WIRTSCHAFT - CK Venture Capital

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WIRTSCHAFT - CK Venture Capital
WIRTSCHAFT

     Katja Ruhnke und Conny Hörl, CK Venture
     Die Schwestern suchen nach „Geschäftsideen, mit denen
     die Welt ein bisschen besser wird“. Am liebsten sind ihnen Ideen
     von Frauen. Treiben sie also Idealismus und Feminismus als
     Investorinnen an? „Nein“, sagt Ruhnke. „Wir wollen Rendite, wir
     wollen Gewinn erzielen. Aber wenn die Wirtschaft in diesem
     Land zukunftsfähig bleiben will, braucht es in beiden Bereichen
     viel mehr Kapital“

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WIRTSCHAFT - CK Venture Capital
G RÜ N D E R Z E I T- S E R I E

                                                   E VON FOC
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Das Geld
der Frauen
und die Macht               e Gründerszene auf
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                              ich geprägten Branche
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 TEXT VON DA NI EL
                     A SC HR ÖD ER

                                                                     51
WIRTSCHAFT - CK Venture Capital
W IRTSCH A FT

                                                Prozent. Bei den klassischen Wagnis-            an der IU Internationalen Hochschule
                                                kapitalgebern ist das Verhältnis noch           München. Es sind also Persönlichkeits-
                                                unausgeglichener: Lediglich drei Prozent        unterschiede, die beim (Nicht-)Gründen
                                                der deutschen Venture-Capital-Firmen            eine Rolle spielen. Dabei sind die wich-
                                                werden von Frauen geführt. Das heißt:           tigsten Eigenschaften für ein Gründer-
                                                Welche Gründer das nötige Geld bekom-           team Erfahrung, Talent, Vertrauen und
                                                men, darüber entscheiden in erster Linie        gegenseitiger Respekt: Nichts davon hat
                                                Männer.                                         mit dem Geschlecht zu tun.
                                                  Doch nach und nach ändert sich das.
                                                Wie Ruhnke werden mehr Frauen als               Männer finden leichter Investoren
                                                Investorinnen aktiv. Sie steigen als Busi-      Eine Hürde beim Gründen ist und bleibt
                                                ness Angel bei Start-ups ein. Sie betrei-       allerdings das Geld – besonders für
Von Geldgebern hatte Katja Ruhnke               ben Investmentfonds, die Kapital bewusst        Frauen. Der Bundesverband Deutsche
anfangs eine völlig falsche Vorstellung.        an weibliche Gründerteams geben. Sie            Startups lässt jedes Jahr die Lage für
„Für mich war das die Welt von ‚Die             bauen Netzwerke auf, die Gründerinnen           Gründerinnen analysieren. Dem jüngs-
Höhle der Löwen‘“, sagt sie. „Chef von          mit erfahrenen Wirtschaftsfrauen zusam-         ten Bericht zufolge will sich jedes dritte
mindestens drei Dax-Konzernen sein,             menbringen. Eines haben die Investorin-         der frauengeführten Start-ups über Busi-
einen Homeshopping-Kanal haben und              nen dabei gemeinsam: Sie wollen, dass           ness Angel finanzieren – tatsächlich aber
ein Vertriebsnetzwerk von hier bis in die       mehr Frauen Unternehmerinnen werden.            klappt es nicht einmal bei jedem zehn-
USA, so sah mein Bild eines Investors           Der Gedanke dahinter: mehr Investorin-          ten. Wagniskapital streben 14,9 Prozent
aus.“ Sie lacht. „Ist natürlich alles totaler   nen, mehr Start-up-Gründerinnen, mehr           der Gründerinnen an – nur 1,6 Prozent
Quatsch.“                                       Vielfalt und Wachstum in der Wirtschaft.        bekommen es.
  Im Sommer 2019 nahm ein Freund                                                                   Von einem „Funding Gap“ sprechen
Ruhnke, die aus einer Münchner Unter-            Am Ende zählt die Rendite                      Experten. Denn Männer tun sich sehr viel
