflammation tragen Hypoxämie, Hy-                rende Pneumonie, die Sarkoidose oder rheumatische
perkapnie, eine katabole Stoffwechsellage, eine gona-          Erkrankungen mit Lungenbeteiligung werden mit in-
dale oder eine Schilddrüsendysfunktion, eine musku-            halativen oder oralen GC behandelt. Bei PatientInnen
loskelettale Dysfunktion und Inaktivität sowie Vitamin         mit zystischer Fibrose kommt es durch die Malab-
D-Mangel zu einem erhöhten Knochenbruchrisiko                  sorption im Rahmen der Pankreasinsuffizienz, durch
bei. Iatrogene Ursachen der Osteoporose sind die               Hypogonadismus und chronische Inflammation mit
zum Teil langjährigen Anwendungen von inhalativen              erhöhter Knochenresorption zu einer Abnahme der

C. Muschitz, M.D. ()                                          K. Amrein
Medical University of Vienna (external lecturer), Waehringer   Division of Endocrinology and Diabetology, Medical
Guertel 18–20, 1090 Wien, Österreich                           University of Graz, Auenbruggerplatz 15, 8036 Graz,
Medical Department II – VINFORCE, St. Vincent Hospital         Österreich
Vienna (Barmherzige Schwestern Krankenhaus Wien),              R. Wakolbinger
Stumpergasse 13, 1060 Wien, Österreich                         Department of Physical and Rehabilitation Medicine
christian.muschitz@meduniwien.ac.at                            (PRM), Clinic Donaustadt, Academic Teaching
R. H. Zwick                                                    Hospital of the Medical University of Vienna,
Therme Wien Med, Kurbadstraße 14, 1100 Wien, Österreich        Langobardenstraße 122, 1220 Wien, Österreich

J. Haschka                                                     P. Jaksch
1st Medical Department at Hanusch Hospital, Ludwig             Department of Thoracic Surgery, Medical University of
Boltzmann Institute of Osteology, Hanusch Hospital of the      Vienna, Waehringer Guertel 18–20, 1090 Wien, Österreich
WGKK and AUVA Trauma Center, 1140 Wien, Österreich             E. Eber
Karl Landsteiner Institute for Rheumatology and                Division of Paediatric Pulmonology and Allergology,
Gastroenterology, Rheuma-Zentrum Wien-Oberlaa,                 Department of Paediatrics and Adolescent Medicine,
1100 Wien, Österreich                                          Medical University of Graz, Auenbruggerplatz
                                                               34/2, 8036 Graz, Österreich
H. P. Dimai
Division of Endocrinology and Diabetology, Medical             P. Pietschmann
University of Graz, Auenbruggerplatz 15, 8036 Graz,            Department of Pathophysiology and Allergy Research,
Österreich                                                     Center of Pathophysiology, Infectiology and
                                                               Immunology, Medical University of Vienna, Waehringer
M. Rauner
                                                               Guertel 18–20, 1090 Wien, Österreich
Divisions of Endocrinology and Molecular Bone Biology,
Department of Medicine III, Medical Center, Technical
University Dresden, 01307 Dresden, Deutschland

K                                                                         Osteoporose bei pneumologischen Erkrankungen
Osteoporose bei pneumologischen Erkrankungen
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Knochenstruktur. Nach Lungentransplantation ist die         A bone mineral density measurement with a T-Score
Immunsuppression mit GC ein Risikofaktor.                   < –2.5 is a threshold value for the diagnosis of os-
Die pneumologischen Grunderkrankungen führen                teoporosis; in contrast the vast majority of all osteo-
zu einer Veränderung der trabekulären und korti-            porotic fractures occur with a T-Score > –2.5. A history
kalen Mikroarchitektur des Knochens und zu einer            of low-trauma fracture indicates osteological therapy.
Verminderung von osteologischen Formations- und             All antiresorptive or anabolic drugs approved in Aus-
Resorptionsmarkern. Hyperkapnie, Azidose und Vita-          tria for the treatment of osteoporosis are also indi-
min D-Mangel können diesen Prozess beschleunigen            cated for pneumological patients with an increased
und somit das individuelle Risiko für osteoporotische       fragility fracture risk of bone fractures in accordance
Fragilitätsfrakturen erhöhen.                               with the national reimbursement criteria.
Eine Knochendichtemessung mit einem T-Score < –2,5
ist ein Schwellenwert zur Diagnose der Osteoporo-           Keywords Osteoporosis · Pulmonary diseases ·
se, die überwiegende Mehrzahl aller osteoporotischen        Guideline · Fracture risk · Diagnosis
Frakturen tritt bei einem T-Score von > –2,5 auf. Eine
niedrig-traumatische Fraktur in der Anamnese indi-          Einleitung
ziert eine osteologische Therapie.
Neben der Optimierung des Vitamin D-Spiegels sind           Basierend auf den Ergebnissen einer Consensus De-
sämtliche in Österreich zur Behandlung der Os-              velopment Conference im Jahr 1991 ist die Osteoporo-
teoporose zugelassenen antiresorptiv oder anabol            se gegenwärtig als eine Skelett-Erkrankung definiert,
wirksamen Medikamente auch bei pneumologischen              welche durch eine verminderte Knochenmasse sowie
PatientInnen mit einem erhöhten Knochenbruchrisi-           eine mikroarchitektonische Störung des Knochenge-
ko entsprechend der nationalen Erstattungskriterien         webes charakterisiert ist, mit der Folge eines erhöhten
indiziert.                                                  Frakturrisikos (Fragilitätsfrakturen, niedrig-traumati-
                                                            sche Frakturen). Diese Definition wurde im Jahr 1994
Schlüsselwörter Osteoporose ·                               durch eine WHO-Arbeitsgruppe um eine operationa-
Lungenerkrankungen · Leitlinie · Frakturrisiko ·            le Definition erweitert, welche zunächst nur für die
Diagnostik                                                  postmenopausale Osteoporose, später aber auch für
                                                            die Osteoporose des Mannes etabliert wurde [1].
Osteoporosis in pneumological diseases                         Diese operationale Definition basiert auf einer Mes-
Joint guideline of the Austrian Society for Bone            sung der Knochenmineraldichte (KMD) mittels Dual
and Mineral Research (ÖGKM) and the Austrian                Energy X-ray Absorptiometry (DXA), dessen Ergeb-
Society for Pneumology (ÖGP)                                nis als T-Score ausgedrückt wird. Der T-Score ist die
                                                            Standardabweichung eines individuell gemessenen
Summary Chronic inflammation induces proinflam-             Knochenmineraldichte-Wertes vom mittleren Norm-
matory cytokine cascades. In addition to systemic           wert knochengesunder, junger Erwachsener. Liegt der
inflammation, hypoxemia, hypercapnia, a catabolic           T-Score bei –2,5 oder darunter, liegt definitionsgemäß
metabolism, gonadal or thyroid dysfunction, muscu-          eine Osteoporose vor. Zu berücksichtigen ist, dass
loskeletal dysfunction and inactivity as well as vitamin    dieser ursprünglich rein zur Diagnosestellung eta-
D deficiency contribute to an increased risk of fragility   blierte Schwellenwert sehr häufig auch als Therapie-
fractures. Iatrogenic causes of osteoporosis are long-      Schwellenwert eingesetzt wird, obwohl die überwie-
term use of inhaled or systemic glucocorticoids (GC).       gende Mehrzahl aller osteoporotischen Frakturen bei
Inhalative GC application in asthma is often indi-          einem T-Score von > –2,5 auftritt [2].
cated in childhood and adolescence, but interstitial           Der Verlust an KMD ist mit zunehmendem Le-
lung diseases such as chronic organizing pneumonia,         bensalter eine unausweichliche Konsequenz. In der
COPD, sarcoid or rheumatic diseases with lung in-           weiblichen Population beginnt dieser kurz vor Beginn
volvement are also treated with inhalative or oral GC.      der Menopause, ist perimenopausal beschleunigt und
In patients with cystic fibrosis, malabsorption in the      setzt sich in weiterer Folge fort. Letzteres gilt auch
context of pancreatic insufficiency, hypogonadism           mit einer zeitlichen Verzögerung für die männliche
and chronic inflammation with increased bone re-            Population [3].
sorption lead to a decrease in bone structure. After           Die sekundären Ursachen der Osteoporose umfas-
lung transplantation, immunosuppression with GC is          sen eine heterogene Vielfalt an Erkrankungen, Medi-
a risk factor.                                              kamenten oder exogenen Noxen. Es ist wichtig, in der
The underlying pneumological diseases lead to a             klinischen Routine derartige Risikofaktoren frühzeitig
change in the trabecular and cortical bone microar-         zu erkennen und das individuelle Knochenbruchrisi-
chitecture and to a reduction in osteological forma-        ko zu bestimmen. Klinische Risikofaktoren tragen zu-
tion and resorption markers. Hypercapnia, acidosis          sätzlich zu einer erhöhten Knochenfragilität und ei-
and vitamin D deficiency can accelerate this process        ner verminderten Knochenqualität bei, sie sind häufig
and thus increase the individual risk of osteoporotic       stärker als der altersabhängige Verlust einzustufen. Bei
fragility fractures.                                        entsprechender Risikostratifizierung und frühzeitiger

