Studie zum Vergleich der Parteiprogramme von PDS und WASG - Horst Dietzel, Jana Hoffmann, Gerry Woop
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Horst Dietzel, Jana Hoffmann, Gerry Woop Studie zum Vergleich der Parteiprogramme von PDS und WASG
Horst Dietzel, Jana Hoffmann, Gerry Woop Studie zum Vergleich der Parteiprogramme von PDS und WASG im Auftrag der Rosa-Luxemburg-Stiftung Oktober 2005
© Rosa-Luxemburg-Stiftung 2005 2
Inhaltsverzeichnis I. Vorbemerkungen...................................................................................................................5 II. Das Selbstverständnis der Parteien .....................................................................................7 1. Ziel- und Wertorientierungen ................................................................................................................ 7 2. Bestimmung der gegenwärtigen gesellschaftlichen Verhältnisse und neuer Herausforderungen ................................................................................................................................ 8 3. Parteicharakter........................................................................................................................................ 11 III. Komparative Analyse einzelner Politikfelder .....................................................................13 1. Wirtschafts-, Steuer- und Arbeitsmarktpolitik ................................................................................ 13 2. Ostdeutschland und andere strukturschwache Gebiete ............................................................ 17 3. Soziale Sicherungssysteme................................................................................................................ 18 4. Ökologischer Umbau ............................................................................................................................ 20 5. Bildung, Wissenschaft und Hochschulen ....................................................................................... 21 6. Lebensweise, Individualität und Kultur ............................................................................................ 23 7. Demokratie und Staatsverständnis .................................................................................................. 24 8. Ausländerinnen- und Migrantinnenpolitik ....................................................................................... 27 9. Gleichstellung und Feminismus......................................................................................................... 27 10. Außen-, Sicherheits- und Friedenspolitik ..................................................................................... 28 11. Europapolitik ......................................................................................................................................... 31 IV. Zusammenfassende Wertung...........................................................................................33 1. Grundsätzliche Aussagen, Selbstverständnis............................................................................... 33 2. Zu einzelnen Politikfeldern .................................................................................................................. 34 Quellen ...................................................................................................................................37 Angaben zu den Autoren........................................................................................................37
I. Vorbemerkungen Mit der Bundestagswahl 2005 ist ein erster Anlage. Ursache hierfür ist deren Entste- Abschnitt der Kooperation zwischen PDS hungsgeschichte. Die PDS verabschiedete und WASG erfolgreich abgeschlossen, der ihr Parteiprogramm nach jahrelangen De- von beiden Seiten mit politischer Vernunft batten im Jahre 2003, in der es neben den gestaltet worden ist. Die PDS hat ihren konkreten Politikangeboten sehr stark um Namen in Linkspartei.PDS verändert, um identitätsstiftende Fragen zu gesellschaft- der WASG gegenüber ein Signal zu set- lichen Weg- und Zielvorstellungen und zen, dass die Kooperation im Vorfeld der zum Selbstverständnis des Demokrati- Wahlen auf Dauer angelegt ist. Im Gegen- schen Sozialismus ging. Es löste das Pro- zug hat die WASG sich bereit erklärt, unter gramm von 1994 ab. Bei der WASG han- den gegebenen Wahlrechtsbedingungen delt es sich um das Gründungsprogramm eigene Mitglieder auf PDS-Listen kandidie- einer Protest- und Abspaltungsbewegung ren zu lassen. Eine Fraktion mit dem neu- mit stark sozialdemokratischer und ge- en Namen „Die Linke“ ist mit 54 Abgeord- werkschaftlicher Prägung. Die Partei ent- neten die erste parlamentarische Vertre- stand vor allem aus Protest gegenüber der tung einer gesamtdeutsch verankerten Politik der SPD unter Kanzler Gerhard Linken links der Sozialdemokratie seit Schröder. Es sollten möglichst viele Men- 1949 im Deutschen Bundestag. Neben schen angesprochen werden, ohne ideo- dem parlamentarischen Arbeitszusam- logische oder weltanschauliche Hürden menhang stehen als Kern dieser Koopera- aufzubauen. Der Name „Wahlalternati- tion die Parteien WASG und Linkspar- ve…“ sagt schon aus, worauf sich diese tei.PDS vor der Herausforderung, inner- Partei von Anfang an konzentrierte. halb der kommenden zwei Jahre zu fusio- nieren. Vor diesem Hintergrund erschließen sich sehr unterschiedliche konstitutive und Dabei dient ein Programmvergleich dazu, Gliederungselemente: Das PDS- die Gemeinsamkeiten und Unterschiede Programm ist wesentlich umfangreicher. zwischen der Linkspartei.PDS und der Es enthält neben den konkreten Politikfel- WASG herauszuarbeiten. 1 Er soll Auf- dern umfangreiche Abschnitte über den schluss darüber geben, wie nah oder fern Sozialismus als Ziel, Weg und Wert, über sich beide Parteien programmatisch sind. die gegenwärtige Welt und über den Cha- Schwerpunkte des Vergleichs sind das rakter der PDS selbst. Dem gegenüber allgemeine Selbstverständnis beider Par- konzentriert sich das WASG-Programm teien (gesellschaftliche Weg- und Zielvor- auf die Politikfelder und zeitnahe Alternati- stellungen, Werteorientierungen, Analyse ven. der gesellschaftlichen Verhältnisse, neue Herausforderungen, Parteicharakter) und eine Analyse der hauptsächlichen Politik- In die Analyse werden auch die Parteipro- felder. Bezüge zur politischen Praxis sind gramme von SPD und Bündnis 90/Die nicht Gegenstand der Betrachtung. Grünen mit einbezogen, um eine mögliche programmatische Nähe oder auch eine Distanz zu diesen Parteien auszuloten und Die Parteiprogramme von PDS und WASG damit den Platz der neuen Linksformation unterscheiden sich recht deutlich in ihrer im breiteren linken Spektrum komparativ zu verorten. 2 Dies steht jedoch nicht im Mittelpunkt der Studie. Es geht hier zu- 1 Wir verwenden den Namen PDS, wenn es nächst nicht darum, ein mögliches Mitte- um das Parteiprogramm geht, das im Jahre 2003 verabschiedet wurde. Wenn es um all- 2 gemeine Aussagen und um das Wahlpro- Bei der SPD beziehen wir uns sowohl auf das gramm dieser Partei geht, verwenden wir in Berliner Programm von 1989 als auch auf die der Regel den Begriff Linkspartei.PDS. neuere programmatische Debatte 2004/2005. 5
