Warum ist Lausanne so begehrt?

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Warum ist Lausanne so begehrt?
Gespräch mit Marco Torriani, Stiftungsratspräsident
     der Hotelfachschule Lausanne

 warum ist
 Lausanne so
 begehrt?
     Er ist der Gentleman der Schweizer Hotellerie. Ein Mann mit Stil,
     Charme und internationaler Erfahrung. Der perfekte Gastgeber.
     Seit 22 Jahren führt er das Mandarin Oriental in Genf, eine der besten
     Luxusadressen der Schweiz. Damit nicht genug: Als Stiftungsrats­
     präsident der Ecole hôtelière de Lausanne (EHL) engagiert sich der ge­
     bürtige Bündner und Ex-Eishockey-Spieler (HC Davos) für die renom­
     mierteste Hotelfachschule der Welt. Ein Gespräch mit Marco Torriani.

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Warum ist Lausanne so begehrt?
Hotelier-Talk Marco Torriani

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Warum ist Lausanne so begehrt?
Die Hotelfachschule Lausanne (Ecole
     hôtelière de Lausanne/EHL) ist eine
     der besten und renommiertesten
     Schulen für Hotelmanagement
     weltweit. Jährlich werden rund 1800
     Studierende aus mehr als 80 Nationen
     unterrichtet.

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Warum ist Lausanne so begehrt?
Hotelier-Talk Marco Torriani

          Interview und Porträt-Bild: Hans R. Amrein

          M
                         arco Torriani, als Stiftungsratspräsident der           Nochmals: In Lausanne würden primär Mana-
                         weltberühmten Hotelfachschule Lausanne, wo fast         ger und nicht Gastgeber ausgebildet. Junge, ehr­
                         alle erfolgreichen Hoteliers ihr theoretisches          geizige Leute, die Karriere machen und bereits
                         Handwerk lernen, müssen Sie ja wissen, was den          mit 30 als General Manager ein 200-Bettenhaus
                         guten Hotelier auszeichnet.                             führen wollen.
          (lacht) Ja, eigentlich schon!                                          Das darf man so nicht sagen. Man ist Gastgeber
                                                                                 – oder man ist es nicht. Gastgeber sein ist eine
          Also, was zeichnet den Top-Hotelier besonders aus?                     Frage der persönlichen Einstellung, dazu braucht
          Der gute Hotelier ist im wahrsten Sinne des Wortes Gastgeber.          es Herzblut, ein inneres Feuer.
          Dass er auch als Manager das Hotel führen und organisieren muss,
          ist klar. Das Hotel ist ein dynamischer Betrieb, täglich ändert sich   Die Gastgeberrolle kann man also nicht lernen?
          etwas, die Bedürfnisse der Gäste sind völlig unterschiedlich. Fazit:   Entweder hat man das im Blut, oder man hat es
          Der Hotelier muss extrem flexibel und auch anpassungsfähig sein.       eben nicht. Viele Hotelfachschüler spüren wäh-
          Er muss rasch handeln und sich in neuen Situationen sofort zurecht-    rend des Studiums, dass sie das Gastgeber-Gen
          finden können. Das gilt auch für die Mitarbeiterführung.               nicht oder nicht so ausgeprägt haben, deshalb
                                                                                 arbeiten Sie nach dem Studium nicht in der Hotel-
          Der erfolgreiche Hotelier ist, wie Sie sagen, ein Leader und           lerie, sondern auf einer Bank oder sonstwo in der
          Motivator.                                                             Wirtschaft.
          Unbedingt! Er muss seinem Team das Hotel erklären. Was sind
          unsere Standards? Wie lautet die Philosophie oder Strategie des        Gastgeber sein, das heisst: Auf den Gast ein-
          Hauses? Was erwartet der Gast von uns? Wie wollen wir unser            gehen, ihm eine Freude bereiten, ihn glücklich
          Hotel gemeinsam führen?                                                machen …
                                                                                 So ist es! Wer Menschen liebt, ist in der Hotelle-
          An der EHL, dieser «Harvard University der Hotellerie», würden vor     rie am richtigen Platz.
          allem Manager – und keine Gastgeber mit Herzblut – ausgebildet,
          lautet ein in Hotelkreisen verbreiteter Vorwurf.                       Sie haben vorhin von einem Service-Gen
          Wir sollten da unterscheiden: In Lausanne werden zwei verschie-        gesprochen.
          dene Studiengänge angeboten – der eine ist eher technisch-theo-        Ja, dieses Gen muss man haben. Der Hotelier
          retisch, der andere sehr praxisbezogen. Im «Diplomkurs» lernen         sollte die Fähigkeit haben, auf ganz unterschied-
          die Studenten eine Menge über Food & Beverage. Diesen Studien-         liche Menschen – Gäste und Mitarbeiter – einge-
          gang besuchen vor allem Leute aus der Gastronomie, darunter            hen zu können. Wer das nicht kann, ist verloren.
          auch viele Köche, die später einmal ein kleines Hotel oder Restau-
          rant führen wollen. Der Kurs beinhaltet ein Jahr Schule und zwei-      Viele Hotelfachschüler arbeiten nach dem
          mal sechs Monate Praktikum.                                            Studium gar nicht in der Hotellerie, sondern in
                                                                                 andern Branchen. Warum ist das so?
                                                                                 Absolventen von Hotelfachschulen sind auf dem
                                                                                 Arbeitsmarkt begehrt! Denn sie wissen, was es ›
          Gastgeber sein ist eine Frage der per-
          sönlichen Einstellung, dazu braucht
          es Herzblut, ein inneres Feuer.

