BLICKPUNKT STUDIERENDE - Studentischer Akkreditierungspool

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BLICKPUNKT STUDIERENDE - Studentischer Akkreditierungspool
Foto: Benedikt Waerder / iStock

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                                       BLICKPUNKT STUDIERENDE
BLICKPUNKT STUDIERENDE - Studentischer Akkreditierungspool
Studentischer Akkreditierungspool

   die              experten
                                                         von der BAsis
Wird ein neuer Studiengang konzipiert, sind die Studierenden
von Anfang an beteiligt. In den Akkreditierungs-Kommissionen
prüfen sie die Konzepte mit kritischem Blick – eine Aufgabe, auf
die sich die studentischen Gutachter akribisch vorbereiten

A
             m Abend wird Benedikt Waerder zum         dacht, damit alle Teilnehmer mit ihrem fachlichen
             Hochschul-Präsidenten. Im legeren         Hintergrund gleich weit entfernt sind vom Thema“,
             Pulli steht er da, die blonden Haare zu   sagt Benedikt Waerder.                                Für jedes Fach stellen
             einem Pferdeschwanz gebunden, und         Für ihn ist das Planspiel inzwischen Routine. Ein     die Studierenden eige-
erzählt der Kommission etwas über seinen liebsten      halbes Dutzend solcher Seminare hat er in den ver-
Studiengang. „Creative Cooking“ heißt er, gerade       gangenen Jahren absolviert, bei zahlreichen wirkli-
                                                                                                             ne Experten. Mit den
soll er akkreditiert werden und die Gutachter sind     chen Akkreditierungsverfahren saß er als Mitglied     Professoren arbeiten
gespannt auf Waerders Präsentation. Der Präsi-         des Gutachterausschusses in den Anhörungen.           sie in den Prüfungsver-
dent ist bester Stimmung, gut gelaunt und jovial       Und Waerder ist Mitglied des so genannten stu-
im Ton stellt er die geplanten Module vor und das      dentischen Pools; darin organisieren sich alle Stu-
                                                                                                             fahren auf Augenhöhe
didaktische Konzept.                                   dierenden, die als Gutachter in Akkreditierungsver-
Benedikt Waerders „kreatives Kochen“ ist für die       fahren entsandt werden. Voraussetzung ist, dass
meisten der Zuhörer der erste unmittelbare Kon-        sie in Seminaren ihr Handwerkszeug lernen; mit
takt mit einem Akkreditierungsverfahren. Eifrig        Planspielen und theoretischen Lektionen bereiten
machen sie Notizen und blättern die ellenlange         sie sich auf ihre Aufgabe vor und beschäftigen sich
Modulbeschreibung durch, die Waerder im Vorfeld        mit den Hintergründen der Studiengangsplanung
verteilt hat. „Da bin ich mal gespannt“, sagt der      und der Hochschulentwicklung.
Präsident grinsend, „ob sie alle Fehler und Pro-       „Wir veranstalten unsere Seminare immer in an-
bleme auch finden!“ Nach seiner Präsentation           deren deutschen Hochschulstädten, damit die
verwandelt er sich wieder zurück in den Chemie-        Teilnehmer eine möglichst kurze Anreise haben“,
Studenten, der er eigentlich ist. Zum Chef einer       sagt Benedikt Waerder. Diesmal hat der studen-
Hochschule wird er nur zu Übungszwecken, hier          tische Pool nach Dortmund eingeladen: Mit Wa-
bei ihm sind die künftigen Mitglieder von echten       erder zusammen leitet einer seiner Kollegen die
Akkreditierungs-Kommissionen zum ersten Mal            Veranstaltung, zwei Hospitanten machen sich mit
mit dem Ernstfall konfrontiert. Und der Studien-       der Rolle der Gruppenleiter vertraut. Acht Teilneh-
gang ist natürlich frei erfunden: „Wir haben uns       mer sind gekommen, ein angehender Politologe
bewusst ein Beispiel fernab der Realität ausge-        ebenso wie künftige Erziehungswissenschaftler,