Links-Bündnis inhaltlich abzuwägen. Um bei den konkreten politischen Projekten genauer Gemeinsamkeiten und Unter- schiede herauszufinden, beziehen wir an einigen Stellen auch Wahlprogramme (insbesondere das der Linkspartei.PDS) mit in die Betrachtung ein.3 Bei den Quel- lenangaben verwenden wir Kurzbegriffe, die im Anhang ausführlich gekennzeichnet sind. 3 Das Wahlmanifest der WASG ist im Grunde eine Kurzform des Gründungsprogramms. Positionen werden nicht weiter entfaltet. Im Gründungsprogramm selbst sind die politi- schen Auffassungen bereits konkret entwickelt. Außerdem stand das Wahlmanifest nicht im Mittelpunkt des Wahlkampfes der WASG, weil ihre Kandidaten auf den Listen der Linkspar- tei.PDS kandidierten. 6
II. Das Selbstverständnis der Parteien den können.“ 6 Dieser Grundwertekanon 1. Ziel- und Wertorientierungen wird im Folgenden mit den realen politi- schen Prozessen und Forderungen ver- Schlüsselbegriff im PDS-Programm ist der bunden: Eine solche Politik erfordere eine „Demokratische Sozialismus“, ähnlich dem andere Regulation von Wirtschaft, und die Berliner Programm der SPD. Er wird als gesellschaftliche Dominanz der Profilogik Ziel, Weg und Wertesystem definiert. sei mit der durch das Grundgesetz gebo- Deutlicher aber als noch im Programm von tenen Sozialpflichtigkeit des Eigentums 1994 wird er als Transformationsprojekt unvereinbar. ausgearbeitet: „Sozialismus entsteht nach Im WASG-Programm gibt es weder den unserem Verständnis nicht in der Folge Begriff des „Demokratischen Sozialis- eines abstrakten Geschichtsfahrplans, mus“ noch wird ein Wertekanon aufgestellt. sondern geht von den gesellschaftlichen Die Programmatik orientiert sich an der Realitäten, den wirklichen Bedürfnissen „Leitidee der sozialen Gerechtigkeit“. Län- und Interessen der Menschen aus… Sozi- gerfristige Betrachtungen über gesell- alismus entsteht in demokratischen Kämp- schaftliche Weg- und Zielvorstellungen fen, die geführt werden, um die strukturel- werden nicht angestellt. Es heißt hier le- len Bedingungen für Unfreiheit, Ungleich- diglich, dass politische Entscheidungen heit und Ausbeutung sowie jene Macht- nicht die Zukunftsfähigkeit der Welt und und Eigentumsverhältnisse, auf denen des Menschen gefährden dürften. Darum diese beruhen, zurückzudrängen und zu sei eine Politik nötig, die Alternativen er- überwinden.“ 4 Kern des Sozialismusver- öffnet. Die WASG gibt ein klares Bekennt- ständnisses sind grundlegende Freiheits- nis zur Demokratie ab. Sie sei „grundle- güter: „Menschen müssen ihre Fähigkeiten gende Voraussetzung für eine gerechte, und Bedürfnisse, produktiven Kräfte und menschenwürdige und friedliche Gesell- sittlichen Maßstäbe entwickeln können. schaft… Die WASG setzt sich für eine Die Verfügung über diese Güter entschei- solidarische Umgestaltung der Gesell- det, ob Menschen frei oder unfrei sind. Es schaft ein“. Obwohl mit teilweise anderer sind grundlegende Freiheitsgüter. Der An- Begrifflichkeit versehen, deckt sich das im spruch auf gleiche Teilhabe an ihnen ist Kern mit den Ausführungen der PDS. Al- zugleich Anspruch auf Wahrnehmung fun- lerdings beschränkt sich die Leitidee der damentaler Menschenrechte.“5 sozialen Gerechtigkeit bei der WASG nur Freiheit wird als „der Bezugspunkt sozialis- auf eine von mehreren Dimensionen der tischer Politik“ definiert. „Gleichheit ist für Gerechtigkeit. Ohne den Bezugspunkt diese Politik das Maß der Teilhabe an Freiheit ist eine zeitgemäße Programmatik grundlegenden Freiheitsgütern. Freiheit ist jedoch schwer vorstellbar. für uns die Möglichkeit, das eigene Leben Der grundlegende Teil des PDS- und die Gesellschaft – selbst und gemein- Programms liegt teilweise näher am Berli- sam mit anderen – zu gestalten. Gleichheit ner Programm der SPD von 1989. 7 Dort ohne Freiheit ist Unterdrückung. Freiheit, heißt es, die Arbeiterbewegung habe die Gleichheit und Solidarität bilden den Inhalt Ideale der bürgerlichen Revolutionen der von Gerechtigkeit. Gerechtigkeit verlangt, Neuzeit eingeklagt: „Eine solidarische Ge- dass die grundlegenden Freiheiten, die sellschaft mit gleicher Freiheit für alle soziale Gruppen für sich in Anspruch Menschen. Es ist eine historische Grund- nehmen, zu Freiheiten aller anderen wer- erfahrung, dass Reparaturen am Kapita- lismus nicht genügen. Eine neue Ordnung 4 6 PDS-Programm, S.3. Ebenda. 5 7 Ebenda. SPD-Programm, S.8.
von Wirtschaft und Gesellschaft ist nö- nengerechtigkeit, Geschlechtergerechtig- tig.“ Dieses Programm enthält auch einen keit, internationale Gerechtigkeit, Solidari- eigenen Abschnitt über die Grundwerte, tät und Demokratie. Ausdrücklich betonen die ausführlich definiert werden.8 „Die So- die Grünen die verschiedenen Dimensio- zialdemokratie erstrebt eine Gesellschaft, nen von Gerechtigkeit, die über die traditi- in der jeder Mensch seine Persönlichkeit in onelle Verteilungsgerechtigkeit hinausge- Freiheit entfalten und verantwortlich am hen.12 Vor allem hier wird der Gegensatz politischen, wirtschaftlichen und kulturellen zur WASG deutlich, die sich auf soziale Leben mitwirken kann.“ Abschließend Gerechtigkeit beschränkt. heißt es in diesem Kapitel: „Freiheit, Ge- Nachhaltigkeit ist ein Begriff und eine Ori- rechtigkeit und Solidarität bedingen einan- entierung, die von allen Parteien verwen- der und stützen sich gegenseitig. Gleich det wird, wenn auch in unterschiedlicher im Rang, einander erläuternd, ergänzend Ausführlichkeit und Reichweite. und begrenzend erfüllen sie ihren Sinn.