Weggeworfen Discards: Wie illegale Rückwürfe in der Ostsee - Our Fish
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Weggeworfen THROWN AWAY How illegal Discards: discarding Wie illegale in the Baltic Rückwürfe Sea in der is Ostsee den europäischen failing EU fisheries Fischereien and citizensund Bürgern schaden Kurzfassung Rebecca Hubbard, Programmdirektorin, Our Fish, November 2017
Kurzfassung Discard (Verb, englisch): Jemanden/etwas europäischen Fischereifahrzeugen gefangen loswerden, der/das nicht mehr nützlich oder werden, vollständig angelandet und auf die erwünscht ist. Fangquoten angerechnet werden. 2015 wurde die Anlandeverpflichtung zunächst für die Jedes Jahr werden in EU-Fischereien mehr pelagische Fischerei und die Ostseefischereien als 124.000 Tonnen Fisch als Abfall über Bord und seitdem schrittweise für weitere Arten geworfen. und Fischereien eingeführt, mit dem Ziel, ihren Geltungsbereich bis 2019 auf sämtliche EU- Das Ausmaß dieser sogenannten Rückwürfe Gewässer auszudehnen. (Fachausdruck Discards) ist von Fischerei zu Fischerei verschieden und reicht von 1 % Ist in den zweieinhalb Jahren seit Einführung bis mehr als 60 % der Fänge. Es ist weithin der Anlandeverpflichtung in der Ostsee eine anerkannt, dass die Praxis der Rückwürfe spürbare Veränderung eingetreten? Kommt es unerwünschter Beifänge insbesondere in weiterhin zu Rückwürfen? Werden Fangmengen gemischten Fischereien ein schwerwiegendes und Rückwürfe verlässlich gemeldet? Im Problem darstellt, das gefährdete Arten massiv vorliegenden Bericht werden öffentlich belastet, wertvolle Ressourcen vernichtet, die zugängliche Nachweise über die Einhaltung der Fischereikosten in die Höhe treibt und die Anlandeverpflichtung in der Ostsee untersucht. Nahrungsnetze beeinträchtigt. Umsetzung der Anlandeverpflichtung Diese eklatante Verschwendung natürlicher Ressourcen hat – auch dank des wachsenden Sowohl europäische als auch einzelstaatliche Bewusstseins für die Endlichkeit der weltweiten Einrichtungen haben Anstrengungen Vorräte – einen öffentlichen Aufschrei zur Umsetzung der Anlandeverpflichtung ausgelöst. Mehr als 870.000 Menschen haben in der Ostsee unternommen. Eine Reihe in den Jahren 2010 bis 2013 im Zuge der von Maßnahmen – darunter der Erlass Reform der Gemeinsamen Fischereipolitik spezifischer Ausnahmeregelungen, (GFP) Petitionen unterzeichnet, Politiker Flexibilitätsmechanismen bei TACs, angeschrieben, die sozialen Medien genutzt und Reduzierung der Mindestgröße und die an öffentlichen Veranstaltungen teilgenommen, Durchführung von Pilotstudien zur Selektivität um der Forderung nach einer Beendigung der von Fanggeräten – wurde ergriffen. Rückwürfe von Fisch in europäischen Gewässern Nichtsdestotrotz sind die Ergebnisse bislang Nachdruck zu verleihen. dürftig: Als Ergebnis der Reform wurde 2013 eine • Die Reduzierung der Mindestreferenzgröße Anlandeverpflichtung in der EU eingeführt, die für die Bestandserhaltung für Dorsch in der dazu dienen soll, Rückwürfe zu unterbinden östlichen Ostsee hat neue Anreize für die und Veränderungen in der Fischereipraxis zu Vermarktung kleinerer Dorsche geschaffen bewirken – weg von Fängen unerwünschter und so zu einer Verschlechterung der oder wertloser Fische, hin zu erhöhter Fangselektivität geführt, ohne dass ein Selektivität, einer Zählung sämtlicher Fänge Rückgang der Rückwurfe erkennbar wäre. und der Förderung einer ökosystembasierten Bestandsbewirtschaftung. Seither müssen alle • Für Dorsch gelten Ausnahmen von Fänge TAC-gebundener Arten – d. h. Arten, der Anlandeverpflichtung wegen hoher für die eine zulässige Gesamtfangmenge Überlebensraten bei Verwendung bestimmter (Total Allowable Catch – TAC) festgesetzt passiver Fanggeräte (Hier gilt die Annahme, wurde – sowie alle Fänge mediterraner Arten, dass die Dorsche Fang und Freilassen für die eine Mindestanlandegröße gilt, sofern unbeschadet überstehen); allerdings trifft dies sie in europäischen Gewässern oder von auf lediglich 3 % der Rückwürfe zu. 1