                                                                                  Die Ecole hôtelière
          Sprechen wir vom Hauptstudiengang, wo die Hotel-Elite der               de Lausanne (EHL)
          Zukunft ausgebildet wird.                                               Die 1893 gegründete Hotelfachschule Lausanne (Ecole
          Dieser dauert vier Jahre und entspricht einem Fachhochschul-            hôtelière de Lausanne/EHL) ist eine der besten und renom-
          studium, wobei die Studenten alles, was im Diplomkurs behan-            miertesten Schulen für Hotelmanagement weltweit. Jähr-
          delt wird, ebenfalls lernen müssen. Übrigens: Der Bereich Food &        lich werden rund 1800 Studierende aus mehr als 80 Natio-
          Beverage ist und war schon immer ein Markenzeichen der Ecole            nen unterrichtet. Laut Schulleitung stehen Qualität und
          hôtelière de Lausanne. Da lernt man eine ganze Menge über Essen,        Innovation im Zentrum. Talentierte Studierende erfah-
          Menüs, Wein und Genuss ganz allgemein. Daneben vermitteln wir           ren eine qualitativ hochstehende Ausbildung, die sie zu
          den Studenten das theoretische Wissen, das sie später zur Füh-          führenden Kaderleuten in der Hotellerie macht. Sie bie-
          rung eines Hotelbetriebes benötigen: Betriebswirtschaft, Finanz-        tet einen eidgenössisch anerkannten Fachhochschul-Stu-
          management, Investitionspolitik, Projektmanagement, Architek-           diengang im Bereich Hotellerie an. Und sie wurde als erste
          tur und vieles mehr.                                                    Hotelfachschule 2004 von der New England Association of
                                                                                  Schools an Colleges (NEASC) als «Institution of Higher Edu-
          Und die sogenannt «weichen Faktoren», sprich                            cation» akkreditiert. Die Studierenden profitieren von einem
          Mitarbeiterführung?                                                     anerkannten Titel (Bachelor of Science HES-SO en hôtellerie
          Die «soft skills», wie wir sagen, sind natürlich sehr wichtig! Wie      et professions de l'accueil), der sie sowohl im In- und Aus-
          führe und motiviere ich meine Mitarbeiter? Der Hotelier sollte ja       land zu gefragten Hochschul-Abgängern macht.
          über eine hohe soziale Kompetenz verfügen, denn die Hotellerie ist
          ein reines People Business. Alles dreht sich um Menschen!               www.ehl.edu

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Warum ist Lausanne so begehrt?
heisst, eine Dienstleistung zu
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                                                                                  tung, Kundennähe – das lernt
                                                                                  man nirgends so gut wie an
                                                                                  einer Hotelfachschule.

                                                                                  aber es kann ja nicht ihr Ziel
                                                                                  sein, junge menschen auszubil-
                                                                                  den, die dann der hotellerie den
                                                                                  rücken kehren.
                                                                                  Da haben Sie Recht. Rund vier-
                                                                                  zig Prozent der Absolventen der
                                                                                  EHL arbeiten später in anderen
                                                                                  Branchen.

