Mamma MIA! - Tumor ist nicht gleich Tumor Orientierungshilfe zur individuellen Brustkrebstherapie
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MIA! Mamma Das Brustkrebsmagazin MIA! Mamma www.mammamia-online.de Das Brustkrebsmagazin Tumor ist nicht gleich Tumor Orientierungshilfe zur individuellen Brustkrebstherapie 2. aktualisierte Auflage
Dieses Heft ist allen Frauen gewidmet, deren Leben durch eine Brustkrebserkrankung auf den Kopf gestellt wurde. Ein besonderer Dank gilt den Betroffenen, die durch eine Studienteilnahme den wissenschaftlichen Fortschritt unterstützen sowie den Wissenschaftlern, deren Ziel die Erforschung neuer Brustkrebstherapien ist. a April 2013
Editorial Thema möglich, so viel wie nötig. so werden immer mehr Frauen brusterhaltend operiert, Lymphknoten werden nicht mehr grundsätzlich entfernt. Die klassische strahlentherapie kann in günstigen Fällen durch eine intraoperative Be- strahlung ersetzt werden, wodurch sich die Bestrahlungs- dauer erheblich verkürzt. Genetische Untersuchungen des Tumorgewebes können „Hochrisiko-“ und „niedrig- risikopatienten“ unterscheiden. Das erlaubt eine bessere Prognoseabschätzung und somit bedachte Verordnung der Chemotherapie. Hinzu kommen neue Wirkstoffe, die Tumorzellen gezielt angreifen, ohne allzu große neben- wirkungen zu verursachen. Die neuesten entwicklungen der zielgerichteten, perso- nalisierten Brustkrebstherapie werden in diesem ratge- LieBe Leserin, LieBer Leser! ber vorgestellt. Dabei wird klar, dass es auf der einen seite große Fortschritte gibt, auf der anderen seite aber es ist gerade mal anderthalb Jahre her, dass unser rat- noch großer Bedarf an weiteren Forschungen herrscht. geber „Tumor ist nicht gleich Tumor – Orientierungshilfe so gibt es immer noch Tumorarten, die schwer oder gar zur individuellen Brustkrebstherapie“ zum ersten Mal nicht behandelbar sind. Außerdem sollten neue erkennt- erschien. Bei der Aktualisierung wurde uns bewusst, nisse viel schneller einzug in den klinischen Alltag finden. dass sich die Brustkrebstherapie in dieser kurzen Zeit schon wieder signifikant weiterentwickelt hat. ein großer ein weiterer Punkt kann nicht oft genug betont werden: Dank gilt an dieser stelle all den Wissenschaftlerinnen ein gesunder Lebensstil der Frauen kann das rück- und Wissenschaftlern, die dem Brustkrebs den Kampf fallrisiko senken. Gesunde ernährung, weitgehender angesagt haben und mit unermüdlichem eifer versuchen, Alkoholverzicht und regelmäßige Bewegung sind hier wirkungsvolle Mittel gegen diese Krankheit zu finden, die schlüsselfaktoren. Das sollte jede Frau verinnerlichen. die sich unaufhaltsam auszubreiten scheint. Und: Die Früherkennung muss weiter verbessert werden! noch immer gibt es zu viele Frauen, deren Tumor bei so konnte in den letzten Jahrzehnten zwar nicht die er- Diagnosestellung bereits inoperabel ist oder Metasta- krankungshäufigkeit verringert werden, die Heilungschan- sen gebildet hat. Früherkennung rettet Leben – sagen cen wurden jedoch deutlich verbessert. in den Fokus der sie es weiter! a Wissenschaft ist neben der Heilung auch zunehmend die Lebensqualität von Krebskranken gerückt, was eine sehr Herzliche Grüße, erfreuliche entwicklung ist. Heutzutage werden nicht mehr alle Krebspatienten ungeachtet der Ansprechrate und der nebenwirkungen gleich behandelt, wir sprechen vielmehr von einer „risikoadaptierten“ Behandlung – so wenig wie eva schumacher-Wulf www.mammamia-online.de 3
LieBe Leserin, LieBer Leser! Knapp 60.000 Frauen erkranken in Deutschland jährlich Wir wissen heute, dass durch gesunde ernährung und an Brustkrebs. Das ist eine besorgniserregende Zahl. regelmäßige sportliche Betätigung das erkrankungsrisiko es gibt jedoch auch positive entwicklungen: so liegt die für Brustkrebs gesenkt werden kann. Darüber sollte jede sterblichkeit von Frauen mit Brustkrebs in Deutschland Frau aufgeklärt werden, am besten schon in der schu- unter dem europäischen Durchschnitt. Dank gut organi- le. Weiterhin sollte die Früherkennung weiter verbessert sierter Versorgungsstrukturen, der einrichtung zertifizierter werden. Wünschenswert wäre eine Zusammenarbeit von Brustzentren sowie der etablierung verbesserter Früher- Gynäkologen, radiologen und Hausärzten sowie eine grö- kennungsprogramme konnte die Überlebensprognose für ßere Bereitschaft bei Frauen, Früherkennungsangebote in Brustkrebspatientinnen deutlich verbessert werden. Dazu Anspruch zu nehmen. ein Punkt ist in diesem Zusammen- kommt, dass wir in den letzten Jahren viele erstklassige hang wichtig zu wissen: Die effektivste Früherkennungs- Medikamente vorstellen konnten, beispielsweise Antikör- methode ist noch immer das Abtasten der Brust, das per und hormonelle substanzen. Die Deutsche Gesell- jede Frau regelmäßig selbst tun sollte. Wir sollten immer schaft für Gynäkologie und Geburtshilfe ist an der erstel- wieder an die selbstverantwortung der Frauen appellieren. lung von empfehlungen und Leitlinien beteiligt, um die flächendeckende Versorgungsqualität zu gewährleisten. Herzlichst, Diese positive entwicklung bedeutet jedoch nicht, dass wir Prof. Dr. Rolf Kreienberg unser Ziel erreicht haben. insbesondere in den Bereichen Für die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie Prävention und Früherkennung gibt es noch viel zu tun. und Geburtshilfe e.V. 4 Mamma Mia! Tumor ist nicht gleich Tumor
Vorwort Thema LieBe Leserin, LieBer Leser! Die Brustkrebsforschung konnte in den vergangenen es ist uns auch ein großes Anliegen, Patienten bestmög- Jahren enorme erfolge verzeichnen: Anstelle einer brei- lich zu therapieren und ihnen die Möglichkeit zu bieten, an ten, uniformen Therapie nach dem Gießkannenprinzip studien teilzunehmen, um so früh wie möglich vom medi- finden immer mehr zielgerichtete Therapien Anwendung. zinischen Fortschritt zu profitieren. so hat unsere Gesell- so ist es uns durch intensive Forschung gelungen, den schaft gemeinsam mit der Deutschen Krebsgesellschaft Tumor immer besser zu verstehen, subgruppen zu bil- Kriterien entwickelt, nach denen ein deutschlandweites den und Angriffspunkte für Therapien zu definieren. Um Zertifizierungsprogramm für interdisziplinäre Brustzentren Fortschritte in der Forschung erreichen zu können, ist es durchgeführt werden soll. eine Übersicht über zertifizierte wichtig, dass Wissenschaftler verschiedener medizini- Brustzentren findet sich unter www.senologie.org oder scher Disziplinen zusammenarbeiten. so ist es auch das www.krebsgesellschaft.de. Weiterhin stellen wir im in- erklärte Ziel der deutschen Gesellschaft für senologie, ternet unter www.brustkrebs-studien.de aktuell laufende den interdisziplinären erfahrungsaustausch zu fördern. studien vor. so können sich Betroffene selbst informieren, welche studie interessant für sie sein könnte. in diesem interdisziplinären Umfeld erarbeitet unsere Ge- sellschaft standards und Konsensus-empfehlungen zu es grüßt sie herzlich Diagnostik und Therapie von Brustkrankheiten, die dem aktuellen stand der Wissenschaft entsprechen. Der vor- Prof. Dr. Diethelm Wallwiener liegende ratgeber gibt einen Überblick über gängige stellv. Präsident der Deutschen Gesellschaft Therapien und neue Ansätze. für senologie e.V. www.mammamia-online.de 5