nehmerfamilie stammt, mit zu ihrem               Ruhnke und ihre Schwester suchen be-           leichter, hohe Summen für ihre Geschäfts-
ersten Start-up-Event. Junge Firmen              wusst nach „Geschäftsideen, mit denen          ideen einzusammeln: Während bei den
präsentierten sich dabei Investoren. „Das        die Welt ein bisschen besser wird“. Am         weiblich geführten Start-ups nur jedes
war alles andere als ,Höhle der Löwen‘“,         liebsten sind ihnen Ideen von Frauen.          zwanzigste eine Million Euro oder mehr
sagt Ruhnke. Kurz darauf unterschrieb sie        Treiben sie also Idealismus und Feminis-       bei einer Venture-Capital-Finanzierung
ihren ersten Investmentvertrag.                  mus als Investmentmotivation? „Nein“,          erhält, ist es bei den männlich geführten
  Heute ist Ruhnke, 42, zusammen mit             sagt Ruhnke. „Wir wollen Rendite, wir          mehr als jedes vierte. Die Boston Consul-
ihrer Schwester Conny Hörl, 47, als Busi-        wollen Gewinn erzielen. Aber wenn die          ting Group ermittelte: Der Durchschnitt
ness Angel an elf Start-ups beteiligt. Busi-     Wirtschaft in diesem Land zukunftsfähig        aller Investments, die ein
ness Angel heißt: Sie geben den Grün-            bleiben will, braucht es in beiden Berei-      Start-up in Deutschland
dern nicht nur Geld, sondern investieren         chen viel mehr Kapital.“                       über alle Finanzierungs-
auch ihre Expertise, agieren als Mentor             2021 lag der Anteil der Gründerinnen        phasen bekommt, beträgt
und Coach. Zusätzlich haben die bei-             gerade einmal bei 17,7 Prozent. Für die        bei männlich geführten Fir-
den einen Investmentfonds für Start-ups          Wirtschaft bedeutet das: viel unausge-         men 10,6 Millionen Euro.
aufgelegt und eine Beteiligungsgesell-           schöpftes Potenzial. Denn mehr Grün-           Gründerinnen hingegen
schaft gegründet, CK Venture Capital.            dungen stärken nicht nur den Stand-            erhalten mit 3,5 Millionen
Geld bekommen hat von ihnen zum Bei-             ort Deutschland. Weibliche Start-ups           Euro knapp ein Drittel.
spiel bereits ein Start-up, das per                       sind auch erfolgreicher als rein         „Investoren bewerten
Drohne Wälder aufforstet, oder                            männliche Teams. Das zumin-           weiblich geführte Unter-
eines, das per Blockchain Kun-                            dest rechnet die Unternehmens-        nehmen schlechter“, so die
dendaten sichert und verifiziert.                         beratung Boston Consulting vor:       These der BCG-Experten.
  Ruhnke war zunächst gar nicht                           Für jeden investierten VC-Dollar      Der Wert von Neugründun-
bewusst, wie sehr sie in ihrer                            erwirtschaften Gründer 31 Cent        gen mit Männern an der
Rolle als Investorin heraussticht.                        Umsatz, Gründerinnen hingegen         Spitze werde im Durch-
„Seltsam, warum bin ich die                               bringen es auf 78 Cent.               schnitt 16,4-mal höher ein-
einzige Frau im Raum?“, frag-               »Wir            Warum so wenige Frauen in           geschätzt. Nur warum?
te sie sich, als sie zu ihrem ers-        suchen          Deutschland als Unternehmerin-           Wissenschaftler sehen eine Ursache in
ten Treffen mit Gründern kam.
Die Antwort fand sie schnell:
                                        Start-ups, nen         starten, dafür gibt es diverse
                                                          Gründe. Zweifel, ob sich Familie
                                                                                                einer unbewussten Ungleichbehandlung
                                                                                                der Geschlechter auf Seiten der Inves-
                                                                                                                                             Fotos: Jonas Ratermann für FOCUS-Magazin,

weil die deutsche Start-up-Sze-         bei denen und Firma vereinbaren lassen.                 toren. Das fängt schon beim Pitch an,
                                                                                                                                                    dpa, laif (2), Lena Petersen/NDR

