Wie wär's mit Agro tourismus? - Diversifizierung - Agriexpert
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Landleben Diversifizierung Wie wär’s mit Agro tourismus? Hauptanreiz für Familien mit Kindern: Hoftieren auf Du und Du begegnen. Bild: zvg 100 UFA-REVUE 4|2020
Landleben Es gibt landwirtschaftliche Betriebe, die bis zu 30 Prozent ihres Einkommens mit Beherbergungen und Events generieren. Familien mit einem gefälligen Hof an idyllischer Lage überlegen sich da: Wäre das ein Betriebszweig für uns? I deal wäre, wenn die Begründung heits-Gastronomie – bis zu Festanläs- für den Einstieg in den Agrotouris- sen wie beispielsweise Hochzeiten mus lautete: «Wir sind gerne Gast- auf dem Bauernhof. Da gibt es auch Karl geber» und nicht «wir könnten den Wellness-Angebote mit Radtouren Horat Zustupf gebrauchen». Denn die künf- oder Heubädern; auch Rösslifahrten tige Gästeschar kann höchst unter- und begleitetes Trekking mit Pferden schiedlich sein: Da sind diejenigen, werden dem Agrotourismus zuge- welche die absolute Ruhe in der Na- rechnet. tur suchen. Oder Familien, die den Tieren nah sein wollen. Aber auch Gesetzliche Hürden Touristen aus aller Welt, die urtümli- Die Crux ist aber: In der Schweiz che «Swissness» erleben möchten. muss ein Nebenbetrieb erst als ge- Viele Landwirtschaftsbetriebe bieten werbliche Tätigkeit bewilligt und re- genau das, was diese Leute suchen. gistriert werden (selbständige Tätig- Aber es braucht seitens der Bauern- keit bei AHV, gastgewerbliche familie Freude am Umgang mit Gäs- Bewilligung). Die Hürden sind von ten: Gefragt sind Freundlichkeit, Kanton zu Kanton unterschiedlich Herzlichkeit, Natürlichkeit und Au- hoch. Auf jeden Fall braucht es für thentizität. die Beherbergung von Gästen in Seit unter www.myfarm.ch die er- landwirtschaftlichen Gebäuden eine neuerte Website von Agrotourismus von der Gemeinde und / oder dem Schweiz online ist, ist der Zugang zu Kanton ausgestellte Baubewilligung den agrartouristischen Angeboten und eine Brandschutzbewilligung. nun vereinfacht und können via on- Raumplanungsrechtlich gesehen ist line erkundet werden. Die Website Agrotourismus ein «nichtlandwirt- erleichtert auch die direkte Reserva- schaftlicher Nebenbetrieb mit sachli- tionen der Ferien-Suchenden auf den chem Bezug». Solche Nebenbetriebe anbietenden Höfen. gelten im Landwirtschaftsgebiet nicht als zonenkonform, sondern be- Viele Formen des Agrotourismus dingen eine Ausnahmebewilligung. Grundsätzlich umfasst Agrotourismus Voraussetzung ist, dass ein landwirt- ein weites Feld. Das beginnt beim schaftliches Gewerbe gemäss BGBB Bure-Zvieri oder -Brunch, geht über steht (kantonale Senkungen der Ge- Besenwirtschaften – also Gelegen- werbegrenze sowie SAK-Zuschläge Der Agrotourismus in der Schweiz in Zahlen «Der Agrotourismus ist nicht erst seit den Hoftieren oder auch die Möglichkeit, In der Schweiz betreiben rund 2000 dem Greta-Effekt im Trend», sagt Andre- sich landwirtschaftlich zu betätigen. Landwirte Ferien auf dem Bauernhof. as Allenspach, der Direktor der Marke- 2019 konnten 171 000 Logiernächte auf Die Dienstleistungen von Agrotourismus tingorganisation Agrotourismus Schweiz. Bauernhöfen gezählt werden. Der Umsatz Schweiz werden von 230 Anbietern ge- «Es sind vor allem Schweizer (62 %) und im Übernachtungsbereich betrug rund 5 nutzt, welche einen Mitgliederbeitrag Deutsche (26 %), welche Urlaub auf dem Millionen Franken.» Dank der Homepage von 400 Franken leisten. Bauernhof verbringen. Sie schätzen die www.myfarm.ch mit über 290 000 Besu- Ruhe, intakte Natur, soziale Kontakte zu chern und einfachen Buchungsplattformen Interessenten dafür melden sich bei den Landwirten, die einheimische Kost www.e-domizil.ch und www.gruppenhaus.ch Agrotourismus Schweiz, und natürliche Gastfreundschaft. Weitere können sämtliche Unterkunftsformen elek- Brunnmattstr. 21, 3007 Bern, Motivationen sind der direkte Bezug zu tronisch gebucht werden. Telefon 031 359 50 30, info@myfarm.ch. UFA-REVUE 4|2020 101
