WOHNEN IN DEUTSCHLAND - DATEN FAKTEN ANALYSEN - Verband der privaten Bausparkassen eV

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WOHNEN IN DEUTSCHLAND - DATEN FAKTEN ANALYSEN - Verband der privaten Bausparkassen eV
Wohnen in Deutschl_2-19.qxp_WiD 01.04.19 14:33 Seite 1

                                                         WOHNEN
                                                         IN DEUTSCHLAND
                                                         DATEN · FAKTEN · ANALYSEN

                                                         Ausgabe 2                                                                     April 2019

                          EDITORIAL
                                                         Familien zieht’s ins Umland
                                                         Die deutschen Großstädte wachsen seit Jahren rasant. Ursachen
                                                         sind die Zuwanderung aus dem Ausland und der Zuzug junger Men-
                          Bernd Hertweck
                          Vorstandsvorsitzender          schen aus dem Inland. Familien bevorzugen dagegen zunehmend
                                                         das Umland der Großstädte. Zu diesem Ergebnis kam kürzlich das
        Familien mit Kindern verlassen seit einigen      Institut der deutschen Wirtschaft (iw Köln).
        Jahren zunehmend die Großstädte, um ins
        Umland zu ziehen. Dafür gibt es unterschied-     Da die Wanderungsstatistik der auslän-         noch möglich gewesen, eine passende
        liche Gründe. Zwei gehören sicher dazu: Sie      dischen Zuwanderer durch die häufigen          Mietwohnung oder ein Eigenheim zu
        finden keine passende (größere) Mietwoh-         Umzüge der Flüchtlinge nach einer Erst-        finden. Seit 2014 verlassen immer mehr
        nung, wenn sich der Nachwuchs einstellt.         anmeldung stark überzeichnet ist, nah-         die Großstädte – Tendenz steigend. Hin-
        Und Eigenheime sind dort für normalverdie-       men die Autoren der Kurzstudie nun die         zu dürfte kommen, dass im Umland
        nende Menschen unbezahlbar geworden.             Binnenwanderung der Bevölkerung mit            vielfach Arbeitsplätze angeboten wer-
                                                         deutscher Staatsbürgerschaft ins Visier.       den. „So ist die Produktivität (Bruttoin-
        Die Politik hat sich auf den Weg gemacht,
                                                         Kernaussage: 2017 verzeichneten nur            landsprodukt je Einwohner) im Zeit-
        durch ein Bündel von Maßnahmen die Situ-         noch 14 von 71 Großstädten mit mehr            raum 2011 bis 2016 am stärksten im teil-
        ation in den angespannten Wohnungsmärk-          als 100.000 Einwohnern ein positives           urbanisierten Raum gestiegen“, erklärte
        ten zu verbessern. Was aus Sicht der Bau-        Binnenwanderungssaldo. Die sieben              das iw Köln. Vor dem Jahr 2002 wie-
        sparkassen Not tut, haben wir vielfach formu-    größten Städte verloren alle im Saldo          sen die Großstädte übrigens auch einen
        liert: mehr Bauland ausweisen und mehr           deutsche Einwohner. Der Grund: das             negativen Wanderungssaldo auf. Beige-
        nachverdichten; Baukosten senken; Bauvor-        knappe Wohnungsangebot und dem-                tragen dazu habe die damalige Eigen-
        schriften ausdünnen; Kauf-Nebenkosten sen-       entsprechend hohe Immobilienpreise             heimzulage. Sie war gerade für junge
        ken; und das Vorsparen für den Erwerb eige-      und Mieten. Bis 2013 ist es für die gro-       Eigenheimerwerber in ländlichen Krei-
        ner vier Wände stärken.                          ße Mehrzahl der Familien offensichtlich        sen sehr attraktiv.

        Das gemeinsame Bauen in Baugruppen und
        genossenschaftliche Modelle sind für viele       Trendwende beim Wanderungssaldo der Inländer
        Menschen eine attraktive Alternative. So bie-    Binnenwanderungssaldo, deutsche Staatsbürger, kreisfreie Großstädte (n=71),
        tet sich die Chance, kostengünstiger zu bau-     1995 bis 2017
        en – bei einem erhöhten individuellen Ge-
        staltungsspielraum. Zudem fördern Städte         100 000
        und Kommunen diese nachhaltige Form des
        Bauens immer mehr mit der gezielten Verga-        50 000

        be von Baugrundstücken.
                                                             0
        Wie vielfältig „Co-Living“ sein kann, wie Zu-
        kunftsforscher diesen Trend nennen, zeigen       -50 000
        wir zum wiederholten Mal in dieser Ausgabe
        von „Wohnen in Deutschland“. Als Anregung        -100 000
        und Ermutigung.

