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Von Kyoto nach Kopenhagen – dem wichtigsten Meilenstein für den globalen Klimaschutz Claudia Kemfert Die Klimakonferenz in Kopenhagen im Dezember Die Emissionen von Treibhausgasen und damit ckemfert@diw.de 2009 ist richtungweisend. Die G8-Länder haben die Treibhausgaskonzentrationen sind in den ver- sich grundsätzlich darauf verständigt, das Zwei- gangenen Jahrzehnten kontinuierlich gestiegen.1 Grad-Ziel anzuerkennen. Viele Staaten haben wie Die CO2-Emissionen haben in den vergangenen Europa signalisiert, dass sie die Treibhausgas Jahren weltweit zugenommen, nachdem sie in emissionen deutlich senken wollen. Der Erfolg von den 90er Jahren infolge des wirtschaftlichen Kopenhagen hängt entscheidend von den USA ab. Einbruchs in vielen osteuropäischen Ländern Denn ohne die USA wird es kein Folgeabkommen und in Russland global gesehen deutlich gesun- geben und die Welt würde im Klimaschutz weit ken waren (Abbildung 1). Hauptverursacher von hinter die Kyoto-Ziele von 1997 zurückfallen. Euro- Treibhausgasemissionen sind China, USA, Eu- pa sollte die Führerschaft weiterhin übernehmen ropa, Russland, Indien, Japan und Brasilien, die und vor allem Länder mit den höchsten Emissionen zusammen für zwei Drittel der Emissionen ver- wie USA und China zu einem gemeinsamen Ab- antwortlich sind. Die Emissionen pro Kopf sind kommen bewegen. heute insbesondere in reichen Industriestaaten wie den USA, Kanada, Australien, Europa und Japan aber auch in Russland überdurchschnitt- lich hoch. Inzwischen hat das energieintensive Wachstum Chinas dazu geführt, dass dieses Land den ersten Platz auf der weltweiten Rangliste der absoluten CO2-Emissionen einnimmt. Die Pro- Kopf-Emissionen sind in China wie in anderen Schwellenländern bisher noch vergleichsweise niedrig. Diese könnten sich aber in den kommen- den 20 Jahren deutlich erhöhen (Abbildung 2). Das Intergovernmental Panel of Climate Change (IPCC) hat in seinem jüngsten Bericht bekräf- tigt, dass eine Veränderung der globalen Kohlen dioxidkonzentrationen auf über 450 ppm und damit einer Temperaturerhöhung um über zwei Grad im Jahr 2100 eine gefährliche Beeinflus- sung des Klimas durch den Menschen bedeuten wird.2 Die heutige Kohlendioxidkonzentration in der Atmosphäre liegt bereits bei knapp 400 ppm. Damit das Zwei-Grad-Ziel erreicht wird, müss- ten die Treibhausgasemissionen bis zur Mitte dieses Jahrhunderts weltweit um 50 bis 80 Pro- 1 Vgl. UNFCCC: GHG Emissions Data – Time Series Data 2007. 2009, unfccc.int/ghg_emissions_data/ghg_data_from_unfccc/time_ series_annex_i/items/3814.php. 2 Vgl. Intergovernmental Panel on Climate Change: Synthesis Report. Cambridge 2007. 848 Wochenbericht des DIW Berlin Nr. 49/2009
Sechs Fragen an Claudia Kemfert „Weltklimakonferenz: Die USA sind der Schlüssel zum Erfolg“ Frau Prof. Kemfert, wovon wird es abhängen, Reduktionen teu- ob der Klimagipfel in Kopenhagen ein Erfolg rer, weil hier be- wird? reits viel getan wurde. Es wäre ein Erfolg, wenn die Weltnationen es schaffen würden, ein operatives Abkommen Ist der Erfolg in Kopenhagen abhängig von Prof. Dr. Claudia Kemfert zu akzeptieren. Insbesondere müssen die USA den USA? Leiterin der Abteilung und China dabei sein, Europa ist sowieso wil- Ja, ganz sicher. Die Amerikaner sind der Dreh- Energie, Verkehr, Umwelt lens etwas zu tun, Russland auch, insofern sind und Angelpunkt und ein Schlüssel zum Erfolg. am DIW Berlin alle Zeichen positiv. Wichtig ist, dass man nicht Ohne die Amerikaner wird China nicht mitma- schon im Vorfeld das Scheitern herbeiruft, son- chen und andere stark wachsende Volkswirt- dern dass man die Länder in die Pflicht nimmt schaften auch nicht. Dafür sehe ich jedoch gute und die Regierungsvertreter dieses Abkommen