Wie Arbeitslose und offene Stellen zusammenpassen

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Wie Arbeitslose und offene Stellen zusammenpassen
IAB Kurzbericht
Aktuelle Analysen aus dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung
                                                                                                                5/2014

  In aller Kürze                       Mismatch-Arbeitslosigkeit
„„ Mismatch-Arbeitslosigkeit  ent-
steht, wenn die Qualifikation von
Arbeitsuchenden nicht zu den An­
                                       Wie Arbeitslose und offene
for­
   derungen von offenen Stellen
passt oder wenn die räumliche
Distanz zwischen eigentlich zu-
                                       Stellen zusammenpassen
sammenpassenden Arbeitsuchen-          von Anja Bauer und Hermann Gartner
den und Stellen nicht überwunden
werden kann.
„„ Das Ausmaß der Mismatch-Ar-
beitslosigkeit ist nicht unbeträcht-   Ein nicht unerheblicher Teil der Ar-            nicht unerheblichen Teil der Arbeitslosig-
lich: Je nach Definition können        beitslosigkeit in Deutschland ist darauf        keit erklärt. Eine neue Studie des IAB (Bauer
10 Prozent bis 45 Prozent der Ar-      zurückzuführen, dass Arbeitsuchende und         2013) erlaubt nun Aussagen zum Ausmaß
beitslosigkeit darauf zurückgeführt    offene Stellen nicht zusammenpassen. Die        und zeitlichen Verlauf der Mismatch-Ar-
werden, dass Arbeitsangebot und        Ursachen für diesen „Mismatch“ sind             beitslosigkeit. Damit ist ein tiefer gehender
Arbeitsnachfrage nicht zusammen-       vielfältig, die Diskrepanzen können be-         Einblick in die Arbeitsmarktentwicklung
passen.                                ruflicher, sektoraler oder regionaler Natur     möglich.
„„ Mit dem Rückgang der Arbeits-       sein. Geeignete Maßnahmen müssen so-               Grundsätzlich gibt es mehrere Formen
losigkeit insgesamt zwischen den
                                       wohl auf der Angebotsseite als auch auf         der Arbeitslosigkeit, die auf unterschiedli-
Jahren 2005 und 2010 ist auch die
                                       der Nachfrage­seite ansetzen, um die Mis-       che Ursachen zurückzuführen sind. So ent-
Mismatch-Arbeitslosigkeit gesun-
ken. Die relative Bedeutung von        match-Arbeitslosigkeit weiter abzubauen.        steht konjunkturelle Arbeitslosigkeit, wenn
Mismach ist aber über die Zeit an-                                                     Betriebe in Rezessionsphasen aufgrund
nähernd konstant geblieben.            Der deutsche Arbeitsmarkt hat sich seit         sinkender Nachfrage ihre Kapazitäten nicht
„„ Die Hartz-Reformen haben die        Beginn des Jahrtausends deutlich besser         mehr auslasten können und deshalb we-
gemessene Mismatch-Arbeitslosig-       entwickelt als der in den meisten anderen       niger Arbeitskräfte nachfragen. In Boom-
keit zunächst erhöht, da erwerbsfä-    europäischen Ländern. Im Jahr 1999 wurde        zeiten hingegen stellen Betriebe wieder
hige Sozialhilfeempfänger zum Pool     Deutschland vom Magazin The Economist           Arbeitskräfte ein, und die konjunkturelle
der Arbeitsuchenden hinzu­  kamen.     noch als „kranker Mann Europas” bezeich-        Arbeitslosigkeit sinkt.
Dieser zusätzliche Mismatch ist
                                       net, 2010 nannte es das gleiche Magazin            Über solche Konjunkturzyklen hinweg
aber schnell wieder gesunken. Ins-
                                       „Wachstums-Motor Europas”. Die regist-          gibt es weitere Formen der Arbeitslosigkeit:
besondere Qualifizierungsmaßnah­
men können dazu beitragen, Mis-        rierte Arbeitslosigkeit ist zwischen 2000       Friktionelle Arbeitslosigkeit etwa ist darauf
match-Arbeitslosigkeit weiter zu       und 2012 von 9,6 auf 6,8 Prozent gesunken.      zurückzuführen, dass ein Arbeitsuchender
reduzieren.                               Einer bedeutenden Komponente der Ar-         nicht vollständig über mögliche Arbeitsan-
                                       beitslosigkeit, der sogenannten Mismatch-       gebote informiert ist und ein Arbeitgeber
                                       Arbeitslosigkeit, wird dabei bislang nur sel-   nicht alle Arbeitsuchenden im Blick hat.
                                       ten Beachtung geschenkt, obwohl sie einen       Auch wenn also eine geeignete Stelle für
Wie Arbeitslose und offene Stellen zusammenpassen
eine Person existiert, dauert es eine Zeit lang, bis ein   tions­profile der Arbeitslosen und die Anforderungen
                               Arbeitsvertrag abgeschlossen wird: Die Person muss         der Arbeitgeber einander anzupassen – zum Beispiel
                               zunächst Stellenanzeigen sichten oder vom Arbeits-         indem ein arbeitslos gewordener Stahlarbeiter zum
                               vermittler Job-Angebote bekommen, sich bewerben            Elektriker umschult – kann diese Mismatch-Arbeits-
                               und schließlich die Arbeit antreten. Diese friktio-        losigkeit gesenkt werden. Sie kann auch gesenkt
                               nelle Arbeitslosigkeit – auch Sucharbeitslosigkeit         werden, wenn die Löhne in den Segmenten mit we-
                               genannt – wird es in bestimmtem Umfang immer               nig Arbeitsuchenden stärker steigen als die Löhne in
                               geben. Verstärken würde sich das Problem, wenn             Segmenten mit vielen Arbeitsuchenden. Denn zum
                               die Arbeitskosten im gesamtwirtschaftlichen Durch-         einen werden dann mehr Arbeitsuchende in Seg-
                               schnitt schneller wachsen als die Arbeitsproduktivi-       mente mit steigenden Löhnen wechseln und zum
                               tät, da Betriebe dann weniger Stellen anbieten und         anderen erhöht sich für Arbeitgeber der Anreiz, in
                               Arbeitslose daher länger suchen müssen.                    den Segmenten mit moderaterer Lohnentwicklung
                                 Von Mismatch-Arbeitslosigkeit spricht man, wenn          Jobs zu schaffen.
                               ein anderes Profil der Arbeitslosen dazu führen wür-          Gibt es ein Missverhältnis zwischen Arbeitsuchen-
                               de, dass die Arbeitslosigkeit sinkt. Mismatch-Ar-          den und offenen Stellen in unterschiedlichen Bran-
                               beitslosigkeit entsteht zum einen, wenn Firmen für         chen oder unterschiedlichen Berufsfeldern, so spricht
                               ihre offenen Stellen Qualifikationsprofile erwarten,       man von sektoralem bzw. beruflichem Mismatch. Ist
                               denen zu wenige Bewerber im Pool der Arbeitslosen          die räumliche Distanz zwischen dem Wohnort der Ar-
                               entsprechen. Zum anderen können viele Arbeitslo-           beitslosen und dem Ort, wo passende Stellen für sie
                               se ein Qualifikationsprofil aufweisen, das nur wenig       zu finden wären, die Ursache, wird dies als regionaler
                               nachgefragt wird. Wenn es gelingt, die Qualifika­          Mismatch bezeichnet.

