Vom Wert der Sprache überzeugt sein - TH Wildau
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// THEMA // Vom Wert der Sprache überzeugt sein Deutsch als Wissenschaftssprache – geht uns das Bewusstsein für seine Bedeutung verloren? Ein Plädoyer dafür, Deutsch in Forschung und Lehre nicht durch das Englische zu verdrängen | Von Olga Rösch D ie Entwicklung der europäi- heimisch) zugestand, während die Foto: Barbara Frommann schen Wissenschaftsspra- Hochsprache Latein und ihr Prestige der chen erfolgte im Zuge der Wissenschaft vorbehalten waren. In der Emanzipation vom Latein Absicht, diesem Missstand abzuhelfen, als der damaligen Einheits- wurden in ganz Europa volkssprachliche sprache der Gelehrten. Im 16. Jahrhun- wissenschaftliche Akademien gegrün- dert wurde die Frage nach der Sprache det. Im deutschsprachigen Raum wurde Prof. Dr. Olga Rösch in ganz Europa in Religion, im juristisch- im Jahr 1700 auf Anregung von Leibniz ist Professorin für Interkul- administrativen Bereich und in der Wis- die Kurfürstlich Brandenburgische Sozi- turelle Kommunikation an der Technischen Hochschule senschaft einschließlich Philosophie etät der Wissenschaften ins Leben geru- Wildau. | zugunsten der sogenannten Volksspra- fen, die nach mehrfacher Umbenennung olga.roesch@th-wildau.de chen entschieden. Den Abschied der heute unter dem Namen Berlin-Bran- universitären Lehre vom Lateinischen denburgische Akademie der Wissen- läutete für den deutschsprachigen Raum schaften bekannt ist. 1687 der deutsche Jurist und Philosoph Christian Thomasius mit der Ankündi- Verschiedenheit der Sprachen entdeckt gung ein, seine Vorlesung („Program- ma“) auf Deutsch zu halten. Die Übersetzung der antiken Texte so wie schon zuvor der Bibel in die Volks- Die Aufklärer wollten die Öffentlichkeit sprachen führte zur „Entdeckung der in den Prozess der Wissenserweiterung Verschiedenheit der Sprachen“ (Trabant aktiv und passiv einbeziehen, denn, so 2014: 74), in denen die gemeinsame euro- Gottfried Wilhelm Leibniz 1682 „… ist päische Kulturtradition weitergeführt bei der ganzen Nation aber geschehen, wurde. Es wurde auch erkannt, dass daß diejenigen, so kein Latein gelernt, Sprachen nicht nur kommunikative, von der Wissenschaft gleichsam aus- sondern auch kognitive Funktionen geschlossen worden…“ (Leibniz: Ermah- haben, denn sie enthalten – mit Wor- nung an die Deutschen, ihren Verstand ten von Leibniz (1756) – die „wunder- und ihre Sprache besser zu üben, samt bare Vielfalt der Operationen unseres beigefügtem Vorschlag einer deutschge- Geistes“ (Leibnitz: Nouveaux essais sur sinnten Gesellschaft, zitiert nach Stickel l’entendement humain. Hrsg. von J. 2015: 48). Damit kritisierte er die mittel- Brunschwieg, Paris 1966, zitiert nach alterliche Diglossie, die den Nicht-„Buch- Trabant, 2014: 80–81). Zur Erforschung gelehrten“ nur ihre „niedere“ Volks- oder der Denkschätze, die sich in Sprachen Vernakulärsprache (von lateinisch ver- manifestieren, konzipierte Wilhelm von na: der Haussklave, vernaculus: ein- Humboldt später seine vergleichenden 18 DUZ Wissenschaft & Management 10 | 2020
Foto: Sharon McCutcheon / unsplash.com Sprachstudien (Trabant 2014: 74, 80f.). Im Sinne eines Merkmale der heutigen Diglossie oder zurück zu der der wichtigsten Anliegen auch der heutigen Inter- Einsprachigkeit in der Wissenschaft nationalisierung, nämlich dem Interesse für fremde Kulturen, waren Humboldts Studien ein epochaler Die mittelalterliche Diglossie besitzt gewisse Parallelen Meilenstein für die höchst erstaunliche Entwicklung zur gegenwärtigen Sprachsituation in Europa: Englisch und Entfaltung der europäischen Sprachwissenschaft für