  Osteoporose bei pneumologischen Erkrankungen                                                             K
Osteoporose bei pneumologischen Erkrankungen
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spezifischer osteologischer Behandlung sind derartige                          ma unterschiedliche Phänotypen, wie zum Beispiel
Veränderungen in der Regel reversibel [4].                                     allergisches und nicht allergisches Asthma oder das
   Im Kontext von Lungenerkrankungen ist die chro-                             Adipositas assoziierte Asthma bronchiale, wo Adipo-
nisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) ein klas-                            kine und andere Zytokinkaskaden eine ähnliche Rolle
sisches Beispiel mit erhöhten proinflammatorischen                             wie bei Diabetes spielen dürften.
Zytokinen (vorrangig Tumor Nekrose Faktor alpha,                                  In der Differenzialdiagnose beider Erkrankungen
TNF-α) als Trigger Faktor für die Entstehung von                               spielt das Ansprechen der Atemwegsobstruktion auf
Osteoporose, kardiovaskulären Erkrankungen oder                                Kortikosteroide eine entscheidende Rolle, bei Asthma
Diabetes. Neben Inflammation und/oder systemi-                                 ist dies regelhaft vorhanden, bei COPD nicht (Tab. 1).
schen Glukokortikoiden tragen ein Vitamin D-Man-
gel, eine verminderte Muskelmasse und Muskelkraft,                             COPD
Immobilisierung, Rauchen, Veränderungen des Body                               Bei COPD liegt laut einem rezenten Reviews die Präva-
Mass Index (BMI), Hypogonadismus oder vermin-                                  lenz einer Osteoporose global bei 38 % (95 % CI, 34–43)
derte Spiegel von insulin-like growth factor-1 (IGF-                           [10]. Das Vorliegen der COPD erhöht die Wahrschein-
1) zur Erhöhung des individuellen Knochenbruch-                                lichkeit auf Osteoporose erheblich (OR, 2,83). Neben
risikos (sekundäre Osteoporose) bei [5, 6]. Durch                              der systemischen Inflammation fördert eine multifak-
den langjährigen katabolen Knochenstoffwechsel mit                             torielle Kaskade durch Hypoxämie, Hyperkapnie, ka-
progredientem Verlust der skelettalen Integrität in                            tabole Stoffwechsellage, muskuloskelettale Dysfunkti-
Abhängigkeit vom Schweregrad der Grunderkrankung                               on und Inaktivität die Osteoporose maßgeblich. Bei
stellen vertebrale Frakturen in dieser PatientInnen                            älteren PatientInnen mit COPD liegt zudem eine go-
Population ein häufiges und nachhaltiges Problem                               nadale- oder Schilddrüsendysfunktion vor, weiters be-
dar. PatientInnen mit Wirbelkörperfrakturen zeigen                             steht häufig ein Vitamin D3-Mangel häufig anzutref-
zudem eine herabgesetzte Lungenfunktion mit re-                                fen. Laut der Meta-Analyse von Chen et al. sind ein
duziertem forciertem exspiratorischen Volumen und                              BMI < 18,5 (OR, 4,26) und das Vorliegen einer Sarko-
reduzierter Vitalkapazität [7, 8].                                             penie (OR, 3,65) die wichtigsten Risikofaktoren [10].

Pneumologische Erkrankungen und Osteoporose                                    COPD Therapie: GOLD Leitlinien 2021 Inhalati-
                                                                               ve Kortikosteroide (ICS) spielen in der Therapie
Obstruktive Lungenerkrankungen                                                 der COPD eine untergeordnete Rolle (siehe www.
                                                                               goldcopd.org). Im Vordergrund stehen Bronchodilata-
Asthma und COPD sind die häufigsten obstruktiven                               toren in Form von Anticholinergika und β2-Sympatho-
Lungenerkrankungen; es finden sich Unterschiede in                             mimetika, die Gabe von ICS ist nur bei Eosinophilie
Pathogenese und Klinik, aber auch Gemeinsamkei-                                (> 300/μl), Asthmaanamnese oder gehäuften Exazer-
ten in Hinblick auf die Entstehung einer Osteoporose                           bationen innerhalb der letzten 12 Monate indiziert
(Tab. 1).                                                                      (Abb. 1). Die langfristige Gabe von oralen Kortikoste-
   Bei beiden Erkrankungen liegt eine chronische In-                           roiden (OCS) wird grundsätzlich nicht empfohlen, da
flammation vor, aber es spielen viele weitere Faktoren                         die Nebenwirkungen den Benefit überwiegen (Evi-
eine relevante Rolle (vgl. Kapitel Pathophysiologie der                        denz A).
Osteoporose bei COPD). Während die Genese bei der
COPD durch die Raucheranamnese häufig rasch be-
antwortet werden kann, unterscheiden wir beim Asth-

Tab. 1 Differenzialdiagnose COPD vs. Asthma. Adaptiert nach der S2k – Leitlinie zur Diagnostik und Therapie von Patient-
Innen mit chronisch obstruktiver Bronchitis und Lungenemphysem (COPD) [9]
Merkmal                                          COPD                                Asthma
Alter bei Erstdiagnose                           Meist nicht vor der 6. Lebensdekade Häufig: Kindheit, Jugend
Tabakrauchen                                     Direkter Kausalzusammenhang         Kein direkter Kausalzusammenhang; Verschlechterung durch Tabakrau-
                                                                                     chen möglich
Hauptbeschwerden                                 Atemnot bei Belastung               Anfallsartig auftretende Atemnot
Verlauf                                          Meist progredient                   Variabel, episodisch
Allergie                                         Kein direkter Kausalzusammenhang    Häufig
Obstruktion                                      Immer nachweisbar                   Variabel, reversibel, oft aktuell nicht vorhanden
Diffusionskapazität                              Oft erniedrigt                      Meist normal
FeNO                                             Normal bis niedrig                  Oft erhöht
Bluteosinophile                                  Meist normal                        Häufig erhöht
Reversibilität der Obstruktion                   Nie voll reversibel                 Diagnostisches Kriterium, wenn voll reversibel
Überempfindlichkeit der Atemwege                 Selten                              Meist vorhanden
Ansprechen der Obstruktion auf Kortikosteroide   Selten                              Regelhaft vorhanden

K                                                                                             Osteoporose bei pneumologischen Erkrankungen
consensus report

Abb. 1 Inhalative Kortiko-
steroide bei COPD            Starke Unterstützung               Verwendung erwägen             Gebrauch vermeiden

                             Hospitalisation(en)       wegen                                   Wiederkehrende Pneumonien
                             Exazerbation               trotz
                             angemessener langwirksamer
                             bronchodilatatorischer
                             Dauertherapie

                             ≥2                    moderate 1 moderate Exazerbation/Jahr
                             Exazerbationen/Jahr        trotz trotz             angemessener
                             angemessener langwirksamer langwirksamer
                             bronchodilatatorischer             bronchodilatatorischer
                             Dauertherapie                      Dauertherapie

                             Bluteosinophile       >     300 Bluteosinophile         100-300 Bluteosinophile     <     100
                             Zellen/μl                          Zellen/μl                      Zellen/μl

                             Asthmaanamnese             oder                                   Status post mykobakterieller
                             gleichzeitig Asthma                                               Infektion