“9 Zu diesem Aspekt gab es in der jüngsten Programmdebatte der SPD Auseinander- 2. Bestimmung der gegenwär- setzungen darüber, ob es bei der Gleich- tigen gesellschaftlichen Ver- wertigkeit der Grundwerte bleiben solle oder ob es einen Vorrang der Freiheit ge- hältnisse und neuer Heraus- be. Außerdem wurde der Vorschlag unter- forderungen breitet, „Eigenverantwortung“ als Grund- wert zu behandeln. Diskutiert wurde auch, Schon in der Präambel des PDS- ob eine neue Definition von Gerechtigkeit Programms werden die Ursachen für die notwendig sei. Letztlich wurde sogar der Gefährdung der menschlichen Zivilisation, Begriff des „Demokratischen Sozialis- für Gewalt und Krieg, soziales Elend und mus“ in Zweifel gezogen.10 die Krise der weltweiten Ökosphäre ge- nannt. Sie liegen „in den Profit- und Herr- Die Programmphilosophie von Bünd- schaftsverhältnissen der international nis90/Die Grünen verzichtet auf einen ge- mächtigsten Teile des Kapitals und im sellschaftlichen Gegenentwurf. Die Partei Bestreben, die Entwicklung des ‚Nordens’ will die Gesellschaft über 12 Schlüsselpro- auf Kosten des ‚Südens’, der Natur und jekte modernisieren. Die gesellschaftliche der zukünftigen Generationen zu betrei- Vision wird deshalb auf drei Sätze ver- ben“.13 Darüber hinaus gibt es ein eigenes kürzt: „Unsere Vision ist eine Gesellschaft, ausführliches Kapitel (II) „Die gegenwärti- in der die Menschenrechte unteilbar und ge Welt“. Hier wird die „neoliberale Offen- universell gültig sind und in der Selbstbe- sive“ seit den 70er Jahren beschrieben, stimmung in Verantwortung verwirklicht deren Versprechungen nicht eingehalten werden kann. Unsere Vision ist die Ver- worden seien. In einem weiteren Punkt ist wirklichung von Gerechtigkeit in allen ihren der Kapitalismus im Zeitalter von Informa- Dimensionen. Wir stärken Demokratie und tions- und Kommunikationstechnologien verteidigen sie gegen Angriffe.“11 Die Grü- ausführlich dargestellt. „Der heutige Kapi- nen schreiben ausdrücklich: „Uns eint, uns talismus bringt Möglichkeiten hervor, die verbindet ein Kreis von Grundwerten, nicht für die Lösung der Menschheitsfragen un- eine Ideologie.“ Die Grundwerte werden im verzichtbar sind, aber gleichzeitig fesselt, Programm ausführlich erläutert. Dazu zäh- len Ökologie, Selbstbestimmung, Gerech- 12 tigkeit, Teilhabegerechtigkeit, Generatio- Vgl. ebenda, S. 6-10. Übergreifend zu den Werten heißt es: „Unsere Grundposition heißt: Wir verbinden Ökologie, 8 Vgl. ebenda, S. 12 f. Selbstbestimmung, erweiterte Gerechtigkeit 9 und lebendige Demokratie.“, ebenda, S. 6. Ebenda, S. 13. 13 10 PDS-Programm, S. 2. In nahezu „klassi- Vgl. Tradition und Fortschritt, Start der Pro- scher“ Weise werden hier alle Übel der Welt im grammdebatte, Programmhefte der SPD, Ber- international agierenden Kapital (früher Mono- lin, Januar 2005, S. 30-34. polkapital) gesehen. Beim Nord-Süd-Konflikt 11 Grundsatzprogramm Bündnis90/Die Grünen, wird aber in dieser Formulierung offen gehal- S. 6. ten, um wen es sich dabei genau handelt. 8
deformiert und zerstört er sie.“14 Hier wird den und die in der Tradition dieser Partei im Unterschied zur Formulierung in der begründet liegen. Präambel der widersprüchliche Charakter Von SPD und Bündnis 90/Die Grünen, der gegenwärtigen Gesellschaft aufgezeigt, aber auch von anderen Parteien und in an dem sozialistische Politik ansetzen der etablierten politischen und wissen- müsse. Ein dritter Abschnitt widmet sich schaftlichen Debatte werden vor allem die den globalen sozialen Problemen. Hier Globalisierung, der veränderte Altersauf- lautet die Grundaussage, dass die krassen bau der Gesellschaft, die Knappheit der Gegensätze des Kapitalismus am Beginn natürlichen Ressourcen (Grüne) , neue des 21. Jahrhunderts zu globalen Exis- Technologien und Lebensweisen sowie tenzgefährdungen der Weltgesellschaft neuartige Kriegsherde (Zerfall von Staa- geworden seien. Die Regierungen weniger ten) und der Terrorismus als neue Heraus- Staaten, die Führungen einiger Weltkon- forderungen beschrieben. zerne und die Spitzen des Finanzkapitals strebten „uneingeschränkte imperialisti- Sowohl im Programm der PDS wie der sche Herrschaft an“, heißt es weiter. Ande- WASG werden solche „neuen Herausfor- re Ursachen für die heutigen Weltproble- derungen“ nicht genannt. SPD und Grüne me gibt es in dieser Diktion nicht. sehen in der Globalisierung sowohl Gefah- ren als auch Chancen. Sie wollen die Glo- Das WASG-Programm enthält keinen balisierung positiv gestalten. Die Grünen solchen die Gegenwart umfassend ein- üben Kritik an der gegenwärtigen Art und schätzenden Abschnitt. Auch fehlen sol- Weise, wie die Globalisierung erfolgt. 16 che generellen theoretischen Ableitungen über den Kapitalismus (einschließlich der Begrifflichkeit selbst). Geschildert werden 16 hingegen die realen Gefahren für viele Die SPD schreibt: „Globalisierung ist inzwi- schen zum Schlüsselbegriff für die Erklärung Menschen, die in ihrer materiellen Exis- vieler Entwicklungen und Probleme geworden tenz bedroht seien. Sehr allgemein und – für neue Chancen gegenseitiger kultureller zugleich eingeengt heißt es, dass die Bereicherung und politischer Zusammenarbeit, Grundlagen des Sozialstaates durch die aber auch für zunehmende soziale Ungleich- „politisch Verantwortlichen zerstört“ wür- heiten global, national oder lokal, bis zum den. Die heutige hohe Arbeitslosigkeit wird Machtverlust der Politik gegenüber wirtschaftli- ausschließlich der Politik der etablierten chen Entwicklungen oder ökonomischen Inte- Parteien zugeordnet. Sehr knapp, aber ressen. Der Prozess der Globalisierung prägt letztlich ähnlich dem PDS-Text stellt das immer stärker den Rahmen unserer Hand- WASG-Programm fest, dass die neolibera- lungsspielräume.“ Es wird sogar eine „Grund- lagenkrise des Politischen“ gesehen. Staat und le Politik Arbeitslosigkeit steigert, wirt- demokratische Institutionen würden so an Ges- schaftliche Entwicklung blockiert, Staats- taltungsmacht verlieren. Ein Schlüsselbegriff verschuldung erhöht und die Sozialkassen lautet „Weltordnungspolitik“. aushöhlt.15 Vgl. Tradition und Fortschritt, Start der Pro- Dieser Focus auf neoliberale Politik, der grammdebatte, Hrsg. SPD-Parteivorstand, Berlin 2005, S.35. die Ursachen für nahezu alle wirtschaftli- chen, sozialen und ökologischen Proble- Bündnis90/Die Grünen behandeln in ihrem me der Welt zugesprochen werden, ist Programm die neuen Herausforderungen aus- letztlich in beiden Programmen ähnlich, führlich in einem eigenen Abschnitt. Neben der wenn auch in sehr unterschiedlicher Länge Globalisierung werden genannt: ökologische Herausforderung, Individualisierung, neue und Ausführlichkeit bei der Darstellung. Informationstechnologien, Bio- und Gentech- Die WASG verzichtet generell auf eine nologie, demografischer Wandel, Migration, klassische „Kapitalismusanalyse“ und auf Veränderung im Geschlechterverhältnis. „Wir die Analyse der gegenwärtigen Weltprob- wollen nicht von Sachzwängen überrollt wer- leme, wie sie in der PDS auch schon im den, sondern verschiedene Entwicklungspfade Programm von 1994 vorgenommen wur- beschreiben… Deswegen üben wir Kritik an einer Wirtschaftsweise, die den Verbrauch natürlicher Ressourcen irreversibel vorantreibt. 14 PDS-Programm, II.2, S. 6. Der Profit von heute kann so zur ökologischen 15 Schuldenlast von morgen werden.“ Zur Globa- Vgl. WASG-Gründungsprogramm, S. 3-5. lisierung heißt es u. a.: „Das Ergebnis der 9