Voraussetzungen. Ich denke nicht, dass in Ko- wirksam erarbeiten und festlegen. penhagen verbindliche Minderungsziele festge- legt werden. Es wird ein operatives Abkommen Die Erderwärmung soll bis 2100 auf zwei Grad geben, auf dem man die nächsten Schritte auf- begrenzt werden. Inwieweit findet dieses Ziel baut und weltweit verbindliche Abkommen er- überhaupt internationale Zustimmung? arbeitet und demnächst dann auch unterzeich- Die G8-Staaten haben dieses nen wird. Ziel bereits akzeptiert. Das be- Ohne die USA deutet, dass die Treibhausgas- werden China Welche Chancen hat die Ein- emissionen bis zur Mitte dieses führung eines internationalen Jahrhunderts deutlich vermin- » und andere stark wachsende « Emissionsrechtehandels? dert werden müssen. Bis zum Das jetzige Kyoto-Protokoll Jahr 2050 brauchen wir min- Volkswirtschaften gibt die Möglichkeit, Emissions destens 50 bis 80 Prozent nicht mitmachen. rechte zu handeln und viele Minderung. Wenn die Weltna- Nationen werden Interesse ha- tionen das Zwei-Grad-Ziel tat- ben, sich daran zu beteiligen. sächlich akzeptieren, wäre das ein großer Erfolg. Die USA wollen in den Emissionsrechtehandel Die nächsten Schritte wären dann, dass man er- einsteigen und ihn umsetzen, auch Australien arbeitet, was das bedeutet und auf welche Wei- und Japan haben Interesse signalisiert. Aber se die verschiedenen Länder die Treibhausgas nicht alle Länder werden sofort einen Emissions- emissionen tatsächlich vermindern wollen. rechtehandel einführen, sondern es werden sich Schritt für Schritt immer mehr beteiligen. Sowohl die Emissionen als auch die Grundvor- aussetzungen sind international höchst unter- Haben wir in Deutschland unsere Hausaufga- schiedlich. Wo sind die größten Konflikte zu ben in Sachen Klimaschutz gemacht, oder gibt erwarten? es noch Nachbesserungsbedarf? Die USA müssten sehr viel mehr tun als bisher. Europa und Deutschland sind bereits auf einem Amerika liegt mit CO2-Emissionen von jährlich guten Weg. Wir haben natürlich auch in Deutsch- 20 Tonnen pro Kopf weitaus höher als Europa, land noch unsere Baustellen, aber durch das Me- wo im Jahr nur zehn Tonnen pro Kopf emittiert seberg-Programm der Bundesregierung sind wir werden. China wächst zwar stark und hat in ab- schon ein gutes Stück weitergekommen. Wir ha- soluten Größen schon alle Länder überholt, liegt ben den Emissionsrechtehandel, und wir fördern Das Gespräch führte aber beim Pro-Kopf-Verbrauch immer noch unter die erneuerbaren Energien. Bei der Gebäude Erich Wittenberg. fünf Tonnen. Dadurch, dass die Verschwendung effizienz könnten wir noch mehr tun. Auch im Das vollständige Inter- in den USA und auch in Russland sehr hoch ist, Bereich Mobilität müssen wir noch einiges nach- view zum Anhören lassen sich die Emissionen dort sehr leicht re- holen und klimaschonende Antriebsstoffe und finden Sie auf duzieren. In Europa hingegen werden weitere nachhaltige Mobilitätskonzepte fördern. www.diw.de/interview Wochenbericht des DIW Berlin Nr. 49/2009 849
Von Kyoto nach Kopenhagen – dem wichtigsten Meilenstein für den globalen Klimaschutz Abbildung 1 zent vermindert werden. In den Industrieländern ist hierfür sogar eine Verminderung um 80 bis Veränderung der energiebedingten CO2-Emissionen 95 Prozent erforderlich. zwischen 1990 und 2007 In Prozent Um die enormen Folgekosten des Klimawandels China 170,6 zu verhindern, dürfen die Pro-Kopf-Emissionen Indien 124,7 den Berechnungen des IPCC folgend nur maxi- mal drei Tonnen pro Kopf betragen.3 Alle Indus- Australien 52,5 trienationen liegen weit über diesem Ziel. Die Welt 38,0 USA emittieren über 20 Tonnen Treibhausgase USA 18,6 pro Kopf im Jahr und Europa etwa zehn Tonnen. Entwicklungs- und Schwellenländer wie China, Japan 16,1 Indien, Brasilien oder Afrika, liegen