      i                                                                                   „„ Wie wird Mismatch-Arbeitslosigkeit
           Datengrundlage und Selektion                                                      gemessen?
    Um die Arbeitnehmerseite abzubilden, wurde eine 5 %-Stichprobe der Inte-
                                                                                          Das Niveau der Arbeitslosigkeit hängt generell da-
    grierten Erwerbsbiografien (IEB) verwendet. Der Datensatz wurde in Teilstich-
    proben der jeweils betrachteten Arbeitsmarktsegmente zerlegt, d. h. alle Perso-       von ab, wie viele Personen arbeitslos werden und
    nen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt in einem bestimmten Beruf (oder einer          wie lange diese Personen im Durchschnitt arbeitslos
    bestimmten Branche oder Region) entweder arbeitslos oder beschäftigt waren,           bleiben. Die Messung von Mismatch-Arbeitslosigkeit
    werden diesem Beruf (oder dieser Branche, dieser Region) zugeordnet. Bei den          setzt bei den Personen an, die bereits arbeitslos ge-
    Arbeitslosen wurden für die Berufe Angaben aus der Arbeitsuchenden-Statistik
                                                                                          worden sind. Sie konzentriert sich also auf die Dauer
    über die letzte Tätigkeit verwendet, für die Branche die zuletzt ausgeübte Be-
                                                                                          der Arbeitslosigkeit.
    schäftigung.
                                                                                             Zunächst betrachten wir, wie lange die Arbeitslo-
    Die Berufe, Branchen und Regionen wurden in unterschiedlich breiten Abgren-
                                                                                          sigkeit in verschiedenen Segmenten des Arbeitsmark-
    zungen betrachtet. Auf beruflicher Ebene wurde die Klassifizierung der Berufe
    (KldB88) angewendet. Die breiteste Abgrenzung dieser Klassifikation sind „Be-         tes (z. B. in verschiedenen Berufen) durchschnittlich
    rufsbereiche“ (1-Steller). Für die mittlere Abgrenzung wurden „Berufsabschnitte“      dauert. Angenommen wird, dass in Segmenten, in
    verwendet (2-Steller) und für die engste Abgrenzung „Berufsgruppen“ (3-Stel-          denen Suchdauern unter dem gesamtwirtschaft-
    ler). Nach verschiedenen Datenbereinigungen verblieben 4 von 6 Berufsberei-           lichen Durchschnitt liegen, Arbeitsuchende relativ
    chen, 30 von 33 Berufsabschnitten und 60 von 99 Berufsgruppen. Für Branchen
                                                                                          knapp sind. Wenn in einem Arbeitsmarktsegment
    wurde die Klassifikation der Wirtschaftszweige 2008 in „Abschnitte“ (1-Steller)
                                                                                          die Dauer der Arbeitslosigkeit der durchschnittlichen
    für die breite Abgrenzung genutzt, „Abteilungen“ (2-Steller) für die mittlere
    und „Gruppen“ (3-Steller) für die enge Abgrenzung. Nach verschiedenen Daten-          Dauer entspricht, gibt es dort per Definition keine
    bereinigungen verblieben 20 von 21 Abschnitten, 74 von 88 Abteilungen und             Mismatch-Arbeitslosigkeit. Wenn dagegen in einem
    166 von 272 Gruppen. Um auch regionalen Mismatch zu erfassen, wurde der 1-            Segment Personen überdurchschnittlich lange ar-
    und 2-Steller der Klassifizierung der Berufe mit den Bundesländern interagiert        beitslos sind, liegt dort Mismatch-Arbeitslosigkeit vor.
    (es verblieben 56 von 96 Einheiten auf der Ebene der 1-Steller und 223 von 528
                                                                                             Die Suchdauer kann aus zwei Gründen über-
    Einheiten auf der Ebene der 2-Steller).
                                                                                          durchschnittlich hoch sein: In einem Arbeitsmarkt-
    Anschließend wurden die Bestände an Arbeitslosen sowie die Übergangsraten
                                                                                          segment kann erstens die Zahl der Vakanzen pro
    in Beschäftigung und in Arbeitslosigkeit für jeden Monat im Zeitraum zwischen
    2000 und 2010 berechnet und von saisonalen Effekten bereinigt. Die Arbeit­
                                                                                          Arbeitslosen (die sogenannte Arbeitsmarktanspan-
    geberseite wird durch die offenen Stellen erfasst, die bei der Bundesagentur für      nung) besonders gering sein. Zweitens kann es bei
    Arbeit gemeldet sind.                                                                 einer gegebenen Zahl von Vakanzen pro Arbeitslosen
                                                                                          überdurchschnittlich lange dauern, bis der passende

