Wahl zum 16. Deutschen Bundestag am 18. September 2005

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Wahl zum 16. Deutschen Bundestag am 18. September 2005
Freie und Hansestadt Hamburg
                  Behörde für Inneres
          Landesamt für Verfassungsschutz

Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
     am 18. September 2005

    Wahlkampf und Wahlergebnisse
  extremistischer Parteien in Hamburg

    Wegen des Todes einer NPD-Kandidatin im Wahl-
    kreis Dresden I wird dort erst am 02.10. gewählt.
    Die Ergebnisse in diesem Bericht gehen auf das
    vorläufige amtliche Endergebnis vom 18.09. zurück.
Wahl zum 16. Deutschen Bundestag am 18. September 2005
Wahlbericht des Hamburger Verfassungsschutzes zur Bundestagswahl 2005

Inhalt

1.
Ausgangssituation                                                                  1

2.
Vorbereitungen, Wahlaussagen, Reaktionen, Wahlkampf, Ergebnisse                    2

LINKSEXTREMISMUS

      2.1     Die Linkspartei.PDS Landesverband Hamburg (Die Linke)                2
      2.1.1   Wahlvorbereitungen                                                   2
      2.1.2   Wahlkampf                                                            3
      2.1.3   Wahlergebnisse und Bewertung                                         5

      2.2   Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD)                   7
      2.2.1 Allgemeines                                                            7
      2.2.2 Wahlergebnisse und Bewertung                                           8

RECHTSEXTREMISMUS

      2.3     Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD)                      9
      2.3.1   Wahlvorbereitungen                                                   9
      2.3.2   Wahlkampf                                                            10
      2.3.3   Wahlergebnisse und Bewertung                                         12

1.
Ausgangssituation

Ausgangssituation im Bund

                                           Die      dieser      16.      Bundestagswahl
                                           vorausgegangene Wahl zum 15. Deutschen
                                           Bundestag fand erst vor drei Jahren statt, am
                                           22.09.2002. Die vorgezogene Neuwahl am
                                           18. September 2005 geht zurück auf die
                                           Vertrauensfrage, die der Bundeskanzler in
                                           der Sitzung des Bundestages vom 01.07.05
                                           stellte. Ihm wurde - wie von ihm beabsichtigt -
das Vertrauen nicht ausgesprochen. Daraufhin ordnete der Bundespräsident am 21.07.05
die Auflösung des Bundestages an und setzte Neuwahlen für den 18. September 2005 fest.

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Wahl zum 16. Deutschen Bundestag am 18. September 2005
Wahlbericht des Hamburger Verfassungsschutzes zur Bundestagswahl 2005

Die Organklage von zwei Bundestagsabgeordneten, die sich gegen diese Anordnung des
Bundespräsidenten gewandt hatten, wies das Bundesverfassungsgericht am 25.08.05 als
unbegründet zurück. Damit war der Weg zu Neuwahlen frei.

Hamburg: Landeslisten von Die Linkspartei.PDS, MLPD und NPD zugelassen

Der Hamburger Landeswahlausschuss hat die Landeslisten von zehn Parteien zugelassen.
Darunter befinden sich die beiden linksextremistischen Parteien Die Linkspartei.PDS Lan-
                             desverband Hamburg (Die Linke) und die Marxistisch-
                             Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) sowie die rechts-
                             extremistische Nationaldemokratische Partei Deutschlands
                             (NPD). Nach den Entscheidungen der sechs Hamburger
                             Kreiswahlausschüsse, die über die Zulassung der Direktkandi-
                             daten oder der Direktkandidatinnen zu befinden hatten, sind
auch für Die Linke und die NPD (so die Kurzbezeichnungen des jeweiligen Wahlvorschlags)
in allen Kreisen Direktkandidaten zugelassen worden. Die MLPD trat nur mit einer Landeslis-
te an, also ohne Direktkandidaten/-Kandidatinnen.