deutlich dar EU-15 3,6 unter. EU-27 -3,3 Deutschland -16,0 Kopenhagen darf nicht scheitern EU-121 -25,2 Russland -27,2 Das Kyoto-Protokoll ist zwar als ein erstes wich- tiges Abkommen zur Treibhausminderung zu -50 0 50 100 150 werten.4 Aber es trägt noch zu wenig dazu bei, 1 Neue Mitgliedsländer. den Treibhauseffekt wirksam einzudämmen. Eine Quelle: IEA. DIW Berlin 2009 Senkung der Treibhausgasemission auf maximal drei Tonnen pro Kopf im Jahr würde eine erheb- liche Reduzierung der Treibhausgasemissionen in wichtigen Ländern der Welt erfordern und Abbildung 2 wäre als starres Ziel vor allem für Industrielän- der politisch kaum durchsetzbar.5 Deshalb muss CO2-Emissionen und Bruttoinlandsprodukt pro Kopf es neben solchen Zielen einen internationalen im Jahr 2030 Emissionshandel geben, von dem auch die Ent- 20 wicklungsländer profitieren könnten.6 Bei der Kanada Formulierung von Emissionspfaden für einzel- 18 ne Länder (beziehungsweise der Erstverteilung Australien/Neuseeland USA von Emissionsrechten) können ökonomische Russland 16 und soziale Kriterien im Sinne einer flexiblen Ausgestaltung des Klimaregimes berücksichtigt Südkorea werden. Unabhängig davon sind Technologie- 14 oder Effizienzstandards, Mindestanteile erneuer- barer Energien und deutliche Erhöhungen der CO2-Emissionen in Tonnen 12 Nicht-OECD-Europa und Eurasien Ausgaben für die Energieforschung erforderlich. Japan Letztere Maßnahmen sind eher national lösbar 10 und daher politisch leichter umzusetzen. China OECD-Europa 8 Mittlerer Osten Die Ausgangs- und Interessenlagen der einzelnen Länder sind sehr unterschiedlich. Japan befür- 6 wortet den Klimaschutz grundsätzlich und hat Mexiko nationale verbindliche Minderungsziele vorge- Nicht-OECD-Asien 4 schlagen. Es hatte angekündigt, die Emissionen Brasilien Südamerika 2 Indien 3 Kemfert, C.: Global Economic Implications of Alternative Climate Policy Strategies. Environmental Science and Policy, 5(5), 2002, Afrika 367–384; Stern, N.: The Stern Review: The Economics of Climate 0 Change. Cambridge 2006; Intergovernmental Panel of Climate 0 10 20 30 40 50 60 70 Change (IPCC): Climate Change 2007, Fourth Assessment Report, Bruttoinlandsprodukt in 1 000 US-Dollar Fläche Synthesis der Report. Kreise: Cambridge 2007. 4 Das Kyoto Protokoll trat im Jahr 2005 in Kraft nach der Ratifizie- rung durch Russland im November 2004. Quelle: IEA. DIW Berlin 2009 5 Vgl. Kemfert, C. Truong, P. T.: Impact Assessment of Emission Sta- bilisation Scenarios with and without Induced Technological Change. Energy Policy, 35, 11, 2007, 5337–5345. 6 Vgl. Wissenschaftlicher Beirat für Globale Umweltveränderungen (WBGU): Kassensturz für den Weltklimavertrag – Der Budgetansatz. Berlin 2009. 850 Wochenbericht des DIW Berlin Nr. 49/2009
Von Kyoto nach Kopenhagen – dem wichtigsten Meilenstein für den globalen Klimaschutz bis zum Jahr 2020 um 15 Prozent gegenüber 2005 und die Entwicklungsländer nicht ausreichend in zu reduzieren. Dies entspräche einer Reduktion die Pflicht genommen. Vor diesem Hintergrund der Treibhausgase um neun Prozent gegenüber wurden die ökonomischen Kosten zur Erreichung 1990. Allerdings hat Japan im Kyoto-Protokoll anspruchsvoller Klimaschutzziele für die ameri- vereinbart, die Treibhausgase bis 2008/2012 kanische Wirtschaft als zu hoch eingestuft. um sechs Prozent zu mindern, die derzeitigen Emissionen liegen jedoch um neun Prozent „Yes we can (pass climate change legislation)” ha- über dem Wert von 1990. Japan nennt aktuell ben die beiden US-Senatoren John Kerry (Mas- eine Verminderung um 25 Prozent gegenüber sachusetts) und Lindsey Graham (South Caro- 1990 – macht dieses Ziel aber unter anderem da- lina) ihren Beitrag in der New York Times am von abhängig, wie China einbezogen wird. China 10. Oktober 2009 überschrieben und darin für hat bereits konkrete Pläne zur Verbesserung der die Verabschiedung des Klimagesetzes im Se- Energieeffizienz und zur Verminderung spezifi- nat geworben.7 Bemerkenswert ist diese positive scher Emissionen vorgelegt. China beabsichtigt Einschätzung deswegen, da mit Lindsey Graham eine Minderung der Emissionen nach dem Jahr eine Republikanerin für das Klimagesetz wirbt. 