2     IAB-Kurzbericht 5/2014
Arbeitslose und die passende offene Stelle zusam-                      arbeits­
                                                                              los gewordene Maurerin zur Werkzeugma-
menkommen. In diesem Falle sprechen wir davon,                         cherin wird, um schneller einen Job zu finden. Bei ei-
dass die friktionelle Arbeitslosigkeit in dem Segment                  ner breiten Definition sinkt der Mismatch nur, wenn
hoch oder die sogenannte Matchingeffizienz gering                      sie vom Fertigungsberuf in einen Dienstleistungsbe-
ist. Mit Matching ist der Prozess gemeint, der Ar-                     ruf wechselt und etwa Kinderpflegerin wird.
beitslose und Vakanzen zusammenbringt und damit                           Von diesen Überlegungen ausgehend können wir
letztlich zu einer Beschäftigungsaufnahme führt. Je                    auf Basis einer Stichprobe der Integrierten Erwerbs-
höher die Matchingeffizienz, desto mehr neue Be-                       biografien (vgl. Infokasten auf Seite 2) sowohl be-
schäftigungsverhältnisse entstehen in einem Seg-                       ruflichen und sektoralen Mismatch als auch eine
ment in einer bestimmten Zeit bei einer gegebenen                      Kombination aus regionalem und beruflichem Mis-
Zahl von Vakanzen und Arbeitslosen.                                    match identifizieren und näher untersuchen.
   Der Mismatch am Arbeitsmarkt würde also sinken,
wenn Arbeitslose in Segmente wechseln, in denen
                                                                       „„ Berufliche Mismatch-Arbeitslosigkeit
die Matchingeffizienz oder die Zahl der Vakanzen
pro Arbeitslosen (also die Arbeitsmarktanspannung)                     Abbildung 1a zeigt die gesamte Arbeitslosigkeit und
höher ist als in ihrem bisherigen Segment. Arbeitslo-                  die Arbeitslosigkeit, die aufgrund des beruflichen
se würden dann schneller in Beschäftigung kommen                       Mismatch entsteht. Je enger die Segmente definiert
und damit die Arbeitslosigkeit insgesamt sinken (De-                   werden, desto größer ist der gemessene Mismatch.
tails zur Quantifizierung der Mismatch-Arbeitslosig-                   Der Verlauf ist bei verschiedenen Segment-Defini­
keit finden Sie im Infokasten auf Seite 8).                            tio­nen aber ähnlich (zur genauen Definition vgl. In-
   Bei der Berechnung der Mismatch-Arbeitslosigkeit                    fokasten auf Seite 2).
können einzelne Arbeitsmarktsegmente eng defi-                            In Abbildung 1b ist der prozentuale Anteil der
niert werden, sodass es vergleichsweise einfach ist,                   Mismatch-Arbeitslosigkeit an der gesamten Arbeits-
zwischen nahen Segmenten zu wechseln. Sie kön-                         losigkeit dargestellt. Zwischen den Jahren 2000 und
nen aber auch weiter definiert werden, dann wäre                       2010 ist der breiter definierte berufliche Mismatch,
ein Wechsel schwieriger. Bei einer engeren Defini-                     also der Mismatch zwischen Landwirtschafts-, Fer-
tion sinkt beispielsweise der Mismatch, wenn eine                      tigungs- und Dienstleistungsberufen sowie techni-

  Abbildung 1
  Beruflicher Mismatch 2000 bis 2010
     a) Arbeitslosenquote insgesamt und                                                  b) Anteil der beruflichen Mismatch-Arbeitslosigkeit
        Mismatch-Arbeitslosenquote nach Berufen in Prozent                                  an der gesamten Arbeitslosigkeit in Prozent
         18                                                                                 60

         16
                                                                                            50
         14

         12                                                                                 40

         10
                                                                                            30
          8

          6                                                                                 20

          4
                                                                                            10
          2

          0                                                                                  0
              2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010                             2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010

                        Arbeitslosenquote insgesamt                   Mismatch-Arbeitslosenquote:            breite ...       mittlere ...      enge ...
                                                                                                     ... Definition der beruflichen Arbeitsmarktsegmente

  Anmerkung: Den Berechnungen liegt die „Stichprobenarbeitslosenquote“ zugrunde. Dabei wird die Zahl der Arbeitslosen bezogen auf die Summe der Arbeitslosen und
  der Beschäftigten in der IEB-Stichprobe. Diese Quote liegt höher als die von der Bundesagentur veröffentlichte Arbeitslosenquote, die auf alle zivilen Erwerbspersonen
  bezogen wird. Beide Arbeitslosenquoten weisen aber über die Zeit den gleichen Verlauf auf.
  Quelle: Eigene Berechnungen auf Basis einer 5 %-Stichprobe der IEB und der gemeldeten Stellen der BA.                                                               © IAB