                                                                    1995 1997 1999 2001 2003 2005 2007 2009 2011 2013 2015 2017

                                                                 Quellen: Statistisches Bundesamt; Institut der deutschen Wirtschaft
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         INHALT

         „Co-Living ist nicht nur etwas für          „Wir wohnen anders“ – Interview         5     Verunsicherte Sparer                    8
         Großstädter“ – Interview              2
                                                     Ein Dorf in der Stadt mit
         Eigenheimbau im Minus                 5     verlässlicher Nachbarschaft
                                                     für Jung und Alt                        6

         INTERVIEW

         „Co-Living ist nicht nur etwas für Großstädter“
         Gespräch mit dem Trend- und Zukunftsforscher Dr. Daniel Dettling zur Zukunft des Wohnens

         Nichts ist so beständig wie der Wan-        flucht wird von der Stadtflucht abgelöst.     denheit und Verwurzelung. Viele Bewoh-
         del und Wohnen davon nicht ausge-           Erstmals seit Jahren verzeichnen die sie-     ner im ländlichen Raum fühlen sich ab-
         nommen. Wie und wo werden wir in            ben größten Städte in Deutschland kei-        gehängt und von aus ihrer Sicht abgeho-
         den nächsten Jahrzehnten leben und          nen Zuwachs mehr. Vor allem Familien          benen Städtern und dort lebenden Eliten
         wohnen? Welche Antwort haben Sie            verlassen die großen Städte, auch, aber       nicht verstanden und repräsentiert. Die
         darauf, als jemand, der von Haus aus        nicht nur aus ökonomischen Gründen. In        Große Koalition hat diesen Trend, der
         zur Zukunft des Wohnens forscht?            einem Radius von ca. 50 bis 100 Kilome-       sich in den USA, England und Frankreich
         Wir werden dort leben und wohnen, wo        tern von den Großstädten lässt sich die       als neuer Populismus darstellt, erkannt
         wir uns wohl fühlen. Die beiden Mega-       Infrastruktur leichter bewerkstelligen. Die   und versucht über eine Kommission
         trends Globalisierung und Digitalisierung   Luft ist besser, die Naherholungsgebiete      „Gleichwertige Lebensverhältnisse“, Ant-
         mit ihren Erscheinungsformen der Ent-       vor der Tür und die Anbindung an die          worten zu finden. Das Ziel ist klar: Es
         grenzung und Beschleunigung führen zu       nächstgroße Stadt ist noch gut. Seit eini-    geht um eine Aufwertung und bessere
         einer Nachfrage nach Sehnsuchtsorten,       gen Jahren zeichnet sich aber auch ein        Anbindung des ländlichen Raums und je-
         nach „Heimat“. Die Frage „Stadt oder        negativer Trend ab: Viele Bewohner auf        ner Regionen, die vom Strukturwandel
         Land“ wird künftig weniger relevant. Es     dem Land fühlen sich von der Politik          besonders betroffen sind. Es fehlt aber
         wird um das Urbane in der Provinz und       alleingelassen. Sie fühlen sich als Verlie-   noch an überzeugenden und nachhalti-
         das Dörfliche in den Städten gehen. Die     rer der neuen Veränderungen. In den           gen Antworten auf die drängenden Fra-
         Provinz wird progressiver und die Groß-     großen Städten wächst das Gefühl der          gen: Nahverkehr, Infrastruktur und Arbeit.
         stadt dörflicher. Das hat Folgen für das    Anonymität, auf dem Land das Gefühl
         Wohnen. Wohnen wird zur individuellen       des Abgehängtwerdens.                         Welche innovativen Wohnmodelle sind
         wie zur sozialen Frage der Zukunft. Le-                                                   Ihnen aus Ihrer Forschungsarbeit und
         bensqualität wird zum entscheidenden        Was hat darauf vor allem Einfluss?            Praxis bekannt? Welche haben aus Ih-
         Standortfaktor.                             Und inwiefern lässt sich aktuell darauf       rer Sicht Zukunftspotenzial?
                                                     Einfluss nehmen?                              Innovative Wohnmodelle setzen auf Ge-
         Was zeichnet sich davon schon heute         Der Gegentrend zur Globalisierung ist die     meinschaft: Gemeinschaftsräume, Ge-
         ab?                                         Glokalisierung. Viele Menschen suchen         meinschaftsautos, Gemeinschaftskochen.
         Immer mehr Menschen können sich vor-        eine Verbindung von wachsender Mobi-          Es geht um Möglichkeiten und Orte, et-
         stellen, auf dem Land zu leben. Die Land-   lität und Vernetzung und lokaler Verbun-      was zu teilen. Was wir von Car-Sharing
                                                                                                                       Fortsetzung auf Seite 3