ne nun mal von Männern domi-             Diversity Der männerdominierte Techno-                 bei dem sich die Start-ups den Geldge-
niert ist. „Es gibt kaum Frauen,                          logiefokus der Start-up-Szene.        bern präsentieren. „Gründer sollen über
die ein Unternehmen gründen“,
                                         im Kern          Und: ein zu kritisches Abwägen        Chancen und Visionen für ihr Start-up
sagt Ruhnke. „Und es gibt noch des Unter- der Geschäftsidee. „Männer                            sprechen. Fragen an Gründerinnen zielen
weniger Frauen, die in Gründer           nehmens sagen ‚Mach ich mal, versuch                   oft auf potenzielle Probleme und Risi-
investieren.“
  Das Business Angel Netzwerk
                                        verankert ich         einfach mal‘. Frauen tendie-
                                                          ren zu einem Übermaß an Selbst-
                                                                                                ken“, sagt Heike Hölzner, Professorin für
                                                                                                Entrepreneurship an der Hochschule für
Deutschland schätzt den Anteil               ist«         kritik“, sagt Alexandra Wuttig,       Technik und Wirtschaft Berlin. Männliche
der Investorinnen auf gut sieben                          Professorin für Entrepreneurship      Gründer werden bei Pitches also eher
                                           Fabiola
52                                      Hochkirchen,                                                                          FOCUS 4/2022
                                         Investorin
WIRTSCHAFT - CK Venture Capital
Verena Pausder,
                                                                                                      Pausder Ventures
                                                                                                      Die Aufsteigerin
                                                                                                      Mit Fox & Sheep hat Verena
                                                                                                      Pausder einst eine Firma
                                                                                                      gegründet, die Kinder-Apps
                                                                                                      entwickelt. Heute investiert
                                                                                                      sie über ihre eigene Risiko-
                                                                                                      kapitalfirma Pausder Ventures
                                                                                                      selbst in Start-ups – vor allem
                                                                                                      im Bereich digitale Bildung.
                                                                                                      Eingestiegen ist sie etwa bei
                                                                                                      den Lern-Apps „Simpleclub“
                                                                                                      und „Cleverly“

                                 Ina Schlie,
                                 Encourage Ventures
                                 Die Vermittlerin Es gibt durchaus viele erfolgreiche
                                 Wirtschaftsfrauen, die gern in Start-ups investieren
                                 würden – nur fehlen ihnen Wissen und Kontakte. Für sie
                                 hat die frühere SAP-Topmanagerin ein Netzwerk gegründet

                                  Männer
                                finanzieren                                                Amelie Vermeer

                                  Männer.
                                                                                           und Julia Piechotta,
                                                                                           Spoontainable

                                Diese Frauen
                                                                                           Die Gründerinnen
                                                                                           Mit ihren essbaren Eislöffeln haben die
                                                                                           beiden selbst Aldi überzeugt. In ihrem

                                 ändern das                                                Finanzplan kalkulierten sie einen Sicher-
                                                                                           heitspuffer ein. Während Frauen das gut
                                                                                           fanden, hätte das auf manche männliche
                                                                                           Investoren unambitioniert gewirkt

Anna Kaiser                                                                                           Tijen Onaran,
und Jana Tepe,                                                                                        Business Angel
Tandemploy
                                                                                                      Die Influencerin
Die Umdenkerinnen                                                                                     Mehr Diversität, vor allem in
Als die beiden Gründerinnen                                                                           der Digitalbranche, strebt
aus dem New-Work-Bereich                                                                              Tijen Onaran mit ihrer Firma
vor einem Jahr Kapitalgeber                                                                           Global Digital Women an.
suchten, hatten sie die Qual                                                                          Beteiligt ist sie selbst
der Wahl – und trafen eine                                                                            bereits an den Start-ups
Entscheidung: Sie nahmen                                                                              Nevernot und Pumpkin
bewusst nur Geld von Frauen                                                                           Organics. Sie plant zudem
an. Fünf Investorinnen stie-                                                                          einen eigenen Fonds, mit
gen mit einer siebenstelligen                                                                         dem sie ausschließlich
Summe bei ihnen ein                                                                                   Frauen fördern will

  FOCUS 4/2022                                                                                                                   53
WIRTSCHAFT - CK Venture Capital
W IRTSCH A FT