ASTHMA                                                           führt, dass die langfristige Einnahme von hochdosier-
ICS gelten als Basistherapie, werden bereits in der              ten ICS zu einem erhöhten Osteoporoserisiko führt.
Kindheit eingesetzt und somit oft über Jahrzehnte in-            Asthmatiker mit einer Einnahme von niedrig dosier-
haliert. Zu betonen ist, dass ICS die effektivste antiin-        tem oralen Kortikosteroid (< 7,5 mg Prednisolonäqui-
flammatorische Therapie darstellen und somit unver-              valent) sollten über die Nebenwirkungen aufgeklärt
zichtbar sind, da sie auch zu einer Reduktion von Ex-            werden und auf das Vorliegen einer Osteoporose ge-
azerbationen und somit der Einnahme von OCS bei-                 screent werden. Bei einer hochdosierten systemischen
tragen.                                                          Therapie mit > 7,5 mg Prednisolonäquivalent > 3 Mo-
   Die Rolle der ICS in Bezug auf eine Osteoporose               nate wird eine antiresorptive Therapie empfohlen.
wird bei Asthma seit langer Zeit kontrovers disku-
tiert [11]. Eine rezente Publikation aus einer eng-              Interstitielle Lungenerkrankungen
lischen Datenbank mit > 650.000 PatientInnen, in
der 138.000 Asthmatiker mit 520.000 Nicht-Asthma-                Bei interstitiellen Lungenerkrankungen wie der chro-
tikern verglichen wurden, zeigte ein höheres Osteo-              nisch organisierenden Pneumonie, Sarkoidose oder
poroserisiko (adjusted Hazard Ratio-aHR 1,18, 95 %               rheumatischen Erkrankungen mit Lungenbeteiligung
CI 1,13–1,23) und Frakturrisiko (aHR 1,12, 95 % CI               werden häufig ICS oder OCS über mehrere Monate
1,07–1,16) in der Asthmakohorte. Dabei war eine Do-              verordnet.
sis/Wirkungsbeziehung zwischen der Einnahme von                     In der Therapie der Lungenfibrose spielt die The-
OCS und Osteoporose zu sehen [12].                               rapie mit ICS oder OCS keine Rolle, dennoch ist
                                                                 aufgrund der systemischen Inflammation von einer
Asthmatherapie: GINA Leitlinien 2020 Die interna-                hohen Osteoporosewahrscheinlichkeit auszugehen.
tionalen Asthmaleitlinien wurden im Dezember 2020                Die rezenten deutsch/österreichischen Leitlinien zur
neu überarbeitet; die Rolle der ICS bleibt unverändert,          Diagnostik der Lungenfibrose und auch die letzten
die Einnahme von OCS ist erst in der Stufe 5 vorgese-            ATS/ERS Leitlinien gehen jedoch nicht darauf ein [14,
hen [13]. Hier haben sich in den letzten Jahren potente          15].
Medikamente wie Anti IGE, Anti IL5/5R oder Anti IL4R
Antagonisten durchgesetzt. OCS bleiben in niedriger              Zystische Fibrose
Dosierung unter Berücksichtigung der Nebenwirkun-
gen eine Alternative als ultima ratio. In den neuen Glo-         Bei PatientInnen mit zystischer Fibrose beginnt die
bal Initiative for Asthma (GINA) Guidelines wird ange-           Entwicklung einer Osteoporose häufig schon in der

  Osteoporose bei pneumologischen Erkrankungen                                                                    K
consensus report

Adoleszenz, mit Untergewicht und schlechter Lungen-
funktion als starken Prädiktoren. Es kommt durch die
Malabsorption im Rahmen der exokrinen Pankreas-
insuffizienz, durch Hypogonadismus und chronische
Inflammation mit erhöhter Knochenresorption zu ei-
ner Abnahme der Knochenstruktur [16]. Das Ausmaß
des erhöhten Frakturrisikos ist altersäbhängig und
hängt zu einem großen Teil von anderen prävalenten
Risikofaktoren, wie vorangegangene niedrig-trauma-
tische Fraktur, oder Vorbereitung zur oder Zustand
nach Lungentransplantation ab [17].

Pathophysiologie der Osteoporose bei COPD

Obwohl in der Literatur ein sehr klarer Zusammen-       Abb. 2   Osteoporose bei COPD
hang zwischen COPD und Osteoporose beschrieben
wird, sind die dieser Assoziation zugrundeliegen-
den pathophysiologischen Mechanismen nur unzu-          Effekte von Glukokortikoiden auf den
reichend erforscht [10]. Analysen der Knochenmi-        Knochenstoffwechsel
krostruktur bei Patientinnen mit COPD haben eine
Verminderung der Trabekelzahl, der Trabekeldicke        Die systemische Verabreichung von Glukokortikoi-
und eine Verminderung der trabekulären Konnektivi-      den führt unumstritten dauer- und dosisabhängig
tät ergeben; im Bereich der Kortikalis fand sich eine   zur einer verminderten Knochenmineraldichte sowie
Verminderung der Dicke und eine erhöhte kortikale       zu einem erhöhten Frakturrisiko [28]. Dies wurde in
Porosität [18]. In dieser Studie wurde mit Hilfe der    zahlreichen Studien mit chronisch-entzündlichen Er-
dynamischen Histomorphometrie gezeigt, dass die         krankungen dokumentiert, darunter auch Studien, die
COPD-Patientinnen eine Verminderung der Knochen-        explizit Patientenkollektive mit COPD untersucht ha-
formation aufweisen. Diese Ergebnisse stehen mit ei-    ben. Eine Meta-Analyse von 5 Studien mit insgesamt
ner Studie, welche Knochenumbau-Marker bei COPD         knapp 1800 PatientInnen zeigte, dass PatientInnen
bestimmt und eine Verminderung von Formations-          mit COPD, die länger als 4 Monate OCS einnahmen,
und Resorptionsmarkern gefunden hat, im Einklang        ein 2,3-fach erhöhtes Risiko für vertebrale Frakturen
[19]. Tsukamoto et al. haben ein vielversprechendes     aufweisen [29]. Das erhöhte Frakturrisiko ist dabei
Maus-Modell für die COPD beschrieben; hier finden       zumindest teilweise unabhängig von der KMD, da
sich Veränderungen der trabekulären Mikrostruktur,      PatientInnen, die Glukokortikoide einnehmen trotz
Hinweise auf eine verminderte Knochenformation          gleicher KMD gemessen mit DXA ein erhöhtes Frak-
und eine Atrophie der Typ 1-Muskelfasern [20].          turrisiko haben, als PatientInnen die keine Glukokor-
   In der Pathophysiologie der COPD spielen Ent-        tikoide einnehmen [30]. Die Abnahme der KMD sowie
zündungsprozesse eine zentrale Rolle; viele proin-      das erhöhte Frakturrisiko entwickeln sich rasch, be-
flammatorische Zytokine greifen auch in den Kno-        reits nach 3–6 Monaten Glukokortikoidtherapie, und
chenstoffwechsel ein [21–23]. Bon et al. analysier-     normalisieren sich wieder nach Absetzen der Thera-
ten bei PatientInnen mit COPD den Zusammenhang          pie. Auf zellulärer Ebene unterdrücken Glukokortiko-
zwischen Entzündungsparametern und dem Kno-             ide potent die Osteoblastendifferenzierung und ihre
chenumbau und fanden beispielsweise eine positive       Funktion, welches zu einer starken Hemmung der
Korrelation zwischen TNF-α und den sogenannten          Knochenformation führt (Abb. 3;[31–33]). Osteoklas-
Crosslaps (CTX, Knochenabbaumarker) und dem             ten werden hingegen stimuliert, obwohl die Datenlage
Prokollagen-Typ I-N-Propeptid (PINP, Knochenan-         hier teilweise kontrovers diskutiert wird [34]. Darü-
baumarker) [24]. Diese Ergebnisse deuten darauf hin,    ber hinaus führen Glukokortikoide zur vermehrten
dass hohe Entzündungsaktivität bei COPD den Kno-        Apoptose von Osteozyten sowie zu einer Abnahme
chenstoffwechsel negativ beeinflussen. Eine wichtige    der Knochenvaskularisierung und Knochenhydration,
Rolle in der Pathogenese der Osteoporose bei COPD       welches mit eingeschränkten Knochenmatrixeigen-
spielt auch die anti-inflammatorische Therapie mit      schaften einhergeht (Abb. 2; [31, 35]).
Glukokortikoiden.                                          Während die Datenlage bei den systemisch verab-
   Weitere pathogenetische Mechanismen könnten          reichten Glukokortikoiden recht klar ist, werden die
die Hyperkapnie, die Azidose und der Vitamin D-Man-     Effekte von ICS auf den Knochen bei PatientInnen mit
gel darstellen (Abb. 2; [25–27]). Letztlich muss auch   pneumologischen Erkrankungen noch kontrovers dis-
aus klinischer Sicht bedacht werden, dass die oben      kutiert.
beschriebenen krankheitsspezifischen Mechanismen           Zwei systematische Meta-Analysen zur COPD wur-
sich zu den allgemeinen Osteoporose-Risikofaktoren      den veröffentlicht, die beide keinen signifikanten Ein-
(wie Alter, Geschlecht) addieren.                       fluss von ICS auf das Frakturrisiko gezeigt haben [36,

