Wohn- und Obdachlosigkeit
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Sozial Extra 2 2021: 112–116 https://doi.org/10.1007/s12054-021-00369-9 Online publiziert: 3. März 2021 © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 Durchblick: Partizipation in der Wohnungslosenhilfe Wohn- und Obdachlosigkeit Aktuelle Theorien in der angelsächsischen Forschung In der Diskussion um Wohn- und Obdachlosigkeit geht es nicht zuletzt auch darum, wie die jeweiligen Zustände definiert werden – nicht zuletzt, um passende Unterstützungsangebote zu machen. Einige Nationalstaaten weichen von den Festlegungen auf europäischer Ebene ab. Wie wird Wohnungslosigkeit im Vereinigten Königreich wissenschaftlich diskutiert? D ie weithin akzeptierte Europäische Typologie angemessene Unterkunft zu sichern. Obwohl dies ein der Wohnungslosigkeit (ETHOS)1 unterschei- breites Spektrum von Wohnungsbedürfnissen umfassen det zwischen vier weit gefasste Situationen von könnte, wird die Definition in der Praxis eng ausgelegt Obdachlosigkeit und Gefährdung durch Wohnungslo- und konzentriert sich auf Personen, die auf der Straße sigkeit: schlafen und in Not- und Übergangsunterkünften leben • Obdachlosigkeit (Schlafen auf öffentlichen Plätzen), (Daly 2019). • Wohnungslosigkeit (Aufenthalt in Notunterkünften), In den letzten Jahren hat sich ein akademischer Kon- • unsichere Wohnverhältnisse (wie z. B. Couchsurfing sens in vier Bereichen der Theorie und Forschung her- oder Leben in häuslicher Gewalt) und ausgebildet – dies mit unterschiedlichen Auswirkungen • physisch unzureichende Wohnverhältnisse (Edgar et auf die Obdachlosenpolitik und -praxis in vielen Län- al. 2003). dern der EU und anderswo. Erstens ist unter den Ob- dachlosenforschern ein Konsens über die Ursachen von In vielen Ländern ist die gesetzliche Definition jedoch Obdachlosigkeit („Obdachlosigkeit“ und „Wohnungs- wesentlich enger gefasst und beschränkt sich in der Re- losigkeit“) entstanden, der auf Arbeiten von Wissen- gel auf die ersten beiden ETHOS-Kategorien, „Obdach- schaftlern wie Wright et al. (1998), Fitzpatrick (2005), losigkeit“ und „Wohnungslosigkeit“. In der Republik Busch-Geertsema et al. (2010) sowie Bramley und Fitz- Irland beispielsweise ist die gesetzliche Definition in Ab- patrick (2018) beruht. Im Großen und Ganzen sieht die- schn. 2 des Housing Act 1988 zu finden. Dort gilt eine ser Rahmen die Ursachen für Obdachlosigkeit in einer Person als obdachlos, wenn die lokale Behörde feststellt, Kombination aus strukturellen, familiären und indivi- dass die Person keine Unterkunft hat, in der sie ange- duellen Faktoren, wobei die dominante Kombination messen wohnen kann, oder wenn die Person in einer Gegenstand empirischer Untersuchungen ist. Art Notunterkunft lebt und davon ausgegangen wird, In dieser komplexen Mischung aus Armut, ungüns- dass die sie nicht über genügend Mittel verfügt, eine tigen Kindheitserfahrungen, niedrigem Bildungsab- schluss, Prekarität auf dem Arbeits- und Wohnungs- markt sowie psychischer Gesundheit und Sucht- und Joe Finnerty Verhaltensproblemen stellt sich Wohnungslosigkeit als Cork, Irland „das Ergebnis einer dynamischen Interaktion zwischen Studium der Sozialpolitik, Studienkoordinator der Abteilung für individuellen Merkmalen und Handlungen und struk- angewandte Sozialstudien der University College Cork. j.finnerty@ucc.ie turellen Veränderungen“ dar (Busch-Geertsema et al. 2010, S. 5). Insgesamt ist das Risiko der Wohnungslo- sigkeit bei armen Haushalten, die von einem oder meh- Zusammenfassung Der Beitrag beginnt mit einer Diskus- reren dieser zusätzlichen Risikofaktoren