nach möglichen Profiten gefragt, Frauen         und Jana Tepe vor einem Jahr Geldgeber         nen: Welche Werte vertreten die Gründer,
nach möglichen Verlusten. Und zeigen            suchten, hatten sie die Qual der Wahl –        wohin wollen sie mit ihrem Unterneh-
sich Gründerinnen besonders überzeugt           und entschieden sich bewusst für fünf          men, was treibt sie an? „Gründer müssen
von ihrer Idee, empfinden das Geldgeber         Investorinnen. Die beiden leiten ein New-      eine echte Leidenschaft für ihr Produkt
schnell als uninformiert bis naiv. Gründer      Work-Start-up: Sie bringen Mitarbeiter         haben und den Willen, Missstände in der
dagegen wirken mutig, durchsetzungs-            zusammen, die sich einen Job teilen            Gesellschaft zu ändern“, sagt Ruhnke.
stark, risikobereit.                            wollen, oder vermitteln Mentoren. Ein          Schillernde Finanzprognosen wertet sie
   Dazu kommt: Männliche Grün-                            Board, das fast ausschließlich aus   hingegen als Warnsignal. „Entscheidend
der, vor allem im Tech-Bereich,                           Männern besteht, passte dazu         ist, dass Gründer die Fähigkeiten und die
bauen stark auf Wachstum und                              schlicht nicht mehr.                 Persönlichkeit besitzen, auch schwierige
Skalierbarkeit. Das wiederum                                Und so tut sich auch auf Inves-    Zeiten durchzustehen.“
passt zum Geschäftsmodell der                             torenseite viel. Auxxo Beteiligun-
Risikokapitalgeber. Sie setzen                            gen zum Beispiel ist eine rein von   Männer wollen große Zahlen sehen
auf Unicorns und damit auf                                Frauen geführte Investmentfirma      In ihrer Heidelberger Studenten-WG
Boom-Firmen, die schnell einen                            in Deutschland. Fabiola Hochkir-     diskutierten Amelie Vermeer und Julia
enormen Marktwert erzielen. Die        »Männer chen, Gesa Miczaika und Bettine                 Piechotta immer wieder über Alternativen
Folge all dessen: Männer finan-       probieren Schmitz investieren gemeinsam                  zu Plastik. Ihr großes Thema: Müll ver-
zieren Männer.                                            in Start-ups, vor allem Firmen       meiden. Heute führen sie das Start-up
                                        viel aus.         mit mindestens einer Gründe-         Spoontainable, verkaufen essbare Eislöf-
Die Frauensicht fehlt                   Frauen            rin. Jüngstes Projekt: ein 15 Mil-   fel aus Produktionsresten der Süßwaren-
Welche Dimensionen das anneh-         tendieren lionen Dollar schwerer Risiko-                 industrie. Als Zugabe zu einem Pudding
men kann, zeigte im Frühjahr der
Fall Pinky Gloves. In „Die Höhle
                                       zu einem kapitalfonds,            bei dem 60 Prozent
                                                          des Geldes von Investorinnen
                                                                                               landeten ihre Löffel bereits im Kühlregal
                                                                                               von Aldi. 2022 wollen sie weitere Pro-
der Löwen“ erhielten zwei männ-        Übermaß stammt. „Wir hatten Auxxo mit                   dukte herausbringen und international
liche Gründer von einem männ-         an Selbst- dem Wunsch gegründet, Direkt-                 expandieren. Dafür warben die beiden
lichen Investor Kapital für eine                          investments auf eine ‚weibliche‘     vor zig Investoren um Kapital – und erfuh-
Idee mit weiblicher Zielgruppe:
                                         kritik«          Art und Weise zu machen – ohne       ren, wie unterschiedlich weibliche und
ein pinkfarbener Einweg-Plas-                             genau zu wissen, was das bedeu-      männliche Geldgeber ticken.
                                     Alexandra Wuttig,
tikhandschuh zum Benutzen von                             tet“, erinnert sich Hochkirchen.        „Unsere Finanzpläne sind realistisch“,
                                         Professorin
Tampons. Zwei Jahre zuvor war                             „Mittlerweile sind wir dabei         sagt Vermeer. Keine x-fachen Wachs-