                                                                                                                                             IAB-Kurzbericht 5/2014           3
schen Berufen, von ca. 25 Prozent auf unter 10 Pro-                         führt werden, dass der langfristige Wandel von einer
                                                                                 zent der Arbeitslosigkeit gefallen. Betrachtet man                          Industrie- zu einer Dienstleistungsgesellschaft be-
                                                                                 den Mismatch in der engeren Definition, etwa zwi-                           reits stark vorangeschritten ist, während innerhalb
                                                                                 schen Schlossern und Mechanikern, zeigt sich, dass                          der einzelnen Berufsgruppen noch Anpassungsbe-
                                                                                 der Mismatch über den gesamten Zeitraum bei 40                              darf besteht. Es dürfte also nach wie vor Potenzial
                                                                                 bis 50 Prozent lag.                                                         geben, beruflichen Mismatch abzubauen.
                                                                                    Dass der Mismatch in der breiten Definition deut-                           Ein genauerer Blick auf den Verlauf zeigt, dass in
                                                                                 lich zurückgegangen ist, könnte darauf zurückge-                            der ersten Hälfte der Dekade der Mismatch-Anteil an
                                                                                                                                                             der Arbeitslosigkeit zurückging (vgl. Abbildung 1b).
                                                                                                                                                             Zwischen 2003 und 2005 ging der Mismatch sogar
    Abbildung 2
                                                                                                                                                             absolut zurück (vgl. Abbildung 1a). Im Jahr 2005 ist
    Entwicklung der Arbeitsmarktanspannung* in ausgewählten
                                                                                                                                                             die Mismatch-Arbeitslosigkeit zunächst wieder ge-
    Berufsabschnitten zwischen den Jahren 2000 und 2010
                                                                                                                                                             stiegen, da mit der Zusammenführung der Arbeits-
                                                       0,04
                                                                Bauberufe                                                                                    losen- und Sozialhilfe im Zuge der Hartz-Reformen
                                                                                                                                                             erwerbsfähige ehemalige Sozialhilfeempfänger als
       zwischen Januar 2000 und Dezember 2010
       Veränderung der Arbeitsmarktanspannung

                                                       0,02
                                                                                                                                                             registrierte Arbeitslose zählten. Dies waren über-
                                                        0                                                                                                    wiegend wenig qualifizierte Personen, die über-
                                                                 Organisations-, Verwaltungs-, Büroberufe
                                                                                          Verkehrsberufe
                                                                                                                                                             durchschnittlich lange nach Arbeit suchen müssen.
                                                -0,02                                                                                                        Dadurch hat sich der gemessene Mismatch erhöht,
                                                                                                                                                             sank aber bald darauf wieder. Infolge der Großen
                                                -0,04
                                                                                                                                                             Rezession der Jahre 2008 und 2009 stieg die kon-
                                                                                                                                                             junkturelle Arbeitslosigkeit im Jahr 2009 an, was zu
                                                -0,06
                                                                                                                  Warenkaufleute                             einem Rückgang des Anteils der Mismatch-Arbeits-
                                                                                                                Allgemeine Dienstleistungsberufe
                                                -0,08
                                                                                                                                                             losigkeit geführt hat (vgl. Abbildung 1b).
                                                     0,05             0,07     0,09      0,11     0,13      0,15    0,17    0,19     0,21     0,23   0,25
                                                                                                                                                                Eine mögliche Ursache dafür, dass die Mismatch-
                                                                                      Arbeitsmarktanspannung im Januar 2000
                                                                                                                                                             Arbeitslosenquote bereits in den Jahren 2002 und
    * Die Arbeitsmarktanspannung ist das Verhältnis der Vakanzen zur Zahl der Arbeitslosen.                                                                  2003 gesunken ist, ist eine Entwicklung, die schon
    Quelle: Eigene Berechnungen auf Basis einer 5 %-Stichprobe der IEB und der gemeldeten
    Stellen der BA.                                                                         © IAB                                                            in den 1990er Jahren einsetzte: Die zunehmenden
                                                                                                                                                             Lohn­ unterschiede zwischen den Qualifikations-
                                                                                                                                                             gruppen und Sektoren (Bellmann/Gartner 2003 und
    Abbildung 3                                                                                                                                              Dustmann et al. 2009). Diese sind unter anderem
    Zusammenhang zwischen Matchingeffizienz* und Entwicklung der                                                                                             Folge von unterschiedlichen Knappheitsverhältnis-
    Arbeitsmarktanspannung** in ausgewählten Berufsabschnitten                                                                                               sen in den Arbeitsmarktsegmenten und können zu
                                                        0,04                                                                                                 einem Ausgleich auf den Märkten beitragen. Eine
                                                                                                                                                             weitere mögliche Ursache des sinkenden Mismatch
              zwischen Januar 2000 und Dezember 2010
              Veränderung der Arbeitsmarktanspannung

                                                                                                                                  Bauberufe
                                                        0,02                                                                                                 ist, dass seit Ende der 1990er Jahre der Niedriglohn-
                                                                                                                                                             sektor gewachsen ist (Rhein 2009). Damit könnte der
                                                            0
                                                                                                         Organisations-, Verwaltungs-, Büroberufe
                                                                                                                                                             Zugang zum Arbeitsmarkt für solche Personengrup-
                                                                                                           Verkehrsberufe                                    pen erleichtert worden sein, die vorher nur schwer
                                                       -0,02
                                                                                                                                                             eine Beschäftigungsmöglichkeit finden konnten.
                                                       -0,04
                                                                                                                                                                Die Zerlegung zeigt auch, dass in der Aufschwung-
                                                                                                                                                             phase von Mitte 2006 bis Mitte 2008 die gesamte
                                                       -0,06                                                                                                 Arbeitslosenquote deutlich stärker gesunken ist als
                                                                                      Warenkaufleute
                                                                                         Allgemeine Dienstleistungsberufe                                    die Mismatch-Arbeitslosigkeit. Bei enger oder mitt-
                                                       -0,08
                                                                0,7      0,9      1,1           1,3       1,5      1,7      1,9       2,1      2,3     2,5
                                                                                                                                                             lerer Segment-Definition stieg damit der Anteil der
                                                                                                      Matchingeffizienz
                                                                                                                                                             Mismatch-Arbeitslosigkeit. Im Gegenzug sanken
                                                                                                                                                             also die anderen Komponenten der Arbeitslosigkeit
    * Die Matchingeffizienz misst, wie schnell bei einer gegebenen Zahl von Vakanzen und Arbeits-
       losen neue Matches entstehen.                                                                                                                         über den Konjunkturzyklus hinweg. Dies kann als
    ** Die Arbeitsmarktanspannung ist das Verhältnis der Vakanzen zur Zahl der Arbeitslosen.                                                                 Folge der moderaten gesamtwirtschaftlichen Lohn­
    Quelle: Eigene Berechnungen auf Basis einer 5 %-Stichprobe der IEB und der gemeldeten
    Stellen der BA.                                                                       © IAB                                                              entwicklung seit 2004 (z. B. Gartner/Klinger 2010)
                                                                                                                                                             und der Hartz-Reformen betrachtet werden. Die