Prestigedomänen, Landessprachen für den Rest. und Sprachphilosophie seit der Aufklärung bis hinein Die Anglophonisierung der innerstaatlichen Wissen- ins 20. Jahrhundert. schaftskommunikation wird zum Beispiel in Deutsch- land individuell von vielen Wissenschaftlern, aber auch Die Abkehr der Wissenschaft von ihrer mittelalterli- politisch mithilfe verschiedener staatlicher Förder- chen „Universalsprache“ war laut Thielmann (2006: instrumente aktiv vorangetrieben. Dies gilt sowohl für 311–313) kein „naturwüchsiger Prozess“, sondern ei- die Publikationspraxis (in einigen Fachdisziplinen wird ne bewusste Entscheidung „um der Sache willen“. Der fast nur noch auf Englisch publiziert) als auch für die neue „empirisch basierte Wissenschaftstyp“ bedurfte Hochschullehre. Die bereits jetzt feststellbaren Folgen kulturadäquater Versprachlichungen der Ergebnisse, beeinflussen vorteilhaft nur in anglophonen Ländern der Neubildung wissenschaftlicher Begriffe und der die Kommunikation zwischen Wissenschaft und Gesell- Kommunikation mit der Gesellschaft. Diese Entwick- schaft. In den übrigen Ländern kann die neue Diglos- lung der Volkssprachen und ihrer höchst anschauli- sie nur als gesellschaftlich desintegrierend, unsozial chen Sprachbilder zu Wissenschaftssprachen hatten und undemokratisch (Koreik 2019) bewertet werden. ein stark gewachsenes Sprachbewusstsein und vor Denn sie kündigt das in Europa und Deutschland „his- allem eine ungeahnte Dynamik der Wissenserweite- torisch gewachsene Verständnis von Öffentlichkeit als rung zur Folge. Sie erfasste bald alle Bildungsbereiche Wissenschaft befragende, beobachtende und kontrol- und wurde als „Befreiung von der geistigen Knecht- lierende Instanz“ (Gehrmann 2015: 34f.) allmählich und schaft durch eine fremde Sprache“ (Mittelstraß, Tra- stillschweigend auf. bant, Fröhlicher 2016: 21f.) gesehen. Das resultierende vielsprachige „europäische Sprachregime der Wis- Viele Wissenschaftsbereiche erheben sich mithilfe senschaft“ hielt sich ungebrochen von circa 1750 bis des Englischen als Sprache der besser Gebildeten gern 1950 (ebenda). Der wissenschaftliche internationale zu Prestigebereichen und dadurch über den Durch- Austausch scheint darunter nicht gelitten zu haben. schnittsbürger. Die anderen Landessprachen könnten 10 | 2020 DUZ Wissenschaft & Management 19
// THEMA // dadurch wieder in die Rolle niederer Vernakulärspra- Community von vornherein gleichsam ausgeschlos- chen absinken. Die bereichernde Wirkung der eigenen sen zu werden beziehungsweise dort als rückstän- Wissenschaftssprache auf die Allgemeinsprache blie- dig zu gelten? Dazu kommt meist auch noch der gute be aus, der reiche wissenschaftliche Wortschatz wür- Glaube, eine Publikation gewinne allein schon dadurch de durch Nichtgebrauch archaisiert, die allgemeine an Bedeutung und inhaltlicher Achtung, wenn sie auf Sprachkompetenz sänke, die Sprachsicherheit bei der Englisch verfasst wird. Sicherlich liegt es durchweg im Schöpfung neuer Begriffe und Sprachbilder sowie die Sinne der Mehrsprachigkeit, der Publikationsfreiheit Sprachkreativität, die von der Alltagssprache ja ihrer- und des internationalen Wissensaustausches, wenn seits auch auf die Wissenschaft ausstrahlt, würden ins- die Forschenden ihre Ergebnisse auch fremdsprach- gesamt nachlassen. So entstehen bereits jetzt anstatt lich publizieren. Autoren allerdings, die sich aus- neuer deutschsprachiger Begriffsschöpfungen Pseu- schließlich nur noch für Englisch entscheiden, folgen doanglizismen oder unbeholfene Lehnübersetzungen mehr oder weniger unwissentlich der Regie der US- wie zum Beispiel „soziale Distanz“ – wobei aber soziale