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         im Bereich der Mobilität und Co-Working
         im Bereich des Arbeitens kennen, weitet
         sich auch auf Wohnen aus. Während die
         eigenen vier Wände und Räume tenden-
         ziell kleiner werden, wird der Gemein-
         schaftsbereich vergrößert. Wohnmodelle,
         die diesen Trend umsetzen wollen, ver-
         suchen, die Angebote zu lokalisieren.
         Möglichst viel soll von zu Hause aus und
         gemeinsam erledigt werden können: Ar-
         beit, Pflege, Engagement.

         Wie sieht für Sie der ideale Wohnort
         beziehungsweise die ideale Wohnum-
         gebung aus?
         Der ideale Wohnort bzw. die ideale
         Wohnumgebung setzen auf Harmonie
         von Wohnen, Leben und Arbeiten. Orte,
         wo man möglichst viel individuell und
         gemeinsam erledigen und erleben kann,
         ohne es zu müssen. Es geht um Orte
         und Modelle, die ein Höchstmaß an Frei-      Der Jurist und Politikwissenschaftler Dr. Daniel Dettling ist Gründer der Denkfabrik Institut
         willigkeit und Individualität mit Gemein-    für Zukunftspolitik www.zukunftspolitik.de und leitet das Berliner Büro des Zukunftsinstituts
                                                      www.zukunftsinstitut.de. Dort befasst er sich unter anderem mit den Themen Urbanisierung,
         schaftlichkeit und Nachbarschaft verbin-
                                                      Wohnen, Mobilität.                                                        Foto: Thomas Kierok
         den. Individuell, aber nicht privatisiert,
         kollektiv, aber nicht staatlich.

         Nach Co-Working gibt es nunmehr              nicht als Dauerwohnsitz, sondern als Er-         Familien, alleinlebende Ältere und Paare,
         auch Co-Living in den großen Metro-          gänzung zur Stadtwohnung gedacht.                deren Kinder schon aus dem Haus waren.
         polen – welches Lebens- und Wohn-
         modell steht dahinter? Und wäre das          Sie selbst haben sich für ein Co-Living-         Wie lebt es sich in der neuen Woh-
         auch etwas für kleinere Städte?              Modell inmitten von Berlin entschie-             nung? Was macht Ihre Wohnumge-
         Hinter „Collaborative Living“ steckt das     den – was hat Sie dazu bewogen?                  bung besonders liebens- und lebens-
         Modell des kooperativen Individualismus      (schmunzelt). Eine Mischung aus Not              wert?
         und der dezentralen Vernetzung. Woh-         und Neugierde. Wir haben lange nach ei-          Die Wohnungen und Zimmer sind sehr
         nen als dezentrales Netzwerk. Es geht        ner gut gelegenen und erschwinglichen            hell, entsprechend wenig muss man hei-
         um Selbstverwirklichung und soziales Mit-    Eigentumswohnung gesucht. Unmittelbar            zen, und ein Solardach sorgt für grünen,
         einander. „Co“ heißt nicht „Wir machen       nach der Finanzkrise vor zehn Jahren             erneuerbaren Strom zur Selbstversor-
         alles gemeinsam“, sondern die eigene         waren die Preise in Berlin auf einem             gung. Der Kiez ist sozial – noch – gut
         Wahl, gemeinsam besser zu leben. Im          Höchststand, es war viel Geld unterwegs          durchmischt, man kennt sich in der
         Co-Living ist man eher Teil eines Konnek-    und viele Wohnungen gingen zu wahn-              Nachbarschaft und den Geschäften. Die
         tivs und nicht eines Kollektivs. Co-Living   sinnigen Preisen weg. Über einen Nach-           Verkehrs- und Naherholungsanbindung
         ist nicht nur etwas für Großstädter. Sein    barn haben wir von einer Baugemein-              ist hervorragend, in 15 Minuten ist man
         Grundgedanke, wonach man sich Räume          schaft erfahren, die ein größeres Grund-         mitten im Regierungsviertel. Das Schöns-
         und Flächen teilt, ist auch auf kleinere     stück direkt am alten Flughafen in Tem-          te an dem Projekt ist ein großer Gemein-
         Städte und sogar Dörfer übertragbar. Aus     pelhof gekauft hat. Wir haben sofort             schaftspark. Mitten in Berlin so viel Platz
         Kuh-Dörfern werden Ko-Dörfer. Groß-          unterschrieben, obwohl unsere Haus-              und Grün für Kinder und Erwachsene!
         stadtmüde Architekten und Künstler ha-       bank nur mit dem Kopf geschüttelt hat:           Allein wäre das nicht machbar gewesen.
         ben sich beispielsweise in Brandenburg       „Eine Baugemeinschaft als GbR? Sind Sie          Gemeinsam lebt es sich günstiger, ange-
         zusammengetan und wollen im näch-            wahnsinnig??“ In den ersten Versamm-             nehmer, aber auch anstrengender.
         sten Jahr ein gemeinsames neues Dorf         lungen haben wir dann die Mitstreiter
         bauen. Das Betreibermodell ist eine Ge-      und künftigen Nachbarn kennengelernt.            Wenn Sie heute im Internet inserieren
         nossenschaft. Die neuen Häuser sind          Die Mischung hat uns gefallen: jüngere           und nach neuen Mitstreitern suchen
                                                                                                                             Fortsetzung auf Seite 4