2.
Vorbereitungen, Wahlaussagen, Reaktionen, Wahlkampf, Ergebnisse

LINKSEXTREMISMUS

2.1
Die Linkspartei.PDS Landesverband Hamburg (Die Linke)

2.1.1
Wahlvorbereitungen

Die Linkspartei.PDS (Die Linke) (im Folgenden: Die Linkspartei.PDS) war in allen 16 Län-
dern mit Landeslisten vertreten. Auf ihren offenen Listen kandidierten auch Angehörige der
neu gegründeten Partei Wahlalternative Arbeit & soziale Gerechtigkeit (WASG). Daneben
öffnete sie ihre Listen auch für andere Linksextremisten, u.a. für Mitglieder der Deut-
schen Kommunistischen Partei (DKP). Als Spitzenkandidaten wurden von der Linkspar-
tei.PDS der ehemalige PDS-Bundesvorsitzende Gregor GYSI und von der WASG der ehe-
malige SPD-Vorsitzende Oskar LAFONTAINE nominiert.

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Wahl zum 16. Deutschen Bundestag am 18. September 2005
Wahlbericht des Hamburger Verfassungsschutzes zur Bundestagswahl 2005

Vorausgegangen war für beide Parteien ein langer Weg von Absprachen über die Grundla-
gen einer gemeinsamen Zusammenarbeit, der am 10.06.2005 schließlich zu einem Wahl-
                                                       bündnis       führte.       Eine         der
                                                       wesentlichsten          Forderungen      der
                                                       WASG zielte auf die Umbenennung
                                                       der PDS, weil dieses Kürzel zu sehr
                                                       mit der SED/DDR-Vergangenheit der
                                                       Partei verknüpft würde. Nach teilweise
                                                       kontroversen Diskussionen in den
                                                       Landesverbänden und der Bundes-
                                                       partei       wurde          auf          der
                                                       Außerordentlichen       Tagung     des    9.
Parteitages der PDS am 17.07.05 in Berlin die Umbenennung in Die Linkspartei.PDS
- wahlweise mit oder ohne Kürzel PDS - beschlossen. Der Parteivorsitzende Lothar BISKY
rief die Partei zu einem „zweiten Aufbruch“ nach 1989 auf. Die Linkspartei.PDS gehe mit
einem „modernen sozialistischen Programm“ in die Bundestagswahl. Die Umbenennung sei
ein Zeichen der Erneuerung.

Im Vorfeld waren rechtliche Bedenken über die Zulässigkeit der Kandidatenlisten der Links-
partei.PDS geäußert worden. Den Landeswahlleitern zufolge habe es jedoch in keinem Land
ernsthafte Einwände gegen die Beteiligung dieser Partei an der Bundestagswahl gegeben .

2.1.2
Wahlkampf

Auf dem Bundesparteitag der Linkspartei.PDS am 27.08.2005 in Berlin wurde das Wahlpro-
gramm beschlossen. Die Namensänderung der PDS und das neu verabschiedete Programm
bedeuten keine politische Neuausrichtung. Damit bleibt das von der PDS angestrebte Ziel
der Sozialismus.

Die Partei sieht ihre Schwerpunkte in der Arbeits-, Sozial- und Familienpolitik. Extremistische
Äußerungen wurden in den Wahlaussagen vermieden. Eine über die Wahl hinausgehende
programmatische Grundlage für die (in zwei Jahren) angestrebte Vereinigung mit der WASG
existiert noch nicht.

Die Reaktionen unter Linksextremisten auf die Kandidatur der Linkspartei.PDS war zwiespäl-
tig. Sie reichte von Zustimmung bzw. Unterstützung bis zu deutlicher Skepsis und Ableh-
nung. So verzichtete die DKP, die die Linkspartei.PDS unterstützt, auf eine eigene

                                              -3-
Wahl zum 16. Deutschen Bundestag am 18. September 2005
Wahlbericht des Hamburger Verfassungsschutzes zur Bundestagswahl 2005

                             Kandidatur, um keine Konkurrenzsituation zu schaffen. Mehr
                             als 300 Initiativen und Einzelpersonen aus autonomen und
                             Gruppierungen des linksextremistischen Spektrums unter-
zeichneten einen am 08.07.05 veröffentlichten Brief. Darin fordern sie das Wahlbündnis auf,
den Wahlkampf ohne rassistische und nationalistische Untertöne „a la Lafontaine“ zu führen
und für eine Stärkung der Rechte von Flüchtlingen sowie illegal in Deutschland lebenden
Menschen einzutreten. Der Appell lässt durchblicken, dass für die Unterzeichner eine Wahl
der Linkspartei.PDS unter den genannten Voraussetzungen denkbar ist.