4     IAB-Kurzbericht 5/2014
strengen Mitwirkungs- und Mitteilungspflichten           nicht signifikant. Dennoch war damit der Gesamt­
der Arbeitsuchenden sowie die Reduktion der Lohn-        effekt auf die Angleichung der Dauern zwischen den
ersatzleistungen haben beispielsweise dazu beige-        Berufsabschnitten relativ gering.
tragen, dass Arbeitslose intensiver nach einem Job
suchen (Kettner/Rebien 2007; Dlugosz/Stephan/Wil-        Abbau der beruflichen
ke 2013). Die verbesserte Arbeitsvermittlung sowie       Mismatch-Arbeitslosigkeit
die Erleichterungen bei der Zeitarbeit können eben-      Wie bereits erwähnt, lässt sich Mismatch unter an-
falls dazu beigetragen haben, dass Arbeitsuchende        derem dadurch abbauen, dass Arbeitslose in einen
schneller einen Job finden (Klinger/Rothe/Weber          Beruf mit höheren Beschäftigungschancen wech-
2013). Damit ist zwar in dieser Aufschwungphase          seln. Instrumente der aktiven Arbeitsmarktpolitik
der Mismatch absolut gesunken, aber nicht überpro-       können dazu einen Beitrag leisten.
portional im Vergleich zu anderen Komponenten der           Dass auf beruflicher Ebene noch Abbau-Potenzial
Arbeitslosig­keit.                                       bestehen könnte, illustriert Abbildung 4. Sie zeigt,
                                                         wie häufig der Beruf beim Übergang von Arbeitslo-
Arbeitsmarktanspannung und                               sigkeit in Beschäftigung gewechselt wird. Der Anteil
Matching­effizienz                                       der Einstellungen mit Berufswechsel an allen Über-
Der Mismatch kann, wie oben beschrieben, aus zwei        gängen von Arbeitslosigkeit in Beschäftigung wird
Gründen zurückgehen: Die Arbeitsmarktanspan-             für die unterschiedlich definierten Arbeitsmarktseg-
nung (also die Zahl der Vakanzen pro Arbeitslosen)       mente dargestellt. Es zeigt sich, dass dieser Anteil im
sinkt in Berufen, in denen sie überdurchschnittlich      Zeitablauf nur leicht zunimmt, und nach den Hartz-
hoch ist (und umgekehrt), oder sie sinkt dort, wo        Reformen keinen anderen Trend aufweist als zuvor.
die Matching­   effizienz überdurchschnittlich hoch        Seit den Hartz-Reformen sind arbeitsmarktpoliti-
ist. Welche Rolle diese beiden Ebenen gespielt ha-       sche Maßnahmen stärker am Ziel der Arbeitsmarkt-
ben, lässt sich grafisch darstellen. Abbildung 2 zeigt   integration orientiert und die Mitwirkungspflichten
die Arbeitsmarktanspannung im Jahr 2000 und die          der Arbeitsuchenden sind strenger geregelt. Der
Entwicklung dieser Anspannung zwischen 2000 und          Anteil der Berufswechsler an den Übergängen aus
2010. Um die Grafik übersichtlich zu halten, wurden      Arbeitslosigkeit in Beschäftigung ist aber dadurch
nur die fünf größten Berufsabschnitte ausgewählt,        nicht gestiegen. Dennoch ist nach den Reformen ne-
in denen sich über die Hälfte der Arbeitslosen findet.   ben der friktionellen auch die Mismatch-Arbeitslo-
In den Bauberufen war die Arbeitsmarktanspannung         sigkeit gesunken, wenn auch nicht überproportional.
2000 sehr niedrig, dort ist sie aber bis 2010 gestie-
gen. In den Allgemeinen Dienstleistungsberufen oder
unter Warenkaufleuten war die Anspannung im                 Abbildung 4
Januar 2000 hoch und ist im Laufe der Dekade ge-            Anteil der Berufswechsel an allen Übergängen aus Arbeitslosigkeit
sunken. Auch wenn alle Berufsabschnitte betrachtet          in Beschäftigung - in Prozent
werden, ist der negative Zusammenhang deutlich                 45
und statistisch signifikant.
                                                               40
   Insgesamt haben sich die Unterschiede in der
                                                               35
Arbeitsmarktanspannung verringert, was zu einem
                                                               30
sinkenden Mismatch beigetragen hat. Auf die Mis-
match-Arbeitslosigkeit hat sich diese Angleichung              25

aber nur wenig ausgewirkt, weil die Anspannung vor             20
allem dort gesunken ist, wo die Matchingeffizienz              15
unter dem Durchschnitt lag, und dort gestiegen ist,            10
wo sie darüber lag. Abbildung 3 zeigt den Zusam-
                                                                 5
menhang zwischen der Matchingeffizienz und der
                                                                 0
Entwicklung der Arbeitsmarktanspannung der fünf                      2000   2001   2002    2003     2004    2005    2006    2007   2008    2009    2010
größten Berufsabschnitte. Betrachtet man alle Be-                     Anteil der Berufswechsel:           breite ...       mittlere ...      enge ...
rufsabschnitte ist dieser Zusammenhang allerdings                                                 ... Definition der beruflichen Arbeitsmarktsegmente
schwächer als der zwischen der Änderung und dem             Quelle: Eigene Berechnungen auf Basis einer 5 %-Stichprobe der IEB.                         © IAB
Niveau der Arbeitsmarktanspannung und statistisch

