Waldfriedhof Davos - Heft 4 - Rudolf Gaberel

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Waldfriedhof Davos - Heft 4 - Rudolf Gaberel
Heft 4

                           Rudolf Gaberel

                         Waldfriedhof
                           Davos

ISBN 978-3-9523262-3-7      René Furer
Waldfriedhof Davos - Heft 4 - Rudolf Gaberel
Heft 4

                  Rudolf Gaberel

            Waldfriedhof                               1

              Davos
               und andere Beispiele

Der Davoser Waldfriedhof von 1920 wird für Besucher
unvergesslich, weil der Ort und seine Stimmung so
einmalig sind. Es ist das verbleibende Hauptwerk des
Architekten Rudolf Gaberel (1882 –1963).

                    René Furer
Waldfriedhof Davos - Heft 4 - Rudolf Gaberel
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Waldfriedhof Davos - Heft 4 - Rudolf Gaberel
Der Kurort der Moderne Seit hundert Jahren wird
    das Stadtbild von Davos von den Liegeterrassen für
    die Heliotherapie geprägt. Das begann 1906 mit der
    Zusammenarbeit der Architekten Pfleghard & Haefeli
    mit Robert Maillart für das Queen Alexandra Sana-
    torium. Inzwischen mussten die verbleibenden Heil-
    stätten einen gehörigen Nutzungswandel verkraften.

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Waldfriedhof Davos - Heft 4 - Rudolf Gaberel
Die Ankunft Von Rudolf Gaberel wird man in Davos
    mit der Dorfgarage oder mit dem Schulhaus in Frauen-
    kirch empfangen, je nach dem man von Landquart
    durch das Prättigau fährt, oder nach Thusis durch die
    Schin-Schlucht der Albula geht.

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Waldfriedhof Davos - Heft 4 - Rudolf Gaberel
Schweiz Zwei Beispiele für Gottesäcker im Gebirge

                                   Ernen im Goms    Grindelwald
Waldfriedhof Davos - Heft 4 - Rudolf Gaberel
Schweiz

           Die kahle Kirchhofstatt im nahen Wiesen bringt als
          Gegenteil die Üppigkeit des Waldfriedhofs zur Geltung.
Waldfriedhof Davos - Heft 4 - Rudolf Gaberel
Der Friedhof in der Landschaft Am Erinnerungsort
                                                     N
                                                                                                                      für die Nachkommen zählt das sichtbare Darüber
                           1
                                                                                                                      als Gegenspieler des Vergessens. Um 1920 träumte
                                                                                                                      Nordeuropa von Waldfriedhöfen, wie es vorausgehend
                                        2
                           5                                                                                          um 1900 begann, von Gartenstädten zu träumen.
                                                                                                                      Der Wildboden ist dazu eine „Grande Composition
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                                                                                                1                     Exécutée“ (Georges Gromort, 1944). Als entrückter,
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                                                              B                                                       beschatteter und bergender Ort für die letzte Ruhe
                                                                                                                      steht er in der Nachfolge der Toteninsel. In den Bil-
                                                                                                                      dern von Arnold Böcklin um 1880 rahmen Steilfelsen,
                                                          A            A
                                              B
                                                                                                                      mit Grabnischen darin, einen Zypressenhain und den
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                                                                                                                      Bootssteg in der Bucht davor. Auch der Wildboden hat
                                                                                                                      einen fassbaren Umriss und Aufriss. Der Moränen-
                                                                                                                      kegel bildet den Sockel, und der Lärchenwald ist als
                                                1:2000 / 1mm = 2m
                                                                                                                      Baldachin der landschaftliche Überbau.
                                                0    20    40     60    80   100   120    140       160   180   200

     1 Dienstgebäude               Der Plan zeigt zwei verschiedene Bereiche. In der Lichtung besetzen                Der Friedhof als Teil der Besiedlung Mit Parzellen von
     2 Abdankungskapelle           Reihengräber das Feld A. Der rahmende Wald eignet sich für die lockere
     3 Aufbahrungshalle            Anordnung von Einzel- und Familiengräbern B.                                       2qm führt ein Friedhof zur ausgesprochenen Klein-
     4 Verwaltung
     5 Jüdischer Friedhof                                                                                             teiligkeit. Das Gräberfeld bildet die Verhältnisse der
                                                                                                                      Besiedlung ab; auch da gibt es die Wiederholung im
                                                                                                                      Nebeneinander und um die Erreichbarkeit als Gegen-
                                                                                                                      über. Im jurassischen St - Imier wendet sich der Fried-
Waldfriedhof Davos - Heft 4 - Rudolf Gaberel
hof im Trogtal der Ortschaft zu. Die Kirchhofstatt
     war auch hier der erste Gottesacker, bevor er an den
     Schattenhang ausgelagert wurde.