• Die Bemühungen um eine Verbesserung um die Qualität der für wissenschaftliche der Selektivität von Grundtrawlern – Bestandsschätzungen herangezogenen Daten Fischereifahrzeuge, die 2016 für 97 % der zu verbessern. Bislang werden Rückwürfe Rückwürfe von Dorsch in der östlichen von Fängen untermaßiger Fische in der Ostsee verantwortlich waren – erschöpfen Ostsee kaum oder gar nicht gemeldet und sich bislang in Pilotprojekten, während die dokumentiert. Anwendung auf kommerzieller Ebene nur langsam vonstattengeht. Überwachung und Kontrolle sind Grundvoraussetzungen für eine wirksame • Viele der in Artikel 15 der GFP- Umsetzung des Rückwurfverbots. Doch Grundverordnung verankerten Flexibilitäten abgesehen von der Verbreitung von werden bislang nicht ausgeschöpft, Informationen über die Anlandeverpflichtung während Quotenübertragungen als Mittel für die Fischer haben die Regierungen der zum Ausgleich von Veränderungen bei der Mitgliedsstaaten ihre Überwachungs- und Anlandung einzelner Arten – ein Mittel, das Kontrollmaßnahmen zurückgefahren, statt sie zu die Europäische Kommission empfohlen und verstärken. dessen steigende Nutzung sie prognostiziert hat – stattdessen seit 2014 rückläufig sind. • Nach Angaben des Europäischen Rechnungshofs sind die im Rahmen der • Der beste Weg, unerwünschte Fänge zu EU-Kontrollverordnung erhobenen Daten verringern, besteht darin, diese Fische gar unvollständig und unzuverlässig und führen in nicht erst zu fangen. Drei Gebiete in der Kombination mit der fehlenden Meldung von Ostsee werden während der Sommermonate Rückwürfen in der Ostsee lediglich dazu, dass gesperrt, um laichende Dorsche und sich seit Einführung der Anlandeverpflichtung Jungfische zu schützen. Allerdings wurden die Unsicherheit von Fangmeldungen nur noch bislang keinerlei “Move-on”-Vorschriften weiter erhöht. erlassen, die dazu dienen könnten, unerwünschte Fänge zu verringern. • Die Europäische Fischereiaufsichtsbehörde und die nationalen Kontrollorgane haben • Eine wesentliche Forderung der Gemeinsamen massiv in Inspektionen auf See inklusive der Fischereipolitik, und insbesondere der Erstellung von Fangprofilen (Kontrolle des Anlandeverpflichtung, ist die umfassende letzten Hols) investiert, um die Einhaltung Dokumentation sämtlicher Fischereitätigkeiten, der Anlandeverpflichtung zu überprüfen. 2
Allerdings sind diese Verfahren für die Alle untersuchten Nachweise deuten darauf Behörden nicht verwendbar, um einzelne hin, dass die Anlandeverpflichtung in der Fischereibetreiber wegen illegaler Rückwürfe Ostsee so gut wie nicht eingehalten wird. Es strafrechtlich zu verfolgen. kommt weiterhin zu Rückwürfen aller Arten, insbesondere jedoch zu nicht gemeldeten, • Die Einhaltung der Anlandeverpflichtung kann illegalen Rückwürfen von Dorsch. nur direkt auf See überprüft werden. Und doch hat sich die Zahl der Inspektionen Sollten Überwachung und Umsetzung nicht in der Ostsee seit Einführung der deutlich verschärft werden, ist für 2018 Anlandeverpflichtung nicht erhöht, sondern und 2019 mit einem drastischen Anstieg verringert: von 25 % der Fischereifahrzeuge in der illegalen Rückwurfmengen zu rechnen, 2016 auf nur 9 % im ersten Halbjahr 2017. wenn erstmals seit mehr als zehn Jahren ein starker Nachwuchsjahrgang für Dorsch • Trotz erfolgreicher Pilotprojekte und in der westlichen Ostsee die Population Empfehlungen von