Winterschnitt mit Jeremia & Baruch (Teil 1 von 2) - Ref. Kirche Ittigen

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Winterschnitt mit Jeremia & Baruch (Teil 1 von 2)
                                              27.12.2020, Ittigen

                                                                                Johannes 15,1-8
              »Ich bin der wahre Weinstock, und mein Vater ist der Weinbauer. 2Jede
       Rebe an mir, die nicht Frucht trägt, schneidet er ab; eine Rebe aber, die Frucht
       trägt, schneidet er zurück; so reinigt er sie, damit sie noch mehr Frucht
       hervorbringt. 3Ihr seid schon rein; ihr seid es aufgrund des Wortes, das ich euch
       verkündet habe.
       4Bleibt in mir, und ich werde in euch bleiben. Eine Rebe kann nicht aus sich

       selbst heraus Frucht hervorbringen; sie muss am Weinstock bleiben. Genauso
       wenig könnt ihr Frucht hervorbringen, wenn ihr nicht in mir bleibt. 5Ich bin der
       Weinstock, und ihr seid die Reben. Wenn jemand in mir bleibt und ich in ihm
       bleibe, trägt er reiche Frucht; ohne mich könnt ihr nichts tun.
       6Wenn jemand nicht in mir bleibt, geht es ihm wie der ´unfruchtbaren` Rebe: Er

       wird weggeworfen und verdorrt. Die verdorrten Reben werden
       zusammengelesen und ins Feuer geworfen, wo sie verbrennen. 7Wenn ihr in mir
       bleibt und meine Worte in euch bleiben, könnt ihr bitten, um was ihr wollt: Eure
       Bitte wird erfüllt werden. 8Dadurch, dass ihr reiche Frucht tragt und euch als
       meine Jünger erweist, wird die Herrlichkeit meines Vaters offenbart.«
        bringen.1

                                                                                Jeremia 1,10
             Sieh, am heutigen Tag setze ich dich über die Nationen und über die
       Königreiche, um auszureissen und niederzureissen, um zu zerstören und zu vernichten,
       um zu bauen und zu pflanzen.2

Liebe Gemeinde,
Liebe Schwestern und Brüder,

       Was meinen Sie, welche Aktivität beschäftigt einen Gärtner am häufigsten? Egal ob
Hobbygärtnerin, oder Berufsgärtner, was ist die eine Aufgabe, der man den grössten Teil
seiner Zeit und seiner Kraft widmet? — Es ist das Entfernen von Pflanzen. Der Anbau und die
Anpflanzung geht schnell und ist zeitlich begrenzt. Das Wachstum geht sowieso ohne uns.
Giessen müssen wir zwar regelmässig, aber das Entfernen von Pflanzen hat kein Ende.
Je nachdem, welche Art von Garten wir kultivieren, müssen wir die Beete für die Saat und
die Setzlinge vorbereiten, und dazu gehört, dass wir sie von anderen Pflanzen befreien.
Nach dem Anpflanzen kommen wir regelmässig zum Beet zurück, um zu jäten und hacken.

