Wie die Polizei am Ball bleibt - WAS KINDER UND ELTERN WISSEN MÜSSEN Stopp Kinderpornografie im Internet
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Ein Ratgeber der Polizei Stopp Kinderpornografie im Internet WAS KINDER UND ELTERN WISSEN MÜSSEN Warum Konsumenten ein Problem haben Wie die Polizei am Ball bleibt
2 Editorial Dossier Die moderne Gesellschaft beurteilt den Kon- Spielkonsolen, Handy und Internet – sum von Pornografie nicht mehr unter mo- ralischen Gesichtspunkten. Sie gilt als Sache Kinder nutzen die Möglichkeiten des Geschmacks. Im Fall der Kinderporno- der Technik gerne und haben ihren grafie wird die Grenze aber klar überschrit- ten. Das Schweizer Strafgesetzbuch stellt den Spass daran. Umgang mit Kinderpornografie unter Strafe. Doch die virtuelle Welt birgt auch Diese geht von einer saftigen Busse bis zur Gefängnisstrafe. Gefahren. Ein Ratgeber für Eltern. Im Internet mit seinen fast unbegrenzten Möglichkeiten boomt das Pornogeschäft. In international vernetzten Aktionen fasst die Polizei eine zunehmende Anzahl von Kinderpornokonsumenten. Dabei zeigt sich: Diese Menschen verlieren rasch die Kontrolle über ihr Tun. Viele 7 können der Dynamik des Suchens und Tauschens von Material nichts entgegenstellen. Ihnen ist oft nicht klar, dass ihr Handeln illegal ist Reportage und ernsthafte Konsequenzen hat. Zudem gibt es eine weitere Grenz- überschreitung: Täter nutzen das Internet dazu, Sexualdelikte mit Kin- Den 12. September 2002 wird Robert T. dern und Jugendlichen zu begehen. Mit diesem Magazin will die Polizei deutlich machen: Der Umgang mit so schnell nicht vergessen. Kinderpornografie ist strafbar. Die Polizei verfolgt Sexualstraftäter im An diesem Tag fanden seine heimlichen Internet. Ebenso gilt es auch zu verhindern, dass Kinder im Internet zu Opfern werden. Sie sollen sich vor illegalen Darstellungen und sexu- Ausflüge ins Internet ein schlagartiges ellen Übergriffen im Internet schützen können. Sie sollen neue Kom- Ende. Dafür nahm ein langer Leidens- munikationsmedien nutzen, ohne sich und andere zu gefährden. Dazu weg seinen Anfang. müssen Eltern und Erziehungsverantwortliche sie in der virtuellen Welt begleiten. Im Gespräch mit ihnen gilt es, Regeln für den sicheren Um- gang in dieser Welt zu entwickeln. 10 Das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Die Polizei macht ernst mit der Verfolgung von Kindsmissbrauch im Netz. Kinderpornografie ist ein Interview Verbrechen – ohne Wenn und Aber! Schon ein Bild ist eines zu viel. Hinter jedem Bild steht ein Missbrauch. Jedes Bild zerstört Leben – «Castagna» nennt sich die Opfer- beim Opfer wie beim Täter. beratungsstelle für sexuell aus- Martin Boess, gebeutete Kinder und Jugendliche in Geschäftsleiter Schweizerische Kriminalprävention SKP PSC Zürich. Regula Schwager, Psychologin und Psychotherapeutin, erzählt über Impressum Herausgeberin ihre Erfahrungen. 12 Schweizerische Kriminalprävention SKP PSC Alltag Postfach 2073, CH-2001 Neuchâtel, Tel. +41 32 729 91 60 info@skppsc.ch, www.skppsc.ch Verantwortlich: Martin Boess Arnold Poot hat einen ausserge- Konzept und Redaktion: Franziska Edelmann/Peter Felber, wöhnlichen Beruf. Als Cybercop ist er int/ext Communications AG, Basel Texte: Florence Astié, Stefanie Erni, Evi Kassimidis, Nicolaj van der Meulen, Roberta Vanina, Karl Weilbach spezialisiert auf die Ermittlung von Gestaltung: VischerVettiger, Basel Übersetzungen: Trad-Express, Bern/Strasburg (F), Sexualdelikten im Internet. Von seinem Traductor Caltagirone, Basel Druck: Stämpfli AG, Bern Computer bei der Waadtländer Sicher- Erschienen im Rahmen der Präventionskampagne gegen heitspolizei aus geht er regelmässig im 14 Pädokriminalität 2005–2007 «Stopp Kinderpornografie im Internet» © SKP PSC 2005, 1. Auflage Internet auf Patrouille.
3 Inhalt Foto: Michael Kessler, profifoto.ch Editorial, Impressum 2 Einleitung Auch das Netz kennt Grenzen 4 Info Gesetz im Netz 5 Dossier Ein Beispiel, das Schule machen muss 6 Sicherheit im Netz 7 Test Internet-Sex-Sucht 8 Thema Konsumenten von Kinderpornografie kann man helfen 9 Reportage Ich dachte erst, das gibt wohl eine Busse 10 Ratgeber Dr. Weilbach beantwortet Fragen 11 Interview Heilung ist ein langsamer Prozess 12 Kommentar Das gefrässige Bild 13 Alltag Mit dem Cybercop auf Patrouille 14 Wir werden immer besser und schneller! 15 Anlaufstelle Polizei 15 Letzte Wo erhalten Sie Hilfe? 16
4 Auch das Netz kennt Grenzen Die Übereinkunft darüber, was als onelle Produzenten sind weder pä- und IP-Adressen sind willkommene dophil noch sexsüchtig. Sie haben es Anhaltspunkte für die Fahndung der sexuell normal gilt und was nicht, ist einfach aufs grosse Geld abgesehen. Polizei. Überall auf der Welt verfügt heute ziemlich durcheinander die Polizei über Spezialisten, die im geraten. Sexuelle Praktiken gelten Fortschritt bringt neue Internet auf Patrouille gehen. Infor- Möglichkeiten und Gefahren mationen über verdächtige Personen oft als Frage der Vorliebe und des werden über Interpol an die entspre- Die technischen Fortschritte der letz- chenden Länder weitergeleitet. Das «Kicks». Auch Cybersex und Kinder- ten Jahre wirken wie ein Turbo: Sie internationale Abkommen, die «con- pornografie boomen. Doch das