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         würden, weil vielleicht jemand ausge-              nicht möglich, Katzen sind dafür reichlich       kannt, dass immer mehr Menschen nach
         zogen ist, was stünde dort über Ihr                vorhanden.“                                      neuen Möglichkeiten und Modellen su-
         Projekt? Und was müssten umgekehrt                                                                  chen, günstig und gemeinsam zu woh-
         Interessenten über den finanziellen                Derzeit reservieren Städte zunehmend             nen. Wohnen ist eine soziale Frage im
         Anteil hinaus „mitbringen“?                        kommunales Bauland für Baugrup-                  doppelten Sinn: finanziell wie solidarisch.
         „Baugemeinschaft sucht soziale Individu-           pen, Beispiele sind Hamburg, Mün-                In einer zunehmend individualisierten,
         alisten zum gemeinsamen Wohnen und                 chen, Ulm. Ist das ein Trend bezie-              bunten und älter werdenden Gesellschaft
         Leben mitten in Berlin. Erwartet werden            hungsweise ein Zukunftsmodell für                suchen die Menschen nach neuen Bin-
         Neugierde, zeitweiliges Engagement und             das Wohnen?                                      dungen und Freiheiten jenseits der alten
         Interesse an Entwicklungen auch außer-             Ob es ein genereller Trend ist, muss sich        Muster wie der privaten Kernfamilie.
         halb der eigenen vier Wände. Hunde                 noch zeigen. Die genannten Städte sind           Nicht nur Wohnen, auch Familie erweitert
         sind aufgrund des Gemeinschaftsgartens             zumindest Trendsetter und haben er-              sich. Nachbarn gehören neu dazu.