3 eDiTOriAL 4 VOrWOrT 6 inHALT 1 Tumorbiologie 9 TUMOrBiOLOGie Den Tumor besser verstehen Prof. Dr. Andreas Schneeweiss, NCT Heidelberg 13 PATHOLOGie Die rolle des Pathologen bei der Therapieentscheidung Prof. Dr. H. H. Kreipe, Medizinische Hochschule Hannover 16 TrAnsLATiOnALe FOrsCHUnG Von der präklinischen Forschung zur klinischen Anwendung Prof. Dr. Nadia Harbeck, Brustzentrum der Universität München 2 Zielgerichtete Therapien 19 DAs GiessKAnnenPrinZiP isT OUT Die entwicklung zielgerichteter Therapien Prof. Dr. Dr. h.c. W. Eiermann, IOZ München 23 BrUsTKreBs eine Krankheit mit vielen Gesichtern Dr. B. Ataseven, Rotkreuzklinikum München 27 GenAnALyse VereinFACHT THerAPieenTsCHeiDUnG Vermeidung von Übertherapie durch risikoabschätzung PD Dr. Peter Dubsky, Medizinische Universität Wien 3 Primäre Situation 31 DiAGnOse BrUsTKreBs Wegweiser bei der ersterkrankung Prof. Dr. Volker Möbus, Klinikum Frankfurt/M. Höchst 4 Metastasierte Situation 35 MeTAsTAsierTer BrUsTKreBs Aktuelle Behandlungsempfehlungen Prof. Dr. H.-J. Lück, Gynäkologische-onkologische Praxis Hannover 6 Mamma Mia! Tumor ist nicht gleich Tumor
5 Inhalt Triple negativer Brustkrebs Thema 39 DAs TriPLe neGATiVe MAMMAKArZinOM eigenschaften und Therapiemöglichkeiten PD Dr. Cornelia Liedtke, Universitätsklinikum Münster 6 Familiärer Brustkrebs 43 GeneTisCHer BrUsTKreBs Diagnose, Behandlung und Prophylaxe Prof. Dr. Rita Schmutzler, Universitätsklinikum Köln 7 Brustkrebs bei der jungen Frau 49 BrUsTKreBs Bei Der JUnGen FrAU Besonderheiten und Therapieoptionen Dr. Stefanie Noeding, Gynäkologische-onkologische Praxis Hannover 54 rePrODUKTiOnsMeDiZin Chancen für den Kinderwunsch nach Krebs Prof. Dr. Michael von Wolff, Inselspital Bern 8 Medizinische Studien 57 MeDiZinisCHe sTUDien Die Basis wissenschaftlichen Fortschritts Prof. Dr. Gunter von Minckwitz, GBG Forschungs GmbH Neu-Isenburg 9 Austausch mit Betroffenen 63 seLBsTHiLFe, inTerneTFOren, sOZiALe neTZWerKe & CO. Der Austausch mit anderen Betroffenen Eva Schumacher-Wulf 10 Anhang 65 AUTOrenVerZeiCHnis 68 WiCHTiGe ADressen 70 GLOssAr 82 iMPressUM www.mammamia-online.de 7
1 Tumorbiologie Tumorbiologie Den TUMOr Besser VersTeHen Zielgerichtete Krebstherapien stehen im Fokus der Wis- Die eigenschaften der Zellen spiegeln sich in den Mus- senschaft. Das Ziel: Patienten sollen so individuell wie tern dieser Moleküle, den so genannten signaturen, wi- möglich behandelt und das „Gießkannenprinzip“ (alle der. Die signaturen der Tumorzellen könnten uns bessere bekommen das gleiche) vermieden werden. Um eine Auskünfte geben über die Aggressivität des Tumors und zielgerichtete und gut verträgliche Therapie entwickeln das Ansprechen auf verschiedene Therapien als die her- zu können, müssen die Forscher den Tumor und im ide- kömmlichen Faktoren. Auch das Verhalten der normalen alfall auch den gesunden Körper zunächst kennen und Zellen der erkrankten Patientin könnte besser vorhergesagt verstehen. Dafür werden Zellen auf molekularer ebene werden. Am weitesten erforscht sind beim Brustkrebs die genau untersucht, um deren Beschaffenheit, Beson- Muster der Boten-Moleküle der Brustkrebszelle, die so ge- derheiten, Lebenszyklus sowie interaktion mit ande- nannten Gen-expressions-signaturen. ren Zellen kennenzulernen. Wissenschaftler haben in den vergangenen Jahren weitreichende erkenntnisse Mamma Mia!: Welche Forschungseinrichtungen sind an über die Tumorbiologie erforscht, viele Fragen sind aber der Aufschlüsselung der Tumorzellen beteiligt und wer auch noch offen. Mamma Mia! sprach mit dem Onkolo- trägt die Kosten der Grundlagenforschung? gen Professor Dr. Andreas schneeweiss, sektionsleiter Gynäkologische Onkologie im nationalen Centrum für Prof. Dr. A. schneeweiss: Zunächst müssen Grundlagen- Tumorerkrankungen (nCT) des Universitätsklinikums in forscher in öffentlich geförderten instituten wie beispiels- Heidelberg, über den aktuellen stand der Wissenschaft. weise im Deutschen Krebsforschungszentrum Heidelberg (DKFZ) oder anderen nationalen und internationalen For- Mamma Mia!: Die Wissenschaft legt seit einigen Jahren schungseinrichtungen oder in einrichtungen der forschen- einen Forschungsschwerpunkt auf die individualisierte den pharmazeutischen industrie neue Hypothesen aufstel- Krebsbehandlung. Fachleute sprechen von einer zielge- len und Ansatzpunkte definieren. Die Kosten tragen also richteten oder besser personalisierten Therapie. Welche die öffentliche Hand und private Unternehmen. Öffentliche konkreten erkenntnisse liegen heute vor? und private einrichtungen arbeiten häufig in größeren netz- werken zusammen. Die richtungen, in welche die Grund- Prof. Dr. A. schneeweiss: Ziel der Wissenschaft ist es, die lagenforscher zielen, ergeben sich aus den Problemen, die unterschiedlichen Tumoren sowie die eigenschaften der klinisch tätige Ärzte bei der alltäglichen Behandlung von gesunden Zellen und Organe verschiedener Patientinnen Krebspatienten haben. viel genauer zu charakterisieren und ihr Verhalten besser zu verstehen. Dies ist die entscheidende Voraussetzung für Mamma Mia!: Wie geht es weiter, wenn es neue er- eine individualisierte oder personalisierte Behandlung. so kenntnisse in der Grundlagenforschung gibt? untersuchen wir die molekularen Muster der Zellen auf ver- schiedenen ebenen. Wir befassen uns mit dem erbgut der Prof. Dr. A. schneeweiss: neue Hypothesen und Ansät- Zellen (Genom), den reversiblen Veränderungen am erbgut ze werden zunächst an Tumorzelllinien und Tieren mit (epigenom), Veränderungen an den Boten-Molekülen für spontanen oder induzierten Krebserkrankungen über- die Proteinproduktion (Transkriptom), den Proteinen selbst prüft. erhärten sich die Hypothesen, werden klinische (Proteom) und den stoffwechselprodukten (Metabolom). studien mit betroffenen Krebspatienten gestartet. Be- www.mammamia-online.de 9