vereinfachen die Produktion von vention on cybercrime», ist am 1. Juli Material wesentlich. Filme vom Sex- 2004 in Kraft getreten. Bereits vorher Internet ist kein Freipass für Willkür. erlebnis mit Minderjährigen in Viet- gab es in der Schweiz die Koordina- nam, Bilder von den eigenen Kin- tionsstelle zur Bekämpfung der In- dern in aufreizenden Posen lassen ternet-Kriminalität (KOBIK). Sie fil- sich mit Digitalkamera oder Handy- tert Meldungen aus der Bevölkerung, L ängst sind es nicht nur Pädophile, die Bilder mit nackten Kindern sam- cam einfach machen und auf den Computer übertragen. Auch die Su- che nach bestehendem Material ist unterstützt die Arbeit der Cybercops in den Kantonen und wirkt bei de- ren Ausbildung mit. Gleichzeitig ist meln. Auch Lifestyle-interessierte im Internet sehr einfach geworden. KOBIK selber im Netz präsent, berei- Sexsüchtige suchen den Kick mit im- Mit dem richtigen Stichwort findet tet Verdachtsdossiers für die Kantone mer härterem Material. Im Internet man rasch die gesuchten Seiten. Wer vor und erstellt nationale Analysen fühlen sie sich nicht an Moral und mehr will, schliesst sich einer Ge- zur Entwicklung der Situation. Dazu Gesetz gebunden. Das Bundeskrimi- meinschaft von Gleichgesinnten im arbeitet sie eng mit Internet-Service- nalamt in Deutschland rechnet mit Netz an. Es gibt genügend einschlä- Providern und Kreditkarteninstitu- 30 000 bis 50 000 Sammlern oder re- gige Chats, Foren und News-Grup- ten zusammen. KOBIK ruft auch gelmässigen Konsumenten im eige- pen. Eingeweihte treffen sich gar in private Personen auf, ihre Beobach- nen Land. In der Schweiz sind noch geschlossenen Online-Zirkeln, wo sie tungen zu melden. Im Jahr 2004 tra- keine verbindlichen Zahlen vorhan- direkt Material austauschen. Doch fen 6100 Verdachtsmeldungen ein. den. Die Fahndungserfolge der letz- auch die Möglichkeit, die Begegnung Daraus und aus eigenen Ermittlun- ten Jahre lassen aber vermuten, dass mit einem Opfern anzubahnen, hat gen konnte KOBIK 438 Dossiers mit es auch bei uns viele Nutzer gibt. In sich vereinfacht. Das Internet bie- erhärtetem Verdacht auf Kinderpor- einzelnen Fällen werden sogar Bilder tet viele Gelegenheiten, unter einem nografie erstellen und an die kan- in der Schweiz produziert, meist im Pseudonym eine Beziehung zu Kin- tonalen Strafverfolgungsbehörden privaten Bereich. Kinderpornografie dern und Jugendlichen aufzubauen. weiterleiten. 171 Dossiers gingen an ist ein gutes Geschäft! Bei der Polizei- In ihrer Neugier, Abhängigkeit oder Strafverfolgungsbehörden ins Aus- aktion Genesis zum Beispiel wurde auch berechnend lassen diese sich oft land. Wer heute im Netz nach Kin- ein Grossanbieter in den USA aufge- auf etwas ein, was sie später bitter be- derpornos sucht, geht ein sehr hohes deckt. Er bediente übers Internet ei- reuen. Risiko ein, entdeckt zu werden. nen Kundenkreis von 250 000 Perso- nen; im Monat hat er bis zu 1,4 Mil- Wer surft, hinterlässt Spuren lionen Dollar umgesetzt. Der Unicef schätzt, dass auf der Welt jährlich An verbotene Bilder zu kommen, zirka 20 Milliarden Dollar für Kin- ist im Netz zwar einfach. Doch je- derpornografie und Kinderprostitu- der hinterlässt dort Spuren. E-Mail- tion ausgegeben werden. Professi- Adressen, Kreditkartennummern
5 INFO Foto: Walter & Spehr, Basel Gesetz im Netz So vielfältig die Möglichkeiten im Web sind – die Rechtsprechung zieht auch hier die Schlingen im- mer enger. Das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Im Strafgesetzbuch ist festgelegt, was als illegal gilt. Im Artikel 197 heisst es: Wer pornografisches Material mit Kindern «herstellt, einführt, lagert, in Verkehr bringt, anpreist, ausstellt, anbietet, zeigt, überlässt oder zu- gänglich macht, wird mit Gefängnis oder mit Busse bestraft». Auch wer es «erwirbt, sich über elektronische Mittel oder sonstwie beschafft oder besitzt», muss mit einer Strafverfol- gung rechnen. Der betrachtende Konsum von Kin- derpornos – das Anschauen allein – ist also nicht strafbar. Der Besitz und die Herstellung von Kinderpor- nos jedoch schon. Die Gerichte in der Schweiz legen diese Formulierung bewusst streng aus. So gilt das He- runterladen von illegalem Material auf einen Datenträger (z.B. auch das Handy) als Herstellung und kann mit einem hohen Strafmass verurteilt werden. Das kann bis zur Gefäng- nisstrafe gehen. Auch Bussen bis zu 40 000 Schweizer Franken sind mög- lich. Das Herunterladen von einem Server im Ausland gilt als Einfuhr. Die Schweiz erfüllt damit eine For- derung der UNO-Kinderrechts-Kon- vention, die sie unterzeichnet hat. Sie ist nach Artikel 34 verpflichtet, «das Kind vor allen Formen sexuel- Die Schattenseiten im Internet: Beim Surfen stösst man auch auf viele illegale Inhalte. ler Ausbeutung und sexuellen Miss- brauchs zu schützen», insbesondere auch vor der Ausbeutung durch por- nografische Darstellungen. Haben Sie E-Mails, Websites oder anderes elektronisches Material mit Verdacht auf Kinder- Die Praxis der Gerichte ändert sich, pornografie entdeckt? verschärft sich eher. Sie können sich über die aktuelle Entwicklung der Machen Sie möglichst rasch eine Meldung: Rechtslage im Internet informieren: www.stopp-kinderpornografie.ch www.kobik.ch (Webcode 2201d).