                                                                                                                                  49
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BLICKPUNKT STUDIERENDE

Blick für die Details: In mehrtägi-   Maschinenbauer und Biologen. Gleich hinter dem         nur in Verfahren aus ihrem eigenen Fachgebiet.
gen Seminaren (Foto links) werden     Bahnhof haben sie sich für ein Wochenende in ein       „Die meisten Interessenten waren schon vorher
die künftigen Gutachter mit den       Kolpinghaus eingemietet, der Tagungsraum ist           an ihrer Universität engagiert und haben sich
Feinheiten der Akkreditierung         dunkel vertäfelt und an der Stirnseite hängt ein       dann irgendwann gedacht, dass sie ja auch bei
vertraut gemacht                      geschnitztes Bild, das muskelbepackte Arbeiter in      Akkreditierungen mitmachen könnten“, sagt Be-
                                      ihrer Werkstatt zeigt.                                 nedikt Waerder. Er ist selbst mit seiner Uni-Karriere
                                      Die Zeiten haben sich geändert. Heute wird in der      typisch für die studentischen Gutachter: Zunächst
                                      rustikalen Umgebung Kopf- statt Handarbeit ge-         engagierte er sich in der Chemie-Fachschaft seiner
                                      leistet: Mit Powerpoint-Präsentationen erklären        Universität, war irgendwann bei der bundesweiten
                                      Waerder und seine Mitstreiter detailliert das Sys-     Fachschaftstagung und hörte da von der Möglich-
                                      tem der Akkreditierung; in kleinen Gruppen tragen      keit, auch die Akkreditierung mitzugestalten. Ein
                                      die Teilnehmer zusammen, was ihnen an Studien-         paar Jahre war er dann aktiv dabei; inzwischen
                                      gängen besonders wichtig ist.                          ist er Promotionsstudent und schult nur noch in
„Die Studienrealität                  „Ich will, dass Bildung nicht zur Ware wird“, sagt     den aufwendigen Seminaren die nächste Genera-
                                      etwa Maximilian Jacobi, der für das Seminar aus        tion studentischer Akkreditierungs-Experten. Die
ist für uns eben nicht                Passau angereist ist. Staatswissenschaften studiert    Interessenten kommen aus allen Fachbereichen,
nur ein Abstraktum,                   er, und an den Akkreditierungsverfahren will er aus    Nachwuchsmangel herrscht also nicht – aber
sondern eine tägliche                 zwei Gründen teilnehmen: Zum einen möchte er           der studentische Pool hat mit der Fluktuation zu
                                      künftige Studiengänge mitgestalten und sich so         kämpfen: Ein oder zwei Semester dauert allein die
Erfahrung. Und die                    für gute Bedingungen einsetzen. „Und ich glaube,       Vorbereitung auf das erste Akkreditierungsverfah-
bringen wir konstruk-                 dass es für mich auch eine Möglichkeit ist, die The-   ren, und danach bleibt schon nicht mehr allzu viel
tiv mit ein“                          orie aus dem Studium in die Praxis umzusetzen“,        Zeit bis zum Ende des Studiums. „Wir sind perma-
                                      sagt er. Von einer guten rhetorischen Präsentation     nent damit beschäftigt, ausreichend Nachwuchs
                                      bis hin zur Gruppenarbeit kann er alles das in den     zu schulen“, sagt Benedikt Waerder.
                                      Akkreditierungsverfahren erproben, was später          An seine eigene Akkreditierungs-Premiere kann
                                      auch in seiner Arbeit wichtig sein dürfte.             sich Waerder noch gut erinnern: An einer privaten
                                      Die Seminare hält der studentische Pool für            Hochschule war es, zu bewerten hatte er einen
                                      Teilnehmer aus allen Fachbereichen. Vermittelt         neuen Studiengang in Chemie. „Am Anfang hatte
                                      werden vor allem die Grundlagen des Akkredi-           ich wackelige Knie, weil ich nicht richtig wusste,
                                      tierungsverfahrens – die inhaltlichen Einblicke        was mich erwartet“, sagt er. Zwei Tage dauert ein
                                      hingegen bringt jeder Studierende aus seinem Stu-      Akkreditierungsverfahren üblicherweise, neben
                                      dium mit, denn eingesetzt werden die Gutachter         einer Präsentation der Hochschulleitung sind ge-

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 Foto: Benedikt Waerder

                                                                                                             HINTERGRUND
                                                                                                             AKKREDITIERUNG