                                                                                  Die gründe? Das liegt ja wahr-
                                                                                  scheinlich nicht nur am fehlen-
                                                                                  den service-gen.
                                                                                  Wie bereits gesagt: Absolventen
                                                                                  der EHL sind begehrt. Unsere
                                                                                  Schule hat einen hervorragen-
                                                                                  den Ruf – und das weiss man
                                                                                  auch bei den Banken oder in
                                                                                  der Industrie. Zum Teil wer-
                                                                                  den unsere Absolventen sogar
                                                                                  abgeworben! Die erhalten dann
                                                                                  schon in jungen Jahren sehr luk-
                                                                                  rative Angebote. Der frisch aus-
                                                                                  gebildete Hotelier erhält bei der
                                                                                  Bank ein Gehalt, das man ihm
                                                                                  in der Hotellerie nie bezahlen
                                                                                  könnte.

                                                                                  wer die ecole hôtelière de Lau-
                                                                                  sanne absolviert hat, ist perfekt
                                                                                  ausgebildet und weiss, wie die
                                                                                  hotellerie tickt. alle wege ste-
                                                                                  hen ihm offen.
                                                                                  Stopp! Wer die Schule verlässt,
                                                                                  steht erst am Anfang seiner
                                                                                  Hotelkarriere. Jetzt beginnt die
                                                                                  Arbeit! Das Diplom ist zwar eine
                                                                                  gute Basis, aber keine Erfolgs-
                                                                                  garantie. Jetzt muss sich der
                                                                                  junge Hotelier bewähren. Er
                                                                                  muss Erfahrungen sammeln
                                                                                  und auch bereit sein, Tätigkei-
                                                                                  ten auszuführen, die vielleicht
                                                                                  nicht seinem Bildungsniveau
                                                                                  entsprechen. Kommt hinzu,
                                                                                  dass er als «kleiner Assistent»
                                                                                  relativ wenig verdient. Doch
                                                                                  wer nicht bereit ist, ganz unten
                                                                                  anzufangen, muss die Hotelle-
                                                                                  rie vergessen.

                                                                                  Das tönt ziemlich hart.
                                                                                  Die ganze Theorie, die man an
                                                                                  der EHL lernt, ist gut und recht.
                                                                                  Jetzt geht es um die entschei-
                                                                                  dende Frage: Wie setze ich mein
                                                                                  Wissen im Hotelalltag um?

                                                                                  warum eigentlich hat die ecole
                                                                                  hôtelière de Lausanne ein so
                                                                                  gutes image? und warum ist
 Hotelfachschülerinnen in der Schul-Patisserie. «Uniformen gibt es in Küche und   ein hotelier, der Lausanne
 Service, sonst tragen die jungen Männer Veston und Krawatte. Man muss lernen,    absolviert hat, ein besonderer
 wie man sich bewegt und verhält. Alles ist sehr strikt und ordentlich.»          hotelier?

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Hotelier-Talk Marco Torriani