Speziell in der neuen Programmdebatte sein dürfte, sondern nur Kampf dagegen. der SPD 2004/2005 wird ein anschlussfä- An anderer Stelle im Programm wird das higer strategischer Ansatz sozialdemokra- auch so geschrieben. Die WASG meint, tischer Politik an die neuen globalen Her- dass die Politikerinnen und Politiker sich ausforderungen angemahnt. „Weil grund- durch die Liberalisierung der Finanzmärkte legende Güter wie soziale Gerechtigkeit, und den schrankenlosen Freihandel selbst Sicherheit, saubere Umwelt oder finanziel- entmachtet hätten. In dieser absoluten le Stabilität zunehmend globale Güter sind, Formulierung erübrigt sich die Frage nach ist eine Wirtschaftsverfassung, die öffentli- der demokratischen Gestaltungsmacht von che Güter fördert, auch von den globalen Politik. Der weltweite unumschränkte Han- Erfordernissen her geboten und eine Ant- del mit Waren und Dienstleistungen er- wort auf die Probleme des Shareholder- mögliche die Ausbeutung der Arbeitskräfte Value-Kapitalismus.“17 Ähnlich wie bei den der ärmsten Länder zugunsten der Ge- Grünen wird formuliert, dass es in einer winnmaximierung der internationalen Kon- Epoche beschleunigter Globalisierung zerne und das gegeneinander Ausspielen vorrangig um die Bedingungen für die mit den Beschäftigten in den Industriestaa- Wiedergewinnung des Vorrangs demokra- ten. 20 Auch hier scheint positive Gestal- tischer Gestaltungsmacht gehe. Die grund- tungsmöglichkeit der Globalisierung nicht legende Frage sei, wie dem Auseinander- Gegenstand von Überlegungen zu sein. driften von ökonomischer Dynamik und Im Gegenteil, als Schlussfolgerung läge demokratischer Gestaltungsfähigkeit be- nahe, dass die Globalisierung wieder zu- gegnet werden könne.18 rückgenommen werden müsse. Die PDS hingegen meint viel radikaler, Ähnlich verhält es sich mit einigen anderen dass ein „neuer Totalitarismus der globa- eingangs genannten Herausforderungen. len Herrschaft transnationaler wirtschaftli- Zum veränderten Altersaufbau wird im cher und politischer Gruppen“ entstanden generell-analytischen Teil überhaupt nicht sei.19 In der Logik einer solchen Betrach- Stellung genommen. Die WASG wendet tung liegt, dass eine „positive Gestal- sich dagegen, dass die Globalisierung, die tung“ der Globalisierung kaum möglich höhere Lebenserwartung der Menschen und die Staatverschuldung zu Einschnitten in das soziale Netz und zu niedrigen Löh- weltweiten Verbindung von Handel und Fi- nen zwingen würden. Auch bei der Frie- nanzmärkten ist eine Spaltung der Welt. Mit denssicherung werden sowohl von der der globalen Verflechtung von Märkten und WASG wie von der PDS keine neuen Her- Informationen wächst die Kluft zwischen Arm ausforderungen formuliert. Alles ist auf und Reich, innergesellschaftlich und vor allem den neuen Imperialismus oder aufs inter- weltweit… Deshalb ist Widerstand gegen diese nationale Kapital zurückzuführen. (Nähe- Globalisierung richtig und notwendig. Zu einer res dazu im Teil „internationale Politik“) weltweiten Wende und Kurskorrektur zu kom- men, gehört zu den großen Herausforderun- Zusammenfassend ist festzustellen: Die gen und Aufgaben der Politik in den kommen- Programme von PDS und WASG lassen den Jahren und Jahrzehnten. Die Lücke zwi- offen, ob sie die Globalisierung, den Al- schen ökonomischer Globalisierung und der tersaufbau der Gesellschaft, die hohe mangelnden politischen Steuerung und Einbet- Staatsverschuldung und andere Probleme tung dieses Prozesses ist zu schließen.“ Vgl. als „neue Herausforderungen“ anerkennen Grundsatzprogramm Bündnis 90/Die Grünen, oder nicht und inwieweit sie hier Chancen S. 10/11. und Gestaltungsspielräume sehen. In die- 17 Tradition und Fortschritt, Start der Pro- sem Bereich sind die programmatischen grammdebatte, hrsg. SPD-Vorstand, Berlin, Aussagen in sich nicht immer schlüssig. Januar 2005, S. 41. 18 Grundlagen unserer Politik, Impulse für das neue Grundsatzprogramm der SPD, Berichter- statter Gesine Schwan und Wolfgang Thierse, Willy-Brandt-Haus-Materialien , Berlin, De- zember 2004, S. 7. 19 20 PDS-Programm, S. 7. Siehe WASG–Gründungsprogramm, S. 4. 10
3. Parteicharakter schrieben wird. 23 Die PDS setzt sich das Ziel, die geistige und politische Hegemonie In der Präambel stellt sich die PDS in die der neoliberalen Ideologie und Politik in Tradition der Kämpfe gegen kapitalistische Deutschland und in der Europäischen Uni- Ausbeutung, ökologische Zerstörung, poli- on zu überwinden. Sie strebt an, ein ei- tische Unterdrückung und verbrecheri- genständiges selbstbewusstes politisches scher Kriege. In einem ausführlichen Ab- Projekt zu etablieren. Langfristig will die schnitt setzt sich die Partei mit ihrer Ge- Partei aber an einem (politischen) Mitte- schichte auseinander. Sie beruft sich auf Links-Bündnis mitwirken. Politische Ver- die antimilitaristischen, antiimperialisti- antwortung könne man sowohl in der Op- schen und antifaschistischen Traditionen position wie in Regierungsbeteiligungen der Arbeiterbewegung. Gleichzeitig grenzt übernehmen. 24 Schließlich sieht sich die sie sich von der SED ab.21 Es gibt zudem PDS als pluralistische Partei, die Minder- einen einschätzenden Abschnitt zur DDR, heitenrechte gewährt. der mit der spezifischen Geschichte der Die WASG formuliert im Gegensatz zur PDS zusammenhängt. PDS ihr Selbstverständnis recht knapp. Es Vertreter der WASG fordern, dass „in der gibt keinen Bezug zu historischen Wurzeln neuen Partei die Auseinandersetzung um (z. B. Arbeiterbewegung). Sie versteht sich die Geschichte der politischen Linken – als „Sammlungsbewegung für Menschen aller Strömungen und Fraktionen – und unterschiedlicher politischer und sozialer ihrer Irrtümer einen Stellenwert haben Herkunft. Uns führt das gemeinsame An- muss… Eine gemeinsame politische For- liegen für eine gerechtere Gesellschaft mation der demokratischen Linken eröffnet zusammen… Unsere Einheit beruht auf eben auch das Terrain der Geschichtsin- gemeinsamen Interessen und Zielen.“ 25 terpretation neu. Eine neue Linksformation Die PDS will auch Mitglieder aus allen hat nur Zukunft, wenn sie sich beständig gesellschaftlichen Schichten gewinnen, die all ihrer historischen Wurzeln versichert.