stätigen auch diese klinischen studien einen eindeuti- einen wird das Zellwachstum durch eine rezeptorblockade gen nutzen beim krebskranken Menschen, ist eine neue (beim Brustkrebs zum Beispiel des Hormonrezeptors oder Therapiemöglichkeit geboren. Die enge Zusammenar- Her2/neu-rezeptors) oder durch eine störung von signal- beit zwischen Grundlagenforschern und klinisch tätigen übertragungen innerhalb der Zelle gehemmt. Zum anderen Ärzten ist eine Grundvoraussetzung für den raschen wird versucht, die Tumorgefäße am Wachstum zu hindern Transfer neuer erkenntnisse aus der Grundlagenfor- (Angiogenesehemmung). Der entwicklung dieser Thera- schung in den klinischen Alltag. Diese Kooperation ist pieformen ging eine intensive Forschung an Tumorzellen damit der schlüssel zur Verwirklichung unseres Trau- voraus. Weitere Ansatzpunkte in der Zukunft werden sein mes der personalisierten Therapie, das heißt der indi- die Wiederherstellung der natürlichen Wachstumshem- viduell auf jeden Patienten und seine Krebserkrankung mung von Tumorzellen und die gezielte Beeinflussung zugeschnittenen Behandlung. Aus diesem Grund wur- von stoffwechselvorgängen, die für invasion, streuung den in Deutschland Krebszentren wie das nationale und erbgutkontrolle verantwortlich sind. Centrum für Tumorerkrankungen (nCT) Heidelberg nach dem Vorbild der amerikanischen Comprehensive Die Tumorbiologie kann die Therapieentscheidung aber Cancer Center geschaffen, in denen Grundlagenfor- auch indirekt beeinflussen, denn sie hat eine prognosti- scher und klinisch tätige Ärzte unter einem Dach zu- sche und prädiktive Bedeutung. so haben beispielswei- sammenarbeiten. se die Arbeiten mit den Proteasen (Faktoren, die zum Abbau des umgebenden Gewebes beitragen) uPA und Mamma Mia!: inwiefern beeinflusst die Tumorbiologie in seinem inhibitor PAi-1 sehr vielversprechende ergebnis- der Praxis heutzutage die Therapieentscheidung? se gebracht. im Jahr 2007 wurde die Bestimmung des uPA- und PAi-1-Gehalts im Primärtumor einer Patien- Prof. Dr. A. schneeweiss: Derzeit gibt es im wesentlichen tin sogar in die empfehlungen der American society of zwei Ansatzpunkte für eine zielgerichtete Therapie. Zum Clinical Oncology (AsCO) aufgenommen. Danach wird 10 Mamma Mia! Tumor ist nicht gleich Tumor
1 Tumorbiologie empfohlen, den uPA/PAi-1-Test für die Prognoseabschät- an Frischgewebe bestimmt wird. Bei dieser MinDACT-stu- zung von neu an Brustkrebs erkrankten Frauen ohne die wird vor der Behandlung die Amsterdam-signatur aus Lymphknotenbefall und mit hormonabhängigen, kleinen dem Tumorgewebe bestimmt. Zusätzlich werden natürlich Tumoren einzusetzen, um die angemessene Therapie alle herkömmlichen Prognosefaktoren gemessen. Weichen auszuwählen. eine hohe uPA- oder PAi-1-Aktivität spricht die beiden Prognoseabschätzungen voneinander ab, wird für einen aggressiveren Tumor. so würde man in die- entweder anhand der herkömmlichen Faktoren oder an- sem Fall eher eine Chemotherapie verordnen als bei hand der Amsterdam-signatur behandelt. so kann geprüft Patientinnen mit einem niedrigen uPA- und PAi-1-Wert. werden, ob die signatur eine bessere Prognoseabschät- zung erlaubt als die klassischen Faktoren. es wird allerdings Mamma Mia!: Werden diese Werte heute schon stan- noch bis circa 2016 dauern, bis das ergebnis dieser studie dardmäßig ermittelt? vorliegt. Bisher gibt es nur ergebnisse aus rückblickenden Analysen, die allerdings vielversprechend sind. Prof. Dr. A. schneeweiss: Teilweise ja, es gibt standardfak- toren, die immer bestimmt werden. so wird beispielsweise Mamma Mia!: Können Patientinnen diese signatur auch immer untersucht, ob Hormonrezeptoren und Her2/neu- bestimmen lassen, wenn sie nicht in der studie sind? rezeptoren vorhanden sind. schwieriger wird es mit Fak- so könnten sie langfristig auf diese Daten zurückblicken. toren, die am Frischgewebe untersucht werden müssen. Dazu zählen zum Beispiel die uPA- und PAi-1-Werte. Diese Prof. Dr. A. schneeweiss: es gibt die Möglichkeit, diese Untersuchung scheitert häufig an organisatorischen und Untersuchung in privaten Labors durchführen zu lassen. logistischen Hürden. Die Bestimmung von uPA und PAi-1 Wir raten davon jedoch ab. Der Test kostet sehr viel muss an frischem, in stickstoff oder Trockeneis gelager- Geld und das ergebnis sollte noch nicht als entschei- tem Tumorgewebe erfolgen. nicht alle Kliniken haben die dungskriterium in der alltäglichen Therapie verwendet Möglichkeit, das Gewebe entsprechend zu konservieren. werden, solange die Daten aus diesen abschließenden Bisher sind die institute darauf eingerichtet, Gewebepro- studien nicht vorliegen. ich würde den Betroffenen eher ben in Paraffin einzulegen. es sollte für diesen Test jedoch empfehlen, Tumorgewebe einfrieren zu lassen. so hät- maximal zehn Minuten nach der entnahme gefroren sein. ten sie in der Zukunft jederzeit die Möglichkeit, weitere Dabei sollte es sich genau genommen um das Gewebe aus Faktoren des Tumors zu bestimmen, falls es in Zukunft der Operation handeln. Wir wissen noch nicht abschlie- relevant würde. ßend, ob bei stanzgewebe gleiche ergebnisse erzielt wer- den können. Die studien befassten sich ausschließlich mit Mamma Mia!: Wie können Patientinnen ihre Gewebe- dem herausoperierten Gewebe. Für Krankenhäuser gibt es proben einfrieren lassen? einen fertigen Kit, das diese Vorgehensweise ermöglicht. Patientinnen sollten in jedem Fall vor der Operation fragen, Prof. Dr. A. schneeweiss: es gibt einige Kliniken, die welche Möglichkeiten das Krankenhaus bietet. über die Möglichkeit verfügen, Frischgewebe tiefgekühlt zu verwahren. es handelt sich hier hauptsächlich um die Mamma Mia!: Was schätzen sie, ab wann neue moleku- oben genannten Krebskliniken nach dem Vorbild der lare Tests in den Leistungskatalog der Krankenkassen amerikanischen Comprehensive Cancer Center. Die- aufgenommen werden? se Zentren verfügen über Tumorbanken. Weiterhin gibt es in einigen städten die PATH (Patients Tumorbank of Prof. Dr. A. schneeweiss: Derzeit läuft in europa eine Pha- Hope, www.stiftungpath.org). Am besten sprechen die se-iii-studie (genannt MinDACT), in der die Aussagekraft ei- Betroffenen dieses Thema vor der Operation in ihrem ner Gen-expressions-signatur, der so genannten „Amster- Krankenhaus an. dam-signatur“ (nach dem Ort, an dem sie entwickelt wurde) abschließend geklärt werden soll. Bei der Amsterdam-sig- Mamma Mia!: Was können Frauen tun, deren Gewebe natur handelt es sich um ein Muster aus 70 Molekülen, das bereits in Paraffin eingelegt wurde? www.mammamia-online.de 11