Ganz einfach: Die Qualität der Studenten hat das      in die Tiefe. Kommt hinzu, dass
Image der Schule geprägt. Zahlreiche ehema-           die EHL als Hochschule auch
lige Absolventen der EHL haben es in die höchs-       Forschung betreibt.
ten Positionen der Hotellerie geschafft. Kommt
hinzu, dass die EHL die älteste Hotelfachschule       Seit elf Jahren ist die EHL also
der Welt ist. Sie wurde bereits um 1893 gegründet.    eine Fachhochschule und des-
Die School of Hotel Administration der Cornell        halb für alle zugänglich. Wie
University in Amerika wurde erst in den zwan-         war das vorher?
ziger Jahren eröffnet. Wobei auch Cornell einen       Ich konnte mir Lausanne
hervorragenden Ruf geniesst.                          damals nicht leisten, deshalb
                                                      ging ich an die Hotelfachschule
Welche grossen Hoteliers haben denn Lausanne          Luzern! Lausanne war eine pri-
absolviert?                                           vate Schule und für die Studen-
Oh, das ist eine lange Liste! Von den über dreis-     ten sehr teuer. Das ist seit 2000
sig Swiss Deluxe Hotels haben die meisten in Lau-     ganz anders. Wer in der Schweiz
sanne studiert: Hans Wiedemann vom Badrutts           wohnt und ein Maturitätszeug-       Mandarin Oriental Genf
Palace, Vic Jacob vom Suvretta House, Michel          nis besitzt, kann an der EHL        Das mit 192 Zimmern und Suiten ausgestattete Hotel wurde
Rey vom Baur au Lac Zürich, Reto Wittwer, CEO         studieren – zu Konditionen wie      im Jahr 2008 mit rund 40 Millionen Franken neu gestaltet.
von Kempinski, Kurt Ritter, Präsident und CEO         an einer Schweizer Universität.     Im Zuge dieser Renovation entstanden im oberen Stockwerk
der Rezidor Hotelgruppe, Emanuel Berger, bis vor                                          des Hotels sechs neue, grosszügige Junior-Suiten mit eige-
Kurzem CEO der Victoria Jungfrau Collection,          Und die Ausländer bezahlen viel     nen Dachterrassen. Die Hotelhalle sowie die Bar und die
Jean-Jacques Gauer vom Lausanne Palace und            Schulgeld.                          zwei Restaurants erhielten, in innovativem Design, von Star-
viele Jahre Leading-Präsident – um nur einige         Ja, etwa 50 000 pro Jahr oder       architekt Adam D. Tihany ein neues Outfit. Teil des neuen
Namen zu nennen.                                      rund 200 000 Franken bis zum        Restaurant-Konzepts sind das indische Restaurant «Rasoi by
                                                      Diplomabschluss nach vier Jah-      Vineet», eine Depandance des Londoner Sterne-Restaurant
Lausanne und Cornell sind also die renommier-         ren.                                «Rasoi by Vineet» sowie das Restaurant «Le Sud, Geneve»
testen Hotelfachschulen der Welt.                                                         unter der Patronage von Kochlegende Paul Bocuse.
Ja, das kann man so sagen. Wobei man nicht            Kann denn jeder an der EHL          1950 wurde das Hotel du Rhône als erstes Luxushotel im
unbedingt ein Diplom von Lausanne oder Cor-           studieren?                          Nachkriegs-Europa als Familienbetrieb der Lendi-Dynastie
nell in der Tasche haben muss, um ein grosser         Wir nehmen nur Kandidaten           eröffnet. Im Jahre 1989 wurde das Hotel an George Rafael
Hotelier zu werden. Diese Diplome sind über-          auf, die ein klares Bekenntnis      und seine Rafael-Gruppe verkauft. Nach der Übernahme
haupt keine Erfolgsgarantie! Sie sind nützlich,       zur Hotellerie ablegen. Auch        von Rafael Hotels durch die Mandarin Oriental Hotel Group
aber nicht notwendig.                                 wenn Sie später Uhren oder          wurde das Hotel 2001 in Mandarin Oriental umbenannt. In
                                                      Aktien verkaufen.                   den letzten Jahrzehnten wurde das Haus auch Treffpunkt
Einige grosse Hoteliers, zum Beispiel Rezidor-                                            der Mächtigen, Reichen und Schönen. So waren zum Bei-
CEO Kurt Ritter, haben am Anfang eine Koch-           Bis vor fünfzehn Jahren wurde       spiel Persönlichkeiten wie der König von Schweden, der
lehre gemacht und sich dann über alle Stufen          an der EHL nur in französischer     König von Spanien, der Maharadscha von Jaipur oder Prinz