amerikanischen Institutionen. In anderen Sprachen und räumliche Distanz im Deutschen unterschiedliche verfasste wissenschaftliche Publikationen zählen dort Sachverhalte sind. Deshalb ist nicht der Bedeutungs- schon oft nicht mehr. Sie werden auch nicht mehr ins verlust der deutschen Sprache im internationalen Englische übersetzt. Manche Zeitschriften mit hohem Kontext zu beklagen, sondern ihre Marginalisierung in Impact-Faktor verlangen sogar, dass solche Arbeiten der nationalen Wissenschaftskommunikation. nicht mehr zitiert werden. Der Einzug des Englischen als einer „Universalspra- Das Wissen um den Wert der sprachlich unterschiedli- che“ in die nationalen Wissenschaften in Europa ist ge- chen Reflexion von wissenschaftlichen Erkenntnissen nauso wie die damalige Abkehr vom Lateinischen kein für dessen Übersetzung, Vertiefung und Präzisierung – naturwüchsiger, quasi naturgesetzlicher oder gar un- dieses übergeordnete Meta-Wissen aus dem Geiste der ausweichlicher Prozess. Individuelle sprachliche Ent- Aufklärung – scheint aus dem Bewusstsein unseres scheidungen zugunsten des Englischen fallen in der Wissenschaftsbetriebes zu schwinden. Auf diese Weise Regel nicht um der Sache willen, sondern orientieren geht das Wissen aus anderen Wissenschaftskulturen sich an pragmatischen, ökonomischen und Prestige- verloren. Die Wissenschaftsgeschichte wird zugunsten gründen. Die marktwirtschaftlichen Mechanismen der Perspektive der USA umgeschrieben. der Ökonomisierung des akademischen Feldes und die Wirkmächtigkeit der US-amerikanischen Zitations- Dass die US-amerikanischen Institutionen damit aus datenbanken mit ihrer Rankinglogik und ihren Mono- eigenen ökonomischen und großmachtpolitischen polisierungsstrategien durch ihre (eigene!) Sprache Interessen heraus handeln, ist weder überraschend wurden bereits eingehend analysiert und ausreichend noch wirklich verschlagen und verdammenswert. Viel thematisiert (vgl. Gehrmann 2015; Münch, Mocikat, wichtiger sind für uns Fragen an unsere deutsche Bil- Gehrmann, Siegmund 2020). Im Gegensatz zum mittel- dungspolitik: Wo bleiben die mehrfach angemahnten alterlichen Hochlatein besitzt diese Sprache aber ein landeseigenen beziehungsweise europäischen biblio- eigenes imperiales Mutterland und verfestigt in dieser metrischen Instrumente sowie die finanziellen und Eigenschaft historisch vorgefundene Macht- und Pres- ideellen Anreize, um auch landessprachliche Publika- tige-Asymmetrien – bis hin zu einer Hierarchisierung tionen (karrierefördernd) zu honorieren? Stattdessen von Wissenschaftsstandorten und Sprachgemein- schaften, die deren Potenzial zur Wissensschöpfung • ist die überwiegend vom Steuerzahler finanzier- nur verzerrt abbildet. te Forschung der deutschen Öffentlichkeit landes- sprachlich kaum mehr direkt zugänglich; Zum Umgang mit der Sprachsituation: • werden selbst Forschungsanträge, die auf Förde- Publikationspraxis rung durch inländische Steuergelder zählen, von staatlichen oder öffentlich-rechtlich verfassten Nun, es ist niemandem, insbesondere niemandem, Geldgebern in vielen Fächern nur noch auf Englisch der oder die sich am Anfang einer Wissenschaftskar- verlangt oder akzeptiert; riere sieht oder sehen möchte, zu verdenken, sich dem • erscheinen Forschungsberichte selbst oberster Anglophonisierungstrend aktiv anzuschließen. Wer wissenschaftlicher Bundesbehörden oft nur noch möchte schon das Risiko eingehen, aus der Scientific auf Englisch; 20 DUZ Wissenschaft & Management 10 | 2020
