Wahl zum 16. Deutschen Bundestag am 18. September 2005
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Freie und Hansestadt Hamburg Behörde für Inneres Landesamt für Verfassungsschutz Wahl zum 16. Deutschen Bundestag am 18. September 2005 Wahlkampf und Wahlergebnisse extremistischer Parteien in Hamburg Wegen des Todes einer NPD-Kandidatin im Wahl- kreis Dresden I wird dort erst am 02.10. gewählt. Die Ergebnisse in diesem Bericht gehen auf das vorläufige amtliche Endergebnis vom 18.09. zurück.
Wahlbericht des Hamburger Verfassungsschutzes zur Bundestagswahl 2005 Inhalt 1. Ausgangssituation 1 2. Vorbereitungen, Wahlaussagen, Reaktionen, Wahlkampf, Ergebnisse 2 LINKSEXTREMISMUS 2.1 Die Linkspartei.PDS Landesverband Hamburg (Die Linke) 2 2.1.1 Wahlvorbereitungen 2 2.1.2 Wahlkampf 3 2.1.3 Wahlergebnisse und Bewertung 5 2.2 Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) 7 2.2.1 Allgemeines 7 2.2.2 Wahlergebnisse und Bewertung 8 RECHTSEXTREMISMUS 2.3 Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) 9 2.3.1 Wahlvorbereitungen 9 2.3.2 Wahlkampf 10 2.3.3 Wahlergebnisse und Bewertung 12 1. Ausgangssituation Ausgangssituation im Bund Die dieser 16. Bundestagswahl vorausgegangene Wahl zum 15. Deutschen Bundestag fand erst vor drei Jahren statt, am 22.09.2002. Die vorgezogene Neuwahl am 18. September 2005 geht zurück auf die Vertrauensfrage, die der Bundeskanzler in der Sitzung des Bundestages vom 01.07.05 stellte. Ihm wurde - wie von ihm beabsichtigt - das Vertrauen nicht ausgesprochen. Daraufhin ordnete der Bundespräsident am 21.07.05 die Auflösung des Bundestages an und setzte Neuwahlen für den 18. September 2005 fest. -1-
Wahlbericht des Hamburger Verfassungsschutzes zur Bundestagswahl 2005 Die Organklage von zwei Bundestagsabgeordneten, die sich gegen diese Anordnung des Bundespräsidenten gewandt hatten, wies das Bundesverfassungsgericht am 25.08.05 als unbegründet zurück. Damit war der Weg zu Neuwahlen frei. Hamburg: Landeslisten von Die Linkspartei.PDS, MLPD und NPD zugelassen Der Hamburger Landeswahlausschuss hat die Landeslisten von zehn Parteien zugelassen. Darunter befinden sich die beiden linksextremistischen Parteien Die Linkspartei.PDS Lan- desverband Hamburg (Die Linke) und die Marxistisch- Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) sowie die rechts- extremistische Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD). Nach den Entscheidungen der sechs Hamburger Kreiswahlausschüsse, die über die Zulassung der Direktkandi- daten oder der Direktkandidatinnen zu befinden hatten, sind auch für Die Linke und die NPD (so die Kurzbezeichnungen des jeweiligen Wahlvorschlags) in allen Kreisen Direktkandidaten zugelassen worden. Die MLPD trat nur mit einer Landeslis- te an, also ohne Direktkandidaten/-Kandidatinnen. 2. Vorbereitungen, Wahlaussagen, Reaktionen, Wahlkampf, Ergebnisse LINKSEXTREMISMUS 2.1 Die Linkspartei.PDS Landesverband Hamburg (Die Linke) 2.1.1 Wahlvorbereitungen Die Linkspartei.PDS (Die Linke) (im Folgenden: Die Linkspartei.PDS) war in allen 16 Län- dern mit Landeslisten vertreten. Auf ihren offenen Listen kandidierten auch Angehörige der neu gegründeten Partei Wahlalternative Arbeit & soziale Gerechtigkeit (WASG). Daneben öffnete sie ihre Listen auch für andere Linksextremisten, u.a. für Mitglieder der Deut- schen Kommunistischen Partei (DKP). Als Spitzenkandidaten wurden von der Linkspar- tei.PDS der ehemalige PDS-Bundesvorsitzende Gregor GYSI und von der WASG der ehe- malige SPD-Vorsitzende Oskar LAFONTAINE nominiert. -2-