betroffen sind, sion der aktuellen Theorie und Forschungzum Problembereich hoch (Bramley und Fitzpatrick 2018). Darüber hinaus Obdachlosigkeit. Anschließend werden die verschiedenen As- wurde die Hypothese aufgestellt, dass es einen umge- pekte der Nutzerbeteiligung im Lichte dieser unterschiedlichen kehrten Zusammenhang zwischen der Anzahl der woh- Dimensionen von Wohnungslosigkeit und Wohnungsprekarität untersucht. Er schließt mit einem Überblick über die aktuelle nungslosen Bevölkerung und dem Grad der psychischen Forschung auf diesem Gebiet. Gesundheit, Suchtproblemen und anderen Belastungen innerhalb dieser Bevölkerungsgruppe gibt (Stephens et Schlüsselwörter Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit, UK, Housing first, Lösungsansätze, Partizipation al. 2010). 112
Das zweite zentrale Forschungsergebnis bezieht sich Ansätze zur Beteiligung der Nutzer auf eine Differenzierung innerhalb der wohnungslo- bei Diensten für Wohnungslose sen Bevölkerung nach der Dauer der Obdachlosigkeit Die Bedeutung der Beteiligung von Dienstleistungsnut- der Person. Pionierstudien von Culhane und Kollegen zern bei der Infragestellung paternalistischer Modelle (Kuhn und Culhane 1998) und ihre Wiederholungen in der Sozialfürsorge hat in Bereichen wie der Gemein- anderen Städten der Welt haben unterschiedliche Mus- deentwicklung und der psychischen Gesundheit einen ter der Nutzung von Notunterkünften gezeigt, wobei wachsenden Einfluss, spielt aber im Bereich der Obdach- zwischen langfristigen oder „chronischen“ Bewohnern losigkeit kaum eine Rolle. Dennoch hat FEANTSA, der von Notunterkünften mit Sucht- und psychischen Pro- EU-weite Verband von Nichtregierungsorganisationen, blemen, gelegentlichen oder episodischen Nutzern von die mit wohnungslosen Menschen arbeiten, ein Toolkit Notunterkünften und einmaligen oder vorübergehen- entwickelt, das von „Experten aus Erfahrung“ (aktu- den Nutzern unterschieden wird. elle oder ehemalige Nutzer von Obdachlosendiensten) Eine Vielzahl von sozial- und wirtschaftspolitischen in Zusammenarbeit mit zehn nationalen Obdachlosen- Maßnahmen und Dienstleistungen kann versuchen, organisationen erstellt wurde (FEANTSA, 2013). Das Obdachlosigkeit im Sinne von Prävention, Notfallmaß- Toolkit liefert eine detaillierte Begründung für partizi- nahmen und Wiedereingliederungsmaßnahmen anzu- pative Ansätze und schlägt fünf Arten der Beteiligung gehen. Im Mittelpunkt der „Notfallmaßnahmen“ für vor: Information, Konsultation, Befragung der Dienst- chronisch und episodisch wohnungslose Personen steht leistungsnutzer, Teilung der Macht und volle Kontrolle.4 in vielen Ländern der „Housing First“- (oder allgemei- • Volle Kontrolle bedeutet, dass obdachlose Dienstleis- ner oder wohnungsorientierter) Ansatz zur Bekämp- tungsnutzer die Entscheidungsfindung kontrollieren, fung von Obdachlosigkeit. Bei Housing-First-Ansätzen z. B. bei bestimmten Projekten, die vollständig von werden Wohnungen an wohnungslose Personen ver- Dienstleistungsnutzern geleitet werden, aber inner- mietet, ohne dass Bedingungen wie Nüchternheit oder halb der Struktur einer Trägerorganisation verankert Drogenfreiheit gefordert werden, und zwar grundsätz- sind. lich mit einem erheblichen Maß an Kontrolle über den • Machtteilung bedeutet, dass die Nutzer von Diensten Zeitpunkt und die Art der gleitenden Unterstützung, die Entscheidungen mittragen, auch in der Verwaltung sie erhalten (Pleace et al. 2019). Dies bezieht sich auf • Einholung von Meinungen und Präferenzen der das dritte zentrale Forschungsergebnis, nämlich dass die Dienstleistungsnutzer, z. B. durch Veranstaltungen