Prof. Dr. A. schneeweiss: einige dieser Gen-expressi- KOnTAKT ons-signaturen können auch an dem in Paraffin konser- vierten Gewebe bestimmt werden (recurrence score, Prof. Dr. med. Andreas Schneeweiss PAM50 classifier, endopredict). in nordamerika läuft sektionsleiter Gynäkologische Onkologie derzeit eine studie (genannt TAiLOrx), in der der re- nationales Centrum für Tumorerkrankungen currence score aus Paraffingewebe bestimmt wird. es Universitäts-Klinikum im neuenheimer Feld 460 soll überprüft werden, ob der recurrence score eine 69120 Heidelberg Aussage über den nutzen einer Chemotherapie erlaubt. Tel.: 06221 56 36051 ergebnisse dieser studie werden 2014 erwartet. Fax: 06221 56 7920 e-Mail: andreas.schneeweiss@med.uni-heidelberg.de Mamma Mia!: Gibt es weitere, erfolgversprechende An- www.klinikum.uni-heidelberg.de sätze im Bereich der Tumorbiologie, die vielleicht in den kommenden Monaten oder Jahren für die Brustkrebs- behandlung relevant werden könnten? Prof. Dr. A. schneeweiss: es gibt vielfältige Ansätze, die Mamma Mia!: Was erhoffen sie sich für die Zukunft? nicht in den kommenden Monaten, aber in den kom- inwiefern wird die erforschung der Tumorbiologie ihrer menden Jahren relevant werden könnten. Wir müssen Meinung nach die Brustkrebsbehandlung verändern? das „Gießkannenprinzip“ der Krebsbehandlung zuguns- ten einer stärker individualisierten, zielgerichteten The- Prof. Dr. A. schneeweiss: Der Traum ist die persona- rapie verlassen. lisierte, das heißt für jede Patientin und ihre Krebser- krankung individuell zugeschnittene Therapie. Diesem Vielversprechende Ansätze (neben anderen) sind: Ziel werden wir immer näher kommen, aber nicht in Die Behandlung molekular definierter subgruppen mit großen sprüngen, sondern in kleinen schritten. neben gezielten Kombinationstherapien (zum Beispiel die The- der Finanzierung der erforschung und Anwendung die- rapie bestimmter Her2/neu-positiver Brustkrebsformen ser Therapien wird ein Hauptproblem die Verarbeitung mit Trastuzumab und einer weiteren Anti-Her2-Therapie der riesigen Datenmengen, die durch neue Hochdurch- wie Lapatinib oder Pertuzumab. Alle diese substanzen satzverfahren innerhalb kürzester Zeit bei jeder Patien- sind schon für die Behandlung des Her2/neu-positiven, tin und ihrer Krebserkrankung individuell erhoben wer- metastasierten Brustkrebses zugelassen, eine genauere den können. in wenigen Jahren wird es beispielsweise Definition, welcher Brustkrebs auf welche Kombination möglich sein, innerhalb von einer Woche das gesamte besonders anspricht, gelang bisher aber nicht). erbmaterial einer individuellen Krebserkrankung zu ent- Die Therapie anhand genetischer Veränderungen schlüsseln. Daraus werden sich viele neue Ansatzpunk- anstelle morphologischer Kriterien (zum Beispiel die te für eine personalisierte Therapie ergeben. Vor uns Therapie von BrCA-defizienten Brustkrebsformen liegt ein aufregender, aber auch mühsamer und lang- mit PArP-Hemmern (PArP = Poly-(ADP-ribose)- wieriger Weg mit hohen wissenschaftlichen, strukturel- Polymerase). len und finanziellen Hürden. Diese Hürden müssen wir Die Bestimmung neuer Zielstrukturen und deren ge- gemeinsam überwinden. Wir sind es den Betroffenen zielte Beeinflussung (zum Beispiel des „insulin-like und ihren Familien schuldig. a Growth Factor-rezeptors“ und seines signalweges). Die Charakterisierung und gezielte Ausschaltung der Krebsstammzelle. Das gezielte Ausnutzen der immunologischen interak- tionen zwischen dem Krebspatient und seiner Krebs- erkrankung. 12 Mamma Mia! Tumor ist nicht gleich Tumor
1 Tumorbiologie Pathologie Die rOLLe Des PATHOLOGen Bei Der THerAPieenTsCHeiDUnG Ob eine Veränderung der Brust gut- oder bösartig ist, zubringen. Bevor das Gewebe unter dem Mikroskop un- kann nicht durch eine sonographie oder eine Mammo- tersucht werden kann, muss es eine spezielle Aufberei- graphie, sondern nur durch eine Gewebeuntersuchung tung und Anfärbung durchlaufen, die 24 bis 48 stunden entschieden werden. Für diese Untersuchung gibt es eine in Anspruch nimmt. Daher liegt nicht sofort nach einer spezialisierte Facharztausbildung, die mit sechs Jahren Probeentnahme eine Diagnose vor. eine der längsten ist und als Pathologie bezeichnet wird. Die Facharztbezeichnung führt immer wieder zu Ver- Folgende für die Patientin und ihre Ärzte entscheiden- wirrung, denn statt der erwarteten Obduktionstätigkeit den informationen stammen aus der pathologischen bedeutet Pathologie heute in mehr als 99 Prozent der Untersuchung: Fälle die Untersuchung von Gewebeproben zur Diag- nosestellung von erkrankungen Lebender. 1. GUT- ODer BÖsArTiG? Für die Untersuchung des Gewebes (hiervon leitet sich Mit Dignität wird die Gut- oder Bösartigkeit (Benignität der Begriff Histologie ab) benutzten die Pathologen ein oder Malignität) der Gewebsveränderung bezeichnet. Mikroskop, an dem sie den Großteil ihres Arbeitstages Zumeist wird aus einem fraglichen Herd in der Brust www.mammamia-online.de 13
(Mamma) zunächst eine stanz- oder Vakuumbiopsie mikroskopisch abschätzen. Dies geben die Pathologen gewonnen. Deren mikroskopische Untersuchung durch mit dem so genannten „Grading“ an, das in drei stufen, die Ärzte für Pathologie legt fest, ob es sich um einen niedrig (G1), mittel (G2) und hoch maligne (G3) erfolgt. bösartigen oder gutartigen Tumor handelt. Falls es ein Hieran bemisst sich vor allem die notwendigkeit einer bösartiger Tumor ist, und das sind in der weiblichen Brust Chemotherapie. Ob eine Hormontherapie ausreicht oder in den allermeisten Fällen Karzinome, beurteilen die Pa- es einer zusätzlichen Chemotherapie bedarf, bleibt ins- thologen auch, ob der Prozess noch auf die Milchgänge besondere bei G2 Tumoren offen. Die wichtigste Frage, beschränkt und damit nicht metastasierungsfähig ist („in die sich an die Diagnose Mammakarzinom anschließt, ist situ“) oder ob er bereits invasiv und damit die Gefahr der heute: Um was für ein Mammakarzinom handelt es sich? streuung gegeben ist. es gibt eher harmlose und sehr gefährliche Vertreter unter den Mammakarzinomen, was manchmal mit dem „Haus- 2. GrÖsse UnD AUsBreiTUnG tier“- und dem „raubtierkrebs“ anschaulich umschrie- Des TUMOrs? ben wird. Die harmlosen, also die „Haustierkarzinome“, sind in der Mehrzahl und sind mit einer Hormontherapie Wurde ein Karzinom operiert, untersucht die Pathologie ausreichend behandelt, benötigen also keine zusätzli- alle entnommenen Gewebe. Daran wird die Größe des che Chemotherapie. Die Festlegung, wie gefährlich ein Karzinoms ausgemessen. Die Größe eines Tumors ist Karzinom wirklich ist, stellt eines der größten ungelös- nach wie vor ein Faktor, der in die entscheidung „Chemo- ten Probleme in der Behandlung von Brustkrebs dar. es therapie ja oder nein“ einfließt. Maßgeblich für die Größen- gibt einerseits Frauen, deren Tumoren zum Hochrisiko- bestimmung ist wieder ausschließlich der pathologische, Typ gehören und intensiver behandelt werden müssen, nicht der radiologische oder sonographische Befund. und andererseits Patientinnen mit niedrigrisiko-Typ, bei schließlich wird die Ausbreitung erfasst: Hat der Tumor denen nach der Operation außer Hormontherapie keine Lymph- und Blutgefäße infiltriert oder liegen Absiedelun- weitere Therapie nötig ist. Die erwähnten Messinstru- gen in einem oder mehreren axillären Lymphknoten vor? mente der Pathologie (Tumorgröße, Ausbreitung, Gra- Das Ausbreitungsstadium wird nach dem „TnM-system“ ding) können diese Unterscheidung nicht immer genau angegeben. T 1 bis 4 bezeichnet dabei die Tumorgröße, treffen. sehr wichtig für die risikoabschätzung ist die n das Ausmaß des metastatischen axillären Lymphkno- Wachstumsgeschwindigkeit eines Karzinoms, die sich tenbefalls, M