Auch die WASG erweckte bei Linksextremisten Aufmerksamkeit. Insbesondere Angehörige
trotzkistischer Organisationen versuchten, die WASG zu unterwandern und in der Partei Ein-
fluss zu nehmen, allerdings mit insgesamt geringem Erfolg.

                        In Hamburg wurde am 30./31.07.05       die Landesliste aufgestellt,
                        und die Direktkandidaten der Linkspartei.PDS wurden gewählt.
                        Auch hier trat die Linkspartei.PDS mit einer offenen Liste an. Als
                        Spitzenkandidat der Landesliste wurde der parteilose     Professor
                        Norman PAECH (Foto) gewählt. Auf den weiteren Plätzen der
                        Landesliste und als Direktkandidaten in den Bezirken sind
Mitglieder der umbenannten PDS und
andere Linksextremisten sowie WASG-
Mitglieder vertreten. Wie bundesweit gab es
auch in Hamburg bei zahlreichen Mit-
gliedern der ehemaligen PDS Bedenken
gegen die Umbenennung, weil hierin eine
Aufgabe sozialistischer Inhalte gesehen
wurde.

Am 11.08.05 eröffnete die Linkspartei.PDS den Wahlkampf mit einer Veranstaltung im Ham-
burg-Haus und stellte ihre Kandidaten vor. Auf zahlreichen weiteren Veranstaltungen sowie
mit Infoständen und Flugblattverteilungen präsentierten Vertreter der Partei Inhalte und
Schwerpunkte des Wahlprogramms. Die Wahlaussagen unterscheiden sich nicht von
denen der Bundespartei.

                                              -4-
Wahlbericht des Hamburger Verfassungsschutzes zur Bundestagswahl 2005

2.1.3
Wahlergebnisse und Bewertung

        Die Linkspartei.PDS            Direktkandidaturen         Landesliste
        Landesverband Hamburg
        (Die Linke)
        Wahlkreis                      Stimmen       %       Stimmen        %
        HH-Mitte                       10.882        6,1      13.960       7,9
        HH-Altona                       6.490        4,8        8.961      6,6
        HH-Eimsbüttel                   6.371        4,4        8.955      6,1
        HH-Nord                         5.611        3,4        7.960      4,8
        HH-Wandsbek                     7.541        4,7        9.815      6,1
        HH-Bergedorf-Harburg            7.631        4,9        9.826      6,3
        Gesamt                         44.526        4,7       59.477      6,3

                                         Stand: 18.09., vorläufiges amtl. Endergebnis

                    Bundesweite PDS-Zweitstimmenergebnisse bei
                              Bundestagswahlen in %
   10
                                                                    8,7
    9   Stand: 18.09.,
        vorläufiges amtliches
    8   Endergebnis
    7

    6                                    5,1

    5                           4,4
                                                       4
    4
              2,4
    3

    2

    1

    0
             1990               1994    1998         2002          2005

                                               -5-
Wahlbericht des Hamburger Verfassungsschutzes zur Bundestagswahl 2005

             Hamburger PDS-Ergebnisse bei Bundestags-, Bürgerschafts-
             und Europawahlen in %
    7
          Stand: 18.09., vorläufiges                                                  6,3
          amtliches Endergebnis
    6

    5

    4
                                                         3,3

    3                                                                           2,8
                                2,2                2,3
                                                                     2,1

    2                                  1,4
              1,1
                    0,5                      0,7
    1                                                          0,4
         0                 0
                                                                           0
    0
           1