der Hotellerie hochgearbeitet. Ist das heute noch     Sprache unterrichtet.               Albert von Belgien sowie die Präsidenten Eisenhower und
möglich?                                              Richtig, jetzt wird die Schule      Carter Gäste im Hotel an der Rhône.
Absolut! Man kann auch auf der Basis einer Lehre      französisch     und    englisch
Karriere machen und später einmal eine Spitzen-       geführt, sodass auch vermehrt       Restaurants/Bars
position besetzen. Voraussetzung ist allerdings       Deutschschweizer nach Lau-          Die beiden Restaurants des Mandarin Oriental, «Rasoi by
die ständige Weiterbildung, denn die Ansprü-          sanne kommen.                       Vineet» und «Le Sud, Geneve», sind zwei der zurzeit begehr-
che an einen General Manager oder Hoteldirek-                                             testen Restaurantadressen in Genf. Das eine Lokal, ein inno-
tor werden immer höher.                               Können Sie alle Kandidaten, die     vatives indisches Restaurant (15 Punkte Gault/Millau) und
                                                      an der EHL studieren wollen         das andere, eine zeitgemässe französische Brasserie, wur-
Die EHL wirkt auf mich etwas elitär, vielleicht       und die Voraussetzungen mit-        den beide von dem internationalen Stararchitekten Adam D.
sogar etwas abgehoben. Die Studenten tragen           bringen, aufnehmen?                 Tihany gestaltet. Um das Angebot abzurunden, bietet das
Uniformen, es gibt strenge Verhaltensregeln.          Leider nein. Von vier Kandida-      Hotel auch ein neuartiges Konzept im Bar- und Lounge-Be-
Ist das noch zeitgemäss?                              tinnen und Kandidaten erhält        reich: die MO Bar ist ein stylischer Ort, an dem man den
Uniformen gibt es in Küche und Service, sonst         nur einer einen Studienplatz        ganzen Tag jede Art von exotischen Cocktails sowie Tapas-
tragen die jungen Männer Veston und Krawatte.         an der EHL. Die Nachfrage ist       Gerichte geniessen kann.
Man muss lernen, wie man sich bewegt und ver-         enorm, doch die Studienplätze
hält. Alles ist sehr strikt und ordentlich.           sind begrenzt.                      Zimmer und Suiten
                                                                                          Das historische Gebäude beherbergt 192 Zimmer, davon 30
Ein Internat für angehende Hoteliers.                 Der Hotelmarkt boomt welt-          Suiten und Junior-Suiten. Die Zimmer des Hotels sind alle
Ja, vielleicht. Glauben Sie mir: Solche Dinge sind    weit. Allein in China und dem       mit luxuriöse Materialien wie griechischem Marmor, Leder
für das spätere Leben im Hotelalltag sehr nützlich.   Mittleren Osten werden in den       oder Seide ausgestattet. Ein Highlight in jedem Zimmer sind
                                                      nächsten Jahren Hunderte,           drehbare Schränke, in welchen sich die Minibar sowie der
Worin liegt der grosse Unterschied zwischen der       wenn nicht Tausende Hotels          Schuhschrank befinden. Drei neue Mandarin Terrace Rooms,
EHL und den Hotelfachschulen von Luzern, Zürich,      eröffnet. Beispiel: Kempinski       drei neue Junior-Suiten und die luxuriöse Oriental Terrace
Chur oder Thun?                                       sucht bis 2014 rund 20 000 neue     Suite mit extra Esszimmer und eigenem Spa wurden im Juli
Die EHL ist eine Fachhochschule auf Univer-           Mitarbeiter.                        2008 fertiggestellt. Die neuen Suiten, die sich durch ein
sitätsniveau, all die erwähnten Schulen sind          Selbst unsere kleine Mandarin       zeitgenössisches und urbanes Rückzugskonzept auszeich-
«Höhere Fachschulen». Doch auch Luzern,               Oriental Group benötigt aktu-       nen, wurden von Buzz Design of Hongkong entworfen. Alle
Zürich oder Thun sind heute auf einem sehr            ell rund 50 Food & Beverage-        Suiten haben private Terrassen, von welchen man einen
hohen Niveau. Vielleicht geht man in Lausanne         Manager und Couvernanten.           tollen Blick auf die Rhône, die Altstadt von Genf und die
in den theoretischen Fächern wie Finanzen,            Der Personalbedarf im Hotel-        umliegenden Bergen geniessen kann.
Betriebsführung, Human Resources etwas mehr           gewerbe ist in der Tat enorm. ›     www.mandarinoriental.com

