BLICKPUNKT STUDIERENDE - Studentischer Akkreditierungspool
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Studentischer Akkreditierungspool die experten von der BAsis Wird ein neuer Studiengang konzipiert, sind die Studierenden von Anfang an beteiligt. In den Akkreditierungs-Kommissionen prüfen sie die Konzepte mit kritischem Blick – eine Aufgabe, auf die sich die studentischen Gutachter akribisch vorbereiten A m Abend wird Benedikt Waerder zum dacht, damit alle Teilnehmer mit ihrem fachlichen Hochschul-Präsidenten. Im legeren Hintergrund gleich weit entfernt sind vom Thema“, Pulli steht er da, die blonden Haare zu sagt Benedikt Waerder. Für jedes Fach stellen einem Pferdeschwanz gebunden, und Für ihn ist das Planspiel inzwischen Routine. Ein die Studierenden eige- erzählt der Kommission etwas über seinen liebsten halbes Dutzend solcher Seminare hat er in den ver- Studiengang. „Creative Cooking“ heißt er, gerade gangenen Jahren absolviert, bei zahlreichen wirkli- ne Experten. Mit den soll er akkreditiert werden und die Gutachter sind chen Akkreditierungsverfahren saß er als Mitglied Professoren arbeiten gespannt auf Waerders Präsentation. Der Präsi- des Gutachterausschusses in den Anhörungen. sie in den Prüfungsver- dent ist bester Stimmung, gut gelaunt und jovial Und Waerder ist Mitglied des so genannten stu- im Ton stellt er die geplanten Module vor und das dentischen Pools; darin organisieren sich alle Stu- fahren auf Augenhöhe didaktische Konzept. dierenden, die als Gutachter in Akkreditierungsver- Benedikt Waerders „kreatives Kochen“ ist für die fahren entsandt werden. Voraussetzung ist, dass meisten der Zuhörer der erste unmittelbare Kon- sie in Seminaren ihr Handwerkszeug lernen; mit takt mit einem Akkreditierungsverfahren. Eifrig Planspielen und theoretischen Lektionen bereiten machen sie Notizen und blättern die ellenlange sie sich auf ihre Aufgabe vor und beschäftigen sich Modulbeschreibung durch, die Waerder im Vorfeld mit den Hintergründen der Studiengangsplanung verteilt hat. „Da bin ich mal gespannt“, sagt der und der Hochschulentwicklung. Präsident grinsend, „ob sie alle Fehler und Pro- „Wir veranstalten unsere Seminare immer in an- bleme auch finden!“ Nach seiner Präsentation deren deutschen Hochschulstädten, damit die verwandelt er sich wieder zurück in den Chemie- Teilnehmer eine möglichst kurze Anreise haben“, Studenten, der er eigentlich ist. Zum Chef einer sagt Benedikt Waerder. Diesmal hat der studen- Hochschule wird er nur zu Übungszwecken, hier tische Pool nach Dortmund eingeladen: Mit Wa- bei ihm sind die künftigen Mitglieder von echten erder zusammen leitet einer seiner Kollegen die Akkreditierungs-Kommissionen zum ersten Mal Veranstaltung, zwei Hospitanten machen sich mit mit dem Ernstfall konfrontiert. Und der Studien- der Rolle der Gruppenleiter vertraut. Acht Teilneh- gang ist natürlich frei erfunden: „Wir haben uns mer sind gekommen, ein angehender Politologe bewusst ein Beispiel fernab der Realität ausge- ebenso wie künftige Erziehungswissenschaftler, 49
BLICKPUNKT STUDIERENDE Blick für die Details: In mehrtägi- Maschinenbauer und Biologen. Gleich hinter dem nur in Verfahren aus ihrem eigenen Fachgebiet. gen Seminaren (Foto links) werden Bahnhof haben sie sich für ein Wochenende in ein „Die meisten Interessenten waren schon vorher die künftigen Gutachter mit den Kolpinghaus eingemietet, der Tagungsraum ist an ihrer Universität engagiert und haben sich Feinheiten der Akkreditierung dunkel vertäfelt und an der Stirnseite hängt ein dann irgendwann gedacht, dass sie ja auch bei vertraut