Wahlbericht des Hamburger Verfassungsschutzes zur Bundestagswahl 2005 Vorausgegangen war für beide Parteien ein langer Weg von Absprachen über die Grundla- gen einer gemeinsamen Zusammenarbeit, der am 10.06.2005 schließlich zu einem Wahl- bündnis führte. Eine der wesentlichsten Forderungen der WASG zielte auf die Umbenennung der PDS, weil dieses Kürzel zu sehr mit der SED/DDR-Vergangenheit der Partei verknüpft würde. Nach teilweise kontroversen Diskussionen in den Landesverbänden und der Bundes- partei wurde auf der Außerordentlichen Tagung des 9. Parteitages der PDS am 17.07.05 in Berlin die Umbenennung in Die Linkspartei.PDS - wahlweise mit oder ohne Kürzel PDS - beschlossen. Der Parteivorsitzende Lothar BISKY rief die Partei zu einem „zweiten Aufbruch“ nach 1989 auf. Die Linkspartei.PDS gehe mit einem „modernen sozialistischen Programm“ in die Bundestagswahl. Die Umbenennung sei ein Zeichen der Erneuerung. Im Vorfeld waren rechtliche Bedenken über die Zulässigkeit der Kandidatenlisten der Links- partei.PDS geäußert worden. Den Landeswahlleitern zufolge habe es jedoch in keinem Land ernsthafte Einwände gegen die Beteiligung dieser Partei an der Bundestagswahl gegeben . 2.1.2 Wahlkampf Auf dem Bundesparteitag der Linkspartei.PDS am 27.08.2005 in Berlin wurde das Wahlpro- gramm beschlossen. Die Namensänderung der PDS und das neu verabschiedete Programm bedeuten keine politische Neuausrichtung. Damit bleibt das von der PDS angestrebte Ziel der Sozialismus. Die Partei sieht ihre Schwerpunkte in der Arbeits-, Sozial- und Familienpolitik. Extremistische Äußerungen wurden in den Wahlaussagen vermieden. Eine über die Wahl hinausgehende programmatische Grundlage für die (in zwei Jahren) angestrebte Vereinigung mit der WASG existiert noch nicht. Die Reaktionen unter Linksextremisten auf die Kandidatur der Linkspartei.PDS war zwiespäl- tig. Sie reichte von Zustimmung bzw. Unterstützung bis zu deutlicher Skepsis und Ableh- nung. So verzichtete die DKP, die die Linkspartei.PDS unterstützt, auf eine eigene -3-
Wahlbericht des Hamburger Verfassungsschutzes zur Bundestagswahl 2005 Kandidatur, um keine Konkurrenzsituation zu schaffen. Mehr als 300 Initiativen und Einzelpersonen aus autonomen und Gruppierungen des linksextremistischen Spektrums unter- zeichneten einen am 08.07.05 veröffentlichten Brief. Darin fordern sie das Wahlbündnis auf, den Wahlkampf ohne rassistische und nationalistische Untertöne „a la Lafontaine“ zu führen und für eine Stärkung der Rechte von Flüchtlingen sowie illegal in Deutschland lebenden Menschen einzutreten. Der Appell lässt durchblicken, dass für die Unterzeichner eine Wahl der Linkspartei.PDS unter den genannten Voraussetzungen denkbar ist. Auch die WASG erweckte bei