                                                                                                                              IAB-Kurzbericht 5/2014            5
„„ Beruflich-regionale und sektorale                                      match-Arbeitslosigkeit ist ebenfalls gesunken, von
                                      Mismatch-Arbeitslosigkeit                                              ca. 35 bzw. 45 Prozent zu Beginn der Dekade auf 25
                                                                                                             bzw. 40 Prozent im Jahr 2010 (vgl. Abbildung 6).
                                   Da sich potenziell geeignete Stellen für Arbeits­lose
                                   auch in einer anderen Region finden können, ist es
                                                                                                             „„ Fazit: Mismatch muss man
                                   für ein vollständiges Bild der Mismatch-Arbeits­
                                                                                                                von beiden Seiten angehen
                                   losigkeit sinnvoll, zusätzlich die räumliche Dimen-
                                   sion zu betrachten. Dazu grenzen wir ein Arbeits-                         Die Mismatch-Arbeitslosigkeit ist zwar zwischen
                                   marktsegment sowohl nach Beruf als auch nach                              2000 und 2010 gesunken. Den größeren Beitrag zur
                                   Bundesland ab. Hier zeigt sich, dass der beruflich-                       positiven Entwicklung am Arbeitsmarkt haben aber
                                   regionale Mismatch zwischen 2000 und 2010 für                             andere Komponenten geliefert, was vor allem der ge-
                                   die breite Definition der Arbeitsmarktsegmente von                        samtwirtschaftlich moderaten Lohnentwicklung und
                                   40 Prozent auf 20 Prozent und für die enge Defini-                        den Hartz-Reformen zugeschrieben werden kann.
                                   tion von 50 Prozent auf 45 Prozent gefallen ist (vgl.                        Die Möglichkeiten, den Mismatch am Arbeitsmarkt
                                   Abbildung 5).                                                             weiter zu reduzieren, dürften noch nicht ausge-
                                      Mismatch wird auch häufig mit sektoralem Struk-                        schöpft sein. Instrumente hierzu sind zuallererst die
                                   turwandel verbunden. Es gibt schrumpfende Sekto-                          Förderung von Qualifikation oder von Umschulungen
                                   ren, in denen Arbeitsplätze wegfallen, in wachsenden                      ebenso wie die Förderung der regionalen Mobilität
                                   Sektoren entstehen hingegen neue Arbeitsplätze. Da                        von Arbeitsuchenden. Durch abschlussorientierte
                                   es teilweise eine Zeit dauert, bis arbeitslos gewor-                      Weiterbildung etwa können Mismatch-Probleme ge-
                                   dene Arbeitskräfte in anderen Sektoren unterkom-                          mildert werden. Um dabei auch Arbeitslose mit ge-
                                   men, entsteht sektorale Mismatch-Arbeitslosigkeit.                        ringeren Arbeitsmarktchancen zu erreichen, sind in-
                                   Auch der sektorale Mismatch hat sich ähnlich wie                          dividuell ausgestaltete Maßnahmen sowie intensive
                                   der berufliche Mismatch entwickelt. Das Niveau des                        Betreuung in der Arbeitsmarktpolitik zu empfehlen.
                                   sektoralen Mismatch variiert allerdings weniger mit                          Mismatch lässt sich aber nicht nur abbauen, in-
                                   der Wahl einer engeren oder breiteren Abgrenzung                          dem Arbeitsuchende dorthin wechseln, wo Jobs sind.
                                   der Arbeitsmarktsegmente, als es beim beruflichen                         Ebenso wichtig ist, dass Jobs dort entstehen, wo die
                                   Mismatch der Fall ist. Der Anteil der sektoralen Mis-                     Arbeitskräfte sind. Dafür müssen sich neue Arbeits-

    Abbildung 5
    Beruflich-regionaler Mismatch 2000 bis 2010
       a) Arbeitslosenquote insgesamt und                                                  b) Anteil der beruflich-regionalen Mismatch-Arbeitslosigkeit
          Mismatch-Arbeitslosenquote nach Berufsregionen in Prozent                           an der gesamten Arbeitslosigkeit in Prozent
           18                                                                                 60

           16
                                                                                              50
           14

           12                                                                                 40

           10
                                                                                              30
            8

            6                                                                                 20

            4
                                                                                              10
            2

            0                                                                                  0
                2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010                             2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010

                         Arbeitslosenquote insgesamt               Mismatch-Arbeitslosenquote:             breite ...         enge ...
                                                                                                   ... Definition der beruflich-regionalen Arbeitsmarktsegmente

    Anmerkung: Den Berechnungen liegt die „Stichprobenarbeitslosenquote“ zugrunde. Dabei wird die Zahl der Arbeitslosen bezogen auf die Summe der Arbeitslosen und
    der Beschäftigten in der IEB-Stichprobe. Diese Quote liegt höher als die von der Bundesagentur veröffentlichte Arbeitslosenquote, die auf alle zivilen Erwerbspersonen
    bezogen wird. Beide Arbeitslosenquoten weisen aber über die Zeit den gleichen Verlauf auf.
    Quelle: Eigene Berechnungen auf Basis einer 5 %-Stichprobe der IEB und der gemeldeten Stellen der BA.                                                               © IAB