in der TV-Show ein Frauen-Gründerteam           angekommen, Start-up-Teams zu suchen,          tumssprünge, auch mal ein Sicherheits-
mit dem Geschäftsmodell für waschbare           bei denen Themen wie Diversity, Purpose,       puffer. „Auf männliche Investoren wirkte
Menstruations-Unterwäsche abgeblitzt.           Sustainability und New Work im Kern des        das oft unambitioniert“, sagt Piechotta.
   Der Fall Pinky Gloves brachte den            Unternehmens verankert sind.“ Denn nur         „Frauen fanden den Ansatz gut, für sie
Gründern nicht nur einen Shitstorm              solche Unternehmen würden auf Dauer            spielte die unternehmerische Vision die
im Netz ein. Er zeigt auch: In der Wirt-        erfolgreich sein.                              entscheidende Rolle. Bei den Männern
schaft braucht es die weibliche Sicht.                                                         war es hingegen umgekehrt: erst die gro-
Denn Frauen sind Verbraucherinnen. Sie          Auf der Suche nach den Zebras                  ßen Zahlen im Finanzplan, dann die soft
haben jedoch ganz andere Bedürfnisse            „Wir wollen keine Unicorns“, sagt die          facts.“ Spoontainable hat dennoch Inves-
und Wünsche an ein Produkt als Män-             Münchner Investorin Ruhnke. „Wir inves-        torinnen und Investoren, das Verhältnis
ner. Warum sollte man solch ein Poten-          tieren in Zebras – Start-ups, die sich an      ist fast ausgeglichen. „Wir brauchen die
zial beim Aufbau neuer Unternehmen              langfristigem Erfolg und an Stabilität         unterschiedlichen Perspektiven“, sagt
verschenken?                                    orientieren.“ Mit ihrer Schwester stieg        Vermeer.
   Frauen gründen nach anderen Kriterien,       sie schon früh und mit kleinen Invest-            Eine der Spoontainable-Investorinnen
sagt Entrepreneurship-Expertin Wuttig:          ments ein, später beteiligen sich die bei-     ist die ehemalige SAP-Topmanagerin Ina
„Für weibliche Teams spielt nicht allein        den auch mit größeren Summen.                  Schlie, Initiatorin eines Frauen-Invest-
der wirtschaftliche Erfolg eine Rolle, son-        Schnell wieder raus und dabei mög-          ment-Netzwerks. Encourage Ventures
dern auch das Engagement für eine bes-          lichst viel Geld mitnehmen, das sei kein       entstand vorigen Juni, fast 400 Investorin-
sere Zukunft. Frauen verbinden mit ihrer        Ziel, sagt Ruhnke. „Wir investieren unser      nen sind mittlerweile dabei, viele Unter-
Geschäftsidee meist ein höheres Ziel: Sie       privates Kapital, wir müssen kein Exit-        nehmerinnen, Managerinnen, Aufsichts-
wollen ein medizinisches, gesellschaftli-       Szenario aufbauen. Im Gegenteil. Bei           rätinnen. Etwa Bahn-Vorständin Sigrid
ches, soziales oder ökologisches Problem        einigen unserer aktuellen Start-ups sind       Nikutta, Douglas-Chefin Tina Müller,
lösen oder es wenigstens minimieren.“           wir hoffentlich auch in 30 Jahren noch         Multi-Aufsichtsrätin Simone Menne und
Die Zahl der Investorinnen entscheide           als Gesellschafterinnen dabei, wenn sie        die frühere Bundeswirtschaftsministerin
daher maßgeblich über die künftige Zahl         sich zu soliden Mittelständlern entwickelt     Brigitte Zypries.
der Gründerinnen, sagt Wissenschaftle-          haben.“                                           „Wir begleiten Gründerinnen beim
rin Hölzner. Ihr Argument: „Weibliche              Bei der Suche nach neuen Start-ups          Aufbau und Wachstum ihres Unterneh-
Investoren können die Motive, Ziele und         geht es den Schwestern in erster Linie         mens, von der ersten Idee bis zum Börsen-
Verhaltensweisen von weiblichen Grün-           um den Faktor Mensch. „Egal wie genial         gang“, sagt Schlie. „Dabei geht es nicht
dern besser nachvollziehen als männliche        die Idee ist“, sagt Ruhnke, „wir investie-     allein um das Finanzielle. Als Investorin-
Investoren.“                                    ren nur, wenn es für uns bei den Grün-         nen sehen wir uns auch als Mentorinnen,
   Deshalb setzt sich auch unter Start-ups      derpersönlichkeiten genau passt.“ Die          als Coaches und als Brückenbauer in die
ein Umdenken durch. Als Anna Kaiser             zentralen Fragen der beiden Investorin-        etablierte Wirtschaft.“