Linksextremisten Aufmerksamkeit. Insbesondere Angehörige trotzkistischer Organisationen versuchten, die WASG zu unterwandern und in der Partei Ein- fluss zu nehmen, allerdings mit insgesamt geringem Erfolg. In Hamburg wurde am 30./31.07.05 die Landesliste aufgestellt, und die Direktkandidaten der Linkspartei.PDS wurden gewählt. Auch hier trat die Linkspartei.PDS mit einer offenen Liste an. Als Spitzenkandidat der Landesliste wurde der parteilose Professor Norman PAECH (Foto) gewählt. Auf den weiteren Plätzen der Landesliste und als Direktkandidaten in den Bezirken sind Mitglieder der umbenannten PDS und andere Linksextremisten sowie WASG- Mitglieder vertreten. Wie bundesweit gab es auch in Hamburg bei zahlreichen Mit- gliedern der ehemaligen PDS Bedenken gegen die Umbenennung, weil hierin eine Aufgabe sozialistischer Inhalte gesehen wurde. Am 11.08.05 eröffnete die Linkspartei.PDS den Wahlkampf mit einer Veranstaltung im Ham- burg-Haus und stellte ihre Kandidaten vor. Auf zahlreichen weiteren Veranstaltungen sowie mit Infoständen und Flugblattverteilungen präsentierten Vertreter der Partei Inhalte und Schwerpunkte des Wahlprogramms. Die Wahlaussagen unterscheiden sich nicht von denen der Bundespartei. -4-
Wahlbericht des Hamburger Verfassungsschutzes zur Bundestagswahl 2005 2.1.3 Wahlergebnisse und Bewertung Die Linkspartei.PDS Direktkandidaturen Landesliste Landesverband Hamburg (Die Linke) Wahlkreis Stimmen % Stimmen % HH-Mitte 10.882 6,1 13.960 7,9 HH-Altona 6.490 4,8 8.961 6,6 HH-Eimsbüttel 6.371 4,4 8.955 6,1 HH-Nord 5.611 3,4 7.960 4,8 HH-Wandsbek 7.541 4,7 9.815 6,1 HH-Bergedorf-Harburg 7.631 4,9 9.826 6,3 Gesamt 44.526 4,7 59.477 6,3 Stand: 18.09., vorläufiges amtl. Endergebnis Bundesweite PDS-Zweitstimmenergebnisse bei Bundestagswahlen in % 10 8,7 9 Stand: 18.09., vorläufiges amtliches 8 Endergebnis 7 6 5,1 5 4,4 4 4 2,4 3 2 1 0 1990 1994 1998 2002 2005 -5-
Wahlbericht des Hamburger Verfassungsschutzes zur Bundestagswahl 2005 Hamburger PDS-Ergebnisse bei Bundestags-, Bürgerschafts- und Europawahlen in % 7 Stand: 18.09., vorläufiges 6,3 amtliches Endergebnis 6 5 4 3,3 3 2,8 2,2 2,3 2,1 2 1,4 1,1 0,5 0,7 1 0,4 0 0 0 0 1 3 7 1 4 89 94 99 04 94 98 02 05 0 99 99 99 00 00 99 19 19 19 20 19 19 20 20 r1 r1 r1 r2 r2 n1 EU EU EU EU Bu Bu Bu Bu Bü Bü Bü Bü Bü Bu EU1989 und Bür1993: Nicht kandidiert Bu1990, Bür1991 und Bür1997: Kandidiert als "PDS-Linke Liste" Bür2004: Kandidiert bei "Regenbogen" Bu2005: Kandidiert als „Die Linke.PDS“ Die in Die Linke.PDS umbenannte PDS hat in Hamburg noch nie einen so hohen Anteil an Zweitstimmen erreicht wie bei dieser Bundestagswahl. Sie entsendet mit Prof. Norman PAECH einen Abgeordneten in den Deutschen Bundestag. Das gute Abschneiden dürfte vorrangig darauf zurückzuführen sein, dass der Wahlkampf der Partei auf die Klientel der WASG zugeschnitten war und so - offenbar mit Erfolg - auch ein Potential angesprochen werden konnte, das zwar gegen die Sozialreformen der Bundesre- gierung protestieren wollte, aber nicht „PDS pur“ gewählt hätte. Für PDS-Anhänger könnte eine besondere Motivation zur Wahl darin bestanden haben, das strategische Ziel der West- ausdehnung der Partei zu unterstützen. Ihr Hauptziel hat Die Linke.PDS erreicht: Sie zieht wieder mit Fraktionsstärke in den Bundes- tag ein. -6-