      10I2011                                                                                                                                      43
Die Rezeption an der EHL.                                 Hotelfachstudenten während einer Lektion.

Können die hotelfachschulen diesen bedarf                 guglielmo brentel, Präsident von hotellerie-           dann Karriere machen. und im
überhaupt abdecken?                                       suisse, spricht von rund 1000 hotelbetrieben,          service arbeiten ausländer, vor
Sicher nicht in jedem Bereich. Doch in letzter Zeit       die man schliessen müsste. grund: falsche              allem Deutsche.
sind weltweit viele private Schulen und Institute         oder nicht mehr zeitgemässe businesspläne.             Früher war der Oberkellner ein
entstanden, zudem betreiben viele Hotelgruppen            ihre meinung?                                          angesehner Mann. Der Con-
eigene, interne Hotelschulen. Übrigens: Bereits in        Natürlich hören das viele Hoteliers nicht gerne,       cierge war in Davos eine Per-
neun Ländern, so auch in China, gibt es EHL-zer-          aber Herr Brentel sagt die Wahrheit. So ist es!        sönlichkeit. Das ist heute leider
tifi zierte Schulen. Das sind derzeit 13 Institute, die                                                          nicht mehr so.
Studenten auf EHL-Niveau ausbilden. Die Schü-             was ist die Lösung in der «mittelklasse»?
ler erhalten nach Abschluss des Studiums das              Private Hoteliers sollten vermehrt kooperieren         warum findet man immer weni-
«Swiss Hotel Association Diploma» von Hotelle-            oder sogar Franchiseverträge eingehen. Accor,          ger schweizer, die als Kellner,
riesuisse. Eine Schule, die sich zertifi zieren las-      um ein Beispiel zu nennen, sucht derzeit aktiv         barmann oder Portier arbeiten
sen will, muss bestimmte Kriterien erfüllen und           Hotels im Drei- und Vierstern-Bereich und bietet       wollen?
wird durch ein unabhängiges Institut zertifi ziert.       ihnen attraktive Kooperationsmodelle an.               (denkt lange nach) Schwierige
                                                                                                                 Frage. Ein Phänomen. Viel-
ein neues, lukratives geschäftsfeld für die ehL.          wo steht die schweizer hotellerie heute, im            leicht hängt es mit den Löhnen
Wir erhalten laufend Anfragen von Hotelschu-              herbst 2011? wie gut oder wie schlecht sind wir?       zusammen. Oder mit der Erzie-
len aus aller Welt, die von unserem Know-how              Die Schweizer Hotellerie ist heute im internatio-      hung. Die Eltern sagen dem
und Wissen profitieren wollen. Warum sollen wir           nalen Vergleich absolut wettbewerbsfähig.              Sohn: Du musst studieren und
denen nicht helfen, ihre Ausbildungsprogramme                                                                    Hotelmanager werden. Auch
aufzubauen?                                               in allen bereichen, oder nur im Luxussegment?          wenn der Sohn vielleicht als
                                                          Im Vier- und Fünfstern-Bereich sind wir echt gut       Kellner glücklich wäre.
haben die schweizer hoteliers immer noch ein so           oder sogar Spitze. Da spielen wir in der Cham-
hervorragendes image in aller welt?                       pions League. Im Zwei- und Dreistern-Bereich           ohne ausländisches service-
Die Hoteliers schon, doch die Hotellerie in der           wird es schwierig. Es ist ja wirklich nicht einfach,   personal müssten die meisten
Schweiz erlebte in den letzten Jahren nicht nur           ein kleines, privates Hotel mit ein paar Betten zu     schweizer hotels schliessen.
Hochs, sondern auch Tiefs.                                führen. Viele sind einfach nicht in der Lage, grosse   Wir wären am Ende!
                                                          Summen in ihre Häuser zu investieren.
warum?                                                                                                           wie ist das bei ihnen im man-
Es wurde einfach zu wenig investiert! Man ruhte           Die schweiz ist teuer. Jetzt mit dem starken           darin oriental in genf?
auf den Lorbeeren aus. Dann trat zum Beispiel             Franken noch teurer. soll man sich jetzt über den      Nur noch fünfzehn Prozent
Emanuel Berger aufs Podest und machte den                 Preis verkaufen?                                       unserer Mitarbeitenden kom-
Kollegen klar, dass man in die Häuser investie-           (verwirft die Hände) Nein! Das wäre verheerend!        men aus der Schweiz. Vierzig
ren sollte. In den Neunzigerjahren ging dann ein          Es läuft nur über die Leistung, über die Qualität.     Prozent sind Franzosen, die
Ruck durch die Hotelszene – und viele Hotelbe-            Wir sind nicht billig, dafür sehr gut. Und da spielt   andern kommen aus Italien,
triebe wurden um- und ausgebaut. Das beste Bei-           eben die Aus- und Weiterbildung des Hotelperso-        Portugal, Spanien, Osteuropa.
spiel war Emanuel Berger selbst: Er machte aus            nals eine entscheidende Rolle.
dem Grand Hotel Victoria-Jungfrau in Interlaken                                                                  immer wieder entdecke ich sehr
eines der besten und erfolgreichsten Ferien- und          sie sprechen von der ecole hôtelière de Lausanne.      junge hoteldirektoren, die viel-
Wellnesshotels der Welt.                                  Nein, ich denke jetzt vor allem an die Berufslehre.    leicht knapp 30 oder 32 sind.
                                                          Man sollte noch mehr junge Leute dazu motivie-         Früher war das anders. Da
investiert wurde damals aber vor allem in der             ren, eine Lehre zu machen. Unser Lehrlingssys-         wurde man mit vielleicht 40
Luxushotellerie, zum teil auch noch im Vierstern-         tem ist weltweit einzigartig. Wir brauchen gute        oder 45 Direktor des hauses.
segment.                                                  Servicefachleute.                                      Ich hatte mein erstes Hotel mit
Richtig. In der Zwei- und Dreistern-Hotellerie                                                                   33! Früher sassen die Hoteldi-
sieht es leider anders aus. Da existiert nach wie         und genau da haben wir ein Problem: Der junge          rektoren ewig lange auf ihren
vor Investitionsbedarf.                                   schweizer geht an die hotelfachschule und will         Chefsesseln, sodass junge