K                                                                 Osteoporose bei pneumologischen Erkrankungen
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                                                               höhten Frakturrisiko verbunden. Weitere prospektive,
                                                               kontrollierte Studien wären hilfreich, um den Einfluss
                                                               von ICS auf den Knochen abschließend zu klären.
                                                                  Trotz der inkonsistenten Datenlage zu Frakturen
                                                               bei Erwachsenen mit Asthma und COPD besitzen Glu-
                                                               kokortikoide viele negative Effekte auf den Knochen-
                                                               stoffwechsel. Aufgrund der klaren Evidenz aus klini-
                                                               schen Studien die zeigen, dass OCS das Frakturrisi-
                                                               ko erhöhen, zählen Glukokortikoide (orale und ho-
                                                               he Dosen von inhalativen Glukokortikoiden) zu den
                                                               Risikofaktoren, die in der Osteoporose-Leitlinie des
                                                               Dachverbands Osteologie sowie der Frakturrisikobe-
                                                               rechnung mit FRAX berücksichtig werden. Auch das
Abb. 3 Effekte der Glukokortikoide auf die Knochenmi-          American College of Rheumatology hat eine Empfeh-
kroumgebung. Legende: Die stärksten und langanhaltendsten      lung zur Prävention und Therapie der Glukokortiko-
Effekte üben Glukokortikoide auf Osteoblasten aus. Auch        id-induzierten Osteoporose herausgebracht, die Ärzte
Osteozyten werden in ihrer Funktion gestört. Zudem indu-       bei der Behandlung ihrer PatientInnen behilflich sein
zieren Glukokortikoide vermehrt Apoptose in Osteoblasten       kann [45].
und Osteozyten. Osteoklasten werden durch Glukokortikoide
stimuliert. Die Knochenvaskularisierung wird durch Glukokor-
tikoide gehemmt. Insgesamt führen diese zellulären Effekte     Frakturrisiko basierend auf COPD und
zu einer verminderten Knochendichte sowie einer verminder-     Nikotinabusus
ten Knochenqualität, welches in Summe zu einem erhöhten
Frakturrisiko führt                                            Rauchen ist bei Frauen und Männern ein unabhän-
                                                               giger mäßiger Risikofaktor für Wirbelkörperfrakturen,
37]. Differenziert man jedoch genauer nach Therapie-           Hüftfrakturen und periphere Frakturen [46, 47]. In
dauer und Dosis, zeigen weitere Studien bzw. Meta-             einer Metaanalyse von 10 prospektiven Kohortenstu-
Analysen kleine, aber signifikante Anstiege im Fraktur-        dien mit > 350.000 eingeschlossenen Teilnehmerinnen
risiko. So fanden Loke et al. ein erhöhtes Frakturrisiko       mit einem Alter von 20 bis 93 Jahren zeigt sich eine
bei PatientInnen mit COPD, welches dosisabhängig               statistisch signifikante Assoziation mit Hüftfraktur für
je 500 µg Beclomethason oder Äquivalent um 9 % an-             derzeitige Raucherinnen gegenüber Nicht-Rauche-
steigt [38]. Die „Lung Health Study Research Group“            rinnen (relatives Risiko, RR 1,30). Mehr als 15 Ziga-
sowie Scanlon et al. fanden darüber hinaus, dass hohe          retten/Tag erhöhen signifikant das Frakturrisiko (RR
ICS Dosen mit einem signifikanten Verlust von KMD              1,26). In drei Studien, die das RR für Frakturen bei
einhergehen, jedoch erst nach ca. 3 Jahren [39, 40].           Frauen, die derzeit rauchen gegenüber Nichtrauche-
Das erhöhte Frakturrisiko, wie auch in der Studie von          rinnen untersuchte, zeigt sich bei den derzeitigen
Goncalves et al. beschrieben, scheint, wie bei OCS,            Raucherinnen ein signifikant höheres Risiko für eine
auch unabhängig von der KMD zu sein [41].                      Hüftfraktur (RR 1,54). Es zeigt sich allerdings kein
   Eine ähnliche Datenlage wie zur COPD findet sich            statistisch signifikant erhöhtes Risiko für ehemalige
auch bei Erwachsenen mit Asthma. Auch hier scheint             Raucherinnen gegenüber Nicht-Raucherinnen (RR
die Dauer der Therapie sowie die Dosis eine wichti-            1,02) und ehemaligen Raucherinnen gegenüber der-
ge Rolle zu spielen. Bei höheren Konzentrationen und           zeitigen Raucherinnen bis 9 Jahre, ab dem 10. Jahr
langanhaltender Therapie sind auch PatientInnen mit            wird das Risiko geringer (Rauchen aufgehört < 5 Jahre
Asthma unter ICS einem erhöhten Frakturrisiko aus-             RR 1,01; Ende seit 5–9 Jahren RR 1,10; und Rauchen
gesetzt [42]. Die Dosis- und Zeitabhängigkeit zeigt sich       beendet für 10 Jahre RR 0,70) [48, 49].
auch in den Studien, in denen PatientInnen mit COPD               Die COPD ist bei Frauen und Männern ebenfalls
und Asthma gemeinsam untersucht wurden.                        ein mäßiger Risikofaktor für osteoporotische Fraktu-
   Bei Kindern mit Asthma führt die Einnahme von               ren und Hüftfrakturen (RR 1,3–1,6 für Frauen, 1,1–1,4
ICS zu einem langsameren Wachstum. Diese Daten                 für Männer) [50, 51]. Daten aus einer schwedischen
sind relativ konsistent und zeigen, dass dieser Effekt         Studie zeigen, dass die COPD bei Männern ein mä-
vor allem bei Kindern unter 6 Jahren ausgeprägt ist,           ßiger bis starker Risikofaktor für vertebrale Frakturen
wohingegen er später (zwischen 6 und 12 Jahren)                ist (RR 1,67–4,4).[52] Als besonderer Risikofaktor ver-
nicht mehr so ausgeprägt ist, und dass die Hemmung             tebraler Frakturen erscheinen ein niedriger BMI (me-
des Wachstums vor allem innerhalb des ersten Jahres            dian 21 kg/m2) und COPD (OR 11,0) zu sein [53]. In
der Behandlung stattfindet [42–44].                            einer Meta-Analyse von 13 fallkontrollierten Studien
   Insgesamt bleibt festzuhalten, dass systemisch ver-         war das Risiko für eine weitere Schenkelhalsfraktur
abreichte Glukokortikoide mit einem erhöhten Frak-             nach stattgehabter Schenkelhalsfraktur höher bei be-
turrisiko einhergehen. ICS hingegen sind im Erwach-            stehender Lungenerkrankung (OR 2,58) [54].
senenalter jedoch nur in hohen Dosen und über einen
längeren Zeitraum verabreicht mit einem leicht er-