     Ein Bestreben der Moderne Im Hinblick auf die Ent-
     wicklung der Modernen Architektur ist 1920 ein frühes
     Datum. Gewiss, es gibt auch Tallum, den Waldfriedhof
     in Stockholm. Gunnar Asplund & Sigurd Lewerentz
     gewannen 1915 den Wettbewerb; aber die Planung
     verzögerte den Baubeginn um drei Jahre bis zum
     Ende des Ersten Weltkriegs.
14   Literaturhinweis Christof Kübler. Wider den hermetischen Zauber.   15

     Rudolf Gaberel und Davos, 1997.
     Nekropolis. Werk, Bauen+Wohnen, 10 / 2000
Waldfriedhof Davos - Heft 4 - Rudolf Gaberel
Die zyklischen Jahreszeiten und Tageszeiten In einem
     Bergwald - Friedhof, der in einem Hochtalkessel liegt,
     ist der Winter die vorherrschende Jahreszeit. Die Lär-
     chen sorgen dafür, dass auch die beiden Übergänge des
     Sprießens und Welkens im Frühling und im Herbst
     augenfällig werden. Die verschiedenen Tageszeiten
     und ihr Zusammenwirken mit dem Wetter bringen
     einen zusätzlichen, schier unausschöpfbaren Vorrat
     an Bildern.

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     Eine Kolossalordnung Es gibt den Gegensatz zwischen den zierlichen Gräbern
     und den mächtig emporragenden Stämmen der Nadelbäume. Diese Wirkung
     wird sonst, den Strassen entlang, mit Pappelalleen erzeugt.
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Die religiöse Vielfalt als Nebeneinander Auf dem Wildboden liegt der jüdische Friedhof
     auf der rechten Seite der Zufahrt. Dort hat er seine eigene Umfassungsmauer.

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Schweiz                      Frankreich

          Endingen, Aargau

                                          Montparnasse, Paris
Frankreich Großstadtfriedhof in Paris                         Brasilien Großstadtfriedhof in Rio de Janeiro

                            Die Sicht vom Montparnasse-Turm                                 Die Sicht vom Corcovado-Hügel
Frankreich

             Der Friedhof von Cerbère über der Steilküste   Das Grab von Le Corbusier und seiner Frau Yvonne
                                                                             in Roquebrune
Italien Modena hat seinen Friedhofmaurer, wie Davos seinen Friedhofgärtner.

                                   Baubestattung: der Friedhof San Cattaldo in Modena,
                                                     von Aldo Rossi
Italien

          Der Bau des Camposanto von Pisa wurde 1277 begonnen.
Italien Die berühmten Großstadtfriedhöfe von Mailand und Genua sind der Inbegriff
für das Einhausen der Toten. Sie werden von Hongkong noch übertroffen. Dort steht
seit 1981 am Kap Collinson das Urnen-Parkhaus.

                  Der monumentale Friedhof von Mailand als Vordergrund...           ...und die Wände mit aufgereihten und gestapelten Nischen dahinter
Italien

          Die Friedhofinsel San Michele in Venedig
                                                    Der Staglieno-Friedhof in Genua
Afrika

                                                                              Friedhof in Kairuan, Tunesien

         Gräberfeld an der Atlantikküste bei Rabat-Sale in Marokko   Friedhof bei den Pyramiden von Gizeh in Ägypten
Mexico Friedhöfe erweisen sich beim Besuch als Orte der Duldsamkeit. Sie haben    Philippinen
einen hohen Öffentlichkeitsgrad. Das macht die innewohnende kulturelle Vielfalt
weltweit erlebbar.

                   Ländlicher Friedhof bei Xoccel im mexikanischen Yucatan                      Eine Gasse des chinesischen Friedhofs in Manila
Japan