6 Fotos: Action Innocence, Genf Die beste Prävention ist das Gespräch. Lebenskunde im Internet sollte darum auch an Schulen ein Thema sein. Ein Beispiel, das Internet fasziniert alle Die Interessen der Kinder unter- scheiden sich je nach Alter und Um- Schule machen muss feld. Die Zehn- bis Elfjährigen infor- mieren sich im Internet über ihren Lieblingsstar oder ihr Hobby oder wollen online spielen und Bilder su- chen. Sie nutzen das Internet weni- «Das habe ich ja gar nicht gewusst!» Diesen Satz hört Florence ger für die Schulaufgaben, sondern vor allem zur Unterhaltung. Astié häufig, wenn sie mit Kindern über die Gefahren des In den anschliessenden Diskussionen Internet redet. Im Rahmen eines Präventionsprojekts von Action stehen häufig die Chats und News- groups im Mittelpunkt. Zudem ha- Innocence besucht sie Schulklassen und diskutiert mit den ben bis zur Hälfte der Schüler schon Kindern und Jugendlichen, wie man sich im Internet richtig einmal illegale Seiten mit Pornogra- fie, Rassismus und Gewalt gesehen. verhält. Auch die Blogs, eine Art öffentliche Tagebücher, werden immer belieb- ter. Während der Diskussion sensibi- I m Auftrag von Action Innocence hat ein Team von Psychologen das Prä- stunde zum Thema Internet. Sie be- ginnen die Lektion mit einer Reihe lisieren die Psychologen die Jugend- lichen für die Gefahren, denen sie im Internet begegnen können, zum Bei- ventionsprogramm «Vorsicht beim von Fragen wie: «Wer von euch hat spiel beim Verwenden einer Web- Surfen im Internet» entwickelt. Es schon mal im Internet gesurft? Wer cam. Besonders warnen sie die Schü- richtet sich an Kinder und Jugend- hat zu Hause einen Internetzugang? ler davor, über sich und andere ge- liche in den Schulen. Auf Anfrage Wer hat zu Hause Verhaltensregeln naue Informationen bekannt zu ge- der Lehrer kommen ein oder zwei für das Internet? Wozu gehst du ins ben. Psychologen in die Klasse und ge- Internet?» Dabei sind sie flexibel und lassen sich stalten mit den Kindern eine Schul- auch auf andere Themen ein, die die
7 DOSSIER Schüler beschäftigen. So gibt es Klas- sen, bei denen sich die Diskussion Sicherheit im Netz – fast ausschliesslich um Blogs dreht. Bei anderen wird dieses Thema ein Ratgeber für Eltern kaum angeschnitten oder gar nicht erwähnt. Eine Konstante stellen die Spielkonsolen, Handy und Internet – Psychologen jedoch fest: die Faszi- Kinder nutzen die Möglichkeiten der Technik nation für Internetviren! Auch wenn gerne und haben ihren Spass daran. dieses Thema für Action Innocence Doch die virtuelle Welt birgt auch Gefahren. nicht an erster Stelle steht, kommt es doch jedes Mal zur Sprache. Es ist wichtig, dass Ihr Kind die Gefahren der virtuel- len Welt kennt und weiss, wie es sich richtig verhält. Verbote und Filter bieten bloss teilweise Sicherheit. Surfen ist kein Kinderspiel Einen verantwortungsvollen Kinderschutz können nur Sie selber garantieren, indem Sie Ihr Kind in der Das Ziel der Intervention ist es, dass Internetwelt begleiten. Sie finden das schwierig, die Schüler lernen, kritisch mit den weil Ihr Kind unterdessen besser Bescheid weiss als Informationen aus dem Internet um- Sie selbst? Prima – das ist die beste Voraussetzung zugehen. Das tun die Jugendlichen für ein Gespräch! Lassen Sie sich von Ihrem Kind er- nämlich selten von sich aus. Sie ver- klären, was es im Netz tut. Es wird es schätzen, dass trauen in der Regel dem, was sie im Sie sein Wissen anerkennen. So erfahren Sie, wenn World Wide Web lesen – und noch Wenn die allgemeine Diskussions- Ihr Kind in Gefahr ist. Und Sie geben ihm das Ver- mehr dem, was sie sehen. runde beendet ist, bilden die Jugend- trauen, dass es sich jederzeit an Sie wenden darf, lichen kleine Gruppen von 3 bis 4 falls es auf eine merkwürdige Seite oder in sonst Schülern. Jede Gruppe bekommt den eine unangenehme Situation gerät. Ausdruck einer Website. Anhand von diesem diskutiert sie vertieft Diese Verhaltensregeln sollten Sie gemeinsam mit Ihrem Kind festlegen über einzelne Themen wie: Einkau- » Bestimmen Sie gemeinsam, wann und wie lange fen im Internet, Suchmaschinen, E- Ihr Kind im Netz surfen darf. Mails, Chats, Online-Spiele usw. Die » Platzieren Sie den Computer so, dass Sie jederzeit Arbeitsanweisung lautet, die Vor- einen Blick auf den Bildschirm werfen können. und Nachteile sowie die möglichen » Erstellen Sie zusammen eine Liste mit kindge- Gefahren aufzulisten. Im Plenum rechten Internetseiten. präsentiert dann jede Gruppe ihre » Verwenden Sie als Startseite eine Kindersuchma- Überlegungen. Die Psychologin hält schine. die wichtigsten Punkte an der Ta- » Schärfen Sie Ihrem Kind ein, dass es im Chat oder fel fest. Zur Erinnerung erhält jedes in Blogs niemals Angaben über Name, Adresse, Kind ein Mauspad mit 10 Ratschlä- Telefonnummer, Schulhaus, Klasse oder Lehrer gen für junge Internauten sowie ei- machen darf – auch nicht von anderen. nen kleinen Führer für die Eltern, der » Weisen Sie Ihr Kind darauf hin, dass man nie ein vom Verein «Ihr Kind und das Inter- Bild von einer anderen Person im Internet veröf- net» herausgegeben wird. fentlichen darf ohne deren Einverständnis (z.B. in einem Blog). So können Sie ihren Computer kindergerecht einrichten » Kinderschutzprogramme erlauben einen kontrol- lierten Umgang mit dem Computer. Sie bieten eine Vielzahl an Einstellungen und Schutzfunktionen. » Spezielle Voreinstellungen des Browsers schützen Ihr Kind davor, beim Surfen auf ungeeignete In- halte zu stossen. Action Innocence ist eine Nicht- Kinder und Jugendliche für die » Unterdrücken Sie Werbebanner und aufpoppende regierungsorganisation ohne Gefahren des Internets. Zudem Fenster. wirtschaftliche Interessen. Sie entwickelt sich die Organisation » Ein Erotikfilter schützt vor Internetseiten mit ero- setzt sich dafür ein, dass die zu einem Kompetenzzentrum für tischem oder pornografischem Inhalt. Würde und die Unversehrtheit der kindergerechte Filterprogramme. Kinder im Internet gewahrt sind. Weitere Informationen unter: Mit Präventionsprogrammen und Weitere Informationen unter: www.stopp-kinderpornografie.ch (Webcode 2202d). umfassenden Informationskam- www.actioninnocence.org. Hier können Ihre Kinder testen, ob sie fit sind pagnen sensibilisiert sie Eltern, fürs Netz: www.safersurfing.ch