“22 den Willen haben, im Sinne ihres Pro- gramms zu wirken. Hier gibt es keinen Die PDS sieht sich an der Seite der sozia- Dissens. Die WASG begreift sich als „Op- len Bewegungen gegen Kapitalisierung position gegen die herrschende, neoliberal der Gesellschaft, Demokratieabbau und Krieg. Die Erfolge der emanzipatorischen 23 Bewegungen sollen verteidigt und die ka- Wörtlich heißt es hier: „Die soziale Basis pitalistische Profitdominanz überwunden eines solchen Bündnisses sehen wir in der werden. Als wichtigstes politisches Ziel Verbindung der Interessen der Menschen, die formuliert die PDS, ihren Beitrag zur For- durch die herrschende Politik in soziale Unsi- mierung eines breiten sozialen und politi- cherheit und Verarmung gedrängt werden, mit schen Bündnisses für den grundlegenden denen, die sozial besser gestellt sind, sich aber mit massenhafter sozialer Ausgrenzung in Richtungswechsel der Politik in Deutsch- der Gesellschaft nicht abfinden wollen, über- land und Europa zu leisten. Die soziale haupt mit all jenen, die sich für eine gerechte Basis sieht die Partei in einem Mitte- Gesellschaft als Bedingung eines selbstbe- Unten-Bündnis, das aber kompliziert um- stimmten Lebens einsetzen.“ PDS-Programm, S. 21. 21 24 Die SED „war weder fähig noch bereit, So- Hier geht das Programm direkt auf die Re- zialismus mit Demokratie und Freiheit zu ver- gierungsbeteiligungen in Berlin und Mecklen- knüpfen. Ihren Weg kennzeichneten daher burg-Vorpommern ein. Dort sei unter schwieri- auch schmerzliche Fehler, zivilisatorische Ver- gen Bedingungen Politikfähigkeit bewiesen säumnisse und Verbrechen…Es gibt keinen worden. Bei extremen Haushaltsdefiziten müs- noch so ehrenwerten Zweck, der die Verlet- se ständig zwischen unterschiedlichen Interes- zung grundlegender Menschenrechte und sen verschiedener sozialer Gruppen und Or- universeller demokratischer Grundsätze recht- ganisationen abgewogen werden. Dies verlan- fertigen könnte.“ PDS-Programm, S. 20. ge ein Höchstmaß an Transparenz der zu ent- 22 scheidenden Probleme und der Beteiligung Joachim Bischoff, Murat Cakir, Thomas von Betroffenen an den Entscheidungen. (e- Händel, Björn Radke, Alltagsbewusstsein, benda) gesellschaftliches Klima und die Strategie der 25 WASG, htttp://www.w-asg.de/1057.98.html. WASG-Gründungsprogramm, S. 27. 11
bestimmte Politik. An einer Regierung in tigen Wurzeln sieht die SPD in diesem Land und Bund werden wir uns nur dann Programm im Christentum und in der hu- beteiligen, wenn dies zu einem grundle- manistischen Philosophie, in der Aufklä- genden Politikwechsel in Richtung unserer rung, in der Marxschen Geschichts- und Forderungen führt.“ 26 Diese Formulierung Gesellschaftslehre und in den Erfahrungen kann unterschiedlich – auch fundamenta- der Arbeiterbewegung. Auch die Ideen der listisch - gedeutet werden. Ähnlich der Frauenbewegung werden genannt. Im PDS aber will sie die gesellschaftlichen Gegensatz zur heutigen SPD-Politik ste- und politischen Kräfteverhältnisse verän- hen die Programmaussagen zur Reform- dern. Den Ausgangspunkt für eine andere politik: „Reformpolitik setzt auf Hoffnung. Politik sieht die WASG auch in vielfältigen Wo sogar das Bewahrenswerte nur durch Aktivitäten von Initiativen und Bewegun- Reform zu retten ist, wird Reformarbeit zur gen, Gewerkschaften und Sozialverbän- einzig verantwortbaren Politik. Unser Zu- den, Frauenorganisationen, kirchlichen kunftsentwurf ist ein Angebot für ein Re- und globalisierungskritischen Gruppen, formbündnis der alten und neuen sozialen Umweltverbänden und anderen. Bewegungen. Der Kern dieses Bündnisses bleibt die Zusammenarbeit mit den Ge- Zusammenfassend bleibt festzuhalten: Die werkschaften…Wir brauchen ein breites PDS begreift sich als sozialistische Partei, Reformbündnis mit möglichst vielen Grup- die einen starken Bezug zur Arbeiterbe- pen und Kräften, weil wir den Widerstand wegung und anderer emanzipatorischer derer zu überwinden haben, die alles zum Bewegungen formuliert. Die WASG defi- Fortschritt erklären, was ihren Gewinner- niert sich mehr oder weniger geschichtslos wartungen, ihrer wirtschaftlichen oder poli- als Sammlungsbewegung gegen die neo- tischen Macht zugute kommt.“28 liberale Politik in Deutschland. Hierin liegt der wichtigste Unterschied im Selbstver- Bündnis 90/Die Grünen sehen sich nicht ständnis beider Parteien. Bei den anderen mehr als die „Anti-Parteien-Partei, sondern wichtigen Fragen wie den Bezug zu den als die „Alternative im Parteiensystem“. aktuellen demokratischen und sozialen Die Partei habe sich zu einer Reformpartei Bewegungen, Opposition und Regie- entwickelt und im Verein mit gesellschaftli- rungsbeteiligungen, Protest und Gestal- chen Akteuren habe man die ökologische tung, der Notwendigkeit das gesellschaftli- Verantwortung, erweiterte demokratische che wie politische Kräfteverhältnis zu ver- Teilhabe aller, Gerechtigkeit zwischen den ändern, dominiert ein ähnliches Herange- Geschlechtern, Akzeptanz von Minderhei- hen. Hier liegen Unterschiede oder Diffe- ten, Öffnung gegenüber kultureller Vielfalt renzierungen letztlich auch innerhalb der vorangebracht. Mit dem Eintreten für die beiden Parteien, die durch jeweilige For- Quotierung sei auch die politische Kultur melkompromisse überdeckt werden. bereichert. Den Grünen gehe es um die Weiterentwicklung der Bürgergesellschaft Mit dem Berliner Programm stellte sich die und des zivilgesellschaftlichen Engage- SPD erneut in die Tradition der sozialde- ments. Sehr allgemein heißt es, dass für mokratisch orientierten Arbeiterbewegung die Grünen „zur Erreichung des grundle- und formuliert einen historisch angelegten genden gesellschaftlichen Wandels… Teil im Programm. Im Jahre 1998 wurde auch weiterhin viele Kämpfe auszufechten das Programm mit dem Blick auf die deut- sein werden“.29 sche Einheit geändert und das Scheitern des Kommunismus konstatiert.27 Die geis- Insgesamt beziehen sich SPD und PDS auf die Traditionen der Arbeiterbewegung, 26 auf die Aufklärung, auf das Gedankengut Ebenda. von Marx und Engels. Die Formulierungen 27 Unter anderen heißt es hier: „Das Ende des kommunistischen Weltsystems ermöglichte die demokraten gewürdigt. Vgl. SPD-Programm, S. Verwirklichung des demokratischen Selbstbe- 9/10. stimmungsrechts in der DDR und schließlich 28 die Beendigung der staatlichen Teilung Ebenda, S. 53. Deutschlands durch die freie Entscheidung der 29 Grundsatzprogramm Bündnis90/Die Grünen, Bürgerinnen und Bürger der DDR.“. Im Fol- S. 14. genden werden dann die ostdeutschen Sozial- 12