  Osteoporose bei pneumologischen Erkrankungen                                                               K
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Frakturrisiko bei Lungentransplantation                     Diese Daten unterstreichen jedoch, dass jeder Lun-
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Die Funktionsverschlechterung lebenswichtiger Orga-      kommt, bei entsprechend reduzierter KMD und er-
ne führt im Rahmen des Krankheitsverlaufes zu Kno-       höhtem Frakturrisiko mit einer spezifischen Osteopo-
chenabbau mit erhöhtem Frakturrisiko [55]. Eine Or-      rosetherapie behandelt werden sollte und darüber hi-
gantransplantation verbessert signifikant die Lebens-    naus ein regelmäßiges Monitoring des Therapieerfol-
erwartung und die Lebensqualität des PatientInnen,       ges indiziert ist [66]. (Vgl. Kapitel Therapieoptionen
die Knochenqualität bleibt allerdings reduziert oder     der Osteoporose).
nimmt, vor allem im ersten Jahr nach Transplantati-
on, noch weiter ab und es kommt dadurch zur Stei-        Anamnese und Erhebung von Risikofaktoren bei
gerung des Frakturrisikos. Am Beispiel von lungen-       chronischen pneumologischen Erkrankungen
transplantierten Frauen und Männern fand sich in
der 12-monatigen Phase vor Transplantation bereits       Die Anamnese und Erhebung von klinischen Risiko-
eine Prävalenz für Wirbelkörperfrakturen von 18 %. In    faktoren stellt einen wichtigen Pfeiler in der Identi-
der 6–18 monatigen Nachbeobachtungsphase erhöhte         fikation von PatientInnen mit erhöhtem Frakturrisi-
sich diese Prävalenz auf über 50 % [56]. Mehr als 60 %   ko dar. Neben allgemeinen Risikofaktoren, Familien-
der PatientInnen mit end-stage Lungenerkrankungen        anamnese (insbesondere Hüftfraktur der Eltern), Le-
haben eine herabgesetzte Knochendichte [57, 58]. Ri-     bensstilfaktoren wie Nikotin- und Alkoholkonsum, Er-
sikofaktoren für einen Knochenverlust vor der Trans-     nährungs- und Medikamentenanamnese, körperliche
plantation sind Alter, die Diagnose COPD, intermittie-   Aktivität und Sturzneigung stellen Untergewicht und
rende oder kontinuierliche Steroidtherapie, Nikotin-     Sarkopenie ein erhöhtes Risiko dar.
abusus, sowie Verlust an Körpergewicht und Muskel-          Die Diagnose einer chronischen pneumologischen
masse (pulmonale Kachexie) durch zunehmende kör-         Erkrankung wie Asthma und COPD stellt gemäß ös-
perliche Dekonditionierung [59].                         terreichischer Leitlinie und DVO Leitlinie einen un-
   Aufgrund dieser hohen Inzidenz einer Osteoporose      abhängigen Risikofaktor für Osteoporose dar. Das
ist im Rahmen der Evaluation zur Lungentransplan-        Vorliegen vertebraler Frakturen, niedriger Knochen-
tation auch eine Erhebung der Knochendichte und          dichte, Osteoporose und Vitamin D-Mangel wurden
des Knochenstoffwechsels erforderlich und bei erhöh-     in zahlreichen Studien als Risikofaktoren für ver-
tem Frakturrisiko sollte eine entsprechende medika-      mehrte Hospitalisierungen bei COPD PatientInnen
mentöse und physikalische Therapie eingeleitet wer-      identifiziert [67–69]. Darüber hinaus sind vertebrale
den [59]. Eine hochgradige Osteoporose mit oder ohne     Frakturen bei COPD PatientInnen mit einer erhöh-
Wirbelkörperfrakturen stellt eine relative Kontraindi-   ten 2-Jahres-Mortalität assoziiert und jede vertebrale
kation für eine Transplantation dar. Die Inzidenz sol-   Fraktur reduziert die forcierte Vitalkapazität um 9 %
cher Frakturen liegt bei > 30 % aller PatientInnen auf   [69, 70].
der Transplant-Warteliste [60]. Darüber hinaus kommt        PatientInnen mit chronischen pneumologischen
es innerhalb von 6–12 Monaten nach Lungentrans-          Erkrankungen, insbesondere COPD, leiden häufig an
plantation zu einer signifikanten Abnahme der Kno-       einem Verlust von Muskelmasse, wodurch das Risiko
chendichte (> 5 %) trotz Vitamin D und Kalzium Sub-      für Stürze und einen Verlust an Knochenmasse steigt.
stitution. Dadurch ist die Inzidenz osteoporotischer     Sarkopenie wird mit einer Prävalenz von 15–25 % bei
Frakturen deutlich erhöht (zwischen 15–37 %) [61, 62].   COPD PatientInnen in der Literatur angegeben und
   Zwei randomisierte kontrollierte Studien zeigten      stellt damit eine häufige extrapulmonale Manifestati-
eine positive Auswirkung von Krafttraining nach Lun-     on dar [71]. Darüber hinaus besteht ein Zusammen-
gentransplantation auf die Knochendichte bereits         hang zwischen Untergewicht bei COPD PatientInnen
nach 6 Monaten, und eine Kombination mit einer           und einer herabgesetzten Überlebenswahrscheinlich-
Alendronat-Therapie führte zu einer zusätzlichen         keit [72]. Eine Unterstützung der COPD PatientInnen
Verbesserung [63, 64]. Weitere Studien konnten einen     bei der Optimierung der Ernährung und eine damit
positiven Effekt auf die KMD unter antiresorptiver       verbundene Gewichtszunahme wirkt sich nachweis-
Therapie oder Hormonersatztherapie zeigen [65]. Bis-     lich positiv auf die Prognose aus, jedoch ohne nach-
lang gibt es noch keine Studien über den Effekt von      weisbarer Zunahme der Lungenfunktion [73]. Daher
Denosumab, Teriparatid oder selektiven Östrogenre-       ist eine ausreichende alimentäre Proteinzufuhr eben-
zeptormodulatoren auf den Knochenstoffwechsel bei        so entscheidend wie ein muskuläres Aufbautraining.
PatientInnen nach Lungentransplantation. Der Ein-        Als weiterer Risikofaktor ist speziell bei PatientInnen
satz von Denosumab bei PatientInnen nach Leber-,         mit chronischen pulmologischen Erkrankungen ei-
Pankreas- und Nierentransplantation zeigte eine sig-     ne systemische aber auch hochdosierte inhalative
nifikante Verbesserung der Knochenmineraldichte          Glukokortikoidtherapie zu berücksichtigen, da das
und adäquate Hemmung der erhöhten Knochenstoff-          Risiko für Osteoporose und Frakturen erhöht ist. (Vgl.
wechselparameter, ohne Hinweis auf eine mögliche         Kapitel Effekte von Glukokortikoide auf den Knochen-
Erhöhung der Inzidenz von Atemwegsinfekten unter         stoffwechsel) [74–76].
Therapie [66].

K                                                                 Osteoporose bei pneumologischen Erkrankungen
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Niedrig-traumatische Frakturen                            einen entsprechenden einheitlosen Wert. Ein TBS
                                                          > 1,350 spricht für einen Normalbefund. Je niedriger
Sind bereits niedrig-traumatische Frakturen, insbe-       der TBS, desto ausgeprägter das trabekuläre Struktur-
sondere Wirbelkörper-, Hüft-, Oberarm- und Radius-        defizit. Die Analyse erfolgt bei vorhandener Software
frakturen, aufgetreten stellt dies einen entscheiden-     unmittelbar während einer Knochendichtemessung,
den Risikofaktor dar. Das klinische Bild der manifes-     kann jedoch auch bestehende Messungen retrospek-
ten Osteoporose mit Frakturen und deren assoziierten      tiv auswerten. Dadurch ergibt sich keine zusätzliche
Folgen (Schmerz, Deformierung und Funktionsein-           Strahlenbelastung für die PatientInnen und degene-
schränkung) führt zu einer deutlichen Einschränkung       rative osteoproliferative Veränderungen beeinflussen
der Lebensqualität. Die typische, niedrig-traumati-       die TBS Auswertung nicht [78]. In mehreren prospekti-
sche Fragilitätsfraktur der Osteoporose ist durch ein     ven Studien konnte ein erniedrigter TBS unabhängig
Trauma gekennzeichnet, das üblicherweise nicht für        von der Knochenmineraldichte zur Vorhersage des
eine Fraktur eines gesunden Knochens ausreicht, wie       Frakturrisikos beitragen (DVO A) und multiple lineare
z. B. ein Sturz aus dem Stand oder geringer Höhe oder     und logistische Regressionsmodelle zeigten unter an-
ohne größere Krafteinwirkung [49, 77]. Eine Auflistung    deren eine Assoziation eines herabgesetzten TBS mit
allgemeiner, klinischer und medikamentöser Risiko-        den Risikofaktoren systemische Glukokortikoidthera-
faktoren, die in die Beurteilung des Frakturrisikos mit   pie, prävalente Osteoporose-assoziierte Fraktur und
einfließen sind in der österreichischen Leitlinie zu-     COPD [79]. Die Frakturrisikoberechnung mittels FRAX
sammengefasst [77]. Darüber hinaus findet sich bei        bietet die Möglichkeit einer TBS-Korrektur, was insbe-
einer Vielzahl an chronischen oder malignen Erkran-       sondere von Vorteil ist, wenn die Knochendichte nicht
kungen eine relative Risikoerhöhung [77].                 allzu sehr reduziert ist, jedoch ein trabekuläres Struk-
                                                          turdefizit vorliegt. (Vgl. Kapitel Therapieentscheidung
Bildgebende Verfahren                                     und -ziele).