2020 und die Treibhausgase ab dem Jahr 2030 Die Republikaner haben bisher eher die negativen auf dem Niveau des Jahres 2005 einzufrieren. Wirkungen des Klimaschutzes in den Vorder- Damit wäre jedoch noch kein Beitrag zur mittel- grund gerückt. Es ist nicht unwahrscheinlich, fristigen Emissionsminderung erbracht. Auch dass das eindeutige Votum der Senatorin Graham Indien hat eine grundsätzliche Bereitschaft für einige weitere Stimmen aus dem konservativen mehr Klimaschutz signalisiert. Lager mit sich zieht. Damit wächst die Hoffnung, dass in den USA ein nationales Klimagesetz ver- Russland hat erklärt, dass es sich dem EU-Ziel von abschiedet werden kann. Im Juni 2009 hat das 20 Prozent bis 2020 gegenüber 1990 anschließen Repräsentantenhaus bereits ein ähnliches Klima- will. Gegebenenfalls könnte das Ziel in Verhand- gesetz beschlossen. Der Widerstand im Senat ist lungen sogar auf 25 Prozent erhöht werden. Da bisher aber wesentlich stärker. Obwohl ein sol- die Emissionen dort in den 90er Jahren drastisch ches Gesetz nicht vor den Klimaverhandlungen gesunken waren, könnte Russland dennoch seine in Kopenhagen verabschiedet sein wird, stehen Emissionen bis 2020 noch erhöhen. dennoch bereits viele Zeichen in den USA auf grün, das heißt für mehr aktiven Klimaschutz.8 Die Entwicklungsländer fordern von den Indus triestaaten, ihre Verantwortung durch aktiven Kli- Diese Entwicklung kann als Durchbruch in den maschutz zu übernehmen und finanzielle Unter- festgefahrenen politischen Prozessen für mehr stützung zur Anpassung an den Klimawandel Klimaschutz gewertet werden und ist somit ein zu leisten. Unklar sind hingegen die Positionen deutliches Signal für die internationalen Klima- von Ländern wie Kanada oder Australien, wo die verhandlungen. Zudem sprechen sich auch re- Emissionen stark gestiegen sind und eine Rück- publikanische Senatoren für eine Abkehr vom kehr zum Niveau von 1990 nur für schwer oder Öl aus und plädieren für eine verstärkte Nutzung nicht erreichbar gehalten wird. Solche Länder heimischer Energieträger, die zugleich weniger befürchten bei einer ambitionierten Klimaschutz- Treibhausgase verursachen. Eine Wende zu ei- politik große wirtschaftliche Nachteile aufgrund ner grünen Wirtschaft verspricht ökonomische des hohen fossilen Energieverbrauchs. Auch die Vorteile wie Arbeitsplätze und eingesparte Ener- OPEC-Staaten werden sich eher gegen ein Klima- giekosten. Die Argumentation gleicht insofern schutzabkommen stellen, da sie wirtschaftliche der deutschen Politik, und folglich ist es wenig Verluste durch den verminderten Ölexport be- verwunderlich, dass Deutschland derzeit in den fürchten. Es bleibt somit spannend, welche kon- USA als Vorreiter und positives Beispiel für er- kreten Ziele in Kopenhagen oder im Anschluss folgreichen Klimaschutz gesehen wird. daran festgelegt werden. In vielen Ländern, auch in den USA und in China, wird mittlerweile erkannt, dass sich die Wirtschaft Yes we can (have climate legislation) – mittel- bis langfristig auf grüne Techniken um- Die wichtige Rolle der USA für den stellen muss, um überhaupt wettbewerbsfähig globalen Klimaschutz zu sein. Neben der verbesserten Energieeffizienz Die USA haben das bisherige Klimaschutzabkom- 7 Vgl. www.nytimes.com/2009/10/11/opinion/11kerrygraham. men nie ratifiziert. Die Begründung war lange html?_r=1&scp=3&sq=graham&st=cse; climateprogress.org/ Zeit über alle Parteien hinweg sehr eindeutig: 2009/10/11/senate-climate-deal-lindsey-graham-john-kerry. 8 Vgl Schill, W.-P., Diekmann, J., Kemfert, C.: Energie- und Klima- Das Kyoto-Protokoll habe keine ausreichend fle- schutzpolitik: USA holen nur langsam auf. Wochenbericht des DIW xiblen Wege zur Erreichung der Ziele enthalten Berlin Nr. 46/2009. Wochenbericht des DIW Berlin Nr. 49/2009 851