8 Internet-Sex-Sucht Bin ich gefährdet? Das World Wide Web eröffnet eine neue Welt, in der man sich verlieren kann. Wie lange ist das ein Vergnügen – und ab wann wird es zur Sucht? Testen Sie sich selbst. 1. Haben Sie sich jemals über sich selbst auf- JA geregt, dass Sie so viel Zeit mit der Suche nach Sex oder sexuellem Material im Inter- NEIN net verbringen? 2. Haben Sie sich vorgenommen, Ihr sexuel- JA les Verhalten im Internet zu beenden, und haben es dann nicht gehalten? NEIN 3. Haben Sie jemals am Computer mastur- JA biert, während Sie online Pornografie an- geschaut haben? NEIN 4. Brauchen Sie sexuelle Bilder, die immer JA anschaulicher werden, um den gleichen Grad an sexueller Lust zu erreichen? NEIN 5. Verletzen Sie bei Ihrem Internet-Verhalten JA ethisch-moralische Werte, denen Sie sich eigentlich verpflichtet fühlen? NEIN 6. Geben Sie immer mehr Geld aus für sexu- JA elles Material oder sexuelle Kontakte auf entsprechenden Webseiten? NEIN 7. Können Sie nicht widerstehen, auch wäh- JA rend der Arbeitszeit sexuelles Material im Internet anzuschauen oder online Kon- NEIN takte mit sexuellem Bezug zu haben? 8. Kommt es oft vor, dass Sie Zeit, die Sie JA mit Ihrer Familie, mit Freunden oder ei- nem Liebespartner zusammen verbringen NEIN möchten, dafür brauchen, um im Internet sexuelles Material oder sexuelle Kontakte online zu suchen? 9. Haben Sie wegen Ihres sexuellen Verhal- JA tens im Internet Probleme mit Ihrer Fami- lie, mit Freunden oder einem Liebespart- NEIN ner bekommen? Foto: Walter & Spehr, Basel
9 THEMA 10. Konsumenten von Belügen Sie Familienmitglieder, Therapeu- ten oder Ihnen wichtige Bezugspersonen JA in Ihrem Umfeld über Ihre Internet-Sex- Aktivitäten? NEIN Kinderpornografie 11. Haben Sie sich schon darüber Gedanken gemacht, wie Sie es vermeiden können, dass man Sie beim Anschauen von Inter- JA kann man helfen NEIN net-Pornografie oder bei sexuellen Kon- takten im Internet ertappt? Karl Weilbach ist Psychothera- Oberhand. Der Bilderkonsument peut in Speicher AR. In seiner sucht immer extremere Darstel- 12. Wenn Sie nicht online sind, denken Sie Praxis behandelt er auch Kon- lungen und legt innere Schranken dann oft daran, wieder online zu gehen, JA sumenten von Pornos mit Min- ab. Gelegentlich melden sich beim um sexuelle Websites anzusehen? derjährigen. Er beschreibt den Betrachter auch Selbstzweifel. NEIN zerstörerischen Sog, in den 13. Masturbieren Sie bei sexuellem Material im diese Männer geraten, und wie Jeder ist für sein Handeln Internet, weil dies für Sie leichter ist, als JA Beratung und Therapie ihnen verantwortlich eine reale sexuelle Beziehung zu finden helfen kann. Menschen, die einer Sucht ver- NEIN oder aufrechtzuerhalten? fallen, sind in ihrem seelischen Gleichgewicht gestört. Sie sind auf 14. Haben Sie versucht, Ihr sexuelles Verhalten JA Mit dem Internet wächst der momentane Ersatzhandlungen im Internet dadurch zu beenden, dass Sie Markt für Kinderpornografie. angewiesen. Diese bringen aber beispielsweise Ihre Favoritenliste für Sex- Dieser sprengt geografisch und von Mal zu Mal immer weniger NEIN seiten gelöscht haben? moralisch jede Grenze. Konsu- Befriedigung. Ein internetsüchti- menten fühlen sich im Netz unbe- ger Mann spürt zwar den zerstö- 15. Haben Sie beim Sex mit einem realen Part- JA obachtet. Auf der Strecke aller- rerischen Sog. Aber es ist hart, sich ner an Personen gedacht, die Sie auf por- dings bleibt das Mitgefühl für Lei- seine Zwänge und seine Hilfsbe- nografischen Seiten im Internet gesehen den und Abhängigkeit der Kinder, dürftigkeit einzugestehen. Wer NEIN haben? die schamlos ausgebeutet werden. den Weg in die Therapie geht, macht den entscheidenden Schritt. 16. Schämen Sie sich oder fühlen Sie sich schul- JA Bilder können süchtig machen Der Auslöser dafür ist ganz unter- dig, nachdem Sie im Internet Pornografie Auf der Suche nach «Abwechs- schiedlich: Dem einen wird das angesehen haben oder sexuelle Kontakte lung» finden männliche Konsu- Leiden an seinem Tun zu gross. NEIN hatten? menten Gefallen an kinderporno- Beim andern machen die Partne- grafischem Material. Verheiratete, rin oder der Arbeitgeber Druck. 17. Befriedigt Sie Internet-Pornografie oder JA Familienväter, sozial angepasste Mit dem Schritt in die Therapie die Beziehung zu Online-Partnern mehr Menschen, auch Jugendliche, ge- beginnt jemand, seinem Problem als Sex mit einem realen Partner? raten ins Visier der Fahnder. Sie ins Auge zu schauen und wieder NEIN haben normalerweise keine sexu- Verantwortung für sich und sein 18. Machen Sie sich manchmal Gedanken dar- JA ellen Vorlieben für Kinder. Un- Verhalten zu übernehmen. über, dass Ihr sexuelles Verhalten im Inter- tersuchungen zeigen, dass auch net ausser Kontrolle geraten ist? solche nicht pädophilen Män- Wer eine Beratung oder Thera- NEIN ner durch Sex- und Gewaltszenen pie aufsucht, verdient Respekt. Er mit Kindern erregt werden kön- ist bereit, seiner Sucht, der Gren- Wenn Sie mehrere Fragen mit JA beantworten können, nen. Andere Männer haben wo- zenlosigkeit und der Gefähr- sind Sie mit hoher Wahrscheinlichkeit gefährdet für Cyber- möglich in ihrer Vorgeschichte lichkeit des Konsums von Kin- sex-Sucht. Dagegen können Sie etwas tun. Ignorieren Sie schon Interesse an vorpubertären derpornografie klar ins Auge zu Ihr Problem nicht länger und holen Sie sich Hilfe. Ein guter oder pubertären Kindern gespürt. schauen. Um dem Sog von Sex- Therapeut kann Sie dazu anleiten, Ihr Verhalten wieder in Sie haben dieses bisher nur noch sucht und Kinderpornografie zu den Griff zu bekommen. Dadurch wird Ihr Leben erfüllter. nicht ausgelebt. Das Betrachten entkommen, braucht jemand die von Kinderpornos im Netz ist hier harte, selbstkritische Auseinan- ein Ersatz. dersetzung mit sich. In der The- Hier finden Sie eine Liste von Psychologinnen rapie müssen eigene Verhaltens- und Psychologen, die sich in der Beratung Oft verbindet sich Computersucht muster gegen die Sucht entwickelt von Cybersex-Süchtigen und Konsumenten mit Sexsucht. Im Sog der künstli- und eingeübt werden. Damit man chen Welt verlieren die Nutzer wieder ein Leben in Würde füh- von Kinderpornos auskennen: den Blick für die Realität. Ein Pro- ren kann. www.stopp-kinderpornografie.ch zess innerer Abstumpfung setzt (Webcode 2203d) ein, die Dranghaftigkeit gewinnt