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Hotelier-Talk Marco Torriani

Hotelleute in der Schweiz gar keine Chance hat-
ten, mit 35 oder 38 ein Hotel zu übernehmen.
Sie gingen ins Ausland. Nach zehn oder zwan-
                                                        Warum steigen Leute in Luxus-
                                                        hotels ab, wo sie für ein Zim-
                                                        mer 800 oder über 1000 Fran-
                                                                                                                       privat
zig Jahren kehrten sie zurück – und übernahmen          ken pro Nacht bezahlen? Sie
eine Direktionsstelle, weil ihr Vorgänger endlich       könnten ja genauso gut im Bud-
in den Ruhestand ging.                                  get-Hotel für 120 Franken über-
                                                        nachten.
Hoteliers mit internationaler Erfahrung sind            Vielleicht trifft der Gast im
heute trotzdem Mangelware.                              Luxushotel Leute aus seinem
Absolut. Deshalb sollten junge Leute die Chance         gesellschaftlichen       Umfeld.
packen und auch mal im Ausland arbeiten. Das            Man ist dann sozusagen unter
Einzigartige in der Hotellerie ist ja, dass wir über-   sich. Der Luxusgast pflegt und
all auf der Welt arbeiten können. Die Welt steht        schätzt einen gewissen, viel-
uns offen!                                              leicht sehr teuren Lebensstil.      Wer ist Marco Torriani?
                                                        Er ist sich Komfort gewohnt         Seit 1989 ist Marco Torriani, geboren am 20. Mai 1945 in
Die Ansprüche an die Hotellerie wachsen enorm,          und gibt sich nicht mit einem       Davos, General Manager des ehemaligen Hotel du Rhône,
alles wird komplexer, die Gästebedürfnisse, die         schmalen Einzelzimmer zufrie-       welches 2001 in Mandarin Oriental Geneva umbenannt
Infrastruktur, die Servicekultur. Früher hat man        den. Zudem spielen sicher Sta-      wurde. Als Absolvent der Hotelfachschule Luzern und der
einfach Betten, Essen und Trinken verkauft.             tus und Prestige eine gewisse       KV-Handelsschule in Basel hat er seit über 25 Jahren Erfah-
Die Basis des Gastgewerbes ist und bleibt: Essen,       Rolle.                              rung in der internationalen Hotelindustrie. Angefangen in
Trinken und Schlafen. Die Frage ist nur: Wie ver-                                           der Schweiz, ging er später nach Südafrika und Kanada, wo
                                                                                            er General Manager des «Le Parc Regent» wurde. Von dort
                                                                                            zog es ihn nach Chicago ins Mayfair Regent und wieder
                                                                                            zurück nach Europa, um die Neugestaltung des Breidenba-
                  Unsere Schule hat einen hervorragen-                                      cher Hofes in Düsseldorf zu beaufsichtigen. 1988 wurde der
                                                                                            Breidenbacher Hof zum ersten Hotel der neu gegründeten
                  den Ruf – und das weiss man auch bei                                      Rafael Hotel Group, von welcher Marco Torriani der erste
                                                                                            Partner wurde. Für Rafael zog er nach Genf und beaufsich-
                  den Banken oder in der Industrie.                                         tigte den Umbau des Hotel du Rhône, das im Jahr 2000 von
                                                                                            der Mandarin Oriental Hotel Group erworben wurde und
                                                                                            Marco Torriani als General Manager übernahm.
                                                                                            Marco Torriani ist im Bündnerland aufgewachsen. Sein
mittelt man das? In Hotels verkehren Menschen,          Wohin geht die Reise in der         Vater, Bibi Torriani, war ein berühmter Eishockey-Spieler.