für meisten chronisch und episodisch wohnungslosen Per- Interessenvertreter und Fokusgruppen sonen mittels solcher Ansätze wie Housing First, die • Konsultation ist eine schwächere Form der Einholung dauerhaft unterstütztes Wohnen anbieten, Wohnstabi- von Nutzermeinungen und -präferenzen, mit geringe- lität erreichen können.2 Umgekehrt können Menschen, rer Verbindlichkeit die „vorübergehend“ obdachlos sind, die Nutzung von • Information als geringste Form der Beteiligung – der Notunterkünften aus eigener Initiative beenden (natür- Dienstleistungsnutzer erfährt durch Aushänge, News- lich abhängig von günstigen Wohn‑, Einkommensunter- letters etc. von der Politik und den Dienstleistungen stützungs- und Arbeitsmarktbedingungen). Abgesehen von den Vorteilen, die ein unabhängi- Das Toolkit weist auch auf bestimmte Fallstricke par- ges Leben für ehemals wohnungslose Menschen mit tizipatorischer Ansätze in der Wohnungslosenhilfe hin, sich bringt, gibt es einen zusätzlichen Anstoß, von ei- darunter die mögliche Alibifunktion, Konsultations- ner „Treppe des Übergangs“ (von der Straße über ein müdigkeit und die Entstehung von „professionellen“ Wohnheim und eine betreute Unterkunft bis hin zum Dienstleistungsnutzern.5 unabhängigen Wohnen) zu einem „Housing-First“-Mo- FEANTSA (2013) definiert Partizipation als „eine Ar- dell der Dienstleistungsreaktion überzugehen, und den beitsweise, die Menschen befähigt, sich an Entscheidun- vielen negativen Merkmalen – wie Depersonalisierung gen und Maßnahmen zu beteiligen, die ihr Leben betref- und Hoffnungslosigkeit – von Notunterkünften (Fin- fen. Sie basiert auf der Überzeugung, dass Menschen das nerty 2018), besteht ein viertes Forschungsergebnis da- Recht haben, mitzubestimmen, wie Dienstleistungen, rin, die hohen Kosten von Notfallmaßnahmen bei Ob- die sie in Anspruch nehmen, eingerichtet und betrieben dachlosigkeit zu benennen; diese ergeben sich, wenn werden, und dass Menschen, die sozial oder wirtschaft- man die Kosten für medizinische Notfallversorgung, Po- lich benachteiligt sind, oft auf Barrieren stoßen, wenn es lizeieinsätze und andere Dienstleistungen zu den Kosten darum geht, Entscheidungen zu beeinflussen.“ (FEAN- für die Bereitstellung von Unterkünften hinzurechnet TSA, 2013: 6). Durch Partizipation können Menschen (Parsell et al. 2017).3 auf persönlicher, sozialer und politischer Ebene mehr 113
Sozial Extra 2 2021 Durchblick: Partizipation in der Wohnungslosenhilfe Empowerment erlangen: „Definitionen von Empower- Netzwerk aufzubauen, um Politik und Praxis auf lo- ment beinhalten die Idee, bestehende Machtannahmen kaler und nationaler Ebene zu beeinflussen (Homeless in Frage zu stellen, Menschen dabei zu helfen, Kontrolle Network Scotland o.J.). über ihr eigenes Leben zu erlangen und die Macht der FEANTSA (2013) stellt fest, dass Dienstleistungsnut- Menschen zu fördern, damit sie sie in ihrem eigenen Le- zer unterschiedliche Arten der Beteiligung an verschie- ben nutzen können, indem sie sich für Themen einset- denen Dienstleistungen anstreben können. Dieser Punkt zen, die sie für wichtig halten … Zusätzlich zum persön- soll sich zwar auf Not- und Wiedereingliederungsdiens- lichen Empowerment soll soziologisches Empowerment te beziehen, gewinnt aber zusätzliche Kraft, wenn er mit Mitglieder von Gruppen ansprechen, die durch soziale der oben diskutierten ETHOS-Klassifizierung und mit Diskriminierungsprozesse von Entscheidungsprozessen der Unterscheidung zwischen vorübergehenden, episo- ausgeschlossen wurden.