10 Robert T.: «Ich dachte erst, das gibt wohl eine Busse.» Den 12.September 2002 wird Robert T.* nicht, dass jemand, der mir wichtig war, aus den Medien erfuhr, was pas- so schnell nicht vergessen. siert ist.» Auch seine Frau musste Ro- An diesem Tag fanden seine heimli- bert aufklären. Ebenso die Kinder. chen Ausflüge ins Internet ein Moralische Bedenken schlagartiges Ende. Dafür nahm ein verdrängt langer Leidensweg seinen Anfang. Regelmässig hat Robert im Internet nach besonderen Bildern gesucht. * Name der Redaktion bekannt «Ich interessierte mich für Gruseliges, für sexuelle Perversionen, Sex and Crime, auch Unfallbilder.» Dass es E s war sechs Uhr morgens, als es an der Tür klingelte. Die beiden Kin- sich dabei um echte Bilder handelte, war der eigentliche Kick. Irgendwann stiess Robert auch auf kinderporno- der schliefen noch. Robert und seine grafisches Material. «Kleine Kinder Frau waren schon auf. «Sie kamen zu interessierten mich nicht, aber sol- Nicht bloss anschauen – viert und in zivil, drei Männer, eine che, die erste Geschlechtsmerkmale sammeln Frau», erzählt der Vater. «Ich wusste zeigten. Natürlich waren viele unter anfangs gar nicht, was los war, bis sie 16, vielleicht auch erst 11.» Robert hat die Bilder nicht einfach nach meinem Computer fragten.» Aber moralische Bedenken hat Ro- angeschaut, er hat sie auf seinen Dann realisierte Robert, dass es um bert verdrängt. «Den Bildern sah Computer geladen – gesammelt. Da- die Bilder ging, die er vom Internet man an, dass sie von weit her kamen, durch erfüllte er den Tatbestand des heruntergeladen hatte. «Ich dachte und die Betroffenen haben nicht un- Besitzes von Kinderpornografie. «Ich erst, das gibt wohl eine Busse. Die glücklich ausgesehen.» Bei manchen dachte mir, dann hab ich sie, falls ich enorme Tragweite des Falles habe ich Sites wurde er zudem von den Her- sie wieder anschauen will. Wenn ich damals nicht erkannt.» stellern beruhigt. «Da hiess es, die ein besonders perverses Bild fand, Nach einer Hausdurchsuchung ha- Szenen seien gestellt oder es sei alles speicherte ich es, damit ich es bei an- ben die vier Polizisten den Compu- freiwillig passiert. Solche Entschul- derer Gelegenheit nicht wieder su- ter und Robert mitgenommen. Im digungen nimmt man gerne an, um chen musste. Ich habe die Bilder in Hauptquartier wurde er einvernom- moralische Bedenken auf die Seite zu einem Ordner gesammelt, natürlich men, dann durfte er wieder nach räumen. Irgendwie dachte ich auch, etwas versteckt. Der Computer stand Hause gehen. «Dort musste ich mich dass mit beginnender Geschlechts- ja sowieso in meinem eigenen Zim- erst einmal vom Schock erholen.» reife andere Regeln gelten. Heute mer, da ging sonst keiner ran.» Weil Noch am gleichen Tag hat Robert sehe ich das anders. Auch Jugendli- er sich für seine komische Vorliebe seine nächsten Bekannten und Ver- che können nicht abschätzen, welche schämte, hat er sie vor seinen engs- wandten informiert. «Die Zeitungen Folgen ihr Handeln für sie hat. Wir ten Freunden verheimlicht. Auch vor haben ja bereits über ähnliche Poli- Erwachsenen haben in jedem Fall die seiner Frau. Manche Bilder hat Ro- zeiaktionen geschrieben. Ich wollte Verantwortung.» bert auch bezahlt. Knapp 100 Dol-
11 RATGEBER Foto: Walter & Spehr, Basel Karl Weilbach, Psychotherapeut in Speicher AR, beantwortet häufige Fragen Lieber Herr Weilbach Ich bin Vater von zwei Kindern. Ich hatte bis jetzt stets verneint, dass Kinder mich sexuell anziehen. Dennoch komme ich nicht mehr vom Computer los, wenn ich auf einer Kinderpornoseite gelandet bin. Und ich habe mir schon eine Datei mit Bildern an- gelegt. Ich schäme mich dafür. Was soll ich tun? R. F. Lieber R. F. Es ist gut, dass Sie nachdenklich werden, Schuldge- fühle haben. Bei vielen ist es nämlich erst die offi- zielle Anzeige, die ihnen klar macht: So darf es nicht weitergehen! Sie müssen Selbstkontrolle erlernen, nicht nur kurzfristig . Sie muss auch funktionieren, wenn es Sie wieder juckt. Als Erstes könnten Sie den Computer an einen überwachten Ort stellen. Gehen Sie aber vor allem in eine Therapie. Es ist be- reits ein wesentlicher Schritt, dass Sie Scham und Schuld spüren und uns schreiben. Damit könnte Ihre Veränderung beginnen. Die «schlechten Ge- fühle» helfen Ihnen, dass Sie nicht immer weiter in den Sumpf geraten. Lieber Herr Weilbach Ich bin mir sicher, dass mein Freund Kinderpor- nos im Internet anschaut. Ich habe entsprechende Viele Konsumenten merken nicht, dass die Kinderpornografie einen langen Schatten auf ihr Leben wirft. Dateien auf seinem Computer gefunden. Wir ha- ben eigentlich ein schönes Sexualleben. Umso weni- ger kann ich das verstehen und es entsetzt mich. Ich lar hat er insgesamt im Netz ausge- Druck. Es fielen Anwalts- und Ge- habe Angst. A. L. geben. «Einen Moment lang habe ich richtskosten an. «Allein diese belie- mir überlegt, ob das wohl rechtens fen sich auf etwa 20 000 Franken.» Liebe A. L. ist. Aber dann dachte ich, wenn man Heute arbeitet Robert Teilzeit. Und Mit dem Herunterladen von Kinderpornos passiert da seine Adresse angeben muss, ist es noch immer geht er zur Therapie. «Es etwas Verbotenes hinter Ihrem Rücken. Sie werden bestimmt erlaubt.» ist für mich nach wie vor eine schwie- sich bewusst: Ihr Partner hat unbekannte Schatten- rige Lebenssituation.» Auch Roberts seiten. Stellen Sie ihn zur Rede, verlangen Sie von Die Folgen waren teuer Gemütszustand ist seit der Aktion la- ihm, er soll sofort aufhören. Es muss ihm klar wer- bil. «So langsam ad acta legen kann den, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis er in Nach der Polizeiaktion wurde Ro- ich die Sache erst, seit das Urteil ge- einer Polizeiaktion auffliegt. Möglicherweise