Von Kyoto nach Kopenhagen – dem wichtigsten Meilenstein für den globalen Klimaschutz werden vor allem auch die erneuerbaren Energien Emissionshandelsbereich eine Verminderung um deutlich an Gewicht gewinnen sowie nachhaltige 21 Prozent vorgegeben worden ist. Mobilitätskonzepte wie die Elektromobilität. Das im Kyoto-Protokoll vereinbarte Ziel der Emis- Bisherige Signale aus den USA sind positiv sionsminderung um acht Prozent bis 2008/2012 wurde in erster Linie durch die drastischen Reduk- Die Signale aus den USA für Kopenhagen sind da- tionen der Treibhausgasemissionen als Folge des her positiv – auch wenn die bisher im Klimagesetz wirtschaftlichen Einbruchs in Osteuropa erreicht, der USA formulierten Treibhausgasminderungs- weniger durch aktiven Klimaschutz. Deutschland ziele von 20 Prozent bis 2020 und 83 Prozent hat – zum größten Teil bedingt durch die deutsche bis 2050 in der endgültigen Verabschiedung im Wiedervereinigung – die vereinbarte Emissions- Senat abgeschwächt werden sollten. Derzeit ist minderung erreicht und den Anteil erneuerbarer noch ungewiss, ob die Amerikaner bereit sein Energien stark erhöhen können. Im Gegensatz werden, Emissionsziele in einem internationalen zu Spanien, Portugal oder Griechenland, deren Klimaabkommen verbindlich festzulegen. Den- Emissionen überproportional gewachsen sind, noch dürften die USA glaubhaft machen können, hat Deutschland den im Rahmen der Lasten- dass sie ähnlich wie Europa und Japan beabsich- teilung vereinbarten Beitrag zur Reduktion der tigen, Klimaschutz aktiv im eigenen Land um- Emissionen in Europa leisten können. zusetzen. Emissionshandel noch weiter In Kopenhagen werden höchstwahrscheinlich verbesserungsfähig noch keine hochgesteckten Ziele für Emissions- minderungen verbindlich vereinbart. Es wäre Der im Jahr 2005 eingeführte europäische Emis- aber ein großer Erfolg, wenn die Nationen der sionshandel hatte zu Beginn nur mäßigen Erfolg. Welt Klimaschutzziele wie die Anerkennung des Aufgrund des Überangebots von Emissionsrech- Zwei-Grad-Ziels und eine entsprechende Ober- ten in fast allen europäischen Ländern brach der grenze der weltweiten Emissionen verbindlich Preis für Emissionszertifikate im Jahr 2007 auf festschreiben. Ohne die USA wird es kein weite- nahezu null ein. Da das Instrument sehr schnell res Klimaabkommen geben. in allen europäischen Ländern eingeführt wurde und nur unvollständige Informationen über die damaligen und vor allem zukünftigen Emissio- Europa – zunehmend ambitioniert nen vorlagen, kam es zu einer Fehlbewertung des Angebots an Emissionsrechten. Zudem ist der Europa denkt im Klimaschutz grundlegend Emissionshandel auf die Sektoren Energie und anders als die USA und möchte, dass sich die Industrie beschränkt und die Emissionsrechte Industriestaaten zu konkreten Emissionsminde- können nur zu einem kleinen Teil versteigert rungszielen in Zeitschritten verpflichten. Schon werden – bis zu fünf Prozent (ab 2005) und bis vor zwei Jahren hat Europa das sogenannte 20- zu zehn Prozent (ab 2008). All diese Gründe ha- 20-20-Ziel formuliert: Europa soll bis 2020 die ben zu einer marktverzerrenden Wirkung des Treibhausgasemissionen um 20 Prozent gemes- Instruments geführt. sen an den Emissionen von 1990 vermindern.9 Zudem soll der Anteil erneuerbarer Energien am Die Effizienz des Systems wird sich künftig