wird fast immer von der Klinik bestimmt mit dem Anteil teilungsaktiver Zellen abschätzen lässt. und bezeichnet das Vorliegen von Fernmetastasen (TnM- Dazu benutzt die Pathologie den Marker Ki-67. sind zehn system: siehe seite 74). Prozent oder weniger eines Tumors Ki-67 positiv, liegt ein niedriges risiko vor; reagieren mehr als 25 Prozent 3. ABsTAnD ZU Den rÄnDern? der Zellen positiv, besteht ein hohes, zwischen diesen Werten ein mittleres risiko. eine wichtige Frage, die in der Pathologie durch die Unter- suchung des resektates entschieden wird, ist die, ob der Liegt ein mittleres risiko (G2, Ki-67 bei 15 bis 25 Pro- Prozess komplett entfernt werden konnte. Dazu müssen zent) vor, fehlen eindeutige Kriterien für oder gegen eine die ränder des Operationspräparates gesondert unter- Chemotherapie. Der Trend geht zur individuellen risi- sucht und die Tumorfreiheit und der Abstand des Tumors koabschätzung anhand genauerer Kenntnis der Tumor- zum gesunden Gewebe festgelegt werden. ist dieser zu biologie. Hilfe verspricht man sich von molekularbiolo- klein, muss eventuell eine nachresektion erfolgen. gischen Verfahren, die die Genaktivität messen. Das Genprofiling scheint eine vielversprechende Methode 4. AGGressiViTÄT Des TUMOrs? zur Unterscheidung von Hochrisiko- und niedrigrisiko- Typen zu sein. Verschiedene Verfahren sind verfügbar, Wie groß die Aggressivität beziehungsweise Ausbrei- werden in der regel jedoch nicht durch die gesetzlichen tungstendenz eines Karzinoms ist, lässt sich ebenfalls Krankenkassen getragen. Die deutschen Leitlinien, unter 14 Mamma Mia! Tumor ist nicht gleich Tumor
1 Tumorbiologie anderem die Therapieempfehlungen der AGO-Mamma KOnTAKT (Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie), sehen die studienlage noch nicht ausreichend für eine routi- Prof. Dr. med. H. H. Kreipe nemäßige Anwendung. Außerhalb von studien sollten institut für Pathologie, Medizinische Hochschule die molekularen Verfahren nur ausnahmsweise zur An- Carl-neuberg-straße 1, wendung kommen. 30625 Hannover Tel.: 0511 532 4500 oder 4501 Der „recurrence score“ von Genomic Health ist der Fax: 0511 532 5799 e-Mail: pathologie@mh-hannover.de weltweit am stärksten verbreitete Gentest, der 2009 von der American society of Clinical Oncology zur routine- anwendung empfohlen wurde. Der Test stellt anhand verschiedener Marker fest, welches rezidivrisiko bei Hor- monrezeptor positiven Mammakarzinomen (siehe unten) besteht und ob dieses eine Chemotherapie erfordert. trogenrezeptor und der rezeptor für den epidermalen Was allerdings noch aussteht, ist die Klärung, ob diese Wachstumsfaktorrezeptor 2 (Her/2). Gegen beide struk- neuen Verfahren die traditionelle Pathologie, wenn sie turen stehen wirksame Medikamente zur Verfügung, mit standardisiert ausgeführt wird, übertreffen kann oder denen sich das Tumorwachstum gezielt hemmen lässt. nicht. Der Test kostet 3.100€ und wird von den gesetz- Circa 75 Prozent der Mammakarzinome sind positiv für lichen Kassen zurzeit in der regel nicht finanziert. Wie den Östrogenrezeptor und 16 Prozent für Her/2. sind auch beim Grading durch die Pathologie gibt es allerdings beide rezeptoren nicht vorhanden und fehlt auch noch eine Mittelgruppe ohne eindeutige risikoangabe, die 30 der Progesteronrezeptor, liegt ein so genannter „triple bis 60 Prozent aller Fälle umfasst. Außer dem recurrence negativer“ Tumor vor, der besonders aggressiv ist (siehe score sind noch der Gentest (70 Gene) von Agendia, Kapitel 5, seite 38). der allerdings Frischgewebe erfordert, und endopredict in der erprobung. endopredict kann nur bei Hormonre- eine spezifisch gegen Zielmoleküle gerichtete Therapie zeptor positiven Karzinomen angewandt werden. hat die präzise und korrekte identifikation potentieller Targetmoleküle im Tumor zur Voraussetzung. Bei der 5. ZieLsTrUKTUren FÜr GeZieLTe Gewebe-basierten Analyse setzt die Pathologie eine THerAPien VOrHAnDen? reihe von Verfahren ein, die die Unterscheidung von Tumor- und Umgebungszellen ermöglichen, wie immun- eine weitere wichtige Frage, die die Pathologie nach histochemie, Polymerasekettenreaktion (PCr) oder Flu- der Krebsdiagnose zu beantworten hat, ist die nach oreszenz in-situ-Hybridisierung (FisH). Alle Methoden der Behandelbarkeit mit zielgerichteter Therapie. Über können am Formalin fixierten und Paraffin eingebetteten Jahrzehnte hat sich die klinische Krebsforschung darauf Gewebe erfolgen, als das fast alle Tumorproben vorlie- konzentriert, empirische Kombinationen unspezifischer gen. Pathologien, die für zertifizierte Brustzentren (der zytotoxischer Wirkstoffe zu testen. in den letzten Jahren Deutschen Krebsgesellschaft) tätig sind, unterziehen sich sind wir Zeugen einer revolutionären Umwälzung in der regelmäßig einer externen Qualitätskontrolle hinsichtlich onkologischen Therapie geworden, die durch die spe- der Zuverlässigkeit ihrer Bestimmungsverfahren. es ist zifisch gegen Targetmoleküle gerichtete medikamentöse zu erwarten, dass die Liste möglicher Targetmoleküle intervention herbeigeführt wurde. Der therapeutische zukünftig weiter wachsen wird und dass sich die Pa- schlag soll gegen die Achillesferse eines Tumors gerich- thologie daher der wachsenden Herausforderung aus- tet werden, wie Oberflächenmarker, mutierte Onkogene gesetzt sehen wird, unmittelbar und direkt die Therapie oder Tyrosinkinasen, was freilich im individuellen Fall beeinflussende informationen aus dem Gewebe durch bekannt sein muss. Beim Mammakarzinom sind zwei den nachweis von Zielmolekülen zu gewinnen und be- Zielmoleküle von entscheidender Wichtigkeit: der Ös- reitzustellen. a www.mammamia-online.de 15
Translationale Forschung VOn Der PrÄKLinisCHen FOrsCHUnG ZUr KLinisCHen AnWenDUnG Den großen Durchbruch gibt es in der Krebstherapie Dr. nadia Harbeck, die Leiterin des Brustzentrums der noch nicht. nach wie vor sind einige Krebsarten nicht Universität München (LMU). Mamma Mia! sprach mit ihr heilbar. es gibt jedoch große Fortschritte. Die Überle- über den Forschungsstandort Deutschland. bensraten steigen, was zum einen mit einer verbesser- ten Diagnostik und zum anderen mit einer verbesserten Mamma Mia!: Frau Professorin Harbeck, was genau ver- Therapie zusammenhängt. Grundlage neuer Therapien birgt sich hinter dem Begriff der „translationalen For- ist eine intensive Forschung, die meist im Labor be- schung“? ginnt und erst nach Jahren intensiver Beobachtungen beim Menschen eingesetzt wird. Dieser Prozess wird Prof. Dr. nadia Harbeck: Bei der translationalen For- als „translationale Forschung“ bezeichnet. eine in der schung geht es darum, erkenntnisse, die wir im La- Brustkrebsforschung führende Wissenschaftlerin ist Prof. bor beziehungsweise in klinischen studien erlangen, so 16 Mamma Mia! Tumor ist nicht gleich Tumor