           3

           7

           1

           4
         89

         94

         99

         04
         94

         98

         02

         05
           0

        99

        99

        99

        00

        00
        99
      19

      19

      19

      20
      19

      19

      20

      20
     r1

     r1

     r1

     r2

     r2
     n1
   EU

   EU

   EU

   EU
   Bu

   Bu

   Bu

   Bu
  Bü

  Bü

  Bü

  Bü

  Bü
  Bu

 EU1989 und Bür1993: Nicht kandidiert
 Bu1990, Bür1991 und Bür1997: Kandidiert als "PDS-Linke Liste"
 Bür2004: Kandidiert bei "Regenbogen"
 Bu2005: Kandidiert als „Die Linke.PDS“


Die in Die Linke.PDS umbenannte PDS hat in Hamburg noch nie einen so hohen Anteil an
Zweitstimmen erreicht wie bei dieser Bundestagswahl. Sie entsendet mit Prof. Norman
PAECH einen Abgeordneten in den Deutschen Bundestag.

Das gute Abschneiden dürfte vorrangig darauf zurückzuführen sein, dass der Wahlkampf der
Partei auf die Klientel der WASG zugeschnitten war und so - offenbar mit Erfolg - auch ein
Potential angesprochen werden konnte, das zwar gegen die Sozialreformen der Bundesre-
gierung protestieren wollte, aber nicht „PDS pur“ gewählt hätte. Für PDS-Anhänger könnte
eine besondere Motivation zur Wahl darin bestanden haben, das strategische Ziel der West-
ausdehnung der Partei zu unterstützen.

Ihr Hauptziel hat Die Linke.PDS erreicht: Sie zieht wieder mit Fraktionsstärke in den Bundes-
tag ein.

                                             -6-
Wahlbericht des Hamburger Verfassungsschutzes zur Bundestagswahl 2005

2.2
Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD)

2.2.1
Allgemeines

In Hamburg – wie im gesamten Bundesgebiet – trat die maoistisch-stalinistisch ausgerichtete
Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) mit einer Landesliste zur Bundes-
tagswahl an.

Im Jahr 2004 konnte die 1982 gegründete Partei vorübergehend von den damals aufkom-
menden Protesten gegen die Sozialreformen der Bundesregierung profitieren. Die MLPD
hatte 2004 mehr als 2.000 Mitglieder in Deutschland - davon ein paar Handvoll in Hamburg -
                                                       und traute sich zu, „in Einheit mit
                                                       der objektiven Destabilisierung des
                                                       Imperialismus tatsächlich Massen
                                                       zu bewegen und zu führen und
                                                       dabei Partei der Massen zu werden“
                                                       (Dokumente des VII. Parteitages der
                                                       MLPD, Rechenschaftsbericht des
ZK, S. 247). Ihre in Hamburg erzielten Stimmen bei den Bundestagswahlen 1987, 1994 und
1998 bewegten sich - trotz der stets beschworenen Verankerung unter den „proletarischen
Massen“ - prozentual eng an der Nullmarke. Wegen ihrer als sektiererisch geltenden Ideolo-
gie und ihres innerparteilichen Personenkults um ihren Vorsitzenden Stefan ENGEL ist die
Partei - auch innerhalb des linksextremistischen Spektrums - weitgehend bedeutungslos.

2005 führte sie in Hamburg mehrere Wahlkampfveranstaltungen durch - u.a. am 02.09.05
am Anleger Teufelsbrück -, an denen zumeist nicht mehr als zehn Personen teilnahmen.

                                            -7-
Wahlbericht des Hamburger Verfassungsschutzes zur Bundestagswahl 2005

2.2.2
Wahlergebnisse und Bewertung

MLPD                              Landesliste
Wahlkreis                      Stimmen      %
HH-Mitte                         121       0,1
HH-Altona                         86       0,1
HH-Eimsbüttel                     54       0,0
HH-Nord                           47       0,0
HH-Wandsbek                       53       0,0
HH-Bergedorf-Harburg              83       0,1
Gesamt                           444       0,0
Stand: 18.09., vorläufiges amtl. Endergebnis


Die MLPD hat in Hamburg erwartungsgemäß ein prozentual nicht messbares Wahlergebnis
erzielt. Es entspricht ihrer Bedeutungslosigkeit im Hamburger Linksextremismus und dem
Ausmaß ihrer öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten in Hamburg.