Wahlbericht des Hamburger Verfassungsschutzes zur Bundestagswahl 2005 2.2 Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) 2.2.1 Allgemeines In Hamburg – wie im gesamten Bundesgebiet – trat die maoistisch-stalinistisch ausgerichtete Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) mit einer Landesliste zur Bundes- tagswahl an. Im Jahr 2004 konnte die 1982 gegründete Partei vorübergehend von den damals aufkom- menden Protesten gegen die Sozialreformen der Bundesregierung profitieren. Die MLPD hatte 2004 mehr als 2.000 Mitglieder in Deutschland - davon ein paar Handvoll in Hamburg - und traute sich zu, „in Einheit mit der objektiven Destabilisierung des Imperialismus tatsächlich Massen zu bewegen und zu führen und dabei Partei der Massen zu werden“ (Dokumente des VII. Parteitages der MLPD, Rechenschaftsbericht des ZK, S. 247). Ihre in Hamburg erzielten Stimmen bei den Bundestagswahlen 1987, 1994 und 1998 bewegten sich - trotz der stets beschworenen Verankerung unter den „proletarischen Massen“ - prozentual eng an der Nullmarke. Wegen ihrer als sektiererisch geltenden Ideolo- gie und ihres innerparteilichen Personenkults um ihren Vorsitzenden Stefan ENGEL ist die Partei - auch innerhalb des linksextremistischen Spektrums - weitgehend bedeutungslos. 2005 führte sie in Hamburg mehrere Wahlkampfveranstaltungen durch - u.a. am 02.09.05 am Anleger Teufelsbrück -, an denen zumeist nicht mehr als zehn Personen teilnahmen. -7-
Wahlbericht des Hamburger Verfassungsschutzes zur Bundestagswahl 2005 2.2.2 Wahlergebnisse und Bewertung MLPD Landesliste Wahlkreis Stimmen % HH-Mitte 121 0,1 HH-Altona 86 0,1 HH-Eimsbüttel 54 0,0 HH-Nord 47 0,0 HH-Wandsbek 53 0,0 HH-Bergedorf-Harburg 83 0,1 Gesamt 444 0,0 Stand: 18.09., vorläufiges amtl. Endergebnis Die MLPD hat in Hamburg erwartungsgemäß ein prozentual nicht messbares Wahlergebnis erzielt. Es entspricht ihrer Bedeutungslosigkeit im Hamburger Linksextremismus und dem Ausmaß ihrer öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten in Hamburg. Wer „Protest“ wählen wollte, gab seine Stimme einer Partei, die der Öffentlichkeit bekannt war und der zumindest eine gewisse Durchsetzungskraft zugebilligt wurde. -8-
Wahlbericht des Hamburger Verfassungsschutzes zur Bundestagswahl 2005 RECHTSEXTREMISMUS 2.3 Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) 2.3.1 Wahlvorbereitungen Als einzige rechtsextremistische Partei trat die NPD mit Landeslisten in allen Ländern und in 295 der bundesweit 299 Wahlkreisen mit Direktkandidaten an. Die in Hamburg nicht mehr als Landesverband existierenden Republikaner (REP) kandidierten nur in neun Ländern mit Landeslisten, darunter befindet sich kein norddeutsches Land. Dem am 15.01.05 auf dem Bundesparteitag der Deutschen Volksunion (DVU) zwischen ihrem Partei- vorsitzenden Gerhard FREY und dem Bundesvorsitzenden der NPD Udo VOIGT geschlossenen „Deutschland- Pakt“ entsprechend verzichtete die DVU auf eine Wahlteilnahme zu Gunsten der NPD. Teil der