                                                                               Foto: Blaufisch Architekten                      Foto: Erik-Jan Ouwerkerk

             Einzug der großen Baugemeinschaft „Tempelhofer Berg“ in das Mehrfamilienhaus im Berliner Bezirk Tempelhof-Schöneberg war vor gut
             sechs Jahren. „Die Kosten sind nicht aus dem Ruder gelaufen, die Kalkulation war somit realistisch“, sagt Daniel Dettling als einer von rund
             110 Bewohnern. „Nach anfänglichen Reibereien hat sich der Alltag einschließlich der Nutzung der Gemeinschaftsflächen geregelt.“ Es gibt
             diverse AGs: Garten, Gemeinschaftsraum. „Jeder kann, muss aber nicht mitwirken und sich einbringen.“
             Die wichtigsten Erfahrungen aus der Bauphase für Daniel Dettling: „Es geht um die richtige Mischung aus Leben, Arbeiten und Wohnen. Das
             bedeutet, offen über Zielkonflikte und Bedürfnisse zu sprechen. Und es geht darum, vorsorgend zu planen: Welchen Platz brauchen wir, was
             wird, wenn die Kinder aus dem Haus sind oder einer pflegebedürftig wird?“
             Die Größe der 46 Wohnungen in dem siebenstöckigen Haus bewegt sich zwischen 35 und 180 Quadratmeter Wohnfläche: jede mit indivi-
             duellem Grundriss, entwickelt nach den Bedürfnissen der Bewohner. Das betrifft etwa den Wunsch nach Teilung, beispielsweise nach Auszug
             der Kinder, so dass sich die Wohnungsanzahl auf 50 Einheiten erweitern lässt. Zu jeder Wohnung gehört viel Außenraum mit großen Balkonen
             und vor der gesamten Südfassade laufenden Stegen. Alle Bewohner zusammen haben eine 35 qm Wohnung als gemeinschaftlichen Kul-
             turraum im Erdgeschoß gebaut. Das KfW-55-Haus nutzt Geothermie und Photovoltaik, hat ein begrüntes Dach und eine kontrollierte zentrale
             Lüftungsanlage.
             Das Mehrfamilienhaus in der Nähe des ehemaligen Flughafens Berlin-Tempelhof – geplant und gebaut von Margit Renatus und Björn Götte
             vom Büro Blaufisch-Architekten – ist Bestandteil eines neuen Stadtquartiers für insgesamt mehr als 650 Bewohner, das die Architektin ge-
             meinsam mit drei Kollegen der Stadtquartier Friesenstraße GbR entwickelt hat.

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WOHNEN IN DEUTSCHLAND - DATEN FAKTEN ANALYSEN - Verband der privaten Bausparkassen eV
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         WOHNUNGSMARKT

         Eigenheimbau im Minus
         Die Zahl der Wohnungsbaugenehmigungen ist 2018 zum zweiten Mal hintereinander gesunken. Während
         es im klassischen Mietwohnungsbau noch ein Plus gab, war im Eigenheimbau erneut ein Rückgang zu
         verzeichnen.

         Insgesamt belief sich der Rückgang zwar        waren jedoch erneut Rückgänge von 1,0       pitalanleger entfallen, die im „Betongold“
         nur auf 0,2 Prozent. 2017 hatte es gegen-      bzw. 6,5 Prozent festzustellen – nach 5,0   einen sicheren Hafen suchen.
         über dem Vorjahr noch ein Minus von 7,3        bzw. 2,7 Prozent im Jahr 2017 gegenüber
         Prozent gegeben. Ein Plus – und zwar von       2016. Einen Zuwachs von 6,5 Prozent ver-    Hauptpfeiler des Wohnungsbaus bleibt
         3,1 Prozent nach 3,5 Prozent im Vorjahr –      meldete das Statistische Bundesamt zwar     trotzdem der klassische Eigenheimbau.
         gab es bei Mehrfamilienhäusern ohne Ei-        bei den Eigentumswohnungen. Im Vorjahr      Die Zahlen zeigen jedoch: Neue Impulse
         gentumswohnungen. Bei 1- und 2-Familien-       gab es einen Rückgang von 4,9 Prozent.      für die Wohneigentumsbildung sind drin-
         häusern, also im klassischen Eigenheimbau,     Der größte Teil davon dürfte aber auf Ka-   gend gefragt.

          Wohnungsbaugenehmigungen 2018 im Vergleich zu 2017
                                                                       89.850
                       1-Familienhäuser                                90.779                            2018
                                                                                                         2017
                                                      20.800
                       2-Familienhäuser               22.240

                                                                     83.700
           Eigentumswohnungen (ETW)                                 78.589

                                                                         96.970
         Mehrfamilienhäuser ohne ETW                                    94.041

                                                                                                                                      347.290
                 Wohnungen insgesamt                                                                                                  348.128

         Quelle: Statistisches Bundesamt (gerundete Zahlen)

         INTERVIEW

         „Wir wohnen anders“
         Das sagen auch noch nach fast neun Jahren 25 Mietparteien von sich, die unter dem genossenschaft-
         lichen Dach des Bau- und Sparvereins Dortmund ihr neues Zuhause in der Ruhr-Metropole gemeinsam
         geplant und gebaut haben. Dazu das Interview mit Elke Theißen, Architektin und Bewohnerin.