Eine Beurteilung des Frakturrisikos unter ausschließli-   Knochenmikroarchitektur bei COPD PatientInnen
cher Verwendung der DXA-basierten KMD würde mit
einer hohen Spezifität, jedoch niedriger Sensitivität     Bei COPD PatientInnen mit Wirbelkörperfrakturen
einher gehen und den additiven Effekt der klinischen      konnten TBS und KMD als unabhängige Risikofak-
Risikofaktoren verpassen [77]. Daher ist eine Kombi-      toren identifiziert werden. Darüber hinaus besteht
nation aus klinischen Risikofaktoren und KMD-Mes-         ein Zusammenhang von systemischer Inflammation
sung empfohlen, um das Frakturrisiko abzuschätzen.        und einer Reduktion der trabekulären Struktur ge-
                                                          messen mittels TBS, während ein Verlust von KMD
DXA Knochendichtemessung                                  mit Gewichtsverlust assoziiert ist [80].
                                                             Die hochauflösende periphere quantitative Com-
Die Bestimmung der KMD mittels DXA (Dual-Ener-            putertomographie (HR-pQCT) erlaubt eine in-vivo
gy X-Ray Absorptiometry, deutsch: 2-Spektren Rönt-        Diagnostik der Knochenmikroarchitektur mit einer
gen-Absorptiometrie) stellt den Goldstandard in der       Auflösung von 82 µm, welche bei Geräten der jüngsten
bildgebenden Diagnostik in der klinischen Routine         Generation sogar noch unterschritten wird. Darüber
dar. Die empfohlenen Messorte sind Lendenwirbel-          hinaus ist über Finite-Element-Analysen eine Beur-
säule, Femurhals und Gesamtfemur. Eine erniedrigte        teilung der Festigkeit des Knochens möglich. Diese
KMD am proximalen Femur und/oder Lendenwirbel-            Methode stellt keine Routinediagnostik dar, liefert
säule geht mit einem gesteigerten Risiko für Osteopo-     jedoch interessante Informationen über Mikroarchi-
rose-assoziierte Frakturen bei Frauen und Männern         tekturstörungen bei unterschiedlichen Erkrankungen.
einher (DVO A). Eine Basisdiagnostik inkl. DXA wird       So fand sich bei männlichen Patienten mit Osteopo-
bei Fragilitätsfrakturen ab einem Alter von 50 Jahren,    rose eine rarefizierte Knochenstruktur und Festigkeit
nach 3 Monaten systemischer Glukokortikoidthera-          unabhängig von der Diagnose einer COPD, während
pie ≥ 7,5 mg/d Prednisolonäquivalent oder bei beste-      bei Patienten mit normaler KMD die Diagnose ei-
hendem Risikoprofil für osteoporotische Frakturen bei     ner COPD mit einer herabgesetzten kortikalen Dicke
Frauen ab 50 Jahren und Männern ab 60 Jahren emp-         einherging [81]. Die akkurateste Beurteilung der Kno-
fohlen.                                                   chenstruktur und Knochenqualität kann über eine
                                                          transiliakale Knochenbiopsie erzielt werden. In einer
Trabecular Bone Score (TBS)                               Studie wurden postmenopausale Frauen mit COPD,
                                                          herabgesetzter KMD, jedoch ohne den Risikofaktor
TBS ist ein Texturparameter, welcher ergänzende In-       einer systemischen Glukokortikoidtherapie biopsiert
formationen über die Knochenmikroarchitektur aus          und es fand sich neben einem erniedrigten trabekulä-
einer bereits existierenden DXA Untersuchung der          ren Knochenvolumen und einer rarefizierten trabeku-
Lendenwirbelsäule liefert. Die Software analysiert die    lären Struktur auch kortikale Strukturdefekte. Darüber
unterschiedlichen Grau-Werte der zugrundeliegen-          hinaus konnte eine Korrelation der Knochenmikroar-
den Pixel innerhalb der Wirbelkörper und berechnet

  Osteoporose bei pneumologischen Erkrankungen                                                          K
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chitekturstörung mit der Dauer und Intensität des         Therapieentscheidung und -ziele
Nikotinkonsums nachgewiesen werden [18].
                                                          Die Häufigkeit der Osteoporose nimmt mit dem Al-
Radiologische Diagnostik                                  ter zu. Pneumologische Erkrankungen stellen einen
                                                          klinischen Risikofaktor für Fragilitätsfrakturen dar. Ei-
Im Rahmen der Abklärung empfiehlt sich aus os-            ne medikamentöse Therapie sollte dann in Betracht
teologischer Sicht eine Bildgebung der Wirbelsäule        gezogen werden, wenn in der Zusammenschau ein
bei Verdacht bzw. zum Ausschluss von Wirbelkörper-        Behandlungsvorteil zu erwarten ist. Die Entscheidung
frakturen. Neben akuten oder chronischen Rücken-          für eine knochenspezifische Therapie basiert auf der
schmerzen können vertebrale Frakturen aber auch           Klinik und dem individuellen Risiko [83].
klinisch nicht evident sein. Daher ist insbesondere          Im zertifizierten Web-basierten FRAX-Risikorech-
bei hohem Lebensalter, signifikantem Größenverlust        ner werden für Patientinnen und Patienten im Alter
oder Abnahme des Rippen-Becken-Abstands, einer            zwischen 40 und 90 Jahren entsprechend den hinter-
herabgesetzten KMD oder vorangegangenen nicht-            legten österreichischen Frakturdaten dichotomisiert
vertebralen Frakturen eine konventionelle Röntgen-        elf Fragen erhoben. Die zwölfte Frage zur KMD des
diagnostik von Brust- und Lendenwirbelsäule anzu-         Schenkelhalses ist fakultativ. Ein 10-Jahres-Fraktur-
streben. Darüber hinaus ist eine Mitbeurteilung der       risiko für alle major osteoporotic fractures (MOF)
Wirbelkörper von bereits vorliegenden Thorax-Seit-        und für eine Hüftfraktur wird individuell berechnet
aufnahmen oder CT-Untersuchungen sinnvoll [82].           (Abb. 4; [84]).
                                                             Zu den MOF zählen Fragilitätsfrakturen im Erwach-
Labordiagnostik                                           senenalter:
                                                             spontan oder als Folge eines (leichten) Traumas auf-
Mit Hilfe eines Basislabors können mögliche sekun-            getreten
däre Osteoporose-Ursachen ebenso wie Kontraindi-             bei einem gesunden Menschen hätte das Ereignis
kationen für potenzielle medikamentöse Therapien              nicht zu einer Fraktur geführt
identifiziert werden. Hierbei empfiehlt sich die Be-         Anatomische Lokalisation: Hüfte, Wirbelkörper,
stimmung von Nierenfunktions- und Leberfunktions-             Humerus, Handgelenk (Radius, Ulna), Becken, (mul-
parameter, C-reaktives Protein und Blutsenkungsge-            tiple) Rippen
schwindigkeit, Blutbild sowie Schilddrüsenparameter.
   Zur detaillierteren Beurteilung des Knochens ist       Ein 10-Jahres-Frakturrisiko von ≥20 % für MOF und
eine Erhebung von Kalzium, Phosphat, Parathormon          ≥ 5 % für Femurfrakturen wird in Österreich als sinn-
und 25(OH)-Vitamin D3 essentiell, um Störungen            volle Therapieschwelle betrachtet. Daher sollte bei
des Kalzium-Phosphat-Stoffwechsels zu identifizieren      einem individuellen Risiko über einem dieser beiden
und einen Mangel an Vitamin D mit sekundärem              Schwellenwerte bereits vor der ersten osteoporoti-
Hyperparathyreoidismus zu identifizieren.                 schen Fraktur im Sinne einer Prävention eine Os-
   Eine spezifische osteologische Diagnostik stellt die   teoporose-spezifische Therapie initiiert werden. Eine
Bestimmung von Knochenformations- bzw. -resorpti-         niedrig-traumatische Fraktur indiziert in jedem Fall
onsmarker dar wie z. B. CTX (Resorption), Alkalische      eine osteologische Behandlung.
Phosphatase (AP, Formation) und Osteocalcin (OC;             Eine rein KMD-basierte Entscheidung kann auf
Formation) dar. Als zuverlässiger Routinemarker der       Grundlage des DVO Modells erfolgen: Die Therapie-
Knochenformation hat sich PINP erwiesen. Knochen-         schwelle wird fakultativ entsprechend den einbezo-
stoffwechselparameter sind für eine detailliertere Eva-   genen klinischen Risikofaktoren, soweit diese vor-
luierung hilfreich und sowohl vor Etablierung einer       liegen, angehoben. Entscheidungsgrundlage ist der
Osteoporosetherapie als auch als Verlaufsparameter        niedrigste Wert der drei Messorte Lendenwirbelsäule
sinnvoll einzusetzen. Eine Erhöhung der AP sollte         (Mittelwert der verwertbaren T-Scores von L1 bis L4),
immer unter Berücksichtigung weiterer Leberfunk-          Schenkelhals und gesamter Femur (Tab. 2; [49, 77]).
tionsparameter ebenso wie Calcium, Phosphat und              Die Anhebung der Therapiegrenze sollte für alle ge-
Vitamin D erfolgen. Eine Erhöhung kann neben einer        nannten Risiken allein oder in Kombination nur bis zu
Osteomalazie auch für seltene Knochenerkrankun-           einem maximalen T-Score von –2,0 erfolgen. In der
gen wie z. B. M. Paget oder sekundär-blastomatö-          Regel sollten nicht mehr als zwei Risikofaktoren addi-
se Absiedlungen im Knochen sprechen. Mit Hilfe            tiv bei der Anhebung der Therapiegrenze berücksich-
der Serumelektrophorese können Paraproteinämien           tigt werden.
von Monoklonaler Gammopathie unklarer Signifi-               Anpassung um +1,0 bei pneumologischen Erkran-
kant (MGUS) bis Plasmozytom, aber auch chronisch          kungen:
systemische Inflammation nachgewiesen werden.                OCS ≥ 2,5 mg und < 7,5 mg Prednisolonäquivalent
                                                              täglich für mehr als drei Monate
                                                             Drei und mehr niedrigtraumatische Frakturen in
                                                              den letzten 10 Jahren (Ausnahme: Finger-, Zehen-,
                                                              Schädel- und Knöchelfrakturen)