Wer „Protest“ wählen wollte, gab seine Stimme einer Partei, die der Öffentlichkeit bekannt
war und der zumindest eine gewisse Durchsetzungskraft zugebilligt wurde.

                                               -8-
Wahlbericht des Hamburger Verfassungsschutzes zur Bundestagswahl 2005

RECHTSEXTREMISMUS

2.3
Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD)

2.3.1
Wahlvorbereitungen

Als einzige rechtsextremistische Partei trat die NPD mit Landeslisten in allen Ländern und in
295 der bundesweit 299 Wahlkreisen mit Direktkandidaten an. Die in Hamburg nicht mehr
als Landesverband existierenden Republikaner (REP) kandidierten nur in neun Ländern mit
Landeslisten, darunter befindet sich kein norddeutsches Land.

                                                   Dem       am       15.01.05    auf    dem
                                                   Bundesparteitag        der      Deutschen
                                                   Volksunion (DVU) zwischen ihrem Partei-
                                                   vorsitzenden Gerhard FREY und dem
                                                   Bundesvorsitzenden       der   NPD    Udo
                                                   VOIGT geschlossenen „Deutschland-
                                                   Pakt“ entsprechend verzichtete die DVU
                                                   auf eine Wahlteilnahme zu Gunsten der
                                                   NPD. Teil der Vereinbarung war die
                                                   Öffnung      der   NPD-Landeslisten    für
                                                   Mitglieder der DVU. So kandidierten die
                                                   beiden Vorsitzenden FREY (Platz 1) und
                                                   VOIGT (Platz 2) gemeinsam auf der Lan-
desliste der NPD in Nordrhein-Westfalen. Dr. Reinhold OBERLERCHER, Hamburg, führen-
der Kopf des rechtsextremistischen Deutschen Kollegs, kandidierte als Parteilloser für die
NPD im unterfränkischen Wahlkreis Main-Spessart. In einigen Ländern wurden neben Mit-
gliedern der DVU auch neonazistische „Freie Nationalisten“ aufgestellt. Bemühungen der
beiden Parteien, auch die REP für das Wahlbündnis zu gewinnen, scheiterten in erster Linie
an dem von deren Bundesvorsitzenden Rolf SCHLIERER konsequent umgesetzten Abgren-
zungskurs der Partei. Nach dem Tod der NPD-Direktkandidatin Kerstin LORENZ aus Dres-
den bewirbt sich der frühere REP-Bundesvorsitzende Franz SCHÖNHUBER um ein Mandat

                                             -9-
Wahlbericht des Hamburger Verfassungsschutzes zur Bundestagswahl 2005

in diesem bundesweit bekannt gewordenen Wahlkreis 160 (Dresden I), in dem erst am
02.10.05 gewählt wird.

2.3.2
Wahlkampf

Beflügelt durch den Einzug in den sächsischen Landtag und ihren Pakt mit der DVU startete
                                die NPD mit großen Hoffnungen in den Wahlkampf. Ihr Wahl-
                                kampfmanager Peter MARX gab als Ziel vor, über drei Direkt-
                                mandate den Einzug in den „Reichstag“ zu erreichen. Nach der
                                gemeinsamen Kandidatur von Linkspartei.PDS und WASG
                                wurde dieses Ziel jedoch revidiert. VOIGT erklärte auf einer
                                gemeinsamen Pressekonferenz mit FREY am 04.08.05 in Berlin
                                das neue Linksbündnis zum Hauptgegner. Insbesondere
                                müsste die „Fremdarbeiter-Aussage“ des Spitzenkandidaten
                                LAFONTAINE aufgegriffen werden. Die NPD befürchtete
                                hierdurch insbesondere in den neuen Ländern erhebliche
                                Stimmeneinbußen               bei   Protestwählern.   Als   realistisches
Wahlziel nannte VOIGT jetzt 2 bis 3 % und den möglichen Gewinn eines Direktmanda-
tes.