         Wie sind Sie zu dem Projekt „Wir woh-          mit Kind, wünscht man sich ein etwas        statt irgendwo im Obergeschoss zu woh-
         nen anders“ gekommen?                          geschützteres Umfeld, auch mit anderen      nen. Bei den offenen Treffen der Kern-
         Eher zufällig. Davon erfahren habe ich         Kindern. Der Traum war schon immer,         gruppe, die sich schon formiert hatte, ha-
         kurz nach der Elternzeit und bin hellhörig     selbst einen Garten zu haben oder zu-       ben wir – mein Partner und ich – erst
         geworden. In dieser familiären Situation,      mindest den Bezug zum Außenraum,            einmal zugehört, schließlich Interesse be-
                                                                                                                        Fortsetzung auf Seite 6

                                                                                                                                             5
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         Fortsetzung von Seite 5

         kundet. Die Gruppe hat kurz überlegt         Welche Änderungswünsche haben Sie           mals vor acht Jahren noch am oberen
         und gesagt: Passt. So war das Prozedere      angemeldet?                                 Rand. Mittlerweile liegen wir damit eher
         2006. Da war mein Sohn ein Jahr alt. Mit     Unsere Wohnung von 92 Quadratmetern         in den oberen zwei Dritteln.
         Planen und Bauen vergingen bis zum           reicht über zwei Etagen – wie ein kleines
         Einzug noch einmal vier Jahre.               Reihenhaus. Auf das zusätzliche WC un-      Was hat sich für Sie mit dem Einzug in
                                                      ten haben wir dabei verzichtet und dar-     die neue Wohnung außerdem verändert?
         Inwiefern konnten die künftigen Be-          aus eine Art begehbare Garderobe ge-        Der Mehrwert für uns war insbesondere
         wohner der Genossenschaftswohnun-            macht, in der auch die Waschmaschine        die neue und engere Nachbarschaft. Das
         gen beim Hausbau mitreden?                   Platz hat. Eine Grundrissänderung geht      haben wir gesucht. Auch in der normalen
         Wir sind ein altersgemischtes Haus – der     aber immer nur vorbehaltlich der Zustim-    Mietwohnung baut man Kontakte auf.
         Jüngste ein Jahr, die Älteste über 80. Die   mung der Architekten, die das als ver-      Aber es dauert länger. In einem Wohnpro-
         Architekten haben die gewünschten Grö-       nünftig vermietbare Wohnung abnicken.       jekt gibt es diesbezüglich schon von vorn-
         ßen abgefragt und danach Entwürfe zum                                                    herein Konsens. Man will Kontakt. Man
         Beispiel für typische Familien- oder Sin-    Wollen Sie auch über den Mietpreis          muss nicht vorsichtig vorfühlen. Zu dieser
         glewohnungen gemacht. Festgeplant            sprechen?                                   Prämisse kommen sehr viele Anknüp-
         wurden zunächst nur die nötigsten tra-       Das ist nicht geheim. Wir zahlen pro        fungspunkte über Interessen und Hobbys.
         genden Wände. Alles andere konnte mit-       Quadratmeter 7,50 Euro netto kalt. Das      Darüber findet man in unterschiedlichen
         bestimmt werden. Das ging allerdings         war auch eine Grenze, die wir uns als       Konstellationen in der Nachbarschaft zu-
         nur, wenn man rechtzeitig zur Bauge-         Baugruppe gesetzt und hierzu Einver-        sammen. Damit meine ich auch die be-
         meinschaft gestoßen war. Denn dieser         ständnis mit dem Vermieter erreicht ha-     nachbarte Eigenheimsiedlung, wo haupt-
         Prozess muss frühestmöglich abgeschlos-      ben. Bei den Investitionen wurde diese      sächlich Familien mit Kindern wohnen.
         sen werden, damit die Planungen weiter-      Vorgabe berücksichtigt. Wir kommen auf      Die Aktivitäten reichen kreuz und quer
         gehen können.                                gut zehn Euro Warmmiete. Das war da-        durch diese beiden Teile des Projekts.

                                                                                                                      Fortsetzung auf Seite 7

              Ein Dorf in der Stadt mit verlässlicher Nachbar-
              schaft für Jung und Alt
              Entstanden ist das gemeinschaftliche Wohnquartier „WIR wohnen anders“ innenstadtnah im grünen
              Süden von Dortmund. Die Wohnanlage kombiniert Miet- und Eigentumswohnungen für Alleinerzie-
              hende, Familien, Paare und Singles unterschiedlichen Alters.