die reisen. Und die müssen sich verpflegen und          Hotellerie?                         Marco Torriani spielte in jungen Jahren selbst Eishockey,
schlafen. Das wird auch in hundert Jahren noch          Die Hotellerie wird sich grund-     und zwar als Stürmer beim EHC Davos. Seit einigen Jah-
so sein.                                                sätzlich stets verändern. Es ent-   ren ist der heute 66-jährige Hotelier auch Stiftungsratsprä-
                                                        stehen laufend neue Konzepte,       sident der renommierten Hotelfachschule Lausanne (Ecole
Heute geht es darum, dem Gast Erlebnisse zu bie-        immer noch verrücktere Hotels.      hôtelière de Lausanne, EHL), wo 2010 rund 1800 Studenten
ten. Hotels müssen, je nach Segment, exklusiv,          Punkto Architektur und Design       aus 88 Ländern Kurse und Studiengänge absolviert haben
authentisch, unverwechselbar sein. Da genügt ein        gibt es keine Grenzen.              (www.ehl.edu)
Zimmer mit Dusche nicht mehr.
Das stimmt. Der Lebensstandard ist gewaltig             Sie sprechen von der Hardware,
gestiegen. Der Gast will im Hotel etwas erleben,        aber entscheidend ist ja die
andere Leute treffen, arbeiten, sich erholen und        sogenannte Software.
unterhalten. Daneben verlangt er Wohnkomfort,           Natürlich hat der Gast unter-
gutes Essen, eine moderne Infrastruktur, Inter-         schiedliche Bedürfnisse, aber
net und solche Dinge.                                   grundsätzlich will er im Hotel
                                                        seine Ruhe haben, sich zurück-
Das Hotel muss leben.                                   ziehen, gut schlafen, essen und
Richtig, deshalb sind ja die «soft skills» so wich-     trinken. Zudem müssen Preis
tig. Die Hardware, sprich Innenarchitektur und          und Leistung stimmen. Man           Mandarin Oriental Genf
Design, ist das eine, aber entscheidend sind Dinge      kann gut sein oder man kann
wie Aufmerksamkeit, Herzlichkeit, Servicebe-            sehr gut sein, aber entscheidend    Eröffnung: 14. Juli 1950
reitschaft. Der Gast will sich im Hotel zuhause         ist die Konstanz. Egal auf wel-     General Manager: Marco Torriani
fühlen. Willkommen sein, sich wohlfühlen.               chem Niveau, egal ob fünf oder      Besitzer Mandarin Oriental Group Hongkong:
                                                        zwei Sterne: Der Gast erwartet      Jardine Matheson Group, gegründet 1963
Man muss die Bedürfnisse des Gastes frühzeitig          stets eine konstante Leistung.      (Chairman: Simon Keswick)
erkennen.                                               Wenn Sie das erreichen, geht es     Zimmer: 192
Sie sagen es. Wenn Sie gerne ein kleines Kissen         Ihnen als Hotelier gut.             Suiten und Junior-Suiten: 30
oder nach der Ankunft einen Espresso auf dem                                                Jahresumsatz (2010): CHF 45 Mio.
Zimmer mögen … Es sind die kleinen Dinge, die           Was fasziniert Sie an der           Anteil Food & Beverage: 30 Prozent
oft grosse Wirkung haben.                               Hotellerie?                         Mitarbeitende: 230
                                                        Die Hotellerie ist kein Beruf, es   Durchschnittlicher Zimmerpreis: CHF 750 (netto,
Wir sprechen vom Luxussegment.                          ist eine Lebensart.                 2010)
Nicht nur! Es gibt Dinge, die der Gast auch                                                 Zimmerauslastung: 63 Prozent (2010)
im Budget-Hotel erwartet: blitzsaubere Zimmer,          Würden Sie sich als junger          REVPAR: CHF 450 (Nummer 2 in der Genfer Fünfstern-
eine funktionierende Dusche, Internet, Fernse-          Mann wieder für die Hotellerie      Hotellerie)
hen, Ruhe, bequeme Betten und freundliches              entscheiden?                        Herkunft der Gäste: Schweiz (45 Prozent), Middle
Personal.                                               Was für eine Frage!           H    East, Grossbritannien, USA, Frankreich, Russland, Asien

       10I2011                                                                                                                                       45
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