gemacht geschnitztes Bild, das muskelbepackte Arbeiter in Akkreditierungen mitmachen könnten“, sagt Be- ihrer Werkstatt zeigt. nedikt Waerder. Er ist selbst mit seiner Uni-Karriere Die Zeiten haben sich geändert. Heute wird in der typisch für die studentischen Gutachter: Zunächst rustikalen Umgebung Kopf- statt Handarbeit ge- engagierte er sich in der Chemie-Fachschaft seiner leistet: Mit Powerpoint-Präsentationen erklären Universität, war irgendwann bei der bundesweiten Waerder und seine Mitstreiter detailliert das Sys- Fachschaftstagung und hörte da von der Möglich- tem der Akkreditierung; in kleinen Gruppen tragen keit, auch die Akkreditierung mitzugestalten. Ein die Teilnehmer zusammen, was ihnen an Studien- paar Jahre war er dann aktiv dabei; inzwischen gängen besonders wichtig ist. ist er Promotionsstudent und schult nur noch in „Die Studienrealität „Ich will, dass Bildung nicht zur Ware wird“, sagt den aufwendigen Seminaren die nächste Genera- etwa Maximilian Jacobi, der für das Seminar aus tion studentischer Akkreditierungs-Experten. Die ist für uns eben nicht Passau angereist ist. Staatswissenschaften studiert Interessenten kommen aus allen Fachbereichen, nur ein Abstraktum, er, und an den Akkreditierungsverfahren will er aus Nachwuchsmangel herrscht also nicht – aber sondern eine tägliche zwei Gründen teilnehmen: Zum einen möchte er der studentische Pool hat mit der Fluktuation zu künftige Studiengänge mitgestalten und sich so kämpfen: Ein oder zwei Semester dauert allein die Erfahrung. Und die für gute Bedingungen einsetzen. „Und ich glaube, Vorbereitung auf das erste Akkreditierungsverfah- bringen wir konstruk- dass es für mich auch eine Möglichkeit ist, die The- ren, und danach bleibt schon nicht mehr allzu viel tiv mit ein“ orie aus dem Studium in die Praxis umzusetzen“, Zeit bis zum Ende des Studiums. „Wir sind perma- sagt er. Von einer guten rhetorischen Präsentation nent damit beschäftigt, ausreichend Nachwuchs bis hin zur Gruppenarbeit kann er alles das in den zu schulen“, sagt Benedikt Waerder. Akkreditierungsverfahren erproben, was später An seine eigene Akkreditierungs-Premiere kann auch in seiner Arbeit wichtig sein dürfte. sich Waerder noch gut erinnern: An einer privaten Die Seminare hält der studentische Pool für Hochschule war es, zu bewerten hatte er einen Teilnehmer aus allen Fachbereichen. Vermittelt neuen Studiengang in Chemie. „Am Anfang hatte werden vor allem die Grundlagen des Akkredi- ich wackelige Knie, weil ich nicht richtig wusste, tierungsverfahrens – die inhaltlichen Einblicke was mich erwartet“, sagt er. Zwei Tage dauert ein hingegen bringt jeder Studierende aus seinem Stu- Akkreditierungsverfahren üblicherweise, neben dium mit, denn eingesetzt werden die Gutachter einer Präsentation der Hochschulleitung sind ge- 50
Studentischer Akkreditierungspool Foto: Benedikt Waerder HINTERGRUND AKKREDITIERUNG Seit der Umstellung auf Bachelor und Master werden viele Studien- gänge an deutschen Hochschulen akkreditiert. Hinter dem Begriff verbirgt sich ein Verfahren, in dem sichergestellt wird, dass die geplanten Curricula auch tatsächlich gut funktionieren: Vermitteln die Veranstaltungen den Studierenden wirklich das nötige Fachwissen? Ist der Ar- beitsaufwand für die Studierenden realistisch eingeschätzt? Sind die Prüfungen vernünftig verteilt? Das sind einige der Fragen, die im Zuge des Akkreditierungs- verfahrens geklärt werden. Zu den Gutachtern, die sich die Planungen anschauen, gehören Lehrende von anderen Hoch- schulen, Vertreter der beruflichen Praxis – und eben Studierende. meinsame