6     IAB-Kurzbericht 5/2014
plätze in diesen Segmenten aus betrieblicher Sicht                      Dustmann, Christian; Ludsteck, Johannes; Schönberg,
rechnen, was durch entsprechende Lohndifferen­ziale                       Uta (2009): Revisiting the German wage structure. In:
unterstützt werden könnte.                                                The Quarterly Journal of Economics, Vol. 124, No. 2,
                                                                          S. 843–881.
   Ein mögliches Instrument darüber hinaus ist die
Förderung von Existenzgründungen aus Arbeitslo-                         Dlugosz, Stephan; Stephan, Gesine; Wilke, Ralf A. (2013):
                                                                          Fixing the Leak: Unemployment Incidence before and
sigkeit. Wenn potenzielle Gründerinnen oder Grün-
                                                                          after a Major Reform of Unemployment Benefits in Ger-
der dann Stellen im gleichen Segment anbieten, aus
                                                                          many. In: German Economic Review (online first).
dem sie selber kommen, entstehen Arbeitsplätze                                                                                                     Anja Bauer
                                                                        Franz, Wolfgang (1991): Match and Mismatch on the
dort, wo es Arbeitsuchende gibt.                                          German Labor Market. In: Padoa-Schioppa F. (ed.), Mis-
                                                                                                                                                   ist wissenschaftliche
                                                                                                                                                   Mitarbeiterin im Forschungs-
   Nicht zuletzt sind aber auch Betriebe gehalten,                        match and Labor Mobility, London, S. 105-135.                            bereich „Prognosen und
flexibel auf das vorhandene Arbeitsangebot zu re-                       Gartner, Hermann; Klinger, Sabine (2010): Verbesserte In-                  Struktur-analysen“ und
agieren. Sie könnten zum Beispiel Beschäftigte oder                       stitutionen für den Arbeitsmarkt in der Wirtschaftskrise.                Stipendiatin im Graduierten-
                                                                                                                                                   programm des IAB.
potenzielle Kandidaten weiterqualifizieren, wenn                          In: Wirtschaftsdienst, Jg. 90, H. 11, S. 728-734.
                                                                                                                                                   anja.bauer@iab.de
diese zunächst nicht exakt die erwarteten Kennt-                        Jackman, Richard; Roper, Stephen (1987): Structural Un-
nisse haben. Ein solches Engagement wird für den                          employment. In: Oxford Bulletin of Economics and Sta-
unternehmerischen Erfolg immer größere Bedeutung                          tistics, 49 (1), S. 9-36.
erlangen, wenn Arbeitskräfte im Zuge des demogra-                       Kettner, Anja; Rebien, Martina (2007): Hartz-IV-Reform:
fischen Wandels noch knapper werden.                                      Impulse für den Arbeitsmarkt. IAB-Kurzbericht Nr. 19,
                                                                          Nürnberg.
                                                                        Klinger, Sabine; Rothe, Thomas; Weber, Enzo (2013): Ma-
                                                                           kroökonomische Perspektive auf die Hartz-Reformen:
Literatur
                                                                           Die Vorteile überwiegen. IAB-Kurzbericht Nr. 11, Nürn-                  Dr. Hermann Gartner
Bauer, Anja (2013): Mismatch Unemployment: Evidence                        berg.                                                                   ist wissenschaftlicher
  from Germany 2000-2010. IAB-Discussionpaper 10,                       Rhein, Thomas (2009): „Working poor” in Deutschland und                    Mitarbeiter im
                                                                                                                                                   Forschungsbereich
  Nürnberg.                                                               den USA: Arbeit und Armut im transatlantischen Ver-
                                                                                                                                                   „Arbeitsmarktprozesse und
Bellmann, Lutz; Gartner, Hermann (2003): Fakten zur Ent-                  gleich. IAB-Kurzbericht Nr. 1, Nürnberg.                                 Institutionen“ im IAB.
  wicklung der qualifikatorischen und sektoralen Lohn-                  Ṣahin, Aysegül; Song, Joseph; Topa, Giorgio; Violante, Gio-                hermann.gartner@iab.de
  struktur. In: Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und                    vanni L. (2012): Mismatch unemployment, Staff Reports
  Berufsforschung, Jg. 36, H. 4, S. 493-508.                              566, Federal Reserve Bank of New York.

   Abbildung 6
   Sektoraler Mismatch 2000 bis 2010
      a) Arbeitslosenquote insgesamt und                                                  b) Anteil der sektoralen Mismatch-Arbeitslosigkeit
         Mismatch-Arbeitslosenquote nach Branchen in Prozent                                 an der gesamten Arbeitslosigkeit in Prozent
          18                                                                                 60

          16
                                                                                             50
          14

          12                                                                                 40

          10
                                                                                             30
            8

            6                                                                                20

            4
                                                                                             10
            2

            0                                                                                 0
                2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010                            2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010

                         Arbeitslosenquote insgesamt                   Mismatch-Arbeitslosenquote:            breite ...       mittlere ...      enge ...
                                                                                                      ... Definition der sektoralen Arbeitsmarktsegmente

   Anmerkung: Den Berechnungen liegt die „Stichprobenarbeitslosenquote“ zugrunde. Dabei wird die Zahl der Arbeitslosen bezogen auf die Summe der Arbeitslosen und
   der Beschäftigten in der IEB-Stichprobe. Diese Quote liegt höher als die von der Bundesagentur veröffentlichte Arbeitslosenquote, die auf alle zivilen Erwerbspersonen
   bezogen wird. Beide Arbeitslosenquoten weisen aber über die Zeit den gleichen Verlauf auf.
   Quelle: Eigene Berechnungen auf Basis einer 5 %-Stichprobe der IEB und der gemeldeten Stellen der BA.                                                               © IAB