zum Kommunismus und zur DDR sind lieren alle betrachteten Parteien. SPD, naturgemäß völlig anders, im Kern aber Grüne und WASG setzen auf eine Re- bei beiden Parteien auch auf Demokratie formstrategie zur Veränderung der Gesell- ausgerichtet. Das trifft sich mit der WASG, schaft, wenn auch die WASG mit anderen die aber – wie die Grünen – keinen Bezug Vorzeichen. Hier gibt es einen Unterschied zur Arbeiterbewegung, zur Aufklärung und zur PDS, die – mit Reformen und zugleich zu Marx herstellt. Den Bezug zu demokra- darüber hinaus gehend – eine Transforma- tischen und sozialen Bewegungen formu- tionsstrategie verfolgt. III. Komparative Analyse einzelner Politikfelder stimmende Unternehmen so zu vergesell- 1. Wirtschafts-, Steuer- und schaften, dass private Eigentümerinteres- sen diesen öffentlichen Interessen nicht Arbeitsmarktpolitik mehr im Wege stehen.“32 Auch diese For- mulierung lässt vieles offen. Ob hier Ver- Wirtschaftspolitik staatlichung gemeint ist oder nicht, wird Im PDS-Programm finden sich ausführli- nicht deutlich. Wir haben es in beiden Pro- che Passagen zur „Eigentumsfrage“, die grammen mit mehr oder weniger traditio- einen ausgeprägten Kompromisscharakter nellen Vorstellungen zu tun, die jedoch tragen. 30 Konkret wird einerseits die Be- zumindest in ihrer gescheiterten Form wahrung des öffentlichen Eigentums und (Staatseigentum) nicht direkt vertreten deren Ausweitung gefordert. Andererseits werden. Allerdings forderte die WASG wird im gleichen Abschnitt der Übergang kurz vor den Bundestagswahlen sogar „die staatlichen Eigentums in die Verfügung Rückführung der privatisierten Bereiche in anderer Träger unterstützt, „wenn diese öffentliches Eigentum“. 33 Insgesamt blei- wirtschaftlich effektiv und auf sozial und ben die „Vergesellschaftungsforderun- ökologisch orientierte Weise zusammen- gen“ eher ein theoretisches Konstrukt. wirken und die Verfügungsmacht im Inte- Direkte Konsequenzen für die praktische resse des Gemeinwohls gestärkt wird“.31 Politik (wer oder was soll wie vergesell- Die WASG tritt auch für die Bewahrung schaftet werden) werden nicht entfaltet. öffentlichen Eigentums ein. Sie formuliert Offenbar sehen beide Parteien – und hier darüber hinaus: „Wo die Durchsetzung stärker die WASG – in der „Vergesell- demokratisch festgestellter öffentlicher schaftung“ strukturbestimmender Unter- Interessen es erfordert, sind strukturbe- nehmen einen Schlüssel für die Lösung der wirtschaftlichen und sozialen Probleme des Landes. 34 Das schließt die Orientie- 30 Dies hängt mit dem Bemühen zusammen, rung auf eine dominant nationalstaatliche nebeneinander bestehende gegensätzliche Regulierung der Wirtschaft ein. Positionen aus dem Programm von 1994 auf- zulösen. Nunmehr heißt es: „Die Eigentums- Die PDS und die WASG befürworten quali- frage als eine Grundfrage sozialistischer Be- tatives Wirtschaftswachstum. Die PDS wegung ist für uns vor allem eine Frage der schränkt dabei ein, dass die „bisherige realen Verfügung über wirtschaftliche Macht- Entwicklungsweise“ die Umwelt zerstöre ressourcen, bei deren Regelung Rechtstitel und die Lebens- und Konsumweisen de- eine wesentliche Rolle spielen… Die Alternati- ve zu kapitalistischem Eigentum besteht des- halb nicht im umfassenden Staatseigentum, 32 WASG-Gründungsprogramm, S. 18. sondern in der demokratischen Entscheidung 33 über gesellschaftliche Grundprozesse und Für einen radikalen Politikwechsel! Linkspar- über die Förderung jener Eigentumsformen, tei wählen! WASG stärken!, in: www.w-asg.de die es am ehesten erlauben, die menschlichen vom 13.09.2005 Kategorie Politik, Positionen. Grundgüter effizient bereitzustellen und ge- 34 Offen bleibt hier auch, was in der modernen recht zu verteilen.“ PDS-Programm, S. 4. Wissensgesellschaft „strukturbestimmende 31 Ebenda. Unternehmen“ sind. 13
formiere. Dies wird von der WASG nicht so schaftspolitik“. 37 Gleichzeitig fordert sie weitgehend formuliert. Die PDS will zum mehr Beschäftigung im öffentlichen Dienst. Abbau der Massenarbeitslosigkeit die Die WASG spricht sich dazu für eine höhe- Massenkaufkraft stärken und lehnt jedwe- re Staatsverschuldung aus. Zur Finanzie- de Absenkung von Lohnersatzleistungen rung des Zukunftsinvestitionsprogramms bzw. Sozialtransfers als wirtschafts- und sei „nur“ (!) in wirtschaftlichen Schwäche- gesellschaftsschädigend ab. Sie fordert phasen kurzfristig eine höhere Kreditauf- die Einführung von Mindestlöhnen und nahme nötig. Die WASG verweist auch auf unterstützt gewerkschaftliche Auseinan- „hohe Selbstfinanzierungseffekte“ durch dersetzungen für Lohnerhöhungen. Auch mehr Beschäftigung. Hier wird der reale ein „zukunftsorientiertes Investitionspro- Verlauf einer ständig höheren Verschul- gramm für Arbeit, Bildung, Umwelt und dung seit den 70er Jahren ebenso ausge- Infrastruktur“ sei in konjunkturschwachen blendet wie die Gefahr eines „Strohfeuers“. Zeiten geeignet, den Binnenmarkt zu sta- Auch die strukturellen Probleme in der bilisieren. Konzentrations- und Fusions- Wirtschaft spielen offenbar keine Rolle, die prozesse in der Wirtschaft seien streng zu durch ein breit gestreutes Investitionspro- kontrollieren und Monopolmacht spürbar gramm nicht gelöst werden. Die Internati- zu beschränken. 35 In der Haushaltspolitik onalisierung bleibt ausgeblendet. Neben setzt sich die PDS für die Verringerung einem umfangreichen staatlichen Investiti- von Defiziten mittel- und langfristig ein und onsprogramm und mehr Beschäftigung im sieht den Ausweg hier vor allem in höhe- öffentlichen Dienst sieht die WASG die ren Staatseinnahmen. „Der enorme Schul- dritte Säule ihrer Wirtschaftspolitik in der dendienst engt den staatlichen Hand- Stärkung der Binnennachfrage bzw. der lungsspielraum extrem ein – wer auch Massenkaufkraft. immer ihn nutzen will.“36 Die PDS verweist Zusammenfassung: Die wirtschaftspoliti- auf international operierende Konzerne schen Aussagen bei PDS und WASG ge- und Großakteure auf den internationalen hen zunächst in eine ähnliche Richtung: Finanzmärkten, auf die EU-Ebene, auf der Massenkaufkraft und Binnennachfrage viele Entscheidungen fallen und konsta- stärken, Mindestlöhne einführen 38 , ein tiert letztlich, dass die Linke im internatio- öffentliches Investitionsprogramm auflegen. nalen Maßstab noch nicht zu erfolgreichen Unterschiede gibt es vor allem in der Fi- Gegenstrategien gefunden habe. nanzierungs- und Verschuldungsfrage. Die wirtschaftspolitischen Grundaussagen Letzteres sieht die PDS, nicht aber die der WASG sind einfach: Die Probleme WASG als Problem. Zieht man das Wahl- könnten nur gelöst werden, wenn der programm der Linkspartei.PDS 2005 mit Staat seiner gesamtwirtschaftlichen Ver- heran, dann soll ein Zukunftsinvestitions- antwortung wieder gerecht werde. Die programm „den Strukturwandel zur Infor- WASG setzt nach wie vor auf national- mations- und Wissensgesellschaft för- staatliche Steuerung ökonomischer Pro- dern“ (Investitionen vor allem in hochwer- zesse. Vor allem favorisiert die Partei ein tige Bildung und Erziehungseinrichtungen, großes öffentliches