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WIRTSCHAFT - CK Venture Capital
G RÜ N D E R Z E I T- S E R I E

                                                                                                                  Denn Kapital ist beim Gründen nicht
                                                                                                                alles. Genauso wichtig sind Know-how
                                                                                                                und Kontakte. Besonders Gründerinnen
                                                                                                                fehlen oft die Netzwerke. Auf der Inves-
                                                                                                                torinnenseite sieht es genauso aus: Hier
                                                                                                                fehlen Wissen über und Kontakte in die
                     Lea-Sophie Cramer,                                                                         Start-up-Welt. Encourage Ventures berät
                             Investorin                                                                         daher auch die Investorinnen, bietet ihnen
                                Das Vorbild Wie man                                                             Schulungen, screent neue Start-ups, ver-
                      Investoren von sich überzeugt,                                                            anstaltet Kennenlerntreffen.
                       weiß Lea-Sophie Cramer. Mit                                                                Doch warum ein reines Frauennetzwerk,
                   Sebastian Pollok gründete sie den                                                            warum agieren wie die Männerklubs?
                      Erotik-Onlinehändler Amorelie                                                             Irgendwann werden Netzwerke allein für
                           und verkaufte ihn später an                                                          Frauen überflüssig sein, sagt Schlie. „Aber
                    ProSiebenSat.1. Heute investiert                                                            um die Strukturen zu verändern, müssen
                      sie ihr Geld selbst in Start-ups.                                                         wir als weibliche Investoren sichtbar sein.
                     Beteiligt ist sie zum Beispiel am                                                          Es braucht jetzt eine klare Polarisierung.“
                       Unternehmen 26 Homes, das                                                                Encourage Ventures soll Frauen ermuti-
                       jungen Menschen den Immo-                                                                gen, sagt Schlie. „Lasst euch nicht von
                         bilienkauf näherbringen will                                                           männlich dominierten Strukturen in der
                                                                                                                Investmentszene abschrecken.“ Das Ziel
                                                                                                                des Vereins: ein Ökosystem zu sein für
                                                                                                                            mehr Diversität in der Wirt-
                                                                                                                            schaft. „Es gibt in Deutsch-
                                                                                                                            land genug Frauen mit Geld“,
                       Frauen                                                                                               sagt Schlie. „Warum damit
                                                                                                                            nicht andere Frauen beim

                       aus der                                                                                              Aufbau eines Unternehmens
                                                                                                                            unterstützen und auf diesem

                      Wirtschaft
                                                                                                                            Weg die Wirtschaftswelt ver-
                                                                                                                            ändern?“

                      steigen in                                                                                               10 000 Euro für den Einstieg
                                                                                                                                      Klar, sagt die Münchner Un-
                      Start-ups                                                                                                       ternehmerin Ruhnke, zum
                                                                                                                                      Investieren in Start-ups gehöre

                          ein                                                                                                         das Risiko. Allerdings brauche
                                                                                                                                      es keine Riesensumme, ihre
                                                                                                                                      kleinsten Anlagen lägen bei
                                                          Sigrid Nikutta, Bahn-Vorständin                                             10 000 Euro. „Vor allem aber
                                                                                                                                      sind Start-up-Investments ein
                                                          Die Lenkerin Ihr Name fällt oft, wenn es um die Vorzeigefrauen der          kalkuliertes Risiko, denn ich
                                                          deutschen Wirtschaft geht: Zehn Jahre hat Sigrid Nikutta die Berliner       habe selbst in der Hand, wie
                                                          Verkehrsbetriebe geleitet, heute ist sie im Vorstand der Deutschen Bahn     intensiv ich mich mit den
                                                          für den Güterverkehr zuständig. Privat ist sie seit vergangenem Jahr Teil   Gründern und ihrer Idee be-
                                                          eines Netzwerks, das Gründerinnen fördern und unterstützen will             schäftige.“ Und genau das,
                                                                                                                                      findet Ruhnke, mache auch
                                                                                                                         den Reiz aus. „Meine Expertise weiter-
                                                                                                                         geben, starke Geschäftsideen vorantrei-
                                                                                                                         ben – wenn ich in Aktien investiere oder
                                                                                                                         mir eine Wohnung kaufe, kann ich das
                                                                               Tina Müller,
                                                                                                                         alles nicht.“
                                                                               Douglas-Chefin
                                                                                                                            Investorin zu sein bedeute für sie weit
                                                                               Die Förderin Bei Douglas                  mehr, als einfach nur Geld anzulegen,
                                                                               ruft Tina Müller regelmäßig               sagt Ruhnke. Es geht ihr um Verände-
                                                                               einen Wettbewerb für Start-ups            rung, darum, die Zukunft zu gestalten.
                                                                               der Beautybranche aus. Aber               „Als Investorin habe ich einen gesell-
                                                                               auch privat ist sie als Investorin        schaftlichen Hebel – ich präge die Unter-
                                                                               unterwegs. Sie hat sich zum               nehmenskultur mit.“ So kann sie Einfluss
                                                                               Beispiel am Auxxo Female                  nehmen auf Themen wie Frauenquote,
Fotos: dpa, laif

                                                                               Catalyst Fund beteiligt, einem            Diversität und Nachhaltigkeit in den Start-
                                                                               VC Fonds, der bewusst in                  ups, die im besten Fall die Konzerne von
                                                                               Start-ups von Frauen investiert           morgen werden.                             n

                   FOCUS 4/2022                                                                                                                                   55
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