Der NPD standen laut Aussagen ihres Parteivorsitzenden ca. 1,2 Millionen Euro für den
Wahlkampf zur Verfügung. Hierfür wurden nach Eigenangaben acht Millionen Flugblätter,
sechs Millionen Plakate, eine Million Wahlzeitungen und eine „Schulhof-CD“ in einer Aufla-
ge von 200.000 Stück produziert. Mit der
strafrechtlich nicht relevanten CD sollten -
wie bereits bei der Wahl in Sachsen -
insbesondere      Jungwähler     angesprochen
werden. In ihren Schriften und Plakaten
sprach     sich    die    NPD      gegen         die
Globalisierung und für die Wiedereinführung
der D-Mark aus. VOIGT äußerte in einem
Sonder-Rundschreiben          wörtlich:        „Bun-
desweit sind wir in diesem Wahlkampf die
einzige    wählbare      Alternative      zu    den
‚Multikulti- und Globalisierungsparteien‘.“ Er
erwarte von allen Mitgliedern während des Wahlkampfes vollen Einsatz, „um die Schweige-
spirale zu durchbrechen“. Die Linkspartei.PDS wurde gezielt mit Stasivorwürfen konfrontiert,

                                                       -10-
Wahlbericht des Hamburger Verfassungsschutzes zur Bundestagswahl 2005

und sie wurde wegen ihrer DDR-Vergangenheit hart angegriffen. Einen ihrer Fernseh-
Werbespots betitelte die NPD auf ihrer Internetseite mit „Oskar L.“. In einem Flugblatt forder-
te die NPD eine „Volksabstimmung gegen den Türkei-Beitritt“ und schürte Ausländerfeind-
lichkeit und Antiamerikanismus. Ein EU-Beitritt der Türkei liege „...vor allem im Interesse der
USA, den Konkurrenten Europa auszuschalten. Die EU soll zu Tode erweitert werden.
...Alles, was Europa schwächt, stärkt die Weltherrschaftsbestrebungen der USA!“ Durch ei-
nen Beitritt der Türkei würden „der Kurdenkonflikt und andere Pulverfässer des Nahen Os-
tens“ nach Europa verlagert werden.

                               Die acht Kandidaten umfassende Hamburger Landesliste
                               der NPD wurde von dem Rechtsanwalt Jürgen RIEGER
                               (Foto) angeführt. Der parteiungebundene Multifunktionär
                               genießt      bundesweit      großes      Ansehen      in    der
                               rechtsextremistischen Szene, u.a. durch die in den letzten
                               Jahren von ihm organisierten „Rudolf Heß-Gedenkmärsche“
                               in Wunsiedel. Die darüber hinaus geplante Direktkandidatur
                               RIEGERs in Rostock/MV scheiterte an Formfehlern bei der
                               Einreichung des Wahlvorschlages. Nachdem die Hamburger
NPD bei der Bundestagswahl 2002 nur in vier Wahlkreisen mit Direktkandidaten angetreten
war, nominierte sie jetzt in allen sechs Kreisen Kandidaten. Weder Mitglieder der DVU noch
ehemalige Angehörige des Hamburger Landesverbandes der REP, die im Januar 2005 im
Rahmen des „Hamburger Signal“ ihren Übertritt zur NPD erklärt hatten, kandidierten. Auch
Vertreter der „Freien Nationalisten“ waren auf der Landesliste nicht vertreten.