1 Tumorbiologie schnell wie möglich in die klinische Praxis umzusetzen. KOnTAKT Die medizinische Forschung beginnt meist im reagenz- glas, anschließend gilt es zu testen, ob die erlangten Univ.-Prof. Dr. Nadia Harbeck ergebnisse auch beim Menschen anwendbar sind. in Brustzentrum der Universität München Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde diesem Prozess arbeiten interdisziplinäre Teams aus und Geburtshilfe der präklinischen Forschung und der Klinik zusammen. Marchioninistraße 15 81377 München Mamma Mia!: Das klingt nach einem sehr aufwendigen, e-Mail: nadia.harbeck@med.uni-muenchen.de kostenintensiven Projekt. Prof. Dr. nadia Harbeck: Ja, das ist es auch. Ziel bei den meisten Forschungsvorhaben ist ja die entwicklung wegweisende studien in Deutschland durchführen kön- neuer Wirkstoffe, die einige Millionen euro kosten kann. nen. Das hätte möglicherweise die Folge, dass wir be- Bevor ein Wirkstoff zugelassen wird, müssen verschie- stimmte Wirkstoffe schneller einsetzen können. ein wei- dene studien mit – je nach Fragestellung – mehreren terer Trend, den wir in den UsA beobachten, ist, dass tausend Patienten durchgeführt werden. immer mehr akademische Forscher und institutionen selbst Firmen gründen, um sich Patente zu sichern. Das Mamma Mia!: Wer finanziert das? wird sicherlich auch hierzulande zunehmen. Prof. Dr. nadia Harbeck: nun, in der regel kooperieren Mamma Mia!: Was müsste ihrer Meinung nach in Universitätskliniken beziehungsweise andere akademi- Deutschland verbessert werden, um die translationale sche Forschungseinrichtungen mit der industrie. Die Forschung zu fördern? Finanzierungsfrage gestaltet sich jedoch immer wieder als schwierig, zumal verschiedene interessen gewahrt Prof. Dr. nadia Harbeck: ein großes Problem ist, dass bleiben müssen – das akademische interesse im sinne Kliniker auch an Universitätskliniken immer weniger Zeit der wissenschaftlichen Unabhängigkeit, das interesse für die Forschung haben. Der Klinikalltag lässt einfach der Patienten sowie das der industrie. Meiner Meinung keinen raum für größere Forschungsprojekte bezie- nach müssen hier alle Beteiligten noch etwas scheu ver- hungsweise sie gestalten sich aufgrund des Zeitman- lieren und in einen offenen Dialog treten. Je größer die gels oft als sehr langwierig. Meiner Meinung nach sollte Transparenz ist, desto weniger Vorbehalte und Missver- jede Universitätsklinik über eine eigene Forschungsab- ständnisse wird es geben. ein weiterer wichtiger schritt teilung verfügen, in der sich die Mitarbeiter voll und ganz wäre in Deutschland eine aktive Beteiligung der Kosten- der Forschung widmen können. Zusätzlich sollte es die träger im Gesundheitssystem an der Finanzierung der Möglichkeit für Kliniker geben, für Forschung teilweise klinischen studien – letztlich kommen Verbesserungen freigestellt zu werden. Das setzt jedoch einen struktur- an der Therapie gerade auch den Krankenkassen und wandel voraus, denn derzeit haben die meisten Kliniken ihren Versicherten zu Gute. mit einer stellenknappheit zu kämpfen. es gibt einen weiteren Punkt, der mir auf der seele brennt: 70 bis 80 Mamma Mia!: Wenn sie in die Zukunft blicken – wie wird Prozent des forschenden nachwuchses sind Frauen, sich die Forschungslandschaft in Deutschland künftig für die sich das Berufsbild „klinische Forschung“ nach gestalten? wie vor nur schwierig mit Familie vereinbaren lässt. Da- durch verlieren wir viele kompetente nachwuchskräfte. Prof. Dr. nadia Harbeck: ich denke, dass die internati- Hier wünsche ich mir mehr Flexibilität auch seitens der onale Zusammenarbeit weiter ausgebaut werden wird, Arbeitgeber. eigentlich sollte es möglich sein, gerade so dass wir immer mehr von studien, die im Ausland auch in einer Universitätsklinik, Beruf und Familie ver- durchgeführt werden, profitieren können oder auch einbaren zu können. a www.mammamia-online.de 17
2 18 Mamma Mia! Zielgerichtete Therapien Tumor ist nicht gleich Tumor
2 Zielgerichtete Therapien Das Gießkannenprinzip ist out Die enTWiCKLUnG ZieLGeriCHTeTer THerAPien Krebsbehandlungen nach dem Gießkannenprinzip sind out. Der Fokus der Wissenschaft liegt auf der indivi- dualisierten Tumortherapie. immer mehr zielgerichtete Therapien werden entwickelt. neue Antikörper, „small molecules“, kleine Moleküle und Hemmsubstanzen un- terschiedlicher signalwege werden in der Brustkrebs- therapie eingesetzt. Professor Dr. Dr. Wolfgang eier- mann erläutert im Gespräch mit Mamma Mia!, welche Therapieoptionen heute zur Verfügung stehen und wo es noch Therapielücken gibt. Mamma Mia!: Herr Professor eiermann, als erste zielge- richtete Brustkrebstherapie kann die Antihormonthera- pie bezeichnet werden, die gezielt zur Behandlung von hormonabhängigen Tumoren eingesetzt wird. Wann wurde diese Therapieoption entdeckt und wie hat sie toren wurde die Wirkung von Tamoxifen nachgewiesen, sich seither weiterentwickelt? einem so genannten Antiöstrogen – wie wir heute wissen mit partieller östrogener Wirkung. Prof. Dr. Dr. Wolfgang eiermann: Die Hormontherapie durch entfernung der eierstöcke ist eine Therapieform, Die heutige Hormontherapie basiert im Wesentlichen die bis an das ende des 19. Jahrhunderts zurückverfolgt auf drei substanzgruppen: werden kann. Allerdings war diese Therapie ohne Kennt- nis der Prinzipien und Mechanismen. Die entwicklung än- 1. GnrH-Analoga zur Down-regulation der eierstock- derte sich erst, als Mitte der 1970er Jahre rezeptoren für funktion und damit zur ovarialen suppression. Die sexualsteroide im Tumorgewebe nachgewiesen werden Patientin wird so medikamentös in den Wechsel ver- konnten und zwar nicht nur bei Frauen vor dem Wech- setzt. Die Wirkungsweise ist vergleichbar mit dem sel, sondern auch in der postmenopausalen situation. der entfernung oder Bestrahlung der eierstöcke. Die Also ist hier zum ersten Mal das so genannte „Target“ als Therapie ist reversibel. prädiktiver Faktor für den einsatz einer Hormontherapie 2. Antiöstrogene Therapie mit Tamoxifen. ein Antiöstro- beschrieben worden. Die wissenschaftlichen erkenntnis- gen mit partieller östrogener Wirkung (zum Beispiel se sind in erster Linie mit dem namen elwood Jenssen, in der Gebärmutter). Fulvestrant, Weiterentwicklung Chicago, verbunden. Heinrich Maass war der Pionier der antiöstrogenen Wirkung von Tamoxifen, ein so in Deutschland. es konnte auch gezeigt werden, dass genanntes „reines“ Antiöstrogen mit geringer neben- die Wirksamkeit der Hormontherapie nicht nur abhän- wirkung. Hauptwirkung basiert auf einer Down-regu- gig ist von rezeptoren für Östrogene oder Gestagene, lation der Östrogenrezeptoren (maximal 80 Prozent). sondern dass die Wirksamkeit auch in Zusammenhang 3. Aromatasehemmer (enzymblocker) entweder steroidal steht mit der Dichte der so nachgewiesenen rezeptoren. oder nicht steroidal, führen bei postmenopausalen Zeitgleich mit der entdeckung der steroidhormonrezep- Frauen zu einer weiteren Herabsetzung des Östrogen- www.mammamia-online.de 19