“ Andere potenzielle Ergebnis- dischen und chronischen Dienstleistungsnutzern sowie se von Partizipation sind Auswirkungen auf Dienst- zwischen Situationen mit hoher Obdachlosigkeit (in de- leistungen, auf die Politik und auf die Wahrnehmung nen strukturelle Faktoren wie ungünstige Wohn- und eines breiten Spektrums von Zielgruppen, einschließ- Arbeitsmarktbedingungen vorherrschen) und Situatio- lich der Ausbilder von sozialen Diensten und der allge- nen mit geringer Obdachlosigkeit (in denen individuel- meinen Öffentlichkeit. Allerdings kann „Partizipation“ le Merkmale vorherrschen) verknüpft wird. Die Schlüs- von Dienstleistern und Forschern recht unterschied- selgruppen der Obdachlosen sind also, wie Whiteford lich definiert werden: typischerweise (wie unten disku- (2011: 49) feststellt, „einige der verletzlichsten und iso- tiert) wird sie als „soziale Inklusion“ in Bereichen wie liertesten Gruppen in der Gesellschaft mit begrenzter dem Arbeitsmarkt und dem sozialen Leben verstanden. Kontrolle über die Organisation ihres Lebens.“ FEANTSA (2013) schlägt 25 Dienstleistungsstandards für Partizipation in den Bereichen allgemeine Führung Programme und Forschungen zum Thema und Engagement, Praxis und Verfahren, Rekrutierung Teilnahme der Nutzer von Diensten von und Umgang mit Nutzern, Training und Ressour- für Wohnungslose cen und Evaluation vor, mit einer „Ampel“-Bewertung Die meisten veröffentlichten englischsprachigen Stu- der Leistung jeder Klasse. dien zur Partizipation wohnungsloser Dienstleis- Die vorgeschlagenen Partizipationsinstrumente umfas- tungsnutzer konzentrieren sich auf Not- und Wieder- sen die gesamte Bandbreite der fünf partizipatorischen eingliederungsdienste für episodisch und chronisch Ansätze, von Fragebögen und Fokusgruppen bis hin zu wohnungslose Personen und nicht auf „Übergangs-“ kreativer Kunst, „offenen Räumen“, Peer-Forschung, oder „Risikopopulationen“. Ein Forschungsstrang, Peer-Bildung, Peer-Mentoring, Peer-Advocacy, Positio- der die Partizipation durch die Linse „soziale Inklusi- nen in Komitees und Vorständen, Medienmöglichkei- on“ erforscht, evaluiert die Auswirkungen spezifischer ten, Mitwirkung bei der Personalrekrutierung, von Nut- Programme zur Verbesserung von Bildungs‑, Beschäfti- zern geleitete Projekte, Pflegeplanung und -überprüfung gungs- und anderen integrativen Programmen, die von und „Leading your own recovery“. Jedes Instrument Dienstleistern im Bereich der Wohnungslosenhilfe ange- wird beschrieben, seine Vor- und Nachteile aufgelistet boten werden (Rutenfrans-Stupar et al. 2019; Johnston und das Ausmaß der erforderlichen Ressourcen angege- 2020). Ein anderer Ansatz besteht darin, Personen zu ben. Es ist erwähnenswert, dass FEANTSA den Schwer- rekrutieren, die eine gemeinsame Erfahrung mit einem punkt auf Notfälle und Wiedereingliederung legt und sozialen und gesundheitlichen Problem haben, wie z. B. nicht auf präventive Dienste. Obdachlosigkeit in erster Linie, aber auch zusätzliche Ein aktuelles Beispiel für die Beteiligung von derzeit Merkmale je nach den Umständen (z. B. Erfahrung mit oder ehemals wohnungslosen Personen an der Interes- institutionellen Settings wie Pflege, Gefängnis, Streit- senvertretung und Politikentwicklung ist die Initiative kräfte oder mit geschlechtsspezifischer Gewalt), und All in for Change! in Schottland. Unter der Leitung des die Unterstützung für Menschen, die gerade erst woh- Homeless Network Scotland, Cyrenians und Scottish nungslos geworden sind oder solche, die versuchen, aus Community Development Centre (SCDC), wird vorge- der Obdachlosigkeit herauszukommen, über eine Viel- schlagen, „gelebte Erfahrungen in den Mittelpunkt des zahl von Diensten und Settings hinweg anzubieten. Die- Systemwandels zu stellen, indem sie Mitarbeiter an vor- se Form der Teilnahme als „Experten aus Erfahrung“ derster Front und Menschen mit eigenen, persönlichen kann auch bei der Ausbildung von professionellem Per- Erfahrungen mit Obdachlosigkeit zusammenbringt“. sonal in sozialen Diensten, wie z. B. Sozialarbeitern, und Die Gruppe will sich in die nationale Politikentwick- bei der Peer-Forschung helfen. lung einbringen und schlägt vor, ein schottlandweites 114