                                                                                                             Seit der Umstellung auf Bachelor
                                                                                                             und Master werden viele Studien-
                                                                                                             gänge an deutschen Hochschulen
                                                                                                             akkreditiert. Hinter dem Begriff
                                                                                                             verbirgt sich ein Verfahren, in
                                                                                                             dem sichergestellt wird, dass
                                                                                                             die geplanten Curricula auch
                                                                                                             tatsächlich gut funktionieren:
                                                                                                             Vermitteln die Veranstaltungen
                                                                                                             den Studierenden wirklich das
                                                                                                             nötige Fachwissen? Ist der Ar-
                                                                                                             beitsaufwand für die Studierenden
                                                                                                             realistisch eingeschätzt? Sind die
                                                                                                             Prüfungen vernünftig verteilt?
                                                                                                             Das sind einige der Fragen, die
                                                                                                             im Zuge des Akkreditierungs-
                                                                                                             verfahrens geklärt werden. Zu
                                                                                                             den Gutachtern, die sich die
                                                                                                             Planungen anschauen, gehören
                                                                                                             Lehrende von anderen Hoch-
                                                                                                             schulen, Vertreter der beruflichen
                                                                                                             Praxis – und eben Studierende.
meinsame Konferenzen mit den Studierenden und          schmunzelt er: Bei fast jedem Akkreditierungs-        Die bereiten sich in speziellen
den Fachverantwortlichen vorgesehen. Dazwi-            verfahren gebe es einen klassischen Satz, wenn        Schulungen auf diese Aufgabe vor
schen ziehen sich die Gutachter immer wieder zur       es um die Arbeitsbelastung geht. „Aber ich bitte      und werden dann im so genann-
Diskussion zurück. „Ich habe gemerkt, wie wichtig      Sie“, sage dann der Professor, „die 40-Stunden-       ten studentischen Pool geführt.
es ist, dass man gut vorbereitet in ein solches Ak-    Woche können wir doch in unserem Fach nie im          Von dort werden sie in die Runde
kreditierungsverfahren geht“, sagt Benedikt Waer-      Leben erreichen!“ Dieser Satz sei quer durch alle     der Gutachter entsandt, wenn ein
der. So könne man schon im Vorfeld die kritischen      Fachbereiche zu hören, von den Maschinenbauern        Verfahren ansteht. Sie sollen die
Punkte aufspüren – und habe gegenüber den              bis zu den Anglisten. Benedikt Waerder: „Unsere
                                                                                                             Studentenschaft repräsentieren
                                                                                                             und das geplante Curriculum aus
Gesprächspartnern eine gute Position, wenn man         Aufgabe ist es dann, deutlich zu machen: Doch,
                                                                                                             den Augen der künftigen Studie-
sachkundig argumentiere. Mindestens ein langes         auch in diesem Fach gelten gewisse Grenzen!“
                                                                                                             renden bewerten. Ihre Stimme ist
Wochenende, sagt Waerder, müsse er sich vor je-        Um solche praktischen Fragen geht es auch auf
                                                                                                             dabei gleich gewichtet wie die der
dem Verfahren in die Unterlagen vertiefen, die üb-     dem studentischen Seminar in Dortmund. Am
                                                                                                             anderen Gutachter. Die Arbeit ist
licherweise einen ganzen Aktenordner füllen.           Abend, wenn Waerder in die Rolle des Hochschul-
                                                                                                             ehrenamtlich, gezahlt wird allen-
In den vergangenen Jahren hat er sich so zu ei-        präsidenten mit seinem Fach Creative Cooking          falls eine Aufwandsentschädigung.
nem Akkreditierungs-Spezialisten entwickelt, der       schlüpft und seine Kommilitonen die Gutachter-
die Prozesse bis in die Details kennt. Und er hat      Posten unter sich aufteilen, probiert er die Aussa-
seine Schwerpunkte, auf die er in den Verfahren        ge gleich auch. Er baut sich in dem holzvertäfelten
achtet: „Mir ist zum Beispiel wichtig, dass die Stu-   Saal auf und tönt: „Die 40 Stunden sind gerade bei
dierenden eigene Wahlmöglichkeiten innerhalb           Creative Cooking absolut illusorisch, das wissen
des Curriculums haben“, sagt Waerder – wenn            Sie ja alle!“ Einige Fehler und Stolpersteine sind
ein Naturwissenschaftler etwa zusätzlich Wissen-       auch in die realistischen Modulhandbücher ein-
schaftsethik belegen könne, halte er das für einen     gebaut, die er an die Gutachter verteilt. Ein paar
großen Pluspunkt. Und genau das sei ja letztlich       Stunden vertiefen sich die angehenden Akkreditie-
der Sinn der studentischen Beteiligung an Akkredi-     rungs-Experten in die Details und nehmen Waer-
tierungsverfahren: Nicht um ein Alibi-Engagement       der als Hochschulpräsidenten ins Kreuzverhör. Je
gehe es, sondern um den spezifischen Blickwinkel       kritischer die Fragen werden, desto zufriedener
der Studierenden. „Die Studienrealität ist für uns     ist er. Wenn die Studierenden ihn löchern, zeige
eben nicht nur ein Abstraktum, sondern eine täg-       das schließlich, dass sein Seminar erfolgreich war:
liche Erfahrung“, sagt Waerder. Wenn es etwa um        „Wir wollen zeigen, dass geplante Studiengänge
die Arbeitsbelastung gehe oder um die Reihenfolge      manchmal verbessert werden können – und eben
von Inhalten im Curriculum, könnten er und seine       auch, wie man dafür die richtigen Ansatzpunkte
Kommilitonen wertvolle Anstöße geben. Und dann         findet!“

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