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Abb. 4    Bestimmung des Frakturrisikos mittels FRAX

Tab. 2 Indikation für eine spezifische medikamentöse                          Erhöhung des hochsensitiven C-reaktiven Proteins
Therapie in Abhängigkeit von Geschlecht, Lebensalter,                          (hsCRP)
DXA-Knochendichtemessung und weiteren Risikofaktoren
Lebensalter in Jahren T-Score (Nur anwendbar auf DXA-Werte. Die Wirk-
                      samkeit einer medikamentösen Therapie ist für        Bei niedrigtraumatischen Osteoporose-typischen Frak-
                      nichtvertebrale Frakturen bei einem T-Score > –2,0   turen in der Anamnese ist immer eine spezifische
                      nicht sicher belegt.)                                Osteoporosetherapie über Vitamin D/Kalzium hinaus
Frau       Mann       –2,0 bis   –2,5 bis   –3,0 bis   –3,5 bis   < –4,0   indiziert. Die Therapie kann in diesen Fällen auch
                      –2,5       –3,0       –3,5       –4,0                ohne Messung der Knochenmineraldichte begonnen
50–60      60–70      Nein       Nein       Nein       Nein       Ja       werden. In Abb. 5 ist ein Algorithmus zur Bestimmung
60–65      70–75      Nein       Nein       Nein       Ja         Ja       des Frakturrisikos und der Interventionsschwelle bei
65–70      75–80      Nein       Nein       Ja         Ja         Ja       PatientInnen mit chronischen pulmologischen Er-
70–75      80–85      Nein       Ja         Ja         Ja         Ja       krankungen zusammengefasst.
> 75       > 85       Ja         Ja         Ja         Ja         Ja
                                                                           Vitamin D bei Lungenerkrankungen

Anpassung um +0,5 bei pneumologischen Erkrankun-                           Ein Vitamin D-Mangel ist sowohl in der Allgemein-
gen:                                                                       bevölkerung als auch bei Menschen mit chronischen
   Singuläre Wirbelkörperfraktur 1. Grades; Nicht-                        Erkrankungen häufig [85]. Dieser ist meist definiert als
    vertebrale Frakturen > 50. Lebensjahr (Ausnahme:                       25OHD im Serum < 20 ng/ml oder ein schwerer Man-
    Finger-, Zehen-, Schädel- und Knöchelfrakturen)                        gel als < 12 ng/ml (bzw. 50/30 nmol/l – Umrechnungs-
   Proximale Femurfraktur bei Vater oder Mutter                           faktor zu nmol/l: 2,5). Gerade bei Menschen mit chro-
   Multiple intrinsische Stürze                                           nischen Lungenerkrankungen scheint eine Vitamin D
   Immobilität                                                            Gabe ineffizienter zu sein als bei Kontrollen, hinwei-
   Rauchen, COPD, und/oder hohe Dosen ICS                                 send auf die Sinnhaftigkeit von Spiegelbestimmungen
   Protonenpumpeninhibitoren bei chronischer Ein-                         [86]. Vitamin D ist wichtig für das muskuloskelettale
    nahme                                                                  System, aber auch das Immunsystem [87].

    Osteoporose bei pneumologischen Erkrankungen                                                                         K
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Abb. 5 Bestimmung von Frakturrisiko und Therapieindikati-         und DVO/österreichischer Leitlinie: ausgehend vom niedrigs-
on bei chronischen pneumologischen Erkrankungen. Legen-           ten T-Score wird die Therapieschwelle bestimmt, abhängig
de: Behandlungsindikation gemäß FRAX: bei einer 10-Jah-           von den vorliegenden Risikofaktoren kann die Interventions-
res-Wahrscheinlichkeit für eine Osteoporose-assoziierte Frak-     schwelle entsprechend angehoben werden, vgl. Arznei & Ver-
tur (major osteoporotic fracture) ≥ 20 % oder Hüftfraktur ≥ 5 %   nunft 2017. CRFs clinical risk factors, DXA Dual-Energy X-Ray
liegt gemäß der nationaler Interventionsschwelle eine The-        Absorptiometry, TBS Trabecular Bone Score, FRAX Fracture
rapieindikation vor; Behandlungsindikation gemäß T-Score          Risk Assessment Tool, DVO Dachverband Osteologie

   Die Einleitung einer osteoprotektiven antiresorpti-            te Endpunkte für Lungenkranke mit oder ohne Osteo-
ven Therapie bei Calcium-/Vitamin D-Mangel kann                   porose.
zu gefährlichen Komplikationen führen und muss da-                   Rezent gibt es auch im Zusammenhang von
her vermieden werden. Eine kombinierte Calcium-/                  COVID-19 und Vitamin D interessante neue Daten.
Vitamin D Gabe bzw. alleinige Vitamin D Gabe bei                  Niedrigere Vitamin D-Spiegel waren mit höheren
ausreichender nutritiver Calciumzufuhr ist daher be-              Raten von Serokonversion bei Menschen aus Ge-
reits vor Therapieeinleitung sinnvoll.                            sundheitsberufen assoziiert [92] und hospitalisierte
   Interventionsstudien belegen, dass Vitamin D                   COVID-19 PatientInnen hatten eine höhere Prävalenz
Atemwegsinfekte reduzieren kann – vor allem bei täg-              einer Vitamin D Defizienz, wobei kein Zusammen-
licher oder wöchentlicher Einnahme (im Gegensatz                  hang mit dem Schweregrad der Erkrankung gefunden
zu selteneren Intervallen) und bei schwerem Mangel                wurde [93]. Kleine Interventionsstudien (n < 250) mit
[88, 89]. Dies kann auch für COVID-19 relevant sein.              interessanten Ergebnissen wurden ebenfalls rezent
Für COVID-19 selbst gibt es derzeit nur wenige und                publiziert [94–96], wobei Bolusgaben ineffektiv zu
kleine Interventionsstudien zum Wert einer Vitamin D              sein scheinen [97]. Zu diesem Thema findet sich auf
Supplementierung.                                                 der Website vdmeta.com ein aktualisierter Überblick.
   Für COPD und Asthma legen Daten aus randomi-
siert kontrollierten Studien nahe, dass Vitamin D bei             Therapieoptionen der Osteoporose
Mangel Exazerbationen und Hospitalisationen redu-
zieren kann, sowohl bei Kindern als auch bei Erwach-              Basisprophylaxe mit Vitamin D und Kalzium
senen [90, 91].
   Auch für die Entwicklung eines Diabetes mellitus               Die Kalzium- und Vitamin D Substitution ist sowohl
gibt es Hinweise, besonders klar ist die Datenlage zum            eine eigenständige Therapiemöglichkeit der Osteopo-
Benefit einer Vitamin D Supplementierung jedoch für               rose, als auch die absolut notwendige Basis jeder spe-
die Vermeidung von akuten Atemwegsinfekten und                    zifischen Osteoporosetherapie.
die Allgemein- und Krebssterblichkeit, höchst relevan-