                                                                                                                                               IAB-Kurzbericht 5/2014          7
i       Methode
                                       Ältere Ansätze zur Quantifizierung des Mismatch, wie         ment wechselt, in dem mehr Vakanzen auf einen Ar-
                                       der nach Jackman/Roper (1987), gingen davon aus,             beitslosen kommen oder in dem die Matching­effizienz
                                       dass kein Mismatch vorhanden wäre, wenn die Arbeits-         höher ist. Daher wechseln die Arbeitslosen hypothe-
                                       marktanspannung in allen Segmenten gleich wäre.              tisch also von Segmenten mit langen Suchdauern in
                                       Das wäre der Fall, wenn die segmentspezifische Ar-           Segmente mit geringer Suchdauer. Wenn die durch-
                                       beitslosigkeit relativ zur aggregierten Arbeitslosigkeit     schnittliche Suchdauer durch einen weiteren Wech-
                                       ui ⁄ ∑uί so groß wäre wie die Zahl der segmentspezifi-       sel von Arbeitslosen zwischen den Segmenten nicht
                                       schen Vakanzen relativ zu den aggregierten Vakanzen          mehr verringert werden kann, stellt sich das Niveau
                                       vi ⁄ ∑vί . Dem Ansatz folgend wurde Mismatch mit ei-         der Arbeitslosigkeit ein, das erreichbar wäre, wenn es
                                       nem Index gemessen, der die absoluten Unterschiede           keinen Mismatch gäbe. Die Suchdauer ist dann in al-
                                       zwischen den relativen Vakanzen und der relativen            len Segmenten gleich. Die Mismatch-Arbeitslosigkeit
                                       Arbeitslosigkeit über alle Segmente aufsummiert:             ergibt sich folglich aus der Differenz zwischen der hy-
                                       Ι = ∑i|ui ⁄ ∑uί - vi ⁄ ∑vί| (für Deutschland siehe zum       pothetischen Arbeitslosigkeit und der tatsächlichen
                                       Beispiel Franz 1991).                                        Arbeitslosigkeit.
                                       Unterstellt wird in diesen Berechnungen implizit, dass       In diesem Ansatz wird also die durchschnittliche Such-
                                       die Matchingeffizienz in allen Segmenten die gleiche         dauer minimiert. Dies sollte nicht verwechselt werden
                                       ist, das heißt, dass in zwei unterschiedlichen Segmen-       mit der optimalen Suchdauer. Die optimale Dauer
                                       ten mit gleicher Zahl von Arbeitslosen und Vakanzen          kann sich zwischen den Segmenten unterscheiden, da
                                       die gleiche Zahl von Matches pro Periode entsteht.           sich etwa für qualifizierte Tätigkeiten möglicherweise
                                       Realistischer ist es aber, wenn zugelassen wird, dass        eine längere Suche rechnet. In bestimmten Segmen-
                                       sich die Matchingeffizienz zwischen den Segmenten            ten kann ein gewisser Mismatch daher sogar gesamt-
                                       unterscheidet. Ein von Ṣahin et al. (2012) vorgeschla-       wirtschaftlich optimal sein. Für die Berechnung einer
                                       gener und von Bauer (2013) auf Deutschland ange-             optimalen Suchdauer müssten für jedes Segment die
                                       wandter Ansatz ermöglicht dies und bestimmt Mis-             Such- und Rekrutierungskosten und die spezifischen
                                       match wie folgt:                                             Erträge aus einem neuen Beschäftigungsverhältnis
                                       Zunächst wird die hypothetische Arbeitslosigkeit be-         bekannt sein. Da dafür notwendige Daten nicht exis­
                                       rechnet, die sich ohne Mismatch einstellen würde.            tieren, ist das hier zugrunde gelegte Ziel die Minimie-
                                       Diese findet man, indem die Arbeitslosen hypothetisch        rung der durchschnittlichen Suchdauer.
                                       so zwischen den Segmenten umverteilt werden, dass            Genaueres zu den Berechnungen: Die segmentspezi-
                                       die Suchdauer reduziert wird, wobei die Suchdauer            fischen Matchingeffizienzenwurden ermittelt, indem
                                       vom Verhältnis aus Vakanzen zu Arbeitslosen und              eine Matchingfunktion mit panelökonometrischen
                                       der jeweiligen Matchingeffizienz des Segmentes be-           Verfahren geschätzt wurde. Für die Berechnung der
                                       stimmt wird. Dem liegt folgende Überlegung zugrun-           hypothetischen Arbeitslosigkeit wurde statt der Dauer
                                       de: Ein Arbeitsloser muss in einem Segment umso län-         der Arbeitslosigkeit die monatliche Übergangsrate
                                       ger suchen, je weniger Vakanzen es pro Arbeitslosen          aus Arbeitslosigkeit in Beschäftigung zugrunde gelegt.
                                       gibt und je geringer die Matchingeffizienz ist. Die er-      Diese ist im Gleichgewicht identisch mit dem Kehrwert
                                       wartete Suchdauer – und damit die Arbeitslosigkeit –         der Suchdauer. In Bauer (2013) finden sich detaillierte
                                       wird also reduziert, wenn der Arbeitslose in ein Seg-        Ergebnisse und eine genaue Beschreibung der Methode.

    Impressum  IAB-Kurzbericht Nr. 5, April 2014  Herausgeber: Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit, 90327 Nürn­berg
     Redaktion: Elfriede Sonntag, Martina Dorsch  Graphik & Gestaltung: Monika Pickel  Fotos: Jutta Palm-Nowak  Druck: Vormals Manzsche Buch­druckerei und
    Verlag, Regensburg  Rechte: Nach­druck – auch auszugsweise – nur mit Genehmigung des IAB  Bezug: IAB-Bestellservice, c/o W. Bertelsmann Verlag GmbH & Co. KG,
    Auf dem Esch 4, 33619 Biele­feld; Tel. 0911-179-9229 (es gelten die regulären Festnetzpreise, Mobilfunkpreise können abweichen); Fax: 0911-179-9227; E-Mail:
    iab-bestellservice@wbv.de  IAB im Internet: www.iab.de. Dort finden Sie u. a. diesen Kurzbericht zum kostenlosen Download  Anfragen: iab.anfragen@iab.de oder
    Tel. 0911-179-5942  ISSN 0942-167X

8     IAB-Kurzbericht 5/2014
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