Der Hamburger NPD ist es im Laufe des letzten
Jahres gelungen, sich deutlich zu verjüngen.
Aber   nicht   nur   die   jüngeren   Hamburger
Kandidaten sind auffällig, auch deren Qualifi-
kation und Auftreten. Neben dem langjährigen
Landesvorsitzenden Ulrich HARDER stellten drei
weitere Direktkandidaten auf den Internetseiten
des Landesverbandes sich und ihre politischen
Ziele mit Bildern vor. Auf den ersten Blick scheint
es dem Landesverband gelungen zu sein, mit
diesen drei Personen vorzeigbare Kandidaten mit bürgerlichem Hintergrund zu präsentieren.
Anders als die in Teilen ihres sozialen Umfeldes verwurzelten Landtagsabgeordneten in
Sachsen haben diese Direktkandidaten aber noch keine langjährigen Bindungen in Ham-

                                             -11-
Wahlbericht des Hamburger Verfassungsschutzes zur Bundestagswahl 2005

burg. Sie sind alle im Laufe der letzten zwei Jahre aus anderen Ländern bzw. aus dem euro-
päischen Ausland nach Hamburg gezogen.

In Hamburg setzte die NPD im Wahlkampf insbesondere auf das Durchführen von Infostän-
den (Foto S.11). Hierbei wurde sie - vor allem im Bezirk Wandsbek - von Anhängern der
„Neonazi- und Skinheadszene in Bramfeld“ unterstützt. Das von der Bundespartei zur Verfü-
gung gestellte Werbematerial wurde zahlreich verteilt. Die Verbreitung der „Schulhof-CD“
wurde nur vereinzelt an Infoständen der Partei und an Schulen festgestellt. Aufmerksamen
Lehrkräften gelang es, unter Durchsetzung des Hausrechts Verteilungen auf dem Schulge-
lände zu unterbinden.

                                                  Als Höhepunkt ihres Wahlkampfes führte die
                                                  NPD am 15.09.05 eine Wahlkampfkund-
                                                  gebung auf dem Gänsemarkt mit dem
                                                  Spitzenkandidaten Jürgen RIEGER (auf dem
                                                  Foto links) durch. An der Veranstaltung, die
                                                  vor 60 bis 70 Interessierten störungsfrei
                                                  ablief, nahm auch Thomas WULFF, koop-
                                                  tiertes Mitglied des NPD-Bundesvorstandes,
teil (auf dem Foto rechts).

2.3.3
Wahlergebnisse und Bewertung

NPD                              Direkt-                      Landesliste
                              kandidaturen
Wahlkreis                       Stimmen               %         Stimmen             %
HH-Mitte (19)                     2.440               1,4        2.205              1,2
HH-Altona (20)                     974                0,7          951              0,7
HH-Eimsbüttel (21)                1.067               0,7          914              0,6
HH-Nord (22)                      1.056               0,6          982              0,6
HH-Wandsbek (23)                  2.236               1,4        2.166              1,3
HH-Bergedorf-Harburg (24)         2.350               1,5        2.251              1,4
Gesamt                           10.123               1,1        9.469              1,0

Stand: 18.09., vorläufiges amtl. Endergebnis

                                               -12-
Wahlbericht des Hamburger Verfassungsschutzes zur Bundestagswahl 2005

                                                                           Stand: 18.09., vorläufiges
                                                                           amtliches Endergebnis
 5
             4,3
4,5

 4

3,5                        NPD-Zweitstimmenergebnisse bei Bundestagswahlen in %
 3

2,5    2
 2
                                                                                                 1,6
1,5
                                                                 1994: Nicht
 1                  0,6                            0,6           kandidiert
                             0,3                          0,3                  0,3     0,4
0,5                                 0,2    0,2
                                                                      0
 0
      1965   1969   1972     1976   1980   1983    1987   1990      1994       1998   2002      2005

                                                                           Stand: 18.09., vorläufiges
4,5
      3,9                                                                  amtliches Endergebnis
 4

3,5

 3           2,7

2,5
                             NPD-Ergebnisse bei Hamburger Bürgerschaftswahlen in %
 2

1,5
                    0,8
 1
                             0,3
0,5                                                                            0,1               0,3
                                     0      0       0      0          0                 0
 0
      1966   1970   1974     1978   1982   1986    1987   1991      1993       1997   2001      2004

1982, 1986, 1987, 1991:
Statt der NPD nahm die „Hamburger Liste für Ausländerstop“ (HLA) teil. Sie war im April
1982 auf Initiative Hamburger NPD-Funktionäre zur Teilnahme an der Hamburger Bürger-
schaftswahl gegründet worden.
1993:
Nicht kandidiert
2001:
Teilnahme nur an den Wahlen zu den Bezirksversammlungen - außer in Bergedorf