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   Eine ausreichende Versorgung mit Vitamin D ist       Bisphosphonate
eine wichtige Voraussetzung für die Knochengesund-      Bisphosphonate (Alendronat, Risedronat, Ibandronat,
heit. Eine Vitamin D3 Serumkonzentration < 20 ng/ml     Zoledronat) sind potente Inhibitoren der Knochenre-
(50 nmol/l) ist mit einem erhöhten Risiko für proxi-    sorption. Sie werden an metabolisch aktiven Umbau-
male Femurfrakturen und nichtvertebralen Frakturen      einheiten im Knochen abgelagert und bewirken ei-
verbunden. Wir empfehlen daher den Vitamin D-Spie-      ne Apoptose von Osteoklasten. Die Resorptionsaktivi-
gel bei Menschen mit akuten und chronischen Lun-        tät wird im Gesamtskelett deutlich gedämpft und das
generkrankungen zu messen und einen Zielspiegel         Frakturrisiko reduziert.
von > 20–30 ng/ml (nicht über 60 ng/ml) anzustreben.       Oral werden Bisphosphonate nur in geringem Aus-
Dies gelingt üblicherweise mit Tagesdosen von 800       maß (maximal 3 %) resorbiert; die Einnahme erfolgt
bis 4000 IU, wöchentliche Gaben sind akzeptabel, län-   stets nüchtern in ausreichendem Abstand zur Nah-
ger sollte das Dosierungsintervall jedoch nicht sein.   rungsaufnahme, mit ausreichend Wasser und in auf-
Natives Vitamin D (Cholecalciferol, Vitamin D3; 1 μg    rechter Körperhaltung, um Irritationen der Ösopha-
Vitamin D3 entspricht 40 IE Vitamin D3) als Arznei-     gusschleimhaut zu vermeiden.
mittel ist primär zu empfehlen, da die zahlreichen         Bei intravenöser Bisphosphonatgabe kann, über-
verfügbaren Nahrungsergänzungsmittel keiner stren-      wiegend bei erstmaliger Verabreichung, eine soge-
gen Qualitätskontrolle unterliegen. Die Einnahme soll   nannte „Akutphasereaktion“ – im Wesentlichen ein
mit den Mahlzeiten erfolgen, da dies die Resorption     grippeähnliches Zustandsbild mit Fieber und Mus-
verbessert. Im Einzelfall kann bei Malabsorption ei-    kelschmerzen – auftreten, die in der Regel innerhalb
ne parenterale (intramuskuläre) Gabe von 100.000 IE     von 36 h nach intravenöser Gabe beginnt und dann
Cholecalciferol notwendig sein. Die Gabe der aktiven    24–48 h anhält.
Form von Vitamin D – Calcitriol (1,25-Dihydroxycho-        Bei allen Bisphosphonaten stellen die Hypokalz-
lecalciferol) ist nur bei schwerer Niereninsuffizienz   ämie, eine erhebliche Nierenfunktionseinschränkung
indiziert.                                              oder eine Gravidität eine Kontraindikation dar.
   Eine ausreichende Kalziumzufuhr ist primär über         Bisphosphonate haben eine lange Verweildauer im
die Nahrung sicherzustellen. Patientinnen und Patien-   Knochen. Residuale Wirkungen auf den Knochen-
ten mit Osteoporose (mit oder ohne spezifischer Os-     stoffwechsel lassen sich auch nach Beendigung der
teoporosetherapie) sollen daher täglich 1000 mg Kal-    Bisphosphonattherapie nachweisen. Das Auftreten
zium aufnehmen, vorzugsweise über die Nahrung. Ist      von atypischen Femurfrakturen ist sehr selten, scheint
dies nicht möglich, sind Kalziumsupplemente erfor-      aber unter einer Langzeitgabe mit Bisphosphonaten
derlich. Pro Einnahme wird eine Dosis von maximal       zuzunehmen. Kiefernekrosen sind bei dieser für Os-
500 mg Kalziumsupplement empfohlen [77].                teoporose zugelassenen Therapie eine mutmaßlich
                                                        seltene Nebenwirkung. Eine Kontrolle des Zahnstatus
Spezifische Osteoporosetherapie bei                     ist allerdings vor Therapiebeginn empfehlenswert.
pneumologischen Erkrankungen                               Es gibt keine durch Frakturdaten validierten indi-
                                                        viduellen Entscheidungskriterien für die Wiederauf-
Keine einzige randomisierte Studie hatte bisher als     nahme einer Therapie nach einer Therapiepause oder
Endpunkt die Wirksamkeit einer spezifischen Osteo-      einen weiteren Therapieverzicht in Abhängigkeit von
porosetherapie bei PatientInnen mit einer pneumo-       Veränderungen der KMD, der Knochenumbaumarker
logischen Erkrankung. Daher basieren die Empfeh-        oder anderer messtechnischer oder klinischer Kriteri-
lungen für das Management dieser PatientInnen mit       en. Datenbankanalysen geben allerdings Hinweise auf
einem erhöhten Frakturrisiko auf empirischen Da-        einen Wiederanstieg des Knochenbruchrisikos nach
ten und der klinischen Erfahrung. Die klinische Evi-    Absetzen einer Bisphosphonattherapie [77].
denz in Bezug auf die Effizienz einer antiresorptiven
oder anabolen Osteoporosetherapie bei gleichzeitiger    Denosumab
pneumologischer Erkrankung abseits der Onkologie        Denosumab ist ein monoklonaler Antikörper gegen
beruht daher auf post hoc Analysen von Subgruppen       RANKL, der die Reifung und Aktivierung der Osteo-
in großen randomisierten Osteoporose-Studien und        klasten hemmt. Es wird alle sechs Monate subkutan
auch einer kleinen Anzahl von Observationsstudien       verabreicht und wird nicht renal eliminiert.
[98, 99].                                                  Bei der Behandlung der postmenopausalen Os-
   Grundsätzlich sind sämtliche Medikamente zur Be-     teoporose ist eine Reduktion von vertebralen und
handlung der Osteoporose auch bei Patientinnen und      nichtvertebralen Frakturen inklusive proximaler Fe-
Patienten mit einer pneumologischen Erkrankung          murfrakturen in Studien bis zu 10 Jahre nachgewie-
möglich und zugelassen. Da sowohl die Grunder-          sen. Die Wirkung ist unabhängig von einer even-
krankung als auch die Osteoporose eine chronische       tuellen Vorbehandlung mit Bisphosphonaten [100].
Erkrankung mit einem dauerhaft erhöhten Risiko für      Die Behandlungsdauer ist unklar. Nach Absetzen
sekundäre Komplikationen sind, ist bei einem er-        von Denosumab scheint es, im Gegensatz zu den
höhten Knochenbruchrisiko die Indikation für eine       Bisphosphonaten, zu einem raschen Anstieg des Kno-
langfristige Behandlung indiziert.                      chenumbaus und in weiterer Folge zu einer Abnahme

  Osteoporose bei pneumologischen Erkrankungen                                                       K
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