              Den Kern des Quartiers bildet ein dreigeschossiges Mehrfa-       sorgt, zu dem auch 13 Doppel- und Einfamilienhäuser im
              milienhaus mit 25 Mietwohnungen. Bauherr und Eigentümer          Wohneigentum gehören. Sie gruppieren sich um das große
              ist die Genossenschaft Spar- und Bauverein eG Dortmund.          Mehrfamilienhaus.
              Einzug war 2010. Die Mieter waren bereits am Planungspro-
              zess beteiligt. Die Grundrisse der zwischen 56 und 92 Qua-       Eine Fahrradgarage sowie ein Waschsalon im Dachgeschoss
              dratmeter großen Genossenschaftswohnungen wurden dabei           stehen allen Bewohnern des Mehrfamilienhauses zur Verfü-
              individuell angepasst.                                           gung und der Gemeinschaftsraum für Feiern und Gäste dar-
                                                                               über hinaus auch den Nachbarn aus dem Wohneigentum of-
              Alle Wohnungen und Freibereiche in dem Mehrfamilienhaus          fen. Der Innenhof zwischen beiden Gebäudeteilen lässt viel
              sind barrierefrei erreichbar. Ein Aufzug und Galerien zwischen   Raum für Begegnungen. Jede Wohnung besitzt außerdem ei-
              beiden Gebäudeflügeln machen es möglich. Es ist ein KfW-         nen privaten Freibereich als Garten, Wintergarten oder Ter-
              40-Niedrigenergiehaus. Seine Holzpellet-Heizzentrale mit So-     rasse auf der – von der grünen Mitte – abgewandten Seite.
              larthermie-Unterstützung sorgt im Zusammenwirken mit einer
              Photovoltaikanlage für eine CO2-neutrale Wärmeerzeugung.         „Die Grundidee bei dem Projekt war es, ein ‚Dorf in der
              Über ein Nahwärmenetz wird das gesamte Quartier mitver-          Stadt!‘ zu realisieren, einen Ort mit verlässlicher Nachbar-

         6
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         Fortsetzung von Seite 6

                                                         schön gestalten. Was die Freizeit betrifft:     Woran denken Sie da?
                                                         Ein Nachbar und Filmfan bietet beispiels-       Wir haben eine sehr schöne Anlage mit
                                                         weise im Pantoffelkino monatlich drei Fil-      zwei Möglichkeiten, draußen zu sitzen –
                                                         me zur Auswahl, Gespräche darüber in-           einmal die Zugangsseite, wo jeder durch-
                                                         klusive. Wir haben einen Beamer und             geht, wenn er nach Hause kommt. So
                                                         Verdunkelungsvorhänge für den Gemein-           dass man vielleicht ein paar Worte wech-
                                                         schaftsraum angeschafft. Das hat dann           seln, sich verabreden kann. Und eine pri-
                                                         schon etwas von Kinoatmosphäre. Über            vate Seite – wenn man gerade nicht in
                                                         die Grenzen des Mietshauses hinaus hat          der Stimmung dazu ist. Dort, in meinem
                                                         sich eine kleine Band gefunden, die dort        kleinen durchgrünten Garten, kann ich
                                                         probt. Ein Nachbar, der gern wandert,           mich im Liegestuhl hinter Hecken ausru-
                                                         nimmt Interessenten mit. Ein anderer or-        hen, ohne dass mich jemand stört oder
                                                         ganisiert Paddeltouren auf Ruhr oder Lip-       auch nur sieht. Setzt man sich auf die an-
                                                         pe und eine Nachbarin einmal im Jahr            dere Seite, ist das auch ein Signal: Man
                                                         ein Walking-Dinner, wo man von Woh-             darf sich dazusetzen. Das ist eine schöne
                                                         nung zu Wohnung wandert, gemeinsam              Sache, die die Architektur uns hier anbie-
         Elke Theißen          Foto: Thomas Schmidt      kocht und isst. Das alles nach dem Mot-         tet und die auch gut funktioniert.
                                                         to: Man kann. Nichts muss. Und diese            Die letzten Male, als wir aus dem Urlaub
                                                         Freiheit ermöglicht es auch, dass man           kamen – die Koffer waren noch nicht ein-
         Bei welcher Gelegenheit trifft man              gern daran teilnimmt. Noch mehr als sol-        mal aus dem Auto raus – da wurden wir
         sich denn?                                      che Highlights, die über eine Rundmail          schon dazu gebeten an die Tische drau-
         Der Frühjahrsputz gehört zu den Pflicht-        angekündigt werden, gefällt mir aber            ßen, wo Nachbarn saßen und grillten.
         veranstaltungen, die wir für uns aber           das, was sich eher zufällig ergibt.