        Der Waldfriedhof über dem Taisanji-Schrein in
              Ikawadani-cho, Nishi-ko, bei Kobe
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So ist Davos Ein Talkessel, klar umrissen, gross und       bloss das Basislager. Der Tageslauf der Gäste weist
     grossartig zugleich.                                       darüber hinaus in die weite Erholungslandschaft.
                                                                Das Berggebiet ist der natürliche Reichtum. Neben
     Parsenn ist bloss ein Begrenzungsteil zu dieser Weite.
                                                                Bodenschätzen gibt es auch bedeckende Oberflächen-
     Sobald man ihn ergänzt, und so vervollständigt, stel-
                                                                schätze; das zeigt sich hier.
     len sich weitere Namen ein, die ebenfalls in den Ferien-
     erinnerungen nachklingen: Der Schatzalp liegt Clava-       Landschaft Davos Landschaft sagt alles. Davos ist
     del gegenüber. Strela und Weissfluh stehen mit dem          und bleibt, was es schon war. In der Hauptsache ruht
     Rinerhorn und Jakobshorn auf der östlichen Talseite        es in sich selber, ist nahe bei seinem Ursprung geblie-
     im Zwiegespräch. Als räumliches Dazwischen wirkt           ben. Die Spuren der Walsersiedlung haben sich bis
     das Tal selber noch stärker als die mächtigen Berge,       heute nicht verwischt; weit gestreut hat das damals
64   die es umgeben. In Grindelwald und in Zermatt, auch        begonnen. Im Unterschied zur Landschaft ist die           65

     in Chamonix, mag das anders sein. Der zyklische            Ortschaft vielgliedrig. Zwischen Laret und Monstein,
     Wechsel der Jahreszeiten ist das Hauptereignis; die        zwischen der Talstufe hinab nach Klosters und der
     anderen Temperaturen bringen jeweils auch andere           Landwasserschlucht, kann man das auf der Haupt-
     Farben. Dem langen Winter geht der bunte Herbst            straße als Anlagerungskette buchstäblich erfahren.
     voraus.                                                    Dischma und Sertig sind als Seitentäler ergänzende
                                                                Nebensachen, die mit den entsprechenden Merkma-
     Der Bannwald Bei diesen Voraussetzungen ist mit
                                                                len die Hauptsache zur Geltung bringen. Wie andere
     wenig viel zu erreichen. Die Kultur ist dazu da, um
                                                                Berggemeinden hat auch Davos einen weiten und
     sich in der Natur einzurichten und sie in ihrer über-
                                                                unwegsamen Umriss. Innerhalb von diesem locke-
     legenen Pracht zur Geltung zu bringen. Man geht
                                                                ren Rand, und der entsprechenden Besiedlung, gibt
     nicht wegen Davos selber nach Davos; der Kurort ist
es die Kernstrecke zwischen Dorf und Platz. Schon         Eingenommen Dieser kurzen Huldigung gingen viele
     in seiner Mitte ist der Ort zweipolig, eine Einheit,      ähnlich klingende Äußerungen von Gästen schon vor-
     die aus einer Zweiheit besteht.                           aus. Das letzte Wort über die Stadt, die sich überzeu-
                                                               gend Landschaft nennt, ist damit noch nicht gesagt;
     Die Promenade Damit sind wir schon unterwegs auf
                                                               denn Lebensfreude ist ihr Erzeugnis, und die wirkt
     der Promenade, die als Einbahnstraße auch Teil der
                                                               als nicht versiegender Sprudel.
     Verkehrsschleife ist. Mit ihrer leicht abgehobenen Lage
     über dem Hangfuß und der Talsohle zeigt sie, wie ein
     Kurort seine Belétage haben kann. Darüber gibt es
     mit der Hohen Promenade noch ein Belvedere. Bau-
     fachleute werden ihre Kenntnisse nutzen und daraus
66   einen Architekturspaziergang machen. Dann reden                                                                    67

     sie unter sich über das Gesehene, unverstellt aus der
     Entdeckerfreude heraus.

     Einhüftig Das Tal ist vorteilhaft nach Süden ausge-
     richtet. Wegen der geringen Abdrehung nach Westen ist
     das Einlagern der Besiedlung in den Landschaftsrah-
     men einseitig erfolgt. Davos wendet sich entschieden
     der Morgensonne zu. Die beiden Promenaden tragen
     zusammen mit der Schatzalp und Parsenn ebenfalls
     mit zur Einhüftigkeit bei.
Impressum Heft 4

                                          Rudolf Gaberel

                              Waldfriedhof
                                Davos

     über den Verfasser
     René Furer war von 1968–1994
     Dozent für Architekturtheorie
     an der ETH Zürich.
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     Text und Bilder
     René Furer

     Kontakt
     furer@bluewin.ch
     René Furer
     Bodenacherstraße 101
     CH-8121 Benglen

     Gestaltung
     Grafilu

     Druck
     Vögeli AG, Langnau

     Copyright © 2007 René Furer
     Alle Rechte vorbehalten, Nachdruck, Aufnahme
     in elektronische Datenbanken, Mailboxen
     sowie sonstige Vervielfältigungen, auch
     auszugsweise und in Ausschnitten, nur mit
     schriftlicher Genehmigung des Herausgebers.
     ISBN 978-3-9523262-3-7
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