Vereinbarung war die Öffnung der NPD-Landeslisten für Mitglieder der DVU. So kandidierten die beiden Vorsitzenden FREY (Platz 1) und VOIGT (Platz 2) gemeinsam auf der Lan- desliste der NPD in Nordrhein-Westfalen. Dr. Reinhold OBERLERCHER, Hamburg, führen- der Kopf des rechtsextremistischen Deutschen Kollegs, kandidierte als Parteilloser für die NPD im unterfränkischen Wahlkreis Main-Spessart. In einigen Ländern wurden neben Mit- gliedern der DVU auch neonazistische „Freie Nationalisten“ aufgestellt. Bemühungen der beiden Parteien, auch die REP für das Wahlbündnis zu gewinnen, scheiterten in erster Linie an dem von deren Bundesvorsitzenden Rolf SCHLIERER konsequent umgesetzten Abgren- zungskurs der Partei. Nach dem Tod der NPD-Direktkandidatin Kerstin LORENZ aus Dres- den bewirbt sich der frühere REP-Bundesvorsitzende Franz SCHÖNHUBER um ein Mandat -9-
Wahlbericht des Hamburger Verfassungsschutzes zur Bundestagswahl 2005 in diesem bundesweit bekannt gewordenen Wahlkreis 160 (Dresden I), in dem erst am 02.10.05 gewählt wird. 2.3.2 Wahlkampf Beflügelt durch den Einzug in den sächsischen Landtag und ihren Pakt mit der DVU startete die NPD mit großen Hoffnungen in den Wahlkampf. Ihr Wahl- kampfmanager Peter MARX gab als Ziel vor, über drei Direkt- mandate den Einzug in den „Reichstag“ zu erreichen. Nach der gemeinsamen Kandidatur von Linkspartei.PDS und WASG wurde dieses Ziel jedoch revidiert. VOIGT erklärte auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit FREY am 04.08.05 in Berlin das neue Linksbündnis zum Hauptgegner. Insbesondere müsste die „Fremdarbeiter-Aussage“ des Spitzenkandidaten LAFONTAINE aufgegriffen werden. Die NPD befürchtete hierdurch insbesondere in den neuen Ländern erhebliche Stimmeneinbußen bei Protestwählern. Als realistisches Wahlziel nannte VOIGT jetzt 2 bis 3 % und den möglichen Gewinn eines Direktmanda- tes. Der NPD standen laut Aussagen ihres Parteivorsitzenden ca. 1,2 Millionen Euro für den Wahlkampf zur Verfügung. Hierfür wurden nach Eigenangaben acht Millionen Flugblätter, sechs Millionen Plakate, eine Million Wahlzeitungen und eine „Schulhof-CD“ in einer Aufla- ge von 200.000 Stück produziert. Mit der strafrechtlich nicht relevanten CD sollten - wie bereits bei der Wahl in Sachsen - insbesondere Jungwähler angesprochen werden. In ihren Schriften und Plakaten sprach sich die NPD gegen die Globalisierung und für die Wiedereinführung der D-Mark aus. VOIGT äußerte in einem Sonder-Rundschreiben wörtlich: „Bun- desweit sind wir in diesem Wahlkampf die einzige wählbare Alternative zu den ‚Multikulti- und Globalisierungsparteien‘.“ Er erwarte von allen Mitgliedern während des Wahlkampfes vollen Einsatz, „um die Schweige- spirale zu durchbrechen“. Die Linkspartei.PDS wurde gezielt mit Stasivorwürfen konfrontiert, -10-