ins- Gesamtenergieverbrauch auf 20 Prozent steigen besondere durch eine EU-weite Cap-Festsetzung und die Energieeffizienz um 20 Prozent verbes- für den Emissionshandel, eine zunehmende sert werden.10 Deutschland muss nach der verein- Versteigerung von Emissionsrechten und eine barten Aufteilung der Anstrengungen in Europa weitgehende Harmonisierung der verbleibenden in dem Bereich, der nicht dem Emissionshandel Gratiszuteilungen der Emissionsrechte verbes- unterliegt, 14 Prozent der Treibhausgasemissio- sern. Der Emissionsrechtehandel ist insgesamt nen bis 2020 senken, gemessen an den Emis- ein geeignetes Instrument des Klimaschutzes. sionen 2005. In der EU insgesamt liegt diese Künftig sollen die Emissionsobergrenzen anders Verminderung bei zehn Prozent, während im als bisher dynamisch angepasst werden, damit die CO2-Preise das Marktgeschehen reflektieren und die notwenigen Signale für den Klimaschutz 9 Europa hat bereits zu Beginn des Jahres 2007 die Schwerpunkte geben können. der Klima- und Energiepolitik für Europa verdeutlicht, vgl. Euro- päische Kommission: Eine Energiepolitik für Europa – Wir müssen handeln. Brüssel 2007, ec.europa.eu/energy/energy_policy/ Energieeffienz steigern doc/2007_03_02_energy_leaflet_de.pdf. 10 Vgl. Diekmann, J.: Erneuerbare Energien in Europa: Ambitionierte Ziele jetzt konsequent verfolgen. Wochenbericht des DIW Berlin Europa drängt zudem nachdrücklich auf die zü- Nr. 45/2009. gige Verbesserung der Energieeffizienz, die Um- 852 Wochenbericht des DIW Berlin Nr. 49/2009
Von Kyoto nach Kopenhagen – dem wichtigsten Meilenstein für den globalen Klimaschutz setzung einer nachhaltigen Mobilitätsstrategie noch stärkere Anstrengungen zum Klimaschutz sowie auf einen starken Ausbau erneuerbarer erforderlich. Energien. Europa hat in der Klimaschutzpolitik bislang viel erreicht. Insbesondere ist das Ener- Die deutsche Wirtschaft hat die besten Ausgangs- gie- und Klimapaket ein großer Erfolg für den voraussetzungen, ihren Wettbewerbsvorteil im Klimaschutz. Dennoch liegt noch ein langer Weg Umwelt- und Klimaschutz weiter auszubauen. vor Europa. Die einzelnen Länder müssen mehr Sie kann vom Boom der Branchen der erneuer- tun, um ihre Klimaziele überhaupt zu erreichen. baren Energien profitieren, aber auch von der Insbesondere in südeuropäischen Ländern müs- Verbesserung der Energieeffizienz und von in- sen die deutlichen Steigerungen der Emissionen novativen Kraftwerks- und Antriebstechnologien. im Verkehrsbereich gebremst werden. In den klassischen Umweltschutzbranchen wie Müllverarbeitung, Recycling und Wasseraufbe- Der Klimaschutz erfordert eine Reihe unterschied- reitung kann die deutsche Wirtschaft weiterhin licher Instrumente. Aber nur durch eine gute Ab- Exportpotentiale ausbauen. stimmung dieser Instrumente kann ein kosten- effizienter Klimaschutz gewährleistet werden. Kopenhagen muss das Fundament für ein Unabhängig vom Verlauf der Klimaverhandlun- tragfähiges Abkommen legen gen hat sich Europa bereits international dazu ver- pflichtet, die Emissionen bis 2020 um 20 Prozent Sowohl Europa als auch Deutschland zeigen an- zu senken. Das eigentliche politische Ziel besteht hand ihrer Ziele und politischen Programme, aber in einer Reduktion um 30 Prozent, zu dem dass Klimaschutz eine der höchsten Prioritäten sich Europa dann verpflichten wird, wenn andere genießt. Mit Hilfe konkreter politischer Maß- Industriestaaten ähnliche Ziele übernehmen und nahmen sollen hier die Treibhausgasemissionen auch Entwicklungs- und Schwellenländer ange- deutlich gesenkt werden. Dies ist auch ein wich- messene Anstrengungen unternehmen. tiges Signal vor allem für China, weil es zeigt, dass Industrieländer mit dem Klimaschutz ernst- machen. Deutschland: Wettbewerbsvorteile durch Klimaschutz Die