                                            -13-
Wahlbericht des Hamburger Verfassungsschutzes zur Bundestagswahl 2005

                                                                                                                                                                                                             Stand: 18.09., vorläufiges
4,5                                                                                                                                                                                                          amtliches Endergebnis
               3,9
 4                       3,5
3,5                                                                         Hamburger NPD-Ergebnisse
 3                                2,7                          bei Bundestags-, Bürgerschafts- und Europawahlen in %

2,5                                                                                                                                                                                                                            Bundestagswahlen
      1,8                                                                                                                                                                                                                      Bürgerschaftswahlen
 2                                                                                                                                                                                                                             EUROPA-Wahlen

1,5
                                                     0,8                                                                                                                                                                                                                               1,0
 1                                                                                                                     0,7
                                            0,4                         0,3
                                                               0,2                         0,2                                                      0,4               0,3                                                                                                     0,4
0,5
                                                                                  0,0               0,0 0,2                                                                                                 0,2 0,1 0,1 0,3                                0,2 0,3
                                                                                                                                0,0 0,0                      0,0               0,0 0,0 0,0                                                       0,0
 0
                                                                                  EU1979

                                                                                                                       EU1984

                                                                                                                                                             EU1989

                                                                                                                                                                                                            EU1994

                                                                                                                                                                                                                                        EU1999

                                                                                                                                                                                                                                                                              EU2004
      Bu1965
               Bür1966
                         Bu1969
                                  Bür1970
                                            Bu1972
                                                     Bür1974
                                                               Bu1976
                                                                        Bür1978

                                                                                           Bu1980
                                                                                                    Bür1982
                                                                                                              Bu1983

                                                                                                                                Bür1986
                                                                                                                                          Bür1987
                                                                                                                                                    Bu1987

                                                                                                                                                                      Bu1990
                                                                                                                                                                               Bür1991
                                                                                                                                                                                         Bür1993
                                                                                                                                                                                                   Bu1994

                                                                                                                                                                                                                     Bür1997
                                                                                                                                                                                                                               Bu1998

                                                                                                                                                                                                                                                 Bür2001
                                                                                                                                                                                                                                                           Bu2002
                                                                                                                                                                                                                                                                    Bür2004

                                                                                                                                                                                                                                                                                       Bu2005
               Bür 1982, 1986, 1987, 1991:
               Statt der NPD nahm die „Hamburger Liste für Ausländerstop“ (HLA) teil. Sie war im April
               1982 auf Initiative Hamburger NPD-Funktionäre zur Teilnahme an der Hamburger Bür-
               gerschaftswahl gegründet worden.
               Bür 2001:
               Teilnahme nur an den Wahlen zu den Bezirksversammlungen - außer in Bergedorf
               EU 79, EU 89, Bür 93, Bu 94:
               Nicht kandidiert

  
  Der einzigen rechtsextremistischen Partei, die in Hamburg zur Wahl angetreten ist, gelang
  mit - im Bundesvergleich unterdurchschnittlichen - 1,0 % das beste Ergebnis seit 1972 in
  Hamburg, mit dem sie diesmal in den Genuss der Wahlkampfkostenerstattung kam. Sie hat
  einen kleinen Teil des (rechten) Protestpotentials und ehemalige REP-Anhänger binden
  können

  Die NPD konnte auf Bundesebene ihr Ergebnis von 2002 vervierfachen.

  Das Abschneiden der NPD kann durchaus als Signal verstanden werden, dass Rechtsext-
  remisten bei den nächsten Landtagswahlen wieder und noch deutlicher gestärkt werden
  können. Udo VOIGT bezeichnete das NPD-Landesergebnis von Mecklenburg-Vorpommern,
  wo die NPD 3,5% der Zweitstimmen erzielte, als beste Voraussetzung, um dort 2006 in den
  Landtag einzuziehen.

                                                                                                                                    -14-
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