In Anbetracht der typischerweise komplexen Bedürf- mischen Forschung nicht erfasst wird (oder in relativ nisse dieser Bevölkerungsgruppe deckt ein Großteil der unzugänglicher „grauer Literatur“ verbleibt). Es kann Forschung aus dem breiten Spektrum der oben dis- jedoch auch die Hypothese aufgestellt werden, dass par- kutierten Möglichkeiten nur ein enges Spektrum von tizipative Initiativen – ob eng oder weit gefasst – die Be- Peer Education, Peer Mentoring, Betreuungsplanung dürfnisse von episodisch und chronisch wohnungslosen ab. Dies kann durch eine Reihe von oben erwähnten Personen mit komplexen Bedürfnissen in Not- und Wie- Faktoren geprägt sein, wie z. B. den Übergangscharak- dereingliederungsdiensten im Fokus haben. s ter der Obdachlosigkeit bei vielen Dienstleistungsnut- zern.6 Effektiv führt dies zu einem stärker individuali- ∑ sierten und „therapeutischen“ Forschungsansatz für die Teilnahme in diesen Settings. Dies kann schnell durch Der Beitrag wurde von Peter Herrmann übersetzt. das Übergewicht solcher Studien belegt werden, die von Eingegangen. 15. Dezember 2020 akademischen Suchmaschinen als Antwort auf relevan- Angenommen. 14. Januar 2021 te Schlüsselwörter zurückgegeben werden. Es findet sich ein überwältigender Fokus auf z. B. Peer-Unterstützung 1. Die Übersetzung aus dem Englischen unter https://www.feantsa. org/download/ethos_de_2404538142298165012.pdf 21-01-24. für wohnungslose Personen, die auch „medizinisch ge- fährdet“ sind (Bean et al. 2013), mit problematischem 2. Die Forschungsergebnisse sind jedoch uneinheitlicher in Bezug auf die Auswirkungen von Housing-First-Ansätzen auf Dimensio- Drogen- oder Alkoholkonsum (Parkes et al. 2019) oder nen wie psychische Gesundheit oder soziale Eingliederung. Siehe an PTBS leiden (Van Voorhees et al. 2019). National Academies of Sciences Engineering and Medicine (2018) In Anbetracht der Vielfalt und Komplexität dieses sozi- und Keenan et al. (2020). Eine nützliche Ressource für Dienst- alen Problems und der betroffenen Gruppen können an- leistungsanbieter ist der Housing First Europe Hub unter https:// dere Peer-geleitete pädagogische Interventionen Kinder housingfirsteurope.eu/. in obdachlosen Familien ansprechen, z. B. diskutieren 3. Zu diesen breiteren sozialen Kosten könnten nun die Kosten für die öffentliche Gesundheit während der Pandemie hinzukom- Bradley et al. (2020) eine Peer-geleitete Elterninterven- men. Pawson et al. (2020: 61) weisen in einer Überprüfung der tion für obdachlose Familien in London; andere Studien australischen Politik darauf hin, dass „[w]enn wir über die Vorteile richten sich auf Schadensreduzierung bei Drogenkon- berichten, die viele wichtige COVID-19-Maßnahmen für Menschen sum und riskantem Sexualverhalten (Barman-Adhika- mit Obdachlosigkeit darstellen, müssen wir anerkennen, dass diese ri et al. 2017), oder die Nutzung von psychischen Ge- politischen und praktischen Maßnahmen das Ziel hatten, primär der Gesellschaft, nicht aber den Obdachlosen zu nutzen.