USA haben sich aus unterschiedlichen Grün- den entschlossen, das Kyoto-Protokoll nicht zu Klimaschutz hat in Deutschland einen hohen ratifizieren. Auch Australien befürchtete hohe Stellenwert. Dies wird sich auch mit der neuen wirtschaftliche Einbussen durch Klimaschutz- Bundesregierung nicht ändern. Die Treibhaus- politik. Die neue Regierung in Australien hat gasemissionen entstehen in Deutschland zum sich in den Wahlen im Winter 2007 zur Rati- größten Teil in den Bereichen Energiewirtschaft fikation verpflichtet und dies sofort umgesetzt. und Verkehr. Die Verbrennung von Braunkohle Die bisherigen Anstrengungen sind dort aber verursacht die vergleichsweise höchsten CO2- noch verhalten. Emissionen. Aufgrund des nach wie vor hohen Stein- und Braunkohleanteils an der Stromerzeu- Stark wachsende Volkswirtschaften wie China gung ist Deutschland im Vergleich zu anderen sind auf dem Weg, die Industrienationen in europäischen Ländern eines der CO2-emissions- ihrem Pro-Kopf-Energieverbrauch und -Emis- stärksten Länder. Es ist für knapp ein Viertel der sionsausstoß einzuholen. Im Rahmen der an- europäischen Treibhausgasemissionen verant- stehenden internationalen Klimakonferenzen wortlich und damit der größte Treibhausgasemit- muss es deshalb darum gehen, auch die großen tent in der EU. Energieverbraucher USA und China davon zu überzeugen, verbindliche Ziele zur Entwicklung Deutschland hat sich im Zuge der EU-Lastenver- der Treibhausgasemissionen zu nennen. teilung verpflichtet, die klimarelevanten Treib- hausgasemissionen um insgesamt 21 Prozent Im Kyoto-Protokoll haben sich zwar die meisten gemessen an dem Niveau von 1990 bis zum Industrieländer zu einer – insgesamt sehr mode- Zeitraum von 2008 bis 2012 zu verringern. raten – Reduktion ihrer Treibhausgasemissionen Dieses Ziel wurde im Jahr 2008 erreicht. Bis bis zur Periode 2008/2012 verpflichtet. Aber die 2020 sollen die Treibhausgasemissionen um Bemühungen um wirksame, international ab- 40 Prozent (gegenüber 1990) gesenkt werden. gestimmte Klimaschutzmaßnahmen verlaufen Hierzu sind bereits zahlreiche Maßnahmen im zäh, und es erscheint zweifelhaft, ob es gelingen integrierten Energie- und Klimaprogramm vom wird, konkrete und verbindliche Emissionszie- August 2007 umgesetzt worden. Zur Erreichung le auch für die Zeit nach dem Ende der ersten des 40-Prozent-Ziels sind darüber hinaus aber Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls ab Wochenbericht des DIW Berlin Nr. 49/2009 853
Von Kyoto nach Kopenhagen – dem wichtigsten Meilenstein für den globalen Klimaschutz 2013 festzulegen. Während Deutschland und die Fazit Europäische Union auf bindende Verpflichtun- gen zum Klimaschutz drängen und selbst bereits Die G8-Länder haben sich grundsätzlich darauf zahlreiche Maßnahmen ergriffen haben, verwei- verständigt, das Zwei-Grad-Ziel anzuerkennen. gern sich andere Länder wie die USA und China In Kopenhagen wird es entscheidend darauf an- weiterhin diesen Forderungen. Dabei wäre es im kommen, dass die Nationen ein verbindliches Rahmen internationaler Klimaschutzabkommen Abkommen zum weltweiten Klimaschutz auf dringend notwendig, dass die Industrienation den Weg bringen. Die entwickelten Volkswirt- USA sich an einem Klimaabkommen beteiligt, schaften der USA, Europas und Japans verursa- um dann auch Länder wie China und Indien zum chen drei Viertel der weltweiten Treibhausgase. Handeln zu bewegen. Stark wachsende Volkswirtschaften wie China, aber auch Russland und Indien verbrauchen im- Für ein erfolgreiches Post-Kyoto-Abkommen wird mer mehr fossile Energie, insbesondere Kohle, es darauf ankommen, die für den Klimawandel daher steigen die Treibhausgasemissionen un- verantwortlichen Staaten durch so viel Flexibilität aufhaltsam. wie notwendig zur Mitwirkung