Wahlbericht des Hamburger Verfassungsschutzes zur Bundestagswahl 2005 und sie wurde wegen ihrer DDR-Vergangenheit hart angegriffen. Einen ihrer Fernseh- Werbespots betitelte die NPD auf ihrer Internetseite mit „Oskar L.“. In einem Flugblatt forder- te die NPD eine „Volksabstimmung gegen den Türkei-Beitritt“ und schürte Ausländerfeind- lichkeit und Antiamerikanismus. Ein EU-Beitritt der Türkei liege „...vor allem im Interesse der USA, den Konkurrenten Europa auszuschalten. Die EU soll zu Tode erweitert werden. ...Alles, was Europa schwächt, stärkt die Weltherrschaftsbestrebungen der USA!“ Durch ei- nen Beitritt der Türkei würden „der Kurdenkonflikt und andere Pulverfässer des Nahen Os- tens“ nach Europa verlagert werden. Die acht Kandidaten umfassende Hamburger Landesliste der NPD wurde von dem Rechtsanwalt Jürgen RIEGER (Foto) angeführt. Der parteiungebundene Multifunktionär genießt bundesweit großes Ansehen in der rechtsextremistischen Szene, u.a. durch die in den letzten Jahren von ihm organisierten „Rudolf Heß-Gedenkmärsche“ in Wunsiedel. Die darüber hinaus geplante Direktkandidatur RIEGERs in Rostock/MV scheiterte an Formfehlern bei der Einreichung des Wahlvorschlages. Nachdem die Hamburger NPD bei der Bundestagswahl 2002 nur in vier Wahlkreisen mit Direktkandidaten angetreten war, nominierte sie jetzt in allen sechs Kreisen Kandidaten. Weder Mitglieder der DVU noch ehemalige Angehörige des Hamburger Landesverbandes der REP, die im Januar 2005 im Rahmen des „Hamburger Signal“ ihren Übertritt zur NPD erklärt hatten, kandidierten. Auch Vertreter der „Freien Nationalisten“ waren auf der Landesliste nicht vertreten. Der Hamburger NPD ist es im Laufe des letzten Jahres gelungen, sich deutlich zu verjüngen. Aber nicht nur die jüngeren Hamburger Kandidaten sind auffällig, auch deren Qualifi- kation und Auftreten. Neben dem langjährigen Landesvorsitzenden Ulrich HARDER stellten drei weitere Direktkandidaten auf den Internetseiten des Landesverbandes sich und ihre politischen Ziele mit Bildern vor. Auf den ersten Blick scheint es dem Landesverband gelungen zu sein, mit diesen drei Personen vorzeigbare Kandidaten mit bürgerlichem Hintergrund zu präsentieren. Anders als die in Teilen ihres sozialen Umfeldes verwurzelten Landtagsabgeordneten in Sachsen haben diese Direktkandidaten aber noch keine langjährigen Bindungen in Ham- -11-
Wahlbericht des Hamburger Verfassungsschutzes zur Bundestagswahl 2005 burg. Sie sind alle im Laufe der letzten zwei Jahre aus anderen Ländern bzw. aus dem euro- päischen Ausland nach Hamburg gezogen. In Hamburg setzte die NPD im Wahlkampf insbesondere auf das Durchführen von Infostän- den (Foto S.11). Hierbei wurde sie - vor allem im Bezirk Wandsbek - von Anhängern der „Neonazi- und Skinheadszene in Bramfeld“ unterstützt. Das von der Bundespartei zur Verfü- gung gestellte Werbematerial wurde zahlreich verteilt. Die Verbreitung der „Schulhof-CD“ wurde nur vereinzelt an Infoständen der Partei und an Schulen festgestellt. Aufmerksamen Lehrkräften gelang es, unter Durchsetzung des Hausrechts Verteilungen auf dem Schulge- lände zu unterbinden. Als Höhepunkt ihres Wahlkampfes führte die NPD am 15.09.05 eine Wahlkampfkund- gebung auf dem Gänsemarkt mit dem Spitzenkandidaten Jürgen RIEGER (auf dem Foto links) durch. An der Veranstaltung, die vor 60 bis 70 Interessierten störungsfrei ablief, nahm auch Thomas WULFF, koop- tiertes Mitglied des NPD-Bundesvorstandes, teil (auf dem Foto rechts). 2.3.3 Wahlergebnisse und Bewertung NPD Direkt- Landesliste kandidaturen Wahlkreis Stimmen % Stimmen % HH-Mitte (19) 2.440 1,4 2.205 1,2 HH-Altona (20) 974 0,7 951 0,7 HH-Eimsbüttel (21) 1.067 0,7 914 0,6 HH-Nord (22) 1.056 0,6 982 0,6 HH-Wandsbek (23) 2.236 1,4 2.166 1,3 HH-Bergedorf-Harburg (24) 2.350 1,5 2.251 1,4 Gesamt 10.123 1,1 9.469 1,0 Stand: 18.09., vorläufiges amtl. Endergebnis -12-