         Innenhof und Galerien bieten Raum für Begegnung                       Haupteingang zum Mehrfamilienhaus, zugleich auch ein Treffpunkt
                   Foto: Cornelia Suhan, Architektur: post welters + partner             Foto: Gerd P. Müller, Architektur: post welters + partner

         schaft für Jung und Alt“, informiert der Online-Internetführer        Für Planung und Umsetzung des Quartiers „WIR wohnen an-
         Architektur und Ingenieurbaukunst in Nordrhein-Westfalen.             ders“ zeichnet das Architektur- und Stadtplanungsbüro post
         Initiiert und mitgetragen wurde das Vorhaben vom Verein für           welters + partner aus Dortmund verantwortlich. Bis nach
         generationsübergreifendes Wohnen in Dortmund W.I.R., der              Tokio, zum Weltkongress der Architektur, hat es das inzwi-
         in der Stadt schon mehrere Gemeinschaftsprojekte zur Miete            schen mehrfach ausgezeichnete Projekt geschafft. Gezeigt
         und im Eigentum auf den Weg gebracht hat. Das Kürzel steht            wurde es dort 2011 in der begleitenden Ausstellung „Archi-
         dabei für „Wohnen innovativ realisieren“.                             tecture for all“.

                                                                                                                                                     7
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          SPARVERHALTEN

         Verunsicherte Sparer
          – Frühjahrsumfrage 2019 der privaten Bausparkassen –

         Mini-Zinsen und steigende Immobilienpreise verunsichern die deutschen Sparer. Das ist das wesentliche
         Ergebnis der Frühjahrsumfrage 2019 zum Sparverhalten der Bundesbürger. Kantar TNS befragte dazu im
         Auftrag des Verbandes der Privaten Bausparkassen zum 65. Mal über 2.000 Bundesbürger im Alter von
         über 14 Jahren.

         „Die Mini-Zinsen drücken auf die Stim-      diener dringend ein ermutigendes Spar-      Das Sparmotiv „Kapitalanlage“ kommt
         mung der Altersvorsorge-Sparer“. So kom-    signal. König: „Der Beschluss der Koali-    durch ein Minus von einem Prozentpunkt
         mentierte der Hauptgeschäftsführer des      tion für eine verbesserte Ansparhilfe       auf einen Wert von 26 Prozent. Das Spar-
         Verbandes der Privaten Bausparkassen,       sollte noch 2019 umgesetzt werden. Die      motiv „Notgroschen“ erreicht 5 Prozent –
         Christian König, die jüngste Umfrage.       Menschen müssen wieder das Gefühl           nach 4 Prozent in der letzten Umfrage.
         Zwar rangiert das Sparmotiv „Altersvor-     bekommen: Mein Traum muss kein              Ein Plus von immerhin 2 Prozentpunkten
         sorge“ mit 53 Prozent immer noch auf        Traum bleiben.“                             auf 4 Prozent gibt es beim Sparmotiv
         dem ersten Rang. Gegenüber der letzten                                                  „Ausbildung der Kinder“.
         Umfrage vom Herbst 2018 bedeutet dies
         aber einen Rückgang um 4 Prozentpunk-
         te. Ebenfalls 53 Prozent erreicht das
         Sparmotiv „Konsum/Langfristige Anschaf-     Sparmotive der Bundesbü rger
         fungen“ – nach zuvor 55 Prozent.            Frühjahrsumfrage 2019; durchschnittliche Anteile in %*

         Einen Rückgang um 5 Prozentpunkte                Altersvorsorge                                                                  53
         auf 35 Prozent zeigt sich beim Sparmo-
                                                               Konsum                                                                     53
         tiv „Wohneigentum“. „Vielerorts stark
         steigende Immobilienpreise sind für             Wohneigentum                                              35
         Haushalte, die sich schwertun, die               Kapitalanlage                                 26
         Schwelle zum Wohneigentum zu über-                Notgroschen          5
         winden, eine Motivationsbremse“, so         Ausbildung Kinder         4
         König. Weil mangelndes Eigenkapital
         die größte Hürde beim Wohneigentum-         * Die Summe der Prozentanteile ergibt wegen Mehrfachnennungen mehr als 100 Prozent
         serwerb darstelle, bräuchten Normalver-     Quelle: Kantar

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         Für den Inhalt verantwortlich: Alexander Nothaft                  Telefon: (030) 59 00 91-523 · E-Mail: nothaft@vdpb.de
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