spiegels basierend auf der Blockierung eines enzyms ben, ebenso die Wirksamkeit von Antikörpern zur Blo- (Aromatase), eine weitere Bildung von Östrogenen im ckierung der signalwege. Die klinische entwicklung des nichtovariellen Gewebe (unter anderem Fettmuskula- Antikörpers gegen Her2/neu ist eng mit dem namen tur, nebenniere) wird verhindert. Dennis slamon UCLA verbunden, der die wichtigsten studien in der metastasierten situation zum nachweis Mamma Mia!: Die entdeckung der Her2/neu-rezepto- des Antikörpers leitete. Die Zulassung für die metasta- ren kann als weiterer Meilenstein in der Brustkrebsbe- sierte situation folgte bereits 1998 in den UsA, 2000 handlung bezeichnet werden, da sie eine direkte An- in Deutschland. Die wichtigste Zulassungsstudie (648) griffsfläche für zielgerichtete Therapien bieten. Wann wurde allerdings erst 2001 im new england Journal of wurden diese rezeptoren entdeckt und welche Thera- Medicine publiziert. Der einsatz des Her2/neu-Antikör- pieoptionen stehen zur Verfügung? pers (Trastuzumab) in der adjuvanten situation führte praktisch in allen situationen in der Kombination mit Prof. Dr. Dr. Wolfgang eiermann: Der nachweis von Chemotherapie zu einer Halbierung der rückfallquo- Her2/neu-rezeptoren als Teil einer ganzen Familie von te. so konnte unter anderem in der bahnbrechenden rezeptoren Her1 bis Her4 wurde ende der 1980er BCirG 006 studie auch eindeutig nach siebenjähri- Jahre von Axel Ulrich (heute MPi Martinsried) beschrie- ger nachbeobachtung eine Gesamtüberlebensver- 20 Mamma Mia! Tumor ist nicht gleich Tumor
2 Zielgerichtete Therapien besserung nachgewiesen werden. Dieses Antikörper- Prof. Dr. Dr. Wolfgang eiermann: Die Untersuchung von bindungsprinzip, damit Blockierung des signalweges, Parpinhibitoren bei triple negativen Karzinomen lösten in eröffnet viele neue Möglichkeiten. so stehen weitere der Phase ii eine große euphorie aus. in einer Phase- Antikörper in der entwicklung oder sind seit kurzem zu- iii-studie konnten diese enormen effekte nicht mehr re- gelassen. Vor allem aber ist ein neues Therapieprinzip, produziert werden. es gibt hier mehrere Ursachen. Das in dem ein Zytostatikum an einen Antikörper gekoppelt triple negative Karzinom ist sehr heterogen, die Triple- wird, außerordentlich vielversprechend. Der Antikörper negativität ist nicht genau definiert: Was sind die Limits, „schleppt“ das sonst hochtoxische Zytostikum in die beispielsweise für rezeptorpositivität? es liegt also zur- Zelle, so dass die fatale Wirkung sich auf den intra- zeit eine gewisse Überschätzung dieser substanzgrup- zellulärraum beschränkt. Hier geht die entwicklung mit pe vor. Therapielücken liegen sicher bei seltenen enti- großen schritten weiter. täten vor, für die wirksame neue Therapieformen bisher in nur wenigen Fällen nachgewiesen werden konnten. Mamma Mia!: Gibt es weitere zielgerichtete Therapie- formen bei Brustkrebs, die standard- mäßig zum einsatz kommen? Prof. Dr. Dr. Wolfgang eiermann: Kon- kurrierend zu der Antikörpertechnolo- gie scheinen mir die oral verfügbaren Tyrosinkinaseinhibitoren, zum Bei- spiel Lapatinib und andere zu sein. Diese substanzen sind oral verfüg- bar und passieren die Zellmembran, um an der innenseite der Zellmemb- ran ihre Wirkung zu entfalten, wo sie die Tyrosinkinase blockieren. Dieses Konzept eröffnet eine ganze reihe von neuen Möglichkeiten. Allerdings ist ein limitierender Faktor der Tyro- sinkinaseinhibitoren immer noch das relativ ungünstige nebenwirkungs- spektrum, insbesondere wenn man es mit den Antikörpertechnologi- en vergleicht. Weitere zielgerichtete Therapieformen sind der einsatz von m-TOr-inhibitoren (inzwischen auch zugelassen) und eine reihe anderer blockierender substanzen. Zumeist liegen aber keine prädiktiven Fakto- ren (Marker) vor. Mamma Mia!: Gibt es Therapielücken, also Tumorarten, für die derzeit kein geeigneter Wirkstoff zur Verfügung steht? www.mammamia-online.de 21
Mamma Mia!: Welche neuen Wirkstoffe werden derzeit KOnTAKT in studien untersucht? Prof. Dr. Dr. h.c. W. Eiermann Prof. Dr. Wolfgang eiermann: Wie oben schon ange- iOZ München deutet, sind hier neue Antikörper der Her-Familie im nußbaumstr. 12 klinischen einsatz, außerdem eine Vielzahl neuer Tyro- 80336 München sinkinaseinhibitoren, m-TOr-inhibitoren, CdK 4/6 inhi- Tel.: 089 599888830 e-Mail: w.eiermann@ioz-muenchen.de bitoren und andere. www.ioz-muenchen.de Mamma Mia!: in Verbindung mit zielgerichteten Thera- pien werden häufig die hohen Kosten angesprochen, die diese Behandlungen verursachen. Wie stehen sie zu dieser Diskussion? Prof. Dr. Dr. Wolfgang eiermann: natürlich sind die Kos- therapie zu einer senkung der Kosten und vor allem der ten enorm, aber durch die Therapieverbesserungen nebenwirkungen. Die systemischen Therapieverfahren oder Therapieerfolgsverbesserungen sehen wir deutlich werden teurer, dagegen sehe ich einsparpotential bei weniger Metastasierungen mit allen Folgekosten. Durch lokalen Therapieverfahren. eine exakte Definition der Wirksamkeit einer substanz mit Biomarkern wird potentiell gezielter therapiert und Mamma Mia!: Was bringt ihrer Meinung nach die Zu- damit weniger nach dem „Gießkannenprinzip“. Hierin kunft? Wo geht die reise hin? liegt sicher auch ein großes einsparpotential. Ganz ab- gesehen davon führt auch die reduktion einer Chemo- Prof. Dr. Dr. Wolfgang eiermann: An vorderster stelle steht die Definition prädiktiver Marker für eine neue ziel- gerichtete Therapie, um hier wirklich gezielt den Wirk- stoff einzusetzen. Die Zukunft wird wahrscheinlich zei- gen, dass die Kombination von neuen therapeutischen substanzen über kurz oder lang den einsatz der Che- motherapie reduzieren wird. Ob wir die Chemotherapie ganz vermeiden können, wage ich für die absehbare Zeit noch zu bezweifeln, aber eine reduktion und da- mit auch eine Verringerung der Toxizität werden gut zu erzielen sein. Der erfolg neuer Therapien wird in der Kombination mehrerer Therapieprinzipien liegen, ohne dabei die nebenwirkungsquote zu erhöhen. Zukünfti- ge Fragen werden also zu beantworten haben, welche Chemotherapie addieren wir oder fügen wir zu einer neuen Therapiekombination hinzu und nicht mehr um- gekehrt. es müssen auch Mittel gefunden werden, um langjährige Therapiestudien abzukürzen und rascher ergebnisse in die Klinik umsetzen zu können. Hier ver- spreche ich mir sehr viel von neoadjuvanten Therapie- studien, die uns sehr rasch über die Wirksamkeit einer substanz beziehungsweise einer Kombination Auskunft geben können. a 22 Mamma Mia! Tumor ist nicht gleich Tumor