zu gewinnen. Um einen Anstieg der globalen Oberflächen- In Kopenhagen muss das Fundament für ein temperatur um mehr als zwei Grad Celsius bis tragfähiges Nachfolgeabkommen gelegt werden. zum Ende des Jahrhunderts und damit eine Die Einigung der Weltnationen, das so genannte irreversible Schädigung des Klimas zu vermei- Zwei-Grad-Ziel verbindlich anzuerkennen, wäre den, müssten bis zur Mitte des Jahrhunderts die in einem ersten Schritt ein großer Erfolg. Ent- Treibhausgasemissionen um 50 bis 80 Prozent scheidend wird jedoch sein, dass die beiden Key vermindert werden. Dies kann nur durch einen Players, nämlich USA und China an Bord sind. Umbau des Energiesystems, durch Energieein- Wichtig ist zudem, möglichst viele Schwellen- sparungen sowie klimabewusste Landwirtschaft und Entwicklungsländer einzubeziehen, und erreicht werden. finanzielle Ausgleichsmaßnahmen festzulegen. Dabei sollten die Verhandlungspartner nicht die Der bisherige Clean Development Mechanism Fehler des Kyoto-Protokolls wiederholen. Das Ky- (CDM) hat zwar zahlreiche Klimaschutzprojekte oto-Protokoll formulierte zwar verbindliche Ziele, in Entwicklungsländern hervorgebracht, aber oft- gerade die Länder mit den höchsten absoluten mals aufgrund mangelnder Nachhaltigkeit wich- Emissionen – USA und China – waren aber nicht tige Ziele verfehlt. Dennoch sollten im Rahmen wirksam eingebunden, wodurch das eigentliche von technologischen Kooperationen Schwellen- globale Klimaziel verfehlt wurde. Ein neues Ab- und Entwicklungsländer und Industriestaaten kommen macht nur Sinn, wenn alle wichtigen viel stärker als bisher zusammenarbeiten. Der Länder verbindlich zustimmen. Ein solches Ab- technologische Wandel ist der Schlüssel zur Lö- kommen sollte bei der Festlegung von Emissions- sung des Problems. pfaden und finanziellen Ausgleichsmaßnahmen JEL Classification: dynamische und flexible Ziele berücksichtigen, Q48, Q54, Q55 Notwendig sind aber auch erhebliche Finanzmit- die sich an der Wirtschaftsleistung und -entwick tel der Industrieländer zur Unterstützung der lung orientieren und bisherige Anstrengungen Keywords: Climate change, Entwicklungsländer. Gerade Länder mit wenig zum Klimaschutz berücksichtigen. Energy policy, anspruchsvollen Reduktionszielen sollten sich Innovation policy hieran überproportional beteiligen. 854 Wochenbericht des DIW Berlin Nr. 49/2009
Wochenbericht Nr. 49/2009 vom 2. Dezember 2009 Impressum DIW Berlin Mohrenstraße 58 10117 Berlin Tel. +49-30-897 89-0 Fax +49-30-897 89-200 Herausgeber Prof. Dr. Klaus F. Zimmermann (Präsident) Prof. Dr. Tilman Brück Dr. habil. Christian Dreger Prof. Dr. Claudia Kemfert Prof. Dr. Alexander Kritikos Prof. Dr. Viktor Steiner Prof. Dr. Gert G. Wagner Prof. Dr. Christian Wey Chefredaktion Dr. Kurt Geppert Carel Mohn Redaktion Tobias Hanraths PD Dr. Elke Holst Susanne Marcus Manfred Schmidt Pressestelle Renate Bogdanovic Tel. +49 – 30 – 89789–249 presse@diw.de Vertrieb DIW Berlin Leserservice Postfach 7477649 Offenburg leserservice@diw.de Tel. 01805 –19 88 88, 14 Cent/min. Reklamationen können nur innerhalb von vier Wochen nach Erscheinen des Wochenberichts angenommen werden; danach wird der Heftpreis berechnet. Bezugspreis Jahrgang Euro 180,– Einzelheft Euro 7,– (jeweils inkl. Mehrwertsteuer und Versandkosten) Abbestellungen vonAbonnements spätestens 6 Wochen vor Jahresende ISSN 0012-1304 Bestellung unter leserservice@diw.de Satz eScriptum GmbH & Co KG, Berlin Druck USE gGmbH, Berlin Nachdruck und sonstige Verbreitung – auch auszugsweise – nur mit Quellenangabe und unter Zusendung eines Belegexemplars an die Stabs abteilung Kommunikation des DIW Berlin (Kundenservice@diw.de) zulässig. Gedruckt auf 100 Prozent Recyclingpapier. 479
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