Forschern und EU- vergrößern wird. Dieser Jahrgang könnte dazu Strafverfolgungsbeamten hat bislang kein beitragen, die massiv überfischten Bestände Mitgliedstaat den Versuch unternommen, wiederaufzufüllen und langfristig zu sichern – die Einhaltung der Anlandeverpflichtung wenn er nicht leichtfertig vergeudet wird. mithilfe elektronischer Kontrollverfahren zu überwachen und durchzusetzen. Um Rückwürfe endgültig zu unterbinden und die Anlandeverpflichtung in der Ostsee und anderen EU-Gewässern einschließlich • Aufgrund der wachsenden Ablehnung des der Nordsee wirksam umzusetzen, ist es Einsatzes von Beobachtern auf See sinkt die unerlässlich, die Überwachung und Umsetzung Qualität der Daten, die den Wissenschaftlern auf See zu forcieren und Fischereifahrzeuge, die zur Verfügung stehen. sich an die Vorschriften halten, bei der Zuteilung von Fangquoten künftig zu bevorzugen. 2 Photo : Armin Muck/BalticSea2020
Our Fish empfiehlt, dass die zuständigen Fazit Behörden auf nationaler und EU-Ebene folgende Maßnahmen ergreifen: Die europäischen Bürger erwarten sowohl von ihren nationalen Regierungen als auch von a) Einrichtung elektronischer den EU-Behörden, dass diese die von ihnen Überwachungsprogramme – zunächst für die selbst verabschiedeten Gesetze achten. Wo gemischten Grundschleppnetzfischereien Regierungen es versäumen, das Rückwurfverbot –, um die Datenerhebung, die Einhaltung in der Ostsee wirksam umzusetzen, ist die der Anlandeverpflichtung sowie die Nachhaltigkeit der Fischbestände gefährdet, Beweiserhebung bei mutmaßlichen Verstößen werden wissenschaftliche Empfehlungen zu verbessern. unterhöhlt, wertvolle Ressourcen verschwendet, der wirtschaftliche Erfolg der Branche b) Kontinuierliche Überprüfung der gebremst – und die EU-Lieferketten für Einhaltung der Anlandeverpflichtung Fischereierzeugnisse in nie dagewesenem Maße durch Kontrollen des letzten Hols und mit rechtswidrigen Praktiken belastet. Inspektionen auf See sowie Sicherstellung gleicher Wettbewerbsbedingungen zwischen Die Regierungen möchten die Nutznießer Fischereien und Meeresgebieten. der europäischen Fischbestände – die europäischen Bürger und Verbraucher – c) Dokumentation sämtlicher Fälle, in glauben machen, dass wir bereits ein sozial, denen Fischereifahrzeuge den Einsatz von ökologisch und wirtschaftlich nachhaltiges Beobachtern auf See ablehnen, und jeder Fischereimanagement erreicht haben. Situation, in der Beobachter daran gehindert Tatsächlich ist es aber, was Rückwürfe betrifft, wurden, Rückwürfe zu erfassen. bloß „Business as usual“. Die Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten d) Quoten-Erhöhungen für nationale sind dringend aufgefordert, endlich Fangflotten, die sich durch ein hohes wirksame Programme zur Überwachung Maß an Überwachungstätigkeit auf See und Durchsetzung zu implementieren, auszeichnen oder belegen können, dass sie die die ein Ende der verschwenderischen und Anlandeverpflichtung einhalten. illegalen Rückwürfe sicherstellen, und mit der Umverteilung von Fangquoten zugunsten jener e) Umverteilung von Fangquoten auf zu beginnen, die im Einklang mit den Gesetzen nationaler Ebene an Fischereifahrzeuge, die handeln. belegen können, dass sie im Einklang mit der Anlandeverpflichtung fischen. Dies würde eine Wettbewerbssituation schaffen, in der Fischer, Den ausführlichen Bericht und alle die Transparenz herstellen und die Vorschriften Quellennachweise finden Sie unter einhalten, für eine gute fischereiliche Praxis http://www.our.fish/thrownaway2017 belohnt werden. © Copyright Our Fish http://www.our.fish/thrownaway2017 Cover Photo : Lo Persson/BalticSea2020 4
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