Wahlbericht des Hamburger Verfassungsschutzes zur Bundestagswahl 2005 Stand: 18.09., vorläufiges amtliches Endergebnis 5 4,3 4,5 4 3,5 NPD-Zweitstimmenergebnisse bei Bundestagswahlen in % 3 2,5 2 2 1,6 1,5 1994: Nicht 1 0,6 0,6 kandidiert 0,3 0,3 0,3 0,4 0,5 0,2 0,2 0 0 1965 1969 1972 1976 1980 1983 1987 1990 1994 1998 2002 2005 Stand: 18.09., vorläufiges 4,5 3,9 amtliches Endergebnis 4 3,5 3 2,7 2,5 NPD-Ergebnisse bei Hamburger Bürgerschaftswahlen in % 2 1,5 0,8 1 0,3 0,5 0,1 0,3 0 0 0 0 0 0 0 1966 1970 1974 1978 1982 1986 1987 1991 1993 1997 2001 2004 1982, 1986, 1987, 1991: Statt der NPD nahm die „Hamburger Liste für Ausländerstop“ (HLA) teil. Sie war im April 1982 auf Initiative Hamburger NPD-Funktionäre zur Teilnahme an der Hamburger Bürger- schaftswahl gegründet worden. 1993: Nicht kandidiert 2001: Teilnahme nur an den Wahlen zu den Bezirksversammlungen - außer in Bergedorf -13-
Wahlbericht des Hamburger Verfassungsschutzes zur Bundestagswahl 2005 Stand: 18.09., vorläufiges 4,5 amtliches Endergebnis 3,9 4 3,5 3,5 Hamburger NPD-Ergebnisse 3 2,7 bei Bundestags-, Bürgerschafts- und Europawahlen in % 2,5 Bundestagswahlen 1,8 Bürgerschaftswahlen 2 EUROPA-Wahlen 1,5 0,8 1,0 1 0,7 0,4 0,3 0,2 0,2 0,4 0,3 0,4 0,5 0,0 0,0 0,2 0,2 0,1 0,1 0,3 0,2 0,3 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0 EU1979 EU1984 EU1989 EU1994 EU1999 EU2004 Bu1965 Bür1966 Bu1969 Bür1970 Bu1972 Bür1974 Bu1976 Bür1978 Bu1980 Bür1982 Bu1983 Bür1986 Bür1987 Bu1987 Bu1990 Bür1991 Bür1993 Bu1994 Bür1997 Bu1998 Bür2001 Bu2002 Bür2004 Bu2005 Bür 1982, 1986, 1987, 1991: Statt der NPD nahm die „Hamburger Liste für Ausländerstop“ (HLA) teil. Sie war im April 1982 auf Initiative Hamburger NPD-Funktionäre zur Teilnahme an der Hamburger Bür- gerschaftswahl gegründet worden. Bür 2001: Teilnahme nur an den Wahlen zu den Bezirksversammlungen - außer in Bergedorf EU 79, EU 89, Bür 93, Bu 94: Nicht kandidiert Der einzigen rechtsextremistischen Partei, die in Hamburg zur Wahl angetreten ist, gelang mit - im Bundesvergleich unterdurchschnittlichen - 1,0 % das beste Ergebnis seit 1972 in Hamburg, mit dem sie diesmal in den Genuss der Wahlkampfkostenerstattung kam. Sie hat einen kleinen Teil des (rechten) Protestpotentials und ehemalige REP-Anhänger binden können Die NPD konnte auf Bundesebene ihr Ergebnis von 2002 vervierfachen. Das Abschneiden der NPD kann durchaus als Signal verstanden werden, dass Rechtsext- remisten bei den nächsten Landtagswahlen wieder und noch deutlicher gestärkt werden können. Udo VOIGT bezeichnete das NPD-Landesergebnis von Mecklenburg-Vorpommern, wo die NPD 3,5% der Zweitstimmen erzielte, als beste Voraussetzung, um dort 2006 in den Landtag einzuziehen. -14-
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