kann berts Arbeitgeber informiert. Seinen sprochen ist.» Weil der Staatsanwalt es für ihn wie für Ihre Partnerschaft eine Entlas- Job war er los. «Wegen der Medien- in Revision ging, dauerte es fast drei tung sein, wenn er den schweren Weg der Selbst- berichte hatte ich auch Unannehm- Jahre, bis die Strafe klar war. Gefäng- anzeige geht. Psychologisch betrachtet sollten Sie lichkeiten mit den Berufsverbänden. nis bedingt mit zwei Jahren Bewäh- sich beide Hilfe holen. Nicht nur eine Beratung für Mein gesamtes Berufsnetz war weg.» rungsfrist. «Bis dahin hing alles in der Sie und ihn, sondern auch eine Paarberatung. Denn Robert fiel in Depressionen. «Ich Luft. Deshalb konnte ich nicht damit der Konsum von Kinderpornografie untergräbt das hatte Schuldgefühle gegenüber allen, abschliessen.» Vertrauen und die Selbstverständlichkeit in Ihrer die ich mit hineinzog, meine Fami- Sex- oder Gruselseiten hat Robert Partnerschaft. lie, Arbeitskollegen, dazu kamen der nicht mehr besucht, seit die Polizis- Gesichtsverlust und die Zukunfts- ten vor seiner Tür standen. «Das hat Unter www.stopp-kinderpornografie (Webcode ängste.» Robert setzte die Arbeitslo- mir sofort abgelöscht.» 2203d) finden Sie Angaben zu Beratungsangeboten sigkeit zu. Seine Frau musste mehr in Ihrer Region. arbeiten. Dazu kam der finanzielle
12 Heilung ist ein langsamer «Castagna» nennt sich die Opferberatungsstelle für sexuell ausgebeutete Kinder und Jugendliche in Zürich. Ein speziell geschultes Team berät Betroffene und hilft ihnen, neues Selbstver- trauen zu gewinnen. Regula Schwager, Psycho- login und Psychotherapeutin, erzählt über ihre Erfahrungen. V iele Kinder, die auf pornografischen Fotos abgebildet sind, stammen aus armen Ländern. Sie sind Strassenkin- der und werden zur Prostitution gezwungen. Kinderpor- nografisches Material entsteht weiter im Zusammenhang mit Sextourismus. Doch Kinderpornos werden auch in der Schweiz produziert. Opfer dieser illegalen Bilder sind oft Kinder aus dem nahen Umfeld des Täters: Es ist der Onkel, der Vater, ein guter Freund – in seltenen Fällen auch eine Frau. Sie missbrauchen das Vertrauen des Kin- des, um es sexuell auszubeuten. Frau Schwager, Sie beraten Kinder und Jugendliche, die sexuell ausgebeutet wurden. Wie sind diese Kinder, wenn sie zu Ihnen kommen? Die Kinder sind völlig verwirrt. Meistens ist der Täter ein nahe stehender Mensch. Das Kind liebt ihn und ist von ihm abhängig. Das löst beim Opfer grösste Ver- unsicherung aus. Warum hat er das getan? Wem kann ich jetzt noch vertrauen? Dazu kommt, dass es eine grosse Verantwortung gegenüber seiner Familie spürt. Es ahnt, was es auslöst, wenn es den Täter verrät. Weil es sich so passiv verhält, sich bei der Tat ja auch nicht genügend gewehrt hat, glaubt es sogar, es sei ja selber Welches zusätzliche Leid stellen Sie bei Opfern von Kin- schuld. Dieser Gefühlsmix überfordert das Kind. Es derpornografie fest? fühlt sich ausgeliefert, isoliert. Es schämt sich, darü- Bei Kinderpornografie erlebt das Opfer nicht nur einen ber zu reden. einschneidenden Übergriff. Es werden zusätzlich auch noch Bilder davon gemacht und verbreitet. Wenn Op- Und die langfristigen Folgen? fer älter werden, belastet sie die Tatsache schwer, dass Durch den Übergriff hat das Kind erfahren, dass es derart beschämende Bilder unauslöschbar vorhanden Menschen, die ihm nahe und lieb sind, nicht vertrauen sind. Immer begleitet sie das Gefühl, jemand könnte kann. Die Opfer solcher Übergriffe haben es deshalb die Fotos kennen – ein Schulkamerad, auch ein Frem- als Erwachsene manchmal schwer, sich auf eine echte der im Bus. Sie haben ihr ganzes Leben lang Angst vor Beziehung einzulassen. Auch ihre sexuelle Entwick- dem Auftauchen dieser Bilder, die sie in einer unwür- lung macht oft Umwege. Sie werden später beim Sex digen Situation zeigen. Sie fühlen sich auf die Rolle als jedes Mal an ihre schreckliche Erfahrung erinnert. Ein erniedrigtes Sexualobjekt festgelegt. So können sie mit wichtiges Therapieziel ist deshalb, dass Opfer lernen, der Vergangenheit nie abschliessen. Das erschwert den diese Rückblende zu überwinden und zwischen Ver- Prozess der Heilung erheblich. gangenheit und Gegenwart zu unterscheiden.
13 Prozess Sind die Opfer nicht mitschuldig, wenn es zu einer se- Foto: Royalty-Free/Corbis xuellen Handlung kommt? Man weiss ja heute: Kinder und vor allem Jugendliche können bewusst provozieren oder eine Situation ausreizen. Diese Frage ist verkehrt. Jugendliche können zwar erwachsen aussehen. Sie sind trotzdem noch nicht reif genug, um alle Folgen ihres Tuns abzuschätzen. Genau deswegen gibt es ja das Schutzalter. Natür- lich sind Kinder und Jugendliche an Sexualität in- teressiert. Sie testen gerne die Grenzen aus. Man- che lassen sich auch durch Versprechen verlocken, Eugène Durieu (1800-1874): Akt (Ausschnitt), um 1853, Salzpapierkopie etwa ein Geschenk. Doch bei uns gilt: Kinder haben alle Narrenfreiheit der Welt. Deshalb ist unser Ge- setz eindeutig: Verantwortlich ist immer der Täter. Das gefrässige Bild Er muss die Grenze setzen. Nur er! 1842 schrieb Edgar Allan Poe eine Erzählung mit dem Titel «Das ovale Por- trät». Er beschreibt darin eine junge Frau, fast noch ein Mädchen, die ei- Wie können betroffene Menschen überhaupt je wieder nen Maler liebt. Widerwillig fügt sie sich in das Verlangen des Malers, von gesund werden? ihr ein Porträt anfertigen zu wollen. Viele Wochen sitzt sie ihm stumm Heilung benötigt Zeit. Sie geschieht in verschiede- Modell, während er sich an seinem Werk berauscht. Er bemerkt nicht, wie nen Phasen. Das Erlebnis zu verarbeiten, ist ein Teil die Röte des Lebens aus ihren Wangen weicht, als er die rote Farbe auf die davon. Am wichtigsten ist es, dass ein betroffenes Leinwand bringt. Er sieht auch nicht, wie die Gesundheit des Mädchens Kind wieder Selbstvertrauen gewinnt. Betroffene täglich abnimmt. Als das Bild fertig ist und er erschreckt ausruft: «Das ist laufen ja nicht die ganze Zeit mit Trauermiene um- das Leben selbst!» – ist die junge Frau tot. Nicolaj van der Meulen her. Sie haben in sich viele positive