“ sundheitsdiensten durch obdachlose Frauen (Duke und 4. Für andere Typologien der Beteiligung von Dienstleistungsnut- Searby 2019). zern siehe Bradfield und Eckersley (2007) sowie Phillips und Kuyini Aktuelle oder ehemals wohnungslose Expert_innen aus (2018). Erfahrung können auch zur Bildungsbildung von Fach- 5.Dies deckt sich mit einigen der untersten Sprossen von Arnsteins kräften der Sozialen Arbeit beitragen. Im Kontext der bekanntem Rahmenwerk „Leiter der Beteiligung“ (Bradfield und Debatten in der Sozialen Arbeit über Machtungleichge- Eckersley 2007). wichte und Erfahrungsdefizite von Sozialarbeiter_innen 6. Bradley et al. (2007: 24) stellen fest, dass „es viel schwieriger ist, gegenüber ihren Klient_innen diskutieren Geregová und ein Engagement mit Personen zu erreichen, die nicht ohne weiteres Frišaufová (2020) ein Modul der Sozialen Arbeit an der in eine organisierte Gruppe passen oder die sich entscheiden, sich überhaupt keiner Gruppe anzuschließen. Es wurde festgestellt, dass Masayrk-Universität in Brünn, das die Teilnahme von es schwierig ist, sich mit Personen zu beraten, die z. B. schwimmen- Langzeit-Wohnungslosen mit einer Vorgeschichte von de Unterstützung erhalten, da sie sich nicht unbedingt untereinan- Drogenmissbrauch beinhaltete. der treffen oder in ein organisiertes Kollektivorgan passen“. Schlussfolgerungen Ein Großteil der verfügbaren (englischsprachigen) For- Literatur schung deckt aus der oben diskutierten breiten Palette Barman-Adhikari, A., Hsu, H., Begun, S., Portillo, A. P., & Rice, E. von Partizipationsmöglichkeiten einen etwas engeren (2017). Condomless sex among homeless youth: the role of multidimensio- Bereich von Peer Education, Peer Mentoring und Care nal social norms and gender. AIDS and Behavior, 21(3), 688–702. Planning ab. Effektiv führt dies zu einem eher individu- Bean, K. F., Shafer, M. S., & Glennon, M. (2013). The impact of housing first and peer support on people who are medically vulnerab- alisierten und „therapeutischen“ Forschungsansatz zur le and homeless. Psychiatric Rehabilitation Journal, 36(1), 48–50. https:// Partizipation in diesen Settings. Es ist unklar, ob dies doi.org/10.1037/h0094748. eine enge Auslegung der in FEANTSA (2013) beschrie- Bradfield, H., & Eckersley, T. (2007). Service user involvement. Reaching the hard to reach in supported housing. London: Jessica Kingsley. benen Partizipationsmöglichkeiten widerspiegelt, oder ob eine breitere Praxis der Partizipation in der akade- 115
Sozial Extra 2 2021 Durchblick: Partizipation in der Wohnungslosenhilfe Bradley, C., Day, C., Penney, C., & Michelson, D. (2020). ‘Every day is Van Voorhees, E. E., Resnik, L., Johnson, E., & O'Toole, T. (2019). ‘Post- hard, being outside, but you have to do it for your child’: Mixed-methods traumatic stress disorder and interpersonal process in homeless veterans formative evaluation of a peer-led parenting intervention for homeless fa- participating in a peer mentoring intervention: Associations with program milies. Clinical Child Psychology and Psychiatry, 25(4), 860–876. benefit’. Psychological Services, 16(3), 463–474. Bramley, G., & Fitzpatrick, S. (2018). Homelessness in the UK: who is Whiteford, M. (2011). Square Pegs, Round Holes: Rough Sleeping and most at risk? Housing Studies, 33(1), 96–116. Service User Involvement? Practice, 23(1), 45–58. Busch-Geertsema, V., Edgar, B., O’Sullivan, E., & Pleace, N. (2010). Wright, J., Rubin, B. A., & Devine, J. (1998). Beside the Golden Door. Homelessness and homeless policies in Europe: lessons from research. New York: Aldine De Gruyter. Brussels: European Commission. Daly, M. (2019). ESPN Thematic Report on National strategies to fight homelessness and housing exclusion—Ireland. Brussels: European Com- mission. Duke, A., & Searby, A. (2019). Mental ill health in homeless women: a re- view. Issues in Mental Health Nursing, 40(7), 605–612. Edgar, W., Doherty, J., & Meert, H. (2003). Second review of statistics on homelessness in Europe. Brussels: FEANTSA. FEANTSA (2013). Participation Toolkit. Brussels: FEANTSA. Finnerty, J. (2018). Last resort. Cork: Cork Simon Community. Fitzpatrick, S. (2005). Explaining homelessness: a critical realist perspecti- ve. Housing, Theory and Society, 22(1), 1–17. Geregová, M., & Frišaufová, M. (2020). People with experience of long- term drug use and homelessness teaching with us: experts by experience participation in university social work education. Social Work Education, 39(3), 315–328. Homeless Network Scotland Are you all in for change? eht-all-in-for- change-2.pdf. homelessnetwork.scot Johnston, S. (2020). A working life: the continuing journey. Cork: Cork Simon Community. Keenan, C., Miller, S., Hanratty, J., Pigott, T., Hamilton, J., & Coughlan, C. (2020). Accommodation-based programmes for individuals experiencing or at risk of homelessness:a systematic review andnet work meta-analysis. London: Centre for Homelessness Impact. https://www.homelessnessim- pact.org/ Kuhn, R., & Culhane, D. (1998). Applying cluster analysis to test a typo- logy of homelessness by pattern of shelter utilization: results from the ana- lysis of administrative data. American Journal of Community Psychology, 26(2), 207–232. National Academies of Sciences Engineering and Medicine (2018). Evi- dence of effect of permanent supportive housing on health. In Permanent supportive housing: evaluating the evidence for improving health outcomes among people experiencing chronic homelessness (S. 38–57). Washington, DC: The National Academies Press. Parkes, T., Matheson, C., Carver, H., Budd, J., Liddell, D., Wallace, J., Pau- ly, B., Fotopoulou, M., Burley, A., Anderson, I., Maclennan, G. & Foster, R. (2019). Supporting Harm Reduction through Peer Support (SHARPS): tes- ting the feasibility and acceptability of a peer-delivered, relational interven- tion for people with problem substance use who are homeless, to improve health outcomes, quality of life and social functioning and reduce harms: study protocol. Pilot and Feasibility Studies, 5. Parsell, C., Petersen, M., & Culhane, D. (2017). Cost offsets of supporti- ve housing: evidence for social work. The British Journal of Social Work, 47(5), 1534–1553. Pawson, H., Parsell, C., Liu, E., Hartley, C., and Thompson, S. (2020). Australian Homelessness Monitor. Victoria: Launch Housing. Peace, N., Baptista, I. & Knutagård, M. (2019). Housing First in Europe – An Overview of Implementation, Strategy and Fidelity. Brussels and Hel- sinki: Housing First Europe Hub. Phillips, D., & Kuyini, A. B. (2018). Consumer participation at specialist homelessness services: do the homeless have a say in the services they recei- ve? International Social Work, 61(6), 1095–1115. Rutenfrans-Stupar, M., Van Der Plas, B., Den Haan, R., Van Regenmor- tel, T. & Schalk, R. (2019). How is participation related to well-being of homeless people? An explorative qualitative study in a Dutch homeless shelter facility. Journal of Social Distress and Homelessness, 28(1), 44–55. Stephens, M., Fitzpatrick, S., Elsinga, M., van Steen, G. & Chzhen, Y. (2010). Study on Housing Exclusion: Welfare Policies, Housing Provision and Labour Markets. Brussels: European Commission, Directorate-General for Employment, Social Affairs and Equal Opportunities. 116
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