2 Zielgerichtete Therapien Brustkrebs eine KrAnKHeiT MiT VieLen GesiCHTern Die Forschung der letzten Jahrzehnte hat gezeigt, dass Vor etwa zehn Jahren haben amerikanische Forscher es sich bei Brustkrebs nicht um eine einzelne, immer der Universität von north Carolina eine neue Methode gleich verlaufende erkrankung handelt. Vielmehr geht entwickelt und das genetische Profil von Brustkrebstu- man heute davon aus, dass Brustkrebs eine vielseitige moren untersucht. Die Wissenschaftler haben zum ersten erkrankung mit verschiedenen Untergruppen darstellt. Mal gezeigt, dass morphologisch verschiedene Brust- Genetische Untersuchungen am Tumorgewebe zeigen krebstumoren mit molekular-genetisch unterschiedlichen deutliche Unterschiede, die einfluss auf Aggressivität und subtypen übereinstimmen und diese subtypen sich in Prognose haben. somit ist das Ziel aktueller Grundlagen- ihrem genetischen Muster deutlich unterscheiden. sie forschung die entwicklung einer individuellen Therapie konnten auf diese Weise folgende fünf Untergruppen für jede einzelne Patientin bezogen auf die Aggressivi- definieren, die sich hinsichtlich ihres Verhaltens und ihrer tät ihres Tumors. Aggressivität und Prognose unterscheiden: Derzeit gehören zur standardmäßigen Untersuchung Luminal A Karzinome beim Brustkrebs die mikroskopische Bestimmung von Luminal B Karzinome Tumorgröße, Tumortyp (am häufigsten invasiv-ductal „normal breast-like“ Karzinome oder invasiv-lobulär), der Differenzierungsgrad (Grading) „basal-like“ Karzinome und die Bestimmung der Hormonrezeptoren (Östrogen/ Her2-positive Karzinome Progesteron) und des Her2-status (Wachstumsfaktor auf der Zelloberfläche). Daneben werden zur Festlegung LUMinALe KArZinOMe der Behandlung die information über die Achsel-Lymph- knoten und das Patientenalter herangezogen. Grund- Die Gruppe der luminalen Karzinome ist die größte Grup- sätzlich ist bekannt, dass trotz dieser informationen den- pe von Mammakarzinomen, die sich mit Genchip-ba- noch nicht in zufriedenstellendem Maße die Vorhersage sierter Diagnostik identifizieren lässt. Diese Karzinome über das individuelle Patientenrisiko getroffen werden sind durch Hormonrezeptor-Positivität charakterisiert, kann. Vielmehr ist die Biologie des einzelnen Tumors wobei sich mehrere Untergruppen mit unterschiedlich hierfür bedeutend. somit bestehen nur sehr begrenz- starker Östrogenrezeptor-Ausprägung darstellen lassen. te Möglichkeiten, die absolute erforderlichkeit und den nutzen einer Chemotherapie oder Hormontherapie in- LUMinAL-A-KArZinOMe dividuell vorherzusagen. Leider wird aus diesem Grun- de bei einem großen Teil der Patienten übertherapiert. Die Untergruppe der Luminal-A-Karzinome, die sich in Zukunft soll durch die molekularpathologische/-ge- durch eine starke Ausprägung des Östrogenrezeptors netische Analyse des Tumorgewebes dieses Problem und Progesteronrezeptors an der Zelloberfläche und besser gelöst werden. somit durch eine besonders gute Prognose auszeich- www.mammamia-online.de 23
net, ist am besten charakterisiert. Meist sind diese Die molekulare/genetische Unterteilung bietet also die Tumoren gut differenziert (G1) verbunden mit geringer Möglichkeit, die große Gruppe der Hormonrezeptor-po- Wachstumsgeschwindigkeit und entsprechend gerin- sitiven Mammakarzinome in mehrere biologisch unter- ger Aggressivität. Die Prognose dieser Tumoren ist im schiedliche Gruppen einzuteilen, woraus sich therapeu- Vergleich zu den anderen subtypen mit Abstand am tische einflüsse ergeben. Die Hormonrezeptor-negativen besten. Mammakarzinome können zumindest in zwei biologisch unterschiedliche Untergruppen eingeteilt werden, näm- LUMinAL-B-KArZinOMe lich „basal-like“ und Her2/neu-positive Tumoren, wel- che insgesamt eher einen aggressiven klinischen Ver- Die Luminal-B-Karzinome sind im Gegensatz dazu zwar lauf zeigen. ebenfalls Hormonrezeptor positiv, jedoch zumeist nur gering. Verglichen mit Luminal-A-Typen sind Luminal- „BAsAL-LiKe“ KArZinOMe B-Tumoren aggressiver, weisen ein geringeres Anspre- chen auf antihormonelle Therapie auf und haben eine Die „basal-like“ Karzinome zeigen oft weder Östrogen- schlechtere Prognose. rezeptor- und Progesteronrezeptor noch Her2/neu-Ak- 24 Mamma Mia! Tumor ist nicht gleich Tumor
2 Zielgerichtete Therapien AUTOrin Dr. med. B. Ataseven Leitende Oberärztin i. Gyn./Geb. Abteilung rotkreuzklinikum München gGmbH-Frauenklinik Lehrkrankenhaus der Technischen Universität München Tel.: 089 15706-620 Fax: 089 15706-623 e-Mail: beyhan.ataseven@swmbrk.de tivität sie werden heutzutage als „triple-negative“ Mam- Umsetzung in der klinischen routine nicht problemlos makarzinome bezeichnet, wenngleich bekannt ist, dass gegeben sind. eine deutliche Vereinfachung der Unter- hier zwischen den genetischen und mikroskopischen suchungsmethode zur flächendeckenden Anwendung Merkmalen zwar eine Überschneidung, aber nicht eine ist dringend erforderlich. Zusätzlich muss in studien der völlige Deckung vorliegt. Diese Tumoren sind meist nutzen dieser molekulargenetischen Untersuchung für schnellwachsend und mit einer ungünstigen klinischen die Patientinnen bewiesen werden, um so die individua- Prognose einhergehend. Gezielte Therapiemöglichkeiten lisierung der Krebstherapie aufgrund molekularer Marker außer einer Chemotherapie bestanden lange Zeit nicht. des Tumors zu ermöglichen. einige vielversprechende Derzeit werden neue substanzen, die in den Genre- Testsysteme hierzu sind bereits auf dem Markt und wer- paraturmechanismus eingreifen (PArP-inhibitoren), bei den teilweise bereits in die klinische Therapieentschei- diesen Tumoren getestet. dung mit eingebunden. Her2-POsiTiVe KArZinOMe Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass tumorspezifische genetische Analysen in Zukunft eine Bei den Her2-positiven Karzinomen ist ein Wachstums- ganz wesentliche ergänzung der bisherigen histopatho- faktor auf der Zelloberfläche vermehrt vorhanden. Diese logischen und immunhistochemischen Diagnostik beim Tumoren zeichnen sich ebenfalls durch einen aggressi- Brustkrebs erbringen werden. Die wichtigsten Voraus- ven Verlauf aus. seit einigen Jahren bestehen aber für setzungen für den routinemäßigen einsatz bestehen in diese Art von Brusttumoren eine zielgerichtete Therapie- einer weiteren standardisierung und Vereinfachung der möglichkeit, die zu sehr guten Heilungsverbesserungen Methoden und in der gezielten Auswahl jener Marker, beitragen kann. erfreulicherweise wurden in den letzten denen die größte prognostische information zukommt. Jahren für diesen Tumortyp neue Therapieinnovationen Je besser die signalwege in der Krebszelle verstanden gefunden. werden, umso individueller kann in Zukunft die Thera- pie auf den einzelnen Patienten abgestimmt werden. a Diese oben genannten Genexpressionsanalysen sind jedoch sehr zeit- und kostenaufwändig. in der regel müssen diese Bestimmungen aus Tumorfrischgewe- be erfolgen, wodurch ein einfacher Umgang und die www.mammamia-online.de 25
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