Investitionsprogramm. in Wissenschaft und Forschung für zu- Die öffentlichen Investitionen müssten mindestens verdoppelt werden. Ausdrück- lich sieht die WASG in dem weit reichen- 37 Vgl. WASG-Gründungsprogramm, S. 7. den Investitionsprogramm „den zentralen 38 Die PDS plädiert in ihrem Wahlprogramm für Ansatzpunkt einer alternativen Wirt- einen Mindestlohn von 1.400 Euro brutto, die WASG in ihrem Gründungsprogramm für 1.500 Euro monatlich oder 9 Euro je Stunde. Voll- 35 zeitarbeit müsse ein Einkommen deutlich o- Außerdem wird der Biotechnologie und Gen- berhalb des Existenzminimums sichern. „In technik viel Platz eingeräumt und die Patentie- Wirtschaftsbereichen, in denen die niedrigsten rung von Genen kompromisslos abgelehnt. tariflichen Lohngruppen oberhalb dieses Min- Auch zur Agrarwirtschaft gibt es ausführliche destlohnes liegen, sind diese Tarifverträge auf Passagen, die von der WASG nicht themati- Antrag einer Tarifvertragspartei für allgemein- siert wird. Vgl. PDS-Programm, S. 13. verbindlich zu erklären.“ WASG - Gründungs- 36 PDS-Programm, S. 12. programm, S. 13. 14
kunftsfähige Technologien und Produkte, Entlastung aller Steuerzahler mit mindes- die Arbeitsplätze schaffen, in öffentliche tens absoluten Vorteilen für Mehrverdiener Daseinsvorsorge und sozial-ökologischen und Unternehmen gekennzeichnet war Umbau).39 Bei der WASG handelt es sich und zu hohen Einnahmeausfällen für den mehr um ein „klassisches“ Investitionspro- Staat geführt hat ohne die erhofften gramm, das stärker Infrastruktur, ein- Wachstumsziele zu erreichen. Korrekturen schließlich Verkehrsinfrastruktur, Bauwe- wie die Reichensteuer der SPD sind oft sen usw. einschließt und offenbar auch nicht mehr als Symbolik. Gerade die Steu- kurzfristiger (je nach Konjunkturlage) an- erpolitik ist ein sehr konkretes Politikfeld, gelegt sein soll. Eine Differenz gibt es bei dem die Unterschiede zwischen PDS auch zum generellen Ausbau des öffentli- und WASG einerseits und SPD sowie chen Dienstes. Die PDS fordert das nicht. Grünen andererseits deutlich werden. Im Gegenteil, sie baut aufgeblähte staatli- Arbeitszeitpolitik che Bürokratien (Berlin) ab und tritt für mehr öffentlich geförderte Beschäftigung Im PDS-Programm wird noch auf „flexible ein. Die Stärkung der „öffentlichen Gü- tarifliche Vereinbarungen zur generellen ter“ verlangt nicht unbedingt mehr öffentli- Einführung der 35-Stunden-Woche bei chen Dienst, auch freie Träger, Genos- vollem Lohnausgleich und in der ferneren senschaften oder Selbständige (z. B. Pfle- Perspektive auf die 30-Stunden-Woche ge) können in diesem Bereich arbeiten. orientiert. Gesetzlich soll die maximale wöchentliche Regelarbeitszeit auf 40 Steuerpolitik Stunden begrenzt werden. Im Wahlpro- Beide Parteien fordern eine solidarische gramm der PDS wird diese Aussage rela- und gerechte Steuerpolitik. Die konkreten tiviert: „Wir unterstützen die Gewerkschaf- Forderungen gehen in eine ähnliche Rich- ten in ihrem Versuch, Arbeitszeitverkür- tung: hohe Einkommen und Vermögen zungen zu vereinbaren. Die fortschreiten- stärker belasten, ihrer spekulativen Anlage de Steigerung der Produktivität ermöglicht entgegenwirken, Steuerentlastung für klei- auch in Zukunft Arbeitszeitverkürzungen ne und mittlere Einkommen, (Wie- ohne Lohnverzicht. Solange dies nicht der)Erhöhung des Spitzensteuersatzes, durchsetzbar ist, muss zumindest für Be- Wiederbelebung der Vermögenssteuer, schäftigte in den unteren Lohngruppen ein Reformierung der Erbschaftssteuer, Ab- voller Lohnausgleich gewährleistet wer- schaffung des Ehegattensplittings, Steu- den.“40 Darüber hinaus fordert die PDS in erhinterziehung und Wirtschaftskriminalität ihrem Wahlprogramm eine familienfreund- und Flucht in Steueroasen verstärkt be- liche Arbeitszeitpolitik, Teilzeitbeschäfti- kämpfen, das Aufkommen aus Unterneh- gung soll vollwertig sozial abgesichert menssteuern erhöhen, Aufhebung der werden. Steuerbefreiung aus dem Verkauf von Während die Linkspartei.PDS nur auf Ar- Unternehmensbeteiligungen und Börsen- beitszeitverkürzungen orientiert, wendet gewinnen, Tobinsteuer und anderes. Die sich die WASG angesichts der dabei real PDS hat ein eigenes Steuerkonzept vorge- auftretenden Probleme zunächst gegen legt. Die WASG beruft sich auf das Kon- Arbeitszeitverlängerungen. Darüber hinaus zept von ver.di und IG Metall. Hier gibt es tritt sie aber auch für Arbeitszeitverkürzun- zwar in Detailfragen Unterschiede, die gen ein, fordert die 35-Stunden-Woche als Grundrichtung und die Hauptforderungen Regelarbeitszeit in allen Wirtschaftsberei- sind jedoch ähnlich. Die PDS geht in ihrem chen und Regionen, insbesondere in Ost- Steuerkonzept relativ realistisch von deutschland. Ebenfalls wird die 30- Mehreinnahmen in Höhe von 64 Mrd. Euro Stunden-Woche als langfristiges Ziel an- aus, die WASG sogar von 80 Mrd. Euro gestrebt. Bei diesen Formulierungen fehlt jährlich. SPD und Grüne haben in der Steuerpolitik eine andere Linie verfolgt, die durch die 39 Vgl. Wahlprogramm der Linkspartei.PDS, S. 40 9. Wahlprogramm der Linkspartei.PDS, S. 10. 15
der Verweis auf vollen Lohnausgleich, Die PDS legt den Focus auf öffentlich ge- zumindest für die unteren Einkommen. 41 förderte Beschäftigungssektoren (ÖBS) zwischen Staat und Privatwirtschaft.44 Ge- Wird im Berliner Programm noch auf die nauere Aussagen über die Funktions- und Verkürzung der Arbeitszeit und konkret auf Finanzierungsweise gibt es nicht. Aller- die 30-Stunden-Woche in einem sechs- dings geht das Wahlprogramm der Links- stündigen Arbeitstag langfristig orientiert42, partei.PDS weiter. Durch Zusammenfas- so setzt die SPD in der gegenwärtigen sung der verschiedenen Mittel sollen statt Programmdebatte auf eine „intelligente AGL II plus Ein-Euro-Jobs alternativ regu- Arbeitszeitpolitik“ und Flexibilisierung, aber läre Arbeitsplätze entstehen.45 Arbeitsplät- nicht auf eine schematische Verkürzung ze in gemeinnützigen Beschäftigungssek- der Arbeitszeit. 