Kraftquellen. Sie lachen, spielen, haben Freunde. Diese Stärken hebe ich in der Beratung hervor. Die grösste Hilfe ist es Poes Erzählung handelt davon, dass gative Begleiterscheinung. Durch die aber, wenn Familie, Freunde und andere Bezugs- Bilder keine unschuldigen Medien Bilder stirbt in den Kindern etwas ab. personen das Kind respektieren und ihm Mut ma- sind. Sie besitzen die Macht der Ver- Was in Poes Erzählung mit dem Tod chen, es selber zu sein. führung und der Täuschung. Vom endet, steht bei der Pornografie an Bilderverbot der Bibel, «Du sollst Kindern erst am Anfang. Sie schafft dir keine Götterbilder machen», bis verzerrende Bilder des eigenen Le- zum Sturz der Statuen Saddam Hus- bens, welche immer wieder ange- seins erzählt unser Leben von der schaut werden. Die blosse Existenz Kontrolle jener Bilder die uns ver- der Bilder erzwingt die fortwährende führen. Und je lebendiger sie sind, Erinnerung. Digitalisierung und In- desto machtvoller drängen sie sich in ternet haben die Bilder zu unzerstör- Castagna unser Leben. Computerspiele, Filme, Pornogra- baren und weltumspannenden Fak- ten gemacht. Sie besitzen eine un- ist eine Beratungs- und Informationsstelle für fie: Die Macht der Bilder hängt mit auslöschliche Existenz, die mit jedem sexuell ausgebeutete Kinder, weibliche dem Leben zusammen, das in ih- Anschauen bestätigt wird. Jugendliche und in der Kindheit sexuell aus- nen steckt. Über Passbilder, Fotogra- Die Beurteilung von Pornogra- gebeutete Frauen. Sie ist als offizielle Opferhilfe- fien, über religiöse Symbole und La- fie an Kindern verlangt nicht nur stelle des Kantons Zürich anerkannt. bels fühlen wir uns zugehörig zu ei- eine juristische und psychoanalyti- Telefonische Beratung: 044 360 90 40 ner Familie, zu unserem Land, unse- sche Kompetenz, sondern auch eine www.castagna-zh.ch. rer Religion und zu uns selbst. Bilder Kompetenz im Umgang mit Bildern. erzeugen Identitäten, aber sie kön- Die Aufklärung ihrer Wirkungs- Informationen zu weiteren Beratungs- nen sie auch zerstören. Wer Bilder macht bedeutet, die verschwomme- stellen in allen Kantonen finden Sie produziert, besitzt eine ebenso hohe nen Grenzen zwischen Pornografie unter Verantwortung wie die, die sie an- an Kindern, Pornografie, Werbung www.stopp-kinderpornografie.ch schauen oder kontrollieren. und Kunst kritisch zu beleuchten. (webcode 2204d) Im gewaltsamen Missbrauch an Kin- (Nicolaj van der Meulen ist Kunsthistoriker dern ist das Bild nicht nur eine ne- und unterrichtet an der Universität Basel)
14 Mit dem Cybercop auf Patrouille Arnold Poot hat einen aussergewöhn- lichen Beruf. Als Cybercop ist er spezialisiert auf die Ermittlung von Sexualdelikten im Internet. Von seinem Computer bei der Waadt- länder Sicherheitspolizei aus geht er regelmässig im Internet auf Patrouille. Ein Einblick in die polizei- lichen Fahndungsmethoden. S « eek hardcore preteen movies!» Mit wenigen Mausklicks loggt sich Inspektor Arnold Poot in einen Chat- room für Pädophile ein. Für den er- Arnold Poot, Cybercop im Kanton Waadt, geht täglich im Internet auf Patrouille. fahrenen Cybercop ist es ein Leich- tes, sich in die Diskussion einzu- lem diese Verbrecher im Visier. Mit dies nicht tun. Doch wir haben an- schleichen und weitere Details über viel Geduld identifiziert die Polizei dere Methoden ...» Dazu verrät Ar- das angebotene Material zu erfah- die Opfer und kann auf diese Weise nold Poot nur ein kleines Detail, der ren. Auf seinem Bildschirm erscheint dann den Täter ausfindig machen. Rest ist Berufsgeheimnis: «Wir chat- eine lange Liste von Bild- und Video- ten manchmal unter der Identität ei- titeln. Damit er ihm Zugriff auf das Polizei und Täter verwenden nes Kindes oder mit dem Namen ei- Material gibt, erwartet der andere die gleichen Mittel ner festgenommenen Person, die uns Surfer die Zusendung von ähnlichen dazu die Einwilligung gegeben hat.» Bildern. Der Internetpolizist ermit- Das Surfen im Internet ist nicht ohne Spezifische Software ergänzt die ak- telt die IP-Adresse des Surfers – sie Risiko. Jeder Mausklick hinterlässt tive Ermittlung. Dank ihr kann die weist in die USA. Er gibt den Fall an eine Spur, die die Polizei leicht ver- Polizei die Verbindungen zwischen Interpol weiter. folgen kann. In der Schweiz ist der verschiedenen pädokriminellen Rin- Provider ausserdem gesetzlich dazu gen aufdecken. Oder sie kann Verän- Bei drei Vierteln der pädokriminellen verpflichtet, mit den Ermittlungsbe- derungen auf Websites und in Chats Aktivitäten im Internet geht es um hörden zusammenzuarbeiten. «Ab- aufzeichnen und verschwundene Da- das Tauschen von Dateien. «Doch gesehen davon», fügt der Cybercop ten wieder sichtbar machen. ein Pädophiler kann den Computer an, «arbeiten wir mit den gleichen auch als Werkzeug benützen, um se- Techniken und Programmen wie die Effiziente Zusammenarbeit xuelle Kontakte mit Minderjährigen Pädokriminellen. Wir schleichen uns zu knüpfen. Entweder direkt oder in virtuelle Gesprächsforen und Chat- Wenn die Polizei auf einen komple- über Webcam», sagt der Inspek- rooms ein und passen unsere Spra- xen Fall stösst, greift sie auf IT-Spezi- tor. «In 25 % der Fälle stammen die che so an, dass wir unauffällig mit- alisten wie die der ETH Lausanne zu- ausgebeuteten Kinder aus dem na- machen können. Zugangsbedingung rück. Diese helfen ihr dabei, die be- hen Umfeld des Täters.» Die kanto- ist meist, kinderpornografisches Ma- schlagnahmten Datenträger zu ana- nalen Polizeibehörden haben vor al- terial zu schicken. Die Polizei darf lysieren. Manchmal melden sich