1 Neue Genfer Übersetzung: Neue Testament Psalmen und Sprüche (NGÜ) (2016, 2. Auflage. Genfer
Bibelgesellschaft, Romanel-sur-Lausanne)
2
  Zürcher Bibel (ZB), (2009, 3. Auflage. Verlag der Zürcher Bibel beim Theologischen Verlag Zürich, Zürich)
                                                          1
Alle Gärtner wissen, dass das Unkraut in der Regel viel wachstumsfreudiger ist als viele
unserer Kulturpflanzen.
Natürlich müssen wir nicht alles im Garten jährlich neu anpflanzen. Aber auch die Rosen, der
Lavendel und viele andere Zierpflanzen müssen im Frühling zurückgeschnitten werden. Es
mag zwar widersprüchlich tönen, aber sie wachsen besser, wenn wir sie nicht unkontrolliert
wachsen lassen. Dann mähen wir den Rasen, jäten und ziehen einen Teil der Rüebli und
Kohlraben aus – das, obwohl wir selber sie angepflanzt haben! Wir schneiden die Hecke im
Mai, Juni bis September brechen wir Tomatentriebe, die in den Blattachseln wachsen, im
Wochenrhythmus heraus und wir mähen den Rasen, jäten und entfernen die verblühten
Blumen, damit unsere Pflanzen frische Blüten bringen. Im Herbst lesen wir Laub und Fallobst
auf, ab und zu mähen wir den Rasen und jäten ein wenig.
Jetzt, also um die Jahreswende, ist die Zeit des Winterschnittes. Jetzt sind die Bäume und die
Sträucher dran und die Hecke, schon wieder. Es ist noch nicht zwei Wochen her, dass der
Winterschnitt bei uns, im Pfarrhausgarten in Worblaufen gemacht wurde. Der Chef der
Gärtnerei, die mit dem Schnitt beauftragt wurde, hat mir gesagt, dass allein aus unserem
Garten mehr als eine Tonne Astmaterial entfernt wurde.
       Jetzt ist die Zeit des Winterschnittes. Im Pfarrhausgarten ist er zwar abgeschlossen, die
Gärtner haben ganze Arbeit geleistet, aber wir sind noch dran. Ich, Sie und unsere
Kirchgemeinde brauchen den Winterschnitt. Wenn wir im bevorstehenden Jahr, im neuen
Frühling ein starkes und gesundes Wachstum und Früchte wollen, müssen, aber vor allem
dürfen wir von Altlast befreit werden. Die verblühten Blumen, das verdorrte Laub, die
fehlgewachsenen Triebe und die fruchtlosen Äste, das ganze Unkraut – all das muss weg.

                                                                                Gott sucht Früchte
       Ich habe tatsächlich den Eindruck, dass zu gärtnern vor allem Pflanzen oder
Pflanzenteile zu entfernen bedeutet. Daher halte ich auch den Prophet Jeremia für einen
Gärtner. Er ist zwar berufen auch ein wenig zu bauen und pflanzen, vor allem soll er aber
ausreissen, niederreissen, zerstören und vernichten – einige Bibelübersetzungen benutzen in
dieser Liste das Wort 'entwurzeln'3. Das Volk Israel wird hier als ein verwilderter Garten, voll
mit Unkraut und ohne geniessbare Früchte vorgestellt.
Gott beklagte sich über Israel durch den Propheten Jesaja folgendermassen: "Mein Freund
hatte einen Weinberg, an steiler Höhe, überaus fruchtbar. Und er grub ihn um und befreite
ihn von Steinen, und er bepflanzte ihn mit edlen Reben, und in seiner Mitte baute er einen
Turm, und auch eine Kelter schlug er darin aus. Und so hoffte er, dass er Trauben trage,
doch er brachte stinkende Fäulnis hervor."4
Der himmlische Vater und mein irdischer Vater haben einiges gemeinsam gehabt, wie zum
Beispiel die Vorliebe für Nutzpflanzen. Ein immer wiederkehrender Streitpunkt zwischen
meinen Eltern war der Garten. Mein Vater war ein genialer Gärtner, aber er wusste
Zierpflanzen überhaupt nicht zu schätzen. Dementsprechend hatten wir einen grossen
Mustergarten für Gemüse und Früchte und zwei winzigen Blumenbeete beim Hauseingang,
die meine Mutter pflegte – so gut oder schlecht, wie ihre Gesundheit es erlaubte. Nur einmal