43 Ähnlich äußern sich die toren sollen in regionaler Verantwortung Grünen. unter Einbeziehung von Gewerkschaften Im PDS-Programm heißt es, dass der und Arbeitgeberverbänden in transparen- freiwillige Wechsel zwischen Erwerbsar- ten Verfahren eingerichtet werden. Außer- beit, Eigenarbeit, Weiterbildung und ge- dem soll für gering Qualifizierte ein Qualifi- sellschaftlichem Engagement und Phasen zierungs- und Beschäftigungsprogramm selbstbestimmter Kombination dieser un- mit „zeitlich begrenzten Lohnsubventio- terschiedlichen Tätigkeiten wichtig sind. nen“ aufgelegt werden (Sozialbeiträge und Arbeitsmarktpolitik Qualifizierungsaufwand). Hier gibt es unterschiedliche Akzente und Die WASG fordert die direkte Ausweitung konträre Auffassungen zwischen PDS und öffentlich getragener und geförderter Be- WASG. schäftigung. Der Schwerpunkt liegt hier auf dem Ausbau der regulären Stellen im öffentlichen Bildungs- und Gesundheits- system, im Kulturbereich sowie in Justiz 41 Die WASG fordert hier auch noch verschie- und Polizei. Zur Deckung des Bedarfs für dene recht weitgehende Einzelmaßnahmen: diese öffentlichen Dienstleistungen müss- Gesetzliche Regelungen zur Absicherung von ten mindestens eine Million tariflich be- Arbeitszeitkonten, insbesondere im Insolvenz- zahlte Arbeitsplätze neu geschaffen wer- fall, vorzeitigen Ruhestand (60 Jahre) für den. Daneben fordert die WASG verstärkt Schicht- und Nachtarbeiter ohne Renten- staatliche Unterstützung von Beschäfti- schmälerung, Arbeitsfreistellungen für Weiter- gungsmöglichkeiten in unabhängigen, bildung; Elternfreizeiten oder Beurlaubungen nicht profitablen Initiativen an. Vor allem zur Pflege von Angehörigen sollen rentenrecht- gering Qualifizierte und ältere Arbeitslose lich als reguläre Arbeitszeiten anerkannt wer- den. Diese und ähnliche Forderungen konzent- sollten im Rahmen eines öffentlich geför- rieren sich auf die Verbesserung der Situation derten Beschäftigungssektors Beschäfti- bei den traditionellen Kern- gung bis zur Verrentung angeboten wer- Arbeitnehmerschichten. den.46 Vgl. WASG-Gründungsprogramm, S. 12/13. Lohnnebenkosten und Schwarzarbeit spie- 42 SPD-Programm, S. 27/28. len bei PDS und WASG keine Rolle, wer- 43 In einem Impulspapier „Zukunft der Ar- den in der aktuellen Debatte vor allem von beit“ formulieren Andrea Nahles und Harald SPD und Grünen thematisiert. Außerdem Schwartau, dass der hergestellte Zusammen- heißt es, dass ein großer Teil der Unter- hang im Berliner Programm zwischen Produk- nehmen und Beschäftigten den Spielre- tionssteigerungen und notwendiger Arbeits- geln der internationalen Finanzmärkte und zeitverkürzung als einem bzw. dem zentralen wirtschaftlichen Kurzfristdenken unterliege. strategischen Instrument sozialdemokratischer Eine auf Nachhaltigkeit, Wohlstand und Arbeitspolitik nicht festgehalten werden könne; die Strukturveränderungen der modernen Ö- konomie aber auch die Ansprüche der Ver- 44 braucher und der Erwerbstätigen stünden dem Vgl. PDS-Programm, S. 15. schematischen Ziel „sechsstündiger Arbeitstag 45 Dazu ausführlich im Wahlprogramm der in der Fünftagewoche“ entgegen. Vgl. Willy- Linkspartei.PDS, S. 8. Brandt-Haus-Materialien, Berlin, Januar 2005, 46 S. 14. Vgl. WASG-Gründungsprogramm, S. 9/10. 16
Beschäftigung ausgerichtete Politik müsse „Förderung der regionalen Wirtschafts- dieser Kurzfristigkeit Grenzen setzen. Der struktur“ in modernisierter Form. Länder internationale Wettbewerb auf den der mit besonderen Struktur- und Haushalts- Globalisierung ausgesetzten Produkt- und problemen sollten nicht mehr die Hälfte, Dienstleistungsmärkten und damit der sondern nur noch ein Viertel der Förder- Kostendruck nehmen zu. Politik müsse mittel kofinanzieren müssen. Die Mittel deshalb der Verlagerung von industriellen sollten gezielter zur Förderung wissensba- Arbeitsplätzen entgegenwirken, soweit sierter Produktion eingesetzt werden kön- dies nicht Dumping oder dauerhafte Sub- nen. Existenzgründer müssten von über- ventionen zur Folge habe.47 zogenen bürokratischen Auflagen befreit werden. Die Regionen sollten selbst ent- scheiden, wofür sie die Mittel verwenden. 2. Ostdeutschland und andere Gefordert wird auch eine leitbildbezogene strukturschwache Gebiete Regionalplanung. Im Wahlprogramm wird auch deutlich auf eine neue Art von In- Die Aussagen zu Ostdeutschland gehen in dustrie- und Strukturpolitik orientiert.48 beiden Programmen in die gleiche Rich- Die WASG meint, dass ihre vorgeschlage- tung, sind aber nicht deckungsgleich. Die nen Investitionsprogramme vor allem in PDS ist hier ausführlicher. Die Zukunftsfä- strukturschwachen Regionen die Entwick- higkeit Ostdeutschlands könne nicht als lung fördern sollen. Offenbar ist das für Niedriglohngebiet erreicht werden. Sie den Osten zusätzlich zu den Fördermitteln müsse auf Innovation beruhen, unterstützt Aufbau Ost vorgesehen. Spezifische Defi- durch einen Bundesfonds für soziale, öko- zite in Ostdeutschland etwa in der Infra- logische und kulturelle Gemeinschaftsauf- struktur müssten durch spezielle Förder- gaben. Bürgerhaushalte und regionale programme abgebaut werden. Ein beson- Leitbilder müssten entstehen, darauf könn- derer Schwerpunkt des Investitionspro- ten Länderentwicklungsprogramme aufge- gramms soll offenbar auf der Infrastruktur baut werden. Die im Solidarpakt II nach liegen. Hier gibt es einen Unterschied zur 2010 vorgesehenen Investitionen im Rah- PDS, die das in ihrem Wahlprogramm men des Aufbauprogramms Ost sollten nicht mehr als Schwerpunkt ansieht, son- weit gehend auf den Zeitraum bis 2010 dern Investitionen vor allem in Bildung und vorgezogen und durch effektive Wirt- Innovation befürwortet. Die WASG will an schaftsförderung und zukunftsorientierte konkreten Schwachpunkten der Industrie Wirtschaftspolitik gebündelt, koordiniert ansetzen und insbesondere Unterneh- und wirksamer eingesetzt werden. Gefor- menskooperationen, Forschung und Ent- dert wird im PDS-Programm gestärkte wicklung, Marktzugänge, Arbeitsorganisa- Massennachfrage durch Angleichung von tion, Qualifizierungsprogramme und Pro- Löhnen, Gehältern, Arbeitszeit und Renten duktinnovationen fördern. Hier gibt es wie- an den westdeutschen Standard. Beson- der Übereinstimmung mit der PDS. Ge- ders wichtig für Ostdeutschland sei die meinsamkeiten mit der PDS bestehen Verbesserung der kommunalen Investiti- auch bei der Forderung, dass eine zielge- onsfähigkeit durch bessere Finanzausstat- richtete Förderung der Neuen Länder und tung. strukturschwacher Regionen in ein Ge- Wie die WASG geht auch das Wahlpro- samtkonzept eingebunden sein müsse. 49 gramm der Linkspartei.PDS von Ost- Eine spezifische Forderung der Linkspar- deutschland und den strukturschwachen tei.PDS ist, die Ostdeutschen stärker an Gebieten im Westen aus und fordert hier der politischen Meinungsbildung und Ent- einen Neuansatz. Gefordert wird nicht scheidungsfindung zu beteiligen. Insge- mehr das Vorziehen der Investitionsmittel. samt aber gibt es bei beiden Parteien viele Strukturschwache Länder wie die ostdeut- Einzelforderungen auf ökonomischem Ge- schen brauchten weiterhin ein Förderin- strument wie die Gemeinschaftsaufgabe 48 Wahlprogramm der Linkspartei.PDS, S. 47 17/18. Vgl. Andrea Nahles/Harald Schartau, Eine 49 neue Politik der Arbeit, a. a. O., S. 2. WASG-Gründungsprogramm, S. 8/9. 17
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