15 Wir werden immer Anlaufstelle besser und schneller! Roberta Vanina, stellvertretende Leiterin Polizei Kommissariat Pädophilie, Menschen- handel, Menschenschmuggel, über die Fahndungserfolge der Polizei Die Fahndungserfolge im Bereich Kinderpor- nografie haben viele verunsichert. Die Kantons- Gegen Kinderpornografie im Internet che Aktionen bringen uns wertvolle polizei ist darum eine wichtige Anlaufstelle. muss die Polizei grenzüberschreitend Erfahrungen. Wir werden immer bes- Diese lokalen Spezialisten können direkt helfen vorgehen. Unser Kommissariat un- ser und schneller. Neuerdings ver- oder die Menschen an die richtige Stelle terstützt und koordiniert diese Akti- zeichnet die Polizei auch Erfolge bei weiterleiten. Fotos: Myriam Ramel, Lausanne vitäten. In einem Fall konnten 17 Tä- der Überwachung von Tauschbörsen, ter aus drei Kantonen überführt wer- sogenannten Peer-to-Peer-Netzen. den. Sie hatten in Chatrooms nach Gerade Jugendliche nutzen solche minderjährigen Knaben gesucht. Zu zum Bezug von Musikdateien – und Wie kann ich überwachen, mit wem meine Kinder den bekanntesten internationalen stossen dann auf die dort ebenfalls chatten? Wem kann ich mich anvertrauen, wenn Fällen gehören die Aktionen Gene- angebotenen Kinderpornofiles. mein Partner Kinderpornos konsumiert? Was, wenn sis und Falcon. Beide kamen durch ich selber solche Links finde? Mit solchen Fragen Interessiert Sie die Arbeit der Polizei? Hinweise aus den USA zustande und Informieren Sie sich unter werden Polizisten auf dem Posten oder in den Spe- richteten sich gegen kommerzielle www.stopp-kinderpornografie.ch zialabteilungen der Polizei konfrontiert. «Seit Ge- Internetseiten und ihre Nutzer. Sol- (Webcode 2205d) nesis und Falcon haben die Anfragen stark zuge- nommen», bestätigt der Berner Kripochef Peter Baumgartner. auch Hacker beim Cybercop, die im der Richter später ein Urteil. «Oft be- Internet Jagd auf Pädophile machen: denken die Täter nicht, welche Aus- ANONYME KONTAKTSTELLEN «Ich nehme zwar die Hinweise auf. wirkungen ihr Tun auf ihre Familie Häufig können die Sicherheitsberater der Polizei Es ist jedoch Sache der Polizei, sich und den Beruf haben kann.» weiterhelfen. Manche Polizeikorps betreiben Kon- in die kinderpornografischen Netze Arnold Poot glaubt, dass schon ein taktstellen, wo man sich anonym melden kann. einschleusen!» Die polizeiliche Zu- kleiner Eingriff eine vorbeugende Zum Beispiel in Zürich bei der Abteilung «Sexualde- sammenarbeit zwischen den Kanto- Wirkung hat. Viele Pädokriminelle likte Kinderschutz» oder in Baselland bei der «Mel- nen funktioniert gut. Für die Koordi- meinen, nur ein Bild anzuschauen, destelle Kinderpornografie». In den ersten zwei nation der internationalen Polizeiak- sei nicht schlimm. «Wir machen ih- Jahren sind bei der Baselbieter Stelle knapp 400 tionen ist das Bundesamt für Polizei nen klar, dass sie bereits eine Grenze Meldungen eingegangen. «In fünf Fällen wurde (fedpol) zuständig. Die europaweite überschritten haben und sich auf ei- uns sogar ein Verdächtiger gemeldet», erklärt Mar- Zusammenarbeit ist sehr erfolg- nem gefährlichen Weg befinden», tin Graf von der Kriminalanalyse. reich. Aber international sind die Er- betont Arnold Poot. «Übrigens sind gebnisse manchmal noch zu dürftig. uns viele für unsere Intervention «Das Internet kennt keine Grenzen. dankbar. Einige bitten uns, ihnen ei- PRÄVENTION AN DER BASIS Das wünsche ich mir für die Arbeit nen Therapeuten zu empfehlen. Man Die meisten Anrufer melden Adressen von Pornosi- der Polizei in diesem Bereich auch», kann niemandem verbieten, dass er tes. Diese werden an die Schweizerische Koordina- meint Arnold Poot dazu. Kinder liebt. Aber dass er zum Ver- tionsstelle zur Bekämpfung der Internetkriminali- brecher wird, das schon!» tät (KOBIK) weitergeleitet. Viele Anrufer wünschen eine Beratung. Graf: «Manch einer, der auf solchen Wenn die Falle zuschlägt Sites gelandet ist, hat nach dem Gespräch mit uns Morgen beginnt der Arbeitstag von gleich wieder davon abgelassen.» Cybercop Arnold Poot um 6 Uhr, und zwar am Wohnort eines Ver- dächtigen. Er hat genügend Beweise gesammelt, um eine kriminalpoli- zeiliche Ermittlung zu starten. Das Eine Liste der Anlaufstellen aller ist etwa einmal pro Woche der Fall. Kantonspolizeien finden Sie unter Er wird eine Hausdurchsuchung ma- www.stopp-kinderpornografie.ch chen, alle digitalen Datenträger be- (Webcode 2206d) schlagnahmen und dann den Ver- dächtigen auf der Polizeiwache ver- nehmen. Auf Grund des analysierten Materials und des Polizeiberichts fällt
Ein Ratgeber der Polizei Stopp Kinderpornografie im Internet Eine Kampagne der Schweizerischen Kriminalprävention im Auftrag der Konferenz der Kantonalen Polizei- und Justizdirektoren. www.skppsc.ch Wo erhalten Sie Hilfe? Hilfe für stark Porno- und Internet- nimmt, soll sich ebenfalls mit der Polizei in Verbin- süchtige dung setzen. Auch für Straftaten im Zusammenhang mit Kinderpornografie ist die Polizei zuständig. Personen, die in sich eine starke Neigung zu Por- nografie im Grenzbereich der Legalität verspüren, benötigen eine spezielle Beratung und Therapie. Bei Kriminalität im Internet – wenden Wenn Sie aber bereits Umgang mit Kinderporno- Sie sich direkt an www.kobik.ch grafie haben, übertreten Sie das Gesetz: Höchste Die nationale Koordinationsstelle zur Bekämp- Zeit, aufzuhören und sich helfen zu lassen! Die un- fung der Internet-Kriminalität (KOBIK) ist die zen- ten genannte Webadresse liefert Ihnen nähere In- trale Anlaufstelle für Personen, die verdächtige In- formationen. ternet-Inhalte melden möchten. Dies gilt auch für Verdacht auf Kinderpornografie sowie andere vom Hilfe für Opfer sexueller Belästigung, Gesetz verbotene Handlungen im Internet. Eine für Eltern und Erziehungsberechtigte anonyme Meldung ist möglich. sowie für Jugendliche In jedem Kanton sowie in grösseren Städten gibt Weitere Informationen über Hilfe finden es Beratungsstellen, die auf Fragen im Bereich Ju- Sie auf www.stopp-kinderpornografie.ch gendschutz spezialisiert sind. Diese helfen z.B. bei (Webcode 2207d) Erziehungsfragen, bei Problemen mit Kindern und Jugendlichen. Auch für Opfer von sexueller Beläs- tigung oder eines Übergriffs bieten verschiedene Stellen Beratung und Begleitung an; speziell zu er- wähnen sind hier Frauenberatungs- und Opferhil- festellen. Bei Verdacht auf eine Straftat – die Polizei rufen Menschen, die sich von einer Straftat betroffen oder bedroht fühlen, können sich jederzeit an die Poli- zei wenden. Wer etwas Verdächtiges in Bezug auf Sexualdelikte gegen Kinder und Jugendliche wahr-
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