3   Siehe Hoffnung für Alle, Neues Leben.
4   Jes 5,1-2 (ZB)
                                                2
hat sie meinen Vater gedrängt, in den Blumenbeeten zu hacken: er ist auf Nummer sicher
gegangen und hat bis auf die Rosen alles entfernt.
Zahlreiche Bibelstellen bekräftigen, dass Gott vor allem Frucht sucht, wenn er auf unser
Leben blickt. "Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt: Ich habe euch
dazu bestimmt, zu gehen und Frucht zu tragen – Frucht, die Bestand hat." – sagt Jesus
Christus seinen Nachfolgern und Nachfolgerinnen5. Die Heilige Schrift spricht konkret und
klar darüber, was diese Frucht ist:
    • Kolosser 1,10 und Titus 3,14 beschreiben die von Gott gesuchte Frucht so: "Gutes zu
       tun und dort zu helfen, wo Hilfe nötig ist."6
    • Laut dem Hebräerbrief (13,5) sind Gotteslob und Glaubensbekenntnis die Frucht der
       Lippen.
    • Und es gibt eine Frucht, lesen wir im Galaterbrief, die der Geist Gottes in uns
       hervorbringt. Sie "besteht in Liebe, Freude, Frieden, Geduld, Freundlichkeit, Güte,
       Treue, Rücksichtnahme und Selbstbeherrschung."7
Jetzt, um die Jahreswende ist die Zeit des Winterschnittes. Jetzt ist die Frage
allesentscheidend: trägt unser Leben Frucht? Das Wort von Jesus darüber, was für einen
Unterschied die Antwort macht, haben wir schon gehört: "Ich bin der wahre Weinstock, und
mein Vater ist der Weinbauer. Jede Rebe an mir, die nicht Frucht trägt, schneidet er ab;
eine Rebe aber, die Frucht trägt, schneidet er zurück; so reinigt er sie, damit sie noch mehr
Frucht hervorbringt."8
Der Winterschnitt betrifft jeden Ast. Früher oder später werden wir alle geschnitten:
entweder ganz abgeschnitten oder gereinigt und zurückgeschnitten. Unser Herr sucht
nämlich Frucht, für Zierchristen und Zierchristinnen hat er nichts übrig. Dort, wo er Frucht
findet, will er mehr Frucht sehen.
       Das ist zentral für den Winterschnitt. Er hat viel mehr mit Hoffnung als mit Gottes Rache
zu tun. Der Winterschnitt blickt nach vorne, auf das Wachstum, das der Frühling bringt. Der
Winterschnitt blickt nach vorne, auf die Frucht, die der Sommer bringt. Nur so kann man
einen Obstbaum oder die Reben korrekt schneiden, dass man schon im Dezember die
Früchte sieht, die der Baum erst später hervorbringen wird. Daher lautet die erste Frage: ist
der Ast und der ganze Baum überhaupt fruchtbar? Sind unser Glauben und unser ganzes
Leben fruchtbar?

                                                        Gott will das ernten, was er gepflanzt hat
       Das ist nicht die einzige Frage, mit der wir uns heute auseinandersetzen müssen. Die
zweite und weiterführende Frage ist: Was sind es für Früchte, die unser Leben hervorbringt?
Im Fall des alten Israels war das Problem eigentlich nicht, dass das Volk Gottes keine Frucht
gebracht hat, die prophetische Kritik betont eher, dass die Früchte des Volkes nicht das
waren, was Gott erhoffte. Wie Jesaja in der schon zitierten Stelle sagt, Gott hoffte, dass der
Weinberg Trauben trage, doch er brachte "stinkende Fäulnis hervor."9 Was das bedeutet,
verrät der Prophet einige Versen später: "Der Weinberg des HERRN der Heerscharen ist das