Das sprachliche Abheben des Hochschullehrbetriebes schwächt seine gesellschaftliche Verankerung • schreitet die Anglophonisierung des Wissenschafts- uten Ruf des Bildungsstandortes Deutschland und g bereiches samt Hochschullehre scheinbar unauf- seine Wettbewerbsfähigkeit. haltsam und doch öffentlich kaum sichtbar immer • Das sprachliche Abheben des Hochschullehrbe- weiter voran. triebes schwächt seine gesellschaftliche Veran- kerung. Für die ausländischen Studierenden und Hochschullehre bleibewilligen Absolventen erhöhen rein englisch- sprachige Studiengänge das Studienabbruchrisi- Zwischen dem Publizieren in einer „Universalsprache“ ko, hemmen ihre Integration und benachteiligen und dem Lehren und Lernen in derselben besteht ein sie auf dem deutschen Arbeitsmarkt (vgl. SVR-For- wesentlicher Unterschied. Die Bedeutung des Engli- schungsbereich 2015: 19ff.). All das widerspricht dem schen für internationale Wissenschaftskommunika- gesellschaftlichen Interesse an qualifizierter Ein- tion wird hier selbstredend nicht infrage gestellt. Der wanderung. Ausbau der Sprachkompetenz im Englischen gehört • Institutionen wie das Goethe-Institut und die Zent- deshalb zu jeder wissenschaftlichen Ausbildung. Aber ralstelle für das Auslandsschulwesen geben im Aus- die Umstellung kompletter Studiengänge auf Englisch land dreistellige Millionensummen aus, um dort vor ist kein angemessenes Mittel, um die Studierenden für allem jungen Menschen den Zugang zur deutschen die Nutzung (auch) dieser Sprache nachhaltig zu befä- Sprache und Kultur zu ermöglichen. Dieses Steuer- higen. Über der hoch kommunikativen Funktion einer geld ist gut angelegt, da es Maßnahmen ermöglicht, Weltsprache gerät heute die viel wichtigere kognitive, die nach zwei Kriegskatastrophen Deutschland und gleich erkenntnisleitende Funktion jeder Sprache völ- die deutsche Sprache mit Vorstellungen von Wis- lig aus dem Blickfeld. Letztere kommt wohl erst beim sensförderung, Kultur und Völkerverständigung eigensprachlichen Denken, Lehren und Lernen voll zur verbinden. Wenn sich diese jungen Deutschlerner Geltung. und Studierwilligen in unseren Hörsälen dann aber ausdrücklich nur noch auf Englisch äußern und ver- Doch auch gesellschaftlich ist die alternativlose Ein- ständigen dürfen, ist eher Frustration die Folge (vgl. führung englischsprachiger Studiengänge negativ zu Petereit, Spielmanns-Rome 2010). bewerten. Denn gerade die Qualität einer landessprach- • Die neue, für das Studium errichtete Sprachbarri- lichen Hochschulbildung ist für ein rohstoffarmes (und ere behindert die soziale Durchlässigkeit des deut- demokratisches) Land wie das unsere in vielerlei Hin- schen Hochschulsystems für Bildungsinländer aus sicht systemrelevant: nicht akademischen Familien und aus Familien mit Migrationshintergrund. Auch nach dem Erwerb • Die Lehre in der Fremdsprache Englisch in einer der Hochschulreife bleibt ihnen die sprachgebun- Lernumgebung, zu deren Erst- oder bestbeherrsch- dene und -vermittelte reiche Wissenschaftstradi- ten Sprache(n) das Englische kaum gehört, verliert tion Deutschlands fremd, wenn sie ausschließlich an Qualität. Die beiderseitig häufig eingeschränk- auf Englisch studiert haben. Die Sprachkompetenz te Sprachkompetenz verlangsamt Vermittlung und in der Landessprache, die für die Mehrheit auch die Verständnis des Lernstoffs, was den Stoffumfang Mutter- beziehungsweise Sozialisationssprache ist, weiter einschränkt. Damit einher gehen meist auch werden sie auf akademischem Niveau nicht mehr kognitiv-begriffliche Defizite. Dies gefährdet den erwerben (vgl. Rösch, Tolkiehn, Lehnert 2019). 10 | 2020 DUZ Wissenschaft & Management 21