Landleben gegenüber Direktzahlungs-SAK sind zu beachten). Grundstücke ausser- halb der Bauzone unterstehen ab ei- ner Grösse von 25 Aren (2500 m 2) automatisch den Bestimmungen des Bundesgesetzes über das bäuerliche Bodenrecht BGBB. Der nichtlandwirtschaftliche Neben- betrieb muss nun innerhalb des Ho- fareals liegen – und die landwirt- schaftliche Tätigkeit muss weiterhin im Vordergrund bleiben. Es muss ge- «Swissness» pur kommt immer gut an. Bild: myfarm.ch währleistet sein, dass das Betriebs- leiterehepaar mehr als die Hälfte der anfallenden Arbeiten des Agrotouris- Jahre gekommene Matratzen oder riexpert des Bauernverbandes sieht musangebots selbst leistet. Auch Decken. Es muss aber nicht alles top- durchaus Chancen. «Freude an Kon- muss die verantwortliche Person eine modern sein. takt mit Gästen ist eine Vorausset- Ausbildung nachweisen, wie in ver- zung, ansprechende Lage des Be- gleichbaren Gewerbebetrieben in der Gastfreundschaft ist wichtig triebs, Komfort, unter Umständen Bauzone (Wirteprüfung, insbesonde- «Die Gäste kommen wieder, wenn das etwas «Spezielle», das die Aben- re bei Spirituosenausschank). die Atmosphäre stimmte, selbst teuerlust der Gäste anspricht, könnte wenn die Ausstattung schon älter Anklang finden – zum Beispiel mit Welche Infrastruktur ist nötig? ist», ergab eine Umfrage der Hoch- verschiebbaren Baustellenwagen, Für die Umsetzung des Angebotes schule Luzern bei Feriengästen auf Tipi, Jurte und so weiter», sagte er. können bestehende, nicht mehr dem Bauernhof. Sie zeigt auf: Bei Was ist realisierbar? Wieviel kann landwirtschaftlich benötigte Gebäu- rund der Hälfte der Gäste in der Zen- verdient werden und mit welcher Re- deflächen entsprechend ausgebaut tralschweiz ist Gastfreundschaft der gelmässigkeit? Diese Fragen zur oder sogar neu erstellt werden. Die wichtigste Faktor. Positiv bewertet Wirtschaftlichkeit lassen sich am ein- anzubauende Fläche dafür ist aber wird ein sorgsamer Umgang mit Na- fachsten mit Hilfe eines externen Be- auf 100 m 2 beschränkt. Nebst den tur und Tieren auf dem besuchten raters klären. Betten oder dem «Schlafen im Stroh» Hof. Kontakt zu Tieren ist vor allem muss eine Infrastruktur mit Toiletten, für Kinder ein Grund für Bauernhof- Prüfung der Möglichkeiten Nasszellen und Verpflegungsräumen ferien. Das Kompetenzzentrum Agriexpert angeboten werden. Auch nach der Auch mit einem Frühstück mit hofei- in Brugg kann zu Agrotourismusfra- gegenwärtig im Parlament in Bern genen, selbstgemachten oder regio- gen betriebswirtschaftlich beraten, anstehenden Revision des Raumpla- nalen Spezialitäten kann gepunktet bei der Ausarbeitung eines Baugesu- nungsgesetzes (RPG) dürfte kaum werden, Übernachtungen in einem ches unterstützen und auch für die eine Bewilligung für mehr Fläche zu Zimmer mit ansprechendem Interi- Buchhaltung Tipps geben. Denn es erwarten sein. Aspekte der Lebens- eur – in einem bequemen Bett – wer- ist sinnvoll, im Vorfeld alle Punkte mittel- und Hygieneverordnung sind den gelobt. Hoch im Kurs ist bei Fa- realistisch abzuschätzen, die Investi- ebenso zu berücksichtigen. Im Ver- milien ein Spielplatz, manche tionen zu kalkulieren, eine Abschrei- pflegungsraum ist höchstens eine erwarten einen Hofladen. Geschätzt bungsdauer im Auge zu behalten und Teeküche erlaubt – den Einbau einer werden offene Gespräche mit den den geschätzten Arbeitsaufwand zu vollständigen Küche erlaubt der Ge- Gastgebern – oder wenn der Gast ermitteln. Auch Versicherungsfragen setzgeber nicht. Es soll nicht unter auch mal am Küchentisch der Familie dürfen nicht ausser Acht gelassen dem Deckmantel von Agrotourismus sitzen oder sogar auf dem Betrieb werden. All diese Abklärungen erge- eine zusätzliche Wohnung zur Dau- mithelfen darf. Die Gastfreundschaft ben dann quasi einen «Business- ervermietung an Dritte entstehen. kann Infrastrukturprobleme kompen- plan», wie er auch Voraussetzung für Auch wenn die Gebäudestruktur sieren. Man muss sich aber bewusst das Baugesuch und einen allfälligen nicht neu gebaut wird, sondern be- sein, dass die Gäste von heute auch Investitionskredit ist. stehende Räumlichkeiten dem neuen hohe Ansprüche haben. Kostenloses Wie hoch das gewünschte Einkom- Zweck zugeführt werden: Auf dem Internet zum Beispiel würden die men aus dem zweiten Standbein Ag- Bauernhof erwartet der Gast Wohn- meisten der befragten Gäste erwarten. rotourismus sein soll, ist eben sehr lichkeit und Qualität. Schmuddelige individuell. Die einen sind mit 20 Autor Duschen oder Zimmer, die mit arg Lohnt sich der Aufwand? Franken Stundenlohn zufrieden, für Karl Horat, freier ramponierten Möbeln ausgerüstet Hansueli Schaub, der Fachverant- andere müsste es mindestens das Agrarjournalist sind, gehen ebenso wenig wie in die wortliche für Raumplanung bei Ag- Doppelte sein. n 102 UFA-REVUE 4|2020
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