Konferenzen mit den Studierenden und schmunzelt er: Bei fast jedem Akkreditierungs- Die bereiten sich in speziellen den Fachverantwortlichen vorgesehen. Dazwi- verfahren gebe es einen klassischen Satz, wenn Schulungen auf diese Aufgabe vor schen ziehen sich die Gutachter immer wieder zur es um die Arbeitsbelastung geht. „Aber ich bitte und werden dann im so genann- Diskussion zurück. „Ich habe gemerkt, wie wichtig Sie“, sage dann der Professor, „die 40-Stunden- ten studentischen Pool geführt. es ist, dass man gut vorbereitet in ein solches Ak- Woche können wir doch in unserem Fach nie im Von dort werden sie in die Runde kreditierungsverfahren geht“, sagt Benedikt Waer- Leben erreichen!“ Dieser Satz sei quer durch alle der Gutachter entsandt, wenn ein der. So könne man schon im Vorfeld die kritischen Fachbereiche zu hören, von den Maschinenbauern Verfahren ansteht. Sie sollen die Punkte aufspüren – und habe gegenüber den bis zu den Anglisten. Benedikt Waerder: „Unsere Studentenschaft repräsentieren und das geplante Curriculum aus Gesprächspartnern eine gute Position, wenn man Aufgabe ist es dann, deutlich zu machen: Doch, den Augen der künftigen Studie- sachkundig argumentiere. Mindestens ein langes auch in diesem Fach gelten gewisse Grenzen!“ renden bewerten. Ihre Stimme ist Wochenende, sagt Waerder, müsse er sich vor je- Um solche praktischen Fragen geht es auch auf dabei gleich gewichtet wie die der dem Verfahren in die Unterlagen vertiefen, die üb- dem studentischen Seminar in Dortmund. Am anderen Gutachter. Die Arbeit ist licherweise einen ganzen Aktenordner füllen. Abend, wenn Waerder in die Rolle des Hochschul- ehrenamtlich, gezahlt wird allen- In den vergangenen Jahren hat er sich so zu ei- präsidenten mit seinem Fach Creative Cooking falls eine Aufwandsentschädigung. nem Akkreditierungs-Spezialisten entwickelt, der schlüpft und seine Kommilitonen die Gutachter- die Prozesse bis in die Details kennt. Und er hat Posten unter sich aufteilen, probiert er die Aussa- seine Schwerpunkte, auf die er in den Verfahren ge gleich auch. Er baut sich in dem holzvertäfelten achtet: „Mir ist zum Beispiel wichtig, dass die Stu- Saal auf und tönt: „Die 40 Stunden sind gerade bei dierenden eigene Wahlmöglichkeiten innerhalb Creative Cooking absolut illusorisch, das wissen des Curriculums haben“, sagt Waerder – wenn Sie ja alle!“ Einige Fehler und Stolpersteine sind ein Naturwissenschaftler etwa zusätzlich Wissen- auch in die realistischen Modulhandbücher ein- schaftsethik belegen könne, halte er das für einen gebaut, die er an die Gutachter verteilt. Ein paar großen Pluspunkt. Und genau das sei ja letztlich Stunden vertiefen sich die angehenden Akkreditie- der Sinn der studentischen Beteiligung an Akkredi- rungs-Experten in die Details und nehmen Waer- tierungsverfahren: Nicht um ein Alibi-Engagement der als Hochschulpräsidenten ins Kreuzverhör. Je gehe es, sondern um den spezifischen Blickwinkel kritischer die Fragen werden, desto zufriedener der Studierenden. „Die Studienrealität ist für uns ist er. Wenn die Studierenden ihn löchern, zeige eben nicht nur ein Abstraktum, sondern eine täg- das schließlich, dass sein Seminar erfolgreich war: liche Erfahrung“, sagt Waerder. Wenn es etwa um „Wir wollen zeigen, dass geplante Studiengänge die Arbeitsbelastung gehe oder um die Reihenfolge manchmal verbessert werden können – und eben von Inhalten im Curriculum, könnten er und seine auch, wie man dafür die richtigen Ansatzpunkte Kommilitonen wertvolle Anstöße geben. Und dann findet!“ 51
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