// THEMA // systemischer Unterstützung seitens der staatlichen Exekutive, zum Beispiel in Form ihrer Begünstigung bei der sogenannten leistungsorientierten Mittelzu- weisung. Und zwar gilt dies selbst dann, wenn die eng- lischsprachigen Studiengänge ganz offen nur in der Absicht eingerichtet wurden, die geforderte Auslas- tung der Hochschule dadurch abzusichern (das betrifft vor allem die kleineren Fachhochschulen, vgl. HIS-Mo- nitor 2020), dass sie einen Ansturm ausländischer Stu- dierwilliger, die sich sonst an einer konkurrierenden Hochschule eingeschrieben hätten, erzeugen. Wie ver- trägt sich eine derart fehlgeleitete Sprachenpolitik mit dem Bildungsauftrag der staatlichen Hochschulen, mit ihrer Dritten Mission beziehungsweise mit ihrer gesell- schaftlichen Verantwortung? Foto: Bartosz Sujkowski / unsplash.com Anmerkungen zur Internationalisierung An kritischen Analysen der Tendenz zur Monolingua- lisierung, an Mahnungen wegen Fehlentwicklungen im Wissenschaftsbereich und an gut durchdachten Vorschlägen für eine ausgewogene Sprachenpolitik an Hochschulen im Sinne der europäischen Idee von Mehrsprachigkeit mangelt es in Deutschland und ande- ren europäischen Ländern nicht. Dies zeugt nur davon, dass die lieb gewonnenen Internationalisierungsnar- Die Lehrenden, die heute die Anglophonisierung der rative, die perpetuieren, ausschließlich englischspra- Lehre kaum gebremst vorantreiben, konnten sich chige Studiengänge seien notwendig, um ausländische ihren Gegenständen noch mittels einer ausgebauten Studierende nach Deutschland zu locken (vgl. Leh- Wissenschaftssprache nähern und sich eine ent- mann 2019) und als künftige Fachkräfte zu gewinnen, sprechend kohärente wissenschaftliche Termino- nicht mehr die erwünschte Überzeugungskraft besit- logie aneignen. Selbstverständlich gehört es nicht nur zen. Oder ist es der Glaube, man verdiene einzig durch zu deren Publikations-, sondern auch zu ihrer Lehr- Lehre in Englisch die Bezeichnung „international“? freiheit, wenn sie manche Veranstaltungen in einer Fremdsprache anbieten. Ein Austausch landessprach- Eine solche verkürzte Vorstellung von Internationa- licher durch komplett englischsprachige Studiengänge lisierung verunklart jedoch das Wichtigste: Inter- wäre jedoch äußerst bedenklich. Eine solche Lehr- nationalisierung der Lehre ist ein facettenreiches praxis würde die jüngere Generation zugunsten von Arbeitsfeld, dessen Entwicklung die Bereitschaft zum praktischen Vorteilen von höherwertigen Gütern ab- internationalen Wissens- und Kulturaustausch, eine schneiden. Zu diesen gehören die Fähigkeit und Bereit- Offenheit für neue inhaltliche und methodische An- schaft zu eigensprachlichem Denken, zu Integration, sätze sowie Lehrformate, ein grundlegendes Interesse kultureller Neugier und kulturellem Austausch. für andere akademische Kulturen und Sprachen, eine vielseitige interkulturelle Kompetenz und eine brei- Dennoch ist bekanntlich die Bereitschaft, englisch- te akademische Mehrsprachigkeit voraussetzen (vgl. sprachige Lehrveranstaltungen durchzuführen, eine Rösch 2015). Es wäre wirklich an der Zeit, auch einmal Berufungsvoraussetzung an deutschen Hochschulen. innezuhalten, sich die gesellschaftlichen Auswirkun- Ein Selbstläufer scheint das jedoch (noch) nicht zu gen der sich abzeichnenden funktionalen Diglossie zu sein. Denn merkwürdigerweise wird die Lehre auf Eng- vergegenwärtigen, ihre Verklärung zur Internationa- lisch an den meisten Hochschulen durch Leistungs- lisierung zu verdeutlichen und sich den Wert des Kul- zulagen extra honoriert. Doch auch die Hochschulen turgutes der landeseigenen Wissenschaftssprache selbst bedürfen bei der Anglophonisierung der Lehre bewusst zu machen. // 22 DUZ Wissenschaft & Management 10 | 2020
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