5 Joh 15,16 (NGÜ)
6 Tit 3,14 (NGÜ)
7 Gal 5,22-23 (NGÜ)
8 Joh 15,1-2 (NGÜ)
9 Jes 5,1-2 (ZB)

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Haus Israel, und die Männer aus Juda sind, was er aus Leidenschaft gepflanzt hat. Und er
hoffte auf Rechtsspruch, doch seht: Rechtsbruch! Und auf Gerechtigkeit, doch seht:
Schlechtigkeit!"10 Gott liess auch Jeremia zu Israel reden und sagen: "Ich aber hatte dich als
edle Rebe gepflanzt, als ganz und gar ehrliches Gewächs, und wie hast du dich mir
verändert zum abartigen Weinstock - fremd!"11
Abartig und fremd können auch die Frucht unseres Lebens und die Pflanzen unseres
Gartens sein. Eine wichtige Aufgabe des diesjährigen Winterschnittes im Pfarrhausgarten
war es, einige fremde Pflanzen, sogenannte invasive Neophyten zu entfernen. Zwei riesige
Kirschlorbeerbüsche wurden samt Wurzeln rausgenommen. Sie waren weder unfruchtbar
noch krank oder schwach, ganz im Gegenteil: sie sind so stark gewesen, dass sie die
einheimischen Pflanzen verdrängt haben. Sie sind fremd, und das war ein ausreichender
Grund sie zu entfernen.
        Invasive Neophyten gibt es auch im geistlichen Leben. Jeremia wurde berufen auch
sie zu bekämpfen: die Anbetung fremder Götter zu entwurzeln, den falschen
Prophezeiungen zu widersprechen und die Hoffnungen, die auf Lügen aufgebaut wurden,
zu zerstören.
Invasive geistliche Neophyten wurden auch in der Kirche des neuen Testaments bekämpft:
    • Jesus Christus selbst hat schon seine Jünger gewarnt: "Falsche Propheten werden in
        großer Zahl auftreten und viele irreführen. […] Denn mancher falsche Messias und
        mancher falsche Prophet wird auftreten und große Zeichen und Wunder vollbringen,
        um, wenn möglich, sogar die Auserwählten irrezuführen."12
    • Die Aussage des 1.Johannesbriefes steht im Einklang mit den Worten von Jesus: "Liebe
        Freunde, glaubt nicht jedem, der behauptet, seine Botschaft sei ihm von Gottes Geist
        eingegeben, sondern prüft, ob das, was er sagt, wirklich von Gott kommt. Denn in
        dieser Welt verbreiten jetzt zahlreiche Lügenpropheten ihre falschen Lehren."13
    • Auch der Apostel Petrus bestätigt es, wenn er schreibt: "Allerdings traten in Israel auch
        falsche Propheten auf, und genauso werden auch unter euch falsche Lehrer
        auftreten. Heimtückisch werden sie sektiererische Lehren in Umlauf bringen, die ins
        Verderben führen, und werden sich damit von dem Herrn und Herrscher lossagen …"14
Ich bin zwar kein Botaniker, aber mir scheinen diese falsche Lehren Schattengewächse zu
sein: sie verbreiten sich im Schatten der Corona-Epidemie besonders stark.
        Gott sucht Früchte in unserem Leben, aber nicht nur irgendwelche Früchte: er will das
ernten, was er gepflanzt hat. An abartigen, fremden Früchten findet er kein Wohlgefallen,
egal wie schnell oder stark sie wachsen. Solche geistlichen Neophyten müssen unbedingt
entwurzelt werden, sonst verursachen sie grosse Schaden:
Erstens, sie geben uns falsche Hoffnung und ein falsches Sicherheitsgefühl, wodurch wir
verletzlicher werden als je zuvor.
Noch schlimmer ist aber, dass solche Lehren uns schliesslich von Jesus Christus wegtreiben.
Aber "[e]ine Rebe kann nicht aus sich selbst heraus Frucht hervorbringen; sie muss am
Weinstock bleiben. Genauso wenig könnt ihr Frucht hervorbringen, wenn ihr nicht in mir

10 Jes 5,7 (ZB)
11 Jer 2,21 (ZB)
12 Mat 24,11 & 24 (NGÜ)
13 1.Joh 4,1 (NGÜ)
14 2.Pet 2,1 (NGÜ)

                                               4
bleibt." – sagt Jesus Christus, - "Ich bin der Weinstock, und ihr seid die Reben. Wenn jemand
in mir bleibt und ich in ihm bleibe, trägt er reiche Frucht; ohne mich könnt ihr nichts tun."15

                                                                                         Abschluss
        Jetzt, um die Jahreswende, ist die Zeit des Winterschnittes. Jetzt will uns der himmlische
Vater, wie ein guter Gärtner oder Weinbauer reinigen und zurückschneiden, damit wir mehr
Frucht tragen in dem, was vor uns steht, als wir bis heute getragen haben. Jetzt ist die Zeit,
unsere Sünden zu bekennen, Vergebung zu empfangen und auch unseren Schuldigern zu
vergeben.
Jetzt ist die Zeit unser Leben, unseren Glauben und unsere Hoffnung zu prüfen und dort alles
auszurotten, was nicht in der Heiligen Schrift verwurzelt ist.
Nur so können wir unsere Berufung erfüllen. Schliesslich sind wir "dazu bestimmt, zu gehen
und Frucht zu tragen – Frucht, die Bestand hat."16

Amen.

27. Dezember 2020                      Pfr. Tibor Szedlák-Michel                             SDG

15   Joh 15,4-5 (NGÜ)
16   Joh 15,16 (NGÜ)

                                                  5
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